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Einleitung

1. Deutsche Friedensnobelpreise als Forschungsthema In der 113-jährigen Geschichte des Friedensnobelpreises haben vier Deutsche die Auszeichnung erhalten: 1926, 1927, 1936 (für 1935) und 1971. Schon ein Blick auf die Jahreszahlen lässt aufmerken. Deutsche sind erst re- lativ spät ausgezeichnet worden, obwohl die Preisträger lange Zeit überwiegend aus Europa und den USA kamen. Auf das deutsche Kaiserreich, das vom Aus- land nur als chauvinistischer Militärstaat wahrgenommen wurde, ist kein einzi- ger Friedensnobelpreis entfallen. Österreich besaß dagegen mit Bertha von Sutt- ner (1905) und Hermann Fried (1911) bereits zwei Preisträger vor dem Ersten Weltkrieg. Frankreich erhielt mehr als doppelt so viele Preise zugesprochen wie Deutschland, wurde dabei aber noch weit übertroffen von Großbritannien und den USA mit 12 bzw. 21 Auszeichnungen. Auch im Vergleich mit den Nobel- preisen, die Deutsche in der Physik, Chemie, Medizin und Literatur errungen haben, nimmt sich die Zahl der Friedenspreise ausgesprochen bescheiden aus. Brandts Auszeichnung ist der 56. Nobelpreis gewesen, der an Deutschland fiel. Ganz offensichtlich hat sich das norwegische Nobelkomitee bei der Suche nach qualifizierten deutschen Kandidaten sehr viel schwerer getan als die schwedi- schen Nobelkomitees. Sowohl die überschaubare Zahl deutscher Friedensnobelpreise als auch die Zusammensetzung der Preisträger spiegelt die weit verbreitete Einschätzung des Auslandes wider, dass die Friedensbewegung in Deutschland im Gegensatz zu anderen europäischen Ländern nur eine begrenzte gesellschaftliche Wirksamkeit entfalten konnte. Mit Gustav Stresemann und Willy Brandt wurden gleich zwei Politiker ausgezeichnet, die keine Pazifisten gewesen sind. Auch Carl v. Os- sietzky hatte im organisierten Pazifismus nur eine Nebenrolle gespielt. Am ehes- ten entsprach noch Ludwig Quidde dem Idealbild eines Kandidaten für den Friedensnobelpreis, doch auch seine Wahl ist keineswegs selbstverständlich ge- wesen.

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Welche besonderen Verdienste haben sich also die vier Deutschen um den Frieden in der Welt und das Wohl der Menschheit erworben, die das Nobelko- mitee veranlassten, sich trotzdem für sie zu entscheiden? Eine Beantwortung dieser Frage muss bei ihren wechselvollen Lebensläufen und ihrem Friedensen- gagement ansetzen. In den biographisch-historischen Teilen richtet sich das Hauptaugenmerk auf die Lebensabschnitte, die für die spätere Zuerkennung des Friedensnobelpreises von besonderer Relevanz gewesen sind, um sowohl ein Bild von der Persönlichkeit der deutschen Preisträger als auch eine Vorstellung von den Herausforderungen, den Widerständen und den Zumutungen zu gewin- nen, denen sie sich stellen mussten. Die Entscheidungen für die vier deutschen Kandidaten waren auf das Engste mit dem dramatischen Zeitgeschehen im 20. Jahrhundert verwoben. Strese- manns und Quiddes Preise fielen in die von Parteikämpfen zerrissene Weimarer Republik, Ossietzkys Preis in die Zeit der nationalsozialistischen Gewalt- und Terrorherrschaft, Brandts Preis in das aufgeheizte innenpolitische Klima der Bundesrepublik Deutschland nach dem Machtwechsel von 1969. In der Beurtei- lung der deutschen Preise schwankten die zeitgenössischen Beobachter je nach politischem Standpunkt zwischen Anerkennung und Ablehnung. Sowohl in Deutschland als auch in Norwegen lösten die spektakulären Entscheidungen des Nobelkomitees erbitterte Kontroversen aus. Diese Polarisierung aber machte Friedensnobelpreise zu politischen Preisen mit beachtlichen Ring- und Rückwirkungen auf die deutsche Politik, auf das Verhältnis zwischen Deutschland und Norwegen und auf die Arbeit des Nobelkomitees. Ein Nobelpreisjahr durchläuft idealtypisch fünf Phasen, welche die theore- tische Grundlage für den eigentlichen Forschungsteil dieser Studie bilden: Pha- se 1: Nach Ablauf der Vorschlagsfrist am 31. Januar erstellt das Komitee eine Kandidatenliste und verständigt sich darauf, welche Kandidaten begutachtet werden sollen. Phase 2: Diese Gutachten bilden die Grundlage für die späteren Beratungen. Darüber hinaus können die Gutachter auch durch persönliche Kon- takte zu den Komiteemitgliedern Einfluss auf die Entscheidungen nehmen. Pha- se 3: Sobald die Gutachten vorliegen, nimmt das Komitee seine geheimen Bera- tungen auf, um den “besten” Kandidaten zu finden. Die Entscheidung fällt übli- cherweise erst kurz vor der öffentlichen Bekanntgabe. Phase 4: Trotz der Ver- schwiegenheit des Nobelkomites und der strikten Geheimhaltung dringen wäh- rend des gesamten Vorschlags- und Beratungsprozesses Namen von vorge- schlagenen oder gewünschten Kandidaten in die Öffentlichkeit. An ihnen kön- nen sich erste Kontroversen entzünden. Sobald das Nobelkomitee den Namen des neuen Friedensnobelpreisträgers bekannt gegeben hat, versucht die Presse, erste Reaktionen der Preisträger, Stellungnahmen von Prominenten und Stim- men aus der Bevölkerung einzufangen. Die Zeitungen berichten ausführlich von

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dem Ereignis, widmen dem Preisträger umfangreiche Porträts und kommentie- ren vor allem die Entscheidung des Nobelkomitees. Diese Kommentare können sich zu ernsthaften Kontroversen aufschaukeln. Phase 5: Mit der Preisverlei- hung endet das Friedensnobelpreisjahr. Das heutige feierliche Zeremoniell im Osloer Rathaus hat sich erst seit 1990 herausgebildet. Davor fanden die Feier- lichkeiten in den Räumlichkeiten des Nobelinstituts oder in der Aula der Uni- versität statt. Die Auszeichnung ausländischer Persönlichkeiten, die hohe politi- sche Ämter bekleiden, wertet die Friedensnobelpreisfeier zu inoffiziellen Staats- besuchen oder Regierungstreffen auf. Der hier umrissene Friedensnobelpreiszyklus lieferte die Folie, um sowohl den Vorschlags- und Entscheidungsprozess als auch den Verlauf des öffentli- chen Meinungsstreits in Deutschland und Norwegen und die Folgen der deut- schen Preise eingehender zu untersuchen:  Wer hat die deutschen Preisträger vorgeschlagen, wie waren die Vor- schläge begründet und welche Motive standen dahinter?  Wer hat die deutschen Kandidaten begutachtet, wie fielen diese Gutachten aus und welche Empfehlungen waren mit ihnen verbunden?  Inwieweit versuchten die Gutachter, durch informelle Kontakte Einfluss auf die Beratungen des Komitees zu nehmen?  In welchem Umfang versuchten Zeitungen, Interessengruppen und staatli- che Stellen, Einfluss auf die Entscheidungen des Nobelkomitees zu neh- men, welche Gründe haben sie dazu bewogen und welche Mittel haben sie bei der Verfolgung ihrer Ziele eingesetzt?  Wie verteilten sich die Sympathien auf die in die engere Wahl gezogenen Kandidaten im Komitee, und welche Gründe gaben am Ende den Aus- schlag zugunsten der deutschen Kandidaten?  Inwieweit hat das Nobelkomitee bei seinen Entscheidungen Rücksicht auf die öffentliche Meinung und die norwegischen Staatsinteressen genom- men oder der versuchten Einflussnahme von außen nachgegeben?  Wie haben sich die deutschen Preisträger privat und öffentlich über ihre Auszeichnung geäußert?  Wie reagierten Zeitungen, Interessengruppen oder auch staatliche Stellen auf die Entscheidungen des Nobelkomitees?

11  Welchen Verlauf nahmen die deutsch-norwegischen Treffen anlässlich der Nobelpreisverleihung?  Wie wirkte sich der Friedensnobelpreis auf die bilateralen Beziehungen zwischen Deutschland und Norwegen aus? Die vier Kapitel über die deutschen Friedensnobelpreisträger werden jeweils durch einen Bildteil ergänzt, der wichtige Momente ihrer Friedensarbeit und der Ereignisse rund um die Preisverleihung illustriert. Vorangestellt ist der Studie eine kurze Einführung in die Stiftung und die allgemeine Vergabepraxis, wie sie sich im Laufe der mehr als hundertjährigen Geschichte des Friedensnobelpreises herausgebildet hat. Die Studie schließt mit neun Thesen, die die wichtigsten Er- gebnisse zusammenfassen und auch das Erinnern und Gedenken an die deut- schen Friedensnobelpreisträger Stresemann, Quidde, Ossietzky und Brandt the- matisieren.1

2. Literatur In den vergangenen beiden Jahrzehnten hat die Forschung verstärkt begonnen, die Geschichte des Friedensnobelpreises und der deutschen Friedensnobelpreis- träger aufzuarbeiten. Einen zuverlässigen Überblick über die bisherigen Friedensnobelpreisträger leistet der von Øivind Stenersen, Ivar Libæk und Asle Sveen herausgegebene Jubiläumsband “Nobels fredspris. Hundre år for fred. Prisvinnere 1901–2000” (2001).2 Das moderne Standardwerk ist aus den Quellen gearbeitet und geht de- tailliert auf die näheren Umstände der Nobelpreisverleihung ein. Lebendige Ein- führungen in Leben und Werk der deutschen Friedensnobelpreisträger vermit- teln die umfänglichen Artikel von Kurt Sontheimer (Stresemann), Karl Holl (Quidde), Harry Pross (Ossietzky) und Klaus Harpprecht (Brandt) in dem von

1 Der Autor dankt Dr. Anneliese Pitz und Prof. John Ole Askedal für die sorgfältige sprach- liche Durchsicht des Manuskriptes. 2 Vgl. zu Stresemann S. 96–99, zu Quidde S. 102–103, zu Ossietzky S. 120–122 u. zu Brandt S. 194–197. Dieser Band liegt auch in englischer Übersetzung vor: The . One hundred years for peace. Laureates 1901–2000. : Cappelen, 2001. Inzwischen ist auch eine Fortsetzung erschienen: dies.: The Nobel Peace Prize. One hundred years for peace. Laureates 2001–2011. Addendum. [Oslo]: Nobel Peace Center, 2012. Darüber hinaus haben sich die Autoren auch intensiv mit den Entscheidungsprozes- sen bis zum Ausbruch des Zweiten Weltkrieges auseinandergesetzt. Vgl. Libbæk, Ivar, Sveen Asle u. Øivind Stenersen: The Nobel Peace Prize, 1901–1939: The Decision- Making Process, in: Peace & Change. A Journal of Peace Research. Bd. 26. Nr. 4. Oktober 2001, S. 443–487.

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Michael Neumann herausgegebenen monumentalen mehrbändigen Werk “Der Friedens-Nobelpreis von 1901 bis heute” (1989). Deutlich kritischer fallen dem- gegenüber die Beiträge von Jost Dülffer (Stresemann), Karl Holl (Quidde), Wolfgang Wippermann (Ossietzky) und Bernd Rother (Brandt) in dem kürzlich von Hans Kloft herausgegebenen Sammelband “Friedenspolitik und Friedens- forschung. Die Friedensnobelpreisträger aus Deutschland” (2011) aus. Beide Veröffentlichungen sind jedoch mit dem Nachteil verbunden, dass nur Holl in seinen Beiträgen zu Quidde ausführlicher auf den Nobelpreis eingeht. Bislang ist nur selten versucht worden, die deutschen Friedensnobelpreisträ- ger in eine Gesamtperspektive einzuordnen. In seinem anregenden Aufsatz “Kri- sen und Umbrüche. Die deutschen Friedensnobelpreisträger im Widerstreit der öffentlichen Diskussion”, der in einem Tagungsband zu Ludwig Quidde er- schienen ist, setzt Heinz Duchhardt die deutschen Friedensnobelpreise in Bezie- hung zu den wechselvollen politischen Zeitereignissen des 20. Jahrhunderts.3 Einen anderen Zugang wählten Thomas Sirges und drei norwegische Studieren- de des Masterstudiums “Deutsche Kulturkunde”, indem sie in einem kleinen, für einen deutsch-norwegischen Ausstellungskatalog verfassten Beitrag “Von Stre- semann bis Brandt. Die deutschen Friedensnobelpreisträger”4 auf die Begleit- umstände der Verleihung der deutschen Friedensnobelpreise näher eingehen. Ihren festen Platz besitzen die Friedensnobelpreise in den einschlägigen Biographien. Dabei ergibt sich ein zweigeteiltes Bild. Die Biographen der Pazifisten Quidde und Ossietzky gehen sehr ausführlich auf die Verleihung der Friedensnobelpreise ein. Vorbildlich ist das von den bei- den Quidde-Biographen Karl Holl und Torsten Quidde gelöst worden. Beide ziehen umfangreiches Quellenmaterial aus dem Bundesarchiv, Koblenz und an- deren Archiven und Bibliotheken heran; ersterer greift sogar auf norwegische Quellen aus dem Nobelinstitut und der Nationalbibliothek, Oslo zurück. Aus- führlich gehen auch die Ossietzky-Biographen auf den Preis ein. Sowohl der vorzügliche Bild- und Quellenband von Richard von Soldenhoff “Carl von Os- sietzky. 1889–1938. Ein Lebensbild. ‛Von mir ist weiter nichts zu sagen’” (1988) als auch die Biographien von Elke Suhr (1988),5 Gerhard Kraiker und

3 In: Michael Matheus (Hg.): Friedensnobelpreis und historische Grundlagenforschung. Lud- wig Quidde und die Erschließung der kurialen Registerüberlieferung. : De Gruyter, 2012, S. 1–12. 4 In: Bernd Henningsen (Hg.) (u. M. v. Frauke Stuhl und Jan Hecker-Stampehl): Hundert Jahre deutsch-norwegische Begegnungen. Nicht nur Lachs und Würstchen. Berlin: Berli- ner Wissenschaftsverlag, 2005, S. 91–94. 5 Vgl. E. Suhr: Carl von Ossietzky. Eine Biographie. Köln: Kiepenheuer & Witsch, 1988, S. 226–248.

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Elke Suhr (1994)6 sowie Wilhelm von Sternburg (1996)7 räumen dem Friedens- nobelpreis sehr viel Platz ein. Anders verhält es sich dagegen bei den Politikern Stresemann und Brandt. Jonathan Wright ist in seiner Biographie “Gustav Stresemann 1878–1929. Wei- mars größter Staatsmann” (2006) die Bekanntgabe der Preisverleihung gerade einmal einen Halbsatz wert; er geht aber ausführlicher auf die Rede in Oslo ein.8 Peter Merseburger widmet dem Friedensnobelpreis in seiner Biographie “Willy Brandt. 1913–1992. Visionär und Realist” (22002) mehr Platz, doch erreicht die Darstellung nicht den Standard der Quidde-Biographien.9 In der wissenschaftlichen Forschung hat bislang Ossietzky die größte Auf- merksamkeit auf sich gezogen, was den besonders dramatischen Umständen sei- nes Friedensnobelpreises geschuldet ist. Die internationale Ossietzky-Kampagne ist ausführlich in dem von Frithjof Trapp, Knut Bergmann und Bettina Herre herausgegebenen Dokumentenband “Carl von Ossietzky und das politische Exil. Die Arbeit des ‛Freundeskreises Carl von Ossietzky’ in den Jahren 1933–1936ˮ (1988) aufgearbeitet worden. Mit Gewinn lässt sich auch der von Willy Brandt verfasste Aufsatz “Fünfzig Jahre danach: Die Nobelpreiskampagne für Carl von Ossietzkyˮ (1991)10 lesen, der selbst aus großer zeitlicher Distanz einen authen- tischen Eindruck davon vermittelt, welche Emotionen die Kampagne begleitet haben. Ergänzend kann die von Christoph Schottes verfasste Studie “Die Frie- densnobelpreiskampagne für Carl von Ossietzky in Schweden” (1997) herange- zogen werden, zumal der Verfasser auch auf die norwegischen Verhältnisse ein- geht.11 Ausführlich mit Ossietzkys Nobelpreis hat sich auch Manfred Weber in seiner Studie “Carl von Ossietzky und die Nationalsozialisten” (1999) befasst und auf der Grundlage einer umfassenden Quellendurchsicht manche Auffas- sung der bisherigen Forschung kritisch hinterfragt.12 Eine besondere Hervorhe-

6 Vgl. G. Kraiker u. E. Suhr: Carl von Ossietzky. Reinbek bei : Rowohlt Taschen- buch Verlag, 1994, S. 115–127. 7 Vgl. W. von Sternburg: “Es ist eine unheimliche Stimmung in Deutschland”. Carl von Ossietzky und seine Zeit. Berlin: Aufbau-Verlag, 1996, S. 261–281, insb. S. 271–281. 8 Vgl. S. 384 u. 407–408. 9 Vgl. S. 639–642. 10 In: Gerhard Kraiker u. Dirk Grathoff (Hgg.): Carl von Ossietzky und die politische Kultur der Weimarer Republik. Symposion zum 100. Geburtstag. : Bibliotheks- und Informationssystem der Universität Oldenburg, 1991, S. 279–287. Erstveröffentlichung: ders.: Die Nobelpreiskampagne für Carl von Ossietzky. Mit den Briefen an Konrad Reis- ner und Hilde Walter. Hg. von Wilhelm Büttemeyer. (Oldenburger Universitätsreden, 20.) Oldenburg: Bibliotheks- und Informationssystem der Universität Oldenburg, 1988, S. 5–66. 11 Vgl. S. 173–180. 12 Vgl. S. 120–165.

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bung verdient Elisabeth Thues gehaltvolle Examensarbeit “Nobels fredspris til Ossietzky: tyske reaksjoner og konsekvenser for forholdet mellom Tyskland og Norgeˮ (“Friedensnobelpreis für Ossietzky. Deutsche Reaktionen und Folgen für das Verhältnis zwischen Deutschland und Norwegenˮ) (1994).13 Die Verfas- serin ist vor allem an der konfliktreichen Entwicklung des Verhältnisses zwi- schen Deutschland und Norwegen nach der Nobelpreisverleihung an Ossietzky interessiert, geht aber auch detailliert auf den Entscheidungsprozess im Nobel- komitee ein. Deutlich geringer ist dagegen die Zahl der Spezialstudien zu den anderen drei Preisträgern. Auf die verdienstvollen Beiträge von Karl Holl zu Ludwig Quidde wurde bereits hingewiesen. Verhältnismäßig breit ist auch der Aufsatz “20. Oktober 1971 – Friedensnobelpreis für Willy Brandt. Deutsche und norwe- gische Reaktionen auf ein Politikum” (2002) von Thomas Sirges und Robin M. Allers angelegt, der sowohl deutsche und norwegische Pressestimmen verglei- chend gegenüberstellt, als auch einzelne Aspekte der Preisverleihung näher be- leuchtet.14 Weitgehend vernachlässigt hat die Forschung dagegen Gustav Stre- semann. Bislang hat sich nur Gottfried Niedhart in seinem Aufsatz “Gustav Stresemann” (1994) mit der öffentlichen Resonanz auf Stresemanns Nobelpreis eingehender befasst.15

3. Quellen Erstaunlich wenig ist aus autobiographischen Texten über die deutschen Frie- densnobelpreise zu erfahren. Der einzige Preisträger, der sich in seinen “Erinne- rungen” (1989; hier 1999) aus einer größeren zeitlichen Distanz zur Verleihung des Friedensnobelpreises geäußert hat, ist Willy Brandt gewesen, allerdings blieb er dabei ausgesprochen einsilbig.16 Das gilt auch für sein näheres Umfeld. Einer seiner Vertrauten in diesen Jahren, Reinhard Wilke, hat jüngst in “Meine Jahre mit Willy Brandt. Die ganz persönlichen Erinnerungen seines engsten

13 Vgl. auch: Thue, Elisabeth: Nobels fredspris – og diplomatiske forviklinger: tysk-norske forbindelser i kjølvannet av Ossietzky-saken, in: Forsvarsstudier 5/1994. 14 In: Thomas Sirges u. Birgit Mühlhaus (Hgg.): Willy Brandt. Ein deutsch-norwegisches Politikerleben im 20. Jahrhundert. Frankfurt a.M. 2002, S. 135–162. 15 In: Karl Holl u. Anne C. Kjelling (Hgg.): The Nobel Peace Prize and the Laureates. The Meaning and Acceptance of the Nobel Peace Prize in the Prize Winners’ Countries. Frankfurt a.M., Berlin, Bern, New York, Paris u. Wien: Peter Lang Verlag, 1994, S. 183–192. 16 Vgl. S. 214. – Bei den anderen Preisträgern ist natürlich zu berücksichtigen, dass Strese- mann und Ossietzky nur noch eine kurze Lebensspanne nach der Verleihung des Frie- densnobelpreises vergönnt war.

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