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Zoologisch-Botanische Datenbank/Zoological-Botanical Database

Digitale Literatur/Digital Literature

Zeitschrift/Journal: Berichte der Bayerischen Akademie für Naturschutz und Landschaftspflege (ANL)

Jahr/Year: 1986

Band/Volume: 10_1986

Autor(en)/Author(s): Knauer Norbert

Artikel/Article: Halligen als Beispiel der gegenseitigen Abhängigkeit von Nutzungssystemen und Schutzsystemen in der Kulturlandschaft 61-69 ©Bayerische Akademie für Naturschutz und Landschaftspflege (ANL)

Ber. ANL 10 61-69 Halligen als Beispiel der gegenseitigen Abhängigkeit Juli 1986 von Nutzungssystemen und Schutzsystemen in der Kulturlandschaft

Norbert Knauer

1. Einleitung Auf dem Festland begründen die Naturraum­ potentiale Rohstoffangebot, Wasservorräte, land­ wirtschaftliche Ertragsfähigkeit, Baugrundeigen­ schaften, Erholungseignung und Eignung für Abfall und Abwasserentsorgung mehr oder weniger ausge­ dehnte Nutzungssysteme und die große Bedeutung einer Landschaft als Lebensraum für Pflanzen und Tiere und deren Lebensgemeinschaften sind eine wichtige Grundlage von Schutzsystemen. Die nach­ haltige Nutzung eines oder mehrerer dieser Natur­ raumpotentiale ist nur bei Kombination verträg­ licher Potentiale und Berücksichtigung größerer Nachbarschafts- und Nebenwirkungen möglich. In vielen Fällen kommt es jedoch zur erheblichen gegenseitigen Beeinträchtigung, wobei die Schutz­ systeme meist größere Belastungen erleiden als die Nutzungssysteme. Auf den Halligen, also den kleinen Inseln im Wat­ Abbildung 1 tenmeer ohne Deichschutz vor den über das Mit­ Lageänderung und Größenabnahme der Hallig Siidfall teltidehochwasser hinausgehenden Fluten, begrün­ zwischen 1633 und 1936 den die landwirtschaftliche Ertragsfähigkeit und die (nach BUSCH 1963, aus WOHLENBERG 1985 verein­ facht). Erholungseignung die Nutzungssysteme und die Einmaligkeit der Naturausstattung sowie die Ener­ ergeben sich negative Flächenbilanzen. In der gie und Dynamik der Fluten die Schutzsysteme Tabelle 1 sind die Areale von 5 bewohnten Halligen Naturschutz und Küstenschutz. aufgeführt. Drei Halligen erfuhren einen Flächen­ Halligen sind erdgeschichtlich junge Bildungen und verlust, eine blieb nahezu konstant und eine hat waren bis vor kurzem einem sehr starken Prozeß einen Flächengewinn zu verzeichnen. der Verlagerung und meist auch der Aufzehrung An den Daten der Tabelle 1 fallt auf, daß ab 1939 durch die Fluten unterworfea Die häufige Über­ fast keine Flächenänderungen mehr stattgefunden flutung gefährdet nicht nur die Realisierung der haben. Die Ursache dafür ist die Verbesserung von schon erwähnten Naturraumpotentiale, sondern ge­ Maßnahmen des Küstenschutzsystems. fährdet auch den Bestand der Halligen selbst. Die Halligen haben außer, daß hier von.Weidegängem auf den Halligen wohnenden Menschen haben da­ verwertbare Pflanzen wachsen, und außer einer her besondere Schutzmaßnahmen zur Erhaltung gewissen Attraktivität für Erholungssuchende keine ihres Lebensraumes entwickelt und diese Maß­ Naturpotentiale, die von einer größeren Anzahl nahmen können als eigenes Schutzsystem betrach­ von Erwerbstätigen genutzt werden könnten. Sie tet werden. Die Abbildung 1 informiert am Beispiel haben aber als Gebiete mit speziellen, vom Salz­ der Hallig Südfall über eine 300 Jahre alte Ge­ wasser beeinflußten Bedingungen, eine große Na­ schichte. turschutzbedeutung. Im folgenden wird die enge Deutlich ist zu erkennen, daß zwischen 1633 und Koppelung von Naturschutz, Landwirtschaft und 1804 eine Ostwanderung stattgefunden hat und daß Küstenschutz aufgezeigt und es werden Wege ge­ die Aufzehrung der Hallig in der Folgezeit im wiesen, wie bei geänderten wirtschaftlichen Rah­ wesentlichen im Westen stattgefunden hat und im menbedingungen diese Koppelung auch weiterhin Osten relativ stabile Verhältnisse vorherrschten. ohne Schaden für die Schutz- und Nutzungssy­ Auch für andere Halligen, wenn auch nicht für alle, steme aufrechterhalten werden kann.

Tabelle 1 Veränderung des Areals von 5 Halligen von 1874 bis 1976 (Angaben in ha) 1874 1939 1956 1976 Langeneß 1178,95 985,68 985,68 983,98 84,37 113,31 113,31 124,84 Hooge 678,09 571,40 569,05 577,32 Gröde 234,76 242,79 242,79 230,35 238,69 179,29 179,29 179,29 Gesamtfläche 2414,86 2092,47 2090,12 2095,78 der 5 Halligen

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2. Nutzungssysteme ein wichtiges Nutzungssystem. Als Faktoren des Erholungspotentials gelten die Bademöglichkeit, 2.1 Landwirtschaft als Nutzungssystem die (wenn auch begrenzte) Wandermöglichkeit, die Die Halligen als von Menschen bewohnte Land­ frische Seeluft und das Fehlen der gängigen Lärm­ schaften bieten nur wenige Arbeitsplätze und we­ quellen der Zivilisationslandschaft. Hinzu kommt gen der nicht ohne weiteres überwindbaren Ent­ die Nutzbarkeit des einmaligen Potentials des Wat­ fernung zum Festland auch nur Arbeitsplätze in tenmeeres durch Wattwanderungen und Ausflugs­ wenigen für die Halligen typischen Branchen. fahrten mit kleineren Schiffen zu anderen Halligen RIECKEN (1982) nennt als Haupterwerbsquellen oder zu den größeren Inseln. Für viele Feriengäste das Amt für Land- und Wasserwirtschaft mit 34 sind auch die blühenden Salzpflanzen und die Arbeitsplätzen, die Rente für 53 Personen, die Vögel des Wattenmeeres ein wesentlicher Anteil Landwirtschaft mit 19 Arbeitsplätzen, den Frem­ des Erholungspotentials. denverkehr mit 11 Arbeitsplätzen und Sonstige für »Ferien auf der Hallig« machen nicht nur Men­ 21 Erwerbstätige. Die Naturausstattung und die schen aus Gegenden mit ausgedehnter Industrie, Beeinflussung durch Überflutungen lassen nur eine sondern vor allem auch die Bewohner aus den auf Grünland beschränkte landwirtschaftliche Nut­ norddeutschen Küstenländern Schleswig-Holstein, zung zu. Das bedeutet Haltung von Rauhfutter Hamburg und Niedersachsen. Rund 50% der verzehrenden Tieren, also von Rindern und Scha­ Dauergäste waren in den letzten Jahren zwischen fen. Auf den Halligen Langeneß, Oland, Hooge, 30 und 50 Jahre alt und 35 - 40 % waren älter als Nordstrandischmoor, Gröde, Süderoog, Habel und 50 Jahre. Zu den 1 bis 3 Wochen auf einer Hallig Südfall weideten im Sommer 1981 auf 1770 ha verbleibenden Dauergästen kommen in großer Weidefläche 2213 verschieden alte Rinder und Zahl Tagesgäste hinzu. RIECKEN (1982) gibt für 424 Mutterschafe mit ihren Lämmern. Auf Groß­ die Hallig Hooge und das Jahr 1980 55 000 Über­ vieheinheiten umgerechnet weideten je ha 1,05 GV. nachtungen an, davon 28 000 in Jugendlagem. Hin­ Auf einigen Halligen war der Viehbesatz etwas zu kommen hier 80000 Tagestouristen. größer, auf anderen dafür etwas kleiner. Im Mittel Die Feriengäste, auch die Tagestouristen, sind ein entspricht der Wert von 1 Weidegroßvieheinheit wirtschaftlich bedeutender Teil eines Nutzungs­ je ha einer extensiven Weidenutzung. Im Winter systems und sie stellen in zunehmendem Maße die wurden auf den erwähnten Halligen nur 692 Groß­ Grundlage für die Ausdauer der Bevölkerung auf vieheinheiten ernährt. Die Menschen wohnen in den Halligen dar. Die Tagestouristen stellen aber Häusern, die auf Erhöhungen (Warfen) stehen und auch eine erhebliche Störquelle dar. Die Ausflüg­ auch das über Winter gehaltene Vieh hat hier ler-Schwärme dringen mit ihrer kaum zu befrie­ seine Ställe. digenden Neugier nicht nur störend in das Leben Nur die Zahl der Kühe ist im Sommer und Winter der Halligbewohner ein, sondern sie können auch etwa gleich groß, von den 1047 im Sommer auf die Attraktivität der Halligen für die Feriengäste der Weide gehaltenen Rindern unter 2 Jahren wer­ mindern. Das Nutzungssystem Fremdenverkehr den im Winter weniger als 100 auf den Halligen bringt sich damit also selbst in Gefahr. gehalten und auch von den über 2 Jahre alten Rin­ dern nur noch 25 %. Die anderen gehen wieder in 3. Schutzsysteme die Heimatställe auf das Festland zurück, sie waren nur Pensionsvieh. Von den Schafen bleiben nur 3.1 Küstenschutz als Schutzsystem rd. 10% auch im Winter auf der Hallig. Die Halliglandwirtschaft ist also von starker Som­ Als »Küstenschutz« auf den Halligen ist die Siche­ merviehhaltung und verhaltender Winterviehhal­ rung des Grenzbereiches zwischen Wattenmeer tung geprägt. Das hat seinen Grund in den extrem und Halligfläche zu betrachten, vor allem aber erschwerten Bedingungen für eine Heuwerbung auch die Sicherung der Halligoberfläche. In der (kurzes Gras, für Heuwerbung ungünstige Witte­ Tabelle 2 ist für die beiden Halligen Gröde und rung, wegen starker Winde nicht durchführbare Langeneß die Überflutungsdauer in Stunden für Werbung auf Reutern, nicht vorhersehbares Som­ verschiedene Höhenstufen des Geländes wieder­ merhochwasser). Daraus ergibt sich, daß die ge­ gegeben. Die 1,25 m über NN liegenden Areale nutzten Flächen überwiegend durch Weidegang wurden auf der Hallig Gröde im Jahr 1981 rd. 18 beeinflußt werden und nur wenig durch regel­ mal so lange überflutet als die 2,25 m über NN mäßige Mahd und Heuwerbung. Die Mehrzahl der liegenden Areale. Auf Langeneß wurden die 1,25 m sogenannten »Salzwiesen« sind also »Salzweiden«. über NN liegenden Areale nur ein Drittel so lange überflutet wie die gleich tief liegenden Areale auf Gröde und das Verhältnis von NN + 1,25 m zu 2.2 Fremdenverkehr als Nutzungssystem NN + 2,25 m ergab nur einen Wert von 8,3. Die landwirtschaftliche Nutzung der Halligflächen Mit der hohen Häufigkeit und der langen Dauer ist zwar für die Erwerbsmöglichkeit der Bevölke­ der Überflutungen ist eine Gefährdung der Halligen rung von großer Bedeutung, sie sichert aber in dort verbunden, wo der Salzstreß auf die Pflanzen vielen Fällen kein ausreichendes Einkommen. Es starke negative Folgen hat, wo von der Wellen­ hat daher im Haupt- und Nebenerwerb eine starke energie Erosionen ausgelöst werden oder wo als Entwicklung des Fremdenverkehrs stattgefunden. Folge stärkerer Sedimentation die Vegetation be­ Auf den Halligen Hooge, Langeneß und Oland deckt wird und unter Luftabschluß gerät. übernachteten 1950 bei einer Bettenkapazität von Weil eine Femhaltung der Überflutungen ein­ 62 Betten in Privatquartieren und Pensionen 3 100 schließlich der zerstörerischen Kraft der Wellen Gäste und 1980 bei einer Bettenkapazität von 759 durch Deiche (wie an der Festlandküste) hier nicht Betten 77 500 Gäste. Die Erholungsnutzung ist so­ möglich ist, muß sich der Küstenschutz darauf wohl als eigenständige Einnahmequelle als auch konzentrieren, Bedingungen zu schaffen, die eine als Ergänzung zum Nutzungssystem Landwirtschaft Zerstörung der schützenden Vegetationsdecke ver-

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Tabelle 2 Überflutungsdauer (Stunden) von Halligflächen unterschiedlicher Höhenlage auf Gröde und Langeneß (Abflußjahr 1981) Höhenlage NN + 1,25 m NN + 1,50 m NN + 1,75 m NN + 2,00 m Gröde 927 635 357 124 dto. nach 23.3. 253 196 120 43 Langeneß 273 229 138 77 dto. nach 23.3. 117 98 53 33 hindern. Diese Bedingungen können auf den Hal­ 3.2 Naturschutzpotential und Realisierung in ligen nur in der Stabilisierung der Vegetationsdecke einem Schutzsystem selbst liegen. Stabilität gegen äußere Einflüsse me­ Halligen sind als Folge des Meerwassereinflusses chanischer Art ist vor allem mit der Narbenbildung spezielle Lebensräume für Pflanzen und Tiere. Von der Vegetation verbunden. An der »Grasnarbe« 159 auf den Nordfriesischen Halligen vorkommen­ sind aber nicht nur Gräser sondern auch Kräuter den Pflanzenarten sind 43 als Halophyten zu be­ beteiligt. Die Dichte dieser Grasnarbe wird von der zeichnen. Die 116 nicht an Salzwasserbedingungen Sproßstruktur, der Triebdichte an der Sproßbasis, angepaßten Pflanzenarten sind auf die selten über­ dem Rhizomhorizont, der einen Wurzelfilz bedin­ fluteten sehr hoch liegenden Landschaftsteile, ins­ genden Durchwurzelungsdichte im oberen Boden­ besondere auf die Warfen beschränkt, während die horizont und dem Wurzeltiefgang bestimmt. Zu großen Flächen der Halligen von Halophyten be­ hoher Narbendichte sind Gräser wegen der hohen siedelt sind, auch dort, wo eine verhältnismäßig Triebzahl je Flächeneinheit und dem bei vielen intensive landwirtschaftliche Nutzung der Vegeta­ Arten ausgeprägten horizontalen Rhizomsystem tion des Grünlandes stattfindet. Die Pflanzen auf befähigt, während die meisten Kräuterarten mit den Salzböden (in 5 -10 cm Tiefe haben wir häufig niedriger Triebzahl und meist fehlender Rhizom­ 0,5 -1,2 g Salz in 100 g lufttrockenem Boden ge­ bildung nicht besonders zur Narbenbildung bei­ messen) zeichnen sich durch verschiedene Mecha­ tragen. Aus Küstenschutzgründen werden daher nismen der Salztoleranz aus (Streßtoleranz, Ver­ grasreiche Pflanzenbestände gefördert und solche meidung der Salzaufnahme, Salzsekretion durch mit hoher Triebdichte. Die Abbildung 2 läßt er­ Drüsen, Salzausscheidung durch Abwurf von Pflan­ kennen, daß die verschiedenen Nutzungsmaßnah­ zenorganen usw.). Die Salzpflanzen der Halligen men und -intensitäten die Triebdichte deutlich be­ bilden 12 voneinander unterscheidbare Pflanzen­ einflussen. gesellschaften aus, die sich noch in zahlreiche Un­ tergesellschaften aufteilen lassen. Für den Naturschutz haben die Halligen insbe­ sondere Bedeutung - als Lebensraum für Salzpflanzenarten und Salz­ pflanzengesellschaften, - als Lebensraum von seltenen Salzpflanzengesell­ schaften mit allgemein geringer Flächenausdeh­ nung, wie Keilmeldengestrüpp, Strandbeifußge- strüpp, Aster-reiche Salzbinsenwiesen, Strandflie­ der-reiche Salzbinsenwiesen, - als Nahrungsareal für herbivore Vogelarten, ins­ besondere für Ringelgänse und Nonnengänse, - als Brutareal für verschiedene Wat- und Wasser­ Abbildung 2 vögel, Entwicklung der Triebdichte von Salzweiden bei unter­ - als Rastareal für verschiedene Durchzügler unter schiedlicher Nutzung ( 1980). den Vogelarten, - als Lebensraum für eine große Zahl spezialisierter Eine besonders dichte Grasnarbe war auf Ver­ wirbelloser Tierarten. gleichsflächen mit sehr intensiver Weidenutzung Nach HEYDEMANN und MÜLLER-KARCH durch Schafe gegeben. Hier haben wir inzwischen (1980) leben in den Salzwiesen etwa 1650 Tierarten auch eine intensivere Durchwurzelung ermittelt. terrestrischer Herkunft und weitere 350 Arten Von der allgemeinen Beziehung »Intensive Bewei- marinaquatischer Herkunft. Auf 40 verschiedene dung = größere Triebdichte = dichterer Wurzelfilz = Salzpflanzenarten sind etwa 420 phytophage Tier­ größere Narbenstabilität= verbesserter Küstenschutz« arten spezialisiert. Einige dieser Arten sind sehr gibt es jedoch u. a. wegen der Salzbedingungen und eng an bestimmte Pflanzenarten und teilweise sogar der unterschiedlichen Qualität der aus verschie­ an bestimmte Pflanzenteile gebunden. denen Sedimenten aufgebauten Standorte für das Eine besondere Bedeutung haben die Halligen für Pflanzenwachstum eine größere Zahl von Abwei­ herbivore Vogelarten, insbesondere für Ringel­ chungen. Die Stabilisierung der Halligvegetation gänse. Im Frühjahr leben nach PROKOSCH (1981) aus der Sicht des Küstenschutzes erfordert daher an der schleswig-holsteinischen Westküste 35 000 - eine standortangepaßte Schutzsystem-Steuerung. 60 000 Tiere. Rund 55 % dieser Tiere lebten 1977 bis 1980 auf den Halligen und nahmen hier Futter auf, damit traten sie mit anderen herbivoren Lebe­ wesen in Konkurrenz, etwa mit den landwirtschaft-

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Tabelle 3 Verringerung der Phytomassenleistung von Halligweiden nach Beweidung durch Ringelgänse (Hallig Gröde, 1982) Pflanzentrockenmasse in Relativwerten Datum der ohne Gänseweide eingeschränkte ungestörte Ermittlung = 100 Gänseweide Gänseweide 1.6. 100 77 35 7.6. 100 78 21 21.6. 100 61 29 28.6. 100 63 22 12.7. 100 75 32 19.7. 100 70 45 18.8. 100 77 34 7.9. 100 80 52 liehen Nutztieren. Wo im Frühjahr Gänse weiden, nicht sofort und ohne weiteres verfüllbar und dann dort wächst das ganze Jahr weniger Futter für land­ wieder zu begrünen. Die Bedingungen für eine wirtschaftliche Nutztiere, auch dann, wenn die durch Wasser nehmen auch zu, wenn die Ringelgänse nur eine begrenzte Zeit dort weiden Vegetation als Folge mangelnder Oberflächenent­ durften (siehe Tabelle 3). wässerung unter Wasserüberschuß abstirbt. Hier Die Ausnutzung des Naturschutzpotentials Ringel­ kann auch ein noch vorhandener Wurzelfilz den gansweide begrenzt also die Ausnutzung des land­ Boden vor der Einwirkung des Wassers nicht dauer­ wirtschaftlichen Potentials Rinderweide. Im Herbst haft schützen, er kann aber mögliche Erosionen rasteten in den Jahren 1976 bis 1979 zwischen bremsen. Der als Wurzelfilz beschreibbare Boden­ 16 000 und 49 000 Tiere an der schleswig-holsteini­ horizont wird nicht nur von einer weit verzweigten schen Westküste und 37,5% davon auf den Halligen. und dichten Wurzelmasse geprägt, sondern auch Nachdem die Ringelgänse im Frühjahr von Eng­ von darin enthaltenen größeren Mengen abgestor­ land kommend auf den Halligen landen, verbleiben bener, aber noch nicht zersetzter Wurzeln und von sie hier rund 2 Monate und legen in dieser Zeit überschlickten organischen Resten des ursprüng­ Energiereserven für den Weiterflug in ihr Brutge­ lich an der Oberfläche angelandeten Treibsels. Die biet an. Die Halophytenflora besitzt offensichtlich Wurzelfilz-Zone ist auf den Halligen also auch von zu dieser Zeit eine hohe Energiedichte, was auf unten nach oben gewachsen, indem nach der Auf- einen in Bezug zur eingestrahlten Lichtenergie und schlickung die Triebbasis der Pflanzen nach oben zur Temperatur niedrigeren Kompensationspunkt geschoben wurde und sich hier erneut bewurzelt schließen läßt als für die klassischen Grünland­ hat. pflanzen des Festlandes. Außerdem darf man bei Die Wurzelfilzbildung ist einerseits eine pflanzen­ langsamem Jugendwachstum mit einer erhöhten typische Eigenschaft, sie wird andererseits von der Reservestoffspeicherung rechnen. Das läßt sich u. a. Nutzung beeinflußt. Intensive Weidenutzung führt auch aus unseren Meßergebnissen über die Netto­ zu einer Vergrößerung der Triebdichte und zu einer primärproduktion der Halophyten nach und ohne Verringerung des Wurzelwachstums, wovon jedoch Gänseweide schließen. Die Tatsache, daß sich die mehr das Vordringen der Wurzeln in tiefere Schich­ Gänse praktisch nur auf Salzpflanzenstandorten ten betroffen wird, während in den oberen Boden­ aufhalten, muß so ausgelegt werden, daß nur diese schichten eine Verdichtung des Wurzelnetzes zu Standorte optimale Bedingungen für Ringelgänse beobachten ist. Die landwirtschaftliche Nutzung bieten. Am Beispiel dieser Tierart ist also erkenn­ fördert also durch Erhöhung der Triebdichte und bar, daß Halligen (zusammen mit den von Salz­ Vermehrung der oberflächennahen Wurzelbildung pflanzen besiedelten Vorlandflächen) eine nicht die Widerstandskraft der Halligoberfläche gegen­ durch andere Landschaften ersetzbare Natur­ über Überflutungen und Wellenschlag. Gleichzei­ schutzbedeutung haben. tig wird dadurch auch die Trittfestigkeit der Gras­ narbe erhöht so daß Beschädigungen durch Wei­ detiere seltener stattfinden. Landwirtschaftliche 4. Gegenseitige Abhängigkeit der Schutz- und Nutzung dient also dem Küstenschutz! Nutzungssysteme Wo das Futterangebot und der Futterbedarf der Halligen als unbedeichte Inseln im Wattenmeer Weidetiere nicht aufeinander abgestimmt sind, dort werden häufig von den Fluten der Nordsee über­ führt der Weidegang, insbesondere an Stellen mit spült, und es kommt dabei nicht selten zu Be­ unvollständigem Ablaufen des Hochwassers auch schädigungen der Vegetation. Wo die schützende zu Schäden an der Grasnarbe und gefährdet dann Vegetation dann nicht mehr vorhanden ist, wird die Bemühungen des Küstenschutzes. Zur Auf­ der Boden ausgeschwemmt, und es entstehen Ero­ rechterhaltung einer Förderung des Küstenschut­ sionsflächen oder auch tiefere Kolke, deren Ufer­ zes gehört also die richtige Anpassung von Futter­ bereiche den Wellen eine Angriffsfläche bieten. angebot und Zahl der Weidegänger und die Ver­ Solche Kolke mögen zwar die Erscheinungsvielfalt hinderung einer längerfristigen Oberflächenüber- der Halliglandschaft erhöhen und auch das Biotop­ stauung mit Salzwasser. Bei ungenügender Abfuhr muster, sie stellen aber auch ein Gefährdungs­ des aus Überflutung stammenden Salzwassers potential dar und sind wegen des Fehlens von Ver- kommt es hier zu einer deutlichen Salzanreiche­ füllboden, der ja durch Schaffung »künstlicher rung, es werden also Salzbedingungen geschaffen, Kolke« an anderer Stelle gewonnen werden müßte, wie sie im tiefer liegenden Vorland vorherrschen.

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Diese hohen Salzgehalte und die wenig zersetzte und oft verfilzte Schicht aus abgestorbener Pflan­ zenmasse erschweren eine Wiederbesiedlung mit typischen Pflanzen der Halligflora. Zur Förderung einer schnellen Wiederbesiedlung kann es hier zweckmäßig sein, den Boden aufzulockern, Saatgut von salzertragenden Pflanzenarten auszusäen und anzuwalzen. In jedem Falle ist immer die Beseiti­ gung der Ursachen für das Absterben von Vege­ tation notwendig. Fast immer ist dazu die Funk­ tionsherstellung des Oberflächenentwässerungs­ systems erforderlich. Aus der Sicht des Naturschutzes sind Halligen besondere Lebensräume allgemein seltener und hoch spezialisierter Pflanzenarten und außerdem sind sie der Voll- oder Teillebensraum von hier schwerpunktmäßig vorkommenden Tierarten. Von den Pflanzenarten sollen hier die beiden Blüten- pflanzen Salzaster (Aster tripolium L.) und Hallig- flieder (Statice limonium L.) und von den Tierarten die Ringelgänse zur Erklärung von Zusammen­ hängen zwischen den verschiedenen Nutzungen herangezogen werden. Salzastem finden ihr physiologisches Optimum im Abbildung 3 höheren Vorland bei niedrigerem Salzgehalt, sie Nutzungsansprüche an die Vegetation einer Hallig und sind aber vorwiegend im tiefen Vorland auf nassen damit in Verbindung stehende Konflikte. Standorten mit höherem Salzgehalt anzutreffen. Vermutlich kann sich diese Art hier besser gegen fläche. Diese Areale werden aber auch als land­ andere Konkurrenten durchsetzen. Strandflieder wirtschaftliche Nutzfläche für die Ernährung der erträgt zwar hohe Salzgehalte und könnte demnach Nutztiere beansprucht. Wo Ringelgänse weiden, auch im niedrigen Vorland wachsen, er ist aber dort wächst weniger Futter und das hat Folgen für vorwiegend im höheren Vorland anzutreffen. Salz­ die Intensität der landwirtschaftlichen Nutzung. astern werden von den Weidetieren früher als Fut­ Als Folge der frühen Beanspruchung der Vegeta­ terpflanze anerkannt und abgefressen als Hallig­ tion wächst weniger Futter und es muß dann auch flieder. Bei Beweidung mit Schafen gilt für beide weniger vom Festland kommendes Pensionsvieh Arten, daß die Blütenausbildung stark verringert gehalten werden. Die Vomutzung der Weideflä­ wird und damit jenen phytophagen Arthropoden chen durch Ringelgänse läßt sich kostenmäßig be­ die Lebensmöglichkeiten eingeschränkt werden, werten. In der Tabelle 4 sind einige Wertzahlen die auf Blüten und Knospen spezialisiert sind. wiedergegeben. Wegen der allgemeinen Armut an zweikeimblättri­ Auf keine der beschriebenen Nutzungen kann auf gen Pflanzen ist eine bewirtschaftungsbedingte den Halligen verzichtet werden, insbesondere auch Verringerung der Blütenanzahl auf den Halligen nicht auf die landwirtschaftliche. Die Abbildung 4 unbedingt als negative Beziehung zwischen Nut- zeigt die verschiedenen Zusammenhänge noch ein­ zungs- und Schutzsystemen zu bewerten. mal bildlich. Festzuhalten ist also, daß Halligen eine Kultur­ Oben sind die verschiedenen Erwerbsquellen der landschaft darstellen und als Lebensraum von Bewohner dargestellt. Dann sind die Bedingungen Menschen besiedelt sind. Diese Menschen können für die Landwirtschaft als Haupterwerbszweig im wesentlichen nur im Nutzungssystem Landwirt­ skizziert. Der Viehbestand setzt sich wegen der schaft ihr Einkommen gewinnen. Dabei entstehen nur geringen Winterfuttervorräte nicht nur aus mit den anderen Ansprüchen mehrere Konflikte, Eigenvieh, sondern auch aus Pensionsvieh zu­ die in der Abbildung 3 wiedergegeben werden. sammen, welches im Winter wieder auf dem Fest­ Die im Winterhalbjahr hohe Häufigkeit von Über­ land ist. Die Weidenutzung konditioniert die Gras­ flutungen erschwert nicht nur das Leben in dieser narbe und dient damit auch dem Küstenschutz. Jahreszeit, sondern hat auch erhebliche zeitliche Dieser wiederum sichert die Erhaltung der Halligen, Nachwirkungen u. a. auf das Pflanzenwachstum. aber nur im Zusammenwirken mit der dichten Schon sehr früh im Jahr beanspruchen die Ringel­ Grasnarbe und einer ausreichenden Oberflächen­ gänse erhebliche Areale der Halligen als Nahrungs­ entwässerung. Die gleichen Flächen dienen den

Tabelle 4 Nachwirkung der Beweidung von Halliggrünland durch Ringelgänse in dt Pflanzentrockenmasse und Bewertung des Minderertrages in DM je ha (Hallig Gröde 1982) Datum der ohne Gänseweide eingeschränkte ungestörte Ermittlung Gänseweide Gänseweide dt/ha DM/ha dt/ha DM/ha dt/ha DM/ha i 1.6. 0 0 -3,1 71- o o 230,- 21.6. 0 0 -8,1 186,- -14,5 344,- i 28.6. 0 0 -8,5 195,- i—> oo o 413,- 19.7. 0 0 -9,1 209,- -17,0 390,- ©Bayerische Akademie für Naturschutz und Landschaftspflege (ANL)

Bewohner der Halligen beziehen Einkommen aus ^ Landwirtschaft im Haupterwerb ^ Landwirtschaft im Nebenerwerb ------^ Fremdenverkehr im Haupterwerb ------> Fremdenverkehr im Nebenerwerb -t> Küstenschutzarbeit

LANDW IRTSCHAFT IM HAUPTERWERB benötigt Milchkühe (im Winter im Stall) Milchkühe und Jungtiere (im Sommer auf der Weide) Schafe (teilweise) im Sommer auf der Weide (zur Weidepflege) VIEHBEST AND besteht aus - 1------1------Eigeijvieh Pensions^ieh

ganzjährig auf der kommt vom Festland oder von den Inseln Hallig und benötigt Winterf utter

WEIDETIERE fördern Dichte der Grasnarbe (= Matratzeneffekt im Küstenschutz)

■{> benötigen in der Weidezeit quantitativ und qualitativ ausreichend Futter

-> muß von Mähflächen als Heu gewonnen werden

Landwirtschaftliche Nutzfläche wird auch genutzt durch Gänse Beweidung durch Gänse beginnt schon vor Vegetationsbeginn ___ ^

—I> stört oder verhindert Futter zu wachs _0 stört oder zerstört Grasnarbe

_t> gefährdet Küstenschutz

—C> vermindert Futterangebot für landwirtschaftliche Nutztiere “ ^ mindert Einkommen der Landwirte erzwingt mehr Fremdenverkehr L-t> gefährdet den Naturschutz

Abbildung 4 Einige Zusammenhänge zwischen verschiedenen Nutzungen auf Halligen.

Ringelgänsen als Nahrungsplatz. Die Gänse wie­ selspiel der Kräfte zu steuern. Im Gegensatz zur derum gefährden auf Flächen mit geringer Narben­ Landwirtschaft auf dem Festland findet auf den dichte und bei zu hoher Gänsebesatzdichte ihren Halligen fast nirgendwo eine gezielte Steuerung eigenen Nahrungsraum durch zu starke Inan­ der Ertragsbildung der Weidepflanzen durch Dün­ spruchnahme der Pflanzen. gung statt. Insbesondere auf die Ertragssteigerung Die Halligbewohner bemühen sich, dieses Wech­ durch Stickstoffdüngung wird verzichtet, obwohl

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Tabelle 5 Beispiel einer Kalkulation von Phytomassenangebot und Phytomassenbedarf von Herbivoren einer abgegrenzten Land­ schaft (Hallig Langeneß) (Gwt = Gänseweidetage) Gesamtfläche 983,9 ha davon: Vorland, Steindeiche und nicht nutzbares Land 112,6 ha Wege- und Verkehrsflächen 12,8 ha Hof- und Gebäudeflächen 14,8 ha Wasserflächen einschl. Priele 45,2 ha nutzbares Grünland 798,5 ha davon: Mähgrünland 219,1 ha Weidegrünland 579,4 ha Anzahl Herbivore Landwirtschaftliche Nutztiere im Sommer 885 GV im Winter 444 GV Ringelgänse im Frühjahr 6700 Individuen Phytomassenbedarf der Herbivoren Landwirtschaftliche Nutztiere im Sommer 821680 KStE im Winter 482695 KStE Jahresbedarf 1304 375 KStE Ringelgänse für 75 Tage 502 500 Gänsetagesrationen Berechnung des Phytomassenangebotes Mähflächen für Winterfutter 150 ha x 2000 KStE = 300000 KStE Weideflächen für Sommerfutter ohne Vomutzung durch Gänse 178 ha x 1800 KStE = 320400 KStE geringe Vornutzung durch Gänse 100 ha x 1500 KStE = 150000 KStE mäßige Vomutzung durch Gänse 135 ha x 1000 KStE = 135 000 KStE stärkere Vomutzung durch Gänse 105 ha x 800 KStE = 84000 KStE starke Vornutzung durch Gänse 130 ha x 500 KStE = 65 000 KStE = Phytomasse von Weideflächen für landw. Nutztiere im Sommer 754400 KStE + abweidbare Phytomasse von Mähflächen 70000 KStE Flächen der Phytomassenentnahme durch Gänse sehr intensiv genutzt 90 ha x900 Gwt = 81000 Gwt intensiv genutzt 40 ha x 800 Gwt = 32000 Gwt mäßig intensiv genutzt 105 ha x 700 Gwt = 73500 Gwt wenig intensiv genutzt 135 ha x600 Gwt = 81000 Gwt extensiv genutzt 100 ha x500 Gwt = 235000 Gwt che, von Gänsen genutzt 470 ha = 502500 Gwt damit ein nennenswerter Erfolg erreichbar wäre. Maßnahmen, hier insbesondere durch Stickstoff- Damit wird auf eine Steigerung des Futterange­ düngung, ausgleichen, dann muß man diese ver­ botes und eine mögliche Schaffung von Futter­ änderten Rahmenbedingungen zumindestens wirt­ reserven verzichtet. Das ist nur bei extensiver schaftlich ausgleichen. Nutzung mit unvollständiger Ausschöpfung des Futterangebotes und im Falle von Futtermangel mit 5. Empfehlungen für die Halligbewirtschaftung Anpassung der Futterverzehrer an das Futterange­ unter Berücksichtigung von Küstenschutz, Natur­ bot möglich. Mit den Angaben der Tabelle 5 wird schutz und Landwirtschaft aufgezeigt, wie auf der Hallig Langeneß Phyto­ massenangebot und Phytomassenbedarf ausbalan- Basierend auf den Anforderungen an die Dichte ziert sind. Dem tatsächlichen Bedarf von 820000 der Grasnarbe aus der Sicht des Küstenschutzes, KStE für die Weideperiode stehen nach Ernährung den Anforderungen der Bewohner an ihr Einkom­ von rd. 5 500 Ringelgänsen Futtermengen mit rd. men aus der Landwirtschaft und den besonderen, 825000 KStE gegenüber. Der Winterfutterbedarf anderswo nicht erfüllbaren, Anforderungen des von rd. 483 000 KStE kann aus Halligfutter nur Naturschutzes ergeben sich folgende Empfehlun­ mit 300 000 KStE abgedeckt werden, der Rest muß gen: aus Zukaufsfutter kommen. In der Ertragshöhe - Erhaltung günstiger Bedingungen für die Salz­ besteht bei dieser Kalkulation keine große Flexibi­ weiden- und im Bereich von Mähflächen der Salz­ lität, eine verstärkte Vomutzung der Weiden durch wiesenflora durch nur extensive landwirtschaftliche eine größere Ringelganspopulation erzwingt eine Nutzung, jedoch durch ordnungsgemäße Pflege der niedrigere Zahl an Rindern als Weidegänger. Das Einrichtungen für die Oberflächenentwässerung. hat stark einschränkende Wirkungen auf das Be­ - Nutzung der für Ringelgänse bedeutenden Are­ triebseinkommen. Will man die Folgen verstärkter ale durch Wiederkäuer zur Sicherung einer günsti­ Gänseweide nicht durch produktionstechnische gen Sproßstruktur im Frühjahr, die für die Nah-

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rungsaufnahme durch Ringelgänse von Bedeutung Triebdichte und dichterem Wurzelfilz entstehen ist. vor allem bei regelmäßiger Beweidung durch land­ - Auflösung des bisher fast regelmäßig wieder­ wirtschaftliche Nutztiere. kehrenden Konfliktes zwischen Beweidung durch Als Form der landwirtschaftlichen Nutzung ist aus­ Ringelgänse und frühzeitig auf den Halligen ein­ schließlich die Grünlandnutzung möglich und vor­ treffendem Pensionsvieh, welches bei hoher Besatz­ wiegend die Haltung von Rindern. Die Grünland­ dichte mit Ringelgänsen nicht genügend Futter vor­ pflanzen stellen im Frühjahr auch die entscheiden­ findet, durch stufenweise Überführung des Pen­ de Nahrung für eine große Ringelgans-Population sionsviehes von den Ursprungsbetrieben zunächst dar. Ringelgänse und Rinder konkurrieren um die auf Auffangflächen auf dem Festland, die einer gleichen Futterpflanzen. noch zu gründenden Hallig-Weidegenossenschaft Weil die Halligbewohner durch die Landwirtschaft zur Bewirtschaftung zu übertragen sind, und erst kein ausreichendes Einkommen erzielen, sind sie späterem Übersetzen auf die Halligen, wenn nach auf den Nebenerwerb Fremdenverkehr angewie­ dem Abzug der Ringelgänse schon wieder genü­ sen. Der Fremdenverkehr wiederum ist u. a. auf die gend Futter nachgewachsen ist. Erhaltung der typischen floristischen Vielfalt der - Festlegung von Belastungsgrenzen, die auch von Halligen angewiesen. Ringelgänsen nicht überschritten werden sollten. Aus den Anforderungen an die Dichte der Gras­ Bei Überschreitung dieser Belastungsgrenzen (als narbe aus der Sicht des Küstenschutzes, den An­ gerade noch unbedenkliche Anzahl weidender forderungen der Halligbewohner an die Erwerbs­ Tiere je Flächeneinheit) sollen zur Sicherung der möglichkeiten durch Landwirtschaft und den An­ anderen auf den Halligen notwendigen Nutzungen forderungen des Naturschutzes zur Erhaltung eines Störmaßnahmen, mit Ausnahme der Jagd, zugelas­ speziellen Lebensraumes werden abschließend sen werden. Empfehlungen zur Halligbewirtschaftung abgelei­ Die Realisierung dieser Empfehlungen setzt jedoch tet. voraus, daß die kleineren und im Besitz des Lan­ des Schleswig-Holstein befindlichen Halligen Sü- deroog, Südfall und Habel bis an die Grenze der Summary Nutzbarkeit als Gänseweide zur Verfügung stehen, also noch Gänse aufnehmen sollen, die auf den Between the aims of nature conservation and the dauerhaft besiedelten Halligen nach Überschrei­ aims of different other human uses especially agri­ tung der Belastungsgrenze vergrämt werden. Das cultural use there are often considerable differences. bedeutet gleichzeitig für die besiedelten Halligen, The interdependence between agricultur and tou­ daß unbedingt eine nennenswerte Nutzung des rism as well as between coast protection and nature Weidegrünlandes durch Ringelgänse hingenom­ conservation is shown by the example of small men werden muß, sozusagen als »Naturerschei­ islands in the of Schleswig-Holstein. nung«. Die Beeinträchtigung der landwirtschaft­ There small islands are according to the altitude lichen Nutzbarkeit der Flächen ist durch die oben flooded differently in period and frequency with erwähnte Genossenschaftsweide bereits als abge­ salt water. The vegetation covering the islands golten zu bewerten. functions as an important protection against the Zur Darstellung des Zusammenspiels zwischen energy of water and waves. A dense gras turf then verschiedenen Nutzungen und dem Naturschutz serves a better protection than a light one. Such a wurde hier nur eine Art verwendet, allerdings eine, gras turf with high shoot density and a dense root die keine Ausweichmöglichkeiten besitzt und ein system results from regular grazing. ausgedehntes Nahrungsareal benötigt. Bei Erhal­ Only by farming with owing of mainly cattle is tung des geschilderten Zusammenspiels werden possible. At spring time this grassland also re­ aber auch die Lebensräume für die anderen an die presents an important source of food for Brent Halligbedingungen angepaßten Lebewesen erhal­ goose populations. Brent goose are then in compe­ ten, und zwar so lange, wie anerkannt wird, daß tition with cattle for forage plants. eine Intensivierung des Nutzungssystems Landwirt­ Because the inhabitants of the small islands cannot schaft vom Schutzsystem Küstenschutz nicht mehr reach an sufficient income only by farming they abgesichert werden kann und sich damit selbst in have to rely on extra money from . Tourism Gefahr brächte. on the other hand depends on conservation of the typical floristic variety. 6. Zusammenfassung Finally recommendations for island farming are deduced out of the demands for a dense grasturf In der Kulturlandschaft bestehen zwischen den for coast protection the demands for nature con­ Zielen des Naturschutzes und den Zielen verschie­ servation and the demands for agricultural use a dener anderer Nutzungen, insbesondere der land­ source of income for the inhabitants. wirtschaftlichen Nutzung, häufig erhebliche Diffe­ renzen. Am Beispiel der Halligen des Nordfriesi­ schen Wattenmeeres wird die gegenseitige Ab­ 7. Literaturverzeichnis hängigkeit der Nutzungssysteme Landwirtschaft und Fremdenverkehr und der Schutzsysteme BUSCH, A. (1963): Küstenschutz und Naturschutz aufgezeigt. Das Südfall-Gebiet um 1633; Die Heimat 70. Auf den je nach Höhenlage unterschiedlich oft und GRUMBLAT, J. und KNAUER, N. (1983): unterschiedlich lang mit Salzwasser überfluteten Empfehlungen zur maximal zulässigen Nutzung der Hal­ Halligen fungiert die Pflanzendecke als wichtiger ligen Habel, Südfall und Süderoog durch Meergänse Schutz gegenüber der Wasser- und Wellenenergie. nach dem Stand der Vegetationssituation bei Winter­ Dichte Grasnarben können die Schutzfunktion beginn 1983/84; Mskr. Inst. f. Wasserwirtschaft und Land­ besser erfüllen als lockere. Grasnarben mit größerer schaftsökologie der Universität Kiel.

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HEYDEMANN, B. und MÜLLER-KARCH, J. (1980): RIECKEN, G. (1982): Biologischer Atlas von Schleswig-Holstein; Karl Wach- Die Halligen im Wandel; Husum Druck- und Verlags­ holtz-Verlag, Neumünster. gesellschaft, Husum. KNAUER, N. und GRUMBLAT, J. (1983): WOHLENBERG, E. (1985): Verhalten der Vegetation der Halligen im Nordfriesischen Die Halligen Nordfrieslands; 5. Aufl., Westholsteinische Wattenmeer in Abhängigkeit von verschiedenen Fak­ Verlagsanstalt Boyens & Co., Heide in Holstein. toren und Bedeutung für den Küstenschutz und die Landwirtschaft; Mskr. Inst. f. Wasserwirtschaft und Landschaftsökologie der Universität Kiel. KNAUER, N. und HANSEN, D. (1982): Empfehlungen für die langfristige Bewirtschaftung der Landesschutzdeiche, Vorlandflächen und Halligen im Amtsbereich des Amtes für Land- und Wasserwirtschaft Husum; Mskr. Inst. f. Wasserwirtschaft und Landschafts­ Anschrift des Verfassers: ökologie der Universität Kiel. Prof. Dr. Norbert Knauer PROKOSCH, P. (1981): Institut für Wasserwirtschaft und Bestand, Jahresrhythmus und traditionelle Nahrungs­ Landschaftsökologie der platzbindung der Ringelgans (Branta bernicla) im Nord­ Universität Kiel friesischen Wattenmeer; Dipl.-Arb., Math.-Naturw. Fa­ Olshausenstraße 40 kultät der Universität Kiel. D-2300 Kiel 1

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