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06.08.2014

Gericht BVwG

Entscheidungsdatum 06.08.2014

Geschäftszahl W196 1433116-1

Spruch W105 1433116-1/12E

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Harald BENDA als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX, geb. XXXX, StA. , gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 01.02.2013, Zl. 12 04.639-BAI, zu Recht erkannt:

Die Beschwerde wird gemäß § 3 Abs. 1 und § 8 Abs. 1 AsylG 2005 idgF als unbegründet abgewiesen.

Das Verfahren wird gemäß § 75 Abs. 20 Z 1 AsylG 2005 idgF zur Prüfung der Zulässigkeit einer Rückkehrentscheidung an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

Verfahrensgang

Der Beschwerdeführer, ein männlicher Staatsangehöriger von Somalia, brachte am 17.4.2012 einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich ein.

Zu seiner Person scheinen keine EURODAC-Treffermeldungen auf.

Im Zuge seiner Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes vom 18.4.2012 brachte der Antragsteller vor, somalischer Staatsangehöriger, verheiratet und muslimischen Glaubens zu sein. Er leide an keinerlei Krankheiten oder gesundheitlichen Beschwerden und habe in Österreich keine Verwandten oder sonstigen Familienangehörigen. In Norwegen lebe jedoch eine Schwester.

Am 15.4.2012 habe er sein Heimatland illegal und schlepperunterstützt auf dem Luftweg verlassen, um nach Dubai zu reisen. In weiterer Folge sei er über ihm unbekannte Länder schließlich nach Österreich gelangt, wo er am 17.4.2012 angekommen sei.

Befragt nach seinen Fluchtgründen, machte der Beschwerdeführer geltend, als Hilfsarbeiter bei der "XXXX", einer Hilfsorganisation, in der Stadt XXXX beschäftigt gewesen zu sein. Das Lager dieser Organisation sei aufgebrochen und Güter seien gestohlen worden, wessen er von einem Arbeitskollegen beschuldigt und mit dem Tod bedroht worden sei. Nachdem sein Zwillingsbruder, mit dem er offenbar verwechselt worden sei, und sein Vater erschossen worden seien, habe er sich entschlossen, zu fliehen.

Am 12.11.2012 erfolgte die niederschriftliche Einvernahme der beschwerdeführenden Partei vor dem Bundesasylamt in Gegenwart einer Dolmetscherin für die Sprache Somali (auszugsweise und unkorrigiert):

www.ris.bka.gv.at Seite 1 von 55 Bundesverwaltungsgericht 06.08.2014

(...)

Frage: Wie geht es Ihnen. Sind Sie psychisch und physisch in der Lage, Angaben zu Ihrem Asylverfahren zu machen?

Antwort: Ja, ich bin dazu in der Lage. Ich habe keine physischen oder psychischen Probleme.

Frage: Haben Sie irgendwelche Krankheiten und wenn ja, welche?

Antwort: Nein.

Frage: Wurden Ihnen Medikamente verschrieben oder nehmen Sie Medikamente zu sich?

Antwort: Ich hatte Erfrierungen und deshalb habe ich eine Salbe und Medikamente.

Frage: Sind Sie in Österreich in ärztlicher Behandlung?

Antwort: In XXXX bei Herrn Dr. XXXX.

Frage: Waren Sie in stationärer Behandlung in einem Krankenhaus?

Antwort: Nein.

Aufforderung: Sie werden aufgefordert innerhalb von zwei Wochen (Frist bis 27.11.2011) aktuelle ärztliche Bescheinigungen vorzulegen. Haben Sie das verstanden?

Antwort: Ja.

Aufforderung: Sie werden aufgefordert, im Fall eines Arztbesuches von Ihnen hier in Österreich, unaufgefordert, unverzüglich nach einer Behandlung dem BAA einen Kurzbericht bzw. Attest über die Behandlung oder weiters sonstige zweckdienliche, medizinische Auskunft gebende Schreiben vorzulegen. Haben Sie das verstanden?

Antwort: Ja.

Frage: Sind Sie damit einverstanden Ihre behandelnden Ärzte von deren Schweigepflicht zu entbinden, sodass das Bundesasylamt bei den behandelnden Ärzten bezüglich Ihrer Erkrankungen Fragen stellen bzw. weitergehende Unterlagen anfordern darf sowie die behandelnden Ärzte wie auch behördlich bestellte Gutachter wechselseitig Informationen zu den Ihre Person betreffenden erhobenen ärztlichen Befunden austauschen können?

Antwort: Ja.

Frage: Haben Sie sich mittlerweile irgendwelche Dokumente besorgt?

Antwort: Nein.

Frage: Haben Sie irgendwelche Personaldokumente oder andere Dokumente in Österreich, die Sie noch nicht vorgelegt haben?

Antwort: Nein.

Frage: Welche Dokumente wurden für Sie jemals ausgestellt?

Antwort: Ich habe mir beim Schwarzmarkt einen Reisepass besorgt, aber dieser war gefälscht und befindet sich zu Hause. Ansonsten hatte ich besaß ich keine Dokumente.

Frage: Besitzen Sie einen Führerschein, und wenn ja, wann, wo und von wem wurde dieser ausgestellt?

www.ris.bka.gv.at Seite 2 von 55 Bundesverwaltungsgericht 06.08.2014

Antwort: Ich habe noch nie einen Führerschein besessen.

Feststellung: Sie wurden bereits am 18.04.2012 in der Polizeiinspektion Traiskirchen EAST einer Erstbefragung unterzogen und zu Ihrem Asylantrag einvernommen. Können Sie sich an Ihre damaligen Angaben erinnern?

Antwort: Ja.

Frage: Waren Ihre damals gemachten Angaben vollständig und entsprechen diese der Wahrheit?

Antwort: Ja.

Frage: Wie haben Sie die Einvernahmesituation in der Erstbefragung wahrgenommen?

Antwort: Die Einvernahmesituation war in Ordnung.

Frage: Gab es irgendwelche Probleme in der Erstbefragung?

Antwort: Es gab keinerlei Probleme oder Schwierigkeiten.

Anmerkung: Es werden die Personaldaten (DG1 - DG6) kontrolliert, berichtigt und ergänzt. Die Personaldaten werden von der Dolmetscherin rückübersetzt und die Richtigkeit vom Antragsteller mit seiner Unterschrift bestätigt. (Rückübersetzung von 13:10 bis 13:20 Uhr)

Angaben zur Person und Lebensumstände:

Ich bin in XXXX geboren und dort bei meinen Eltern aufgewachsen. Ich gehöre zum Clan der XXXX und zum Hauptclan der und bin Sunnit. In XXXX habe ich gelegentlich eine Privatschule von 1990 bis 2001 besucht. Ich spreche die Sprachen Somali und Englisch. Ich kann in Somali und Englisch lesen und schreiben.

Am XXXX2008 habe ich meine Gattin XXXX vor einem Mullah bei mir zu Hause geheiratet. Meine Gattin war Witwe und hat einen Sohn namens XXXX in die Ehe mitgebracht. Der Sohn wurde am XXXX2006 geboren und sein Vater war bei der Miliz und wurde von den äthiopischen Truppen im Kampf erschossen. Ich selbst habe mit meiner Gattin zwei Töchter. Nach der Heirat haben wir im elterlichen Haus gewohnt. Seit Mai 2012 wohnt meine Gattin mit den Kindern in der Stadt XXXX.

Mein Vater hat als Dorfvorsteher Probleme anderer gelöst. Meine Mutter handelt mit Pflanzen. Meine Schwester XXXX lebt bei meiner Mutter. Meine Schwester XXXX lebt seit drei Jahren in Norwegen und ist bereits anerkannter Flüchtling.

Von 2006 bis 15.04.2012 habe ich diverse Gelegenheitsarbeiten in XXXX erledigt. Von Mai 2009 bis Dezember 2009 habe ich bei Herrn XXXX der bei XXXX beschäftigt war gearbeitet. Von 2010 bis Ende 2010 war ich krank. Von Jänner 2011 bis 02.04.2012 habe ich als Essensverteiler bei einer englischen Hilfsorganisation XXXX bei der XXXX gearbeitet. Am 15.04.2012 habe ich Somalia über den Flughafen Mogadischu über Dubai in Richtung Österreich verlassen.

Seit ich mich hier in Österreich befinde habe ich einmal meine Gattin telefonisch kontaktiert.

Frage: Welchen Clan gehören Sie an? (Haupt- und Subclan)

Antwort: Ich gehöre zum Clan der XXXX und zum Hauptclan der Darod.

Frage: Hatten Sie irgendwelche Schwierigkeiten oder Probleme wegen Ihrer Clanzugehörigkeit?

Antwort: Nein.

Angaben zum Privat- und Familienleben:

Frage: Wann sind Sie nach Österreich eingereist und seit wann sind Sie hier aufhältig?

www.ris.bka.gv.at Seite 3 von 55 Bundesverwaltungsgericht 06.08.2014

Antwort: Ich bin am 17.03.2012 nach Österreich eingereist und halte mich seither hier auf.

Frage: Hatten Sie in Österreich jemals einen gültigen Aufenthaltstitel zur Begründung eines legalen Aufenthaltes?

Antwort: Nein.

Frage: Von welchen finanziellen Mitteln leben Sie hier in Österreich und wie sieht Ihr Alltag in Österreich aus?

Antwort: Ich bin in der Grundversorgung und bekomme Taschengeld. Meinen Alltag verbringe ich mit Arbeit und Sprachkursen.

Frage: Haben Sie in Österreich einen Deutschkurs besucht oder sind Sie Mitglied in einem Verein oder in einer Organisation?

Antwort: Zwei Mal in der Woche besuche ich einen Deutschkurs. Mitglied in einem Verein oder in einer Organisation bin ich nicht.

Frage: Sind Sie seit Ihrer Einreise nach Österreich einer legalen Beschäftigung nachgegangen?

Antwort: Ja, ich war gemeinnützig für die Gemeinde tätig.

Frage: Wie würden Sie Ihren Lebensunterhalt in Österreich bestreiten, falls Sie hier bleiben könnten?

Antwort: Ich würde irgendeine Arbeit verrichten.

Frage: Haben Sie irgendwelche nahen Bindungen zu Österreich?

Antwort: Nein.

Frage: Haben Sie nahe Verwandte oder Familienangehörige in Österreich?

Antwort: Nein.

Frage: Haben Sie Angehörige oder sonstige Verwandte oder sonstige Personen in Österreich zu denen ein finanzielles Abhängigkeitsverhältnis bzw. eine besonders enge Beziehung besteht?

Antwort: Nein.

Frage: Haben Sie Freunde oder Bekannte, die Sie bereits aus Ihrem Heimatland her kennen, in Österreich?

Antwort: Nein.

Frage: Wo leben Ihre Verwandten?

Antwort: Meine Mutter, meine Schwester XXXX leben in XXXX. Meine Gattin lebt mit den Kindern in der Stadt XXXX. Meine Schwester XXXX lebt seit drei Jahren in Norwegen und ist anerkannter Flüchtling.

Frage: Seit wann sind Sie verheiratet?

Antwort: Am XXXX2008 habe ich meine Gattin XXXX vor einem Mullah bei mir zu Hause geheiratet.

Frage: Möchten Sie eine Pause machen?

Antwort: Nein.

Angaben zum Fluchtweg:

www.ris.bka.gv.at Seite 4 von 55 Bundesverwaltungsgericht 06.08.2014

Frage: Wann haben Sie sich entschlossen die Heimat zu verlassen?

Antwort: Ich habe gedanklich keine Entscheidung getroffen. Ich bin einfach ausgereist.

Frage: Warum sind Sie einfach ausgereist?

Antwort: Ich wollte mein Leben retten. Ich reiste von XXXX nach Mogadischu. In Mogadischu blieb ich zwei Wochen und anschließend reiste ich über den Flughafen Mogadischu über Dubai in Richtung Österreich weiter.

Frage: Können Sie sich an Ihre Angaben zum Reiseweg, die Sie in der Polizeiinspektion Traiskirchen EAST am 18.04.2012 gemacht haben, erinnern?

Antwort: Ja.

Frage: Haben Sie zum Reiseweg noch etwas zu sagen?

Antwort: Nein.

Frage: Wie viel mussten Sie für die Schleppung bezahlen?

Antwort: US $ 10.000,--.

Frage: Woher hatten Sie so viel Geld?

Antwort: Ein Bekannter meines Vaters der auch in XXXX mit meinem Vater aufwuchs hat mir die Ausreise finanziert.

Frage: Mit welchem Dokument sind Sie gereist?

Antwort: Ich habe vom Schlepper für die Reise einen englischen Reisepass bekommen.

Frage: Welche Daten standen im Reisepass?

Antwort: Der Name war XXXX und somalischer Staatsangehöriger. Das Geburtsdatum weiß ich nicht.

Frage: Haben Sie in einem anderen Land schon einmal einen Asylantrag gestellt?

Antwort: Nein.

Frage: Haben Sie je bei einer Vertretungsbehörde eines Mitgliedsstaates der Europäischen Union ein Visum oder einen Aufenthaltstitel beantragt oder erhalten?

Antwort: Nein.

Frage: Befinden Sie sich nun erstmalig innerhalb der EU?

Antwort: Ja.

Frage: Haben Sie zu Hause noch Personaldokumente?

Antwort: Nur der gefälschte Reisepass.

Frage: Auf welche Daten ist der gefälschte Reisepass ausgestellt?

Antwort: Mit meinen Daten die ich auch hier in Österreich angegeben habe.

Frage: Warum sind Sie ausgerechnet nach Österreich gereist? www.ris.bka.gv.at Seite 5 von 55 Bundesverwaltungsgericht 06.08.2014

Antwort: Der Schlepper hat mich bis hier her gebracht und dann hat er mich einfach "sitzen" gelassen.

Frage: Möchten Sie zum Fluchtweg noch etwas angeben, was Ihnen wichtig ist?

Antwort: Nein.

Frage: Möchten Sie eine Pause machen?

Antwort: Nein.

Angaben zum Fluchtgrund:

Frage: Sind Sie in Ihrer Heimat oder in einem anderen Land vorbestraft?

Antwort: Nein.

Frage: Werden Sie in der Heimat von der Polizei, einer Staatsanwaltschaft, einem Gericht oder einer sonstigen Behörde gesucht?

Antwort: Nein.

Frage: Wurden Sie in Ihrer Heimat jemals von der Polizei angehalten, festgenommen oder verhaftet?

Antwort: Nein.

Frage: Hatten Sie in Ihrer Heimat Probleme mit den Behörden?

Antwort: Ich hatte Probleme mit der Regierungsseite. Im Juni 2009 habe ich gemeinsam mit 14 anderen Personen die Gruppe XXXX gegründet. Ausgemacht war, dass 5 Personen das Essen holen und 5 Personen das Essen verteilen. Die 5 Mädchen haben sich um Frauenprobleme gekümmert. Im Juni 2009 fuhren wir nach Mogadischu und haben das Essen abgeholt. Diese Abholung wurde schriftlich bestätigt. Nach einer halben Stunde Autofahrt wurden wir von der Regierung angehalten. Wir fünf Personen mussten aus unserem Auto aussteigen und im Regierungsfahrzeug einsteigen. Wir wurden in einem Container gebracht und einzeln verhört. Mir wurden die Hände und die Füße verbunden. Meine Augen wurden mit einem Licht geblendet. Die Vernehmung hat ca. 40 Minuten gedauert. Die Regierung sagte zu mir, dass ich mit der Al Shabab zusammenarbeiten würde. Ich habe ihnen meine Arbeit erklärt. Die Regierungsleute sagten zu mir, dass heute in Mogadischu ausländische Personen von Burundi und Uganda ums Leben gekommen sind und deswegen wurden wir auch kontrolliert. Ich wurde drei Tage lang angehalten. Während der Anhaltung ist einer von uns an einem Epilepsieanfall verstorben. Ein Mithäftling hat einen älteren Mann telefonisch kontaktiert und durch diesen älteren Mann wurden wir entlassen. Dieser ältere Mann hat uns dann abgeholt. Dieser Vorfall war im Dezember 2009.

Frage: Hatten Sie sonst noch Probleme mit den Behörden?

Antwort: Ja, ich hatte im Jänner 2011 nochmal Probleme mit den somalischen Behörden.

Aufforderung: Konkretisieren Sie Ihre Probleme mit den somalischen Behörden.

Antwort: Im Jänner 2011 hat unsere Gruppe XXXX wieder einen Job bekommen, aber nur mehr in XXXX. Diesen Job habe ich bis zu meiner Ausreise am 15.04.2012 gemacht. Ein somalischer Geschäftsmann hat unserer Gruppe diesen Job vermittelt. Zwei Mal im Monat sind mit 10 LKW¿s Lebensmittel gekommen.

Am 25.03.2012 sind die Lebensmittel zu spät gekommen und die LKW¿s wurden nicht mehr abgeladen. Dies wollten wir am nächsten Tag machen. Die LKW¿s blieben vor der Lagerhalle beladen stehen. Die Fahrer haben dem Chef namens XXXX die Lieferscheine übergeben. Der Chef XXXX hat uns noch am Vortag die Pläne für die Verteilung für den nächsten Tag übergeben.

www.ris.bka.gv.at Seite 6 von 55 Bundesverwaltungsgericht 06.08.2014

Am nächsten Tag ging ich um 08:00 Uhr zur Arbeit und habe keinen LKW mehr gesehen. Ich habe den Chef XXXX angerufen und er kam zur Lagerhalle. Wir haben eine Stunde lang über den Verlust gesprochen. Das ganze Dorf wartete auf die Essensverteilung. Die Dorfvorsteher haben eine Krisenbesprechung gemacht. Nachdem die Dorfvorsteher wieder gingen kamen 20 Minuten später die Al Shabab. Später habe ich erfahren, dass 1500 Mann der Al Shabab über Nacht nach XXXX gekommen sind und Weiters habe ich erfahren, dass mein Chef XXXX Geschäfte mit der Al Shabab machte.

Frage: Hatten Sie sonst noch Probleme mit den Behörden?

Antwort: Im Jahr 2010 hatte ich nur gelegentlich Arbeit und für die jungen Leute wollte ich eine Organisation bilden, damit die jungen Leute beschäftigt sind. Dies wurde mir aber von der alten Regierung nicht genehmigt.

Frage: Waren Sie in Ihrer Heimat jemals Mitglied einer politischen Gruppierung oder Partei?

Antwort: Nein.

Frage: Wurden Sie in Ihrer Heimat von staatlicher Seite jemals wegen Ihrer Rasse verfolgt?

Antwort: Nein.

Frage: Wurden Sie in Ihrer Heimat von staatlicher Seite jemals wegen Ihrer Religion verfolgt?

Antwort: Nein.

Frage: Wurden Sie in Ihrer Heimat von staatlicher Seite jemals wegen Ihrer politischen Gesinnung verfolgt?

Antwort: Nein.

Frage: Wurden Sie in Ihrer Heimat von staatlicher Seite jemals wegen Ihrer Nationalität oder der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe verfolgt?

Antwort: Nein.

Frage: Was war der konkrete Grund, warum Sie die Heimat verlassen haben? Erzählen Sie bitte möglichst chronologisch über alle Ereignisse, die Sie zum Verlassen der Heimat veranlasst haben (freie Erzählung!).

Antwort: Wie schon erwähnt. Im Jahr 2009 hatte ich Probleme mit der Regierung und kurz vor der Ausreise hatte ich Probleme mit der Al Shabaab und daher habe ich Somalia verlassen.

Anmerkung: Ende der freien Erzählung.

Frage: Sie werden nochmals auf das Neuerungsverbot im Beschwerdeverfahren aufmerksam gemacht. Ich frage Sie daher jetzt nochmals, ob Sie noch etwas Asylrelevantes angeben möchten oder etwas vorbringen möchten, was Ihnen wichtig erscheint, ich jedoch nicht gefragt habe?

Antwort: Nein, ich habe alles erzählt. Ich habe keine weiteren Gründe mehr vorzubringen.

Frage: Gab es jemals bis zu den besagten Vorfällen auf Sie irgendwelche Übergriffe oder ist an Sie persönlich jemals irgendwer herangetreten?

Antwort: Nein.

Aufforderung: Schildern Sie genau wie es weiter ging als die Al Shabaab zur Lagerhalle kam.

Antwort: Mein Chef XXXX und ich waren im Büro. Chef XXXX hat die Al Shabaab hereingelassen. Mein Chef erzählte mir, dass die Al Shabaab weiß wo sich das Essen befindet. Die Al Shabaab hat wild in der Luft herumgeschossen. Die Nachbarn sind alle herausgekommen und ein Teil der Al Shabaab haben die Leute wieder ins Haus gejagt. Ich und meine 3 Arbeitskollegen wurde von der Al Shabaab beschuldigt, dass wir die Lebensmittel gestohlen hätten. Von der Al Shabaab wurden Zettel aufgehängt, dass wir vier Beschuldigten am www.ris.bka.gv.at Seite 7 von 55 Bundesverwaltungsgericht 06.08.2014

Freitag nach dem Gebet öffentlich umgebracht werden. Am Mittwoch hat es eine Demonstration gegeben und am Abend Kämpfe, weil die Bevölkerung wusste, dass wir unschuldig waren. Die alten Dorfvorsteher sind zur Al Shabaab gekommen und haben verhandelt. Dies war alles in XXXX. Die Dorfvorsteher haben unsere Freilassung erreicht. Dann ging ich nach Hause.

Am nächsten Tag wurde ich von einem Freund telefonisch kontaktiert und er teilte mir mit, dass er mich zu Hause gleich besucht. Ich teilte meiner Gattin mit, dass sie Tee vorbereiten soll. Als ich meinen Rock anzog habe ich Schüsse gehört. Ich rannte sofort auf der anderen Seite des Hauses hinaus. Ich ging zur Familie eines Arbeitskollegen und die brachten mich nach Mogadischu.

Frage: Wann ist die Al Shabaab zum Chef ins Büro gekommen?

Antwort: Zwischen 25. und 30.03.2012.

Frage: Wann genau wurden Sie wo angehalten?

Antwort: 2,5 Tage wurde ich in einem Versteck der Al Shabaab in XXXX im 2. Revier angehalten.

Frage: Wann genau kamen Sie wieder frei?

Antwort: Am Donnerstag. In derselben Woche als die Lieferung kam und verschwand. Am Montagnachmittag kamen die Lebensmittel und am Dienstag habe ich festgestellt, dass die LKW¿s mit den Lebensmitteln verschwunden waren.

Frage: Wie sind Sie von XXXX nach Mogadischu gekommen?

Antwort: Ich wurde mit einem Landcruiser bis zur Grenze XXXX gebracht und dann musste das Fahrzeug wechseln. Mit einem Nissan wurde ich dann bis Mogadischu chauffiert.

Frage: Wie lange blieben Sie in Mogadischu?

Antwort: Zwei Wochen.

Feststellung: Die Al Shabaab ist bereits im August 2011 aus Mogadischu abgezogen und ist nach dem Abzug der al Shabaab aus Mogadischu im August 2011 und den wiederholten Offensiven der Truppen der Afrikanischen Union (AMISOM) und der Übergangsregierung (TFG) die somalische Hauptstadt heute weitestgehend ein von den Islamisten befreiter und von direkten Kampfhandlungen verschonter Teil des Landes. Die Situation hat sich über die vergangenen Monate stabilisiert und mittelfristig ist keine Lagebildänderung abzusehen. Eine effektive Rückkehr der Islamisten nach Mogadischu kann ausgeschlossen werden. Allerdings versucht al Shabaab weiterhin mit Guerillamaßnahmen gegen AMISOM und TFG. In den meisten der 16 Bezirke finden so gut wie keine direkten Kampfhandlungen mehr statt. Gemäß Informationen der Stadt Mogadischu und der Vereinten Nationen sind seit August 2011 (Abzug der al Shabaab) rund eine Million Menschen nach Mogadischu zurückgekehrt. Die Anzahl an IDPs im Afgooye-Korridor ist derweil von ca. 400.000 auf rund 120.000 Personen gesunken. Frontgeschehen: Die Südwestfront (Kenianische Armee und Milizen) stagniert weiterhin bei Afmadow; Die Westfront (Kenianische Armee, tw. ASWJ) wurde auf ca. 30 km an Bardera (Jungal bzw. Takaa) herangeführt. Die Benadirfront (AMISOM/Übergangsregierung) wurde auf derzeit ca. 10 km westlich von Afgooye in Richtung Merka erweitert. Eine internationale Organisation bestätigt, dass Al Shabaab in Mogadischu nicht mehr zwangsweise rekrutiert. Aufgrund dieser Tatsachen geht die Behörde davon aus, dass es Ihnen jedenfalls möglich ist sich in Mogadischu aufzuhalten zumal Sie auch dort von Ihren Verwandten unterstützt werden können. Was sagen Sie dazu?

Antwort: Erst gestern hat es Kämpfe zwischen der Regierung in Mogadischu gegeben. Jetzt kann man die Mitglieder der Al Shabab nicht mehr erkennen, weil sie anders gekleidet sind.

Frage: Wie würden Sie zum jetzigen Zeitpunkt Ihre persönliche Situation im Falle einer Rückkehr nach Somalia beurteilen?

Antwort: Ich werde dort keinen Frieden finden. Ich bin von der Regierung und von der Al Shabab geflüchtet. Seit dem Jahr 2000 wurden 261 somalische Personen die mit Hilfsorganisationen zusammenarbeiteten

www.ris.bka.gv.at Seite 8 von 55 Bundesverwaltungsgericht 06.08.2014 umgebracht. Ausländische Personen werden festgenommen und Lösegeld erpresst außer im Dezember 2011 wurde eine Französin von einem Somalier umgebracht.

Frage: Warum sind Sie nicht in eine andere Stadt oder in einen anderen Landesteil gezogen?

Antwort: In dieser Zeit als ich ausreiste hat die Al Shabab die Kontrolle. Die Al Shabab kontrollierte sogar das Gebiet um XXXX.

Frage: Wissen Sie über die aktuelle politische Lage und über die Sicherheitslage in Somalia Bescheid?

Antwort: Ja.

Belehrung: Ihnen werden die Feststellungen des Bundesasylamtes zur Lage in Somalia zur Einsichtnahme vorgelegt und diese werden Ihnen erläutert. Wenn Sie ein bestimmter Teil der Feststellungen besonders interessiert wird Ihnen dieser vom Dolmetscher zur Kenntnis gebracht. Im Anschluss daran haben Sie die Möglichkeit im Rahmen des Parteiengehörs dazu Ihre Stellungnahme abzugeben. Sie können aber auch auf die Abgabe einer Stellungnahme verzichten oder Ihnen werden die Feststellungen ausgefolgt und Sie haben dann die Möglichkeit innerhalb einer Frist von 2 Wochen eine schriftliche Stellungnahme abzugeben. Mit Ihrer Unterschrift unter den Feststellungen bestätigen Sie, dass Ihnen die Feststellungen zur Einsichtnahme vorgelegt wurden. Es bedeutet nicht, dass Sie mit dem Inhalt einverstanden sind. Haben Sie die Belehrung verstanden?

Antwort: Ja, ich habe das verstanden.

Anmerkung: Der Inhalt der Feststellungen wird dem Antragsteller von der Dolmetscherin erklärt.

Frage: Was möchten Sie?

Antwort: Ich verzichte ausdrücklich auf die Übersetzungen der Feststellungen über meine Heimat und ich möchte auch keine Stellungnahme dazu abgeben.

Frage: Sind Sie mit eventuellen amtswegigen Erhebungen vor Ort unter Wahrung Ihrer Anonymität, eventuell unter Beiziehung der Österreichischen Botschaft und eines Vertrauensanwaltes einverstanden?

Antwort: Ja.

Frage: Die Befragung wird hiermit beendet. Wollen Sie zu Ihrem Asylverfahren sonst noch etwas vorbringen, was Ihnen von Bedeutung erscheint?

Antwort: Nein, ich habe alles gesagt. Ich hatte die Gelegenheit, alles vorzubringen, was mir wichtig war.

(...)

Nach erfolgter Rückübersetzung:

Frage: Haben Sie nun nach Rückübersetzung Einwendungen gegen die Niederschrift selbst, wurde Ihre Einvernahme richtig und vollständig protokolliert?

Antwort: Ich möchte noch anführen, dass mein Vater und mein Zwillingsbruder am selben Tag getötet wurden. Zwei Wochen vor meiner Ausreise wurde sie von XXXX und seiner Gruppe getötet. Mein Zwillingsbruder wurde mit mir verwechselt. Weiters wurden auch noch meine drei Arbeitskollegen auch am selben Tag getötet. Ansonsten war alles korrekt. Es hat alles gepasst. Ich habe nichts mehr hinzuzufügen.

(...)

Das Bundesasylamt hat mit nunmehr angefochtenem Bescheid vom 1.2.2013 I. den Antrag auf internationalen Schutz vom 17.4.2012 bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG abgewiesen, sowie II. gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG den Antrag hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Somalia ebenfalls

www.ris.bka.gv.at Seite 9 von 55 Bundesverwaltungsgericht 06.08.2014 abgewiesen und III. die beschwerdeführende Partei gemäß § 10 Abs. 1 AsylG aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Somalia ausgewiesen.

Die Sachverhaltsfeststellungen zur Lage in Somalia wurden im angefochtenen Bescheid im Wesentlichen folgendermaßen zusammengefasst (unkorrigiert):

Politik / Wahlen

Somalia, mit einer geschätzten Bevölkerung von gut acht Millionen Menschen (Millionen leben zudem außerhalb Somalias), ist spätestens seit Beginn des Bürgerkriegs 1991 ohne effektive Staatsgewalt. Wiederholte Versöhnungsversuche und Friedenskonferenzen haben nicht zur Befriedung und Stabilisierung geführt.

Das Land zerfällt seit einigen Jahren faktisch in drei Teile: das südliche und mittlere Somalia; die Unabhängigkeit beanspruchende "Republik Somaliland" auf dem gleichnamigen ehemaligen britischen Kolonialgebiet im Nordwesten; und die autonome Region Puntland im Nordosten.

Nach zahlreichen gescheiterten Friedensprozessen hatte eine "Somalische Nationale Versöhnungskonferenz" unter Ägide der ostafrikanischen Staatengruppe IGAD (Inter-Governmental Authority for Development) 2004 zur Verabschiedung einer Übergangsverfassung geführt, die noch bis mindestens August 2012 in Kraft sein wird.

Auf ihrer Grundlage amtieren ein Übergangsparlament von inzwischen etwa 500 Mitgliedern, dessen Zusammensetzung sich an einer relativen Parität der verschiedenen in Somalia beheimateten Klans orientiert sowie eine Übergangsregierung (Transitional Federal Government, TFG) unter Premierminister Abdiweli Mohamed Ali. Seit Ende Januar 2009 ist Sheikh Übergangspräsident. Er war zuvor der politische Kopf der islamistischen "Union Islamischer Gerichtshöfe" (UIC), die in der zweiten Jahreshälfte 2006 gegen den Widerstand der damaligen Regierung eine effektive Herrschaft über große Teile Süd-/Zentralsomalias hatte durchsetzen können. Ebenso war er Anführer der v.a. aus der UIC hervorgegangenen "Alliance for the Re- Liberation of Somalia" (ARS), die die Vorgängerregierung und die sie militärisch unterstützenden äthiopischen Truppen in Somalia bekämpft hatte.

Der Aufstieg Sheikh Sharifs zum Übergangspräsidenten und die Erweiterung des Übergangsparlaments um zahlreiche ARS-Vertreter waren das Ergebnis eines unter VN-Ägide angestoßenen erneuten Versuchs zur Befriedung Somalias ("Djibouti-Prozess").

Es gibt keine flächendeckende, effektive Staatsgewalt; die Übergangsregierung hat über große Teile des Landes keine Kontrolle. Umfangreiche Gebiete werden von unterschiedlichen bewaffneten Gruppen beherrscht. Potentiell asylrechtlich relevante Tatsachen sind daher staatlichen Strukturen regelmäßig nicht eindeutig zuzuordnen, sondern resultieren häufig gerade aus deren Abwesenheit. Dabei muss nach den einzelnen Landesteilen differenziert werden.

(Auswärtiges Amt: Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Somalia, Stand 3.2012, 23.3.2012)

Die 2004 gebildete Übergangsregierung hat es nie geschafft, sich als effektive Staatsmacht in ganz Süd- /Zentralsomalia durchzusetzen (von Somaliland ganz zu schweigen).

Im Zuge der Umsetzung dieser Vereinbarungen wurde das Übergangsparlament in den ersten Monaten des Jahres 2009 um zahlreiche ARS- sowie Vertreter der Zivilgesellschaft auf nunmehr 550 Mitglieder erweitert. Anfang Februar, nach dem Abzug der äthiopischen Truppen aus Somalia, wählte das Parlament den Führer der verständigungsbereiten ARS-Mehrheitsfraktion, Sheikh Sharif Sheikh Ahmed, zum neuen Übergangspräsidenten.

Präsident Sharif und Premierminister Sharmake bzw. dessen Nachfolger (derzeit Abdiweli Mohamed Ali) bemühen sich seither um die Erweiterung ihrer Macht- und Legitimitätsbasis durch die Einbindung weiterer, bislang oppositioneller Gruppen. Zudem unternehmen sie, unterstützt von der internationalen Staatengemeinschaft, Schritte zur Wiederherstellung der Staatlichkeit in Somalia (Aufbau von Sicherheits- und Verwaltungsstrukturen, Generierung staatlicher Einnahmen).

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Im März 2010 unterzeichnete die TFG mit der sufistischen Organisation Ahlu Sunna Wal Jama'a (ASWJ), die auch über bewaffnete Kräfte verfügt, ein Kooperationsabkommen. Für ihre Unterstützung der TFG im Kampf gegen radikalislamische Milizen wird die ASWJ an der Regierung beteiligt.

Die militant-islamistische Opposition, besonders die von Sheikh Hassan Dahir Aweys geführte "Hisbul Islam" (Islamische Partei) und die "al Shabaab" ("Die Jugend"), intensivieren unterdessen ihre Bemühungen zum Umsturz der Regierung. Beide wenden dabei auch terroristische Mittel an und werden von ausländischen Kämpfern (auch aus europäischen Ländern) unterstützt. Anfang 2010 erklärte die al Shabaab, sie unterstelle sich al Qaida.

Anfang September 2011 verabschiedeten Vertreter der somalischen Übergangsregierung, der Regionen Puntland und Galmudug sowie der sufistischen Bewegung ASWJ eine "Roadmap" zur Erledigung der "transitional tasks" für die zwischenzeitlich bis August 2012 verlängerte Amtszeit der Übergangsinstitutionen. Die Roadmap sieht wesentliche Fortschritte auf den Gebieten Sicherheit, Verfassung/Wahlen, Versöhnung und gute Regierungsführung vor; das Erreichen von Etappenzielen wäre bereits als großer Erfolg zu deuten.

(Auswärtiges Amt: Somalia, Innenpolitik, Stand 11.2011, http://www.auswaertiges- amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Somalia/Innenpolitik_node.html, Zugriff 25.4.2012)

Das Territorium von Somalia ist de facto in drei unterschiedliche Einheiten unterteilt: Somaliland, Puntland und das Gebiet südlich der Stadt Galkacyo, das als Süd-/Zentralsomalia bezeichnet wird. Jedes Gebiet ist von einer unterschiedlichen politischen und menschenrechtlichen Lage sowie von einer unterschiedlichen Sicherheitslage gekennzeichnet.

(UN High Commissioner for Refugees: UNHCR Eligibility Guidelines for Assessing the International Protection Needs of Asylum-Seekers from Somalia, 5.5.2010, http://www.unhcr.org/refworld/docid/4be3b9142.html, Zugriff 22.8.2011)

Die Übergangsregierung ist die von der internationalen Gemeinschaft anerkannte Regierung für ganz Somalia. Die Regierung ist in ihrer Existenz von den Truppen der AMISOM abhängig. Mit Unterstützung dieser Truppen konnte die Übergangsregierung die Kontrolle über weite Teile von Mogadischu erlangen. In der Praxis sind die Kapazitäten der Übergangsregierung, effektive Kontrolle über diese Stadtteile auszuüben, eingeschränkt.

Lokale Milizen sind in den Gebieten, die vormals unter Kontrolle der al Shabaab standen, aktiv. Außerhalb von Mogadischu ist die Übergangsregierung mit anderen Gruppen (z.B. ASWJ) alliiert. Diese Gruppen konnten einige Gebiete von der al Shabaab erobern.

Die Übergangsregierung wird generell als schwach, korrupt und inkompetent beschrieben. Es gibt auch interne Streitigkeiten. Diese haben zu Verzögerungen bei der Transition geführt.

Im Juni 2011 haben Präsident Sharif Sheikh Ahmed und der Parlamentssprecher Sharif Hassan Sheikh Aden in Kampala ein Abkommen unterzeichnet, das u.a. vorsieht, dass die Wahlen von Präsidenten und Parlamentssprecher durch das Parlament auf August 2012 verschoben werden. Das Kampala-Abkommen hat die Zwistigkeiten zwischen Präsidenten und Parlamentssprecher beendet. Das Abkommen beinhaltete auch die Ernennung eines neuen Premierministers.

Am 20. Juni 2011 wurde der vorherige Planungsminister Abdiweli Mohamed Ali vom Parlament zum neuen Premierminister bestimmt. Er präsentierte im Juli eine neue Regierung mit 18 Ministern.

Das Kampala-Abkommen hat auch den Weg für die so genannte Roadmap geebnet. Diese wurde im September 2011 angenommen. Sie beinhaltet die Schritte hin zu einer permanenten Regierung im August 2012. Die Schritte umfassen: Verbesserung der Sicherheitslage; Verfassungsentwurf; Versöhnung der unterschiedlichen Fraktionen in Somalia und Verbesserung der Regierungsführung; Transparenz und Verantwortlichkeit.

Die Roadmap wurde vom Präsidenten, vom Premierminister, vom Parlamentssprecher und von den Repräsentanten der halbautonomen Gebiete Puntland, Galmudug und ASWJ unterzeichnet. Sie wird von der UN, den USA und der EU unterstützt.

Somaliland und die al Shabaab waren bei der Schaffung der Roadmap nicht involviert und werden diese auch nicht umsetzen.

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Im Dezember wurden die Garowe-Prinzipien unterzeichnet. Ab Juni 2016 soll es ein gewähltes Zweikammernparlament geben.

Aufgrund der schlechten Sicherheitslage scheinen Wahlen im Jahr 2012 unmöglich. Daher wird auch die Periode Juni 2012 - Juni 2016 wieder eine Übergangsperiode sein, in welcher das Parlament gemäß der 4,5-Formel besetzt werden wird (also nach Clans).

Im Parlament kam es im Dezember 2011 und Jänner 2012 zu Spannungen rund um die vom Präsidenten für ungültig erklärte Absetzung des Parlamentssprechers. Das Parlament wählte einen neuen Sprecher, Mohamed Madobe Nonow, der jedoch weder vom Präsidenten noch vom Premierminister, noch von der Afrikanischen Union oder der IGAD akzeptiert wird. Das Parlament bleibt in zwei Lager gespalten.

(Ministerie van Buitenlandse Zaken (NL): Verkort ambtsbericht Somalië, 29.2.2012, http://www.rijksoverheid.nl/bestanden/documenten-en-publicaties/ambtsberichten/2012/02/29/somalie-2012-02- 29/somalie-2012-02-29.pdf, Zugriff 25.4.2012)

Aktuelle Sicherheitslage - Süd-/Zentralsomalia

Seit Mai 2009 kam es zu erneuten intensiven Kämpfen in Mogadischu und anderen Teilen des Landes, die 2011 nach wie vor anhalten. Al Shabaab wurde unlängst durch die AMISOM-Mission der Afrikanischen Union und Streitkräfte der somalischen Übergangsregierung aus Mogadischu weitestgehend verdrängt. Al Shabaab kontrolliert aber weiterhin große Teile Süd-/Zentralsomalias. Die anhaltenden bewaffneten Konflikte führen dazu, dass die Möglichkeiten für ausländische humanitäre Hilfe immer schlechter werden und das Land noch tiefer in einer humanitären Dauer-Katastrophe versinkt.

Im Oktober 2011 ist die kenianische Armee nach wiederholten Übergriffen auf kenianisches Territorium, u.a. Entführungen mehrerer westlicher Staatsangehöriger, in von al Shabaab kontrollierte Gebiete Südsomalias einmarschiert. Die Erfolgsperspektiven für eine Befriedung Somalias sind angesichts fortgesetzter Kampfhandlungen, der nach wie vor nicht vollumfänglich gegebenen Unterstützung der Übergangsregierung durch die Bevölkerung, der nur eingeschränkten Möglichkeiten der AMISOM und der Geländegewinne von islamistischen und anderen Milizen in Süd-/Zentralsomalia nach wie vor sehr unklar.

(Auswärtiges Amt: Somalia, Innenpolitik, Stand 11.2011, http://www.auswaertiges- amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Somalia/Innenpolitik_node.html, Zugriff 25.4.2012)

Die Sicherheitslage in Süd-/Zentralsomalia außerhalb von Mogadischu war sehr schlecht. Dies wurde durch mehrere Faktoren verursacht. Erstens kam es zu regelmäßigen Kämpfen in unterschiedlichen Regionen von Süd- /Zentralsomalia. Dies betraf Kämpfe im Zuge der Anti-al-Shabaab-Offensive, die sich im Berichtszeitraum [ca. 2.2011 - 2.2012] ereignete. Al Shabaab wurde von Truppen der Übergangsregierung, von Ahlu Sunna wal Jama'a und anderen Anti-al-Shabaab-Gruppen sowie von kenianischen und äthiopischen Truppen bekämpft. Die kenianischen Truppen und alliierte Milizen kämpften in Teilen von Gedo und Lower Juba. Die äthiopischen Truppen und ASWJ waren in Gedo, Bakool und Hiraan aktiv - unter anderem beim Kampf um Beletweyne. ASWJ kämpfte auch in Galgaduud (u.a. in Dhusamareb).

Neben Kampfhandlungen am Boden kam es auch zu Luftangriffen v.a. durch Kenia, bei welchen auch Zivilisten zu Schaden kamen. U.a. wurden Afmadow, und Jilib in Lower Juba von Luftschlägen getroffen.

Mitte Oktober 2011 begann Kenia mit der Militäroperation Linda Nchi. Der nördliche Sektor der Operation befindet sich in Gedo, der südliche in Lower Juba. Mit den kenianischen Truppen kämpfen die alliierten somalischen Milizen Raskamboni (Ahmed Madobe) und Isiolo. Kenia führt auch Luftschläge durch. Auch in den "befreiten" Teilen führt al Shabaab weiterhin Angriffe aus.

Neben Beletweyne haben äthiopische Truppen im Februar 2012 auch Baidoa (Bay) eingenommen.

Neben Kampfhandlungen gegen al Shabaab gab es auch regelmäßig Zusammenstöße zwischen unterschiedlichen Clans, worüber wenig bis gar nichts bekannt ist.

Im südlichen Teil von Galkacyo, der zur Region Galmudug gehört, und im Gebiet um die Stadt kam es im Berichtszeitraum zu Clankämpfen. Dies führte zu erheblicher Gewalt.

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(Ministerie van Buitenlandse Zaken (NL): Verkort ambtsbericht Somalië, 29.2.2012, http://www.rijksoverheid.nl/bestanden/documenten-en-publicaties/ambtsberichten/2012/02/29/somalie-2012-02- 29/somalie-2012-02-29.pdf, Zugriff 25.4.2012)

Laut UN OCHA dauern die meisten Kämpfe zwischen Regierungsseite und al Shabaab kurz und die Menschen fliehen nur vorläufig und kehren nach Ende der Kämpfe wieder in ihre Häuser zurück. Zivilisten werden bei solchen Kampfhandlungen nicht willkürlich angegriffen.

Jedes Mal, wenn ein Gebiet in Süd-/Zentralsomalia durch AMISOM und alliierte Kräfte befreit worden ist, stellte sich die Frage, wer diese Gebiete künftig kontrollieren sollte. Es ist offensichtlich, dass die Übergangsregierung mit lokalen Clans und Warlords kooperiert, um in diesen Gebieten irgendeine Art an Legitimation zu erhalten.

Gegenwärtig besteht laut einer internationalen Organisation in Mogadischu und anderen Gebieten Süd- /Zentralsomalias die große Gefahr einer Rückkehr zur Zeit der Warlords. Dies führt man auf das Machtvakuum in neu gewonnenen Gebieten und auf die innere Spaltung der Übergangsregierung zurück.

Gemäß OCHA vom Februar 2012 kontrolliert die Übergangsregierung in der Region Gedo die Bezirke Belet Xawo, Ceel Waaq, Doolow, Luuq und Garbahaarey). Die Versorgung mit humanitärer Hilfe habe sich dort verbessert.

Die Sicherheitssituation in Beletweyne bleibt angespannt, vormittags gilt eine Ausgangssperre.

Laut einer internationalen Organisation kontrolliert die äthiopische Armee Beletweyne und einen Umkreis von ca. 10 Kilometer Radius.

Kleinere Angriffe und Anschläge durch al Shabaab kommen vor.

Gegenwärtig gibt es drei oder vier Clan-basierte bewaffnete Gruppen, welche angeben, Beletweyne zu kontrollieren und die auch Zölle an Straßensperren einheben.

Laut Human Rights Watch kommt es in Beletweyne und Baidoa zu Exekutionen, Folter und willkürlichen Verhaftungen durch mit der Regierung verbündete Milizen.

Sechs Bezirke in Galgaduud werden von der mit der Übergangsregierung verbündeten Ahlu Sunna Wal Jama'a kontrolliert.

Die Entität Galmudug hat Probleme damit, Recht und Ordnung auf ihrem Gebiet effektiv durchzusetzen.

Die Verwaltung von Ximan und Xeeb verhält sich neutral. Die Verwaltung obliegt dem Saleeban Subclan der Habr Gedir.

(Udlændinge Styrelsen/Danish Immigration Service: Security and human rights issues in South-Central Somalia, including (FFM-Bericht), 4.2012, http://www.nyidanmark.dk/NR/rdonlyres/90821397-6911-4CEF-A8D0- 6B8647021EF2/0/Security_human_rights_issues_South_CentralSomalia_including_Mogadishu.pdf, Zugriff 30.4.2012)

Seit Beginn des Bürgerkrieges 1991 gab es in weiten Landesteilen kaum wirksamen Schutz gegen Übergriffe durch Clan- und andere Milizen sowie bewaffnete kriminelle Banden. Auch internationale Hilfsorganisationen können einen solchen Schutz nicht bieten und müssen selbst ständig um die Sicherheit ihrer Mitarbeiter fürchten.

In den von radikal-islamistischen Gruppen beherrschten Gebieten Somalias, v.a. in Süd-/Zentralsomalia, können diese Gruppen weitgehend uneingeschränkt agieren.

Nach übereinstimmender Schätzung diverser UN-Organisationen und internationaler NGOs sind im somalischen Bürgerkrieg in den Jahren 2007-2010 etwa 20.000 Zivilisten zu Tode gekommen, davon der größte Teil in Süd- /Zentralsomalia. Im ersten Halbjahr 2011 sind allein in Mogadischu 1.400 Zivilisten getötet worden; nach

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Schätzungen soll sich die Zahl bis zum Jahresende verdoppelt haben. Außerdem gab es mindestens 8.400 Verletzte.

In Süd-/Zentralsomalia herrschen damit Zustände, die im Hinblick auf die Einhaltung der Menschenrechte und die humanitäre Lage desaströs sind.

Im Oktober 2011 marschierten kenianische Truppen in Südsomalia ein; im November 2011 marschierten äthiopische Truppen in Zentralsomalia ein, um gegen al Shabaab vorzugehen. Seither hat sich die Lage in den jeweiligen Grenzregionen leicht stabilisiert; die oppositionellen Gruppen sind zum Teil zurückgedrängt worden, stabile Verwaltung und den Menschenrechten zuträgliche Verhältnisse sind dadurch aber noch nicht entstanden.

(Auswärtiges Amt: Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Somalia, Stand 3.2012, 23.3.2012)

Politische Spannungen zwischen den Verwaltungen von Nord- und Süd-Galkacyo sind seit Jahren bekannt. Die Beziehungen haben sich gegen Ende des Jahres 2011 verschlechtert. Puntland (Nord) beschuldigt Galmudug (Süd), nichts gegen die Verschlechterung der Sicherheitslage zu unternehmen.

Das Gebiet ist von Piratenaktivitäten, Clanzusammenstößen, Attentaten und Entführungen betroffen. Während die Sicherheitslage im südlichen Stadtteil schlimmer sein dürfte, erfuhr auch der nördliche Teil eine Welle von Attentaten auf Wirtschaftstreibende, Älteste, religiöse Führer und Sicherheitskräfte.

Aufgrund der gegenwärtigen Lage mussten sich Hilfsorganisationen aus dem Gebiet zurückziehen. Dies führte zu einer Verschlechterung der Lebensbedingungen für die ca. 60.000 IDPs in den Lagern im Gebiet Galkacyo.

(UNHCR: Addendum to 2010 UNHCR Eligibility Guidelines for Assessing the International Protection Needs of Asylum-Seekers from Somalia, relating specifically to the city of Galkacyo, 16.3.2012, http://www.unhcr.org/refworld/docid/4f675c5e2.html, Zugriff 3.5.2012)

Aktuelle Sicherheitslage - Mogadischu

Nach dem Abzug der al Shabaab aus Mogadischu im August 2011 und den wiederholten Offensiven der Truppen der Afrikanischen Union (AMISOM) und der Übergangsregierung (TFG) ist die somalische Hauptstadt heute weitestgehend ein von den Islamisten befreiter und von direkten Kampfhandlungen verschonter Teil des Landes. Die Situation hat sich über die vergangenen Monate stabilisiert und mittelfristig ist keine Lagebildänderung abzusehen. Eine effektive Rückkehr der Islamisten nach Mogadischu kann ausgeschlossen werden.

Allerdings versucht al Shabaab weiterhin mit Guerillamaßnahmen gegen AMISOM und TFG anzukämpfen. Auch Undiszipliniertheiten von Regierungssoldaten und mit der Regierung verbündeten Milizionären sind einer vollständigen Befriedung abträglich. Allerdings hält sich die Intensität insgesamt in Grenzen und ist in einigen Bezirken rückläufig. In den meisten der 16 Bezirke (Ausnahmen: Dayniile, Karaan und Heliwaa) finden so gut wie keine direkten Kampfhandlungen mehr statt. Damit ist die somalische Hauptstadt von einem Frontbereich zu einer Stadt im Hinterland mutiert.

Folglich zeichnen somalische und internationale Medien ein verhalten optimistisches Bild von Mogadischu. Dieses umfasst eine Verbesserung des Alltagslebens in der Hauptstadt, eine langsame Normalisierung von Ökonomie, Infrastruktur und öffentlichem Leben. Die persönliche Freiheit der Menschen generell und die Bewegungsfreiheit im Speziellen haben sich demnach in Mogadischu verbessert. Dementsprechend sind viele Menschen in ihre angestammten Bezirke zurückgekehrt.

Den wesentlichen Unterschied zu vergangenen Phasen der Entspannung machen die Truppen der AMISOM. Die afrikanischen Friedenstruppen nahmen bei den bisher geführten Offensiven hohe Verluste in Kauf und werden von den Hauptstadtbewohnern weitgehend akzeptiert - ein Gegensatz zu vorangegangenen Friedensmissionen von Äthiopien, USA und UNO. Die AMISOM ist Garant und Träger von jenem Maß an Frieden und Stabilität, das derzeit in Mogadischu vorherrscht. Diese Feststellung ist freilich auch ein Indikator für die personelle Schwäche der Sicherheitskräfte der Übergangsregierung.

Die Gefahr einer neuerlichen Zersplitterung Mogadischus in Clangebiete ist eine Frage der Politik und staatlicher (Sicherheits-)Ressourcen. Bisher scheinen sich TFG und AMISOM durch Einbindung bzw. Disziplinierung alliierter Milizen erfolgreich behaupten zu können. www.ris.bka.gv.at Seite 14 von 55 Bundesverwaltungsgericht 06.08.2014

Fazit: Auch wenn das Ausmaß staatlicher Ordnung in Mogadischu noch begrenzt bleibt, hat sich die Lebenssituation der ansässigen Bevölkerung in den letzten Monaten wesentlich verbessert. Die Zukunftsprognose fällt positiv aus.

(BAA: Analyse der Staatendokumentation zu Somalia - Sicherheitslage Mogadischu, 14.3.2012)

Es wird geschätzt, dass in den letzten Monaten an die 300.000 Geflüchtete wieder in ihre Heimatstadt Mogadischu bzw. in ihre Wohnbezirke zurückgekehrt sind.

De facto kann trotz aller Fortschritte von staatlicher Ordnung unseres Verständnisses nicht die Rede sein. Es wird noch einige Zeit brauchen, bevor die Übergangsregierung über ausreichend ausgebildetes Personal und die dazugehörigen finanziellen Ressourcen verfügt, um einen ordentlichen Sicherheitsapparat in ganz Mogadischu zu etablieren.

Ein Sicherheitsproblem hinsichtlich allgemeiner Kriminalität bzw. bewaffneter Auseinandersetzungen zwischen Sicherheitskräften und alliierten Milizen ist für die inneren Bezirke bis auf Xamar Weyne derzeit kaum, für die äußeren Bezirke teilweise ablesbar. Überhaupt scheint es so, als ob die Dichte direkt vom Staat kontrollierter Sicherheitskräfte mit der Entfernung vom Zentrum nachlässt. Wann und ob dieses derzeit von alliierten Milizen ausgefüllte teilweise Sicherheitsvakuum beseitigt werden kann, hängt unmittelbar mit der Rekrutierung und Ausbildung neuer Sicherheitskräfte sowie mit der - bereits durch die UN genehmigten - Verstärkung der AMISOM zusammen. Problematisch ist dieser Aspekt hinsichtlich der Rechtsstaatlichkeit, die von den eingesetzten Milizen untergraben wird. Diese verfügen über keine Legitimation und während Militärgerichte Disziplinarvergehen von Regierungssoldaten abstrafen gibt es nur spärliche Berichte über die Ahndung durch Milizionäre begangener Straftaten.

Fazit a) Die inneren Bezirke sind hinsichtlich Sicherheit und Freiheit stabil. Eine Veränderung der Lage ist mittelfristig nicht abzusehen. b) Die äußeren Bezirke sind hinsichtlich Sicherheit und Freiheit auf niedrigem Niveau stabil. Dies gilt auch für den westlichen Teil von Karaan. Für eine Verbesserung der Situation bedarf es mehr und besser ausgebildeter Sicherheitskräfte - nicht zuletzt um die hohe Anzahl von Anschlägen weiter zu reduzieren. c) Die neuen Frontbezirke sind hinsichtlich Sicherheit und Freiheit instabil. Dies betrifft für Ost-Karaan, Dayniile und Heliwaa im wesentlichen Kampfhandlungen, für den Bezirk Dharkenley v.a. die Aktivität von Milizen sowie Kriminalität. Wann und ob AMISOM und TFG die effektive Kontrolle über diese Stadtteile erlangen, ist noch nicht absehbar.

(BAA: Analyse der Staatendokumentation zu Somalia - Sicherheitslage Mogadischu, 14.3.2012)

Eine internationale Organisation unterstreicht, dass die Präsenz der Bezirksvorsteher und ihrer Milizen sowie der bemannten Checkpoints nicht implizieren, dass dadurch für normale Menschen die Sicherheitssituation verschlechtert würde - außer es kommt zu bewaffneten Zusammenstößen. Männer und Frauen können sich in der Stadt frei bewegen, ohne vor diesen Milizen Angst haben zu müssen, auch wenn sie Bezirksgrenzen überschreiten.

(Udlændinge Styrelsen/Danish Immigration Service: Security and human rights issues in South-Central Somalia, including Mogadishu (FFM-Bericht), 4.2012, http://www.nyidanmark.dk/NR/rdonlyres/90821397-6911-4CEF-A8D0- 6B8647021EF2/0/Security_human_rights_issues_South_CentralSomalia_including_Mogadishu.pdf, Zugriff 30.4.2012)

Nach dem Rückzug von al Shabaab aus Mogadischu im August 2011 kontrollieren Übergangsregierung und AMISOM im Prinzip mehr als 90 Prozent der Stadt. Allerdings betreibt al Shabaab einen Guerillakampf mit fast täglichen Anschlägen (v.a. Handgranaten und Sprengsätze). Bis Ende Jänner 2012 gab es in den nördlichen Bezirken Dayniile, Yaqshiid, Heliwaa und Karaan Kampfhandlungen zwischen al Shabaab und Übergangsregierung/AMISOM. Zu Ende des Berichtszeitraums haben AMISOM und Übergangsregierung angegeben, die volle Kontrolle über Mogadischu zu haben.

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Bei Anschlägen mit Sprengsätzen kamen viele Zivilisten zu Schaden oder wurden getötet, auch wenn sie nicht gezielt angegriffen wurden.

Außerdem kam es zu Kampfhandlung innerhalb der Truppen der Übergangsregierung, bei welchen ebenfalls Zivilisten zu Schaden kamen oder getötet wurden.

(Ministerie van Buitenlandse Zaken (NL): Verkort ambtsbericht Somalië, 29.2.2012, http://www.rijksoverheid.nl/bestanden/documenten-en-publicaties/ambtsberichten/2012/02/29/somalie-2012-02- 29/somalie-2012-02-29.pdf, Zugriff 25.4.2012)

Nach einigen Anläufen ist des der AMISOM am 20.4.2012 gelungen, alle strategisch relevanten Positionen im Bezirk Dayniile unter Kontrolle zu bringen. Al Shabaab wurde vom Flughafen Dayniile und vom dortigen Krankenhaus vertrieben. Nur noch die strategisch unbedeutenden ländlichen Teile des Bezirks befinden sich unter Kontrolle von al Shabaab. Trotz des Fortschritts kann al Shabaab aber noch im ganzen Bezirk operieren und bis nahe an die Industrial Road herankommen.

(Somalia NGO Security Programme: Weekly Security Report 11.-26. April, 29.4.2012)

Menschenrechte

Menschenrechtslage allgemein

Die allgemeine Menschenrechtslage ist seit Jahren extrem schlecht. Diese Einschätzung teilen die in Somalia tätigen UN-Strukturen (UNPOS, UNDP, UNICEF, WFP), der UN-Menschenrechtsrat u.a.

Dass funktionstüchtige staatliche Strukturen seit nunmehr etwa zwei Jahrzehnten fehlen und die Macht in weiten Teilen des Landes faktisch durch bewaffnete extremistische, in Fundamentalopposition zur Übergangsregierung stehende Gruppen ausgeübt wird, hat für die allgemeine Menschenrechtslage desaströse Folgen und nicht zuletzt die menschenrechtliche Situation von Frauen und Kindern stark negativ beeinflusst. Das Recht auf Leben, Freiheit und körperliche Unversehrtheit werden genauso massenhaft und regelmäßig verletzt wie das Recht auf Versammlungsfreiheit, Pressefreiheit und auf Freiheit der Religionsausübung.

Die Übergangscharta (Übergangsverfassung) verpflichtet alle staatlichen Institutionen zum Schutz der Menschen- und grundlegenden Bürgerrechte. Diese Verpflichtung hat aufgrund der extremen Schwäche der staatlichen Institutionen in Somalia aber so gut wie keine praktische Bedeutung. Somalia hat die folgenden VN- Menschenrechtsabkommen ratifiziert:

- Internationales Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Rassendiskriminierung;

- Internationaler Pakt über bürgerliche und politische Rechte;

- Internationaler Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte;

- Übereinkommen gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende

Behandlung oder Strafe.

Unter den Bedingungen von permanentem Bürgerkrieg, weitgehendem Staatszerfall und extremer Armut des größten Teils der Bevölkerung haben aber auch diese Abkommen so gut wie keine praktische Wirkung. Selbst wenn man den politischen Willen der Übergangsregierung voraussetzt, Bemühungen zu ihrer Umsetzung zu unternehmen, so ist sie objektiv hierzu bis auf Weiteres nicht oder kaum in der Lage.

(Auswärtiges Amt: Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Somalia, Stand 3.2012, 23.3.2012)

Die Menschenrechtssituation in den von al Shabaab kontrollierten Gebieten war schlecht. Schariagerichte sprechen unverhältnismäßige Strafen aus, darunter Exekutionen und Körperstrafen (Auspeitschung, Amputation). Es kam zu willkürlichen Verhaftungen und zu Inhaftierungen für Verhalten, das von al Shabaab nicht toleriert wird. Frauen wurden wegen inadäquater Kleidung, Kinder für das Fußballspielen, Männer für den

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Konsum von Khat oder das Hören von Musik inhaftiert. Menschen wurden auch aufgrund des Verdachts, Spionage für die Übergangsregierung und ihre Alliierten zu betreiben, inhaftiert.

Das Nichtbezahlen der durch al Shabaab verhängten Steuern war ebenfalls ein Grund für Verhaftungen, diese wurde üblicherweise bei Bezahlung beendet. Es wurde berichtet, dass Menschen wegen ausständigen Steuern auch umgebracht worden sind. Es gibt keine Informationen darüber, dass bestimmte Gruppen speziell von al Shabaab verfolgt wurden.

Auch Clanälteste wurden bei ihren Aktivitäten in den von al Shabaab kontrollierten Gebieten behindert und hatten nur beschränkt Einfluss. Es gibt auch Berichte über Clanälteste, die getötet oder misshandelt worden sind.

(Ministerie van Buitenlandse Zaken (NL): Verkort ambtsbericht Somalië, 29.2.2012, http://www.rijksoverheid.nl/bestanden/documenten-en-publicaties/ambtsberichten/2012/02/29/somalie-2012-02- 29/somalie-2012-02-29.pdf, Zugriff 25.4.2012)

Gemäß den Aussagen einer internationalen Organisation hat die Etablierung von Militärgerichten die Anzahl an begangenen Menschenrechtsverletzungen durch Regierungssoldaten reduziert.

Gemäß Aussagen von UN OCHA gibt es keine Berichte über Menschenrechtsverletzungen aus den neu gewonnenen Gebieten. Allerdings gebe es viele Berichte über geschlechtsspezifische Gewalt, begangen durch alle Konfliktparteien und über gezielte Tötungen auf beiden Seiten.

Zu den häufigsten Menschenrechtsverletzungen in Süd-/Zentralsomalia gehören willkürliche/ungesetzliche Verhaftung oder Inhaftierung, Mangel an fairem Prozess, die mangelnde Verfügbarkeit an Berufungsmöglichkeiten. Allerdings sei es zumindest möglich, mit der gegenwärtigen Übergangsregierung Menschenrechtsverletzungen zu besprechen.

Menschenrechtsverletzungen werden von Individuen, Regierungskräften, al Shabaab und Milizen begangen, von denen einige Clanmilizen sind oder von Warlords geführt werden. Letztere etablieren Checkpoints, wo sie von Durchkommenden Geld erpressen. Diese Milizen unterstützen die Übergangsregierung, einige der Warlords sind auch Parlamentsabgeordnete. Diese Milizen stehen theoretisch unter Kontrolle der Regierung, arbeiten praktisch aber auf eigene Rechnung.

Die Menschenrechtssituation hat sich nach Angaben einer lokalen NGO in Mogadischu seit dem Abzug der al Shabaab verbessert. Allerdings könne sie noch immer nicht als gut bezeichnet werden.

Gemäß UNHCR gelingt es al Shabaab viel besser als der Übergangsregierung, auf ihrem Gebiet Recht und Ordnung zu gewährleisten, da sie besser diszipliniert und effizient ist. Allerdings wird Recht und Ordnung von al Shabaab nur mittels Terror, Amputationen, Köpfungen und andere Menschenrechtsverletzungen sowie einer sehr strengen Auslegung der Scharia durchgesetzt. Willkürliche Besteuerungen und Zwangsrekrutierungen greifen in den Gebieten von al Shabaab um sich.

(Udlændinge Styrelsen/Danish Immigration Service: Security and human rights issues in South-Central Somalia, including Mogadishu (FFM-Bericht), 4.2012, http://www.nyidanmark.dk/NR/rdonlyres/90821397-6911-4CEF-A8D0- 6B8647021EF2/0/Security_human_rights_issues_South_CentralSomalia_including_Mogadishu.pdf, Zugriff 30.4.2012)

Meinungs- und Pressefreiheit

Die Übergangsverfassung gewährt Meinungs- und Pressefreiheit; dies hat aber bisher mangels effektiver Staatsstrukturen kaum praktische Bedeutung. In den vergangenen Jahren herrschte in weiten Teilen des Landes dennoch eine gewisse, wenn auch durch die Bürgerkriegslage eingeschränkte, Meinungs- und Pressefreiheit. Es gab eine relativ umfangreiche Zeitungslandschaft sowie zahlreiche Hörfunkprogramme, die sich großer Beliebtheit erfreuten. Die jeweils herrschenden Milizen bzw. quasi-staatlichen Autoritäten haben unliebsame Berichterstattung aber regelmäßig durch Zensur, Schließung bzw. Übernahme von Radiostationen und Einschüchterung bis hin zu Mord unterbunden. Der größte Teil der Printmedien hat daher inzwischen aufgegeben. 2007-2010 wurden insgesamt mindestens 22 Journalisten ermordet und weitere verwundet; mehr als 40 Journalisten waren zeitweise inhaftiert. 2011 wurden vier Journalisten getötet und sieben weitere verletzt. Von Januar bis März 2012 wurden bereits drei weitere Journalisten in Somalia getötet.

www.ris.bka.gv.at Seite 17 von 55 Bundesverwaltungsgericht 06.08.2014

(Auswärtiges Amt: Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Somalia, Stand 3.2012, 23.3.2012)

BBC und Voice of America senden täglich Programme auf Somali. In Mogadischu gibt es acht Radiostationen, in zahlreichen Städten in Süd-/Zentralsomalia existieren weitere, kleine Stationen. In Kismayo gibt es eine von al Shabaab betriebene Station.

Anders als in vergangenen Jahren erhielten Journalisten keine direkten Drohungen mehr durch die Übergangsregierung. Allerdings drangsalierten al Shabaab und andere Extremisten weiterhin Journalisten und das Gesamtklima bezüglich Meinungs- und Pressefreiheit verschlechterte sich.

Es gab keine Einschränkungen des Zugangs zum Internet seitens der Regierung.

(U.S. Department of State: 2010 Country Reports on Human Rights Practices - Somalia, 8.4.2011, http://www.unhcr.org/refworld/docid/4da56d89c.html, Zugriff 22.8.2011)

Opposition

Die Übergangsinstitutionen wurden mit internationaler Unterstützung so zusammengesetzt, dass alle relevanten Clans und Gruppen repräsentiert sind. Politische Parteien gibt es nur in Somaliland. Ob es in fernerer Zukunft auch in anderen Landesteilen Parteistrukturen geben wird, hängt in erster Linie davon ab, ob Fortschritte dabei erzielt werden können, landesweit eine effektive Staatsgewalt aufzubauen und Methoden der friedlichen Konfliktlösung und des Interessenausgleichs zu etablieren. Dies erscheint bis auf weiteres fraglich.

In Opposition zur Übergangsregierung stehen bewaffnete Rebellen unterschiedlicher, häufig islamistischer Motivation sowie Ad-hoc-Koalitionen innerhalb und außerhalb des Übergangsparlaments. Angesichts der unklaren Machtverhältnisse ist es unmöglich, sicher festzustellen, ob Gegner und Kritiker der Übergangsregierung von staatlichen oder quasi-staatlichen Akteuren oder Dritten behindert oder gewaltsam angegriffen werden. Entsprechende Behauptungen sind seit Amtsübernahme der "neuen" Übergangsregierung im Jahr 2009 deutlich seltener geworden.

(Auswärtiges Amt: Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Somalia, Stand 3.2012, 23.3.2012)

Mehrere Politiker wurden in Mogadischu zu Opfern gezielter Angriffe (Minister, Parlamentsabgeordnete).

(Ministerie van Buitenlandse Zaken (NL): Verkort ambtsbericht Somalië, 29.2.2012, http://www.rijksoverheid.nl/bestanden/documenten-en-publicaties/ambtsberichten/2012/02/29/somalie-2012-02- 29/somalie-2012-02-29.pdf, Zugriff 25.4.2012)

Haftbedingungen

Die Haftbedingungen in somalischen Gefängnissen sind hart und gelten z. T. als lebensbedrohlich. Dies gilt für ganz Somalia; Aktivitäten von UNDP und UNODC beim Gefängnisaufbau und der Schulung von Gefängnispersonal in Puntland und Somaliland schaffen nur langsam Abhilfe. Die Haftbedingungen entsprechen nicht international gültigen Mindeststandards: Überfüllung, fehlende sanitäre Einrichtungen und Gesundheitsversorgung sind Regelerscheinungen. Neben Krankheiten stellen Übergriffe des häufig ungeschulten Bewachungspersonals eine kontinuierliche Bedrohung für die Insassen dar.

(Auswärtiges Amt: Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Somalia, Stand 3.2012, 23.3.2012)

Seit dem Ende des Regimes von Abdullahi Yusuf im Jahr 2008 gab es keine Berichte mehr über Gefängnisse, die von alliierten Milizen der Übergangsregierung geführt wurden. Extremisten und Clans betreiben weiterhin Haftanstalten, wo die Bedingungen hart sind und Wärter regelmäßig die Gefangenen misshandeln.

Al Shabaab betreibt Haftanstalten. Schätzungsweise sind dort tausende Gefangene unter unmenschlichen Bedingungen inhaftiert, und dies für relativ geringe Vergehen, wie Rauchen, Musik hören oder Verstoßes gegen die Kleidungsvorschriften.

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Jugendliche werden häufig zusammen mit Erwachsenen eingesperrt. Die Inhaftierung von Jugendlichen aus disziplinären Gründen auf Wunsch der Eltern bleibt ein Problem.

Für Frauen und Männer sind getrennte Haftbereichen vorgesehen.

(U.S. Department of State: 2010 Country Reports on Human Rights Practices - Somalia, 8.4.2011, http://www.unhcr.org/refworld/docid/4da56d89c.html, Zugriff 22.8.2011)

AMISOM, kenianische und äthiopische Kräfte übergeben Gefangene an die Regierung.

Gemäß den Aussagen einer internationalen Organisation, welche das Zentralgefängnis in Mogadischu im Februar besucht hat, befinden sich dort u.a. 11 Frauen und 32 Personen unter 18 Jahren in Haft. Einige der Gefangenen - obgleich Zivilisten - waren von Militärgerichten verurteilt worden.

Das Justizministerium hat eine Menschenrechtsabteilung etabliert, die jedoch nur aus einer Person besteht und dementsprechend wird deren Einfluss angezweifelt.

Es gibt Berichte über die Folterung von al Shabaab-Sympathisanten und -Mitgliedern in staatlichen Gefängnissen.

(Udlændinge Styrelsen/Danish Immigration Service: Security and human rights issues in South-Central Somalia, including Mogadishu (FFM-Bericht), 4.2012, http://www.nyidanmark.dk/NR/rdonlyres/90821397-6911-4CEF-A8D0- 6B8647021EF2/0/Security_human_rights_issues_South_CentralSomalia_including_Mogadishu.pdf, Zugriff 30.4.2012)

Todesstrafe

Die Todesstrafe wird in allen Landesteilen verhängt und vollzogen, allerdings deutlich seltener in Gebieten unter der Kontrolle der Übergangsregierung und dort nur für schwerste Verbrechen. In den von islamistischen Radikalen beherrschten Landesteilen wird sie auch für "Delikte" wie Ehebruch und "Kooperation mit den Feinden des Islam" (d.h. mit der Übergangsregierung oder der Mission der Afrikanischen Union, AMISOM) verhängt und öffentlich, z.T. durch Steinigung, vollzogen. Es gibt keine Erkenntnisse zu Bestrebungen, die Todesstrafe abzuschaffen und es ist sehr unwahrscheinlich, dass es solche gibt.

2011 tötete al Shabaab mindestens 13 Menschen unter dem Vorwurf, diese hätten spioniert.

(Auswärtiges Amt: Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Somalia, Stand 3.2012, 23.3.2012)

Die Übergangsregierung versucht Undiszipliniertheiten zu unterbinden und es gibt Berichte über die Verhaftung und Exekution von Soldaten aufgrund unautorisierter Schießereien und Tötungen an Checkpoints in Mogadischu.

(Udlændinge Styrelsen/Danish Immigration Service: Security and human rights issues in South-Central Somalia, including Mogadishu (FFM-Bericht), 4.2012, http://www.nyidanmark.dk/NR/rdonlyres/90821397-6911-4CEF-A8D0- 6B8647021EF2/0/Security_human_rights_issues_South_CentralSomalia_including_Mogadishu.pdf, Zugriff 30.4.2012)

Militär

Wehrdienst

Es gibt keine Wehrpflicht.

(Auswärtiges Amt: Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Somalia, Stand 3.2012, 23.3.2012)

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Regierungsseite

Übergangsregierung

Die Übergangsregierung verfügt in Mogadischu über mehr als 10.000 Mann.

Die Regierung musste sich auch um gewaltsame Auseinandersetzungen innerhalb der eigenen Kräfte kümmern, die sich gegen Zivilisten und eigene Soldaten richteten.

(Ministerie van Buitenlandse Zaken (NL): Verkort ambtsbericht Somalië, 29.2.2012, http://www.rijksoverheid.nl/bestanden/documenten-en-publicaties/ambtsberichten/2012/02/29/somalie-2012-02- 29/somalie-2012-02-29.pdf, Zugriff 25.4.2012)

Viele der Regierungssoldaten unterliegen nicht der Kontrolle der Regierung. Die Hälfte davon ist der Regierung gegenüber loyal, während die andere Hälfte mehr oder weniger loyal zu Milizen unter Kontrolle einiger Bezirksvorsteher von Mogadischu stehen. Einige dieser Bezirksvorsteher verfolgen eigene Ziele und ihre Aktivitäten stehen nicht immer im Einklang mit der Regierung.

(Udlændinge Styrelsen/Danish Immigration Service: Security and human rights issues in South-Central Somalia, including Mogadishu (FFM-Bericht), 4.2012, http://www.nyidanmark.dk/NR/rdonlyres/90821397-6911-4CEF-A8D0- 6B8647021EF2/0/Security_human_rights_issues_South_CentralSomalia_including_Mogadishu.pdf, Zugriff 30.4.2012)

AMISOM

AMISOM wurde im Jahr 2007 in Mogadischu stationiert. Das Mandat besagt, dass die Truppe die Übergangsregierung und ihre Institutionen schützen soll. Seit 2009 und vor allem seit den vermehrten Angriffen durch al Shabaab nahm AMISOM aktiver am Kampfgeschehen teil.

(Human Rights Watch: No Place for Children: Child Recruitment, Forced Marriage, and Attacks on Schools in Somalia, 25.2.2012, http://www.unhcr.org/refworld/docid/4f48f09a2.html, Zugriff 23.4.2012)

Der UN-Sicherheitsrat hat heute (22.2.2012) der Vergrößerung der AMISOM um fast 50 Prozent zugestimmt.

In der einstimmig angenommen Resolution wird die genehmigte Truppenstärke der AMISOM von 12.000 auf 17.731 Mann angehoben. Außerdem wird die logistische Hilfe durch die UN verstärkt.

(UN News Service: Security Council calls for large increase to African peace force in Somalia, 22.2.2012, http://www.unhcr.org/refworld/docid/4f4b3cd32.html, Zugriff 23.4.2012)

Die AMISOM-Kräfte bestehen derzeit aus 12.031 Ugandern und Burundis, 4.660 Kenianern, 1.000 Dschibutis und 850 Mann aus Sierra Leone.

(Udlændinge Styrelsen/Danish Immigration Service: Security and human rights issues in South-Central Somalia, including Mogadishu (FFM-Bericht), 4.2012, http://www.nyidanmark.dk/NR/rdonlyres/90821397-6911-4CEF-A8D0- 6B8647021EF2/0/Security_human_rights_issues_South_CentralSomalia_including_Mogadishu.pdf, Zugriff 30.4.2012)

AMISOM hat Schritte unternommen, Operationen, bei welchen Zivilisten wahllos zu Schaden kommen, einzuschränken. Die Regulierung zum Einsatz von indirektem Feuer wurde angepasst.

(UN Security Council: Report of the Secretary-General on Somalia, 28.4.2011, http://www.unhcr.org/refworld/docid/4df0bc062.html, Zugriff 24.4.2012)

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Kenia hatte den Wunsch geäußert, dass seine Kräfte in die AMISOM eingegliedert werden sollten. Dies würde einerseits internationale Anerkennung und andererseits finanzielle Entlastung geben. Der UN-Sicherheitsrat hat dem Anliegen am 22.2.2012 zugestimmt.

(Ministerie van Buitenlandse Zaken (NL): Verkort ambtsbericht Somalië, 29.2.2012, http://www.rijksoverheid.nl/bestanden/documenten-en-publicaties/ambtsberichten/2012/02/29/somalie-2012-02- 29/somalie-2012-02-29.pdf, Zugriff 25.4.2012)

Ahlu Sunna Wal Jama'a

Die Ahlu Sunna Wal Jama'a (ASWJ) ist eine moderat-islamistische Sufi-Gruppe, die seit März 2010 auf dem Papier offiziell mit der Übergangsregierung alliiert ist. Die Gruppe findet sich vor allem in Zentralsomalia, wo sie größere Teile der Regionen Galgadud und Hiraan kontrolliert. Auch an der äthiopischen Grenze in der Region Gedo konnte ASWJ Gebiete von al Shabaab gewinnen. ASWJ erhält finanzielle und militärische Unterstützung durch Äthiopien.

(Human Rights Watch: No Place for Children: Child Recruitment, Forced Marriage, and Attacks on Schools in Somalia, 25.2.2012, http://www.unhcr.org/refworld/docid/4f48f09a2.html, Zugriff 23.4.2012)

Andere

Bei der kenianischen Militäroperation, die bis zu ihrer Überführung in die AMISOM 154 Tage dauerte, wurden fast 20 Städte und 95.000 Quadratkilometer eingenommen.

Allerdings ist es der kenianischen Armee gemäß UNHCR nicht gelungen, die Positionen innerhalb Somalias zu konsolidieren.

Die Truppen werden immer wieder im Hinterland angegriffen.

Es wird als wenig wahrscheinlich erachtet, dass die Kenianer binnen des nächsten halben Jahres in der Lage sein werden, auf Kismayo vorzustoßen.

Die äthiopische Armee hat Beletweyne und die nördlichen Teile von Hiraan unter Kontrolle. Insgesamt hat Äthiopien in Zentralsomalia zwischen 5.000 und 10.000 Mann stationiert.

(Udlændinge Styrelsen/Danish Immigration Service: Security and human rights issues in South-Central Somalia, including Mogadishu (FFM-Bericht), 4.2012, http://www.nyidanmark.dk/NR/rdonlyres/90821397-6911-4CEF-A8D0- 6B8647021EF2/0/Security_human_rights_issues_South_CentralSomalia_including_Mogadishu.pdf, Zugriff 30.4.2012)

Deserteure

Es gilt als relativ einfach, aus der al Shabaab-Miliz zu desertieren. Insbesondere auf dem Schlachtfeld ist es nicht schwierig, davonzurennen. Auch die Ausreise nach Kenia verläuft meist problemlos, da der Weg ins kenianische Flüchtlingslager allgemein bekannt ist. Hingegen ist es praktisch unmöglich, ein Trainingslager der al Shabaab zu verlassen.

Deserteure, die wieder auf das Gebiet von al Shabaab zurückkehren oder dort bleiben, werden oft von den Jihadisten erkannt. Sie müssen damit rechnen, entweder bestraft (bis hin zur Todesstrafe) oder wieder in die Miliz eingezogen zu werden.

Wichtige Gegner und Deserteure werden vereinzelt über das Gebiet von al Shabaab hinaus verfolgt bis ins Flüchtlingslager Dadaab oder dem Stadtteil Eastleigh in Nairobi, aber kaum nach Puntland oder Somaliland. Es gibt Berichte, wonach Deserteure aus Kenia entführt und zurück nach Somalia gebracht wurden, damit sie dort wieder für al Shabaab kämpfen. Es ist aber davon auszugehen, dass es sich dabei um für al Shabaab bedeutende Deserteure handelt, da der Aufwand einer Entführung deutlich größer ist als für eine Neurekrutierung in Somalia selbst. Grundsätzlich hat al Shabaab kein großes Interesse, unbedeutende Deserteure aufzuspüren und zu bestrafen.

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(Bundesamt für Migration: Focus Somalia - Menschenrechtslage in Süd- und Zentralsomalia, 30.6.2011)

Wenn es Kindern gelingt, der al Shabaab zu entkommen, verbleibt trotzdem ein Risiko.

Dieses Risiko der Vergeltung betrifft nicht nur die Kinder selbst. In mehreren Fällen wurde berichtet, dass in Somalia verbliebene Familienmitglieder geflohener Kinder bedroht und manchmal auch getötet worden sind.

(Human Rights Watch: No Place for Children: Child Recruitment, Forced Marriage, and Attacks on Schools in Somalia, 25.2.2012, http://www.unhcr.org/refworld/docid/4f48f09a2.html, Zugriff 23.4.2012)

Eine internationale Organisation erachtet es als unwahrscheinlich, dass al Shabaab die Kapazität besitzt, Deserteure in Mogadischu zu jagen. Ob eine derartige Verfolgung stattfindet, hängt von den spezifischen Umständen ab. Für Deserteure, die bei al Shabaab eine wichtige Position bekleidet haben, ist ein derartiges Risiko vorhanden.

Gemäß einer UN-Organisation gibt es mehrere Berichte über die Jagd auf al Shabaab-Deserteure. Allerdings gibt es bezüglich normaler Unterstützer/Kämpfer nur anekdotische Berichte über die Verfolgung durch al Shabaab auf außerhalb deren eigener Kontrolle gelegenem Gebiet.

Deserteure der al Shabaab werden seitens der Regierung unterschiedlich behandelt. Wenn sie sich ergeben, sind sie willkommen und können dem Geheimdienst (NSA) beitreten. Wenn sie in einem Versteck gefunden werden, kommen sie ins Gefängnis.

(Udlændinge Styrelsen/Danish Immigration Service: Security and human rights issues in South-Central Somalia, including Mogadishu (FFM-Bericht), 4.2012, http://www.nyidanmark.dk/NR/rdonlyres/90821397-6911-4CEF-A8D0- 6B8647021EF2/0/Security_human_rights_issues_South_CentralSomalia_including_Mogadishu.pdf, Zugriff 30.4.2012)

Aufständische (Hauptgruppen)

Harakat al Shabaab Mujahideen

Seit 2008 kontrolliert al Shabaab große Teile Süd-/Zentralsomalias. Dies betrifft die Regionen Middle Juba, Lower Juba und Bay, die größten Teile von Gedo, Middle Shabelle, Lower Shabelle, Bakool und Hirran und Teile von Galguduud, Mudug und Mogadishu. Im Berichtszeitraum hat sich das Gebiet der al Shabaab verkleinert.

Al Shabaab wird Berichten zufolge von einem Shura-Rat geleitet. Es ist nicht bekannt, wie viele und welche Anführer im Rat sitzen. Sheikh Abdi Godane "Abu Zubeyr" wird als Anführer der Gruppe erachtet. Andere Mitglieder des Shura-Rates dürften u.a. Sheikh Mukhtar Robow 'Abu Mansur' Ali Mohamed H Rage 'Ali Dheere, Hassan Dahir Aweys, Fuad Ahmed Khalaf 'Shongole' und Ibrahim Haji Jama al-Afghani sein.

Al Shabaab wurde denzentralisiert und besteht aus einer komplexen Mischung aus Untergruppen.

Im Februar 2012 wurde der formelle Eintritt der al Shabaab in die al Qaida bekannt gegeben.

Die International Crisis Group schätzte die Stärke von al Shabaab im vergangenen Berichtszeitraum auf 5.000 bis 10.000 Mann. Es ist nicht möglich, die derzeitige Stärke zu schätzen. Aufgrund der schweren Verluste ist al Shabaab jedoch derzeit militärisch geschwächt.

(Ministerie van Buitenlandse Zaken (NL): Verkort ambtsbericht Somalië, 29.2.2012, http://www.rijksoverheid.nl/bestanden/documenten-en-publicaties/ambtsberichten/2012/02/29/somalie-2012-02- 29/somalie-2012-02-29.pdf, Zugriff 25.4.2012)

Zwangsrekrutierung und Kindersoldaten [Frauen/Mädchen siehe SOG]

Übergangsregierung

www.ris.bka.gv.at Seite 22 von 55 Bundesverwaltungsgericht 06.08.2014

Offiziell rekrutiert die Übergangsregierung keine Kinder unter 18 Jahren in ihre Sicherheitskräfte.

Weder befragte Kinder noch ihre Familien äußerten bezüglich einer Zwangsrekrutierung durch die Übergangsregierung Sorgen. Buben sind aber sowohl in den Kräften der Übergangsregierung als auch in mit ihr alliierten Milizen vorzufinden.

Die Übergangsregierung hat bereits mehrmals öffentlich geäußert, die Verwendung von Kindern in ihren Kräften zu beenden.

(Human Rights Watch: No Place for Children: Child Recruitment, Forced Marriage, and Attacks on Schools in Somalia, 25.2.2012, http://www.unhcr.org/refworld/docid/4f48f09a2.html, Zugriff 23.4.2012)

Al Shabaab

Die meisten der von al Shabaab rekrutierten Kinder in den Jahren 2010 und 2011 waren zwischen 15 und 18 Jahre, manche nur 10 Jahre alt.

Genaue Zahlen bezüglich der Rekrutierung von Kindern sind unbekannt. Im April 2011 nannte der UN- Generalsekretär in seinem Bericht ca. 2.000 Kinder, die im Jahr 2010 zum Zwecke militärischer Ausbildung von al Shabaab entführt worden sein sollen.

Kinder berichteten Human Rights Watch, dass al Shabaab sie in ihren Häusern rekrutiert hätte. Andere berichteten, dass sie durch Angehörige der eigenen Familie (Väter, Brüder, Cousins), die bereits bei al Shabaab kämpften, rekrutiert worden seien.

Zeugen berichten davon, dass Kindern bei einer Verweigerung auch schon einmal die Hände abgeschnitten, oder sie getötet werden.

Die Eltern und andere Familienmitglieder versuchen immer wieder, ihre Mädchen und Buben vor der Zwangsrekrutierung zu bewahren, berichten Zeugen. Al Shabaab hat dabei Verwandte getötet und verletzt. Dies betraf in manchen Fällen auch Schullehrer. Human Rights Watch hat ein halbes Dutzend derartiger Fälle dokumentiert.

(Human Rights Watch: No Place for Children: Child Recruitment, Forced Marriage, and Attacks on Schools in Somalia, 25.2.2012, http://www.unhcr.org/refworld/docid/4f48f09a2.html, Zugriff 23.4.2012)

Offiziell rekrutiert al Shabaab nicht entlang von Clanlinien. Allerdings können Clanangelegenheiten die Rekrutierung auf lokaler Ebene beeinflussen.

Manchmal treibt al Shabaab in Dörfern die Menschen zusammen und rekrutiert eine größere Anzahl. Es gibt Berichte von Einzelrekrutierungen von über 200 Personen auf einem Mal. Viele werden zwangsrekrutiert, andere treten auf Druck oder durch Überzeugung bei. Meistens ist es auch Armut, welche die Jugendlichen zur al Shabaab treibt.

Eine internationale Organisation gibt an, dass al Shabaab in Mogadischu keine Zwangsrekrutierungen mehr durchführt.

(Udlændinge Styrelsen/Danish Immigration Service: Security and human rights issues in South-Central Somalia, including Mogadishu (FFM-Bericht), 4.2012, http://www.nyidanmark.dk/NR/rdonlyres/90821397-6911-4CEF-A8D0- 6B8647021EF2/0/Security_human_rights_issues_South_CentralSomalia_including_Mogadishu.pdf, Zugriff 30.4.2012)

Zur Rekrutierung werden zahlreiche verschiedene Strategien angewandt, die von ideologischen und finanziellen Anreizen bis hin zur Ausübung von Zwang reichen. Dabei sind Zwangsrekrutierungen grundsätzlich willkürlich und weder die Norm noch Ausnahmen. Al Shabaab hat keine einheitliche Rekrutierungspraxis. In den letzten Monaten wurden die Rekrutierungen immer aggressiver, da al Shabaab durch eine Offensive von Milizen, welche auf der Seite der Übergangsregierung (TFG) kämpfen, unter Druck kommt.

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Al Shabaab verlässt sich bei der Rekrutierung häufig auf Clanstrukturen, obwohl dies eigentlich ihrer Ideologie widerspricht. Clanchefs, welche sich al Shabaab angeschlossen haben, müssen ihre Milizen zur Verfügung stellen oder im Rahmen der Clan-Mechanismen rekrutieren (z. B. der älteste Sohn jeder Familie). Dies geschieht insbesondere in den Clans, welche al Shabaab unterstützen: Murusade, Duduble, Hawadle, Cayr, Saleban und Gaaljel (alles Clans der Hawiye-Familie) sowie Rahanweyn, wobei keiner dieser Clans als Gesamtheit und ausschließlich auf der Seite von al Shabaab kämpft. In letzter Zeit wurden solche Clan-Rekrutierungsrunden teils auch von al Shabaab organisiert. Clanälteste werden teils auch dafür bezahlt, Jugendliche ihres Clans zu überzeugen, sich al Shabaab anzuschließen.

Zahlreiche Kämpfer schließen sich aus ideologischer Überzeugung den Jihadisten an. Diese ist aber selten die Hauptmotivation. Finanzielle Anreize spielen eine wichtige Rolle.

Für die oben beschriebenen Vorgehensweisen fehlen al Shabaab aber mittlerweile meist das Geld und die Zeit. Aufgrund der aktuellen TFG-Offensive hat al Shabaab momentan einen großen Bedarf an Rekruten. Deshalb wird immer mehr Zwang angewandt. So rufen die Jihadisten mittlerweile über Radio und Lautsprecher oder in der Moschee die Familien auf, mindestens eine Person für den Jihad zur Verfügung zu stellen. Es werden auch nicht mehr nur Jugendliche, sondern bis zu 60-jährige Männer rekrutiert. Teils werden auch alle Unverheirateten verpflichtet, im Jihad zu kämpfen. Die Betroffenen müssen sich dann zu einer bestimmten Zeit an einem bestimmten Ort einfinden, wo sie eingezogen werden. Es gibt auch Berichte, wonach an Straßensperren Personen rekrutiert wurden.

(Bundesamt für Migration: Focus Somalia - Menschenrechtslage in Süd- und Zentralsomalia, 30.6.2011)

Clanstrukturen und Minderheiten

Clanstrukturen

Die Abstammungslinie mit dem grundlegendsten und funktionalsten Charakter ist die Mag-zahlende bzw. Diya- zahlende Gruppe [MAG / Diya = Blutgeld]. Mag-zahlende Gruppen stellen die wichtigste Ebene sozialer Organisation für jede Einzelperson dar. Es handelt sich um eine kleine, aus wenigen Lineages bestehende Gruppe, die der Auffassung ist, von einem gemeinsamen, vier bis acht Generationen entfernten Ahnen abzustammen, und die zahlenmäßig hinreichend groß ist (einige Hundert bis einige Tausend Männer), um in der Lage zu sein, Mag zu zahlen (gemäß Scharia 100 Kamele im Fall von Mord), falls dies notwendig werden sollte. So werden alle Männer aufgrund ihrer Zugehörigkeit zu einer Mag-zahlenden Gruppe definiert. Ihre sozialen und politischen Beziehungen werden durch gewohnheitsrechtliche Übereinkünfte (Xeer) geregelt, die sowohl innerhalb als auch zwischen Mag-zahlenden Gruppen getroffen werden.

Da die institutionelle Funktionsfähigkeit der Mag-zahlenden Gruppen auf ihrer Fähigkeit zur kollektiven Begleichung der Blut-Schulden ihrer Mitglieder beruht, kann diese Funktionsfähigkeit heutzutage in Frage gestellt werden, unter anderem durch das schiere Ausmaß der Blut-Kompensationen aufgrund der Dimensionen der Konflikte und Tötungen.

Somalia wird oft fälschlicherweise als ein Land mit ethnisch homogener Bevölkerung, Kultur und Sprache dargestellt. Die als solche wahrgenommene Mehrheit der Bevölkerung besteht aus nomadisch-viehzüchtenden ethnischen Somali, die die sogenannten "noblen Clans" Darood, Hawiye, Dir und Isaaq bilden. Diese Gruppen sprechen Af-Maxaa-tiri, die offizielle Sprache Somalias nach der Unabhängigkeit. Eine zweite große Gruppe bilden die primär sesshaften agrarisch-viehzüchtenden Gruppen, die im Gebiet zwischen den Flüssen Juba und Shabelle in Südsomalia ansässig sind und als Digil-Mirifle oder Rahanweyn bekannt sind. Ihre Sprache ist das Af-Maay-tiri, das sich recht deutlich von Af-Maxaa-tiri unterscheidet. Jenseits dieser ethnischen Homogenität findet man die Minderheiten.

Es ist zu beachten, dass sich die tatsächlichen politischen Dynamiken nicht allein unter Bezugnahme auf diese größeren Clangruppen nachvollziehen lassen, zumal es stets Rivalitäten und Streitigkeiten auf Ebene der Unterclans bzw. Unter-Unterclans gibt, die eine Rolle spielen. Diese führen häufig dazu, dass sich die Unterclans der großen Clangruppen häufig in clangruppenübergreifenden politischen Bündnissen zusammenschließen.

Es lässt sich beobachten, dass das vornehmlich von agrarischen Gruppen besiedelte Gebiet zwischen den Flüssen Juba und Shabelle in Südsomalia durch eine weit höhere Bevölkerungsdichte gekennzeichnet ist, als die von den nomadischen Gruppen bewohnten Regionen. Daher ist es denkbar, dass insbesondere die Rahanweyn zumindest 25 bis 30 % der Gesamtbevölkerung ausmachen und somit zahlreicher sind, als man sie für gewöhnlich hält. Die Bantu werden häufig als kleine Gruppen beschrieben, die vielleicht sechs Prozent der Bevölkerung bilden, doch könnten sie in Wirklichkeit 20 % darstellen, und in Süd-/Zentralsomalia könnte es lokale Bezirke geben, in www.ris.bka.gv.at Seite 24 von 55 Bundesverwaltungsgericht 06.08.2014 denen die Bantu sogar 50 % der lokalen Bevölkerung bilden. Jedoch werden diese Gruppen politisch niedergehalten und in somalischen Zahlenangaben, die die nomadischen Clans begünstigen, ausgeblendet.

(ACCORD: Clans in Somalia. Bericht zum Vortrag von Dr. Joakim Gundel beim COI-Workshop in Wien am 15.5.2009, überarbeitete Neuausgabe veröffentlicht 12.2009; http://www.ecoi.net/file_upload/90_1261131016_accord-bericht-clans-in-somalia-ueberarbeitete-neuausgabe- 20091215.pdf, Zugriff 3.5.2012)

Die große Mehrheit der Menschen in Mogadischu klärt Streitigkeiten über Clan-Mechanismen.

Eine internationale Organisation erklärte, dass Clanschutzmechanismen in einem gewissen Maß funktionieren und die Menschen es bevorzugen, sich zuerst an den Clan zu wenden, und nicht an die Behörden oder Gerichte.

Wenn es zwischen zwei Familien einen Streit gibt, dann werden diese ihn gemäß dem Kompensationssystem beizulegen versuchen und dann den Fall (falls er je angezeigt wurde) bei Gericht zurückziehen.

Dementsprechend kommt das formelle Justizsystem nur als eine Option zum Zuge. Bis ein Gericht ein Urteil gefällt hat, wird der Verdächtige immer die Möglichkeit haben, dass sein Clan die Streitigkeit durch Kompensationszahlungen beilegt. Dies ist ein übliches Phänomen und gilt für jedermann - selbst für Soldaten oder Polizisten. Das Clansystem funktioniert - allerdings nicht ideal. Vor allem Angehörige von Milizen oder anderen bewaffneten Gruppen haben eine gute Chance, straflos zu bleiben.

Bezüglich des Clanschutzes in Mogadischu und den ländlichen Gebieten von Süd-/Zentralsomalia gibt Bediako Buahene von UN OCHA an, dass die Clanschutzmechanismen in allen ländlichen Gebieten intakt seien. In vielen dieser Gebiete sind sie das einzig verfügbare Justizsystem und der einzige Mechanismus, um Zivil- und Strafvergehen zu verhandeln. Selbst wenn Älteste ihre Autorität an al Shabaab verloren haben (oder an Warlords oder Milizen), haben sie nicht die Autorität im eigenen Clan und gegenüber anderen Clans verloren.

Bezüglich Clanschutzmechanismen in Mogadischu und anderen urbanen Gebieten wurde erläutert, dass diese im gesamten Süd-/Zentralsomalia intakt seien. Die Mechanismen wurden von al Shabaab oder der Übergangsregierung und ihren Alliierten nicht unterwandert. Allerdings wird sich ein schwacher Clan mit einem großen Clan verbünden müssen, um seine Mitglieder adäquat schützen zu können.

Von Fall zu Fall kann der Clanschutz eine Person auch vor Vergehen durch die Übergangsregierung schützen. Manchmal seien Täter (z.B. von der Polizei) aus ihrem Amt entlassen worden. Eine internationale Organisation hat beobachtet, dass Polizeikommandanten damit beginnen, gegenüber von einzelnen Polizisten begangenen Straftaten mehr Verantwortungsgefühl zu zeigen.

In von der al Shabaab kontrollierten Gebieten hängt die Stärke traditioneller Konfliktlösungsmechanismen davon ab, ob und wie al Shabaab interveniert. Es kann z.B. für Älteste schwierig sein, im Falle einer Zwangsrekrutierung bei al Shabaab zu intervenieren.

(Udlændinge Styrelsen/Danish Immigration Service: Security and human rights issues in South-Central Somalia, including Mogadishu (FFM-Bericht), 4.2012, http://www.nyidanmark.dk/NR/rdonlyres/90821397-6911-4CEF-A8D0- 6B8647021EF2/0/Security_human_rights_issues_South_CentralSomalia_including_Mogadishu.pdf, Zugriff 30.4.2012)

Hauptclans

Nomadische Gruppen

Die Lineages der viehzüchtenden Somali sind durch ihre mythologische Wahrnehmung einer gemeinsamen, direkten Abstammung vom Urahn Samaal vereint. Heutzutage umfasst dieses segmentäre Clan-System drei bis vier Haupt-Clan-Familien.

Darood: werden üblicherweise in die drei große Gruppen Ogaden, Marehan und Harti unterteilt. Die Harti setzen sich aus den Majerteen, die heute vornehmlich in Puntland leben, sowie aus den Dulbahante und Warsangeli zusammen, die innerhalb der Grenzen Somalilands ansässig sind. Das Territorium Puntlands überlappt fast zur Gänze mit dem Verbreitungsgebiet der Majerteen-Clanfamilie. Die Marehan bewohnen Süd-/Zentralsomalia, wo www.ris.bka.gv.at Seite 25 von 55 Bundesverwaltungsgericht 06.08.2014 sie in der Gedo-Region besonders dominant sind. Die Ogaden sind in Äthiopien, Kenia und Südsomalia zu finden, wo sie in den vergangenen Jahren verstärkt an Kontrolle über das Nieder- und Mittel-Juba-Gebiet gewannen. Aufgrund ihrer Präsenz sowohl im Norden, in Süd-/Zentralsomalia und innerhalb der Grenzen Äthiopiens und Kenias können die Darood als die stärksten pan-somalischen Nationalisten betrachtet werden.

Hawiye: Hier stellen Habar Gedir und Abgal die wichtigsten Untergruppen dar. Die Hawiye findet man in Süd- /Zentralsomalia. Insbesondere die Habar Gedir und Abgal-Gruppen dominieren Mogadischu. In den anderen Regionen sind die Hawiye weniger präsent. Generell begnügen sie sich mit der Kontrolle über Süd- /Zentralsomalia.

Dir: Dazu gehören Gruppen wie Issa, Gadabursi und Biymaal. Dir-Gruppen leben in Somaliland sowie in Süd- /Zentralsomalia.

Isaaq: Die Isaaq unterhalten jedenfalls Verwandtschaftsbeziehungen zu Dir-Gruppen wie Biymaal, Issa und Gadabursi. Die Isaaq stellen den überwiegenden Bevölkerungsanteil in Somaliland.

Sesshafte agrarisch-viehzüchtende Gruppen

Die agrarisch-viehzüchtenden Somali bezeichnen sich selbst als Saab und umfassen die beiden Gruppen Mirifle und Digil sowie die Rahanweyn, die sich manchmal als identisch mit Mirifle und Digil sehen. Die Clanstruktur dieser Gruppen weicht erheblich von jener der nomadischen Gruppen ab.

Diese Gruppen betreiben keine Wanderviehwirtschaft sondern Ackerbau. Daneben halten sie auch Kamele, die als letzte Nahrungsreserve im Fall von Dürren dienen. Bei Eintreten von Dürren können diese Gruppen auch migrieren, wenngleich diese Wanderungen von den Migrationsformen der Nomaden zu unterscheiden sind. So definieren sich die agrarisch-viehzüchtenden Gruppen lokal, und ihre Heimatregion ist für ihre Identität von größerer Bedeutung als ihre Clanzugehörigkeit. Die Organisationen der Ältesten sind im Vergleich zu jenen der nomadischen Gruppen weitaus hierarchischer strukturiert und in ihrer Form enger mit den jeweiligen Dörfern und Heimatregionen verbunden.

Politisch haben die Rahanweyn-Clans seit 1999 zunehmend Kontrolle über ihre "eigenen" Regionen Bay und Bakool im Gebiet zwischen den Flüssen Juba und Shabelle in Südsomalia erlangt.

(ACCORD: Clans in Somalia. Bericht zum Vortrag von Dr. Joakim Gundel beim COI-Workshop in Wien am 15.5.2009, überarbeitete Neuausgabe veröffentlicht 12.2009; http://www.ecoi.net/file_upload/90_1261131016_accord-bericht-clans-in-somalia-ueberarbeitete-neuausgabe- 20091215.pdf, Zugriff 3.5.2012)

Minderheiten und kleine Clan-Gruppen

Eine signifikante Anzahl an somalischen Staatsbürgern ist nicht Mitglied eines "noblen" Clans. Sie werden pauschal als "Sab" oder "nicht-Samaal" bezeichnet. Diese Gruppen umfassen Personen arabisch-persischer Abstammung in den Küstenstädten, Somali-sprechende Abkömmlinge von Sklaven und islamische Somali- sprechende Personen nicht-somalischer Herkunft entlang des Shabelle. Die Definition von "Minderheit" variiert, doch umfasst sie allgemein: Bantu/Jareer (inkl. Gosha, Makane, Shiidle, Reer Shabelle, Mushunguli); Bravenese, Rerhamar, Bajuni, Eeyle, Jaaji/Reer Maanyo, Barawani, Galgala, Tumaal, Yibir, Midgan/Gaboye/Madhibaan.

Andere Gruppen werden zwar als Minderheiten erachtet, sind aber eng mit gewissen großen Clans assoziiert, zum Beispiel die Biymaal mit den Dir oder die Sheikhaal mit den Hawiye. Die Position dieser Gruppen in Beziehung zu den Samaal ["noble" Clans] variiert und hat sich im Laufe der Zeit verändert. Dies gilt auch für ihren Zugang zu Sicherheit, Justiz und anderen Rechten.

(UN High Commissioner for Refugees: UNHCR Eligibility Guidelines for Assessing the International Protection Needs of Asylum-Seekers from Somalia, 5.5.2010, http://www.unhcr.org/refworld/docid/4be3b9142.html, Zugriff 3.5.2012)

Minderheiten sind keine Clans, obwohl sie von den nomadischen Clans, die diese in ihre Clanstruktur assimilieren wollen, häufig als solche bezeichnet werden.

www.ris.bka.gv.at Seite 26 von 55 Bundesverwaltungsgericht 06.08.2014

Erstens verrät die Zugehörigkeit zu einer Minderheit nicht, ob die betreffende Person davon bedroht ist, Ziel von Angriffen zu werden oder nicht. Zweitens ist der Begriff "Minderheit" in manchen Fällen irreführend, zumal viele Minderheiten wie etwa die Bantus an zahlreichen Orten Süd-/Zentralsomalias de facto die lokale zahlenmäßige Mehrheit bilden. Dennoch werden sie von den militärisch stärkeren nomadischen Clans unterdrückt. Im gesamtstaatlichen Kontext stellen sie eine Minderheit dar, da es ihnen an territorial übergreifender Dominanz fehlt. Von diesem Muster bilden die Sab (Waable) eine Ausnahme, da sie auch zahlenmäßig gesehen, eine klare Minderheit darstellen, zumal sie über zahlreiche Gebiete verstreut leben.

Drittens lässt sich im Fall einiger Clangruppen (wie etwa der Biymaal) die umgekehrte Situation beobachten, dass diese mancherorts in kleineren Siedlungsinseln leben und daher auf lokaler Ebene mit einiger Rechtfertigung als "Minderheiten" bezeichnet werden können, jedoch nicht auf gesamtsomalischer Ebene, da sie einer mächtigen Clanfamilie angehören. So sind solche Gruppen allgemein in der Lage, das Gebiet, in dem sie eine "Minderheit" darstellen, zu verlassen und in einem anderen Gebiet, wo ihr Clan die Mehrheit bildet, Schutz zu erhalten (wiewohl Dominanz keineswegs mit vollkommener Kontrolle gleichzusetzen ist, zumal überall in Süd-/Zentralsomalia stets mehrere Clans sowie "Minderheiten" präsent sind). Dies bedeutet jedoch, dass diese Gruppen dazu gezwungen sind, ihre lokalen Gebiete, die sie möglicherweise über Generationen bewohnt haben, zu verlassen.

(ACCORD: Clans in Somalia. Bericht zum Vortrag von Dr. Joakim Gundel beim COI-Workshop in Wien am 15.5.2009, überarbeitete Neuausgabe veröffentlicht 12.2009; http://www.ecoi.net/file_upload/90_1261131016_accord-bericht-clans-in-somalia-ueberarbeitete-neuausgabe- 20091215.pdf, Zugriff 3.5.2012)

Ethnische Minderheiten

Minderheiten können eine unterschiedliche ethnische Herkunft haben, als die Samaal ["noble" Clans]. Dies gilt zum Beispiel für die Bantu Sklaven-Nachkommen und die Gosha im Zwischenstromland. Ihnen werden von den Somali unterschiedliche herabwürdigende Namen gegeben, wie etwa Boon (Person niedrigen Status') und Addoon (Sklave). Wie auch andere Bantu werden sie auch Jareer genannt (heißt: hartes Haar).

(UN High Commissioner for Refugees: UNHCR Eligibility Guidelines for Assessing the International Protection Needs of Asylum-Seekers from Somalia, 5.5.2010, http://www.unhcr.org/refworld/docid/4be3b9142.html, Zugriff 3.5.2012)

Bantu (Jareer): Die Bantu leben vornehmlich in den südlichen Gebieten, in denen vor allem Ackerbau betrieben wird, und werden je nach Ort unterschiedlich - etwa als Gosha, Makane, Shiidle, Reer Shabelle oder Mushungli - bezeichnet. Sie sprechen eine Bantu-Sprache, einige ihrer Mitglieder sprechen daneben Arabisch. Allgemein versuchen somalische nomadische Clans, Minderheitengruppen zu assimilieren, um sie zu kontrollieren. In Bezug auf die Bantu (auf deren Ausbeutung zwecks Landbewirtschaftung die "noblen" nomadischen Clans abzielen) ist jedoch unter vielen nomadischen Clans die Vorstellung verbreitet, dass diese wegen ihrer zu großen "Andersartigkeit" nicht assimilierbar seien und daher marginalisiert werden müssten. Dies führte zu einer Situation, in der Angriffe auf Bantu straflos blieben. Diese Verhältnisse haben sich mittlerweile geändert, unter anderem deshalb, da manche Bantu-Gruppen damit begonnen haben, sich zu organisieren und zu bewaffnen. An bestimmten Orten haben Bantu daher an Macht gewonnen und sind dort in der Lage, sich selbst zu verteidigen. Andernorts ist dies jedoch nicht der Fall.

Küstenbewohnende Gruppen [siehe auch weiter unten]: Zu diesen Minderheitengruppen, die entlang der Küste leben, zählen die Benadiri, Barawani, Bajuni sowie die Jaaji (oder auch: Reer Maanyo). Die Barawani und die Bajuni sind Gruppen arabischer Herkunft.

(ACCORD: Clans in Somalia. Bericht zum Vortrag von Dr. Joakim Gundel beim COI-Workshop in Wien am 15.5.2009, überarbeitete Neuausgabe veröffentlicht 12.2009; http://www.ecoi.net/file_upload/90_1261131016_accord-bericht-clans-in-somalia-ueberarbeitete-neuausgabe- 20091215.pdf, Zugriff 3.5.2012)

Waable (Berufskasten/Parias/"Midgaan"/Sab)

Einige "Paria"-Gruppen, wie die Yibir, Tumal und Midgan, erscheinen physisch wie die Somali. Ihr sozial niedriger oder "unberührbarer" Status wird aber durch die Ausübung einiger als "niedrig" erachteter Berufe und den Ausschluss von sozialer Interaktion mit den Samaal ["noble" Clans] verstärkt.

www.ris.bka.gv.at Seite 27 von 55 Bundesverwaltungsgericht 06.08.2014

(UN High Commissioner for Refugees: UNHCR Eligibility Guidelines for Assessing the International Protection Needs of Asylum-Seekers from Somalia, 5.5.2010, http://www.unhcr.org/refworld/docid/4be3b9142.html, Zugriff 3.5.2012)

Diese Gruppen unterscheiden sich ethnisch und sprachlich nicht von der Mehrheitsbevölkerung, werden aber aus unterschiedlichen Gründen von dieser als Parias erachtet und stellen die unterste Schicht der somalischen Gesellschaft dar.

Auch wenn sich die Situation der Waable in vielen Punkten mit jener von Sklaven vergleichen lässt, ist ihre Position innerhalb der somalischen Gesellschaftsstruktur eine unterschiedliche. Sie sind eine rituell "unreine" Gruppe, die von den Samaale durch generelle Verbote getrennt werden. Im Gegensatz zur Besitzeigenschaft eines Sklaven ist die klientelistische Beziehung der Berufskasten zum jeweiligen "noblen" Clan ein freiwilliger Vertrag. Dementsprechend haben sie das Recht, von einer "noblen" Familie zur nächsten zu ziehen und sind nicht auf Gedeih und Verderb an ihren Schutzherrn gebunden.

Aufgrund der Tatsache, dass die Angehörigen der Berufskasten nur über wenig Land verfügen können und sich die Wasserstellen im Besitz großer Clans befinden, können sie in der Praxis nicht über größere Herden verfügen.

Insgesamt kommen den Waable nahezu alle Tätigkeiten zu, welche nicht von Waranle (Kriegerkaste - große Clans) oder Frauen ausgeübt werden können oder dürfen. Sie arbeiten als Friseure, Schmiede, Metallbearbeiter, Gerber, Schuster, Töpfer und insgesamt als Handwerker, wie auch als Hirten und Landarbeiter.

(Österreichischer Integrationsfonds/BAA: ÖIF-Länderinfo Nr.8 - Die Parias Somalias: Ständische Berufskasten als Basis sozialer Diskriminierung, 12.2010, http://www.integrationsfonds.at/fileadmin/Integrationsfond/5_wissen/L%C3%A4nderinfos/L%C3%A4nderinfo_ n8_Somalia.pdf, Zugriff 3.5.2012)

Midgan (auch: Madhiban, Gabooye): Vielfältig sind auch die Tätigkeiten, welche den Midgaan zugeschrieben werden. Historisch wurden sie als Jäger eingestuft und gleichzeitig mit den damit assoziierten Berufen des Gerbers, Lederverarbeiters und Schusters in Zusammenhang gebracht. Weitere den Midgaan zugeschriebene Tätigkeiten umfassen: Töpfer, Barbiere, Friseure, Naturheiler, Straßenkehrer, Müllmänner und Holzbearbeiter. Weiters fertigen sie Einbände für den Koran und kleine Ledertaschen (Jaxaas) zum Schutz von Amuletten. Außerdem sind sie als Brunnenbauer und -erhalter aktiv. Letztendlich sind es auch die Midgaan, welche in ganz Somalia Beschneidungen an Männern und Frauen durchführen.

Prinzipiell sind Angehörige der Midgaan in ganz Somalia vorzufinden. Es wird davon ausgegangen, dass sie sich ursprünglich vorwiegend in den Regionen Mudug und Nugal im heutigen Zentralsomalia und Puntland ansiedelten.

Tumaal: Sie fertigen traditionellerweise Pfeilspitzen, Lanzen, Messer, Schwerter, Hacken, Pflüge und Nadeln, betätigen sich jedoch auch als Feinschmiede in der Verarbeitung von Gold und Silber zu Schmuckstücken, Schutzamuletten und Talismanen. Hinzu kommt eine Evolution, die innerhalb der vergangenen Jahrzehnte stattgefunden hat, und den gemeinen Schmied auch zum Schweißer oder Mechaniker gemacht hat, der nunmehr Wassertanks herstellt oder Reparaturen durchführt. Schließlich betätigen sich Tumaal auch in anderen Berufsfeldern, etwa in der Lederverarbeitung oder als Händler.

Yibir: Ihnen werden Zauberei und Verbindungen mit dem Teufel zugeschrieben. Dementsprechend werden sie von den "noblen" Clans zwar ob ihrer Abstammung und der Ausübung "unreiner" Berufe verachtet, aufgrund der ihnen zugeschriebenen übernatürlichen Kräfte sind sie aber ebenso gefürchtet. Folglich vermeiden die "Noblen" übermäßigen Kontakt mit den Yibir.

Auch wenn die Yibir in der Literatur immer wieder als Jäger bezeichnet werden, scheinen ihre Tätigkeiten vorwiegend mit dem sie umgebenden Mythos eng verbunden zu sein (Magier, Wahrsager, Hausierer). Zusätzlich betätigen sie sich als Animateure, Akrobaten oder Narren bei Festivitäten. Die Yibir stellen nur eine kleine Gruppe der Waable und scheinen im Norden, in Zentralsomalia und dem äthiopischen Somaligebiet mehr verankert zu sein als im Süden.

Yahhar: Die Yahhar (auch: Yaxar) werden einerseits als die Yibir des Südens beschrieben, andererseits aber auch als eigenständige Berufskaste gewertet, welche sich hauptsächlich mit der Weberei beschäftigt.

www.ris.bka.gv.at Seite 28 von 55 Bundesverwaltungsgericht 06.08.2014

Tatsächlich finden sich Yahhar vorwiegend entlang der Küste Zentralsomalias und in Mogadischu im Bezirk Karaan.

Jaaji: Die Jaaji fangen seit Jahrhunderten vor allem an den puntländischen Küsten Fische und Hummer, tauchen nach Perlen, sammeln Ambra und betätigen sich in der spärlichen Tourismusbranche Somalias.

Musa Dheryo: Einerseits existieren Musa Dheryo als Schmiede und Töpfer bei den Rahanweyn, andererseits übt eine Gruppe gleichen Namens bei den Isaak in Nordwestsomalia (Somaliland) andere Tätigkeiten aus.

Madhibaan: Laut unterschiedlicher Literaturquellen dürfte die Midgaan-Gemeinde versucht haben, die Bezeichnung "Madhibaan" anstelle des abfälligen Wortes "Midgaan" durchzusetzen, da das Wort frei übersetzt "die Harmlosen" bedeutet. Die Midgaan haben sich bei dieser Neubenennung auf eine Untergruppen bezogen, die in Nordostsomalia (Puntland) verortet wird. Möglicherweise wird die Bezeichnung im Süden für Gruppen verwendet, die sich mit der Textilherstellung beschäftigen.

Weitere Gruppen sind die Gaheyle, Galgala, Eyle und Boni

(Österreichischer Integrationsfonds/BAA: ÖIF-Länderinfo Nr.8 - Die Parias Somalias: Ständische Berufskasten als Basis sozialer Diskriminierung, 12.2010, http://www.integrationsfonds.at/fileadmin/Integrationsfond/5_wissen/L%C3%A4nderinfos/L%C3%A4nderinfo_ n8_Somalia.pdf, Zugriff 3.5.2012)

Minderheiten- und andere Gruppen mit Verbindungen zu großen Clans

Rer Hamar [Benadiri]: Die Rer Hamar stellen eine zu den Benadiri gehörende Gruppe dar. Daher lassen sie sich hinsichtlich ihrer Sprache und Kultur als Minderheit betrachten. Sie leben in den zentralen Stadtteilen Mogadischus (Hamarweyne und Shangani), wo sie Grundeigentum besitzen. Die großteils arabischstämmigen Rer Hamar sind keine ethnisch homogene Gruppe. Sie werden mit den Stadtbewohnern der Bezirke Hamar und Shangani, den historischen Teilen Mogadischus, in Verbindung gebracht. Es gibt mindestens zwei Haupt- Lineages, die Gibil Cad und die Gibil Madow (letztere sind teilweise somalischer Herkunft).

Heute sind die Rer Hamar "nicht machtlos" und in der Lage, sich am lokalen Machtspiel mit den großen Clans zu beteiligen und werden nur selten Ziel von Angriffen durch andere Clans. Diese Beobachtung ist im Zusammenhang mit den Veränderungen in Mogadischu im Laufe der letzten acht Jahre zu sehen, in deren Zuge die Rer Hamar-Gemeinschaft nicht mehr den gezielten und straflos verübten Gewalttaten durch die großen, sich bekriegenden Clans ausgesetzt ist, wie es während der frühen Bürgerkriegsjahre der Fall war. Damals wurden Rer Hamar teilweise wegen ihres Einflusses und ihrer Funktionen in der früheren Regierung Somalias, und weil sie nach dem Zerfall der (rechts)staatlichen Einrichtungen im Jahr 1990 jeglichen Schutz verloren hatten, angegriffen. Dies bedeutet jedoch nicht, dass die Gemeinschaft der Rer Hamar keinen Diskriminierungen mehr ausgesetzt wäre.

Biymaal: Die Biymaal sind Teil der Dir-Clangruppe und stellen insofern keine Minderheit dar, obgleich sie durch die Hawiye (gegen die sie vor allem in den Gebieten Unter-Shabelle und Mittel- und Unter-Juba kämpften) sowie durch die Ogaden- und Darood-Clans unterdrückt wurden bzw. werden.

Sheikhal (Sheikhash): Die Sheikhal (oder Sheikhash) sind eine gemeinsame Bezeichnung für Lineages mit einem erblichen religiösen Status. Wegen ihres religiösen Status haben sie in der Regel privilegierten Zugang zu allen Teilen Somalias. Die meisten Sheikhal stehen derzeit in einer Verbindung mit dem Hirab-Teil der Hawiye. Dies ist ein interessantes Beispiel dafür, wie ein "schwacher" Clan politisch seine Clanverbindungen ändern kann, um Einfluss, Schutz und Stärke zu erlangen. [siehe bescheidtaugliche Analyse auf I-Ghost]

(ACCORD: Clans in Somalia. Bericht zum Vortrag von Dr. Joakim Gundel beim COI-Workshop in Wien am 15.5.2009, überarbeitete Neuausgabe veröffentlicht 12.2009; http://www.ecoi.net/file_upload/90_1261131016_accord-bericht-clans-in-somalia-ueberarbeitete-neuausgabe- 20091215.pdf, Zugriff 3.5.2012)

Ashraf: Die Ashraf werden häufig als Minderheit kategorisiert. Hier wird in erster Linie auf die Digil-Mirifle- Ashraf Bezug genommen und nicht auf die Benadiri-Ashraf. Weitere Ashraf-Gruppen leben zusammen mit anderen somalischen Clans in verschiedenen Regionen des Landes. Die Ashraf gelten allgemein als religiös bzw. als religiöse Lehrer, die von der Tochter des Propheten Mohammed, Fatima, abstammen. Meist sind sie in die www.ris.bka.gv.at Seite 29 von 55 Bundesverwaltungsgericht 06.08.2014

Gruppen, mit denen sie zusammen siedeln (Digil-Mirifle oder Benadiri), integriert und werden normalerweise von diesen wegen ihres besonderen religiösen Status als Nachkommen des Propheten beschützt. Sie werden daher nicht als Minderheit im engeren Sinne angegriffen, doch können sie an denselben Problemen, mit denen ihre "Gastgeber"-Clans konfrontiert sind, leiden. So wurden sie in den frühen Bürgerkriegsjahren zusammen mit den Benadiri zum Ziel von Angriffen. Heute ist einer der wichtigsten Minister und Verbündeten von Präsident Sheikh Sharif, Sharif Hassan, ein Angehöriger der Ashraf. Derzeit können die Digil-Mirifle-Ashraf zum Ziel von Übergriffen durch die islamistische Gruppe al Shabaab werden, da letztere den religiösen Status der Ashraf nicht anerkennen und Sharif Hassan, der zusammen mit Präsident Sheikh Sharif die treibende Kraft hinter dem Dschibuti-Abkommen von 2008 war. [siehe bescheidtaugliche Analyse auf I-Ghost]

Garre: Die Garre werden häufig als Teil der Digil / Rahanweyn-Gruppe angesehen. Bisweilen werden sie jedoch auch als eigene Gruppe beschrieben.

Bagadi / Iroole: Die Bagadi / Iroole gehören zu jenen Digil / Rahanweyn-Gruppen, die in Unter-Shabelle ansässig sind, wo die lokale Clan-Zusammensetzung weiters auch Biymaal und Benadiri-Gruppen mit einschließt. Infolge des Bürgerkriegs wurden diese Digil / Rahanweyn-Gruppen, obgleich sie keine Minderheiten sind, gemeinsam mit anderen lokalen Gruppen durch die Hawiye unterdrückt.

Ajuraan: Die Ajuraan sind ein Teil der Hawiye-Clanfamilie.

Tunueg: Die Tunueg stellen einen Teil der Digil dar.

Tunni: Die Tunni sind ebenfalls den Digil zugehörig.

(ACCORD: Clans in Somalia. Bericht zum Vortrag von Dr. Joakim Gundel beim COI-Workshop in Wien am 15.5.2009, überarbeitete Neuausgabe veröffentlicht 12.2009; http://www.ecoi.net/file_upload/90_1261131016_accord-bericht-clans-in-somalia-ueberarbeitete-neuausgabe- 20091215.pdf, Zugriff 3.5.2012)

Minderheitenschutz und -diskriminierung

Eine lokale NGO in Mogadischu erklärte, dass viele der nach Mogadischu zurückkehrenden Benadiri Verwandte der ursprünglichen Bevölkerung seien. Sie würden nunmehr in Mogadischu in relativer Sicherheit leben können.

Eine lokale NGO in Mogadischu bestätigte, dass viele Angehörige der Benadiri nach Hamar Weyne zurückgekehrt sind. Heute leben viele Benadiri in Mogadischu und sie sind erfolgreiche Wirtschaftstreibende. Einige sind auch für die Verwaltung tätig. Der Finanzdirektor von Mogadischu ist ein Benadiri.

Während der Zeit der Warlords wurden die Benadiri zu Opfern von Menschenrechtsverletzungen, weswegen viele aus dem Land flüchteten. Heute allerdings leben sie in Mogadischu gut und viele haben Geschäfte wiedereröffnet oder andere Handelsaktivitäten gestartet. Vielen wurde ihr ehemaliges Gut, darunter auch Häuser, zurückgegeben und sie sind keinem speziellen Risiko einer Verfolgung oder anderen Menschenrechtsverletzungen mehr ausgesetzt.

Eine lokale NGO erklärte, dass Angehörige von Minderheitenclans oder ethnischen Minderheiten nicht länger Opfer von Verfolgung und Gewalt in Mogadischu sind. Diese Personengruppen würden heutzutage auch nicht mehr drangsaliert. Allerdings werden ethnische Minderheiten sozial diskriminiert, da sie nicht als würdig erachtet werden, sich mit einem Angehörigen eines Somali-Clans zu verehelichen.

Eine internationale Organisation gab an, dass es für Zivilisten keine formellen Mechanismen gebe, um bei Vergehen gegen Soldaten oder Polizisten vorgehen zu können. Angehörige von Minderheitenclans haben keine Möglichkeit der Anzeige, weder formell noch über traditionelle Konfliktlösungsmechanismen. Dies ist einer der Gründe, weswegen IDPs und Minderheitsangehörige einem speziellen Risiko des Missbrauchs, der Drangsalierung, Ausbeutung und anderer Menschenrechtsverletzungen ausgesetzt sind.

Andererseits kann jede Person eines großen Clans oder einer prominenten Familie an Wiedergutmachung gelangen.

(Udlændinge Styrelsen/Danish Immigration Service: Security and human rights issues in South-Central Somalia, including Mogadishu (FFM-Bericht), 4.2012, www.ris.bka.gv.at Seite 30 von 55 Bundesverwaltungsgericht 06.08.2014 http://www.nyidanmark.dk/NR/rdonlyres/90821397-6911-4CEF-A8D0- 6B8647021EF2/0/Security_human_rights_issues_South_CentralSomalia_including_Mogadishu.pdf, Zugriff 30.4.2012)

Im Übergangsparlament gab es 60 Mitglieder von Bantu und arabischen Ethnien sowie vier im Kabinett.

(U.S. Department of State: 2010 Country Reports on Human Rights Practices - Somalia, 8.4.2011, http://www.unhcr.org/refworld/docid/4da56d89c.html, Zugriff 23.4.2012)

Die Benadiri sind eine urbane, gebildete Gruppe, die fast ausschließlich in wirtschaftlichen Berufen tätig ist. Einige sind Ärzte, Händler, Banker, Ingenieure oder Ökonomen. Sie zählten zu den reichsten Menschen Somalias, was Neid hervorrief und weswegen sie in den frühen Jahren des Bürgerkriegs auch Angriffen und Plünderungen ausgesetzt waren. Viele Frauen der Benadiri wurden vergewaltigt oder in die Zwangsehe gezwungen.

Für die große Mehrheit der somalischen Clans ist der Status selbst kein Grund für ein höheres Risiko der Misshandlung. Einige Angehörige von Minderheitengruppen, wie den Benadiri, können in manchen Gebieten den Schutz von größeren Clans erlangen. Auch wenn es heute noch zu einiger Diskriminierung kommt, spielen die Benadiri eine Rolle in der Politik. Sie haben auch Beziehungen zu dominanten Clans hergestellt, sind Mischehen eingegangen und betätigen sich in der Wirtschaft. Allerdings gibt es für die Benadiri kaum eine IFA, auch wenn dies vom individuellen Umstand abhängt.

Es kommt weiterhin zu Diskriminierung und Misshandlung von somalischen Minderheiten wie den Midgan/Gabooye und Tumal. Manche der Minderheitenclans können Schutz durch Mehrheitsclans erlangen, wenn historische Verbindungen bestehen.

Allerdings können auch jene Minderheitsangehörige, die mit großen Clans zusammenleben, dies unter prekären Umständen tun.

Viele Angehörige der Midgan, Tumal, Yibir oder Galgala siedeln traditionell in Gebieten, in welchen sie ein gewisses Maß an Schutz vom dominanten Clan im Gebiet erhalten können und sie sich ökonomisch betätigen können. Die meisten sind in große Clans oder Subclans assimiliert. Auch wenn sie aufgrund ihres geringen sozialen Status' hin und wieder diskriminiert oder belästigt werden, können sie sich unter den Schutz ihres Patronage-Clans stellen. In diesem Sinne ist die Gewährung von Asyl in solchen Fällen unwahrscheinlich - es sei denn, jemand ist nicht in der Lage, den Schutz eines großen Clans zu erlangen [U.K. Policy].

(U.K. Home Office Border Agency: Operational Guidance Note - Somalia, 15.12.2011, https://www.ecoi.net/file_upload/1788_1325067830_somaliaogn.pdf, Zugriff 23.4.2012)

Viele Somali sind regelmäßig schweren Menschenrechtsverletzungen ausgesetzt, unabhängig ihrer ethnischen Zugehörigkeit, Religion oder ihres Clans.

(Minority Rights Group International: State of the World's Minorities and Indigenous Peoples 2011 - Somalia, 6.7.2011, http://www.unhcr.org/refworld/docid/4e16d362c.html, Zugriff 3.5.2012)

Bantu werden verbal belästigt, etwa durch die Namensgebung "Adoon" - Sklave. Al Shabaab hat die Bantu aufgrund ihrer religiösen und kulturellen Praktiken im Visier. Einige Bantu sind dafür getötet worden, Bantugräber wurden geschändet und Bantu-Sheikhs zur Befolgung der Doktrin der al Shabaab gezwungen. Außerdem gab es Übergriffe in Zusammenhang mit traditionellen Tänzen, der Verwendung traditioneller Heilmittel und bezüglich der erzwungenen Annahme arabischer Namen. Al Shabaab hat Bantukinder ab einem Alter von zehn Jahren rekrutiert.

Wie andere Minderheiten auch werden die Bantu in IDP-Lagern diskriminiert. Es gibt zahlreiche Vorfälle von Vergewaltigungen von Bantufrauen, die durch die traditionelle Clanstruktur nicht geschützt werden.

(Minority Rights Group International: World Directory of Minorities and Indigenous Peoples - Somalia: Bantu, 5.2011, http://www.unhcr.org/refworld/docid/49749cae2.html, Zugriff 3.5.2012)

Die Situation für weibliche Angehörige von Minderheiten in IDP-Lagern ist speziell schlecht. Sie sind einem erhöhten Risiko der Vergewaltigung und sexuellen Gewalt ausgesetzt. www.ris.bka.gv.at Seite 31 von 55 Bundesverwaltungsgericht 06.08.2014

(Minority Rights Group International: World Directory of Minorities and Indigenous Peoples - Somalia: Overview, 5.2011, http://www.unhcr.org/refworld/docid/4954ce42c.html, Zugriff 3.5.2012)

Viele der Kämpfer von al Shabaab gehören zu marginalisierten Minderheitengruppen und politisch oder militärisch schwachen Clans.

Für viele Minderheitenangehörige repräsentiert al Shabaab etwas Positives, da die Clanzugehörigkeit bei den Islamisten kein Kriterium für sozialen Status und Schutz ist. Die strenge Rechtsanwendung in den Gebieten unter islamistischer Kontrolle hat auch für einige Zeit die Kriminalität reduziert, wovon diese Gruppen profitierten. Daher ist bei Minderheiten teils eine Unterstützung für al Shabaab erkennbar.

Trotz der Offensive der Übergangsregierung kontrolliert al Shabaab das Juba-Tal. In diesem Tal gibt es auch bewaffnete Bantugruppen.

Dass Minderheiten mit al Shabaab sympathisieren, könnte sich im Falle deren Niederlage zu einem fatalen Problem entwickeln

(Landinfo: Somalia: Sårbarhet - minoritetsgrupper, svake klaner og utsatte enkeltpersoner, 21.7.2011, http://www.landinfo.no/asset/1705/1/1705_1.pdf, Zugriff 3.5.2012)

Bezüglich des Schutzes der Midgan-Gruppen erklärt eine Quelle, dass es sich oftmals um Schutzgeldzahlungen handelt; in Mogadischu geschehe dies wie bei der Mafia. Sind Minderheiten gezwungen, ihre Heimat aufgrund einer schlechten Sicherheitslage zu verlassen, dann werden sie versuchen, an ihrem neuen Ort eine Verbindung mit dem gastgebenden Clan einzugehen.

(Landinfo: Somalia: Beskyttelse og konfliktløsningsmekanismer, 22.7.2011, http://www.landinfo.no/asset/1708/1/1708_1.pdf, Zugriff 3.5.2012)

Mischehen werden tabuisiert [zwischen niedrigen Kasten und großen Clans]. Es ist den Samaale kulturell verboten, ein Mitglied der Waable [niedrige Kasten] zu heiraten. Diese erzwungene Endogamie bezieht sich exklusiv auf die "noblen" Somali, unter den Waable scheint es weder einen Vorbehalt gegenüber einer Ehe mit "Noblen" noch mit einer anderen Berufskasten zu geben.

Obwohl die Mischehe nach wie vor ein striktes Tabu repräsentiert, existieren Anzeichen einer wenn auch sehr bescheidenen und begrenzten Liberalisierung. Einerseits scheint sich die Form der Bestrafung gegenwärtig vor allem auf die Verstoßung aus dem Clan zu beschränken, andererseits haben Einflüsse aus der Diaspora ein verstärktes Selbstbewusstsein geschaffen, mit dem junge Paare gegen das Tabu aufbegehren.

(Österreichischer Integrationsfonds/BAA: ÖIF-Länderinfo Nr.8 - Die Parias Somalias: Ständische Berufskasten als Basis sozialer Diskriminierung, 12.2010, http://www.integrationsfonds.at/fileadmin/Integrationsfond/5_wissen/L%C3%A4nderinfos/L%C3%A4nderinfo_ n8_Somalia.pdf, Zugriff 3.5.2012)

Religion

Religionsfreiheit

Bis zum Machtzuwachs der "Union der Islamischen Gerichtshöfe" (seit etwa 2004) und diverser radikal- islamistischer Kräfte vor allem in Süd-/Zentralsomalia (seit etwa 2007) wurde eine gemäßigte Form des Islam praktiziert (eher individualistischer Sufismus; relative Toleranz gegenüber Alkohol- und Khat-Konsum; keine Körperstrafen; keine extremen Kleidungsvorschriften). Die Übergangsverfassung bestimmt den Islam zur Staatsreligion und das islamische Recht (Scharia) zur grundlegenden Quelle für die staatliche Gesetzgebung.

Erhebliche Teile Somalias, v.a. der Süden und die Mitte des Landes, werden heute von radikal-islamistischen Gruppen beherrscht, die der Bevölkerung ihre sehr rigide Interpretation des Islam, wenn nötig auch gewaltsam, aufzwingen. Nicht-Muslime und auch solche, die ihren Glauben auf nicht-radikal-islamistische Weise leben wollen, werden in ihrer (Religions-) Freiheit eingeschränkt.

www.ris.bka.gv.at Seite 32 von 55 Bundesverwaltungsgericht 06.08.2014

Die Anzahl der gewaltsamen Übergriffe auf sich offen zu ihrem Glauben bekennende Christen, die von islamistischen Gruppen als "Ungläubige" angeprangert werden, hat in den vergangenen Jahren zugenommen. 2010 und 2011 verwiesen islamistische Gruppen mehrere humanitäre Nichtregierungsorganisationen des Landes, weil sie ihnen Missionierung in Süd-/Zentralsomalia vorwarfen.

(Auswärtiges Amt: Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Somalia, Stand 3.2012, 23.3.2012)

Die föderale Übergangsverfassung, angenommen 2007, bekennt sich zu der in der Verfassung von 1960 vorgesehenen Religionsfreiheit. Im Dezember 2011 hat sich die politische und gesellschaftliche Führung entschlossen, bis spätestens Mai 2012 eine neue Verfassung einzuführen. Der erste Artikel des neuen Verfassungsentwurfs besagt, dass diese auf dem Koran und der Sunna beruht.

Der Verfassungsentwurf verbietet aber auch die Diskriminierung aufgrund der Religion und garantiert jedem Somali, seine Religion frei ausüben zu können (allerdings dürfen Muslime nicht konvertieren).

Bereits im Mai 2009 hat das Übergangsparlament die Scharia angenommen.

Es gibt weiterhin schwere Verstöße gegen die Religionsfreiheit durch die terroristische al Shabaab: Die gewaltsame Umsetzung ihrer extremistischen Auslegung des islamischen Rechts unter Verwendung von Hudud- Strafen (Steinigung, Prügelstrafe, Auspeitschen, Amputation); die Exekution von jenen, die als "Feinde des Islam" erachtet werden; die Tötung christlicher Konvertiten.

Frauen müssen in der Öffentlichkeit voll verschleiert sein, Aktivitäten im Handel, welche sie in Kontakt zu Männern bringen, wurden den Frauen verboten. Männern wurde es verboten, sich zu rasieren, oder "inadäquate Haarschnitte" zu tragen. Einige Aktivitäten, wie Fußballspielen oder Musikhören wurden ebenfalls verboten.

Al Shabaab greift auch die kleine und kaum wahrnehmbare christliche Gemeinde an. Auch wenn die Konversion gegenwärtig in Somalia legal ist, wird diese sozial nicht akzeptiert. Missionierung ist verboten und sozial inakzeptabel. Die wenigen Christen gehen ihrer Religion im Geheimen in Häusern nach. Im Berichtszeitraum [2011] hat al Shabaab fünf christliche Konvertiten getötet.

Al Shabaab wendet sich auch gegen den Sufismus. Sufi-Kleriker wurden ermordet, Anhänger attackiert, Moscheen zerstört und Gräber von Sufi-Heiligen geschändet.

Die international anerkannte Übergangsregierung hat keine Kapazitäten, um den Schutz der Religionsfreiheit durchzusetzen oder gegen die Verletzung der Religionsfreiheit einzuwirken.

(U.S. Commission on International Religious Freedom: USCIRF Annual Report 2012 - The Commission's Watch List: Somalia, 20.3.2012, http://www.unhcr.org/refworld/docid/4f71a66a8.html, Zugriff 23.4.2012)

Die Gruppe [al Shabaab] hebt den Zakah ein - eine muslimische religiöse Pflicht zur Reinigung der Seele mittels Spendenabgabe. Viele Asylwerber teilten Human Rights Watch mit, dass al Shabaab im Namen des Zakah soviel Geld und Vieh konfisziere, dass es ihnen nicht mehr länger möglich gewesen sei, zu überleben.

(U.K. Home Office Border Agency: Operational Guidance Note - Somalia, 15.12.2011, http://www.unhcr.org/refworld/docid/4ee9ee7c2.html, Zugriff 23.4.2012)

Aus Puntland, Somaliland und aus den Gebieten unter Kontrolle der Übergangsregierung, mit ihr alliierten Clan- Verwaltungen oder der Ahlu Sunna wal Jamaa gab es keine Berichte über Gefangene aufgrund religiöser Gründe. Aus den von al Shabaab kontrollierten Gebieten gibt es zahlreiche glaubwürdige Berichte von Inhaftierten aus religiösen Gründen.

(U.S. Department of State: July-December 2010 International Religious Freedom Report - Somalia, 13.9.2011, http://www.unhcr.org/refworld/docid/4e734c67c.html, Zugriff 23.4.2012)

Religiöse Gruppen

Die somalische Bevölkerung ist muslimisch.

www.ris.bka.gv.at Seite 33 von 55 Bundesverwaltungsgericht 06.08.2014

Die verschwindend geringe Zahl der Christen in Somalia (Schätzungen schwanken zwischen 50 bis 1.000) kann ihre Religion ausschließlich im privaten Bereich relativ ungestört ausüben.

(Auswärtiges Amt: Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Somalia, Stand 3.2012, 23.3.2012)

Rechtsschutz

Justiz

Das Fehlen einer funktionierenden zentralen Regierung hat zum Zerfall des Landes in Regionen mit unterschiedlich ausgeprägter quasi-staatlicher Ordnung, Rechtsstaatlichkeit und Justiz geführt. Die Übergangscharta, die die Scharia als Hauptquelle der Gesetzgebung nennt, sieht zwar Gewaltenteilung und eine unabhängige Justiz vor, aber bisher ist der Aufbau einer unabhängigen Justiz genauso wenig vorangekommen wie derjenige anderer staatlicher Strukturen. So wurde ein Oberster Gerichtshof eingerichtet und besetzt, konnte aber bisher - soweit erkennbar - keine wesentlichen Aufgaben erfüllen. Zudem wurde er, wie auch die Generalstaatsanwaltschaft, mehrfach für politische Auseinandersetzungen zwischen verschiedenen Akteuren der Übergangsinstitutionen instrumentalisiert.

Die Übergangsregierung unter Sheikh Sharif hat kurz nach ihrem Amtsantritt angekündigt, dass die Scharia zukünftig eine wichtigere Rolle spielen solle. Dies spiegelt sich auch im ersten Entwurf einer neuen Verfassung wider, die die Scharia zu einem ihrer Grundprinzipien erklärt und den Islam als Staatsreligion festlegt.

In ganz Somalia ist die Justiz nicht unabhängig. Sie unterliegt politischer Einflussnahme der jeweiligen Machthaber. Hochrangige Justizvertreter, v.a. Richter, sind zudem regelmäßig Pressionen nicht-staatlicher Stellen ausgesetzt. Dies gilt sowohl in Süd-/Zentralsomalia als auch in Puntland.

Es mangelt zudem ganz eklatant an ausgebildeten Richtern und Anwälten sowie an Gesetzesdokumentation und Fallarchivierung. Dies gilt in besonderem Maße für den Süden und das Zentrum des Landes und, soweit bekannt, etwas weniger ausgeprägt in Puntland und Somaliland.

Allerdings bemüht sich die Übergangsregierung seit 2009 um Fortschritte. Sie scheint eher als ihre Vorgängerinnen bereit, die Unabhängigkeit der Justiz zu respektieren.

Das staatliche Justizwesen ist in weiten Teilen des Landes nicht funktionsfähig. Urteile werden häufig nach traditionellem Recht von Clan-Ältesten gesprochen. Diese Verfahren betreffen in der Regel nur den relativ eng begrenzten Bereich eines bestimmten Clans. Bei Sachverhalten, die mehrere Clans betreffen, kommt es häufig zu außergerichtlichen Vereinbarungen, auch und gerade in Strafsachen.

In Gebieten, die von islamistischen Gruppen beherrscht werden, werden regelmäßig sehr harte Strafen verhängt (öffentliche Körperstrafen wie Auspeitschen oder Stockschläge, Handamputationen u. ä.).

Strafverfolgung ohne anwaltlichen Beistand und ohne die Möglichkeit, Rechtsmittel einzulegen, sowie überlange Haft ohne eine fundierte Anklage sind in allen Landesteilen verbreitet, wobei strafprozessuale Verfahrensrechte in Somaliland und Puntland eher beachtet werden als in den übrigen Landesteilen.

(Auswärtiges Amt: Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Somalia, Stand 3.2012, 23.3.2012)

Die große Mehrheit der Menschen in Mogadischu klärt Streitigkeiten über Clan-Mechanismen.

Laurel Patterson (UNDP) gab an, dass es in Mogadischu funktionierende Gerichte gebe und Richter an der Universität von Mogadischu ausgebildet werden.

Eine lokale NGO in Mogadischu gab an, dass es für Frauen generell schwer sei, Zugang zu Wiedergutmachung in Mogadischu zu erhalten.

Eine internationale Organisation gab an, dass es vor allem einflussreichen Personen gelinge, Wiedergutmachung zu erhalten. Die Chancen für normale Menschen sind beschränkt und es ist unüblich, dass z.B. Vertreter der Regierung für Menschenrechtsverletzungen zur Verantwortung gezogen würden. www.ris.bka.gv.at Seite 34 von 55 Bundesverwaltungsgericht 06.08.2014

Gemäß den Aussagen einer internationalen Organisation hat die Etablierung von Militärgerichten die Anzahl an begangenen Menschenrechtsverletzungen durch Regierungssoldaten reduziert.

(Udlændinge Styrelsen/Danish Immigration Service: Security and human rights issues in South-Central Somalia, including Mogadishu (FFM-Bericht), 4.2012, http://www.nyidanmark.dk/NR/rdonlyres/90821397-6911-4CEF-A8D0- 6B8647021EF2/0/Security_human_rights_issues_South_CentralSomalia_including_Mogadishu.pdf, Zugriff 30.4.2012)

In von al Shabaab kontrollierten Gebieten wurde die Scharia forciert. Allerdings gibt es keine ausgebildeten Scharia-Richter. Die Interpretation der Scharia durch al Shabaab resultiert in ungleichen und oftmals drakonischen Strafen.

(U.S. Department of State: 2010 Country Reports on Human Rights Practices - Somalia, 8.4.2011, http://www.unhcr.org/refworld/docid/4da56d89c.html, Zugriff 23.4.2012)

Mit 30. November 2011 befanden sich 104 Richter und Staatsanwälte in Mogadischu, Somaliland und Puntland in Ausbildungskursen des UNDP, ausgerichtet durch die Rechtsfakultäten der Universitäten Mogadischu, Garoowe und Hargeysa.

Somalische Rechtshelfer, die von UNDP unterstützt werden, bearbeiteten im Jahr 2011 über 5.000 Fälle. UNDP unterstützt weiterhin die 27 Rechtshilfezentren im ganzen Land, die durch Anwaltsvereinigungen, Universitätsfakultäten und lokale NGOs betrieben werden.

Die Vereinten Nationen führen Projekte fort, die zur Verbesserung der Sicherheitslage in Mogadischu dienen. Über das Youth for Change Projekt unterstützten die UN Bezirks-Sicherheitskomitees. UNDP bietet medizinische Beratung, psychosoziale Unterstützung, Rechtshilfe für Opfer von geschlechtsspezifischer Gewalt und hat sich mit dem Höchstrichter des Somali Supreme Court auf die Einrichtung mobiler Gerichte geeinigt.

(UN Security Council: Report of the Secretary-General on Somalia, 9.12.2011, http://www.unhcr.org/refworld/docid/4f1558a82.html, Zugriff 23.4.2012)

Traditionelle Rechtsmechanismen und Scharia

Eine internationale Organisation erklärte, dass Clanschutzmechanismen in einem gewissen Maß funktionieren und die Menschen es bevorzugen, sich zuerst an den Clan zu wenden, und nicht an die Behörden oder Gerichte.

Wenn es zwischen zwei Familien einen Streit gibt, dann werden sie ihn gemäß dem Kompensationssystem beizulegen versuchen und dann den Fall (falls er je angezeigt wurde) vor Gericht zurückziehen.

Dementsprechend kommt das formelle Justizsystem nur als eine Option zum Zuge. Bis ein Gericht ein Urteil gefällt hat, wird der Verdächtige immer die Möglichkeit haben, dass sein Clan die Streitigkeit durch Kompensationszahlungen beilegt. Dies ist ein übliches Phänomen und gilt für jedermann - selbst für Soldaten oder Polizisten. Das Clansystem funktioniert - allerdings nicht ideal. Vor allem Angehörige von Milizen oder anderen bewaffneten Gruppen haben eine gute Chance, straflos zu bleiben.

Bezüglich des Clanschutzes in Mogadischu und den ländlichen Gebieten von Süd-/Zentralsomalia gibt Bediako Buahene von UN OCHA an, dass die Clanschutzmechanismen in allen ländlichen Gebieten intakt seien. In vielen dieser Gebiete sind sie das einzig verfügbare Justizsystem und der einzige Mechanismus, um Zivil- und Strafvergehen zu verhandeln. Selbst wenn Älteste ihre Autorität an al Shabaab verloren haben (oder an Warlords oder Milizen), haben sie nicht die Autorität im eigenen Clan und gegenüber anderen Clans verloren.

Bezüglich Clanschutzmechanismen in Mogadischu und anderen urbanen Gebieten wurde erläutert, dass diese im gesamten Süd-/Zentralsomalia intakt seien. Die Mechanismen wurden von al Shabaab oder der Übergangsregierung und ihren Alliierten nicht unterwandert. Allerdings wird sich ein schwacher Clan mit einem großen Clan verbünden müssen, um seine Mitglieder adäquat schützen zu können.

Von Fall zu Fall kann der Clanschutz eine Person auch vor Vergehen durch die Übergangsregierung schützen. Manchmal seien Täter (z.B. von der Polizei) aus ihrem Amt entlassen worden. Eine internationale Organisation www.ris.bka.gv.at Seite 35 von 55 Bundesverwaltungsgericht 06.08.2014 hat beobachtet, dass Polizeikommandanten damit beginnen, gegenüber von einzelnen Polizisten begangenen Straftaten mehr Verantwortungsgefühl zu zeigen.

In von der al Shabaab kontrollierten Gebieten hängt die Stärke traditioneller Konfliktlösungsmechanismen davon ab, ob und wie al Shabaab interveniert. Es kann z.B. für Älteste schwierig sein, bei einem Fall der Zwangsrekrutierung bei al Shabaab zu intervenieren.

(Udlændinge Styrelsen/Danish Immigration Service: Security and human rights issues in South-Central Somalia, including Mogadishu (FFM-Bericht), 4.2012, http://www.nyidanmark.dk/NR/rdonlyres/90821397-6911-4CEF-A8D0- 6B8647021EF2/0/Security_human_rights_issues_South_CentralSomalia_including_Mogadishu.pdf, Zugriff 30.4.2012)

Das somalische Rechtssystem lässt sich als einen Mix von modernen, traditionellen und religiösen Rechtsordnungen charakterisieren, welche das alltägliche Leben der somalischen Bevölkerung regeln. Die somalische Gerichtsbarkeit kann so in vier verschiedene Rechtssysteme aufgeteilt werden: 1) das formale Justizsystem oder Gesetzesrecht; 2) das traditionelle Recht oder Gewohnheitsrecht, in Somalia xeer genannt; 3) das islamische Recht oder die Scharia; 4) Initiativen der Zivilbevölkerung oder des privaten Sektors.

Diese verschiedenen Rechtsordnungen existieren zwar nebeneinander, stehen aber oft in Widerspruch zueinander. So stimmen die Gesetze der formalen Rechtssysteme nur wenig mit den Gesetzen des xeer oder der Scharia überein, und auch die Gesetze des xeer widersprechen des Öfteren den Gesetzen der Scharia. Von diesen verschiedenen Rechtssystemen hat wohl auch heute noch das Gewohnheitsrecht, xeer, die am weitesten reichende Geltung.

Aus einer Menschenrechtsperspektive muss erwähnt werden, dass die Umsetzung des xeer öfters im Widerspruch zu internationalen Menschenrechtsstandards steht. Auch wenn das xeer weiterhin eine wichtige Rolle spielt, hat sich die Situation mit dem Aufkommen islamistischer Gruppen in Somalia dramatisch geändert.

(Schweizerische Flüchtlingshilfe: Somalia - Aktuelle Entwicklungen (Januar 2009-Juli 2010), 4.8.2010, http://www.fluechtlingshilfe.ch/herkunftslaender/africa/somalia/somalia-aktuelle-entwicklungen-januar-2009- bis-juli-2010, Zugriff 24.4.2012)

Sicherheitsbehörden

Die absolute Stärke der Somali Force, die mit internationaler Hilfe ausgebildet wurde, beträgt derzeit 5.370 Mann. Während des Berichtszeitraums ist die Polizei in alle von der Übergangsregierung und AMISOM eingenommenen Gebiete expandiert. Speziell die IDP-Lager und die Nahrungsmittelverteilstellen werden speziell berücksichtigt. Polizeistationen wurden bezüglich einer Wiederinbetriebnahme bzw. Rekonstruktion inspiziert. Das UNDP hat Vorschläge für mobile Polizeiposten in strategischen Schlüsselgebieten erarbeitet.

Der Polizeisold ist im Rückstand. Es liegt aber durch Unterstützung internationaler Partner eine Finanzierung vor.

Zusätzlich haben UNDP und UNPOS blaue Uniformen, Helme und Handschellen an bereits ausgebildetes Personal ausgegeben.

Mit Ende November 2011 zählten die Somali National Security Forces in Mogadischu 10.300 Mann. Dies umfasst auch 869 Rekruten, die ihre von der EU finanzierte Ausbildung in Uganda im September 2011 abgeschlossen haben. Zusätzliche 620 Mann haben mit dieser Ausbildung im November [2011] begonnen.

Die USA kommen bis Mitte 2012 für den Sold von 7.034 Mann auf. Italien und die Afrikanische Union betreiben die Bezahlung der übrigen 3.274 Mann der Truppe.

Eine Quelle für Besorgnis bildet der Mangel an Kasernen für die ausgebildeten Truppen. Dies führt zu einem Mangel an Disziplin und Kontrolle über die Truppen. Der Ausbau des Camps Jazeera, der von der EU finanziert wird, geht weiter. Dort werden bei Fertigstellung 2.000 Mann Unterkunft finden.

(UN Security Council: Report of the Secretary-General on Somalia, 9.12.2011, http://www.unhcr.org/refworld/docid/4f1558a82.html, Zugriff 23.4.2012) www.ris.bka.gv.at Seite 36 von 55 Bundesverwaltungsgericht 06.08.2014

Die Polizei wurde ausgebildet. Allerdings hat letztere aufgrund der Macht der Bezirksvorsteher und ihrer Milizen nur einen geringen Einfluss.

Danach gefragt, ob Opfer von Menschenrechtsverletzungen sich Unterstützung und Schutz durch die Regierung erwarten können, erklärte eine lokale NGO in Mogadischu, dass Polizei und Armee nicht gut organisiert seien. Diese Kräfte befinden sich nicht unter strenger Kontrolle und verüben selbst Menschenrechtsverletzungen.

Eine internationale NGO gab an, dass Schutz durch die Behörden gar nicht relevant sei.

Eine Repräsentantin einer lokalen NGO in Mogadischu gab an, dass der Benadir Regional Court, die Bezirksgerichte und das Berufungsgericht funktionieren. UNDP unterstützt einige Anwälte an diesen Gerichten via Rechtshilfeprojekte und daher werde der Zugang zur Justiz für gefährdete Gruppen und ökonomisch Benachteiligte verbessert. Allerdings gab die NGO zu bedenken, dass, wenn der Täter einem großen Clan entstammt, dieser oftmals aufgrund der Fürsprache seines Clans entlassen werde.

Eine lokale NGO in Mogadischu gab an, dass es in Mogadischu keine öffentliche Ordnung gebe. Normalerweise würde die Polizei bei Anzeigen wegen Menschenrechtsverletzungen und anderen Straftaten keine Untersuchungen anstrengen. Oft werden die Strafhandlungen lediglich registriert.

Die NSA (National Security Agency) darf verdächtige Personen verhaften und ist auch in Untersuchungen involviert.

Mit Unterstützung der UN und von EU-Mitgliedsstaaten wird die NSA zunehmend professioneller und verantwortungsbewusster.

Gefragt, ob ein normaler Bürger vor der NSA und ihren Aktivitäten Angst haben müsse, erklärte eine internationale Organisation, dass die NSA zur Verbesserung der Sicherheitslage in Mogadischu beitrage. Ein durchschnittlicher Bürger von Mogadischu kommt mit der NSA kaum in Kontakt.

Der Bürgermeister von Mogadischu erklärt, dass die Polizei noch schwach und schlecht ausgerüstet sei und man daher auf Milizen angewiesen sei. Diese Milizen stehen unter Kontrolle der Bezirksvorsteher. Hin und wieder würden diese Milizen miteinander zusammenstoßen und manchmal werde dabei auch jemand getötet.

Unter dem grundlegenden Maß an Sicherheit, das durch AMISOM garantiert wird, befinden sich also die 16 Bezirksvorsteher als relevante Akteure. Ihre Milizen sind teilweise Clan-basiert, teils fußen sie auch auf mehreren Clans.

AMISOM strebt an, die Macht der Bezirksvorsteher zu reduzieren, dieses Thema ist jedoch äußerst sensibel.

Eine internationale Organisation bestätigt, dass der Bürgermeister die Bezirksvorsteher nicht kontrollieren kann. Letztere erfreuen sich der Straffreiheit.

Ein Experte gibt an, dass die Bezirksvorsteher es nicht wagen würden, sich gegen AMISOM zu stellen.

Die Milizen sind unterschiedlich groß. Manche Bezirksvorsteher haben nur 10-15 Leibwächter, während andere große Milizen anführen. Der mächtigste Bezirksvorsteher in Mogadischu ist Ahmed Hassan "Da'i" im Bezirk Wadajir/Medina.

(Udlændinge Styrelsen/Danish Immigration Service: Security and human rights issues in South-Central Somalia, including Mogadishu (FFM-Bericht), 4.2012, http://www.nyidanmark.dk/NR/rdonlyres/90821397-6911-4CEF-A8D0- 6B8647021EF2/0/Security_human_rights_issues_South_CentralSomalia_including_Mogadishu.pdf, Zugriff 30.4.2012)

Polizeigewalt, Folter und extralegale Tötungen

www.ris.bka.gv.at Seite 37 von 55 Bundesverwaltungsgericht 06.08.2014

Polizei- und Milizangehörige gehen bei Übergriffen in aller Regel straflos aus. Die Übergangsregierung hat unlängst mehrere Mitglieder der Sicherheitskräfte wegen Übergriffen gegen Zivilisten vor Gericht gebracht; die gegen einige Mitglieder verhängten Todesstrafen wurden vollstreckt.

Die Übergangsregierung bemüht sich seit 2009 um Fortschritte. So hat sie in mehreren Fällen Übergriffe der Sicherheitskräfte strafrechtlich verfolgen lassen und damit ein Zeichen gegen die (bis dahin) weitgehende Straflosigkeit gesetzt. Zudem scheint sie eher als ihre Vorgängerinnen bereit, die Unabhängigkeit der Justiz zu respektieren.

Folter oder folterähnliche Praktiken wurden in den letzten Jahren nach glaubwürdigen Berichten in allen vom Bürgerkrieg betroffenen Gebieten von Polizei, Gefängnispersonal und unterschiedlichen Milizen bzw. bewaffneten Gruppen angewendet. Zu nennen sind auch die Hinrichtungs- und Strafmethoden (Steinigung, Amputationen, Auspeitschungen) von al Shabaab und anderen radikal-islamistischen Gruppen in den von ihnen beherrschten Gebieten Somalias.

Extralegale Tötungen sowie willkürliche Verhaftungen durch Milizen und Banden sind unter den chaotischen und weitgehend rechtsfreien Bedingungen weit verbreitet. Auch von willkürlichen Verhaftungen durch die der Übergangsregierung unterstehende Polizei bzw. einzelne Polizeieinheiten ist bisweilen zu hören; extralegale Tötungen können nicht ausgeschlossen werden.

(Auswärtiges Amt: Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Somalia, Stand 3.2012, 23.3.2012)

Es gibt Berichte darüber, dass Soldaten Vergewaltigungen, Raub und Plünderungen sowie andere Straftaten begangen hätten - darunter auch Schießereien in IDP-Lagern.

Die Übergangsregierung versucht Undiszipliniertheiten zu unterbinden und des gibt Berichte über die Verhaftung und Exekution von Soldaten aufgrund unautorisierter Schießereien und Tötungen an Checkpoints in Mogadischu.

Danach gefragt, ob die Polizei völlige Straflosigkeit genieße, gab Laurel Patterson (UNDP) an, dass ihm Berichte bekannt seien, wonach Polizisten aufgrund von Anzeigen durch Rechtshilfe-NGOs entlassen worden sind.

UNDP arbeitet in Somalia mit lokalen NGOs zusammen, um in Mogadischu kostenlose Rechtshilfe bieten zu können. Allerdings sind aufgrund der teilweise gleichen Uniformen von Polizei und lokalen Milizen Untersuchungen oft eine Herausforderung.

(Udlændinge Styrelsen/Danish Immigration Service: Security and human rights issues in South-Central Somalia, including Mogadishu (FFM-Bericht), 4.2012, http://www.nyidanmark.dk/NR/rdonlyres/90821397-6911-4CEF-A8D0- 6B8647021EF2/0/Security_human_rights_issues_South_CentralSomalia_including_Mogadishu.pdf, Zugriff 30.4.2012)

Die Übergangsregierung hat keine politisch motivierten Tötungen begangen. Allerdings gibt es einige Berichte über Angehörige des Staates, die willkürliche und außergesetzliche Morde begingen.

Extremistische Rebellengruppen begingen politisch motivierte Morde.

Es gibt keine Berichte über standrechtliche Exekutionen seitens der Regierung in diesem Jahr und auch nicht über Todesfälle aufgrund exzessiver Gewaltanwendung gegen Demonstranten.

Es gab keine Berichte über außergesetzliche Tötungen durch Sicherheitskräfte der Regierung während des Jahres.

In allen drei Regionen wird Missbrauch durch Polizei und Milizen selten untersucht und die Kultur der Straflosigkeit bleibt ein Problem.

Die Übergangsverfassung verbietet Folter. Die puntländische Verfassung verbietet Folter "außer von Scharia- Gerichten gemäß islamischem Gesetz angeordnet". www.ris.bka.gv.at Seite 38 von 55 Bundesverwaltungsgericht 06.08.2014

Es gab keine Berichte darüber, dass die Übergangsregierung oder die Verwaltungen von Puntland und Somaliland Folter anwenden lassen haben. Zahlreiche Clanmilizen und al Shabaab foltern weiterhin Gegner und Zivilisten.

Anders als in den Jahren zuvor gab es keine Berichte darüber, dass die Polizei Frauen vergewaltigt hat. Allerdings gibt es weiterhin Berichte von Vergewaltigungen durch irreguläre oder Clanmilizen. Vergewaltigung wird in Inter-Clan-Konflikten gezielt eingesetzt.

(U.S. Department of State: 2010 Country Reports on Human Rights Practices - Somalia, 8.4.2011, http://www.unhcr.org/refworld/docid/4da56d89c.html, Zugriff 22.8.2011)

Im Jänner 2012 ist es der Ahlu Sunna wal Jama'a (ASWJ), äthiopischen Truppen und Milizen des Shabelle Valley State (SVS) gelungen, die Stadt Beletweyne in Hiraan zu erobern. Danach kam es zu Kämpfen zwischen ASWJ und SVS über die Kontrolle der Stadt.

Es gibt Berichte, dass ASWJ Personen, die verdächtigt werden, in Verbindung mit al Shabaab zu stehen, schwer bestraft. Im Oktober 2011 sind angeblich zwei der eigenen Kämpfer aufgrund des Verdachts der Spionage für al Shabaab exekutiert worden.

(Ministerie van Buitenlandse Zaken (NL): Verkort ambtsbericht Somalië, 29.2.2012, http://www.rijksoverheid.nl/bestanden/documenten-en-publicaties/ambtsberichten/2012/02/29/somalie-2012-02- 29/somalie-2012-02-29.pdf, Zugriff 25.4.2012)

Korruption

Somalia war im Jahr 2011 laut Transparency International das korrupteste Land der Welt (Platz 182 von 182).

(Transparency International: Corruption Perceptions Index 2011, http://cpi.transparency.org/cpi2011/results/, Zugriff 24.4.2012)

Das Gesetz sieht keine Strafen für Korruption vor und Beamte verübten Korruption unter Straflosigkeit. Korruption kommt bei nahezu allen Transaktionen im Land zum Einsatz und es gibt keine Regulierungen oder Gesetze, um sie zu bekämpfen.

Nach der Ernennung des Premierministers Farmajo im Oktober [2010] verstärkten sich Antikorruptionsmaßnahmen und -Nachrichten.

(U.S. Department of State: 2010 Country Reports on Human Rights Practices - Somalia, 8.4.2011, http://www.unhcr.org/refworld/docid/4da56d89c.html, Zugriff 23.4.2012)

NGOs

In Mogadischu gibt es zahlreiche lokale NGOs, die ohne Einschränkung arbeiten können. Allerdings werden Mitarbeiter dieser NGOs oder von UN-Organisationen sowie Akteure der Zivilgesellschaft, Journalisten und Regierungskräfte zu Zielen von Attentätern (von al Shabaab). Vorrangige Ziele der al Shabaab sind dabei Behörden-/Regierungsangehörige und Journalisten.

Seitens der Regierung werden Mitarbeiter lokaler und internationaler Organisationen nicht angegriffen.

(Udlændinge Styrelsen/Danish Immigration Service: Security and human rights issues in South-Central Somalia, including Mogadishu (FFM-Bericht), 4.2012, http://www.nyidanmark.dk/NR/rdonlyres/90821397-6911-4CEF-A8D0- 6B8647021EF2/0/Security_human_rights_issues_South_CentralSomalia_including_Mogadishu.pdf, Zugriff 30.4.2012)

Al Shabaab hat seit 2009 Agenturen aus ihrem Kontrollgebiet verbannt und den verbleibenden Organisationen finanzielle und logistische Bürden auferlegt. Hilfskräfte wurden bedroht und angegriffen. www.ris.bka.gv.at Seite 39 von 55 Bundesverwaltungsgericht 06.08.2014

Im November 2011 verhängte al Shabaab einen neuerlichen Bann über 16 Hilfsorganisationen, darunter UN- Agenturen.

(Human Rights Watch: No Place for Children: Child Recruitment, Forced Marriage, and Attacks on Schools in Somalia, 25.2.2012, http://www.unhcr.org/refworld/docid/4f48f09a2.html, Zugriff 23.4.2012)

Der Einsatz für Menschenrechte ist riskant. Menschenrechtsverteidiger geraten durch ihre Kritik in die Schusslinie u.a. von radikal-islamistischen Kräften bzw. macht- und interessenorientierten "Warlords". Nichtregierungsorganisationen, Journalisten, Rechtsanwälten und anderen Vertretern der Zivilgesellschaft stehen oft nur sehr begrenzte Ressourcen für ihr Engagement für die Menschenrechte zur Verfügung; es fehlt an effektivem juristischem und polizeilichem Schutz. Etliche von ihnen wurden in den letzten Jahren verfolgt und, in manchen Fällen, ermordet - dies betraf 2011 vier Journalisten in Süd-/Zentralsomalia.

(Auswärtiges Amt: Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Somalia, Stand 3.2012, 23.3.2012)

Ombudsmann

Laurel Patterson (UNDP) erklärte, dass das Police Advisory Committee (PAC) monatliche Berichte über die Aktivitäten der Polizei in Süd-/Zentralsomalia und Mogadischu erstellen. Das PAC wurde im Sommer 2007 mit Unterstützung des UNDP geschaffen, um die somalische Polizei und das Gefängnispersonal zu beobachten, zu beraten und auszubilden.

Das PAC besteht aus 12 hochrangigen Repräsentanten der Zivilgesellschaft, Juristen und Menschenrechtsorganisationen, dem Innenministerium und der Polizei. Das PAC arbeitet eng mit Ältesten in den 16 Bezirken von Mogadischu zusammen. Diese begleiten das PAC auch bei Kontrollbesuchen. Das PAC verhandelt auch über die Freilassung von Gefangenen, sei es aus rechtlichen oder humanitären Gründen.

Das PAC überwacht auch die prozeduralen Aspekte eines Falles und kontrolliert, ob der Inhaftierte registriert worden ist und die Umstände der Verhaftung deutlich festgehalten wurden. Das Komitee kümmert sich auch speziell um gefährdet Gruppen, wie Kinder und Frauen. Das Komitee hat veranlasst, dass Frauen und Kinder getrennt von männlichen Häftlingen gehalten werden.

Trotz des schwierigen Arbeitsumfeldes ist es dem PAC gelungen, regelmäßig Polizeistationen und Gefängnisse zu überprüfen und tausende Fälle erfolgreich abzuwickeln.

Das PAC wird auch weiterhin von UNDP unterstützt.

Das PAC verzeichnet Menschenrechtsverletzungen und -Angelegenheiten gegen von der Polizei verhaftete Personen (in 14 der 16 Bezirke Mogadischus).

(Udlændinge Styrelsen/Danish Immigration Service: Security and human rights issues in South-Central Somalia, including Mogadishu (FFM-Bericht), 4.2012, http://www.nyidanmark.dk/NR/rdonlyres/90821397-6911-4CEF-A8D0- 6B8647021EF2/0/Security_human_rights_issues_South_CentralSomalia_including_Mogadishu.pdf, Zugriff 30.4.2012)

Trotz Sicherheits- und Kapazitätsproblemen fokussiert die Übergangsregierung auf Menschenrechte. Sie hat einen Menschenrechtszuständigen im Justizministerium benannt und einen Focal Point für Menschenrechte und Kinderschutz im Büro des Premierministers eingerichtet. Außerdem hat die Regierung an internationalen Anstrengungen partizipiert, die Menschenrechtspraxis zu verbessern.

(U.S. Department of State: 2010 Country Reports on Human Rights Practices - Somalia, 8.4.2011, http://www.unhcr.org/refworld/docid/4da56d89c.html, Zugriff 23.4.2012)

IFA

www.ris.bka.gv.at Seite 40 von 55 Bundesverwaltungsgericht 06.08.2014

Bewegungsfreiheit

In Somalia herrscht Bürgerkrieg. Hiervon sind nur die westlichen etwa zwei Drittel von Somaliland sowie, mit Abstrichen, Teile Puntlands ausgenommen. Der Einmarsch kenianischer und äthiopischer Truppen Ende 2011 hat in den jeweiligen Grenzregionen im Süden und Westen Somalias die Lage etwas beruhigt.

Auch dort kommt es allerdings zu Kampfhandlungen sowie zu terroristischen Übergriffen seitens der oppositionellen al Shabaab.

Relativ sichere Zufluchtsgebiete gibt es vor allem in den nördlichen Landesteilen, in der Republik Somaliland und in Puntland, wo weitgehend Bewegungsfreiheit für Angehörige aller Clans herrscht, sowie in denjenigen Teilen Süd-/Zentralsomalias, die nicht direkt von Kampfhandlungen, Willkürmaßnahmen unterschiedlicher Milizen und Verfolgungsmaßnahmen lokal dominierender gegenüber anderen Clans betroffen sind.

Gegner der somaliländischen "Regierung" können grundsätzlich in den Osten Somalilands oder nach Puntland in Nordostsomalia ausweichen.

Allerdings ist es häufig schwierig oder unmöglich, solche Gebiete tatsächlich zu erreichen. Außerdem ist die Aufnahmekapazität der Zufluchtsgebiete begrenzt und bereits jetzt äußerst angespannt - u. a. durch deutlich mehr als eine Million Binnenvertriebene, deren wirtschaftliche und soziale Situation extrem prekär ist und die vor allem unter einem Mangel an Nahrungsmitteln sowie an medizinischer und schulischer Versorgung leiden.

(Auswärtiges Amt: Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Somalia, Stand 3.2012, 23.3.2012)

Eine internationale NGO bestätigt, dass in Mogadischu Bewegungsfreiheit herrscht. Falls jemand einen äußeren Kontrollpunkt der Übergangsregierung passieren muss, um auf das Gebiet der al Shabaab zu gelangen, dann ist dies schwieriger, als die Bewegung innerhalb von Mogadischu. An solchen äußeren Checkpoints besteht das Risiko einer genaueren Kontrolle, von Belästigungen und Gelderpressung. Andererseits halten auch diese Umstände die Menschen nicht ab, diese Checkpoints zu passieren. Täglich tun dies etliche Personen.

Es gibt Busse, die in und aus Gebieten unter Kontrolle der al Shabaab fahren und kommen.

OCHA bestätigt, dass die Menschen zu allen 16 Bezirken von Mogadischu Zutritt haben, die äußeren Randgebiete der nördlichen Bezirke aber noch gefährlich sind. Andererseits wissen die Menschen exakt, wohin sie ohne größeres Risiko reisen können. Die Menschen wissen, wo und wann sie geschützt sind, und wo ihre Clan-Angehörigen wohnen.

UNHCR erklärte, dass es z.B. für Wirtschaftstreibende üblich ist, zwischen Gebieten der Regierung und jenen der al Shabaab zu reisen.

Somalis wissen, wo sie reisen können und sie sind sich ihres individuellen Risikos bewusst. Selbst normale Menschen, die mit dem Bus zwischen al Shabaab und Regierungsgebiet reisen wissen über ihr individuelles Risiko und sie wissen auch genau, was sie bei solchen Bewegungen machen können, und was nicht. Dies bedeutet, dass jene, die ein inakzeptabel hohes Risiko für sich selbst feststellen, üblicherweise nicht zwischen den beiden Kontrollgebieten verkehren.

Wenn sich eine Person auf das Gebiet der al Shabaab begibt, dann muss sie sich den Regeln der al Shabaab anpassen. Allerdings wird al Shabaab zunehmen paranoid gegenüber möglichen Spionen.

(Udlændinge Styrelsen/Danish Immigration Service: Security and human rights issues in South-Central Somalia, including Mogadishu (FFM-Bericht), 4.2012, http://www.nyidanmark.dk/NR/rdonlyres/90821397-6911-4CEF-A8D0- 6B8647021EF2/0/Security_human_rights_issues_South_CentralSomalia_including_Mogadishu.pdf, Zugriff 30.4.2012)

Für Reisen im Inland benötigen Somalier keine Papiere. In den von al Shabaab gehaltenen Gebieten machen sich Personen, welche Papiere bei sich tragen, sogar verdächtig, mit der Übergangsregierung zusammenzuarbeiten. Zwar existieren im ganzen Land zahlreiche Straßensperren, an welchen auch Personenkontrollen stattfinden.

www.ris.bka.gv.at Seite 41 von 55 Bundesverwaltungsgericht 06.08.2014

Dabei werden aber vor allem der Dialekt und die Clanzugehörigkeit abgefragt. In den von al Shabaab gehaltenen Gebieten kommt es häufig vor, dass der Inhalt des Mobiltelefons überprüft wird.

(Bundesamt für Migration: Focus Somalia - Dokumente und Reisen, 30.5.2011)

Vom internationalen Flughafen Mogadischu aus bedienen Flugzeuge regelmäßig Destinationen in Somalia (Gaalkacyo, Boosaaso, Garoowe, Burco, Hargeysa, ) und im nahen Ausland (Wajir, Nairobi, Mukalla, Dschidda, Dubai) - teils mit Zwischenstopps in Puntland oder Somaliland. Die Linienflüge werden von African Express, Daallo, Puntair und Jubba Air betrieben.

(Bundesamt für Migration: Focus Somalia - Sicherheitslage in Süd- und Zentralsomalia, 8.7.2011)

Im Berichtszeitraum kam es in Süd-/Zentralsomalia zu Zwangsrückführungen. Al Shabaab hat seit Ende September 2011 etliche Familien nach Bay zurückgebracht, die zuvor aufgrund der Dürre nach Baidoa geflohen waren. Dies überschneidet sich mit dem Beginn der Anbausaison. Auch aus Afgooye (Lower Shabelle) und Warsheikh (Middle Shabelle) kamen Berichte über die Wegweisung von IDPs durch al Shabaab.

Außerdem gab es Berichte über zwangsweise Rückführungen von IDPs nach Süd-/Zentralsomalia aus Puntland.

Somalische Zivilisten, die aus von al Shabaab kontrollierten Gebieten fliehen, laufen Gefahr, von al Shabaab aufgehalten zu werden.

Wegegeld wird sowohl bei al Shabaab als auch bei Checkpoints, die von mit der Übergangsregierung alliierten Milizen besetzt sind, verlangt.

(Ministerie van Buitenlandse Zaken (NL): Verkort ambtsbericht Somalië, 29.2.2012, http://www.rijksoverheid.nl/bestanden/documenten-en-publicaties/ambtsberichten/2012/02/29/somalie-2012-02- 29/somalie-2012-02-29.pdf, Zugriff 25.4.2012)

Flüchtlinge und IDPs

Mogadischu

Problematisch ist nach wie vor die Lage von IDPs in Mogadischu. Sicherheits- und Versorgungslage für Flüchtlinge aus anderen Landesteilen lassen weiterhin zu wünschen übrig, vor allem wenn diese über keinen sozialen Anschluss in der Hauptstadt verfügen.

Von den Vereinten Nationen wird berichtet, dass sich vor allem die Sicherheitslage für Flüchtlingsfrauen in Mogadischu wesentlich verschlechtert hat. Es sind die IDPs, welche sich aufgrund der noch mangelhaften Staatsgewalt bei gleichzeitigem Fehlen von traditionellem Clanschutz im rechtsfreien Raum bewegen. Nicht nur, dass staatliche Sicherheitskräfte die Flüchtlinge nicht schützen, sind sie offenbar auch für einen Großteil der Übergriffe selbst verantwortlich.

Berichtet wird auch, dass die Regierung bei der Bestrafung von sich strafbar gemachten Sicherheitskräften und Milizionären zurückhaltend sei. Dies mag teilweise der Wahrheit entsprechen, doch kann der Militärgerichtsbarkeit sicherlich keine völlige Untätigkeit vorgeworfen werden. Andererseits berichtet etwa die Zürcher Zeitung, dass den IDPs "weniger die Sicherheitslage zu schaffen macht, als der Mangel an Unterkünften, Hygiene, Nahrungsmitteln und Schulen."

Dabei hat sich die Versorgung von Hungerflüchtlingen in Mogadischu gegen Ende des Jahres 2011 verbessert. Die ersten IDPs kehrten außerdem bereits im Dezember aus der Hauptstadt wieder in ihre Heimat zurück. Die auf dem See- und Landweg nach Mogadischu gebrachten Hilfsgüter konnten in den Monaten nach Abzug der al Shabaab relativ problemlos verteilt werden, von vereinzelten Plünderungen abgesehen. Vor allem der durch die Gebietsgewinne von AMISOM und Übergangsregierung erleichterte Zugang zu den Flüchtlingen verhalf dazu, dass Unterernährungs- und Todesrate zurückgingen.

(BAA: Analyse der Staatendokumentation zu Somalia - Sicherheitslage Mogadischu, 14.3.2012)

www.ris.bka.gv.at Seite 42 von 55 Bundesverwaltungsgericht 06.08.2014

Es wurde unterstrichen, dass IDPs kein Vertrauen in das formelle Justizsystem hätten - weder in Mogadischu noch sonst wo. Dementsprechend haben IDPs keine Chance, an Wiedergutmachung zu gelangen. Sie bleiben in Süd-/Zentralsomalia eine der am meisten gefährdeten Gruppen.

UNHCR bestätigt, dass, wenn IDPs in einem Gebiet eine Minderheit darstellen, diese sich keinen Clanschutz erwarten können, außer dieser wird vom Mehrheitsclan explizit angeboten - ein rares Vorkommnis. UNHCR arbeitet mit der Polizei in Puntland zusammen, um dieser zu ermöglichen, auch IDP-Minderheitengruppen zu schützen.

(Udlændinge Styrelsen/Danish Immigration Service: Security and human rights issues in South-Central Somalia, including Mogadishu (FFM-Bericht), 4.2012, http://www.nyidanmark.dk/NR/rdonlyres/90821397-6911-4CEF-A8D0- 6B8647021EF2/0/Security_human_rights_issues_South_CentralSomalia_including_Mogadishu.pdf, Zugriff 30.4.2012)

Rückkehrfragen

Humanitäre Lage / Grundversorgung

Im Juli 2011 hat die UNO in einigen Gebieten Somalias die Hungersnot ausgerufen: Im südlichen Bakool, in Lower Shabelle, in den Bezirken Balcad und Cadale in Middle Shabelle und in den IDP-Lagern von Afgooye und Mogadischu. Im September wurde die Region Bay hinzugefügt. Die Hungersnot wurde im November in Bay, Bakool und Lower Shabelle aufgrund vorhandener Versorgung und gutem Regen für beendet erklärt, Anfang Februar 2012 dann auch in den restlichen Gebieten. Allerdings ist ein Drittel der Bevölkerung weiterhin auf Nahrungsmittelhilfe angewiesen.

(Ministerie van Buitenlandse Zaken (NL): Verkort ambtsbericht Somalië, 29.2.2012, http://www.rijksoverheid.nl/bestanden/documenten-en-publicaties/ambtsberichten/2012/02/29/somalie-2012-02- 29/somalie-2012-02-29.pdf, Zugriff 25.4.2012)

Dank einer guten Ernte und bedeutender humanitären Hilfe ist, laut UN-Experten, die direkte Hungerkatastrophe beendet, aber die Krise noch nicht vorbei. Noch immer brauchen 2,34 Mio. Menschen Nahrungsmittel. Es benötigt anhaltende gute Regenfälle, koordinierte langfristige Aktion und Friedensbemühungen, um die Spannkraft der Bevölkerung wieder aufzubauen.

(Netzwerk Afrika-Deutschland: Hungersnot vorüber, 6.2.2012, http://www.dcms.kirchenserver.org/dcms/sites/nad/laender/somalia/ereignisse/index.html?f_action=show&f_ne wsitem_id=17311, Zugriff 25.4.2012)

Während sich Hilfsorganisationen zurzeit auf den Westen Afrikas konzentrieren, wo der Hunger um sich greift, ist die Prognose des Frühwarnsystems für Hungersnöte (Fewsnet) für Somalia sehr schlecht. Späte und erratische Regenfälle könnten wieder Missernten verursachen und die Regenerierung des Weidelandes und Auffüllung von Wasserspeichern verhindern, und so wieder eine Katastrophe auslösen.

(Netzwerk Afrika-Deutschland: Neue Nahrungsmittelknappheit, 18.4.2012, http://www.dcms.kirchenserver.org/dcms/sites/nad/laender/somalia/ereignisse/index.html?f_action=show&f_ne wsitem_id=17580, Zugriff 25.4.2012)

Die Versorgungslage für Rückkehrer, die nicht über größeres eigenes Vermögen verfügen, ist äußerst schwierig. Somalia ist eines der ärmsten Länder der Welt. Soziale Sicherungssysteme sind nicht vorhanden; private Hilfe wird allenfalls im Klan- und Familienverband oder im Einzelfall auch durch internationale Nichtregierungsorganisationen geleistet. Die Lebensbedingungen für Rückkehrer, die nicht über familiäre oder andere soziale Bindungen verfügen, sind unter diesen Bedingungen sowie angesichts der prekären Sicherheitslage extrem schwierig.

(Auswärtiges Amt: Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Somalia, Stand 3.2011, 23.3.2012)

Medizinische Versorgung

www.ris.bka.gv.at Seite 43 von 55 Bundesverwaltungsgericht 06.08.2014

Die medizinische Versorgung ist im gesamten Land äußerst mangelhaft. Die durchschnittliche Lebenserwartung betrug 2005 nach VN-Angaben 45 Jahre für Männer und 47 Jahre für Frauen.

Erhebliche Teile der Bevölkerung haben keinen Zugang zu trinkbarem Wasser oder zu hinreichenden sanitären Einrichtungen. Die öffentlichen Krankenhäuser sind mangelhaft ausgestattet, was Ausrüstung/medizinische Geräte, Medikamente, ausgebildete Kräfte und Finanzierung angeht. Zudem behindert die unzureichende Sicherheitslage ihre Arbeit.

Im Süden mussten Versorgungs- und Gesundheitsmaßnahmen internationaler Hilfsorganisationen immer wieder wegen Kampfhandlungen oder aufgrund von Maßgaben örtlicher (islamistischer) Machthaber unterbrochen werden.

(Auswärtiges Amt: Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Somalia, Stand 3.2011, 23.3.2012)

Es ist nicht möglich, generelle Aussagen über die medizinische Versorgung in Süd-/Zentralsomalia zu machen, da die Lage sehr volatil ist. Grundsätzlich ist die medizinische Versorgung im ganzen Land äußerst mangelhaft. Für den Großteil der Bevölkerung besteht kein Zugang zu grundlegender medizinischer Versorgung. Die humanitäre Hilfe in diesem Bereich (z. B. der Aufbau von Spitälern) muss aufgrund der Kampfhandlungen immer wieder unterbrochen werden. Es besteht ein Mangel an Ausrüstung, Medikamenten, Fachkräften und Finanzierung.

Meist lassen sich die Einwohner Süd-/Zentralsomalias im Krankheitsfall von einem traditionellen Arzt oder einer noch unter ausgebildeten, privat praktizierenden Krankenschwester untersuchen. Falls Medikamente benötigt werden, schicken diese ihre Patienten auf den Markt. Dort erworbene Medizin hat aber oft eine zweifelhafte Qualität.

Bis 1991 gab es in jeder Provinzhauptstadt ein Spital. Heute sind in Süd-/Zentralsomalia nur noch wenige davon in Betrieb. In einigen geschlossenen Spitälern praktizieren die ehemaligen Angestellten weiter auf eigene Rechnung. Infrastruktur ist dort aber praktisch keine mehr vorhanden.

In Mogadischu wird die beste medizinische Versorgung im Medina-Spital sowie im von Médécins sans Frontiers (MSF) betriebenen Dayniile-Spital angeboten. In der Nähe des Medina-Spitals befindet sich das große, aber schlecht unterhaltene Banadiir-Spital. Im Spital der SOS Kinderdörfer befindet sich die einzige Entbindungsstation und gynäkologische Klinik des Landes. Außerdem besteht ein Spital in Keysane, nördlich des Stadtzentrums.

MSF betreibt weitere Spitäler in Diinsoor (Bay), Mareere, Jamaame (Jubbada Hoose) und Beletweyne (Hiiraan), außerdem wird das von Einheimischen geführte Spital in Afgooye unterstützt. In Afgooye besteht zudem eine weitere Klinik der SOS Kinderdörfer. Privat geführte Spitäler existieren zudem in und Baidoa. Letzteres wird von einer italienischen NGO unterstützt, ist aber in einem katastrophalen Zustand. In den Provinzen Galgaduud und Mudug sind mehrere Spitäler geöffnet, unter anderem in Guri Ceel und Gaalkacyo.

Da die Spitäler in Südsomalia sehr weit voneinander entfernt liegen und der Transport zu den Spitälern teuer und beschwerlich ist, haben zahlreiche Personen faktisch überhaupt keinen Zugang zu Spitalpflege.

(Bundesamt für Migration: Focus Somalia - Sicherheitslage in Süd- und Zentralsomalia, 8.7.2011)

Die Unterstützung für 37 ambulante Kliniken, betrieben vom somalischen Roten Halbmond, wurde fortgesetzt. Die Kliniken erhielten Medikamente, Ausrüstung, finanzielle Unterstützung und Ausbildung für die Mitarbeiter. Heilkunde, Mutter-Kind-Untersuchungen und Masernimpfungen wurden angeboten. Im August eröffnete ein neuer Gesundheitsposten in der Region Gedo.

Aufgrund der wachsenden Besorgnis bezüglich Mangelernährung verstärkte das IKRK auch seine Unterstützung für die Behandlung mangelernährter Kinder unter fünf Jahren und für Programme für therapeutische Ernährung für Kinder zwischen 3 und 14 Jahren.

Um durch Waffen Verwundete behandeln zu können erhielten die Spitäler Keysaney und Medina in Mogadischu substanzielle Unterstützung durch das IKRK, darunter Reparatur von Infrastruktur. Andere Spitäler und Kliniken erhielten ad-hoc-Hilfe um Schusswunden behandeln zu können. Mehr als 7.000 durch Waffen verletzte Patienten

www.ris.bka.gv.at Seite 44 von 55 Bundesverwaltungsgericht 06.08.2014 wurden in den vom IKRK unterstützten Spitälern behandelt. Zwanzig Chirurgen erhielten zusätzliche Ausbildung in einem vom IKRK organisierten Seminar zu Kriegsverletzungen.

(International Committee of the Red Cross (ICRC): ICRC Annual Report 2010 - Somalia, 5.2011, http://www.unhcr.org/refworld/docid/4de626641a.html, 2.5.2012)

Rückkehrsituation

Süd-/Zentralsomalia

Gemäß UNHCR kehrt eine zunehmende Zahl an Somalis aus der Diaspora nach Mogadischu und in andere Gebiete von Süd-/Zentralsomalia zurück. Es gebe keine Berichte darüber, dass diese für Lösegeld entführt worden seien.

Entführungen haben früher stattgefunden, heutzutage wird eher gedroht, um an Geld zu gelangen. Diese Drohungen ereignen sich aber nicht in Gebieten, die von der Übergangsregierung kontrolliert werden. Lokale Milizen könnten aber von einem Rückkehrer "Schutzgeld" verlangen.

Eine internationale Organisation erklärte, dass eine Person ohne Probleme nach Mogadischu zurückkehren kann, wenn sie in ein Stadtgebiet zurückkehrt, in welchem ihr Clan die Kontrolle hat, oder sie aus demselben Clan stammt, wie der das Gebiet kontrollierende Warlord.

Eine internationale Organisation bestätigt, dass bezüglich der Sicherheit von Rückkehrern jene, die einem der großen Clans angehören, keinerlei Probleme in Mogadischu hätten. Gehört der Rückkehrer allerdings einem Minderheitenclan an und wird als wohlhabend erachtet, dann könnte diese Person einem Risiko der Entführung gegen Lösegeld ausgesetzt sein. Angehörige von kleinen Clans und ethnischen Minderheiten werden daher den Schutz einflussreicher Personen suchen, die ihnen bekannt sind, oder sie alliieren sich mit Angehörigen eines großen Clans.

Eine lokale NGO in Mogadischu erklärte, dass viele der nach Mogadischu zurückkehrenden Benadiri Verwandte der ursprünglichen Bevölkerung seien. Sie würden nunmehr in Mogadischu in relativer Sicherheit leben können.

Eine lokale NGO in Mogadischu bestätigte, dass viele Angehörige der Benadiri nach Hamar Weyne zurückgekehrt sind. Heute leben viele Benadiri in Mogadischu und sie sind erfolgreiche Wirtschaftstreibende. Einige sind auch für die Verwaltung tätig. Der Finanzdirektor von Mogadischu ist ein Benadir.

Während der Zeit der Warlords wurden die Benadiri zu Opfern von Menschenrechtsverletzungen und viele flüchteten aus dem Land. Heute allerdings leben sie in Mogadischu gut und viele haben Geschäfte wiedereröffnet oder andere Handelsaktivitäten gestartet. Vielen wurde ihr ehemaliges Gut, darunter auch Häuser, zurückgegeben und sie sind keinem Risiko einer Verfolgung oder anderen Menschenrechtsverletzungen mehr ausgesetzt.

(Udlændinge Styrelsen/Danish Immigration Service: Security and human rights issues in South-Central Somalia, including Mogadishu (FFM-Bericht), 4.2012, http://www.nyidanmark.dk/NR/rdonlyres/90821397-6911-4CEF-A8D0- 6B8647021EF2/0/Security_human_rights_issues_South_CentralSomalia_including_Mogadishu.pdf, Zugriff 30.4.2012)

Somalis, die nach Süd-/Zentralsomalia zurückkehren, werden keine Einreiseschwierigkeiten seitens der lokalen Behörden bereitet.

(Ministerie van Buitenlandse Zaken (NL): Verkort ambtsbericht Somalië, 29.2.2012, http://www.rijksoverheid.nl/bestanden/documenten-en-publicaties/ambtsberichten/2012/02/29/somalie-2012-02- 29/somalie-2012-02-29.pdf, Zugriff 25.4.2012)

Für Somalis ohne Reisepässe werden teilweise - je nach Handhabung der örtlich herrschenden Milizen bzw. Behörden - Ersatzdokumente für die Einreise anerkannt. Es ist nicht auszuschließen, dass auch deutsche "Reiseausweise für Ausländer" anerkannt werden, allerdings sind keine solchen Fälle bekannt. Eine freiwillige Rückkehr von Somalis nach Somaliland und Puntland ist möglich, nach Süd-/Zentralsomalia aufgrund des Bürgerkriegs und der damit verbundenen Gefahren nur grundsätzlich vorstellbar. www.ris.bka.gv.at Seite 45 von 55 Bundesverwaltungsgericht 06.08.2014

Nach Auskunft ihrer diplomatischen Vertretungen in Nairobi führen Großbritannien und die Niederlande Abschiebungen durch, die Niederlande nur nach "Somaliland". Schweden kann in Ausnahmefällen verurteilte Straftäter nach Somalia zurückführen.

(Auswärtiges Amt: Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Somalia, Stand 3.2011, 23.3.2012)

Dokumente

In Somalia selbst, aber auch in den von Somalis bewohnten Enklaven, z. B. dem Stadtteil Eastleigh in Nairobi, werden somalische Reisepässe ebenso wie zahlreiche andere gefälschte Dokumente zum Verkauf angeboten.

Es besteht keine Möglichkeit, über amtliche Register verlässliche Auskünfte über somalische Staatsangehörige zu erhalten. Lediglich in Somaliland gibt es eine einigermaßen funktionierende Verwaltung, die auch Dokumente ausstellt.

(Auswärtiges Amt: Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Somalia, Stand 3.2011, 23.3.2012)

Es folgte im angefochtenen Bescheid die rechtliche Beurteilung zu den Spruchpunkten. Der Antrag auf internationalen Schutz sei abzuweisen, weil der Antragsteller nicht habe glaubhaft machen können, dass ihm im Herkunftsstaat eine aktuelle Verfolgungsgefahr iSd Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention drohe.

Der Status eines subsidiär Schutzberechtigten sei dem Beschwerdeführer ebenfalls nicht zuzuerkennen, da ihm eine Glaubhaftmachung einer konkreten, auf seine Person bezogenen, Gefährdungslage nicht gelungen sei. Im Falle einer Rückkehr in den Herkunftsstaat sei von keiner Gefahr iSd Art. 2 und 3 EMRK auszugehen. Zudem verfüge der Antragsteller im Heimatland über eine ausreichende wirtschaftliche Grundlage sowie über Familienangehörige und sonstige Verwandte.

Ferner sei kein schützenswertes Privat- oder Familienleben in Österreich aufgebaut worden, weshalb die Ausweisung auch keinen ungerechtfertigten Eingriff in das Grundrecht nach Art. 8 EMRK darstelle.

Gleichzeitig mit dem Bescheid wurde dem Beschwerdeführer eine Verfahrensanordnung gemäß § 63 Abs. 2 AVG zur Kenntnis gebracht, wonach ihm für das Beschwerdeverfahren eine Rechtsberatung zugewiesen wurde.

Gegen den Bescheid richtet sich die fristgerecht erhobene Beschwerde vom 13.2.2013, in welcher der Beschwerdeführer zusammengefasst geltend machte, die erstinstanzliche Entscheidung wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit sowie Verfahrensmängeln vollinhaltlich zu bekämpfen. Der Sachverhalt sei vom Bundesasylamt falsch beurteilt worden, weiters sei die Beweiswürdigung des Bescheides mit Mängeln behaftet. Die Erstbehörde habe fälschlicherweise festgestellt, der Antragsteller stamme aus Mogadischu, obwohl dieser kontinuierlich angegeben habe, in XXXX geboren und aufgewachsen zu sein. Zur allgemeinen Lage in dieser Stadt würden sich in der Entscheidung jedoch keinerlei Feststellungen finden. In Mogadischu könne er auf kein vorhandenes soziales Netz zurückgreifen. Insgesamt habe sich das Bundesasylamt unzureichend mit dem Parteienvorbringen auseinandergesetzt. Im Falle einer Rückkehr in den Herkunftsstaat würde der Beschwerdeführer weiters Gefahr laufen, in seinen durch Art. 2 und 3 EMRK geschützten Rechten verletzt zu werden.

Ferner sind der Beschwerde diverse, im Internet abrufbare, Berichte, ua. von DIS - Danish Immigration Service, Somalia Report und Human Rights Watch, welche hauptsächlich die allgemeine Sicherheitslage in Somalia, bedingt vor allem durch die Anwesenheit von Al Shabaab, zum Inhalt haben, zu entnehmen.

Der Beschwerdeführer brachte folgende Dokumente und Beweismittel in Vorlage:

Arbeitszeugnis vom 5.11.2012 der Gemeinde XXXX

Bestätigung der Teilnahme am Sprachkurs "Grundlagen Deutsch" (Level A1) vom XXXX.9.2012 der XXXX GmbH

www.ris.bka.gv.at Seite 46 von 55 Bundesverwaltungsgericht 06.08.2014

Bestätigung der Teilnahme an den Sprachkursen "Grundstufe Deutsch/A2.1 und A2.2" vom XXXX.4. sowie vom XXXX.6.2013 der XXXX

Bestätigung der Teilnahme an einem Erste-Hilfe-Kurs vom XXXX.4.2013 des XXXX

Undatierte Bestätigung der Teilnahme am Sprachkurs "Grundlagen Deutsch II" der XXXX GmbH, bei Gericht eingelangt am 11.6.2013

Diplom betreffend die Absolvierung des Sprachkurses "A2 Grundstufe Deutsch 2" vom XXXX.6.2013 des XXXX

Undatierte Urkunde hinsichtlich der Teilnahme am Stadtlauf XXXX, bei Gericht eingelangt am 1.7.2013

Bestätigung der Teilnahme als Statist an der Oper "XXXX" vom XXXX.8.2013 der XXXX

Stellungnahme des Beschwerdeführers vom 5.9.2013

Diplom betreffend die Absolvierung des Sprachkurses "B1 Deutsch" vom 25.11.2013 des XXXX

Bestätigung der psychotherapeutischen Behandlung vom 6.2.2014 der XXXX

Konvolut an Unterstützungsschreiben

Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Folgender Sachverhalt steht als erwiesen fest:

Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger von Somalia, gelangte illegal in das österreichische Bundesgebiet und brachte am 17.4.2012 einen Antrag auf internationalen Schutz ein.

Das Bundesverwaltungsgericht schließt sich den oben wiedergegebenen Feststellungen des angefochtenen Bescheides zur Allgemeinsituation in Somalia an.

Die beschwerdeführende Partei trifft in Somalia keine unmittelbare und konkrete, aktuelle, individuelle und schützenswerte Bedrohung. Sie hat ihren Herkunftsstaat nicht aus Furcht vor individuell-konkreter Verfolgung verlassen.

Der Antragsteller leidet an keinen tödlichen oder lebensbedrohlichen Erkrankungen.

Besondere private, familiäre oder finanzielle Bindungen bestehen im österreichischen Bundesgebiet nicht.

Der festgestellte Sachverhalt beruht auf nachstehender Beweiswürdigung:

Vorauszuschicken ist, dass das Bundesasylamt ein mangelfreies und ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren durchgeführt hat. Es bestehen keine Anhaltspunkte für das Vorliegen von Verfahrensmängeln im erstinstanzlichen Verfahren. Weder die Protokollierung, noch die während der beiden Einvernahmen anwesenden Dolmetscher wurden in irgendeiner Form beanstandet. Weiters fehlen auch Anzeichen für eine psychische Ausnahmesituation infolge einer Traumatisierung oder einer ähnlichen Erkrankung, aufgrund welcher der Beschwerdeführer allenfalls in seiner Vernehmungsfähigkeit eingeschränkt gewesen wäre. Die Richtigkeit und Vollständigkeit der Protokolle wurde zudem vom Beschwerdeführer nach Rückübersetzung durch seine Unterschrift bestätigt.

Hervorzuheben ist weiters, dass dem Antragsteller im Rahmen seiner niederschriftlichen Einvernahmen jedenfalls ausreichend Gelegenheit geboten wurde, asylrelevantes Vorbringen umfassend zu erstatten.

Die seitens des Bundesasylamtes getroffenen Feststellungen zum Herkunftsstaat Somalia stützen sich auf die der gegenständlichen Entscheidung ebenfalls zu Grunde gelegten Länderdokumentationen. Da diese Berichte auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängiger und aktueller Quellen beruhen und dennoch ein in ihren Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wesentliche Widersprüche darbieten, besteht kein Grund, an www.ris.bka.gv.at Seite 47 von 55 Bundesverwaltungsgericht 06.08.2014 der Richtigkeit der Situationsdarstellungen zu zweifeln. Hinzu kommt, dass die Auskünfte in der Regel auf Recherchen von vor Ort tätigen Personen oder Organisationen basieren, welche aufgrund der Ortsanwesenheit am besten zur Einschätzung der Lage geeignet sind.

Trotz der etwa eineinhalbjährigen zeitlichen Distanz zwischen der erstinstanzlichen und der gegenwärtigen Entscheidung können die Feststellungen des Bundesasylamtes zur Allgemeinsituation in Somalia bestätigt werden, da keine dramatische Verschlechterung der Lage hervorgekommen ist.

Die Feststellungen betreffend das Nichtvorliegen einer individuellen, konkreten und aktuellen Bedrohung des Beschwerdeführers in seinem Heimatland basieren auf folgenden Erwägungen:

Im Rahmen seiner Erstbefragung vom 18.4.2012 nannte der Beschwerdeführer als Grund für seine Ausreise die Beschuldigung durch seinen (namentlich genannten) Arbeitskollegen, Güter bzw. Lebensmittel gestohlen zu haben, sowie die Bedrohung mit dem Tod. Am selben Tag sei er zuerst zu seiner Tante väterlicherseits und anschließend nach Mogadischu geflohen. Weiters seien sein Zwillingsbruder sowie sein Vater von fünf vermummten Personen erschossen worden.

Demgegenüber gab der Antragsteller im Zuge seiner Einvernahme vom 12.11.2012 an, er selbst sowie drei weitere Arbeitskollegen seien von Al Shabaab beschuldigt worden, die genannten Lebensmittel gestohlen zu haben. Ferner hätten sie deshalb von Al Shabaab öffentlich umgebracht werden sollen, was jedoch von den Dorfvorstehern habe abgewendet werden können. Nachdem der Beschwerdeführer zweieinhalb Tage von Al Shabaab festgehalten worden sei, sei er nach seiner Freilassung, welche durch Verhandlungen der Dorfältesten mit Al Shabaab erreicht worden sei, zunächst nach Hause gegangen und habe tags darauf seine Heimatstadt XXXX fluchtartig Richtung Mogadischu verlassen. Sein Vater, sein Zwillingsbruder sowie die drei genannten Arbeitskollegen seien von seinem (namentlich genannten) Chef und dessen Gruppe getötet worden.

Der gravierendste Widerspruch dieser beiden Aussagen ist wohl jener hinsichtlich der Beschuldigung und Bedrohung durch einen Arbeitskollegen des Beschwerdeführers einerseits bzw. durch Al Shabaab andererseits. Es ist nicht nachvollziehbar, warum der Antragsteller nicht sofort bei der ersten Gelegenheit erwähnt hat, dass er im Heimatland von einer terroristischen Einheit mit dem Umbringen bedroht und mehrere Tage angehalten wurde, zumal dies ein asylrelevantes Vorbringen darstellen würde. Nach menschlichem Ermessen kann wohl davon ausgegangen werden, dass der Grund, der einen Asylwerber zum Verlassen seines Heimatlandes bewegt hat, den Behörden bei jeder Gelegenheit kontinuierlich, gleichbleibend und widerspruchsfrei mitgeteilt wird. Dies war hier nicht der Fall, da im Verlauf der gesamten Erstbefragung niemals die Rede von einer Bedrohung durch Al Shabaab war. Durch diesen Umstand gelangte das Gericht zur Überzeugung, dass es sich beim gesamten diesbezüglichen Vorbringen um eine reine Schutzbehauptung handelte. Auch der Hinweis auf § 19 Abs. 1 AsylG in der Beschwerde vermag daran nichts zu ändern. Diese Bestimmung besagt zwar, dass die Erstbefragung eines Asylwerbers insbesondere der Ermittlung der Identität und der Reiseroute des Fremden dient und sich nicht auf die näheren Fluchtgründe zu beziehen hat. Die Regelung des § 19 Abs. 1 AsylG hat jedoch nichts mit den offenkundigen Widersprüchlichkeiten der Angaben des Beschwerdeführers zu tun. Von "kleineren Widersprüchen", wie in der Beschwerde bezeichnet, kann aus den oben dargestellten Erwägungen nicht gesprochen werden. Der Versuch, diese Widersprüchlichkeiten in der Beschwerde aufzuklären bzw. zu erklären, stellt im Übrigen ein unzulässiges gesteigertes Vorbringen dar.

Auch die Angaben bezüglich der Tötung des Zwillingsbruders sowie des Vaters des Beschwerdeführers erscheinen äußerst unplausibel, da die Partei zunächst noch behauptete, die Ermordung sei durch vermummte (also wohl unbekannte) Männer erfolgt. Im Zuge der Einvernahme vom 12.11.2012 führte der Antragsteller jedoch aus, die genannten Personen, wie auch drei weitere Arbeitskollegen, seien durch seinen Chef und dessen Gruppierung umgebracht worden. Welchen Grund der Chef für die Tötung gehabt haben soll, erläuterte der Antragsteller allerdings nicht. Vielmehr stellte er eine Behauptung in den Raum, erklärte diese jedoch nicht näher und nannte keinerlei Details. Weiters fällt auf, dass er absolut keine Emotionen zeigte, als er von der Ermordung seiner Familienmitglieder berichtete. Dies erfolgte eher beiläufig und unbewegt.

Insgesamt gestalteten sich die Behauptungen der Partei in Bezug auf ihre Fluchtgründe aus den genannten Überlegungen als höchst vage und unplausibel. Aufgrund der Sinnwidrigkeit und des fehlenden Detailreichtums des gesamten Vorbringens, war diesem jegliche Nachvollziehbarkeit abzuerkennen. Die Ausführungen konnten mangels Konkretheit und Plausibilität den Feststellungen nicht zugrunde gelegt werden und vermochten das erkennende Gericht in keiner Weise zu überzeugen.

Zu ihrem Gesundheitszustand legte die beschwerdeführende Partei trotz ausdrücklicher Aufforderung keine medizinischen Unterlagen vor, weshalb nicht von einer schweren, behandlungsbedürftigen Erkrankung auszugehen war. Eine solche wurde vom Antragsteller jedoch auch zu keinem Zeitpunkt vorgebracht. www.ris.bka.gv.at Seite 48 von 55 Bundesverwaltungsgericht 06.08.2014

Die Feststellung des Nichtbestehens besonderer familiärer oder finanzieller Bindungen in Österreich resultiert aus seinen eigenen Angaben. Zur Feststellung des Nichtvorliegens eines besonders schützenwerten Privatlebens wird auf die diesbezüglichen Ausführungen in der rechtlichen Beurteilung (siehe sogleich Punkt 3.) verwiesen.

Eine mündliche Verhandlung konnte gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG unterbleiben, da eine Klärung des erstatteten Vorbringens und/oder dessen Glaubwürdigkeit durch die Vornahme einer mündlichen Verhandlung vor dem Bundesveraltungsgericht nicht zu erwarten war.

Die Aufnahme weiterer Beweise war wegen Entscheidungsreife nicht mehr erforderlich.

Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gegenständlich liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichts ist durch das VwGVG, BGBl. I 33/2013 idF BGBl. I 122/2013, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, unberührt.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

§ 1 BFA-VG, BGBl. I 2012/87 idF BGBl. I 144/2013, bestimmt, dass dieses Bundesgesetz allgemeine Verfahrensbestimmungen beinhaltet, die für alle Fremden in einem Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, vor Vertretungsbehörden oder in einem entsprechenden Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gelten. Weitere Verfahrensbestimmungen im AsylG und im FPG bleiben unberührt.

§ 16 Abs. 6 und § 18 Abs. 7 BFA-VG bestimmen für Beschwerdevorverfahren und Beschwerdeverfahren, dass §§ 13 Abs. 2 bis 5 und 22 VwGVG nicht anzuwenden sind.

Gemäß § 75 Abs. 19 AsylG sind alle mit Ablauf des 31.12.2013 beim Asylgerichtshof anhängigen Beschwerdeverfahren ab 1.1.2014 vom Bundesverwaltungsgericht nach Maßgabe des Abs. 20 zu Ende zu führen.

Zu A)

Zu Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides (Abweisung des Antrages hinsichtlich der Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten):

Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß §§ 4, 4a oder 5 zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht.

Nach Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. 55/1955, idF des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. 78/1974, ist Flüchtling, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen oder wer staatenlos ist, sich infolge oben genannter Umstände außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.

www.ris.bka.gv.at Seite 49 von 55 Bundesverwaltungsgericht 06.08.2014

Gemäß § 3 Abs. 2 AsylG kann die Verfolgung auch auf Ereignissen beruhen, die eingetreten sind, nachdem der Fremde seinen Herkunftsstaat verlassen hat (objektive Nachfluchtgründe) oder auf Aktivitäten des Fremden, die dieser seit Verlassen des Herkunftsstaates gesetzt hat, die insbesondere Ausdruck und Fortsetzung einer bereits im Herkunftsstaat bestehenden Überzeugung sind (subjektive Nachfluchtgründe). Einem Fremden, der einen Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23 AsylG) stellt, wird in der Regel nicht der Status des Asylberechtigten zuerkannt, wenn die Verfolgungsgefahr auf Umständen beruht, die der Fremde nach Verlassen seines Herkunftsstaates selbst geschaffen hat, es sei denn, es handelt sich um in Österreich erlaubte Aktivitäten, die nachweislich Ausdruck und Fortsetzung einer bereits im Herkunftsstaat bestehenden Überzeugung sind.

Im Hinblick auf die Neufassung des § 3 AsylG 2005 im Vergleich zu § 7 AsylG 1997 als der die Asylgewährung regelnden Bestimmung, wird festgehalten, dass die bisherige höchstgerichtliche Judikatur zu den Kriterien für die Asylgewährung in Anbetracht der identen Festlegung, dass als Maßstab die Feststellung einer Verfolgung iSd Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention gilt, nunmehr grundsätzlich auch auf § 3 Abs. 1 AsylG 2005 anzuwenden ist.

Zentrales Element des Flüchtlingsbegriffes ist die "begründete Furcht vor Verfolgung". Eine solche liegt dann vor, wenn objektiverweise eine Person in der individuellen Situation des Asylwerbers Grund hat, eine Verfolgung zu befürchten. Verlangt wird eine "Verfolgungsgefahr", wobei unter "Verfolgung" ein Eingriff von erheblicher Intensität in die vom Staat zu schützende Sphäre des Einzelnen zu verstehen ist, welcher geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates bzw. der Rückkehr in das Land des vorigen Aufenthaltes zu begründen.

Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in den in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen haben und ihrerseits Ursache dafür sein, dass sich die betreffende Person außerhalb ihres Heimatlandes bzw. des Landes ihres vorigen Aufenthaltes befindet. Ferner muss die Verfolgungsgefahr dem Heimatstaat bzw. dem Staat des letzten gewöhnlichen Aufenthaltes zurechenbar sein. Zurechenbarkeit bedeutet nicht nur ein Verursachen, sondern bezeichnet eine Verantwortlichkeit in Bezug auf die bestehende Verfolgungsgefahr.

Die Verfolgungsgefahr muss aktuell sein, was bedeutet, dass sie zum Zeitpunkt der Bescheiderlassung vorliegen muss. Weiters muss sie sich auf das gesamte Staatsgebiet beziehen. Bereits gesetzte, vergangene Verfolgungshandlungen stellen im Beweisverfahren ein wesentliches Indiz für eine bestehende Verfolgungsgefahr dar, wobei hierfür dem Wesen nach eine Prognose zu erstellen ist. Ein Antrag auf internationalen Schutz ist gemäß § 3 Abs. 3 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abzuweisen, wenn dem Fremden eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11) offen steht (Z 1) oder der Fremde einen Asylausschlussgrund (§ 6) gesetzt hat (Z 2).

Gemäß § 11 Abs. 1 AsylG ist der Antrag auf internationalen Schutz auch dann abzuweisen, wenn Asylwerbern in einem Teil ihres Herkunftsstaates vom Staat oder sonstigen Akteuren, die den Herkunftsstaat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebietes beherrschen, Schutz gewährleistet wird, und ihnen der Aufenthalt in diesem Teil des Staatsgebietes zugemutet werden kann (Innerstaatliche Fluchtalternative). Schutz ist gewährleistet, wenn in Bezug auf diesen Teil des Herkunftsstaates keine wohlbegründete Furcht nach Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention vorliegen kann und die Voraussetzungen zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten (§ 8 Abs. 1 AsylG) in Bezug auf diesen Teil des Herkunftsstaates nicht gegeben sind. Gemäß § 11 Abs. 2 AsylG ist bei der Prüfung, ob eine innerstaatliche Fluchtalternative gegeben ist, auf die allgemeinen Gegebenheiten des Herkunftsstaates und auf die persönlichen Umstände der Asylwerber zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Antrag abzustellen.

Wie oben unter Punkt 2. bereits ausführlich dargelegt, ist es dem Beschwerdeführer insgesamt nicht gelungen, glaubhaft darzustellen, dass ihm in seinem Herkunftsland eine aktuelle Verfolgung oder eine relevante individuelle und konkrete Bedrohung iSd Genfer Flüchtlingskonvention droht. Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides war sohin zu bestätigen.

Zu Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides (Abweisung des Antrages hinsichtlich der Zuerkennung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten):

Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG ist der Status des subsidiär Schutzberechtigten einem Fremden zuzuerkennen,

1. der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird oder

2. dem der Status des Asylberechtigten aberkannt worden ist,

www.ris.bka.gv.at Seite 50 von 55 Bundesverwaltungsgericht 06.08.2014 wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur EMRK bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

Nach § 8 Abs. 2 AsylG ist die Entscheidung über die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nach Abs. 1 mit der abweisenden Entscheidung nach § 3 oder der Aberkennung des Status des Asylberechtigten nach § 7 zu verbinden.

Gemäß § 8 Abs. 3 AsylG sind Anträge auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abzuweisen, wenn eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11) offen steht.

Im Vergleich zu § 8 Abs. 1 AsylG 1997, der auf § 57 FrG verwies, bezieht sich § 8 Abs. 1 AsylG 2005 nunmehr direkt auf die EMRK. Die Verbote des § 57 Abs. 1 FrG (nunmehr § 50 FPG 2005) orientierten sich aber gleichfalls an Art. 3 EMRK (vgl. auch VwGH 21.9.2000, 98/20/0557) und erweitern ihn um die Todesstrafe, welche per se noch keine unmenschliche oder erniedrigende Strafe iSd EMRK darstellt. Angesichts des somit im Wesentlichen identen Regelungsinhalts des bis 31.12.2005 in Kraft gestandenen § 8 Abs. 1 AsylG 1997 im Verhältnis zum nunmehr in Geltung stehenden § 8 Abs. 1 AsylG 2005 - abgesehen vom im letzten Halbsatz des § 8 Abs. 1 AsylG 2005 nunmehr enthaltenen zusätzlichen Verweis auf eine eventuelle ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes als weitere mögliche Bedingung für eine Gewährung subsidiären Schutzes - lässt sich die bisherige Rechtsprechung des VwGH zu § 8 AsylG 1997 iVm § 57 Abs. 1 FrG auch auf die neue Rechtslage anwenden.

Gemäß Art. 2 EMRK wird das Recht jedes Menschen auf das Leben gesetzlich geschützt. Abgesehen von der Vollstreckung eines Todesurteils, das von einem Gericht im Falle eines durch Gesetz mit der Todesstrafe bedrohten Verbrechens ausgesprochen worden ist, darf eine absichtliche Tötung nicht vorgenommen werden. Letzteres wurde wiederum durch die Protokolle Nr. 6 bzw. 13 zur Abschaffung der Todesstrafe hinfällig. Gemäß Art. 3 EMRK darf niemand Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen werden.

Der Fremde hat das Bestehen einer aktuellen, also im Fall seiner Abschiebung in den von seinem Antrag erfassten Staat, dort gegebenen, durch staatliche Stellen zumindest gebilligten oder infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt nicht abwendbaren und in den Schutzbereich der Art. 2 und 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder 13 zur EMRK fallenden Bedrohung glaubhaft zu machen, wobei diese aktuelle Bedrohungssituation mittels konkreter, die Person des Fremden betreffender, durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauerter, Angaben darzutun ist (vgl. VwGH 2.8.2000, 98/21/0461; zu § 57 FrG 1997 auch 25.1.2001, 2001/20/0011).

Unter realer Gefahr ist eine ausreichend reale, nicht nur auf Spekulationen gegründete Gefahr ("a sufficiently real risk") möglicher Konsequenzen für den Betroffenen im Zielstaat zu verstehen (vgl. etwa VwGH 19.2.2004, 99/20/0573). Es müssen stichhaltige Gründe für die Annahme sprechen, dass eine Person dem realen Risiko einer unmenschlichen Behandlung ausgesetzt wäre und konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass gerade für die betroffene Person eine derartige Gefahr bestehen würde. Die bloße Möglichkeit der Verwirklichung eines realen Risikos oder Vermutungen, dass der Betroffene ein solches Schicksal erleiden könnte, reichen nicht aus. Nach der Judikatur des VwGH erfordert die Beurteilung des Vorliegens eines tatsächlichen Risikos eine ganzheitliche Bewertung der Gefahr, gemessen an dem für die Zulässigkeit aufenthaltsbeendender Maßnahmen unter dem Gesichtspunkt des Art. 3 EMRK auch sonst gültigen Maßstab des "real risk", wobei sich die Gefahrenprognose auf die persönliche Situation des Betroffenen in Relation zur allgemeinen Menschenrechtslage im Zielstaat zu beziehen hat (vgl. 31.5.2005, 2005/20/0095; 31.3.2005, 2002/20/0582).

Es finden sich keine Anhaltspunkte dafür, dass der Beschwerdeführer bei einer Rückkehr in sein Heimatland mit der in diesem Zusammenhang maßgeblichen Wahrscheinlichkeit einer Gefährdungssituation iSd § 8 Abs. 1 AsylG ausgesetzt wäre. Wie festgestellt, trifft ihn in Somalia keine unmittelbare und konkrete, aktuelle, individuelle und schützenswerte Bedrohung. Zudem besteht keine Gefahr für Leib und Leben in einem Maße, welches eine Abschiebung im Lichte des Art. 3 EMRK als unzulässig erscheinen lassen würde. Weiters fehlt es Abgeschobenen im vorliegenden Herkunftsstaat Somalia nicht an der notdürftigsten Lebensgrundlage. Weder aus den Angaben des Beschwerdeführers zu den Gründen, die für seine Ausreise maßgeblich gewesen sein sollen, noch aus den Ergebnissen des Ermittlungsverfahrens ist im konkreten Fall ersichtlich, dass jene, nach der Judikatur des EGMR geforderte Exzeptionalität der Umstände vorliegen würde, welche die Außerlandesschaffung eines Fremden im Hinblick auf außerhalb staatlicher Verantwortlichkeit liegender Gegebenheiten im Zielstaat als im Widerspruch zu Art. 3 EMRK erscheinen lassen (VwGH 21.8.2001, www.ris.bka.gv.at Seite 51 von 55 Bundesverwaltungsgericht 06.08.2014

2000/01/0443). Im zitierten Erkenntnis des VwGH wird die maßgebliche Judikatur des EGMR dargestellt. Vor dem Hintergrund dieser Rechtsprechung kommt es unter dem hier interessierenden Aspekt darauf an, ob eine Abschiebung die betreffende Person in eine unmenschliche Lage versetzen würde. Solche Umstände sind im Verfahren nicht hervorgekommen. Im konkreten Fall - bei der beschwerdeführenden Partei handelt es sich um einen gesunden, jungen Mann - kann der notwendige Lebensunterhalt mit anzunehmender Sicherheit in der Heimat durch die Aufnahme einer entsprechenden Erwerbstätigkeit bestritten werden. Überdies steht eine innerstaatliche Fluchtalternative offen. Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides war daher ebenfalls zu bestätigen.

Zu B)

Zu Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheides (Ausweisungsentscheidung):

Gemäß § 10 Abs. 1 AsylG ist eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz mit einer Rückkehrentscheidung oder einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn

1. der Antrag auf internationalen Schutz gemäß §§ 4 oder 4a zurückgewiesen wird,

2. der Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 5 zurückgewiesen wird,

3. der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird,

4. einem Fremden der Status des Asylberechtigten aberkannt wird, ohne dass es zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten kommt oder

5. einem Fremden der Status des subsidiär Schutzberechtigten aberkannt wird und in den Fällen der Z 1 und 3 bis 5 von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 nicht erteilt wird sowie in den Fällen der Z 1 bis 5 kein Fall der §§ 8 Abs. 3a oder 9 Abs. 2 vorliegt.

§ 75 Abs. 20 AsylG normiert, dass, wenn das Bundesverwaltungsgericht in den Fällen des Abs. 18 und 19 in Bezug auf Anträge auf internationalen Schutz

1. den abweisenden Bescheid des Bundesasylamtes,

2. jeden weiteren einer abweisenden Entscheidung folgenden zurückweisenden Bescheid gemäß § 68 Abs. 1 AVG des Bundesasylamtes,

3. den zurückweisenden Bescheid gemäß § 4 des Bundesasylamtes,

4. jeden weiteren einer zurückweisenden Entscheidung gemäß § 4 folgenden zurückweisenden Bescheid gemäß § 68 Abs. 1 AVG des Bundesasylamtes,

5. den Bescheid des Bundesasylamtes, mit dem der Status des Asylberechtigten gemäß § 7 aberkannt wird, ohne dass es zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten kommt, oder

6. den Bescheid des Bundesasylamtes, mit dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 9 aberkannt wird, bestätigt, so hat das Bundesverwaltungsgericht in jedem Verfahren zu entscheiden, ob in diesem Verfahren die Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig ist oder das Verfahren zur Prüfung der Zulässigkeit einer Rückkehrentscheidung an das Bundesamt zurückverwiesen wird. Wird das Verfahren zurückverwiesen, so sind die Abwägungen des Bundesverwaltungsgerichtes hinsichtlich des Nichtvorliegens der dauerhaften Unzulässigkeit der Rückkehrentscheidung für das Bundesamt nicht bindend. In den Fällen der Z 5 und 6 darf kein Fall der §§ 8 Abs. 3a oder 9 Abs. 2 vorliegen.

§ 9 Abs. 1 bis 3 BFA-VG lautet:

www.ris.bka.gv.at Seite 52 von 55 Bundesverwaltungsgericht 06.08.2014

"(1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:

1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,

2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,

3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,

4. der Grad der Integration,

5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,

6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,

7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,

8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,

9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

(3) Über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§§ 45 und 48 oder §§ 51 ff Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz [NAG], BGBl. I 100/2005) verfügen, unzulässig wäre."

Gemäß § 52 Abs. 2 FPG hat das Bundesamt gegen einen Drittstaatsangehörigen unter einem (§ 10 AsylG) mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn

1. dessen Antrag auf internationalen Schutz wegen Drittstaatsicherheit zurückgewiesen wird,

2. dessen Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird,

3. ihm der Status des Asylberechtigten aberkannt wird, ohne dass es zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten kommt oder

4. ihm der Status des subsidiär Schutzberechtigten aberkannt wird und kein Fall der §§ 8 Abs. 3a oder 9 Abs. 2 AsylG 2005 vorliegt und ihm kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zukommt. Dies gilt nicht für begünstigte Drittstaatsangehörige.

Nach § 52 Abs. 9 FPG hat das Bundesamt mit einer Rückkehrentscheidung gleichzeitig festzustellen, dass eine Abschiebung eines Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist, es sei denn, dass dies aus vom Drittstaatsangehörigen zu vertretenden Gründen nicht möglich sei.

www.ris.bka.gv.at Seite 53 von 55 Bundesverwaltungsgericht 06.08.2014

Gemäß § 46 Abs. 1 FPG sind Fremde, gegen die eine Rückkehrentscheidung, eine Anordnung zur Außerlandesbringung, eine Ausweisung oder ein Aufenthaltsverbot durchsetzbar ist, von den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes im Auftrag des Bundesamtes zur Ausreise zu verhalten (Abschiebung), wenn

1. die Überwachung ihrer Ausreise aus Gründen der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit notwendig scheint,

2. sie ihrer Verpflichtung zur Ausreise nicht zeitgerecht nachgekommen sind,

3. auf Grund bestimmter Tatsachen zu befürchten ist, sie würden ihrer Ausreiseverpflichtung nicht nachkommen, oder

4. sie einem Einreiseverbot oder Aufenthaltsverbot zuwider in das Bundesgebiet zurückgekehrt sind.

Zur Integration des Antragstellers in Österreich ist Folgendes auszuführen:

Es wird nicht verkannt, dass die Partei durchaus Integrationsbemühungen zeigte. Zum Beweis dafür brachte sie diverse, unter Punkt I. dargestellte, Dokumente in Vorlage. Der Beschwerdeführer war etwa überaus interessiert am Erlernen der Deutschen Sprache sowie daran, sich sozial in Österreich zu integrieren (Absolvierung eines Erste-Hilfe-Kurses, Teilnahme als Statist an einer Oper, Teilnahme am Stadtlauf XXXX).

Demgegenüber ist jedoch auch auf die Dauer seines Aufenthaltes im Bundesgebiet näher einzugehen:

Der Antragsteller befindet sich seit knapp zweieinhalb Jahren in Österreich (die Einbringung des Asylantrages erfolgte am 17.4.2012), wobei der Aufenthalt nur ein vorläufig berechtigter war. Gemessen an der Judikatur des EGMR und der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechtes ist dieser Zeitraum als kein ausreichend langer zu qualifizieren. Aus der Rechtsprechung des VwGH ergibt sich, dass etwa ab einem zehnjährigen Aufenthalt im Bundesgebiet im Regelfall die privaten Interessen am Verbleib im Bundesgebiet die öffentlichen Interessen überwiegen können (9.5.2003, 2002/18/0293). Gleiches gilt für einen siebenjährigen Aufenthalt, wenn eine berufliche und soziale Verfestigung vorliegt (5.7.2005, 2004/21/0124). In seinem Erkenntnis vom 20.12.2012 zu 2011/23/0341 sprach der VwGH zudem aus, dass ein Zeitraum von knapp sechs Jahren und zehn Monaten keine "außerordentlich lange" Aufenthaltsdauer darstellt, wobei der Beschwerdeführer in diesem Fall jedoch keine konkreten integrationsbegründenden Umstände aufzeigte. Auch der VfGH geht davon aus, dass beispielsweise erst während eines neun Jahre andauernden Asylverfahrens eine gelungene Integration der beschwerdeführenden Partei eingetreten ist (10.3.2011, B 1565/10 ua.). Nach ständiger Rechtsprechung des VwGH muss ein Fremder (spätestens) nach der erstinstanzlichen Abweisung seines Asylantrages (dies erfolgte im vorliegenden Fall mit Bescheid vom 1.2.2013) - auch wenn er subjektiv berechtigte Hoffnung auf ein positives Verfahrensende haben sollte - im Hinblick auf die negative behördliche Beurteilung des Antrages von einem nicht gesicherten Aufenthalt ausgehen (vgl. 20.12.2012, 2011/23/0341; 12.9.2012, 2011/23/0201; 29.2.2012, 2010/21/0233).

Wie festgestellt, verfügt die beschwerdeführende Partei zudem über keine familiären Anknüpfungspunkte in Österreich. Ihre Familienangehörigen leben nach wie vor in Somalia, im Bundesgebiet aufhältige Verwandte hat sie nicht.

Das erkennende Gericht geht davon aus, dass aus all den genannten Erwägungen im hier zu beurteilenden Fall (noch) keine hinreichende Verankerung des Beschwerdeführers im Inland eingetreten ist, obwohl positiv zu berücksichtigen ist, dass er sehr wohl Integrationsbemühungen zeigte. Eine Aufenthaltsdauer von knapp zweieinhalb Jahren ist jedoch nach ständiger höchstgerichtlicher Judikatur kein ausreichend langer Zeitraum, um einen hohen Integrationsgrad in gesellschaftlicher, sozialer, privater und beruflicher Hinsicht zu erreichen.

Insgesamt ist festzuhalten, dass das öffentliche Interesse an der Aufrechterhaltung eines geordneten Fremdenwesens im Vergleich zum privaten Interesse der Partei am Verbleib im Bundesgebiet überwiegt und im vorliegenden Fall kein schützenswertes Privatleben iSd Art. 8 EMRK vorliegt. Mit einer Ausweisung in den Herkunftsstaat wird das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht der beschwerdeführenden Partei auf Achtung ihres Privat- und Familienlebens nach Art. 8 EMRK nicht verletzt.

Da somit kein Fall einer drohenden Verletzung des Privat- und Familienlebens aus einem der in § 9 Abs. 2 iVm Abs. 3 BFA-VG genannten berücksichtigungswürdigen Gründe erkannt werden kann und daher kein Ausspruch gemäß § 75 Abs. 20 Z 1 AsylG im Sinne eines Ausspruches der dauernden Unzulässigkeit der Rückkehrentscheidung zu treffen war, ist dieses Verfahren hinsichtlich des Spruchpunktes III. des angefochtenen

www.ris.bka.gv.at Seite 54 von 55 Bundesverwaltungsgericht 06.08.2014

Bescheides (Ausweisungsentscheidung) zur Prüfung der Zulässigkeit einer Rückkehrentscheidung an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückzuverweisen.

Zu C)

Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen. Nach Art. 133 Abs. 4 Satz 1 B-VG idF BGBl. I 51/2012 ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wurde.

Im vorliegenden Fall ist die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung abhängt. Die Entscheidung beruht allein auf der Bewertung der der Individualtatbestandsfrage zugrunde gelegten Glaubhaftigkeit des Vorbringens.

Hinsichtlich der Einordnung des Sachverhaltes konnte sich das Bundesverwaltungsgericht auf eine ständige Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen zu den einzelnen Spruchpunkten des angefochtenen Bescheides wiedergegeben.

European Case Law Identifier ECLI:AT:BVWG:2014:W105.1433116.1.00

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