Allgemeines

Sanierung Hallwilersee – Wasser Gewässer 20 Jahre Seebelüftung Boden Luft Lärm Abfall Altlasten Stoffe

Gesundheit Ressourcen Raum Landschaft Natur Nachhaltig- keit

Sondernummer 24 Dezember 2007 UMWELT Umwelt- bildung IMPRESSUM

Sondernummer «Sanierung Hallwilersee – 20 Jahre Seebelüftung» aus der Reihe UMWELT AARGAU

Autoren Baltzer Philippe Bürgi Hansruedi Falconi-Bürgi Isabelle Gächter René Herzog Peter Joller Thomas Lovas Robert Märki Martin McGinnis Dan Moosmann Lorenz Müller Beat Müller Rudolf Nüesch Irina Schmid Marcel Stöckli Arno Stucki Thomas Suter Bruno Suter Kurt Wüest Alfred Ziltener Christoph Zimmermann Fritz

Redaktion und Produktion Dr. Stefan Binder Abteilung für Umwelt Buchenhof, 5001 Aarau Tel. 062 835 33 60 Fax 062 835 33 69 e-mail: [email protected]

Titelbild Reto Stadler; Winterstimmung am Hallwilersee

Nachdruck Mit Quellenangabe erwünscht. Belegexemplar bitte an die Abteilung für Umwelt schicken.

Papier Gedruckt auf hochwertigem Recyclingpapier.

Umweltinformation

Sondernummer 24 Dezember 2007 UMWELT AARGAU Vorwort: Erfolgreiche Sanierung des Hallwilersees

Der Hallwilersee in seiner Umgebung wir dieses Ziel erreicht haben? Wie Einzugsgebiet zu verringern. Wir alle ist ein landschaftliches Aushängeschild. arbeiten die Kantone Aargau und Lu- können dazu Mitverantwortung über- Er trägt als wertvoller Erholungs- und zern als Seeanlieger zusammen? Wel- nehmen: Naturraum wesentlich zur Wohnquali- che Rolle spielt die mysteriöse Bur-  Die Gemeinden und Abwasserver- tät in einer dicht besiedelten und in- gunderblutalge, welche den See in bände, die sich zur zeitgerechten dustrialisierten Region bei. den letzten Jahren im Frühjahr blut- Werterhaltung und Verbesserung Leider ist der Hallwilersee auch ein rot färbt? Wie hängt die Zahl der ge- der Abwasseranlagen verpflichten. Dauerpatient. Er wurde, wie der nahe fangenen Fische vom Zustand des  Die Stimmbürgerinnen und Stimm- Baldeggersee und der Sempacher- Sees ab? bürger, welche über die dazu not- see, jahrzehntelang mit zu viel Nähr- Die Abteilung für Umwelt des Kan- wendigen Ausgaben entscheiden. stoffen belastet. Darum ist ihm in der tons Aargau hat im Jahr 2006 mit ver-  Die Landwirtschaft, die mithilfe von Tiefe die Luft ausgegangen. 20 Jahre schiedenen Anlässen direkt vor Ort Bundesgeldern die Betriebsstruktur ist es nun her, dass der Kanton Aar- über den Stand der Seesanierung in- umstellen kann, um die Abschwem- gau zusammen mit dem Kanton Lu- formiert und Antworten auf obige mung von Phosphor in den See zu zern mit der Seebelüftung eine wich- und andere Fragen gegeben. Dazu vermindern. tige Massnahme zur Sanierung des haben wir einen 20-minütigen Doku- Zu ihrer Verantwortung stehen auch Sees begonnen hat. Er betreibt sie mentarfilm «Euse See» produziert1. weiterhin die Kantone Aargau und Lu- auch heute noch. Für alle, die noch mehr zu den Grund- zern. Sie setzen in den entsprechenden Soll man ein solches «Jubiläum» über- lagen der Seeökologie und der See- Fachstellen ihre Arbeit konsequent haupt erwähnen? Schliesslich kämen sanierung wissen möchten, ist die fort und stimmen sie über die Kan- wir ja gerne ohne die Belüftung aus. vorliegende Sondernummer «Umwelt tonsgrenzen hinaus miteinander ab. Immerhin, wir haben Erfolge vorzu- Aargau» gedacht. Abschliessend bedanken wir uns bei weisen: Der Phosphorgehalt im See- Sie umfasst alle Aspekte der Seesa- allen Autorinnen und Autoren für die wasser ist mittlerweile von rund 250 nierung, beginnend mit der Wirkung fachlich fundierten, gleichzeitig aber Milligramm Phosphor pro Kubikme- des Düngers Phosphor und den durch auch verständlichen und anschauli- ter Wasser auf weniger als 40 Milli- uns Menschen steuerbaren Einfluss- chen Darstellungen. Die vorliegende gramm zurückgegangen. Der Zielwert grössen Abwasser und Landwirtschaft. Sondernummer ist vielseitig einsetz- von 30 Milligramm ist nicht mehr weit Dabei wird ein Bogen gespannt von bar, beispielsweise auch als Unter- entfernt. Diese enorme Verbesserung neuen wissenschaftlichen Erkenntnis- richtsmittel in der Schule. Uns ist es relativiert auch die vorhin angespro- sen über das Funktionieren des Öko- wichtig, gerade bei Schülerinnen und chene lange Zeitdauer der Sanierung, systems Hallwilersee bis hin zu prak- Schülern die Freude an einer intakten denn die über Jahre aufgebauten Be- tischen Umsetzungen von Sanierungs- und attraktiven Umwelt zu wecken lastungen im komplexen System des massnahmen. Die Beiträge am Schluss und zu erhalten. Hallwilersees lassen sich nicht ein- belegen die berechtigte Hoffnung, Der Hallwilersee soll auch für künfti- fach innert Jahresfrist abbauen. dass der Hallwilersee bald wieder ge- ge Generationen ökologisch vielseitig Aber es bleiben berechtigte Fragen. sund ist. Es ist aber auch klar erkenn- sein und eine vielfältige Nutzung er- Wann wird das Ökosystem See wie- bar, dass dies nur so bleiben wird, möglichen. der ohne fremde Hilfe funktionieren? wenn es gelingt, den Nährstoffeintrag Wie erkennen wir überhaupt, dass dauerhaft, nachhaltig und im ganzen Philippe Baltzer Thomas Joller

1 «Euse See» kann als DVD zum Preis von Fr. 30.– bei AHORN print&film, Seehäusernstrasse 23, 6208 Oberkirch (Tel. 041 921 14 36 oder E-Mail: [email protected]), bestellt werden.

UMWELT AARGAU Sondernummer 24 Dezember 2007 1 Inhaltsverzeichnis

Vorwort: Erfolgreiche Sanierung des Hallwilersees 1 Dr. Philippe Baltzer, Abteilung für Umwelt Dr. Thomas Joller, Umwelt und Energie (uwe), Postfach 3439, 6002 Luzern

Die Überdüngung des Hallwilersees – eine Krankheitsgeschichte 4 Marcel Schmid, Walthersburgstrasse 8, 5000 Aarau Dr. Arno Stöckli, Abteilung für Umwelt

Abwassersanierung rund um den Hallwilersee 8 Kurt Suter, Abteilung für Umwelt Peter Herzog, Pilatusstrasse 4, 6033 Buchrain

Blasenschleier belüften den See 10 Dr. Arno Stöckli, Abteilung für Umwelt

Sauerstoffanreicherung – neue Technik spart Kosten 13 Bruno Suter, Messer Schweiz AG, Seonerstrasse 75, 5600 Lenzburg

Phosphorverluste aus überdüngten Böden 15 Dr. Beat Müller und Dr. René Gächter, Eawag, Seestrasse 79, 6047 Kastanienbaum

Massnahmen der Aargauer Landwirtschaft 17 Christoph Ziltener, Fachstellen Landwirtschaft Liebegg, Ressourcenschutz

Phosphorprojekte an den Luzerner Mittellandseen 19 Isabelle Falconi-Bürgi, Dienststelle Landwirtschaft und Wald (lawa), Postfach, 6210 Sursee

Sanierungsmassnahmen verbessern die Wasserqualität 21 Dr. Arno Stöckli und Martin Märki, Abteilung für Umwelt

Der See lädt zum Baden 25 Dr. Irina Nüesch, Amt für Verbraucherschutz

Burgunderblutalgen – ein Zeichen, dass es dem See besser geht 27 Dr. Hansruedi Bürgi, Eawag, Seestrasse 79, 6047 Kastanienbaum Dr. Arno Stöckli, Abteilung für Umwelt

Wirkung der Belüftung auf den Sauerstoffhaushalt des Sees 30 Lorenz Moosmann und Dr. Dan McGinnis, Eawag, Seestrasse 79, 6047 Kastanienbaum

2 Sondernummer 24 Dezember 2007 UMWELT AARGAU Seesedimente, eine «Altlast» 32 Martin Märki, Abteilung für Umwelt

Würmer beleben den Seegrund neu 34 Fritz Zimmermann, Abteilung für Umwelt

Fische und Krebse im Hallwilersee 37 Dr. Thomas Stucki, Abteilung Wald

Warum können sich die Felchen noch nicht natürlich vermehren? 40 Dr. Rudolf Müller, Eawag, Seestrasse 79, 6047 Kastanienbaum

Die Phosphorbelastung des Hallwilersees nimmt ab 43 Dr. Arno Stöckli, Abteilung für Umwelt Robert Lovas, Umwelt und Energie (uwe), Postfach 3439, 6002 Luzern

Seesanierung erfordert zusätzliche Massnahmen 47 Dr. René Gächter und Dr. Beat Müller, Eawag, Seestrasse 79, 6047 Kastanienbaum

Von der Praxis zur Wissenschaft und zurück – Erfahrungen der Eawag 50 Prof. Dr. Alfred Wüest, Eawag, Seestrasse 79, 6047 Kastanienbaum

Publikationen 53

UMWELT AARGAU Sondernummer 24 Dezember 2007 3 Die Überdüngung des Hallwiler- sees – eine Krankheitsgeschichte

Die Bemühungen um die Gesundung des Hallwilersees Abbau durch Mikroorganismen viel begannen vor über 50 Jahren mit der Reinigung der Ab- Sauerstoff verbraucht. Unter Sauer- wässer. Heute werden auch Nährstoffverluste der Land- stoffmangel in tieferen Wasserschich- wirtschaft als Problem erkannt. Seit 20 Jahren bringt eine ten löst sich aber Phosphor wieder Belüftung wieder genügend Sauerstoff an den Seegrund. aus dem Seesediment und steht teil- Entsprechend verbessert hat sich der Seezustand. weise für erneutes Algenwachstum zur Verfügung. Der See düngt sich Der Hallwilersee ist der einzige grös- mehr Sauerstoff im Wasser vorhan- damit selbst. sere See im Kanton Aargau. Er wurde den. Im Oberflächenwasser hingegen, Bereits 1959 stellte der «Kantonale über Jahrzehnte stark mit Nährstof- wo sich Algen massenhaft vermehr- Wasserbiologe» Ambühl aufgrund von fen, insbesondere Phosphor, belastet ten, wurden Sauerstoffsättigungen bis Zuflussuntersuchungen eine men- und wies alle Anzeichen eines über- zu 250 % beobachtet. Die Belastungs- genmässige Bilanz der Phosphorbe- düngten Sees auf: Massenvermeh- grenze des Hallwilersees war bereits lastung des Hallwilersees auf und rung von Algen, Verfärbung und Trü- erreicht, lange bevor ein Ausbau der wies auf die Bedeutung des Baldeg- bung des Wassers, Mangel an Sauer- Siedlungsgebiete und die Intensivie- gersees für den schlechten Zustand stoff in der Tiefe des Sees, periodi- rung der Landwirtschaft einsetzten. des Hallwilersees hin. Von den damals sche Fischsterben. jährlich 6,5 Tonnen Phosphor, die in den See gelangten, stammte die Hälf- Phosphor te aus dem Baldeggersee. Anzeichen der Überdüngung fördert das Algenwachstum Weitere Faktoren wirkten sich ungüns- vor hundert Jahren Die Ursache für den schlechten Zu- tig auf den Zustand des Hallwilersees Bereits 1898 wurde die erste Algen- stand vieler Schweizer Seen wurde in aus. Eingebettet zwischen Hügelzü- blüte mit Burgunderblutalgen beo- den 1950er-Jahren von Gewässerschutz- gen, hemmt die windgeschützte Lage bachtet. Um 1920 stellten Naturfor- pionieren erkannt. Die Öffentlichkeit des Sees die natürliche Umwälzung scher und Fischereifachleute einen wurde für das Problem der überdüng- des Wassers im Winter. Nur alle 5 bis dramatischen Rückgang des Felchen- ten Seen sensibilisiert. Ein Übermass 10 Jahre gelangte ausreichend Sauer- bestandes fest und beobachteten, dass an Phosphor, der damals vorwiegend stoff bis zum Grund. Hinzu kommt die Wasser vom Seegrund wegen Schwe- durch ungereinigte Abwässer in den langsame Wassererneuerung. Rund felwasserstoff nach faulen Eiern roch. See gelangte, fördert das Algenwachs- vier Jahre verbleibt das Wasser im Die Sauerstoffsättigung des Seewas- tum. Als mikroskopisch kleine Pflan- See. Entsprechend lange können ein- sers verschlechterte sich während zen schweben die Algen im Wasser geschwemmte Nährstoffe wirken. Jahrzehnten laufend. Bis Mitte des und verfärben es je nach Art grünlich letzten Jahrhunderts war unterhalb bis rötlich oder braun. Später sinken von 20 Metern Tiefe im Herbst kaum sie an den Grund des Sees, wo deren Erste Sanierungsmassnahmen bringen nur teilweisen Erfolg Mit der Erkenntnis über die Ursachen Die Sauerstoffverhältnisse im Hallwilersee der Massenentwicklung von Algen im Hallwilersee waren bereits früh erste seeexterne Massnahmen ergriffen worden. Der Bau einer Gabelleitung, welche die Abwässer der aargauischen Seetalgemeinden vom See fernhält, und einer Abwasserreinigungsanlage in brachten ab 1964 einen nur vorübergehenden Erfolg. Ursa- che dafür war der oberhalb liegende Baldeggersee, dessen Zustand noch deutlich schlechter war. Bis Mitte 1970er-Jahre erreichte der Hallwiler- see eine Phosphorkonzentration von Die Sauerstoffverhältnisse im Hallwilersee waren bereits in der ersten Hälfte 250 Milligramm Phosphor pro Kubik- des 20. Jahrhunderts kritisch (historische Grafik). meter Seewasser. Die aargauischen

4 Sondernummer 24 Dezember 2007 UMWELT AARGAU Seetalgemeinden gelangten 1976 da- her mit einer Petition an den Regie- rungsrat des Kantons Aargau. Sie forderten, dass auch im luzernischen Einzugsgebiet des Hallwilersees mit dem Gewässerschutz vorwärtsge- macht werden solle.

Aargau und Luzern handeln gemeinsam Die Aussprache auf höchster Ebene war der Beginn einer intensiven ge- meinsamen Zusammenarbeit zur Sa- nierung des Baldeggersees und des Hallwilersees. Die beiden Kantone Aargau und Luzern erteilten der da- maligen Eidgenössischen Anstalt für Wasserversorgung, Abwasserreinigung und Gewässerschutz (Eawag) den Auf- trag zu einer Studie über Möglichkei- ten zur Sanierung der Mittellandseen. Im Gutachten von 1979 empfahlen die Wissenschafter neben der Reduk- tion der Phosphorbelastung durch Ab- wässer und die Landwirtschaft auch seeinterne Massnahmen zur rasche- ren Gesundung der Seen. Ingenieur- büros aus beiden Kantonen wurden eingeladen, wirtschaftlich brauchbare technische Anlagen zu projektieren:  Belüftung (Luft- oder Sauerstoffein- trag in tiefe Wasserschichten)  Zirkulationshilfe (Umwälzung der Wassermassen)  Tiefenwasserableitung (Entfernung von nährstoffreichem Wasser) Der erste Preis aus zehn eingereich- Algenblüte von Burgunderblutalgen am Hallwilersee 1951 ten Projekten wurde der Arbeitsge- meinschaft Schaffner-Hollenweger- Jungo, Wohlen und Zürich, für das System «Tanytarsus» zugesprochen.

Seeinterne Massnahmen starten Mit finanzieller Beteiligung des Kan- tons Aargau wurde dieses System in einem einjährigen Versuch am luzer- nischen Baldeggersee 1983 erfolg- reich getestet. Der Kanton Luzern be- lüftet seither den Baldeggersee und ab 1984 auch den Sempachersee. Im September 1984 beschloss der Grosse Rat einen Rahmenkredit von 4,5 Millionen Franken für die Sanie- rung des Hallwilersees. Dieser poli- tische Entscheid dokumentierte den Willen des Kantons Aargau, dem Zu viel Phosphor im See führt zu Algenwachstum und Sauerstoffmangel. Hallwilersee mit seeinternen Mass-

UMWELT AARGAU Sondernummer 24 Dezember 2007 5 nahmen zur Gesundung zu verhelfen. Belas tung durch das Abwasser mini- nierungen aus. Durch regelmässige Die Anlagen am Hallwilersee wurden miert. Bis 1992 waren alle luzerni- Information und Beratung wurden die in den Jahren 1985 und 1986 erstellt. schen Siedlungsgebiete an die ARA Landwirte für das Problem der Phos- An den Investitionskosten beteiligte angeschlossen. phorbelastung des Sees sensibilisiert. sich neben den beiden Kantonen auch Mit einer Erhebung über den Gewäs- Seit 2001 erhalten Landwirte für eine der Bund. Die aargauischen Seetalge- serschutz und die Landwirtschaft im besonders gewässerschonende Be- meinden wurden finanziell nicht wei- Einzugsgebiet des aargauischen und wirtschaftung im Rahmen eines inter- ter belastet. luzernischen Einzugsgebiets des Hall- kantonalen Phosphorprojektes finan- wilersees wurden 1985 erste Grund- zielle Unterstützung. lagen erarbeitet für Massnahmen Seeexterne zur Reduktion der Nährstoffbelastung Massnahmen gehen weiter durch die Landwirtschaft. Während Die Seesanierung erweist Der Kanton Luzern nahm 1981 die Ab- im Kanton Luzern die hohen Viehbe- sich als eine Langzeitaufgabe wasserreinigungsanlage Hitzkircher- stände als Problem erkannt wurden, Ursprünglich rechneten die Wissen- tal in Mosen in Betrieb. Mit der che- war im Kanton Aargau vor allem der schafter der Eawag mit rund sechs mischen Fällung des Phosphors und Zustand der Hofdüngeranlagen un- Jahren, bis der Hallwilersee mithilfe der Einleitung des gereinigten Was- genügend. Diese Erkenntnisse lösten der Seebelüftung saniert sein werde. sers in 15 Metern Seetiefe wurde die finanzielle Unterstützung für erste Sa- Nicht nur der Hallwilersee, sondern auch Baldeggersee und Sempacher- Einzugsgebiete Baldegger- und Hallwilersee mit see reagierten trotz genügend Sauer- Siedlungsentwässerung, Abwasserreinigung und Seebelüftungen stoff in der Tiefe aber nur langsam. Die wissenschaftliche Begleitung der Seesanierungsprojekte zeigte, dass

«Krankheitsgeschichte» des Hallwilersees

1898 Massenentwicklung von Burgunderblutalgen 1920 Sauerstoffmangel, Rück- gang der Felchenpopulation 1956 Phosphorbelastung als Ursache für Algenwachstum 1964 Abwasserreinigungsanlage Hallwilersee in Seengen (Gabelleitung) 1976 Petition Aargauer - gemeinden 1979 Gutachten Eawag (seeinterne Massnahmen) 1980 Abwasserreinigungsanlage Hitzkirchertal in Mosen (Phosphorelimination) 1984 1. Rahmenkredit zur See sanierung 1985 Abklärungen Gewässer- schutz in der Landwirtschaft 1985/86 Bau Zirkulationshilfe und Tiefenwasserbelüftung 1996 2. Rahmenkredit zur See sanierung 2001 Phosphorprojekt Landwirtschaft 2003 3. Rahmenkredit Seesanierung

6 Sondernummer 24 Dezember 2007 UMWELT AARGAU Die Phosphorgehalte von Baldegger- und Hallwilersee stellen die Fieberkurve dar 500

400 ) 3

300

200 Phosphorprojekt Art.62a GSchG Gesamtphosphor (mg/m

100 ARA Hitzkirchertal Hitzkirchertal Gabelleitung ARA Seengen nährstoffreich Seebelüftung Sanierungsziel 0 nährstoffarm 1950 1955 1960 1965 1970 1975 1980 1985 1990 1995 2000 2005 2010 2015

Hallwilersee Baldeggersee die Reaktion der Seesedimente auf 1995 wurden daher für eine zweite phorkonzentration bei 34 Milligramm die verbesserten Sauerstoffverhältnis- Sanierungsetappe weitere 2,4 Milli- pro Kubikmeter. Das Phosphorziel im se des Wassers nicht mit der erhoff- onen Franken und 2003 nochmals See ist in absehbarer Zeit erreichbar. ten verminderten Rücklösung von 2,7 Millionen Franken für die bis 2010 Phosphor verbunden war. Dennoch laufende dritte Etappe bewilligt. wurde der für das Ökosystem See Marcel Schmid gewonnene sauerstoffreiche Lebens- Arno Stöckli raum als wertvoll für den Gesun- Sanierungsziele sind erreichbar dungsprozess erkannt. «Der Hallwilersee soll langfristig seine natürliche Regenerationsfähigkeit wie- Ein gesunder See braucht ein ge- der erlangen», definierte der Regie- sundes Einzugsgebiet. Für den Pioniere im schweizerischen Ge- rungsrat des Kantons Aargau 1993. Hallwilersee wurden gemäss die- wässerschutz haben sich für die Als umfassender Indikator für die Ge- ser Erkenntnis 1996 folgende Teil- Sanierung Hallwilersee eingesetzt: sundung des Sees soll die Wieder- ziele definiert.  herstellung der natürlichen Fortpflan- Prof. Dr. Otto Jaag (Direktor Ziele im Einzugsgebiet: zung aller Fischarten gelten, insbe- der Eawag 1952–1970)  naturnahe Bäche und Seeufer sondere der Felchen. Für Phosphor  Dr. h.c. Friedrich Baldinger  gewässerbezogene Siedlungs- bedingt das angestrebte Sanierungs- (Vor steher Gewässerschutzamt entwässerung ziel eine Reduktion der Belastung auf Aargau 1947–1964,  gewässerverträgliche Landwirt- weniger als 3 Tonnen pro Jahr. Da- dann Direktor des Eidg. Amtes schaft durch wird im Hallwilersee eine mitt- für Gewässerschutz) lere Phosphorkonzentration von we- Ziele im See:  Dr. Erwin Märki niger als 20–30 Milligramm pro Ku-  mässige Algenproduktion (Vorsteher Gewässerschutzamt bikmeter erreicht. Dies führt zu einer  Sauerstoff im Seewasser Aargau 1965–1982) höchstens mässigen Algenproduktion. natür licherweise mindestens  Prof. Dr. Heinz Ambühl Die neuere Entwicklung des Phos- 4 Milligramm pro Liter (Kantonaler Wasserbiologe phorgehaltes des Hallwilersees zeigt,  Besiedlung des Sediments 1956–1960, dann Eawag/ETH dass sich die langjährigen Anstren- durch sauerstoffbedürftige bis 1994) gungen zur Gesundung des Hallwi- Wasserorganismen (Würmer) lersees lohnen. 2006 lag die Phos-

UMWELT AARGAU Sondernummer 24 Dezember 2007 7 Abwassersanierung rund um den Hallwilersee

Bereits im Jahr 1949 fanden öffentliche Versammlungen vom 22. September 1954 über die unter dem Motto «Rettet den Hallwilersee» statt. Die Idee, Idee des Gewässerschutzamtes stell- mit einer Gabelleitung die Abwässer vom See fernzuhalten te die Aargauische Baudirektion den und unterhalb des Sees zu reinigen, ist auch aus heutiger Gemeinden Mitte 1955 einen Bericht Sicht erstklassig. Die hohen Belastungen des Baldegger- zu, aus dem der folgende Auszug sees zwangen auch den Kanton Luzern, Massnahmen zu stammt. ergreifen. «Ein besonderer Schatz der aargau- Rettet den Hallwilersee Die Gabelleitung – ischen Landschaft bedeutet der Hall- Die Folgen der Nährstoffeinträge wa- eine erstklassige Idee wilersee. Er ist von schlichter Schön- ren immer offensichtlicher gewor- Einige Gemeinden hatten bereits Ge- heit» (Charles Tschopp in «Überblick den. Der Wille unter der Bevölkerung nerelle Kanalisationsprojekte (GKP) über Landschaft und Siedlung des wuchs, etwas dagegen zu unterneh- erstellt. Die Kanalisationen sollten zu- Aargaus»). men. Im Jahr 1949 fanden in den Ge- sammengefasst und an gemeindeei- Man hat das aargauische Seetal schon meinden und Beinwil am gene Kläranlagen angeschlossen wer- die Visitenstube unseres Kantons ge- See öffentliche Versammlungen unter den. Das gereinigte Abwasser wäre nannt. Es ist die Heimat eines Teils dem Motto «Rettet den Hallwilersee» in den See eingeleitet worden. Die unserer Mitbürger. Viele Schweizer statt. Am 22. September 1954 orien- Gemeindeversammlungen von drei und Ausländer finden Freude und Er- tierte das Gewässerschutzamt die See- Gemeinden hatten schon grundsätz- holung in dieser lieblichen Seeland- ufergemeinden über die Idee einer liche Beschlüsse für solche Kläran- schaft. Schöne Strassen, ruhige Aus- regionalen Abwassersanierung. lagen gefasst. Nach der Orientierung sichtspunkte und ein durchgehender

Übersicht Abwasserregion Hallwilersee

M = 1:50'000

Übersichtsplan mit der Gabelleitung aus den Statuten des Abwasserverbandes Hallwilersee (1959)

8 Sondernummer 24 Dezember 2007 UMWELT AARGAU Seeuferweg ermöglichen es, die Schön- ter und Ingenieure betrachtete, nach- 1964 statt. Seit 1964 sind noch die Ge- heit der Talschaft zu geniessen. Re- dem die Güterregulierung vorüber meinden Leutwil, Hallwil und ein Dorf- nommierte Gast stätten laden zum Ver- sei. Im aargauischen Seetal wurde ri- teil von Dürrenäsch zum Abwasser- weilen. Ein ruhiger Wassersport – Ba- goros gefordert, dass auch die Luzer- verband gestossen. den, Segeln und Fischen – trägt bei ner aktiv werden. Im «Seetaler» war zur Gesundung von Leib und Seele im Herbst 1959 zu lesen: der von der Unrast der Zeit gehetzten Massnahmen im Kanton Luzern Menschen. Dem ungeschmälerten Ge- «Es hat nun tatsächlich keinen Sinn, Die hohen Belastungen des Baldeg- niessen und Nutzen des Sees droht den Hallwilersee zu sanieren, solange gersees mit seinen unschönen Fol- aber eine grosse Gefahr. Der Silber- im Kanton Luzern noch kein Finger gen zwangen auch den Kanton Lu- blick des Sees ist zeitweilig getrübt…» gerührt wird zur Gesundheit des Bal- zern, Massnahmen zu ergreifen. 1967 deggersees. Erst wenn man Gewiss- wurde in Hochdorf die erste Kläran- Für die Missstände wurden die häus- heit hat, dass an der Quelle der Ver- lage in der Region in Betrieb genom- lichen und industriellen Abwässer schmutzung der beiden Seen etwas men. Da bekannt war, dass die Kon- sowie die landwirtschaftliche Boden- geschieht, kann man im Aargau ernst- zentration an Phosphor entscheidend nutzung verantwortlich gemacht. Als lich an die Ausführung dieses Milli- für die Düngung eines Sees ist, wur- Massnahmen wurden vom Gewäs- onenprojekts denken.» de als Pioniertat in Zusammenarbeit serschutzamt rechts und links des mit der Eawag die erste Filtrationsan- Sees je eine Sammelleitung vorge- lage der Schweiz 1979 auf der ARA schlagen, die zu einer regionalen Zweckverband und Realisierung Hochdorf in Betrieb genommen. Da- Abwasserreinigungsanlage unterhalb Nach langen und zähen Verhandlun- mit konnte der Phosphorausstoss der des Sees – mit Ableitung in den Aa- gen des Gewässerschutzamtes mit Kläranlage nochmals deutlich ge- bach – führen. Diese Idee fand in der den Vertretern der Gemeinden konn- senkt werden. Die Abwässer des Hitz- Fachwelt grosse Anerkennung. ten den Stimmbürgern der Seetalge- kirchertales werden in Mosen zusam- meinden , , Bo- mengeführt und seit Inbetriebnahme niswil, Fahrwangen, Meisterschwan- der Kläranlage Moosmatten 1980 so Futter für den und Seengen am 10. November weit gereinigt, dass der Hallwilersee Geometer und Ingenieure 1959 die Statuten zur Gründung des kaum mehr mit Phosphor aus den In der Öffentlichkeit stiess das Projekt Abwasserverbandes Hallwilersee und Siedlungsabwässern gedüngt wird. dagegen zuerst auf heftigen Wider- ein Gesamtprojekt mit einer Brutto- stand. Im Protokoll einer Gemeinde- bausumme von 3,1 Millionen Franken versammlung ist zu lesen, dass ein zur Genehmigung unterbreitet wer- Heutige Sicht Mit bürger, seines Zeichens Pferde- den. Der Kredit wurde in allen Gemein- Die Gabelleitung mit regionaler Ab- händler, das vorliegende Projekt als den bewilligt. Die Realisierung fand wasserreinigungsanlage ist auch aus willkommenes Futter für die Geome- hauptsächlich in den Jahren 1961 bis heutiger Sicht eine erstklassige Idee zum Schutz des Sees. Damit wird der See lediglich bei Regenwetter mit Abwasser der Anliegergemeinden des Hallwilersees belastet. Die Abwasser- sammlungs- und Abwasserreinigungs- anlagen beider Kantone im Einzugs- gebiet des Hallwilersees sind auf dem neusten technischen Stand und bie- ten Gewähr für den grösstmöglichen Schutz des Sees. Die Anlagen werden ihre Funktion auch zukünftig erfüllen können, sofern sie stets unterhalten und zeitgemäss erneuert werden.

Kurt Suter Peter Herzog

Die Abwasserreinigungsanlage in Seengen, eingebettet in die schöne Hallwilerseelandschaft

UMWELT AARGAU Sondernummer 24 Dezember 2007 9 Blasenschleier belüften den See

Anlagen zur Zirkulationshilfe gend Sauerstoff einzutragen. Im Win- Etappenweiser Start im Winter und Belüftung des ter wird hingegen Druckluft verwen- am Hallwilersee Tiefenwassers im Sommer det, um auf klassische Art und Weise Beim Hallwilersee wurde im Herbst liefern dem Hallwilersee seit die Schichtung des Wassers zu zer- 1985 zuerst die Zirkulationshilfe reali- 20 Jahren genügend Sauer- stören. Die groben Blasen transpor- siert. Im Seezopf bei Meisterschwan- stoff. Die dazu verwendeten tieren dabei sauerstoffarmes Wasser den wurde angrenzend an einen Blasenschleier sind effizient vom Seegrund an die Oberfläche. Dort Bootslagerplatz und ein Abwasser- und kostengünstig. nimmt das Wasser Sauerstoff aus der pumpwerk das Betriebsgebäude für Atmosphäre auf und verteilt sich im die Kompressoren und die Verteilan- Auf Vorschlag der Wissenschafter der ganzen See. lagen erstellt. Sechs Leitungen am Eawag wurden in Baldegger-, Sem- pacher- und Hallwilersee Einrichtun- gen zur Belüftung des Tiefenwassers erstellt. Die Seebelüftung sollte den sauerstoffarmen Zustand am See- grund beheben. Zum einen galt es den Lebensraum für Fische und Klein- tiere wieder herzustellen. Anderer- seits wollte man die Rücklösung von Phosphor aus den Sedimenten stop- pen und so die Gesundung der Seen beschleunigen.

Blasenschleier aus reinem Sauerstoff belüften den See Das technisch neuartige System «Ta- nytarsus», welches im Ingenieurwett- bewerb 1981 den ersten Preis erhielt, verwendet feine Blasen aus reinem Sauerstoff. Diese werden am See- Im Seezopf bei befinden sich das Betriebsgebäude der grund mittels Diffusoren erzeugt, stei- Seebelüftung, ein Lagertank für flüssigen Sauerstoff und die Kaltvergaser- gen frei im Wasser auf und lösen sich anlage, um den flüssigen Sauerstoff zu verdampfen. vollständig, noch bevor sie die wärme- ren Wasserschichten erreichen. Das System hat den Vorteil, dass in den grossen Seen relativ kleine bauliche Anlagen erforderlich sind, um genü-

Der Name «Tanytarsus» wurde von der Arbeitsgemeinschaft Schaff- ner-Hollenweger-Jungo, Wohlen und Zürich, für ihr Belüftungssys- tem gewählt, da dieser eine Gat- tung Zuckmückenlarven bezeich- net, welche nur in sauberen, sau- erstoffreichen Seen vorkommen. Die Ingenieure symbolisierten da- mit das Ziel ihres im Ingenieur- Vom Betriebsgebäude am Seeufer führen sechs Leitungen zur Seemitte, wettbewerb von 1981 siegreichen wo sich in 45 Meter Tiefe sechs Diffusoren befinden, die je nach Bedarf Projektes. Druckluft oder Sauerstoff in groben oder feinen Blasen ins Tiefenwasser eintragen.

10 Sondernummer 24 Dezember 2007 UMWELT AARGAU Seegrund führen zur tiefsten Stelle im See. Diese Leitungen sind eine spezielle Konstruktion der Kabelwer- ke Brugg AG aus Kunststoff mit inte- grierten Metallbändern zur Beschwe- rung. Anfang Dezember 1985 wurde erstmals Druckluft über einfache Dü- sen eingeblasen. Diese wurde mit öl- frei arbeitenden Kolbenkompresso- ren der Firma Haug, St. Gallen, er- zeugt. Die Leistung von 600 Normku- bikmeter Druckluft pro Stunde ge- nügt, um Blasenschleier zu erzeugen, welche den See innert vier Wochen vollständig durchmischen. Im April 1986 erreichte der Hallwilersee erst- mals seit Jahrzehnten 100 % Sauer- stoffsättigung bis zum Grund. Jeder der sechs Diffusoren besitzt an den sechs Armen je sieben Filterker- Aus organisatorischen Gründen wur- zen, durch die feine Sauerstoffblasen erzeugt werden. Stabilisatoren de die Belüftung erst im folgenden ermöglichen ein sanftes Absetzen auf dem schlammigen Seegrund. An den Sommer geplant. Beim Betriebsge- Armen befinden sich aussen Düsen zur Erzeugung grober Blasen im Winter. bäude erstellte die Sauerstoffwerke Lenzburg AG einen Sauerstofftank und Verdampfer zur Bereitstellung des reinen Sauerstoffs. Der gasförmi- ge Sauerstoff hat von selbst genü- gend Druck, um in 45 m Tiefe zu ge- langen. Im September 1986 konnten vorerst drei Diffusoren mit reinem Sauerstoff als Test in Betrieb genom- men werden. Der vollständige Betrieb der Belüftungsanlage mit sechs Diffu- soren wurde im folgenden Sommer aufgenommen. Von April bis Oktober wurden in den ersten Jahren je nach Bedarf rund 390 bis 650 Tonnen Sau- erstoff ins Tiefenwasser eingetragen. Messungen an den Blasenschleiern zeigten, dass sich diese in den unters- ten 20 Metern des Sees vollständig auflösten. Das belüftete Tiefenwasser wird von der Seemitte durch die na- Funktionstest eines Diffusors an der Wasseroberfläche nach der jährlichen türlichen Strömungen im Wasser in- Reinigung. Die Wasserfontänen werden durch die groben Blasen der Düsen nert Tagen auf der ganzen Länge des erzeugt. Das getrübte Wasser entsteht durch die feinen Blasen an den Sees verteilt. Filter kerzen.

Die Belüftungsanlage braucht wenig Unterhalt sion. Jeden Frühling werden die Dif- trieb im Sommer braucht keine Um- Zirkulationshilfe und Belüftung be- fusoren im See gehoben und gerei- stellung an den Diffusoren im See. nötigen nur geringen Unterhalt und nigt. Dies geschieht in Zusammenar- Deren Düsen sind mit Überdruckven- Überwachung. Wöchentlich kontrol- beit mit der Schifffahrtsgesellschaft tilen ausgerüstet, die beim grösseren liert der Brunnenmeister der örtlichen Hallwilersee. Dazu steht ein mobiler Gasdurchsatz im Winterbetrieb auto- Gemeinde die Anlage. Im Sommer Kran zur Verfügung, der jeweils am matisch öffnen. lieferte das Sauerstoffwerk zwei- bis Heck des Passagierschiffes «Hallwil» Die auf einen einfachen Betrieb opti- dreimal pro Woche je 10 Tonnen montiert wird. Der Wechsel zwischen mierte Anlage erlaubt der Abteilung flüssigen Sauerstoff. Jährlich brau- grobblasigem Druckluftbetrieb im Win- für Umwelt einen flexiblen Betrieb chen die Kompressoren eine Revi- ter und feinblasigem Sauerstoffbe- der Belüftung. Es kann rasch auf den

UMWELT AARGAU Sondernummer 24 Dezember 2007 11 während des Sommers unterschiedli- Jährlicher Sauerstoffeintrag chen Bedarf des Sees nach Sauerstoff durch die Belüftung seit Betriebsbeginn reagiert werden. Bis 2002 wurde aus 700 Kos tengründen im Frühjahr und im

Herbst zeitweise mit Druckluft statt ) 600 2 mit reinem Sauerstoff belüftet. 500

400 Erneuerung von Kompressoren und Sauerstoffanlage 300 Nach 18 Jahren Betrieb waren die Kompressoren am Ende ihrer Lebens- 200 dauer. Gleichzeitig standen neue Tech- (t 0 Sauerstoffeintrag niken für die Bereitstellung des Sau- 100 erstoffes zur Verfügung. Dies führte 0 2003 zu einer weit gehenden Erneue- 1985 1990 1995 2000 2005 rung der Anlagen im Betriebsge- bäude durch die damalige Sauerstoff- Belüftung mit reinem Sauerstoff werke Lenzburg AG, heute Messer Belüftung mit Luft Schweiz AG (siehe folgenden Artikel). Belüftung mit OnSite Die Erstellung der Belüftungsanlagen am Hallwilersee kostete ursprünglich Bis 2002 wurde neben reinem Sauerstoff zeitweise Druckluft eingetragen. 1,8 Millionen Franken. Der Betrieb Seit 2003 wird der Sauerstoff vorwiegend vor Ort aus der Umgebungsluft der Anlagen benötigte früher je nach angereichert. Bedarf an reinem Sauerstoff zwischen 250’000 und 350’000 Franken im Jahr. Heute sind die Betriebskosten mit der neuen Anlage bei vergleichbarem Sauerstoffeintrag trotz Teuerung um 50’000 Franken günstiger.

Arno Stöckli

12 Sondernummer 24 Dezember 2007 UMWELT AARGAU Sauerstoffanreicherung – neue Technik spart Kosten

Seit 1986 unterstützt eine künstliche Belüftung den Gesundungsprozess des Hallwilersees. Mit der Dauer der Belüftung wurde die technisch anspruchsvolle Belüftungsanlage optimiert. Damit kann heute markant an den Unterhaltskosten gespart werden.

Seit 1986 unterstützt eine künstliche Belüftung den Gesundungsprozess des Hallwilersees. Dabei wird im Win- ter aus Düsen am Seegrund Druckluft eingeblasen. Die Druckluft treibt sau- erstoffarmes Wasser an die Seeober- fläche, wo es sich mit Sauerstoff aus der Atmosphäre anreichert. Bei der stabilen Schichtung des Sees im Sommer muss dagegen der Sauer- stoff direkt ins Tiefenwasser gepumpt werden. Seit Beginn der Belüftung wurden je- weils zwischen 400 und 600 Tonnen Druckluftanlage mit Kältetrockner im Betriebsgebäude der Seebelüftung Sauerstoff benötigt. Die Sauerstoffan- am Seezopf Meisterschwanden. reicherung ist jedoch aufwändig und daher teuer. Nach der ersten Sanie- rungsphase wurde ersichtlich, dass eine Weiterführung der Massnahmen bis ca. 2010 notwendig ist. Unter die- sen Bedingungen war klar, dass die bestehende Druckluftversorgung aus Altersgründen ersetzt werden muss- te. Gleichzeitig wurde geprüft, wie die kostenintensive Versorgung mit reinem Sauerstoff optimiert werden konnte. Ein völliger Verzicht auf den Sauerstoffeintrag im Sommer stand danach nicht in Aussicht, jedoch eine schrittweise Reduktion der Sauerstoff- eintragsmenge im Verlauf der nächs- ten Jahre. Seit 2003 sind neue Anlagen zur Be- reitstellung von Druckluft und Sauer- stoff in Betrieb. Die Druckluftanlage wurde komplett ersetzt. Anstelle der wartungsintensiven, trockenlaufenden Kolbenkompressoren werden nun mo- derne Schraubenkompressoren ein- Anlage zur Produktion von Sauerstoff mittels Druckwechsel-Adsorption gesetzt. Die maximale Lieferleistung im Betriebsgebäude der Seebelüftung am Seezopf Meisterschwanden.

UMWELT AARGAU Sondernummer 24 Dezember 2007 13 der Druckluftanlage wurde auf über Schadstoffe (mit einem leicht redu- alen Einsatzbedingungen (24 Stunden 660 m3/h erhöht und ein aufwändiges zierten Sauerstoffgehalt) wieder an an 7 Tagen/Woche während mehre- Aufbereitungssystem mit Kältetrock- diese abgegeben. ren Monaten im Jahr) und die Ver- nung und Aktivkohlefilter garantiert, Die Anlage liefert während 7 Mona- wendung der ohnehin erforderlichen dass nur äusserst reine Luft in den ten im Jahr maximal 420 Tonnen Druckluftversorgung ermöglichen Kos- See gelangt. Sauerstoff. Braucht der See in einem teneinsparungen von rund 50’000 Gleichzeitig wurde anstelle der bishe- Jahr mehr, kann dem On-Site-Sauer- Franken pro Jahr gegenüber der bis- rigen Kaltvergaseranlage eine Anlage stoff zusätzlich reiner Sauerstoff ab herigen Lösung. Auch der Energie- zur Vor-Ort-Produktion («On-Site-Pro- der vorläufig weiter bestehenden Kalt- aufwand pro Tonne eingetragenen duktion») des Sauerstoffs im beste- vergaseranlage zugeführt werden. Sauerstoff konnte um 20 % gesenkt henden Gebäude vorgesehen. Diese Die Aufzeichnung der in den See ge- werden. Eine positive Nebenwirkung Anlage reichert den Sauerstoff nach leiteten Sauerstoff- oder Druckluftmen- ist zudem, dass der störende LKW- dem Verfahren der Druckwechsel- gen, deren Mischung und die Vertei- Verkehr für die Belieferung mit Flüs- Adsorption auf einen Anteil von rund lung auf die einzelnen Diffusoren sigsauerstoff mitten durch das im 80 % an. Es handelt sich um einen erfolgen mit einer grösstenteils neu Sommer stark frequentierte Naher- physikalischen Vorgang, der ausser erstellten Steuerung. holungsgebiet stark reduziert werden der der elektrischen Energie keine Die neuen Anlagen werden von der konnte und in Zukunft bald ganz weg- weiteren Betriebsstoffe (z. B. Chemi- Messer Schweiz AG, Lenzburg, zu fallen wird. kalien) benötigt. Die Luft wird der fixen monatlichen Kosten dem Kan- Umgebung entnommen und ohne ton zur Verfügung gestellt. Die ide- Bruno Suter

Druckwechsel-Adsorption, abge- kürzt auch als PSA (nach dem Englischen: Pressure Swing Ad- sorption) bezeichnet, ist ein phy- sikalisches Verfahren zur selekti- ven Zerlegung von Gasgemischen (z. B. Luft) unter Druck. Spezielle poröse Materialien (z. B. Zeolithe, Aktivkohle) werden als «Siebe» eingesetzt, um Moleküle entspre- chend ihres Durchmessers zu ad- sorbieren. Da Gase unterschied- lich stark an Oberflä chen adsor- bieren, werden die unerwünsch- ten Komponenten (im Falle der Belüftungsanlage der Luftstick- stoff) zurückgehalten und der ge- wünschte Stoff (im Falle der Be- lüftungsanlage der Sauerstoff) da- durch angereichert. Armaturen und Ventile zur Steuerung der Belüftungsanlage im Betriebs- gebäude der Seebelüftung am Seezopf Meisterschwanden

14 Sondernummer 24 Dezember 2007 UMWELT AARGAU Phosphorverluste aus überdüngten Böden

Algen in Seen benötigen zum Wachstum Licht, Wasser, Nicht alle Phosphorformen Kohlendioxid und Nährstoffe. Ihr Wachstum wird durch sind verfügbar für die Algen das Phosphatangebot begrenzt. Für einen See sind die Elementarer Phosphor (P) kommt in Abwässer, die Abschwemmung von gedüngten Böden und der Natur nicht vor. In der natürlichen die Atmosphäre die wichtigsten Phosphorquellen. Die Umwelt ist das Phosphat seine wich- Begrenzung der Phosphorzufuhr ist daher Voraussetzung tigste Erscheinungsform. Für Algen sind einer erfolgreichen Seesanierung. neben den gelösten anorganischen Phos- phaten auch jene P-Formen verfüg- Seesanierung bedeutet vorrat im Tiefenwasser nicht aus- bar, die aus gelösten organischen Ver- Begrenzung der Phosphorzufuhr reicht, um die produzierten Algen- bindungen freigesetzt werden oder Algen benötigen zum Wachstum Licht, massen abzubauen, wenn Algen zu beim Abbau von abgestorbenen Or- Wasser, Kohlendioxid, verschiedene viele Toxine ausscheiden und Fisch- ganismen ins Wasser gelangen. Phos- Nährstoffe wie z. B. Phosphor, Stick- sterben verursachen, wenn sich Fel- phate, die an Bodenpartikeln angela- stoff, Schwefel und Spurenstoffe (Zink, chen nicht mehr natürlich fortpflan- gert rasch sedimentieren und damit Kupfer, Kobalt usw.). Sie vermehren zen können, so muss die Phosphorzu- aus dem Stoffkreislauf eines Sees aus- sich, solange ihnen alles Lebensnot- fuhr zum See vermindert werden. Für scheiden, werden als nicht algenver- wendige zur Verfügung steht. In Seen einen See sind die Abwässer, die Ab- fügbar beurteilt. Aus diesem Grund wird ihr Wachstum durch das Ange- schwemmung von gedüngten Böden klassieren wir in den Zuflüssen zum bot an Phosphor begrenzt. Wenn un- und die Atmosphäre die wichtigsten See nur die gelösten P-Verbindungen, ansehnliche, übel riechende Algen- Phosphorquellen. in Abwasserquellen und im Abfluss blüten auftreten, wenn der Sauerstoff- des Baldeggersees aber den Gesamt- P als algenverfügbar.

Wiesland, das mit rot gefärbtem Wasser bewässert und danach aufgegraben wurde. Deutlich sichtbar sind die Makro poren des Bodens. Der durchwurzelte, poröse Oberboden wurde gleichmässig durchflossen. In tieferen Bodenschichten wurde das Wasser nur durch die angefärbten Makroporen transportiert. Das Schema zeigt die Wechselwirkungen zwischen Boden und Wasser und die Transportwege.

UMWELT AARGAU Sondernummer 24 Dezember 2007 15 Wie gelangen Phosphate pazität hat, Phosphat aus dem durch- rekt sichtbar gemacht werden. Über vom Boden in die Gewässer? fliessenden Wasser zu binden, gelangt diese Transportwege kann gelöstes Phosphate, die in Form von Jauche, mit dem abfliessenden Sickerwasser Phosphat ohne den Austausch mit Mist oder als Mineraldünger auf die nur wenig in die Seezuflüsse. Der der Bodenmatrix über Drainagesys- Felder ausgebracht werden, um einen Landwirt kann den Boden düngen, teme rasch in den nächsten Bach ge- hohen Pflanzenertrag zu erzielen, wer- ohne gleichzeitig auch das Algen- langen. Bei zunehmendem Abfluss den von Bodenpartikeln rasch gebun- wachstum im See anzukurbeln. steigt die Phosphatkonzentration des den (adsorbiert) und den Pflanzen bei Häufig weicht aber das Sickerverhal- Wassers an. Wenn während Starkre- Bedarf kontinuierlich zur Verfügung ten vom beschriebenen Ideal ab. Der genereignissen die Niederschlagsin- gestellt. Die ausgeprägte Affinität des Boden ist kein homogener Filter, son- tensität die Versickerung durch die Bodens gegenüber Phosphat bewirkt, dern durchsetzt von grösseren Hohl- Bodenmatrix übertrifft, wird entwe- dass dieses aus dem Wasser entfernt räumen (Makroporen) wie Wurmgän- der P-reicher Oberflächenabfluss er- und in den oberen Bodenschichten gen, alten Wurzelhohlräumen und zeugt oder gar Ackererde mitgespült. akkumuliert wird. Solange diese obe- Trockenrissen. Solche Makroporen Diese Transportwege bewirken, dass re Bodenschicht genügend freie Ka- können mit einem Färbeversuch di- während Trockenwetter die Phosphat- konzentration in Fliessgewässern nied- Phosphatkonzentration in Abhängigkeit rig ist, aber bei anhaltendem und/ von der Abflussmenge in einer Drainage oder intensivem Regenwetter sprung- 500 haft ansteigt. Die Eigenschaft der Böden, zwischen P-Angebot und P-Nachfrage zu ver- mitteln, ist sensibel und in ihrer Ka- 400 pazität begrenzt. Wenn ihnen zu viel )

-3 Phosphat zugeführt wird, können sie diese Funktion nicht mehr wahrneh- men. Das Fass läuft über! Die Phos- phatkonzentration des abfliessenden 300 Sickerwassers nimmt dramatisch zu. Die Zufuhr zum See übersteigt das to- lerierbare Mass. Mit dem Boden so zu wirtschaften, dass er seine natürliche 200 Pufferfunktion dauernd erfüllen kann, liegt in der Verantwortung der Land- wirte. Sie müssen alle Aktivitäten ver- meiden, die zu einer übermässigen Phosphatkonzentration (mg P/m Phosphatkonzentration 100 Belastung der Gewässer mit Dünger- P führen: Sie sollen z. B. keine Düng- stoffe auf gefrorene oder durchnässte Böden ausbringen, auf das Düngen in 0 Gewässernähe verzichten, nicht über 0 100 200 300 400 den Pflanzenbedarf hinaus düngen Abflussmenge (l/min) und in ihrer Düngeplanung die im Boden vorhandenen Reserven be- rücksichtigen. Sie müssen genügend Lagerraum für den Hofdünger bereit- stellen, vermeiden, dass Phosphat über die Hofplatzentwässerung in die Gewässer gelangen kann, Ackerbau in drainierten Gebieten unterlassen und auf empfindlichen Flächen scho- nende Bodenbearbeitungsmethoden anwenden oder die Bewirtschaftung extensivieren. Seit zwei Jahrzehnten stossen diese Postulate bei der Mehr- heit der Landwirte auf zunehmende Beachtung.

Die Phosphorkonzentration (rot) in der Kleinen Aa kurz vor der Mündung Beat Müller in den Sempachersee steigt immer dann an, wenn bei Regen der Abfluss René Gächter (blau, invers aufgetragen) zunimmt.

16 Sondernummer 24 Dezember 2007 UMWELT AARGAU Massnahmen der Aargauer Landwirtschaft

Seit 2001 werden im Rahmen eines Phosphorprojekts nach Artikel 62a des Gewässerschutzgesetzes in den Einzugsge- Massnahmen im bieten von Baldegger- und Hallwilersee gezielte Leistungen Aargauer Einzugsgebiet der Landwirtschaft zugunsten der Phosphorreduktion in beiden Seen abgegolten. Allen Beteiligten ist jedoch klar,  Direktsaaten von Begrünungen, dass eine weiter gehende Verbesserung der Situation im Mais und Wintergetreide Hallwilersee nur durch eine vollständige Sanierung des  Streifenfrässaaten von Mais Baldeggersees zu erreichen ist.  Pufferstreifen entlang von Gewässern Gemeinsam erarbeitet, aber durch die in Aussicht gestellten Ab-  Stilllegung von drainierten getrennte Projektumsetzung geltungen abgedeckt sind. Flächen auf Ackerland Das Phosphorprojekt Hallwilersee nach Grundsätzlich sind zwei Arten von  Artikel 62a des Gewässerschutzgeset- Massnahmen festgelegt, die sich auch Reduzierter Einsatz von zes (GSchG) wurde gemeinsam von in der Dauer der Vereinbarungen un- Phosphatdüngern den Kantonen Aargau und Luzern terscheiden. Zu den produktionstech- ausgearbeitet. Die Strukturen und die nischen Massnahmen von einjähriger Ausrichtung der Landwirtschaftsbe- Dauer gehören Direktsaaten von Be- bauliche Nutzung von drainierten Par- triebe im Aargauer und Luzerner grünungen, Mais und Wintergetreide zellen und ein reduzierter Einsatz von Einzugsgebiet des Hallwilersees un- sowie Streifenfrässaaten von Mais. Phosphatdüngern. Die Bewirtschaf- terscheiden sich jedoch stark. Die Direkt- und Streifenfrässaaten redu- tungsanpassungen bezwecken, dass Nährstoffbelastung durch die inten- zieren die Erosionsgefahr und damit abgeschwemmter Phosphor in Puf- sive Tierhaltung ist im Kanton Luzern das Abschwemmen von Phosphor. ferstreifen zurückgehalten wird, Phos- bedeutend höher. Dies widerspiegelt Zu den Bewirtschaftungsanpassun- phor nicht über Drainagen in den See sich hauptsächlich im Vergleich von gen von sechsjähriger Dauer zählen ausgewaschen wird und weniger Nährstoffbilanzen und Bodenproben. Pufferstreifen entlang von Bächen und Phosphatdünger als zulässig einge- Die Aargauer Landwirtschaft trägt am See, der Verzicht auf die acker- setzt werden. mit einer Phosphorfracht von 900 Ki- logramm pro Jahr nur zu einem klei- Massnahme reduzierter Einsatz von Phosphatdüngern nen Teil zur geschätzten jährlichen kg Phosphat Belastung des Hallwilersees von 5,5 10000 Tonnen Phosphor landwirtschaftlichen 9000 8891 Ursprungs bei. Aufgrund dieses Un- terschieds drängten sich in den bei- 8000 den Kantonen unterschiedliche Mass- 7000 6939 nahmen auf. 6000 5524 5000 4666 4173 3888 Projekt basiert auf Freiwilligkeit 4000 3798 3110 Das aargauische Einzugsgebiet des 3000 Hallwilersees umfasst eine landwirt- 2333 2000 schaftliche Nutzfläche (LN) von rund 1555 778 1200 Hektaren, die von 90 Landwirt- 1000 schaftsbetrieben bewirtschaftet wird. 0 Die Betriebe sind unterschiedlich be- 2001 2002 2003 2004 2005 2006 Jahr troffen. Teilweise befinden sich nur ein zelne Parzellen eines Betriebes in- nicht gedüngte Phosphatmenge (Erwartung gemäss Projektbericht) nerhalb des Perimeters. Die Landwirt- effektiv nicht gedüngte Phosphatmenge innen und Landwirte entscheiden, ob die erwünschten Änderungen bei der Bei der Massnahme Mengenreduktion an Phosphatdünger übertraf der Bewirtschaftung und bezüglich Pro- Erfolg die Erwartungen. Die 27 teilnehmenden Betriebe mit insgesamt duktionstechnik, die Einbussen oder 551 Hektaren LN deckten ihren Phosphatbedarf im Jahr 2006 im Durchschnitt Mehr aufwendungen zur Folge haben, zu nur 74 Prozent.

UMWELT AARGAU Sondernummer 24 Dezember 2007 17 Von den 90 Betrieben im Aargauer zugeben. So gesehen wirken die Bei- Ausblick Einzugsgebiet des Hallwilersees be- träge für diese Massnahme wie ein Die Skepsis und die Zurückhaltung der teiligten sich 2006 46 an einer oder imaginärer Schutzwall gegen den Bewirtschafter/innen bezüglich Direkt- mehreren Massnahmen. Grosses In- Nährstoffdruck aus dem südlichen und Streifenfrässaaten sowie gegen- teresse zeigen sie bezüglich der Mass- Nachbarkanton. über der Stilllegung von drainierten nahmen Pufferstreifen und reduzier- Mit 11 Hektaren Pufferstreifen ent- Ackerflächen bewirkten einerseits, ter Einsatz von Phosphatdüngern. Der lang von Bächen und dem See scheint dass die budgetierten Gelder nicht im reduzierte Düngereinsatz übertraf die das momentan Machbare erreicht zu geplanten Umfang zur Auszahlung ge- Erwartungen der Projektverantwortli- sein. Direkt- und Streifenfrässaaten langten. Andererseits wurden massiv chen klar. Die geänderten Strategien überzeugen die Bewirtschafter/innen mehr Finanzmittel für die Massnah- zur Phosphatdüngung lassen vermu- im Gegensatz zu den Aargauer Nitrat- me reduzierter Einsatz von Phosphat- ten, dass auf ein grosses Potenzial für projekten kaum. 10 bis 15, maximal düngern eingesetzt. In den vergange- den Einsatz von Nährstoffen aus Lu- 26 Hektaren stehen in keinem Ver- nen sechs Jahren leisteten Bund und zerner Hofdüngern verzichtet wird. hältnis zur Ackerfläche im Einzugsge- Kanton Aargau gemeinsam Beiträge Dies ist umso bemerkenswerter, wenn biet. Seit Frühjahr 2006 sind knapp an die Aargauer Betriebe in der Höhe man sich bewusst ist, unter welchem drei Hektaren drainiertes Ackerland von gut 539’000 Franken. Davon muss- Druck die Luzerner Landwirtschaft ver- in Meisterschwanden und Seengen te der Aargau knapp 117’000 Franken sucht, Hofdüngerüberschüsse in den stillgelegt. bezahlen. Kanton Aargau, auch ins Seetal, ab- Die Schwerpunkte des Phosphorpro- jekts Hallwilersee liegen im Aargauer Teil bei den Massnahmen Pufferstrei- fen und reduzierter Einsatz von Phos- phatdüngern. Dies widerspiegelt die allgemeine Situation der Aargauer Betriebe, die aufgrund des tiefen Vieh- besatzes die Wahl haben, auf mögli- ches Intensivierungspotenzial zu ver- zichten und sich dies mit Beiträgen aus dem Projekt abgelten zu lassen. Andererseits kommt jedoch auch zum Ausdruck, dass sich die Aargauer Landwirtschaft nur am Rand für die Phosphorbelastung des Hallwilersees verantwortlich fühlt. Dies äussert sich auch in bäuerlichen Aussagen wie: «Wenn die Luzerner handeln, wird mehr erreicht.» – «Die Verursacher sind bekannt, wir Aargauer können nur noch wenig verbessern.» Im Rahmen der Umsetzung der Ag- rarpolitik 2011 ist vorgesehen, vieh- starke Landwirtschaftsbetriebe in See- einzugsgebieten bezüglich ihres Hof- düngereinsatzes einzuschränken, da die Parzellen dieser Betriebe im All- gemeinen bezüglich Phosphorversor- gung umweltrelevante Überschüsse aufweisen. Als Selektionskriterium soll der Phosphat-Eigenversorgungsgrad aufgrund einer gesamtbetrieblichen Nährstoffbilanzierung gelten. Festge- halten in der Direktzahlungsverord- nung und in Anwendung der Chemi- kalien-Risikoreduktions-Verordnung wären diese Betriebe gezwungen, ihre Bodenvorräte gezielt zu nutzen und abzubauen. Pufferstreifen in Form einer Wiese entlang von Bachläufen und des See- ufers wirken als «Auffangbecken» für abgeschwemmte Nährstoffe. Christoph Ziltener

18 Sondernummer 24 Dezember 2007 UMWELT AARGAU Phosphorprojekte an den Luzerner Mittellandseen

Zur langfristigen und nachhaltigen Sanierung der Luzerner besteht. Technische Entwässerungen Mittellandseen wurden Phosphorprojekte ins Leben geru- von Strassen müssen saniert oder in fen, welche im Jahr 1999 am Sempachersee, im Jahr 2000 einem Abstand von 6 m düngerfrei am Baldeggersee und im Jahr 2001 am Hallwilersee gestar- gehalten werden. Eine jährliche, obli- tet wurden. Der heutige Gesundheitszustand der drei Seen gatorische Weiterbildungsveranstal- hängt stark von den umgesetzten Massnahmen im Rahmen tung dient dazu, die Landwirte über dieser Phosphorprojekte ab. Änderungen zu informieren und ih- nen Wissen zur Seesanierung zu ver- mitteln. Der Seevertrag werden. Anhand des Phosphorvorra- Die aktuelle Messung im Sempacher- tes der Parzellen haben die Landwirte see ergab einen Wert von 25 mg Phos- die Düngerausbringmenge anzupas- Die Einzelmassnahmen phor/m3, was deutlich unter dem Ziel- sen. Dazu ist es den Landwirten wäh- Die Einzelmassnahmen können zusätz- wert von 30 mg/m3 liegt. Auch die rend etwas mehr als drei Monaten im lich zum Seevertrag oder einzeln auch Werte im Baldeggersee sinken jähr- Winter, selbst bei guten Witterungs- ohne Seevertrag umgesetzt werden. lich, wobei aufgrund des relativ klei- verhältnissen, nicht erlaubt, Gülle und Zu den Einzelmassnahmen gehören nen Seevolumens im Verhältnis zur Mist auszubringen. Über Winter müs- 5 m breite Pufferstreifen entlang von Grösse des Einzugsgebiets dieser See sen die Äcker begrünt sein und an Gewässern, das Erstellen eines Rück- trotz erfolgreicher Umsetzung der steilen Hängen (> 18 % Neigung) die halteweihers, die Stilllegung von Massnahmen bis Ende 2010 nicht ge- Ackerkulturen mit Streifenfräs- oder Schweine- oder Hühnerställen und sund sein wird. Dieser Umstand wirkt Direktsaat angebaut werden. Der An- die Anwendung von Direkt- und Strei- sich negativ auf den Hallwilersee aus. teil Mais, Rüben und Kartoffeln ist fenfrässaat bei allen Kulturen. Bei der Die Genesung des Hallwilersees hängt wegen der erhöhten Erosionsgefahr Streifenfrässaat wird lediglich ein vom Gesundheitszustand des Baldeg- zwischen den Anbaureihen auf ma- Band von ca. 30 cm Breite zur Saat- gersees ab, da dieser in den Hallwi- ximal 20 % an der Ackerfläche be- gutablage, bei der Direktsaat wird der lersee entwässert. Ohne den Baldeg- schränkt. Im Hofbereich müssen Ent- Boden gar nicht mehr bearbeitet. Es gersee könnte es dem Hallwilersee wässerungen, welche direkt in die wird nur noch der Säschlitz gezogen. möglicherweise schon heute so gut Gewässer leiten, saniert werden. Zu Unbearbeiteter Boden ist viel stabi- wie dem Sempachersee gehen, und den Anforderungen gehört auch, die ler, vermag wesentlich mehr Wasser zwar dank dem grossen Einsatz der Hofdüngeranlagen so einzurichten, aufzunehmen und ist dementspre- Landwirte. dass keine Gefahr für die Gewässer chend weniger erosionsanfällig. Die Landwirte beteiligen sich entwe- der am Seevertrag, der mehrere ge- samtbetriebliche Massnahmen um- fasst, oder sie leisten mit Einzelmass- nahmen einen Beitrag zur Sanierung der Mittellandseen. Die Anforderun- gen und Massnahmen sind an allen drei Seen dieselben und haben zum Ziel, den Phosphoreintrag aus der Landwirtschaft in die Seen zu redu- zieren. Die Anforderungen des Seevertrags umfassen mehrere Massnahmen. Dazu gehören 5 m breite düngerfreie Strei- fen entlang von Gewässern sowie 5 % nicht düngbare Fläche an der Land- wirtschaftlichen Nutzfläche (LN). Im Weiteren muss der Phosphorgehalt im Boden regelmässig gemessen Streifenfrässaat auf einer Ackerfläche in Aesch LU

UMWELT AARGAU Sondernummer 24 Dezember 2007 19 Die Landwirte werden mit einem Flä- chenbeitrag für den Seevertrag und einem Kilobeitrag für den nicht ein- gesetzten Phosphor entschädigt. Für die Streifenfräs- und Direktsaat sowie die Pufferstreifen wird zusätzlich eine Flächenentschädigung entrichtet. Im Jahr 2005 wurden den beteiligten lu- zernischen Landwirten am Hallwiler- see Bei träge von etwas mehr als ei- ner Million Franken entrichtet.

Erfolge am Hallwilersee Die Teilnahme am Seevertrag und an den Einzelmassnahmen ist freiwillig. Der Wille, einen Beitrag an die See- sanierung zu leisten, und die Entschä- digungen sind für eine Vielzahl der Landwirte Motivation genug, um sich am Phosphorprojekt zu beteiligen. Ende 2005 hatten 134 von 180 Betrie- ben, die den ÖLN erfüllen, einen See- vertrag. Dank der hohen Beteiligung konnten bereits erfreuliche Resultate erreicht werden. 75 % der LN im luzernischen Einzugsgebiet des Hallwilersees sind unter Seevertrag. Dies sind 10 % mehr als die formulierte Zielgrösse für das Ende der zweiten Projektphase bis 2010. Die Direkt- und Streifenfrässaat- flächen nehmen jährlich zu, wobei die Zielfläche bei der Direktsaat noch nicht ganz erreicht werden konnte. Dafür wurden im Jahr 2005 23 Hektaren Streifenfrässaat über der Zielfläche angebaut. Der eingesetzte Phosphor konnte auf 80 % der erlaubten Menge reduziert Zunahme Streifenfräs- und Direktsaat am Hallwilersee 2001–2005 werden. Die Zielgrösse wurde somit 120 mehr als das Doppelte übertroffen. 106,97 Die Pufferstreifenfläche von 51 ha ist 100 92,62 noch nicht erreicht, sie lag Ende 2005 bei 42 ha. 80 Einige Ziele konnten deutlich über- 57,07 58,72 57,01 troffen, andere jedoch noch nicht ganz 60 erreicht werden. Dank der weit über 39,63 Fläche in ha Fläche 40 dem Ziel liegenden hohen Beteiligung 28,57 der Betriebe werden die noch nicht 20 19,28 erreich ten Ziele in absehbarer Zeit er- 13,08 3,08 füllt sein. Die umgesetzten Massnah- 0 men zeigen entsprechend Wirkung, 2001 2002 2003 2004 2005 denn die Phosphoreinträge in den Jahr SFS DS Hallwilersee sinken jährlich. Zunahme Direkt- und Streifenfrässaat im EZG Hallwilersee Kt. LU seit dem Isabelle Falconi-Bürgi Jahr 2001

20 Sondernummer 24 Dezember 2007 UMWELT AARGAU Sanierungsmassnahmen verbessern die Wasserqualität

Übermässiges Algenwachstum als Folge der Überdüngung im See vorhanden sind. Als Folge beeinträchtigte die Wasserqualität des Hallwilersees davon, wenn die Algen absterben, während Jahrzehnten. Die Sanierungsmassnahmen haben wird der Sauerstoff in der Tiefe auf- seit 1986 die Wasserqualität deutlich verbessert. Der gebraucht und die aufgenommenen Phosphorgehalt ging um 80 Prozent zurück und erreicht Nährstoffe werden wieder frei. Im Hall- nun fast die Zielvorgabe. Das früher grosse Sauerstoff- wilersee war dadurch das Tiefenwas- defizit konnte durch die Seebelüftung kompensiert wer- ser seit den 1940er-Jahren im Som- den. Im Tiefenwasser ist mittlerweile genügend Sauerstoff mer ohne Sauerstoff, was für das Le- für das Leben von Fischen vorhanden. ben im See gravierende Konsequen- zen hatte.

Die chemische Zusammensetzung des Zusammensetzung der Wasserinhalts- Seewassers – das sind hauptsächlich stoffe verantwortlich. Dazu gehören Das Labor der Abteilung Nährstoffe, Härte und Sauerstoffge- Mischungs- und Schichtungsprozesse, für Umwelt überwacht die halt – hängt davon ab, aus welcher Fällungs- und Lösungsprozesse und Wasserqualität Tiefe und zu welcher Jahreszeit das das Wachstum von Phytoplankton – Zur Beurteilung der Wasserqualität Wasser stammt. Verschiedene physi- mikroskopisch kleine Algen, die im eines Sees müssen die Untersuchun- kalische, chemische und biologische Wasser schweben. Diese wachsen gen während des ganzen Jahres und Prozesse sind für eine Dynamik in der übermässig, wenn viele Nährstoffe in allen Tiefenzonen des Sees erfol-

Tiefenprofile von Temperatur, Sauerstoff und Biomasse im Hallwilersee Ende Winter und im Sommer 1995 Wassertemperatur (°C) Sauerstoff (mg/l) Biomasse (mg/l C) 0 5 10 15 20 25 04812160,0 0,4 0,8 1,2 1,6 0 0 0

10 10 10

20 20 20

30 30 30

40 40 40

Tiefe (m)

Hallwilersee 3. April 1995 21. August 1995

So funktioniert ein See Durch die Sonneneinstrahlung im Frühjahr und Sommer erwärmt sich das Oberflächenwasser, wird dadurch leichter und schichtet sich über dem kalten Tiefenwasser ein. Die Schichtung hat zur Folge, dass sich Oberflächen- wasser mit Tiefenwasser kaum mehr mischt. Im Oberflächenwasser nutzen Algen Sonnenlicht zum Wachstum (Photosynthese). Dabei wird Sauerstoff gebildet. Dies führt teilweise zu einer Sauerstoffübersättigung. Sterben die Algen, sinken sie ins Tiefenwasser ab und fallen auf den Seegrund. Bakterien bauen dieses organische Mate- rial ab und verbrauchen dabei Sauerstoff. Bei übermäs sigem Algenwachstum in einem überdüngten See ent- steht mehr organisches Material, als Sauerstoff im Tiefenwasser für diesen Abbau vorhanden ist. Der Sauerstoff wird vollständig aufgebraucht. Dies schränkt den Lebensraum für Fische und tierische Kleinlebewesen am See- grund stark ein. Im Herbst und Winter kühlt das Oberflächenwasser wieder ab und beginnt sich mit dem Tiefen- wasser zu mischen. Sauerstoff gelangt dadurch wieder ins Tiefenwasser.

UMWELT AARGAU Sondernummer 24 Dezember 2007 21 Wie wirkt sich die Photosynthese auf die Wasserqualität aus? Algen betreiben zum Wachstum Pho- tosynthese, welche neben Sonnenlicht

Nährstoffe und Kohlendioxid (CO2) benötigt. Die Konzentrationen im Was- ser gehen dadurch zurück. Im Falle

von CO2 bewirkt die Abnahme eine Verschiebung des pH-Wertes in den deutlich alkalischen Bereich. Als Fol- ge können Kalzite ausfallen, womit die Konzentrationen an Kalzium und Härte im Wasser deutlich abnehmen. Je nach Algenart werden weitere Nährstoffe benötigt. So ist beispiels- weise Silikat für die Bildung der Ske- Die Abteilung für Umwelt untersucht im Hallwilersee an der tiefsten Stelle lette der Kieselalgen notwendig. Bei monatlich Nährstoffe, Sauerstoff und reduzierte Substanzen in verschiede- übermässigem Kieselalgenwachstum nen Tiefen. kann auch Silikat im Wasser knapp werden und somit die Zusammenset- zung der Algen beeinflussen. Falls Tiefenprofile von Phosphat, Phosphor gelöst und Gesamtphosphor Nitrat im Herbst knapp werden sollte, im Hallwilersee Ende Winter und im Sommer 1995 behelfen sich gewisse Blaualgen da- mit, dass sie elementaren Stickstoff mg/l P mg/l P fixieren und dann noch wachsen kön- 0,0 0,1 0,2 0,3 0,0 0,1 0,2 0,3 0 0 nen, wenn für andere Algenarten zu Hallwilersee Hallwilersee wenig Nitrat vorhanden ist. 10 3. April 1995 10 21. August 1995

20 20 Übermässiges Algenwachstum 30 30 führt zum Sauerstoffschwund in der Tiefe 40 40 Sauerstoff gelangt durch die Aufnah- Tiefe (m) me aus der Atmosphäre in den See und wird während der Winterzirkula- Phosphat Phosphor gelöst Phosphor gesamt tion bis ins Tiefenwasser verfrachtet. Im Sommer reichert sich Sauerstoff als Produkt der Photosynthese im gen. Der Hallwilersee wird daher seit Phosphorverbindungen zusammen Oberflächenwasser an. Durch den den 1970er-Jahren regelmässig che- werden als Gesamtphosphor bezeich- fehlenden Wasseraustausch aufgrund misch untersucht. Mit dem Beginn net. Diese Messgrösse gilt als wich- der Wasserschichtung gelangt dieser der Seebelüftung werden gar monat- tigster Indikator für die Überdüngung Sauerstoff aber nicht in tiefere Was- liche Probenahmen im Bereich der eines Sees, denn Phosphor ist der li- serschichten. Dort wird vielmehr der tiefsten Stelle durchgeführt. Ein Profil mitierende Nährstoff für das Algen- Sauerstoff, welcher aus der Winter- mit 15 Tiefenstufen zeichnet den Ver- wachstum. Im Sommer wird Phosphat zirkulation stammt, durch den Abbau lauf der relevanten Messgrössen auf. im Oberflächenwasser durch das Phy- der abgestorbenen Algen verbraucht. toplankton vollständig aufgebraucht. Bei übermässigem Algenwachstum Phosphor steuert Fehlt Phosphat, ist ein weiteres Algen- wird der Sauerstoffgehalt vollständig das Algenwachstum im See wachstum nicht mehr möglich. gezehrt und reduzierte Stoffe aus den Phosphor tritt in verschiedenen For- Durch Sedimentation der Algen ver- Abbauprozessen reichern sich in den men im See auf, die teils den Algen ringert sich der Gesamtphosphor im unters ten Wasserschichten an. Diese direkt als Nährstoff dienen (Phosphat), Wasser. Rücklösung von Phosphat aus sind in erster Linie Ammonium, Nit- als partikulärer Phosphor für verschie- dem Sediment hingegen reichert Phos- rit, reduziertes Mangan und Eisen. dene Lebensprozesse gebunden wer- phor im Tiefenwasser an. Erst die Zir- Bei noch grösserem Sauerstoffbedarf den oder als gelöste organische Ver- kulation des Wassers im Herbst und entstehen gar Faulgase wie Schwe- bindungen und Polyphosphate vor- Winter verteilt den Phosphor im gan- felwasserstoff (Sulfid) und Methan. kommen. Diese sind für Algen aber zen See neu und ermöglicht weiteres als Nährstoffe nicht verfügbar. Alle Algenwachstum im Folgejahr.

22 Sondernummer 24 Dezember 2007 UMWELT AARGAU Chemische Zusammensetzung des Wassers im Hallwilersee im Sommer, ohne (1985) und mit Belüftung (1995, 2005) mg/l mg/l mg/l N mg/l N 04812160,0 0,5 1,0 1,5 2,0 0,0 0,2 0,4 0,6 0,8 1,0 0,0 0,2 0,4 0,6 0,8 1,0 0 0 0 0

10 10 10 10

20 Sauerstoff 20 Methan 20 Ammonium 20 Nitrit

30 30 30 30

40 40 40 40

Tiefe (m) Tiefe (m) Tiefe (m) Tiefe (m)

mg/l mg/l mg/l 0,0 0,1 0,2 0,3 0,4 0,5 0,0 0,1 0,2 0,3 0,4 0,5 0,0 0,1 0,2 0,3 0,4 0,5 0 0 0

10 10 10

20 Sulfid 20 Mangan 20 Eisen Hallwilersee 5. Aug. 1985 30 30 30 21. Aug. 1995 17. Aug. 2005 40 40 40 Tiefe (m) Tiefe (m) Tiefe (m)

Die Seebelüftung verbessert gen. Die Tiefenzone unter 25 bis 30 Spezielle Bakterien im Wasser bewir- den Sauerstoffhaushalt Metern war oft ganzjährig sauerstoff- ken diese Oxidation. Der Sauerstoff- des Sees entscheidend frei. Entsprechend reicherten sich re- bedarf dazu lässt sich aus der Kon- Vor Beginn der Belüftung des Hallwi- duzierte Stoffe im See an. zentration der reduzierten Stoffe be- lersees reichte die natürliche Anrei- Gelangt nun Sauerstoff in die Tiefe, so rechnen. Er wirkt wie eine Sauerstoff- cherung des Sees mit Sauerstoff im werden diese reduzierten Stoffe als schuld im See. Winter nicht aus, um bis zum Grund Ers te oxidiert, bevor sich die Sauer- Mit der regelmässigen Zirkulations- das Wasser mit Sauerstoff zu sätti- stoffkonzentration im Wasser erhöht. hilfe im Winter und Belüftung des Tie- fenwassers im Sommer seit 1987 wur- de die Sauerstoffschuld im See abge- Jährliche Entwicklung des Sauerstoffs und des baut. Die Sauerstoffkonzentration im Sauerstoffbedarfs durch reduzierte Stoffe im Tiefenwasser Tiefenwasser liegt im Sommer bei (13–46 m) in der Periode 1982–2005 rund 2 bis 6 Milligramm pro Liter. 2000 Ganz am Grund und im Herbst kann die Sauerstoffkonzentration vorüber- gehend noch tiefer sinken. Dann fin- 1500 den wir auch geringe Konzentrationen von reduzierten Verbindungen. Unter- halb von 40 Meter Tiefe ist das See- 1000 wasser im Hallwilersee mit einer gros- sen Sedimentfläche in Kontakt. Dort 500 ist die Mischung des Wassers durch die Belüftung und damit die Nachlie- ferung von Sauerstoff behindert. Sauerstoff (t) Sauerstoff 0 Die Entwicklung des Sauerstoffinhal- tes im Tiefenwasser unterhalb von 13 Metern und der Sauerstoffschuld als -500 Belüftung Hallwilersee «negativer Sauerstoff» seit 1982 zeigt die positive Wirkung der seeinternen Massnahmen. Seit 1987 trägt die See- -1000 belüftung jährlich im Sommer zwi- 1981 1982 1983 1984 1985 1986 1987 1988 1989 1990 1991 1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2001 2002 2003 2004 2005 2000 schen 350 und 650 Tonnen Sauerstoff Sauerstoff gelöst Sauerstoffbedarf ins Tiefenwasser ein. Die Sauerstoff-

UMWELT AARGAU Sondernummer 24 Dezember 2007 23 situation im Tiefenwasser hat sich bis Verlauf des Phosphorinhalts im gesamten Hallwilersee 1998 laufend verbessert. Mit der Mas- und im Tiefenwasser seit 1985 senentwicklung der Burgunderblutal- 70 gen ab 1999 hat die Algenproduktion jedoch wieder zugenommen und den 60 Sauerstoffbedarf des Sees erhöht.

50 Der Phosphorinhalt im Hallwilersee ist um 80 Prozent 40 zurückgegangen Die Überdüngung des Hallwilersees 30 ist in den letzten 20 Jahren von rund 50 Tonnen Gesamtphosphor im See Gesamtphosphor (t) 20 auf 10 Tonnen zurückgegangen. Dies ist im Wesentlichen ein Erfolg der 10 seeexternen Massnahmen – Verbes- serung der Wasserqualität des Bal- 0 deggersees, Abwassersanierung und 1981 1982 1983 1984 1985 1986 1987 1988 1989 1990 1991 1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2001 2002 2003 2004 2005 Massnahmen in der Landwirtschaft. 2000 Im See entspricht der heutige Phos- See gesamt (0–46 m) Tiefenwasser (13–46 m) phorinhalt einer mittleren Konzentra- tion von rund 30 Milligramm pro Ku- bikmeter Seewasser. Sowohl im gesamten See als auch im Tiefenwasser beobachten wir im Jah- Das Sanierungsziel werden. Die Algenproduktion und die resverlauf regelmässige Schwankun- kann erreicht werden Sauerstoffzehrung durch die Sedimen- gen des Phosphorinhaltes. Die höchs- Die gesetzlichen Anforderungen an te sind noch zu hoch. Der mit der Be- ten Werte treten im Winter auf, wenn die Wasserqualität von Seen besagen, lüftung eingetragene Sauerstoff wird die Rücklösung von Phosphor aus dem dass unter anderem der Nährstoffge- so bemessen, dass sich wieder Fische Sediment gross und die Mischung des halt höchstens eine mittlere Produk- im Tiefenwasser aufhalten und Wür- Seewassers vollständig ist. Die tiefs- tion von Biomasse zulassen darf. Er- mer am Seegrund ganzjährig überle- ten Werte finden sich im Sommer, da fahrungsgemäss ist dies bei weniger ben können. Der Sauerstoffhaushalt mit den Algen auch ein Teil des Phos- als 20 bis 30 Milligramm Phosphor des Hallwilersees wird sich in den phors vorübergehend ins Sediment pro Kubikmeter der Fall. Die Algen- nächsten Jahren aber verbessern, gelangt. Die Rücklösung von Phos- entwicklung im Hallwilersee wird in wenn der Phosphor wie erwartet wei- phor aus dem Sediment ist aus der den nächsten Jahren zeigen, welcher ter abnehmen wird. Schwankung des Phosphorinhaltes Wert beim Hallwilersee konkret er- im Tiefenwasser während der Stag- reicht werden muss, damit der See Arno Stöckli nationsphase von Mai bis Oktober nachhaltig gesundet. Martin Märki ersichtlich. Sie hat parallel zum Phos- Beim Sauerstoff verlangt der Gesetz- phorinhalt des Sees ebenfalls abge- geber, dass im Wasser immer min- nommen, von rund 18 Tonnen Mitte destens 4 Milligramm pro Liter vor- der 80er-Jahre auf heute rund 3 bis 4 handen sein sollten. Ohne Belüftung Tonnen. könnte das heute noch nicht erreicht

24 Sondernummer 24 Dezember 2007 UMWELT AARGAU Der See lädt zum Baden

Der Hallwilersee bietet viele schöne Badestellen und  Bakterien Rastplätze für Gross und Klein. Das Wasser weist eine sehr Die Analysen auf krankheitserregende gute hygienische Qualität auf. Einzig die ungefährlichen, Bakterien und Bakteriengruppen, die aber lästigen Entenflöhe trüben gelegentlich nach langen eine gesundheitlich relevante Verun- Schönwetterperioden die Badefreuden. reinigung anzeigen, ergaben in den vergangenen Jahren für den Hallwi- lersee immer wieder das gleiche Bild: Der See lädt zum Baden – Badewasser im Kontakt Eine Qualitätsklasse A, was bedeutet, seit vielen Generationen mit dem Körper dass das Wasser uneingeschränkt Seit vielen Generationen bietet der Anders als bei Wasser, das wir trin- zum Baden empfohlen werden kann. Hallwilersee sommerliches Badever- ken, kommt Wasser, in dem wir ba- Badestellen an Flüssen erreichen die- gnügen. Ob an den idyllischen Örtchen den, nur beschränkt in Kontakt mit se konstant guten Ergbnisse leider nur des bewaldeten Ufers oder an den of- unserem Stoffwechsel. Die mensch- selten. Das hängt damit zusammen, fenen, lebhaften Picknickstellen mit liche Haut bildet nämlich eine sehr dass im See vergleichsweise riesige Liegewiese – am und im Hallwiler- wirksame Barriere gegen das Ein- Wassermengen vorhanden sind und see lässt sichs ausgezeichnet baden, dringen von Mikroorganismen und relativ wenig Nährstoffe, sodass die schwimmen und die Sonne genies- Fremdstoffen. Trotzdem entsteht beim Belas tung mit unerwünschten Bakte- sen. Der Freizeitspass an diesem na- Baden, Schwimmen und Tauchen ein rien in der Regel geringer ist als bei türlichen Gewässer bleibt populär wie gewisser Kontakt über Schleimhäute, Flussbädern. Folgende Empfehlung eh und je. Gehörgang, Augen und Wunden. Zu- gilt hingegen für Fluss- oder Seebä- dem wird meist auch eine geringe der gleichermassen: den Kontakt mit Wassermenge verschluckt und ge- kotverschmutzten Flächen oder Ge- langt so in unser Verdauungssystem. genständen vermeiden. Der Mensch muss also auch beim Ba- den ein Augenmerk auf eine gute  Chemikalien Wasserqualität haben. Das heisst, das Der Eintrag von chemischen Stoffen Wasser muss mikrobiologisch und aus Abwässern hat sich gegenüber chemisch sauber genug sein, dass es der Zeit vor der Abwassersanierung keine Infektionen oder sonstige Be- in den 60er-Jahren stark verringert schwerden verursacht. und stellt heutzutage kein Problem mehr dar. Einzig nach Gewitterregen muss im Bereich von einmündenden Badewasserqualität Regenentlastungen damit gerechnet am Hallwilersee werden, dass lokal ungeklärtes, zum Während der Sommersaison entnimmt Baden nicht geeignetes Wasser vor- die Bäderinspektorin (eine Mitarbei- handen ist. Hier sind eine vernünftige terin des Amtes für Verbraucherschutz) Wartefrist bis zur Klärung des Was- nicht nur in konventionellen Freibä- sers und eine zweckmässige Wahl der Badespass am Hallwilersee in dern, sondern auch an den Badestel- Badestelle gefordert. diesem Jahrtausend len entlang dem Hallwilersee mehr- fach Proben zur Untersuchung der hy-  Algen gienischen Wasserqualität. Das sind Algen und Wasserpflanzen mögen folgende Probenahmestellen: nicht jedermanns Sache sein – ge- sundheitlich sind sie aber harmlos. Auch natürliche Giftstoffe sind nicht Birrwil Badi zu befürchten: Burgunderblutalgen Beinwil a. See Badi können zwar solche Giftstoffe produ- Meisterschwanden Seerose zieren, mit den Algen verschwinden Meisterschwanden Badi Tennwil jedoch auch die Giftstoffe und dieser Prozess fin det rechtzeitig vor der Ba- Seengen Brestenberg desaison statt. Badespass am Hallwilersee im letzten Jahrhundert

UMWELT AARGAU Sondernummer 24 Dezember 2007 25 Lebenszyklus der Entenflöhe  Kleinlebewesen Ganz ungeschoren vor Belästigungen Eier werden Endwirt: Fehlwirt: durch Mitbenützer des Hallwilersees mit dem Kot Wasservogel Mensch kommen Badegäste v. a. nach länge- abgegeben ren Schönwetterperioden aber nicht immer davon. Bei Wassertemperatu- ren > 23°C können sich Larven der so- genannten Entenflöhe im Wasser (vor allem an seichten Stellen) befinden. Zerkarie Wimperlarven Entenflöhe – eigentlich sind es keine schlüpfen im Flöhe, sondern Saugwürmer – zählen Wasser zu den Parasiten von Wasservögeln. Sie können sich in die Haut bohren, Zerkarien werden ins wo sie allerdings, da der Mensch ein Wasser Fehlwirt ist, rasch absterben. Sie be- abgegeben ginnen nach ca. 1 Stunde aber zu ju- cken und verursachen nach 24–48 Zwischenwirt: Stunden einen sehr starken Juckreiz Wasserschnecke Eingebohrte Zerkarie und Entzündungen ähnlich denen von stirbt in der Haut ab Mückenstichen. Der Juckreiz und die- Diese Parasiten der Wasservögel können auch den Menschen befallen und se Entzündungen sind sehr lästig. Die Juckreiz verursachen. Entzündungen heilen jedoch ohne spezielle Behandlung innert 10–20 Ta- gen aus. Vorbeugend gilt: sich nach längeren Schönwetterperioden nicht lange im seichten Wasser aufhalten, falls möglich über einen Steg in tiefe- res Wasser einsteigen und sich nach dem Bad rasch abtrocknen.

Nie mit vollem oder Nie überhitzt ins Nicht in trübe oder Gesundheitsrisiken ganz leerem Magen Wasser springen! – unbekannte Die Gesundheitsrisiken mit der weit- schwimmen! – Nach Der Körper braucht Gewässer springen! – aus grössten Tragweite sind die Bade- üppigem Essen Anpassungszeit. Unbekanntes kann unfälle. Sie können innert Minuten 2 Stunden warten. Gefahren bergen. ein ganzes Leben verändern. Helfen Alkohol meiden. Sie mit, Unfälle zu vermeiden, indem Sie die Baderegeln einhalten!

Irina Nüesch

Kleine Kinder nie Luftmatratzen und Lange Strecken nie unbeaufsichtigt am Schwimmhilfen alleine schwimmen! – Wasser lassen! – gehören nicht ins Auch der besttrainierte Sie kennen keine tiefe Wasser! – Körper kann eine Gefahren. Sie bieten keine Schwäche erleiden. Sicherheit.

Damit das Baden ein Spass bleibt: die elementaren Regeln, um Unfälle zu vermeiden

26 Sondernummer 24 Dezember 2007 UMWELT AARGAU Burgunderblutalgen – ein Zeichen, dass es dem See besser geht

Charakteristisch für den Hallwilersee ist heute die alljähr- liche Rotfärbung im Frühling, verursacht durch das massen- Schon zu biblischen Zeiten hafte Auftreten der Burgunderblutalge. Paradoxerweise ist dies ein Zeichen für einen Rückgang der Nährstoffbe- Möglicherweise war eine toxische lastung, denn die Burgunderblutalge kann sich nur bei Blaualge für eine der biblischen solchen Verhältnissen gegen die anderen Arten durchsetzen. Plagen im alten Ägypten verant- Bei einer vollständigen Gesundung des Sees wird auch sie wortlich: Der Nil färbte sich blut- wieder auf ein normales Mass zurückgedrängt. rot und die Fische starben. Das Wasser stank und war ungeniess- bar. Alles deutet darauf hin, dass Geschichtliche Hintergründe Art von anderen Formen verdrängt, schon damals toxische Plankto- zur Burgunderblutalge welche eine starke Überdüngung er- thrix-Arten, wie sie auch heute im Wichtiges Element im Ökosystem ei- tragen. Das erneute Erscheinen in den Nil und in Bewässerungsgräben nes Sees ist das Plankton, die Gesamt- späten Achtzigerjahren war zu erwar- gefunden werden, massenhaft auf- heit der frei im Wasser schwebenden ten und entspricht einer Umkehr der traten. Kleinorganismen. Plankton besteht aus Nährstoffbelastung. pflanzlichen Anteilen (Phytoplankton) Nicht alle Seen mit ähnlichen Nähr- und aus planktisch lebenden Tieren stoffgehalten weisen Planktothrix auf. (Zooplankton). Es ist die Grundnah- Neben dem Nährstoffgehalt sind auch fen haben, ist die Fadenzahl im 46 m rung für Jungfische und Felchen und Mischungsverhalten und Seetiefe mit- tiefen Hallwilersee am grössten, ge- steht somit am Anfang der Nahrungs- entscheidend. Im Vergleich der drei folgt vom 67 m tiefen Baldeggersee, kette. Wie kaum in einem anderen Mittellandseen Hallwilersee, Baldeg- während der 88 m tiefe Sempacher- See ist das Phytoplankton des Hallwi- gersee und Sempachersee, welche see deutlich geringere Individuendich- lersees von einer einzigen Art, der ähnliche Nährstoffgehalte durchlau- ten der Planktothrix aufweist. Burgunderblutalge (Planktothrix rubes- cens), charakterisiert. Seit 1998 erlebt der Hallwilersee alljährlich eine Mas- senentfaltung von Planktothrix rubes- Phytoplankton (0–13 m) cens. 100 Den Namen Burgunderblut erhielt Planktothrix, weil sie früher im Mur- 90 tensee oft rote Wasserblüten bildete 80 und deshalb zu der Sage Anlass gab, ) 70 das Blut der im See anlässlich der 2 60 Seebelüftung Schlacht bei Murten (Burgunderkrie- ge, 1476) ertränkten Burgunder kehre 50 wieder. Die Anwohner konnten die 40 mikroskopisch kleinen Algenfäden

Biomasse (g/m 30 nicht sehen. Erst später wurde die Burgunderblutalge mikroskopisch ana- 20 lysiert und als Blaualge beschrieben. 10 Seither ist sie in vielen Seen in Europa 0 invasionsartig erschienen. 1985 1990 1995 2000 2005 Die Planktothrix ist Anzeigerin einer schwachen Überdüngung. Wenn die Grünalgen und Diverse Kieselalgen Kleine Flagellaten Dinoflagellaten Phosphorkonzentration zu hoch ist, Blaualgen verschwindet sie wieder. Im Hallwiler- see trat die Burgunderblutalge schon Die Entwicklung des Phytoplanktons im Hallwilersee seit 1985 zeigt eine in der ersten Hälfte des 20. Jahrhun- Zunahme der jährlichen Biomasse bis 2002. Heute dominiert die Blaualge derts in grossen Mengen auf, als die Planktothrix rubescens. Der Hallwilersee erreicht nun mit weniger als Überdüngung des Sees einsetzte. Mit 40 Milligramm Phosphor pro Kubikmeter einen Nährstoffgehalt, der das zunehmender Nährstofflast wurde die Algenwachstum zunehmend begrenzt.

UMWELT AARGAU Sondernummer 24 Dezember 2007 27 Die Wirkung der Belüftung marsch der Blaualgen ein, wobei zu- Die veränderte Zusammensetzung des Die Entwicklung des pflanzlichen nächst Aphanizomenon und Chroococ- Phytoplanktons ist aber auch die Fol- Planktons verlief im Hallwilersee seit cale dominierten. Erstmals 1992 do- ge der knapper werdenden Nährstof- der Einführung seeinterner Massnah- minierte die Burgunderblutalge, ohne fe im See. 1985 lag der Phosphorge- men wie der Zirkulationshilfe und Be- sich aber in den nachfolgenden vier halt im Hallwilersee bei 170 mg/m3. lüftung in mehreren Wellen. Jahren durchzusetzen. Ab 1998 er- Inzwischen ist er auf weniger als Unmittelbare Reaktion auf das neue reicht die Burgunderblutalge regel- 40 mg/m3 zurückgegangen. Durchlüftungsregime war ein Rück- mässig Biomassen von über 30 g/m2 gang aller Grössenklassen und fast im Jahresmittel. Damit drängte sie aller systematischen Gruppen. Nur ge- alle anderen Algengruppen auf 20 bis Ökologie und Konkurrenz rade die grossen Kieselalgen konnten 30 Prozent des gesamten Phytoplank- Zwischen beweglichen und passiv ver- etwas zulegen. Ab 1987 setzte der Vor- tons zurück. teilten Algen ist ein klarer Trend be- züglich ihrer relativen Biomassean- Zusammensetzung des Phytoplanktons teile vorhanden. Die beweglichen For- men wie die Burgunderblutalge nah- 100 % men seit 1985 kontinuierlich auf Kos- ten der passiv verteilten Algen zu. 80% Ob bei diesem Prozess eine direkte Konkurrenz oder eine indirekte Kon- 60% kurrenz über Räuber-Beute – Bezie- hungen (Zooplankton – Algen) zum Wechsel geführt hat, ist unklar. Ge- 40% nerell gilt, dass bewegliche Formen eine bessere Nährstoffversorgung ih- 20% rer Zellen erreichen und durch die vertikale Bewegung die Photosynthe- se optimieren können. Die Nährstoff- 0% abnahme müsste somit solche For- 1985 1986 1987 1988 1989 1990 1991 1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2000 men begünstigen. Eine eigentliche Konkurrenz erwarten aktiv schwebende Algen passiv schwebende Algen wir dort, wo sich mehrere Popula- Die Zusammensetzung des Phytoplanktons hat sich mit dem Rückgang des tionen zur gleichen Zeit im gleichen Phosphors im See verändert. Eine gute Nährstoffversorgung bevorzugt Raum aufhalten und von den glei- passiv schwebende Algen. Die heute knappen Ressourcen begünstigen chen Ressourcen leben. Die zeitliche Dinoflagellaten und Blaualgen, die sich aktiv dort einschichten, wo noch Abfolge der Algengruppen weist ei- Phosphat verfügbar ist. gentlich nur für die Frühjahrsmonate eine zeitliche und räumliche Überla- gerung auf; nachher leben die Popu- lationen in verschiedenen Wassertie- fen. Zur Zeit der Wasserblüten im Frühjahr ist es allerdings schon denk- bar, dass die Planktothrix die anderen Algen bezüglich Licht und Nährstoffe konkurrenziert. Die Erklärung der Konkurrenzfähig- keit der Burgunderblutalge ist in ih- ren ökologischen Eigenschaften zu suchen. Mithilfe von Aerotopen (Gas- vakuolen) reguliert sie ihr spezifi- sches Gewicht so fein, dass sie in der Sprungschicht des Sees (Metalim- nion) verharren kann. In dieser Tiefe ist nicht nur wenig Licht vorhanden, dieses ist auch spektral eingeengt (blaugrün). Um diese Lichtqualität Mikroskopische Aufnahme von Fäden der Burgunderblutalge Planktothrix optimal zu nutzen, sind zum grünen rubescens. Die Fäden bestehen aus einer Vielzahl von Einzelzellen, die Chlorophyll zusätzliche rote Pigmente durch eine feine Schleimhülle zusammengehalten werden. Die Fäden haben nötig. Die rote Farbe der Burgunder- eine Dicke von 0,01 Millimetern. blutalge kommt durch die Dominanz

28 Sondernummer 24 Dezember 2007 UMWELT AARGAU zieren (Neurotoxine und Hepatotoxi- ne). Vieles deutet darauf hin, dass sie daher von tierischen Planktonarten im Gegensatz zu den anderen Algen als Nahrung gemieden werden. Im Falle der Planktothrix rubescens wur- den Hepatotoxine gefunden, welche auf die Leber von Fischen und ande- ren Wirbeltieren wirken.

Jahreszeitliches Verhalten der Burgunderblutalge Obwohl Planktothrix oft im Winter und selbst unter Eis grosse Biomas- sen erreicht und daher als Winter- form gilt, wächst sie bei höherer Wassertemperatur besser. Die Kom- bination von warmem Wasser und Von Herbst bis Frühjahr bildet wenig Licht ist selten. Erst im Herbst, Planktothrix rubescens bei wind- wenn auch das Metalimnion, wo die stillem und schönem Wetter Algen- Burgunderblutalge während der Pha- blüten an der Wasseroberfläche. se der stabilen Wasserschichtung lebt, erwärmt wird, sind beide Bedingun- gen optimal. Die höchsten Zuwachs- des roten Farbstoffs Phycoerythrin zu- raten werden dann zu dieser Zeit in stande. Dieses rote Pigment absor- dieser Tiefe gemessen. biert das grüne Licht und transferiert Sobald die Burgunderblutalgen durch seine Energie auf das Chlorophyll zur die Herbstzirkulation an die Oberflä- Photosynthese. che verdriftet werden, weiten sich die Da sich die Burgunderblutalge ab Gasvakuolen unter der Druckentlas- April in das Metalimnion zurückzieht, tung auf und schwimmen an der stellt sie keine direkte Konkurrenz Oberfläche. Dort sind sie dem Unter- mehr dar für die Algen in der obers- gang geweiht. Gegen die intensive ten Wasserschicht. Somit könnte die Sonnenstrahlung schützen die Pig- indirekte Konkurrenz über Räuber- mente nicht, die Form geht zugrun- Beute – Zyklen zu einem Nachteil für de. Das gleiche Phänomen wiederholt jene Algen führen. Fädige Algen ver- sich bei beginnender Stagnation im heddern sich im Filterapparat der al- Frühjahr im Hallwilersee. genfressenden Kleinkrebse des Zoo- planktons. Die Blaualgen sind zudem Hansruedi Bürgi bekannt dafür, dass sie Gifte produ- Arno Stöckli

Der Kleinkrebs Eudiaptomus gracilis gehört zu den Ruderfusskrebsen. Die bis 1,5 Millimeter grossen Tiere schweben im Wasser. Die langen Antennen dienen als Sinnesorgane, welche Bedrohungen durch Räuber anhand der feinen Wellenmuster erkennen. Dieses Weibchen trägt einen Eiballen am Hinterleib.

UMWELT AARGAU Sondernummer 24 Dezember 2007 29 Wirkung der Belüftung auf den Sauerstoffhaushalt des Sees

Im Tiefenwasser des Hallwilersees werden im Lauf des Die Belüftungsanlage des Hallwiler- Sommers grosse Mengen Sauerstoff gezehrt. Die Belüftung sees erfüllt die wichtige Funktion, ei- sorgt dafür, dass auch in der kritischen Zeit genug Sauer- nen Teil des gezehrten Sauerstoffs stoff zur Verfügung steht, um das Überleben von Fischen zu ersetzen, um einen vollständigen und Bodenlebewesen zu sichern. Sauerstoffschwund im Tiefenwasser zu verhindern. Dabei muss gewähr- leistet sein, dass sich der feinblasige Besonders während der Frühjahrs- Eawag untersuchte 2001 Sauerstoff innerhalb des Tiefenwas- und der Sommermonate bilden sich die Wirkung der Belüftung sers auflöst und ausreichend verteilt. in den obersten Metern des Hallwiler- Wie viel Sauerstoff verbraucht wird, Mithilfe von Sauerstoffprofilen wurde sees bedeutende Algenmengen. Die- ist aus Sauerstoffprofilen im Frühjahr die räum liche Verteilung des Sauer- se nehmen Kohlendioxid auf, bilden und Herbst ersichtlich. Unterhalb von stoffs im Hallwilersee verfolgt. Im Biomasse und geben Sauerstoff ab. 10 m Tiefe geht die Sauerstoffkon- Längsschnitt des Sees von Süden Im Lauf der Zeit sinken die Algen ins zentration von rund 8 mg/l im April nach Norden zeigt sich, dass mit Aus- Tiefenwasser ab, wo sich der Vorgang 2001 auf unter 2 mg/l im September nahme von Tiefen grösser als 35 m umdreht: Die Biomasse wird abge- zurück. Nahe der Oberfläche ist wei- der eingetragene Sauerstoff im ge- baut und Sauerstoff wird verbraucht. terhin Sauerstoff vorhanden, der aus samten Tiefenwasser verteilt wird. Im Zum Sauerstoffverbrauch trägt auch der darüberliegenden Luft nachgelie- Jahr 2001 war die Sauerstoffzehrung organisches Material bei, das sich im fert wird. Weiter nach unten kann der am Seegrund so hoch, dass dort der Lauf der Jahre im Sediment angesam- Sauerstoff aber nicht gelangen, da von der Belüftung eingetragene Sau- melt hat und ebenfalls durch Bakte- der See im Sommer geschichtet ist erstoff sofort aufgebraucht wurde. rien abgebaut wird. und sich das Oberflächenwasser nicht Mit Temperaturprofilen im Nahbe- mit dem Tiefenwasser mischt. reich eines der sechs Diffusoren der Ohne Gegenmassnahmen würde die Belüftung kann die von den aufstei- Zehrung dazu führen, dass praktisch genden Sauerstoffblasen erzeugte der gesamte Sauerstoff im Tiefen- Wasserströmung nachgewiesen wer- wasser aufgebraucht wird und da- den. Das kalte, mit Sauerstoff an- Sauerstoffprofile des durch das Überleben der Fische und gereicherte Wasser steigt bis gegen Hallwilersees im Frühjahr der Boden lebewesen gefährdet ist. In 10 m Tiefe auf. Bis dorthin haben sich und Herbst 2001 verschiedenen Schweizer Seen traten die Blasen voll ständig im Wasser auf- in Jahren mit grosser Sauerstoffzeh- gelöst. Da kaltes Wasser schwerer ist Sauerstoff (mg/l) rung Fischsterben auf. als warmes, sinkt nun das sauerstoff- 0246810121416 0 reiche Wasser wieder ab und ver- mischt sich in 25–35 m Tiefe im See.

10

20 Zehrung

Tiefe (m) 30 Tiefe (m) 40

50 Sauerstoffkonzentration (mg/l) 2. April 2001 17. Sept. 2001 Abstand von der Belüftungsanlage (km)

Burgunderblutalgen führten zu einer Längsschnitt der Sauerstoffkonzentrationen im Tiefenwasser von Süden besonders grossen Sauerstoffzehrung. nach Norden. Der Sauerstoffeintrag der Belüftung erfolgt in der Seemitte.

30 Sondernummer 24 Dezember 2007 UMWELT AARGAU Ohne Belüftung fehlt genügend Sauerstoff Wie die Situation im Tiefenwasser des Hallwilersees ohne Belüftung heute aussehen würde, verdeutlicht eine Bi- lanz des Sauerstoffs im Tiefenwasser für das Jahr 2005. Die Sauerstoffzeh- rung im Lauf des Frühjahrs und Som- mers (gelbe Säule) ist grösser als der gesamte Sauerstoffinhalt (blaue Säu- le). Deshalb würde ohne Sauerstoff- eintrag der gesamte Sauerstoff des Tiefenwassers aufgebraucht. Fische und Bodenlebewesen im Tiefenwas- ser wären damit in Gefahr. Nur durch die Belüftung (rote Säule) kann erreicht werden, dass die Sauerstoffbilanz am Ende des Sommers positiv bleibt. Die Sauerstoffzehrung in einem be- stimmten Jahr hängt von verschiede- nen Faktoren ab: Je nach Wind und Temperaturverteilung im Tiefenwasser in der Umgebung eines der sechs Temperatur im Winter ist der See mehr Diffusoren. Es ist der Einfluss der aufsteigenden Luftblasen zu erkennen. oder weniger gut mit Sauerstoff ge- sättigt (bei niedrigen Temperaturen wird mehr Sauerstoff im Wasser ge- Sauerstoffbilanz des Tiefenwassers im Jahr 2005 löst). Die Wetterverhältnisse im Früh- 2000 jahr beeinflussen die Stärke und Tiefe der Schichtung und damit das Volu- men des Tiefenwassers. Schliesslich schwankt auch die Algenproduktion von Jahr zu Jahr. Von diesen Fakto- 1500 ren hängt ab, wie viel Sauerstoff zur Verfügung steht und wie viel gezehrt wird.

1000 Abschätzung von Inhalt im Frühjahr Handlungsoptionen für die Optimierung der Belüftung Zehrung In den letzten Jahren ist der Sauerstoff im Tiefenwasser mehrmals knapp ge- Sauerstoff (t) Sauerstoff worden. Die Analyse der Eawag über 500 die Ursachen und Handlungsmöglich- keiten im Zusammenhang mit der er- höhten Sauerstoffzehrung war Grund- lage für die Weiterführung und Opti- Inhalt im Herbst mierung der Belüftung. Die neue Be- 0 lüftungsanlage gewährleistet nun, dass Eintrag Belüftung auch in Zukunft der Hallwilersee je- des Jahr ausreichend mit Sauerstoff versorgt wird. –500 Lorenz Moosmann Mit dem Eintrag durch die Belüftung bleibt der Sauerstoffinhalt im Herbst Dan McGinnis positiv trotz grosser Zehrung.

UMWELT AARGAU Sondernummer 24 Dezember 2007 31 Seesedimente, eine «Altlast»

Die Seesedimente des Hall- senoxide und -hydroxide) als Zeichen wilersees dokumentieren als für genügend Sauerstoff im Tiefen- Archiv Ereignisse der Um- wasser des Sees. weltgeschichte seit der letz- Wie in den meisten Mittellandseen ten Eiszeit. Sie haben sich haben sich auch die Sauerstoffbedin- markant im Laufe der Über- gungen des Tiefenwassers des Hall- düngung verändert und be- wilersees im Laufe der Bevölkerungs- lasten den See noch heute. zunahme und Intensivierung der Land- wirtschaft im 20. Jahrhundert dras- tisch verschlechtert. Die Folgen sind Seesedimente als Umweltarchiv bekannt: Zu viele Nährstoffe verursa- Seesedimente bilden ein einzigartiges chen übermässiges Algenwachstum. Archiv der kontinentalen Umweltge- Der Abbau dieser Algenmassen durch schichte. In den etwa 7 Meter mächti- Mikroorganismen verbraucht den ge- gen Sedimenten des Hallwilersees fin- samten Sauerstoff im Tiefenwasser det man Hinweise auf teilweise längst und auf der Sedimentoberfläche. Vie- vergangene Ereignisse, die bis zur len Lebewesen wurde dadurch die letzten Eiszeit vor 15’000 Jahren zu- Lebensgrundlage entzogen. rückreichen. Die markante Änderung Die veränderten Bedingungen im See der Pollenzusammensetzung in tiefe- veränderten auch die Sedimente, wie Das Bild eines Sedimentkerns aus ren Sedimentschichten beispielswei- ein aufgeschnittener Sedimentkern ver- dem Jahre 1985 verdeutlicht die se lässt auf grossflächige Abholzun- deutlicht. Sie werden nicht mehr durch markante Änderung der Sediment- gen und Anbau von Kulturpflanzen zu Würmer umgegraben. Somit ist eine zusammensetzung um 1900 von jener Zeit schliessen. In weniger tie- charakteristische Abfolge des sedi- älteren hellen zu dunklen Ablage- fen Schichten dokumentiert der Blei- mentierten Materials sichtbar: Kalzi- rungen als Folge der Überdüngung. gehalt die Verwendung sowie das te, die im Frühjahr als Folge erhöhter Die Abfolge von schwarzen und Verbot von Blei als Antiklopfmittel Photosyntheseaktivität der Algen aus- weissen Schichten erinnert an in Benzinen. Ja selbst Überreste der gefällt werden, bedecken den See- Baumringe, ist aber ein Zeichen für ersten Atombombentests sind noch grund weiss. Im Laufe des Jahres Sauerstoffmangel im Tiefenwasser. deutlich nachweisbar wie auch der verfault darüber abgelagertes abge- nukleare Fallout des Reaktorunglücks storbenes Algenmaterial und es bil- von Tschernobyl. Diese Sedimente det eine Lage von schwarzen Eisen- Photosynthese sind heute mit etwa 5–10 cm jünge- sulfid-Verbindungen. Die so entstan- und Kalzitausfällung rem Material bedeckt, bleiben aber dene schwarze Sedimentschicht wird als Zeugnis dieses geschichtsträchti- im nächsten Frühling wieder mit einer Bei der Photosynthese entsteht gen Ereignisses noch für viele Gene- weissen Schicht Kalzite überdeckt. aus gelöstem Kohlenstoffdioxid rationen im Sediment bewahrt. Die Abfolge von schwarzen und weis- und Wasser unter Sonnenlicht sen Schichten, welche zusammen ein (Energie) Traubenzucker: Jahr ausmachen, erinnert an die Jah-  6 CO2 + 6H2O C6H12O6 + 6 O2 Oberste Sedimente resringe von Bäumen. Nur, je deutli- erinnern an Baumringe cher und mächtiger diese Schichten Als Folge dieser Reaktion steigt Das Sediment des Hallwilersees be- sind, umso schlechter war der Zu- der pH-Wert des Seewassers an, steht (ausser im Ufer- und Mündungs- stand des Sees zu jener Zeit. Diese was eine Erhöhung der Carbo- bereich der Zuflüsse) hauptsächlich deutlichen Spuren bleiben als Erinne- natkonzentration nach sich zieht. aus abgestorbenem Algenmaterial und rung an die übermässige Nährstoff- Durch intensive Photosynthese- verschiedenen Mineralien, welche auf belastung des Sees seit 1900 im Sedi- aktivität kann die Carbonatkon- den Seegrund gelangen oder dort ge- ment erhalten. Mittlerweile besiedeln zentration derart zunehmen, dass bildet werden. In einem intakten See wieder Würmer den Seegrund als Fol- das Seewasser bezüglich Calcium- mit genügend Sauerstoff am See- ge der Belüftung und die jüngeren carbonat (Kalzit) übersättigt ist. Es grund werden sie von Würmern um- Sedimente werden wieder homoge- kommt zur Ausfällung, die sich als gegraben. Es entstehen homogene ner. Auch die Gesundung des Sees sogenannte Seekreide ablagert. Sedimente, mit hellbrauner Farbe (Ei- wird im Sediment gespeichert.

32 Sondernummer 24 Dezember 2007 UMWELT AARGAU Die Belastung durch die Die seeinterne Düngung Sedimente ist beträchtlich reduziert sich weiter Einmal in tiefere Sedimentschichten Die Inbetriebnahme der Belüftung im eingelagert, bleibt das noch vorhan- Jahr 1986 hat – wie erhofft – zu einer dene refraktäre (= schwer abbaubare) Verbesserung der Lebensbedingun- organische Material im Sediment kon- gen im See beigetragen. Zudem wur- serviert. Zuvor wird das angefallene de davon ein Rückgang der Phos- organische Material in den oberen Se- phorrücklösung während des Som- dimentschichten durch verschiedene mers sowie ein grösserer permanen- Prozesse abgebaut und Nährstoffe ter Rückhalt von Phosphor im Sedi- werden freigesetzt. Gelangen diese ment erhofft. Rückblickend beurteilt, in Wasserschichten, in die das Son- hat die Belüftung nicht alle Erwartun- nenlicht einzudringen vermag, stehen gen erfüllen können. Laut neuesten die Nährstoffe wiede rum Algen zum Studien genügt eine oxische (= sau- Wachstum zur Verfügung. Es wird erstoffreiche) Sedimentoberfläche al- von der seeinternen Düngung ge- lein noch nicht, um Phosphor effizient sprochen. im Sediment zu binden. Viel eher Durch stetige Rücklösung belasten die wird vermutet, dass im sauerstofffrei- nährstoffreichen Sedimente das See- en Sediment das Verhältnis von vor- wasser noch heute beträchtlich mit liegendem reaktivem Eisen (II), Sulfid etwa 2,5–4,5 Tonnen Phosphor jähr- und Phosphat und den daraus entste- lich. Verglichen mit anderen Eintrags- henden Mineralien den Rückhalt be- quellen entspricht dies etwa dem stimmt. Dieses Verhältnis hängt wie- jährlichen Phosphoreintrag aller Zu- derum von der Menge des anfallen- flüsse des Hallwilersees. Im Gegen- den organischen Materials sowie den satz zu den Zuflüssen, wäre eine Sa- verschiedenen Abbauprozessen ab. nierung der Sedimente aber viel zu Selbst in den Jahren der grössten Be- aufwändig. lastung vermochte das Sediment nur eine ähnlich beschränkte Menge an Phosphor zu binden und zurückzuhal- Seesedimente als ten wie heute. Wie kürzlich gezeigt globale Kohlenstoffsenke wurde, tritt eine Verbesserung des Rückhaltevermögens dann ein, wenn

Immer mehr CO2 gelangt in die die Phosphorkonzentration im See ei- Atmosphäre als Folge der Ver- nen kritischen Wert (geschätzt auf brennung fossiler Energieträger. etwa 40 Milligramm Phosphor pro In Seen wird durch die Photo- Kubikmeter) unterschreitet. Im Hall-

synthese von Algen CO2 wieder wilersee ist dank der verschiedenen fixiert. Der refraktäre Teil davon Sanierungsmassnahmen dieser Zu- wird schliesslich im Sediment ein- stand mittlerweile erreicht. Es ist zu gelagert und stellt so eine Senke erwarten (und zu hoffen), dass die für den Kohlenstoff dar. Global ge- Belastung durch die Sedimente in sehen sind Seesedimente eine be- den nächsten Jahren weiter reduziert deutende Senke. Neuere Schät- wird. Die weiterführende Langzeit- zungen lassen vermuten, dass untersuchung, welche die Sanierung möglicherweise die ge samte Ein- des Hallwilersees begleitet, wird uns lagerungsrate von Kohlenstoff in darüber Aufschluss geben. die Seesedimente etwa halb so gross ist wie in den Ozeansedi- Martin Märki menten. Da die Oberfläche der Ozeane aber 150-mal grösser ist, scheinen Seen die effektiveren Sen ken zu sein.

UMWELT AARGAU Sondernummer 24 Dezember 2007 33 Würmer beleben den Seegrund neu

Schlammröhrenwürmer (Tubifiziden) sind sehr wider- In diesem Lebensraum sind Würmer standsfähige Organismen. Sie leben in Bereichen mit gros- (Oligochaeten) immer anzutreffen. In sen Sauerstoffdefiziten und sind unempfindlich gegenüber unseren Seeböden kommen nur we- toxischen Abbauprodukten. Daher lässt sich an ihnen als nige Arten von Oligochaeten vor. Die Bioindikatoren die Wirkung der Sanierungsmassnahmen meis ten davon sind im Vergleich zu ablesen. den Landformen, den Regenwürmern, kleiner und oft durchsichtig. Einige von ihnen werden kaum grösser als Einflussfaktoren auf die Die Sauerstoffversorgung erfolgt durch 0,5 Millimeter. Die häufigsten Vertre- Zusammensetzung seeinterne Strömungen, vor allem aber ter gehören zu der Familie der des Seebodenmaterials durch die winterliche Durchmischung Schlammröhrenwürmer (Tubifiziden). Das Seebodenmaterial (Sediment) be- des Sees. Diese wird beim Hallwiler- steht einerseits aus den durch Zuflüs- see massiv durch technische Mass- se eingetragenen Feststoffen, ande- nahmen (Belüftung) unterstützt. Schlammröhrenwürmer rerseits aus Ausfällungen der Flach- sind Schwerarbeiter und Freiwasserzone und abgesunke- Schlammröhrenwürmer sind weit ver- nem organischem Material. Mit den Auf dem Seeboden breitet. Sie bauen mit Schlammparti- Feststoffen werden auch Nähr- und wird die Biomasse abgebaut keln besetzte Schleimröhren, die sie Schadstoffe am Seegrund abgela- Im Sediment und einer kurz darüber bewohnen und in die sie sich bei Ge- gert. Der Zustand des Seebodens ist liegenden Wasserschicht wird absin- fahr blitzschnell zurückziehen kön- somit weitgehend vom Nährstoff- kende Biomasse zersetzt und minera- nen. Das Kopfende ragt nach unten und Energietransport aus den Zuflüs- lisiert. Hier lebt vorwiegend eine he- und steckt im Schlamm. Sie fres- sen, dem Uferbereich und dem Frei- terotrophe Organismengemeinschaft. sen andauernd organisches Sediment wasser abhängig. Sie besteht aus Mikroorganismen und (Schlamm) und verdauen vor allem Tieren. Der Sauerstoffgehalt spielt für die darin befindlichen Bakterien. diese eine zentrale Rolle. Unabhän- Schlammröhrenwürmer können bis gig von der Menge sowie der Zusam- zu 20 cm tief in das Sediment eindrin- mensetzung der sedimentierten Stof- gen. Weil sie im Schlamm fressen Bioindikator, auch als Indikator- fe herrscht im Sediment selbst fast und an der Oberfläche ausscheiden, art, Zeigerart oder Indikatororga- immer ein Sauerstoffmangel. kommt es zur Umschichtung und zur nismus bezeichnet, ist eine Tier- oder Pflanzenart, deren Vorkom- men oder Fehlen in einem Lebens- raum innerhalb gewisser Grenzen bestimmte Standort- und Umwelt- bedingungen anzeigt.

Als Hämoglobin bezeichnet man den eisenhaltigen roten Blutfarb- stoff in den roten Blutkörperchen. Es stellt einen wichtigen Sauer- stofftransporter im Körper dar.

Heterotrophie (griechisch: «sich von anderen ernährend») ist ein Begriff aus der Biologie und be- zeichnet die Eigenschaft von Le- bewesen, ihre Stoffwechselener- gie aus den von anderen Lebe- wesen aufgebauten organischen Substanzen zu beziehen. Das Vorderende mit dem Kopfteil des Schlammröhrenwurmes (Tubifex sp.) steckt in der Röhre, während das Hinterende herausragt.

34 Sondernummer 24 Dezember 2007 UMWELT AARGAU Belüftung des Sedimentes. Die Darm- Vertreter der Schlammröhrenwürmer, fenwasser stets sauerstoffreich, und passagen geben den Ausscheidungen da er in Aquarien als lebendes oder solche, deren Tiefenwasser im Som- eine krümelige Struktur, sodass sich getrocknetes Fischfutter genutzt wird mer sauerstoffarm ist. In Letzteren ein ausgeprägtes Lückensystem ent- und im Zoofachhandel überall erhält- kommen im Sediment besonders wickeln kann. Die oberen 3–4 cm der lich ist. Ein Tubifex wiegt etwa 1,5 Mil- häufig die Mückenlarve Chironomus von Schlammröhrenwürmern besie- ligramm. und der Schlammröhrenwurm Tubi- delten Sedimente werden im Jahr fex vor. mindestens einmal umgeschichtet. 1985 wurden die ersten Untersuchun- Würmerfauna dient als gen zur Besiedlung des Seebodens biologischer Indikator durch Würmer im Hallwilersee durch Leben bei geringsten der Belastung mit abbaubaren Fred Stössel (Eawag) durchgeführt, Sauerstoffgehalten möglich organischen Stoffen um die Wirkung der eingeleiteten Sa- Die hämoglobinhaltige Körperflüssig- Die Zusammensetzung der Lebens- nierungsmassnahmen zu dokumen- keit ermöglicht den Schlammröhren- gemeinschaft am Seeboden erlaubt tieren. Diese Untersuchungen werden würmern den geringen Sauerstoffge- Rückschlüsse auf den Belastungszu- heute durch die Abteilung für Umwelt halt am Seeboden effizient zu nutzen. stand beziehungsweise das Nähr- regelmässig weitergeführt. Infolge der Darmatmung kann über stoffangebot im See. Schlammröh- einen grossen Teil des Körpers Sau- renwürmer sind in der Lage, auch sehr erstoff aufgenommen werden. Zudem sauerstoffarme Bereiche in Gewäs- Aufwändige Probenahme und ist der hintere Teil des Wurmes, der sern zu bewohnen. Diese Arten sind spezielle Technik bringen die aus dem Sediment ragt, in ständiger dann auch weitgehend resistent ge- Tiefenbewohner an den Tag Bewegung. Dadurch wird der Körper genüber toxischen Abbauprodukten. Mithilfe eines Echolotes werden im- geringfügig mit Wasser umströmt, Sie gelten daher als Bioindikatoren mer dieselben Probenahmestellen an- was die Sauerstoffaufnahme begüns- für die Belastung eines Gewässers gefahren. Auf der Nord-Süd-Achse tigt und den Ausnützungsgrad selbst Bereits im Jahr 1911 stellten Birge und sowie der Ost-West-Achse werden ab geringster Sauerstoffkonzentrationen Juday fest, dass man die Seen in zwei 20 Meter Seetiefe die Tiefenstufen im verbessert. Tubifex ist ein bekannter Typen einteilen kann: Seen, deren Tie- Abstand von je 5 Metern beprobt. Mit

Dredge gefüllt mit Feinschlamm Vorbereitete Proben für die Auszählung der Würmer

UMWELT AARGAU Sondernummer 24 Dezember 2007 35 Entwicklung der Würmer im Hallwilersee am Seeboden

Tiefe 1985/86 1987/88 1989/90 1991/92 1993/94 1995/961998 2000 2002 2005

20 m

25 m

30 m

35 m Tiere pro Dredge 1 bis 4 5 bis 16 40 m 17 bis 64

45 m 65 bis 256

257 bis 1024 46 m tiefster Seegrund > 1025

einem durch Gewicht beschwerten kurz darüber liegenden Wasserschicht mern treten erst wenige Arten von Netz (Dredge) von 0,3 Millimeter Ma- immer mehr von dem Bereich optima- Insektenlarven auf. Der Bereich opti- schenweite wird der Seegrund abge- ler Lebensbedingungen ab, verarmte maler Lebensbedingungen stellt sich schabt. an Sauerstoff und wurde lebensfeind- nur langsam wieder ein. Dies ist aber Das Heraufholen der Probe vom See- lich. Bevor der Hallwilersee ab 1986 nicht aussergewöhnlich. Mit der wei- grund erfolgt in einem Zuge, um Ma- belüftet wurde, war unterhalb von 25 teren Reduktion der Nährstoffe wird terialverluste zu minimieren. Der Fein- Metern ganzjährig zu wenig Sauer- einerseits die Artenzahl zu-, anderer- schlamm muss rasch und gründlich stoff vorhanden, als dass Kleintiere seits die Individuendichte abnehmen. vor Ort ausgewaschen werden, um die hätten überleben können. Selbst die Diese Ent wicklung hat in den letzten Fäulnisbildung in den Proben zu ver- widerstandsfähigen Schlammröhren- Jahren in 20 bis 35 Meter Tiefe be- hindern. Die Auszählung der Würmer würmer konnten nicht mehr existie- reits eingesetzt. Bereits werden wie- erfolgt am folgenden Tag im Labor. ren. der verschiedene Mückenlarven (Chi- Die verbesserte Sauerstoffsituation so- ronomiden) festgestellt. wie die Reduktion von Schadstoffen Naturgemäss wird auch unter zukünf- Am Seegrund kehrt erlaubten den Würmern innert weni- tig optimalen Milieubedingungen die langsam wieder Leben ein ger Jahre wieder die gesamte Tiefe Artenzahl der Lebewesen am schlam- Der Seegrund ist grundsätzlich ein des Sees zu besiedeln. Seit 1993/94 migen Seegrund immer nur einen extremer Lebensraum mit hohen An- ist selbst die tiefste Zone im See wie- Bruchteil der in der ufernahen Zone passungsforderungen. Mit der Zunah- der belebt. Dies belegt, dass sich die vorhandenen Artenzahl erreichen. me der Nährstoffe und des Algen- lebensfeindlichen Bedingungen lang- wachstums im Hallwilersee wich auch sam verbesserten. Die Artenzahl blieb das Milieu im Sediment und einer aber noch gering. Neben den Wür- Fritz Zimmermann

36 Sondernummer 24 Dezember 2007 UMWELT AARGAU Fische und Krebse im Hallwilersee

Mit der Entwicklung des Sees hat sich auch die Gewässer- Fische und Krebse fauna verändert. Die steigenden Nährstoffgehalte im Was- im Hallwilersee ser führten zu verbesserten Nahrungsbedingungen, aber Die Fischgesellschaften in Schweizer auch zu einer starken Veränderung des Lebensraumes und Seen bildeten sich nach der letzten Eis- der Verlaichungsmöglichkeiten für einzelne Fischarten. zeit vor ungefähr 15’000 Jahren. Nach Mit der Verschlechterung des Seezustandes traten Fisch- dem Rückzug der Gletscher wander- sterben mit entsprechenden Bestandeszusammenbrüchen ten Fische aus eisfreien Gebieten in auf. Dank der Gesundung des Sees haben sich die Lebens- die neu entstandenen Seen ein. Von bedingungen für viele Fischarten wieder verbessert. Grosse Natur aus ist der Hallwilersee ein Fel- Fischsterben aufgrund von Sauerstoffmangel kommen chensee. Wegen den Folgen der Über- nicht mehr vor. Ein natürlicher Zustand ist jedoch noch düngung weist er heute aber Merk- nicht in unmittelbarer Reichweite. male eines Brachsensees auf. Er be- herbergt über zwanzig verschiedene Fischarten sowie drei Flusskrebsarten. Fisch- und Flusskrebsarten im Hallwilersee Die grösste Artengruppe im See fin- det man bei den Karpfenartigen Fi- Fisch-/Krebsart Häufigkeit Bemerkung schen (Cypriniden). Viele von ihnen Aal nicht häufig sind typische Fische des stehenden Aesche sehr selten Fliessgewässerart oder langsam fliessenden Wassers, Alet häufig wie der Brachsen, der Karpfen, die Bachforelle vereinzelt Fliessgewässerart Rotfeder und die Schleie sowie Arten mit einer grossen Lebensraumband- Barbe sehr selten Fliessgewässerart breite wie der Alet, die Blicke, der Blicke vereinzelt Gründling, der Hasel, die Laube und Brachsen häufig das Rotauge. Selten wurden auch Egli häufig Barben nachgewiesen, eine typische Fliessgewässerart, welche wohl über Felchen häufig den vereinzelt in den See ge- Gründling nicht häufig langt. Die für Felchenseen typische Hasel nicht häufig Gruppe der Lachsartigen Fische (Sal- Hecht häufig moniden) ist mit dem Hallwilersee- Karpfen häufig Felchen (Balchen, «Balle») und der Forelle vertreten. Von der Letzteren Kaulbarsch häufig findet man sowohl die Seeform (See- Laube vereinzelt forelle) wie auch die Bachform (Bach- Regenbogenforelle sehr selten fremde Art forelle). Als weitere Arten kommen Rotauge häufig der Aal, das Egli, der Hecht, der Kaul- barsch, der Sonnenbarsch, die Trü- Rotfeder nicht häufig sche und der Zander vor. Schleie häufig Fischereilich von Bedeutung sind der Schneider sehr selten Fliessgewässerart Felchen, der Hecht, das Egli, das Rot- Seeforelle vereinzelt auge sowie die Seeforelle. Von den Sonnenbarsch häufig fremde Art Netzfischern werden vor allem Fel- chen und Rotaugen in grosser Zahl Trüsche vereinzelt gefangen. Bei den Angelfischern sind Wels sehr selten der Hecht und das Egli die Favoriten. Zander vereinzelt Aufgrund der schlechten Felchenfän- ge in den letzten Jahren hat das Rot- Edelkrebs sehr selten auge den Felchen an der Spitze der «Fanghitparade» abgelöst. Der ein- Galizierkrebs nicht häufig fremde Art heimische Edelkrebs war bis in die Kamberkrebs nicht häufig fremde Art 80er-Jahre sehr häufig im Hallwiler-

UMWELT AARGAU Sondernummer 24 Dezember 2007 37 see. Mit dem Aufkommen des Gali- von 10 Meter Tiefe stark ab. 1961 kam Erfolgreiche zierkrebses im See ging sein Bestand es zu einem verheerenden Fischster- Besatzmassnahmen jedoch kontinuierlich zurück. Der Ga- ben aufgrund der tiefen Sauerstoff- Verschiedene Fischarten wurden nach lizierkrebs, welcher für kulinarische konzentration im See. Im Laufe der den Fischsterben und später als Un- Zwecke importiert wurde und leider Seesanierung erholten sich die Be- terstützungsbesatz in den See einge- verbotenerweise in zahlreiche Mittel- stände der meisten toleranten Fisch- setzt. Im Moment sind dies der Hall- landgewässer eingesetzt wurde, war arten wieder. Die Seeforelle und der wilersee-Balchen, der Hecht und die in der Folge die dominierende Krebs- Hallwilersee-Felchen verloren mit der Seeforelle. Dank der künstlichen Auf- art im See. Der Bestand brach jedoch zunehmenden Verschlammung des zucht und dem Besatz mit Jungfel- in den 90er-Jahren aufgrund der Seegrundes und der Sauerstoffzeh- chen konnten so seit Beginn der See- Krankheit Krebspest mehrmals zusam- rung über dem Grund jedoch ihre Laich- sanierung wieder gute Felchenerträ- men. Heute ist ein geringer, wieder möglichkeit. Insbesondere die Fang- ge erreicht werden. Trotzdem schwan- zunehmender Galizierkrebsbestand im erträge der Felchen brachen zusam- ken die Jahresfangerträge stark. Hallwilersee vorhanden. Einzelexem- men, dies als klare Folge der Eutro- Die heikle Periode für das Überle- plare des Edelkrebses wurden in den phierung des Sees. ben der Jungfische im See ist die Zeit letzten Jahren wieder gefunden. Lei- der Algenblüte im Frühling. Sonniges der wurde im Jahr 2006 der aus Nord- Wetter im April/Mai zusammen mit amerika stammende Kamberkrebs im Der Hallwilersee-Balchen einer hohen Nährstoffkonzentration See nachgewiesen. Aufgrund der Er- Die schnellwüchsige Grossfelchenart führen zu einer starken Algenblüte fahrung aus anderen Seen (z. B. Zu- im Hallwilersee war bereits im Mittel- und entsprechender Photosyntheseak- gersee) muss man annehmen, dass alter von grosser wirtschaftlicher Be- tivität. Dadurch kann sich eine extreme sich diese fremde Krebsart auf Kos- deutung. Diese auch heute kulturell Sauerstoffübersättigung in der obers- ten der beiden anderen Krebsarten und wirtschaftlich im Seetal bedeu- ten Wasserschicht aufbauen. Durch weiter ausbreiten wird. tende Fischart kann sich aufgrund der die Sauerstoffübersättigung kommt es Veränderung des Sees im Zuge der zu einem Massensterben der Jung- Eutrophierung nach wie vor im See fische (Gasblasensyndrom). Bestandeszusammenbrüche nicht natürlich fortpflanzen (siehe Ar- In den letzten Jahren konnte sich kein Bereits Ende des 19. Jahrhunderts tikel von R. Müller in diesem Heft). In starker Felchenjahrgang mehr im See wies eine erste Blüte der Burgunder- drei Brutanstalten werden daher laich- entwickeln. Mit einer entsprechenden blutalge auf die beginnende Eutro- reife Fische aus dem See gestreift Optimierung in der Aufzucht möchte phierung hin. Anfang 20. Jahrhundert und Jungfische aufgezogen, welche man die heikle Pe riode in den Mona- sank der Sauerstoffgehalt unterhalb dann in den See eingesetzt werden. ten April/Mai überbrücken. Dabei ste-

Die Entwicklung der Felchenfänge am Hallwilersee 1986 bis 2005

90'000

80'000

70'000

60'000

50'000

40'000 Fangertrag (kg) Fangertrag 30'000

20'000

10'000

0 1968 1970 1972 1974 1976 1978 1980 1982 1984 1986 1988 1990 1992 1994 1996 1998 2000 2002 2004 Jahr

38 Sondernummer 24 Dezember 2007 UMWELT AARGAU hen zwei Aufzuchtmethoden im Vor- Seen in der Schweiz sehr erfolgreich Fazit und Ausblick dergrund. Bei der Kalterbrütung wer- betrieben. Die geschlüpften Jungfische Der Fischbestand im Hallwilersee hat den die Felcheneier bei niedrigen Was- werden dabei im See in geeigneter sich mit der Entwicklung des Sees sertemperaturen ausgebrütet. Dies er- Wassertiefe, d. h. unterhalb des Berei- verändert. Die steigenden Nährstoff- folgt mit dem Ziel, die Larvenentwick- ches mit starker Sauerstoffübersätti- gehalte im Wasser führten zu verbes- lung und den Schlupf zu verzögern, gung, in würfelförmigen Netzen auf- serten Nahrungsbedingungen und ha- sodass man die Jungfelchen nach gezogen. ben als ersten Effekt den Fischbe- der kritischen Zeitperiode in den See Auch bei der Seeforelle kann mit dem stand und damit auch die Fangerträ- einsetzen kann. Die zweite Methode Fischbesatz ein entsprechender Be- ge erhöht. Die hohen Nährstoffeinträ- ist die Aufzucht der Jungfelchen in stand im See gehalten werden. Im ge führten jedoch auch zu einer Ver- Netzkäfigen im See. Diese Art der Hallwilersee wird jedoch nur ein sehr schlammung des Seegrundes und zu Felchenaufzucht wird an zahlreichen geringer Forellenbesatz betrieben. tiefen Sauerstoffwerten. Dadurch wur- de der Lebensraum für die Fische ein- geengt, es kam zu Fischsterben auf- grund von Sauerstoffmangel und ein- zelne Fischarten verloren ihre Laich- möglichkeit am Seegrund. Mit der Gesundung des Sees im Zuge der Seesanierung haben sich die Lebens- bedingungen für verschiedene Fisch- arten wieder verbessert. Durch die besseren Sauerstoffbedingungen im See kommen gut sichtbare Fischster- ben nicht mehr vor, und das für Fi- sche besiedelbare Wasservolumen hat sich wieder stark vergrössert. Die Se- dimentschichten am Seegrund sind geblieben und die Sauerstoffzehrung ist nach wie vor zu gross für eine aus- reichende natürliche Reproduktion des Hallwilersee-Balchens und der Seeforelle. Um diese Arten im See zu erhalten, braucht es immer noch ent- Edelkrebs sprechende Besatzmassnahmen. Ver- schiedene tolerante Fischarten, wie z. B. das Rotauge, konnten sich be- reits wieder gut im See etablieren. Es ist zu hoffen, dass sich auch die an- spruchsvolleren Arten erholen und selbstständig im See halten können. Hierfür muss die Gesundung des Sees weitergehen, was noch einige Zeit beanspruchen wird.

Thomas Stucki

Burgunderblutalge

UMWELT AARGAU Sondernummer 24 Dezember 2007 39 Warum können sich die Felchen noch nicht natürlich vermehren?

Die Hallwilersee-Felchen können sich heute nicht natür- Damit ein Felchenbestand langfristig licherweise fortpflanzen, da ihre Eier auf dem schlammi- überlebt, müssen sich die Fische vor gen Seegrund ersticken. Eine Besserung ist erst dann zu dem Fang mindestens einmal fort- erwarten, wenn der See wieder deutlich nährstoffärmer pflanzen können. Dies kann durch na- geworden ist. türliche Weise im See geschehen oder aber durch den Fang von laich- reifen Fischen im See, deren Eier ab- Die Felchen, im Hallwilersee durch Eier im freien Wasser ab, wo sie von gestreift und im Bruthaus erbrütet den sogenannten «Hallwiler Ballen» den Männchen sogleich befruchtet werden. vertreten, gehören zu den häufigsten werden. Die Eier sinken dann auf den und wirtschaftlich wichtigsten Fischen Seegrund und bleiben bis zum Schlüp- unserer Seen. Die Geschlechtsreife fen der Brütlinge auf der Sediment- Felcheneier wird normalerweise gegen Ende des oberfläche liegen. Die geschlüpften ersticken im Schlamm zweiten oder dritten Lebensjahres er- Brütlinge oder Larven steigen schliess- Felchen sind für die natürliche Fort- reicht. Die Felchen pflanzen sich lich an die Seeoberfläche auf, wo sie pflanzung auf sauerstoffreiche Seen meist in den Monaten November bis schon bald zu fressen beginnen. mit höchstens mittlerer Nährstoffkon- Januar fort. Die Weibchen geben die zentration angewiesen. Damit die Fort-

Normal entwickelte Felcheneier im «Augenpunktstadium». Abgestor- Hallwiler Ballen bene Eier (linker und rechter Rand) sind undurchsichtig. Oben in der Mitte ein unbefruchtetes Ei. Der Durchmesser der Eier beträgt etwa 2,5 mm. (Aufnahme im Hellfeld)

Normal entwickelte Felcheneier im «Augenpunktstadium». Abgestor- bene Eier (linker und rechter Rand) sind undurchsichtig. Oben in der Mitte ein unbefruchtetes Ei. Der Frisch geschlüpfte Felchenbrütlinge beim Aufstieg an die Wasseroberfläche. Durchmesser der Eier beträgt etwa Die Brütlinge sind etwa 10 mm lang. 2,5 mm. (Aufnahme im Dunkelfeld)

40 Sondernummer 24 Dezember 2007 UMWELT AARGAU pflanzung im See funktioniert, muss rasch aufgezehrt, und die Sediment- mit ihrer unteren Seite zum Teil in ei- das Sediment ausreichend mit Sauer- oberfläche wird sauerstofffrei. ner sauerstofflosen Zone und ersti- stoff versorgt sein. Dabei spielt die Untersuchungen über die Entwick- cken langsam. Produktivität des Sees, d. h. die Belas- lung von Felcheneiern in Seen unter- Die Entwicklung von Felcheneiern im tung mit dem wichtigsten Algennähr- schiedlichen Nährstoffgehalts haben Hallwilersee wird von der Eawag seit stoff Phosphor, eine entscheidende ergeben, dass sich Felcheneier in der 1988 untersucht. Mithilfe einer Schlit- Rolle. In nährstoffarmen Seen können Regel nur dann normal entwickeln tendredge werden die Eier auf dem sich nur wenige Algen entwickeln, können, wenn die Gesamtphosphor- Seegrund unmittelbar vor dem erwar- deren Zersetzung nur wenig Sauer- konzentration im See weniger als teten Schlüpfzeitpunkt Ende Februar stoff verbraucht. Die Oberfläche des 30–40 Milligramm pro Kubikmeter be- eingesammelt und im Labor auf ih- Sediments in solchen Seen ist des- trägt. In stärker gedüngten Seen ster- ren Entwicklungsstand beurteilt. Von halb immer sauerstoffhaltig und er- ben praktisch alle Felcheneier im Lau- ganz wenigen Ausnahmen abgese- möglicht eine normale Entwicklung fe der Embryonalentwicklung ab, da hen konnten bisher keine normal ent- der Felcheneier, wie Mikrofotos im sie auf dem schlammigen Sediment wickelten, schlüpfbereiten Eier gefun- Hellfeld und Dunkelfeld zeigen. ersticken. Dabei spielt die Feinstruk- den werden. Praktisch alle Felchen- Anders in überdüngten Seen wie dem tur des Sediments und der Sauerstoff- eier sterben im Laufe ihrer Entwick- Hallwilersee. Die grosse Menge Al- verteilung eine wichtige Rolle. Fel- lung auf dem Sediment ab und er- gen, welche wegen der hohen Nähr- cheneier sind relativ schwer und sam- scheinen in den Proben vom See- stoffkonzentration jedes Jahr produ- meln sich immer in kleinen Vertiefun- grund als weisse oder verpilzte Eier. ziert wird, sinkt auf den Seegrund gen im Sediment an. Dort ist aber die Auch teilweise entwickelte, aber ab- und wird von Bakterien abgebaut. Sauerstoffversorgung ungünstig, weil gestorbene Embryonen sind zu beo- Wegen der zu grossen Menge orga- der Sauerstoff vom Sediment her lau- bachten. nischer Substanz wird der Sauerstoff fend aufgezehrt wird. Die Eier liegen

mg 02/l 024681012 10 9 8 7 6 5 sauerstoffreiches überstehendes Wasser 4 3 «Diffusive 2 Grenzschicht» Boot für den Einsatz der Schlitten- 1 Felchen- dredge zum Einsammeln von ei frisches organisches 0 Sediment zehrt Felcheneiern im Hallwilersee Sauerstoff! –1 –2 FeS Sulfidhaltige Zone, sauerstofffrei –3 –4 älteres Sediment, sauerstofffrei –5 mm

Schema eines Felcheneis, das sich auf dem Seegrund entwickelt. Die vertikale Kurve zeigt den effektiven Verlauf der Sauerstoffkonzentration in Sedimentnähe. Auf dem unebenen Sediment liegt eine dünne Wasser- schicht von etwa 1 mm Dicke, innerhalb welcher der Stoffaustausch durch Diffusion erfolgt («Diffusive Grenzschicht»). Das zuoberst liegende Sedi- ment aus frisch abgestorbenen Planktonorganismen (Algen, Kleinkrebse) zehrt Sauerstoff, der aus dem überstehenden Wasser durch Diffusion nachgeliefert wird. Wegen der hohen Zehrung fällt die Sauerstoffkonzent- ration an der Sedimentoberfläche auf null. Dies führt zum langsamen Absterben der Felcheneier. Etwas tiefer liegende Sedimentschichten sind sauerstofffrei und enthalten schwarzes Eisensulfid sowie den für Fischeier Schlittendredge für das Einsammeln giftigen Schwefelwasserstoff. von Felcheneiern

UMWELT AARGAU Sondernummer 24 Dezember 2007 41 Die Existenz des Felchenbestands im nomen ist auch an anderen über- Hallwilersee hängt deshalb weiterhin düngten Seen immer wieder zu beo- von den Einsätzen von Brütlingen und bachten. angefütterten Jungfischen aus den Extrem hohe Sauerstoffsättigungs- Fischbrutanstalten ab. Solange sich werte nahe der Seeoberfläche treten der See in einem weiterhin überdüng- in überdüngten und damit hoch pro- ten Zustand befindet, ist auch nicht duktiven Seen in den Monaten April damit zu rechnen, dass sich die Fel- und Mai regelmässig als Folge der chen selbst wieder fortpflanzen kön- starken Algenentwicklung und der da- nen. Daran ändert leider auch die Be- mit verbundenen hohen Sauerstoff- Felcheneier vom Grund des Hallwiler- lüftung des Sees mit Sauerstoff nichts, produktion bei Schönwetterperioden sees, eingesammelt mit der Schlit- da die hohe Algenproduktion, welche auf. Sie bewirken das sogenannte tendredge am 25. Februar 2004. das Hauptübel für die Eientwicklung Gasblasensyndrom («Gasblasenkrank- Einige Eier sind teilweise entwickelt, am Seegrund darstellt, dadurch nicht heit»), das zum Tode der Jungfische mit den Augenanlagen sichtbar. verringert wird (siehe Beitrag A. Wüest führt, welche sich zu dieser Jahreszeit Milchig weisse Embryonen sind auf in diesem Heft). Auch eine dauernd nahe der Seeoberfläche aufhalten. Es einem frühen Entwicklungsstadium hoch gehaltene Sauerstoffkonzentra- äussert sich dadurch, dass im Körper abgestorben, nur ein Embryo lebt tion am Seegrund vermag der gros- der kleinen Fischchen Sauerstoffbla- noch (oben Mitte rechts). Helle Eier sen Sauerstoffzehrung nicht entge- sen ausperlen, was die Fische an die sind unbefruchtet, abgestorbene Eier genzuwirken. Nur eine weitere deut- Wasseroberfläche treibt und zum Tode erscheinen trübe-undurchsichtig. Ein liche Senkung der Phosphorkonzent- der Fischchen durch Verhungern oder abgestorbenes Ei ist mit Pilzfäden ration im See könnte die natürliche Gefressenwerden führt. bewachsen. Fortpflanzung der Hallwiler Ballen Das unterschiedlich gute Überleben langfristig wiederherstellen. der (eingesetzten) Jungfelchen hängt somit weitgehend von meteorologi- schen Faktoren ab, welche von Jahr Fischsterben zu Jahr schwanken und eine Progno- wegen Gasblasensyndrom se der Jahrgangsstärke aufgrund der Die wohl wichtigste Ursache für den Einsatzzahlen sehr erschweren. Nebst oft schlechten Felchenbestand im Hall- dem Gasblasensyndrom können aber wilersee ist – nebst der fehlenden na- auch Raubfische wie Barsche die Fel- türlichen Fortpflanzung – ein Massen- chenjahrgänge in wechselndem Mas- sterben der (eingesetzten) Jungfel- se dezimieren. chen im See, welches als Folge hoher Sauerstoffübersättigung im späten Rudolf Müller Frühling eintreten kann. Dieses Phä-

42 Sondernummer 24 Dezember 2007 UMWELT AARGAU Die Phosphorbelastung des Hallwilersees nimmt ab

Zuflussuntersuchungen zeigen die Wirkung der Massnah- men zur Reduktion der Nährstoffbelastung des Sees. Ent- Zuflussuntersuchungen scheidenden Erfolg brachte die fortschreitende Gesundung 1988–1990 des Baldeggersees. Die neusten Untersuchungen ab 2004 Der Hallwilersee wurde Ende der belegen weitere Verminderungen der Belastung durch die 1990er-Jahre jährlich mit 6,4 Ton- direkten Zuflüsse zum Hallwilersee. Das Reduktionsziel für nen Gesamtphosphor belastet. Der die Massnahmen des Phosphorprojektes im Jahr 2010 ist Hauptzufluss Aabach brachte mit erreichbar. 2,6 Tonnen allein 40 Prozent der Gesamtbelastung aus dem Bal- deggersee. Die gemessenen klei- Die Nährstoffkonzentration im See Die Erfassung von neren Zuflüsse und das übrige wird ursächlich durch die Belastung Phosphorfrachten in Einzugsgebiet trugen zusammen aus dem Einzugsgebiet bestimmt. Fliessgewässern ist aufwendig 2,8 Tonnen pro Jahr (43 Prozent) Beim Hallwilersee ist Phosphor der Die Fracht eines Stoffes berechnet bei. Die ARA Hitzkirchertal leitete entscheidende Nährstoff für das Al- sich aus dessen Konzentration im 0,23 Tonnen pro Jahr direkt in genwachstum. Um die Wirkung der Wasser und der gleichzeitig abflies- den See ein, während über Nie- seeexternen Massnahmen zu beurtei- senden Wassermenge im Bach. Bei- derschläge 0,85 Tonnen auf die len, müssen wir die Belastung durch de Grössen variieren stark. Bei Gewit- Wasseroberfläche des Sees depo- die massgeblichen Quellen erfassen. tern kann der Abfluss bis hundertmal niert wurden. Dies geschieht durch Zuflussuntersu- mehr als der Trockenwetterabfluss chungen. Beim Hallwilersee werden betragen. Aber auch der Phosphorge- Die Differenz zwischen der Ge- die Einträge aus dem oben liegenden halt des Wassers schwankt mit dem samtbelastung und dem aus dem Baldeggersee, den Zuflüssen aus dem Abfluss. Bei Regen wird Phosphor See abfliessenden Phosphor von direkten Einzugsgebiet zum See, der von Böden und Verkehrsflächen ab- 4,2 Tonnen pro Jahr entspricht ARA Hitzkirchertal in Mosen und den geschwemmt und aus drainierten Bö- ungefähr dem in den Sedimenten Niederschlägen bestimmt, welche di- den ausgewaschen. Mit zunehmen- abgelagerten Phosphor. Dieser rekt auf die Seeoberfläche fallen. dem Abfluss steigt dadurch die Phos- Anteil betrug damals weniger als Bereits in den 1950er-Jahren – lange phorkonzentration im Bach an. Um- 50 Prozent. Bei gesunden Seen vor dem Bau von Abwasserreinigungs- gekehrt führte früher die stetige Be- hingegen bleibt der Grossteil des anlagen – wurden erste Zuflussunter- lastung mit ungereinigtem Abwasser Phosphors im Sediment. suchungen am Hallwilersee durchge- zu hohen Konzentrationen bei Tro- führt. Damals betrug die Belastung ckenwetter. Denn unter solchen Um- des Hallwilersees noch 6,5 Tonnen ständen mit geringer Verdünnung des Gesamtphosphor pro Jahr. Bis Ende Bachwassers ist die Konzentration ent- der 1970er-Jahre nahm die Phosphor- sprechend gross. Das Beispiel Dorf- belastung – als Folge des schlechten bach Meisterschwanden 2004 zeigt Zustands des Baldeggersees – auf diese Zusammenhänge anhand der rund 16 Tonnen pro Jahr massiv zu. gemessenen Konzentrationen von ge- Die Zuflussuntersuchungen von 1988 löstem Phosphor bei verschiedenen bis 1990 belegten die ersten Erfolge Abflusssituationen. der Abwassersanierung im Kanton Zur Berechnung der Jahresfracht wird Luzern und der Sanierung des Baldeg- zunächst mit statistischen Methoden gersees. Mit dem Phosphorprojekt für jede Messstelle eine optimale Funk- 2001 bis 2010 beschlossen die Kanto- tion zwischen der Phosphorkonzent- ne Aargau und Luzern erneut gemein- ration und dem Abfluss bestimmt. Mit- same Zuflussuntersuchungen am Hall- hilfe der täglichen Abflussmittelwerte wilersee, um die Wirkung der Mass- wird schliesslich die Jahresfracht des nahmen in der Landwirtschaft zu do- Gewässers berechnet. Das nicht durch kumentieren. Erste Ergebnisse liegen Messungen erfasste Resteinzugsge- Phosphorbilanz 1988–1990: nun vor. biet lässt sich mittels flächenspezifi- Phosphoreintrag in den Hallwilersee scher Faktoren hochrechnen. nach Hauptquellen und Phosphor- austrag mit dem Seeabfluss (Tonnen pro Jahr).

UMWELT AARGAU Sondernummer 24 Dezember 2007 43 Dorfbach Meisterschwanden 2004 100 ) 3 80

60

40

20 Gelöster Phosphor (mg/m

0 0,0 0,2 0,4 0,6 0,8 1,0 1,2 1,4 Abfluss (m3/s) Messung F1 = C = Var1/Q+Var2*Q^Var3 F2 = C = Var1/Q+Var2*ln(Q+1) Bei Hochwasser steigt der Wasser- F3 = C = Var1/Q+Var2*(1-e^-Var3*Q) stand und der Probensammler füllt Die Konzentration des gelösten, algenverfügbaren Phosphors (C) hängt ab sich. Durch Regulierung der aus- vom Abfluss (Q). Für die Berechnung der Jahresfracht wird diejenige strömenden Luft kann die Füllrate Funktion verwendet, die den geringsten statistischen Fehler ergibt vorgegeben werden. (hier F2).

Gemeinsame Untersuchungen Stofffracht aus dem Baldeggersee er- ken im See rasch auf den Grund. Zu- durch Aargau und Luzern halten wir von einer entsprechenden dem wird mineralisch an Boden ge- Seit 2004 werden an bedeutenden Bä- Untersuchung des Kantons Luzern bundener Phosphor nur langsam im chen rund um den See sieben Mess- vom Aabach. Die ARA Hitzkirchertal Wasser gelöst. Aufgrund dieser Er- stellen betrieben: Gerbibach, Altwiser- untersucht ihre gereinigten Abwäs- kenntnisse haben wir die Phosphor- bach, Vorderbach und Hinterbach im ser regelmässig selbst. Die Nieder- frachten der zwischen 1988 und 1990 Kanton Luzern sowie die Dorfbäche schlagsdaten stammen von Messsta- untersuchten Bäche auf den algen- in Meisterschwanden, Tennwil und tionen der MeteoSchweiz. verfügbaren Anteil reduziert und mit Birrwil im Kanton Aargau. Die Zufluss- den 2004 untersuchten Bächen ver- untersuchung wird von den Gewäs- Weniger gelöster Phosphor glichen. Die Abnahme der relevanten serschutzfachstellen der beiden Kan- in den Bächen Belastung ist markant! 2004 lag die tone und dem Luzerner Gemeinde- Wissenschaftliche Untersuchungen Fracht an gelöstem Phosphor durch- verband Baldegger- und Hallwilersee während der 1990er-Jahre zeigten, schnittlich noch bei einem Viertel der getragen. Weitere Fachstellen und pri- dass bei den Bächen hauptsächlich Fracht vor 15 Jahren. vate Auftragnehmer wirken mit. Die der gelöste Phosphor für Algen im Auch wenn das Jahr 2004 eher trocke- Abflussmessung erfolgt durch konti- See verfügbar ist. Schwebstoffe sin- ner war als die Vergleichsperiode, so nuierliche Aufzeichnung des Wasser- standes mittels Drucksonde an ge- eichten Bachschwellen. Alle 22 Tage Jahresfrachten an gelöstem, algenverfügbarem Phosphor werden mit einem speziellen Sam- in Zuflüssen zum Hallwilersee 1988–1990 und 2004 melgefäss Tagesmischproben erho- Gelöste Phosphorfracht 1988–90 2004 Einzugsgebiet (km2) ben. Für die Beprobung von Regen- (Tonnen/Jahr) ereignissen werden die Sammelge- Altwiserbach 0,148 0,023 2,35 fässe zwischenzeitlich angehoben, sodass sie sich nur bei erhöhtem Ab- Vorderbach 0,230 0,051 8,04 fluss füllen. Das Labor der Abteilung Hinterbach 0,078 0,020 1,94 für Umwelt untersucht die Wasser- Db. Meisterschwanden 0,178 0,051 7,13 proben auf den Gehalt an Schweb- Dorfbach Tennwil 0,033 0,012 0,97 stoffen, Gesamtphosphor, gelöstem Phosphor, Ammonium und Nitrat. Dorfbach Birrwil 0,034 0,005 1,29 Am Seeausfluss beim Schloss Hallwil Der Rückgang der Belastung ist markant, auch wenn 2004 ein eher werden Stichproben erhoben. Die trockenes Jahr war.

44 Sondernummer 24 Dezember 2007 UMWELT AARGAU P-Belastung aus dem Baldeggersee Belastung durch 12 die ARA Hitzkirchertal Während die Abwässer aus den aar- gauischen Gemeinden unterhalb des 10 Hallwilersees gereinigt werden und Trend: y = 0,028x so rund 5 Tonnen Phosphor pro Jahr 8 Belastung 2000 Zwischenziel 2010 vom See ferngehalten werden, leitet Sanierungsziel die ARA Hitzkirchertal die gereinigten 6 Abwässer bedeutender luzernischer Gemeinden via eine Seeleitung in 4 rund 13 Metern Tiefe bei Mosen in 2,8 t/a P den Hallwilersee. Die ARA ist seit Be-

P-Fracht aus Baldeggersee (t/a) P-Fracht 2 1,4 t/a P triebsbeginn 1983 mit einer Phosphor- 0,8 t/a P elimination durch chemische Fällung 0 ausgerüstet. Sie weist für dieses Ver- 0 50 100 150 200 250 300 350 fahren einen überdurchschnittlichen Phosphorkonzentration Baldeggersee (mg/m3) Wirkungsgrad von rund 90 Prozent auf. Angaben AG Angaben LU Der Phosphor im gereinigten Abwas- Die Phosphorbelastung aus dem Baldeggersee für ein durchschnittliches ser enthält keine leicht absetzbaren hydrologisches Jahr kann mit dem Trend zwischen gemessener P-Fracht Anteile mehr und verbleibt daher lan- aus dem See und der Phosphorkonzentration im See selbst geschätzt ge im Seewasser für Algen verfügbar. werden. Das Zwischenziel 2010 bedeutet für den Baldeggersee 50 mg/m3 Die jährliche Gesamtphosphorfracht und das Sanierungsziel 30 mg/m3 Gesamtphosphor im Seewasser. der ARA Hitzkirchertal betrug seit 1982 durchschnittlich 0,31 Tonnen. In ein- zelnen Jahren wurde die ARA aller- dings übermässig durch industrielle belegen diese Resultate weitere gros- 100 mg/m3, womit durchschnittlich Abwässer belastet. Durch angeord- se Fortschritte im Gewässerschutz: 2,8 Tonnen Phosphor pro Jahr aus nete Vorbehandlungsanlagen bei den  Abwassersanierung im ländlichen diesem See in den Hallwilersee flos- Nahrungsmittel verarbeitenden Be- Raum sen. Heute liegt die die Phosphorkon- trieben konnte die Reinigungsleis-  Verbesserung der Regenwasser- zentration des Baldeggersees bei rund tung der ARA jeweils wiederherge- behandlung 50 mg/m3, womit der durchschnittli- stellt werden.  Ökologischere Ausrichtung der che Eintrag in den Hallwilersee bei Die Phosphorbelastung aus der Sied- Landwirtschaft 1,4 Tonnen Phosphor pro Jahr liegt. lungsentwässerung durch Überlauf bei  Massnahmen Phosphorprojekte Die im Jahr 2004 effektiv gemessene Regenwetter wird bei den Messun- Fracht lag bei 1,42 Tonnen Phosphor. gen der Zuflüsse miterfasst. Sie wur-

Belastung aus dem Baldeggersee Der Hallwilersee erhält via Aabach vom Baldeggersee rund die Hälfte P-Eintrag durch ARA Hitzkirchertal des Wassers. Der Abfluss beträgt im 1,0 Jahresmittel 1,3 m3/s. Der Phosphor- gehalt des Seeauslaufs wird nicht durch kurzfristige Niederschlagsereig- 0,8 nisse beeinflusst, sondern durch den Phosphorgehalt des Sees. Neben ge- löstem Phosphat enthält das Seewas- 0,6 ser vor allem im Plankton gebunde- nen organischen Phosphor. Der ge- 0,4 samte Phosphor gilt in diesem Fall als algenverfügbar.

Für ein durchschnittliches hydrologi- Gesamtphosphor (t/Jahr) 0,2 sches Jahr besteht ein linearer Zu- sammenhang zwischen der Phosphor- 0,0 konzentration im Baldeggersee und 1982 1986 1990 1994 1998 2002 dem Export über den Aabach. Vor dem Jahr 2000 lag die Phosphorkon- Die Phosphorbelastung durch die ARA Hitzkirchertal war in einzelnen zentration im Baldeggersee bei rund Jahren erhöht.

UMWELT AARGAU Sondernummer 24 Dezember 2007 45 de für die Jahre 1988 bis 1990 auf rund Als Zwischenziel für das Jahr 2010 Bereits die Belastung aus dem Baldeg- 0,2 Tonnen pro Jahr geschätzt. Re- wurde eine Halbierung sämtlicher gersee erreichte die Vorgabe für das genwasserbehandlungsanlagen reini- Teilquellen ins Auge gefasst. Davon Jahr 2010. Die direkten Zuflüsse zum gen heute diese Entlastungen zusätz- ausgenommen ist die nicht beein- See übertrafen in diesem Jahr sogar lich. Nach entsprechenden Gewässer- flussbare Deposition auf den See. Für die Vorgaben. Allerdings ist zu be- begehungen und Sanierungen sind den Baldeggersee bedeutet dies ei- rücksichtigen, dass 2004 ein eher tro- heute keine unzulässigen Abwasser- nen durchschnittlichen Phosphorge- ckenes Jahr war. Die laufende Aus- einleitungen mehr bekannt. halt von 50 mg/m3 im See (Zielvorga- wertung der Periode 2004 bis 2006 Trockene und nasse Depositionen von be des Phosphorprojektes Baldegger- dürfte etwas höhere, aber repräsen- Phosphor direkt auf den See tragen see). Die Belastung durch die direkten tativere Werte ergeben. Das Ziel für mit rund 0,9 Tonnen Phosphor zur Zuflüsse zum Hallwilersee sollte mit 2010 ist jedoch auch hier erreichbar. Belastung bei. Über die Herkunft des den Massnahmen des Phosphorpro- Um das gesteckte Ziel bezüglich ei- Phosphors in Staub und Niederschlä- jektes innert der Projektdauer von 10 nes Abwasseranteils von 0,1 Tonnen gen ist wenig bekannt. Vereinzelte Jahren das langfristig tolerierbare Phosphor zu erreichen, ist in der ARA Untersuchungen zeigen jedoch, dass Mass der Belastung durch die Land- Hitzkirchertal eine Filtration des ge- sich die Berechnungsfaktoren wenig wirtschaft weitgehend erreichen. Bei reinigten Abwassers ins Auge zu fas- verändert haben. der ARA Hitzkirchertal braucht es eine sen. Dieser Verfahrenszusatz kann die weitere Reduktion des Phosphors im Phosphorelimination bis auf 95 Pro- gereinigten Abwasser, denn mit dem zent verbessern und ist heute in vie- Sind die Ziele erreichbar? Rückgang der Gesamtbelastung wird len empfindlichen Einzugsgebieten Als Grundlage für das Phosphorpro- zukünftig der Abwasseranteil für den von Seen Standard. jekt Hallwilersee wurde zu Projekt- Seezustand wieder relevant. Für das Die Gesundung des Hallwilersees beginn im Jahr 2000 die Herkunft der Jahr 2010 ergibt die Summe ein Be- hängt letztlich ab vom Erfolg der Sa- Phosphorbelastung für ein durch- lastungsziel von 3,2 Tonnen algenver- nierung des Baldeggersees. Dessen schnittliches hydrologisches Jahr ge- fügbaren Phosphors. Zur nachhalti- Phosphorgehalt, der in den letzten schätzt. Die Gesamtbelastung mit al- gen Gesundung des Hallwilersees wird Jahren regelmässig weniger als 50 genverfügbarem Phosphor betrug aber eine weitere Belastungsreduk- mg/m3 betrug, stimmt für die lang- 5,5 Tonnen pro Jahr. Davon stamm- tion auf weniger als 2,5 Tonnen algen- fristige Gesundung des Hallwilersees ten 2,8 Tonnen (51 %) aus dem Bal- verfügbaren Phosphors notwendig. zuversichtlich. Entscheidend wird aber deggersee, 1,51 Tonnen (28 %) ge- sein, dass die Ziele nicht nur erreicht, langten durch Zuflüsse des direkten sondern auch gehalten werden kön- Einzugsgebietes in den Hallwilersee, Handlungsbedarf nen. die ARA Hitzkirchertal war mit 0,3 besteht beim Baldeggersee Tonnen (5 %) und die Deposition auf Die gemessene Belastung des Hallwi- Arno Stöckli dem See mit 0,9 Tonnen Phosphor lersees mit algenverfügbarem Phos- Robert Lovas (16 %) beteiligt. phor im Jahr 2004 ergab 2,94 Tonnen.

Herkunft der Phosphorbelastung des Hallwilersees

Algenverfügbarer Stand Jahr Ziel Ziel Phosphor (Tonnen/Jahr) 2000 2004 2010 Sanierung

Abfluss Baldeggersee 2,8 1,42 1,4 0,8

Zuflüsse Hallwilersee LU 1,01 0,22 0,50 0,45

Zuflüsse Hallwilersee AG 0,50 0,12 0,25 0,22

Zuflüsse Einzugsgebiet 1,51 0,34 0,75 0,67

ARA Hitzkirchertal 0,3 0,32 0,15 0,1

Deposition auf See 0,9 0,86 0,9 0,9

P-Belastung Hallwilersee 5,5 2,94 3,2 2,5

Stand der Phosphorbelastung des Hallwilersees im Vergleich zum Zwischenziel für das Phosphorprojekt 2010 und dem Ziel für die nachhaltige Sanierung. Erste Auswertungen der Zuflussuntersuchungen für das Jahr 2004 zeigen, dass die Ziele erreichbar sind.

46 Sondernummer 24 Dezember 2007 UMWELT AARGAU Seesanierung erfordert zusätzliche Massnahmen

Der überwiegende Teil der Belastung des Hallwilersees mit beurteilt. Im direkten Einzugsgebiet algenverfügbarem P stammt aus der Luzerner Landwirt- des Hallwilersees sind 47 % der Lu- schaft. Hier besteht das grösste Potenzial zur Verminde- zerner Böden und 36 % der Aargauer rung der P-Belastung des Sees. Eine nachhaltige Sanierung Böden mit Phosphor überversorgt erfordert zusätzliche Massnahmen gegen die anhaltende (Klassen D und E, gemäss Tabelle Überdüngung eines Teils der Böden im Einzugsgebiet des nächste Seite). Sie enthalten zu viel Baldegger- und des Hallwilersees. pflanzenverfügbares Phosphat und be- lasten damit die Wasserqualität des Sees unnötig stark. In Seen wird das Wachstum von grösste Potenzial zu seiner Sanierung Diesem akuten Problem kann nur mit Algen durch die Zufuhr von in der Luzerner Landschaft. einer vorübergehend deutlich negati- algenverfügbaren Phosphorver- Das Sanierungsziel, die P-Belastung ven Düngerbilanz begegnet werden, bindungen bestimmt. des Sees deutlich zu vermindern, ruft denn zwischen der P-Konzentration im Die Aufschlüsselung der aktuellen nach einer Verkleinerung der boden- Bodenwasser und der P-Versorgung Phosphor-(P-)Frachten zum Hallwi- bürtigen Frachten. Der vorliegende im Oberboden besteht ein direkter, lersee illustriert auf einen Blick: Die Artikel setzt realistische Ziele und er- wissenschaftlich gesicherter Zusam- Qualität des grössten Aargauer Sees klärt, weshalb bei fortgeführter Über- menhang (siehe Beitrag «Phosphor- ist zu mehr als 90 % fremdbestimmt: düngung der Böden die bisher beo- verluste aus überdüngten Böden» in 77 % seiner Belastung mit algenver- bachtete Verbesserung der Wasser- diesem Heft). Die Lösung scheint ein- fügbarem P stammen aus dem Kan- qualität nur vorübergehender Natur fach zu sein: Da im Durchschnitt dem ton Luzern und 17 % aus der Atmo- ist. Eine anhaltend verminderte Be- Boden mit der Ernte etwa 30 Kilo- sphäre. 58 % seiner P-Belastung reicht lastung des Sees mit algenverfügba- gramm Phosphor pro Hektare und der Baldeggersee an den Hallwiler- rem P verlangt eine Verschärfung der Jahr (kg P/ha Jahr) entzogen werden, see weiter. Somit tragen die Luzerner Richtlinien des Ökologischen Leis- soll so lange weniger als 30 kg P/ha Böden im Einzugsgebiet des Baldeg- tungsnachweises (ÖLN-Richtlinien). Jahr gedüngt werden, bis die P-Dün- gersees 1,9 Tonnen/Jahr zur Über- gertestzahl wieder einen Wert zwi- düngung des Hallwilersees bei. Luzer- schen 6 und 12,5 erreicht. Der Boden ner Böden, die unterhalb des Baldeg- Wie lässt sich die bodenbürtige ist aber ein sehr langsam reagieren- gersees liegen, fügen noch 1,0 Ton- Phosphatfracht verkleinern? des Reservoir. Es wird Jahre bis Jahr- nen/Jahr dazu. Die insgesamt 2,9 Die Ursache für die hohen P-Verluste zehnte dauern, um dieses Ziel zu er- Tonnen/Jahr entsprechen 55 % der der Böden liegt in ihrer jahrelangen reichen. Belastung des Hallwilersees mit al- Überdüngung. Die P-Versorgung des genverfügbarem P. Daher liegt das Bodens wird mit Düngertestzahlen Was verlangen die Vorschriften? Die ÖLN-Richtlinien für den ökologi- Belastung des Hallwilersees (HA) und des Baldeggersees (BA) schen Leistungsnachweis stehen im mit algenverfügbarem Phosphor, aufgeschlüsselt auf die Quellen Widerspruch zu dieser Forderung. Sie Boden, Luft und Abwasser im Jahr 2000 (Angaben in t P/Jahr) erlauben jedes Jahr eine Düngung, die den P-Bedarf der Pflanzen um 10 % (rund 3 kg P/ha Jahr) übertrifft. Ohne ÖLN dürfen die landwirtschaft- lichen Betriebe dem Boden im Ein- zugsgebiet der Mittellandseen sogar alljährlich etwa 13 kg P/ha zu viel zu- führen, ohne das Gewässerschutzge- setz zu verletzen. Dies verschärft das Überdüngungs- problem, anstatt es zu lösen: Die Ka- pazität der Böden zur Aufnahme von P ist beschränkt. Wenn die Böden der- einst mit P gesättigt sind, werden die-

UMWELT AARGAU Sondernummer 24 Dezember 2007 47 P-Versorgungsgrad der Böden im direkten Einzugsgebiet Szenario a des Hallwilersees und aus der Sicht des Gewässerschutzes In den 1950er- und 1960er-Jahren wur- zu beachtende Düngevorschriften de 0,35 kg algenverfügbarer P/ha Jahr Kt. Kt. aus landwirtschaftlich genutzten Mit- P-Ver- Nötige Massnahme P-Testzahl Klasse AG LU tellandböden ausgewaschen. Heute sorgung zum Schutz der Seen % % sind es 0,5 bis 5,5 kg P/ha Jahr. Wir 0–2,5 A arm 1 2 nehmen an, dass der Wert von 0,35 3–5,5 B mässig 21 12 kg P/ha Jahr etwa dem P-Verlust von Böden der Versorgungsklasse C ent- P-Entzug durch 6–12,5 C genügend 42 39 Pflanzen zu 100 % spricht. Bei P-gesättigten Böden wer- kompensieren den die jährlichen Gesamt-P-Verluste P-Entzug durch Pflan- die jährliche Überdüngung kompen- 13–25,5 D Vorrat 26 30 zen nur zu 20–80 % sieren. Es sind somit 3 kg P/ha Jahr kompensieren für ÖLN-Betriebe und 13 kg P/ha Jahr Auf P-Düngung >26 E angereichert 10 17 auf Nicht-ÖLN-Betrieben zu erwarten. verzichten Geht man davon aus, dass davon im Mittel etwa 44 % gelöst sind, so ent- spricht das einem Gewässereintrag se Überschüsse zu 100 % in die Ge- auf die Gewässerqualität des Sees von 1,3 kg algenverfügbarem P/ha wässer gelangen. Zwar ist es unbe- auswirken). Wir können die künftige Jahr für ÖLN-Betriebe und von 5,7 kg stimmt, wann dieser Zustand erreicht P-Fracht zum Hallwilersee für die Sze- algenverfügbarem P/ha Jahr für kon- sein wird, aber es ist einleuchtend, narien, dass (a) die bisher angewen- ventionelle Betriebe. dass er erreicht werden wird. Um die- dete Düngepraxis mit dem freiwilli- Bei unveränderter Art der Bewirtschaf- sem rasanten Anstieg der bodenbür- gen Anreizsystem fortgeführt wird, tung und unverändertem Beteiligungs- tigen P-Belastung zuvorzukommen, oder (b) alle ÖLN-Betriebe die P-Über- grad am P-Verminderungs-Programm verpflichtet der Art. 14 des Gewässer- schüsse in ihren Böden abbauen müs- lässt sich also die zukünftige P-Belas- schutzgesetzes die Kantone, für ge- sen, einfach abschätzen. tung der Seen abschätzen. Die Belas- fährdete Gebiete verschärfte Vorschrif- ten zu erlassen.

Prognostizierte Belastung des Hallwilersees mit algenverfügbarem P Können finanzielle Anreize ver- (Szenario a) schärfte Vorschriften ersetzen? Fläche bodenbürtig Frachten P-Quelle Die Regierungen der Kantone Aargau ha kg P/ha t P/Jahr und Luzern verzichteten bis jetzt da- Luzerner Böden unter rauf zu verordnen und versuchten ihr 1890 0,35 0,66 Seevertrag Ziel mit finanziellen Anreizen zu errei- Luzerner Böden von chen: Jedes Kilogramm Phosphat, das 664 1,3 0,86 ÖLN-Betrieben nicht als Dünger ausgebracht wird, Luzerner Böden von wird mit 15 Franken entschädigt. Im 33 5,7 0,19 konventionellen Betrieben Jahr 2004 wurden dafür im Einzugs- Aargauer Böden mit gebiet des Hallwilersees 239’130 Fran- 450 0,35 0,16 reduzierter P-Bedarfs-Deckung ken und in jenem des Baldeggersees Aargauer Böden von 259’500 Franken ausbezahlt. Dank die- 713 1,3 0,93 ser Massnahmen werden in einem ÖLN-Betrieben Aargauer Böden von Teil der Böden die bereits vorhan- 37 5,7 0,21 denen P-Überschüsse langsam abge- konventionellen Betrieben baut. Landwirtschaftsbetriebe, die sich Abfluss Baldeggersee* 3,38 nicht an den Programmen zur See- Luft** 0,68 sanierung beteiligen, können aber Abwasser** 0,23 ihre Böden weiterhin legal mit P an- reichern. Total 7,30 Langfristig führen diese Massnahmen * Annahme gleiches Verhältnis von Export/Zufuhr wie im Mittel dazu, dass die Böden jener Betriebe, von 2000 bis 2004 (uwe, 2005) ** P-Projekt Hallwilersee (2000) die sich am Programm beteiligen, der Versorgungsklasse C angehören (das Langfristig zu erwartender Austrag von algenverfügbarem P aus Böden bei ist erstrebenswert) und die übrigen unveränderter Fortführung der landwirtschaftlichen Praxis (Vergleichsjahr mit P gesättigt sind (das wird sich, 2004) und anhaltender Ausnützung der heute geltenden Hofdüngerkontin- wie unten gezeigt wird, katastrophal gente durch ÖLN- und konventionelle Betriebe

48 Sondernummer 24 Dezember 2007 UMWELT AARGAU Prognostizierte Belastung des Hallwilersees mit algenverfügbarem P (Szenario b) Fläche bodenbürtig Frachten P-Quelle ha kg P/ha t P/Jahr Luzerner Böden unter 1890 0,35 0,66 Seevertrag Luzerner Böden von 664 0,35 0,23 ÖLN-Betrieben Luzerner Böden von 33 5,7 0,19 konventionellen Betrieben Aargauer Böden mit 450 0,35 0,16 reduzierter P-Bedarfs-Deckung Aargauer Böden von 713 0,35 0,25 ÖLN-Betrieben Aargauer Böden von 37 5,7 0,21 konventionellen Betrieben Abfluss Baldeggersee* 2,26 Luft** 0,68 Abwasser** 0,23 Total 4,87

* Annahme gleiches Verhältnis von Export/Zufuhr wie im Mittel von 2000 bis 2004 (uwe, 2005) ** P-Projekt Hallwilersee (2000)

Prognostizierte Belastung des Hallwilersees mit algenverfügbarem P unter der Annahme, dass die ÖLN-Richtlinien verschärft und die P-Überschüsse aller Böden, die einem Seevertrag oder ÖLN-Vertrag unterstehen, abgebaut werden

tung des Baldeggersees wird von ak- Fazit tuell 4,8 t/Jahr auf 5,8 t/Jahr und jene Wir freuen uns mit allen an der bis- des Hallwilersees von 5,3 t/Jahr auf her erreichten vorübergehenden Qua- 7,3 t/Jahr ansteigen. Bei konsequen- litätsverbesserung des Hallwilersees. ter Fortführung des gegenwärtigen Wir warnen aber dennoch ausdrück- kostspieligen Anreizsystems wird sich lich davor, wie bis anhin fortzufahren. die Wasserqualität der beiden Seen Die blinde Hoffnung auf eine unend- also nicht weiter verbessern, sondern lich grosse Phosphor-Bindungskapa- – langfristig – wieder deutlich ver- zität der Böden ist verlockend, aber schlechtern. falsch. Um nicht später mit viel grös- serem Aufwand grössere P-Über- schüsse abbauen und länger auf den Szenario b Sanierungserfolg warten zu müssen, Wenn es den Kantonen Aargau und raten wir deshalb den Regierungen Luzern gelingt, mit verschärften Vor- der Kantone Aargau und Luzern drin- schriften oder mit anderen Massnah- gend, nicht weiter zuzuwarten, son- men die Böden aller ÖLN-Betriebe in dern rasch zu handeln. die Versorgungsklasse C zurückzufüh- ren, so wird die heutige P-Belastung René Gächter des Baldeggersees um etwa 20 % und Beat Müller jene des Hallwilersees um 10 % ver- mindert. Im Vergleich zur aktuellen Belastung entspricht dies nur einer Verdankungen leichten Verbesserung, im Vergleich Wir danken Josef Blum, Arno zum Szenario a aber einer deutlichen Stöckli und Christoph Ziltener für Verbesserung. das Bereitstellen von Grundlagen- material.

UMWELT AARGAU Sondernummer 24 Dezember 2007 49 Von der Praxis zur Wissenschaft und zurück – Erfahrungen der Eawag

Als Anfang der 1980er-Jahre in den Mittellandseen die klare Ziele gewiesen wurden. Dank ersten Gehversuche mit Belüftung von Tiefenwasser ge- der Daueruntersuchungen der beiden macht wurden, war das Verständnis über Seen noch «ein- Kantone stand eine grosse Daten- fach und klar». Dank einem weltweit einzigartigen «Expe- grundlage zu den Seen und Einzugs- riment» war es möglich, unter kontrollierten Bedingungen gebieten zur Verfügung. Andererseits in realer Umwelt neue seeökologische Erkenntnisse zu flossen die Ergebnisse bei den Ge- gewinnen – ohne die gute Zusammenarbeit mit Partnern wässerfachstellen von Luzern und aus der Praxis wäre das nie in diesem Umfang möglich Aargau laufend in Planung (z. B. Be- gewesen. lüftung) und Prioritätensetzung (z. B. Massnahmen im Einzugsgebiet) ein. Die Umwelt kann auf sehr unter- Umwelt durchzuführen. Als Vorteil Die durch diese Zusammenarbeit ge- schiedliche Weise erforscht werden: erwies sich auch, dass von der Pra- wonnenen Forschungsergebnisse sind Während die einen die wohldefinier- xis Forschungsfragen gestellt und so- im Umfang einmalig: Das «Web-of- ten Bedingungen des Labors oder des mit vielen «akademischen» Projekten Science» weist weit über hundert Ein- Computers bevorzugen und dabei Einsichten von hohem Detaillierungs- grad gewinnen, bevorzugen andere den realen Einzelfall und versuchen, dem individuellen Charakter eines Ökosystems gerecht zu werden. Die Zusammenarbeit an den drei Mittel- landseen Hallwiler-, Baldegger- und Sempachersee entpuppte sich in die- ser Hinsicht als echter Glücksfall, denn sie erlaubte, die beiden Arbeitswelten zu kombinieren und Untersuchungen als «kontrollierte Experimente» in der

Daniel McGinnis beim Absenken Die moderne Messtechnik hat unser Verständnis der Wirkungsweise von einer Multisonde zum Erfassen von Blasenschleiern zur Belüftung von Seen verbessert. Beim alten Modell Temperatur-, Leitfähigkeits- und (oben) breitet sich das belüftete Tiefenwasser horizontal im See aus und Sauerstoffprofilen im See und zur sinkt grossräumig in die Tiefe ab. Nach heutigem Modellverständnis (unten) Vermessung des Blasenschleiers. finden im Nahbereich des Blasenschleiers hingegen intensive Mischungs- prozesse statt und der Sauerstoff wird durch einen gesteigerten turbulenten Transport im See verteilt.

50 Sondernummer 24 Dezember 2007 UMWELT AARGAU träge zu den inzwischen weltbekann- amerikanischen Kollegen aus Virgi- werden mussten. Aus diesen Erkennt- ten Mittellandseen auf, und dies zu nia die Struktur von Blasenschleiern nissen ergab sich schon bald die For- einer grossen Vielfalt von Themen. zu untersuchen (siehe Beitrag von derung, dass die Seen nur über die Diese reichen von der Analyse langer Moosmann und McGinnis in diesem Einzugsgebiete gesunden können. Dies Sedimentkerne und deren Informati- Heft). wiederum löste eine ganze Palette von onen zu Klima und menschlicher Tä- Das zweite Ziel, die Rücklösung von Untersuchungen aus zur Abschwem- tigkeit seit der letzten Eiszeit über Phosphat aus dem Sediment zu un- mung von Phosphor aus landwirt- geochemische Vorgänge an der Sedi- terbinden, welches sich aus absin- schaftlich genutzten Böden, biogeo- mentoberfläche und den darauf ab- kenden Algen und ausgefälltem Kalzit chemische Umwandlungen, Einflüsse gelegten Felcheneiern bis zur Dyna- bildet, wurde jedoch nicht erreicht, des Wetters und der Jahreszeiten, mik der Zuflüsse und hinaus zu den obwohl das gesamte Seewasser wie- Dynamik von Bächen und manch an- Böden der Einzugsgebiete, wo Nähr- der Sauerstoff enthielt. Die Gründe deres mehr. stoffe ursächlich herkommen. dieser fortgesetzten «Selbstdüngung» Die Krönung aller Massnahmen wäre, Mit der Belüftung des Tiefenwassers wurden erst im Verlauf zusätzlicher wenn sich die Felchen in den Seen wurden zwei Ziele verfolgt: Erstens Forschungsarbeiten verstanden: Zwar wieder natürlich fortpflanzen könn- sollte damit den höheren Lebewesen, enthielt das Wasser über dem Sedi- ten. Aber bei der Naturverlaichung welche Sauerstoff benötigen (etwa ment genügend Sauerstoff – nur war der Felchen wird das Sediment noch Fische), das Tiefenwasser als Le- sein Transport ins Sediment hinein lange nicht mitspielen: Die Felchen- bensraum wieder zugänglich gemacht so langsam, dass ihn das Sediment eier werden zwar im sauerstoffhalti- werden, und zweitens hoffte man, die so gut wie gar nicht sah. Die Sedi- gen Wasser abgelegt, müssen sich Rücklösung des Phosphats aus dem mente waren schon in einem Milli- aber auf dem stark Sauerstoff zehren- Sediment zu unterbinden, indem die meter Tiefe sauerstofffrei, was dazu den Sediment liegend entwickeln. Sie oberste Schicht dank sauerstoffhal- führte, dass die Oxide von Eisen und überleben nicht lange, weil sie Bruch- tigen Wassers oxidiert würde. Das Mangan auch weiterhin aufgelöst teile von Millimetern ins Sediment erste Ziel wurde dank des gewählten wurden und somit nur wenig Phos- einsinken, wo sie vom sauerstofffrei- Systems von Blasenschleiern gut er- phat binden konnten. Einzig unmittel- en Milieu zum Tod verurteilt werden. reicht. Mit Modellrechnungen konnte bar bei den Diffusoranlagen bildeten Dass man in 50 m Tiefe über Bruch- einerseits deren Dimensionierung und Mangan- und Eisenoxide eine vom teile von Millimetern den Konzentra- optimierter Betrieb gewählt werden, Menschen geschaffene Minilagerstät- tionsverlauf von Sauerstoff messen und andererseits wurde der Hallwi- te. Im Baldeggersee war diese Abla- kann, bewirkt immer wieder ungläu- lersee als Freilandlabor benützt, um gerung so intensiv, dass die Diffuso- bige Gesichter. in internationaler Zusammenarbeit mit ren verstopften und häufig gereinigt

Andreas Lorke (links) und Daniel McGinnis (rechts) vor dem Einsatz eines auf Ultraschall basierenden Strömungsmessgeräts für Profile im See (gleiches Prinzip wie die Radar- fallen der Polizei). Mit diesem Instru- Die rote Farbe zeigt im Hallwilersee den Aufenthaltsort und die Anzahl von ment können gleichzeitig auch die Chaoborus-Larven (je röter, desto mehr). Mit akustischer Ortung können Insektenlarven Chaoborus beobach- diese auf ihrer täglichen Wanderung beobachtet werden. Am Tag verste- tet werden. cken sie sich vor dem Frass durch Fische in dunkler Tiefe, in der Nacht steigen sie mithilfe von Gasblasen rasch an die Oberfläche, wo sie sich von kleineren Planktonkrebsen ernähren.

UMWELT AARGAU Sondernummer 24 Dezember 2007 51 Die auf konkrete Probleme ausgerich- durch das gegenseitige Interesse an tete Forschung im Wechselspiel mit den Resultaten entsteht. Und bestimmt der Praxis hat sich als echter Gewinn haben auch das echte Interesse aller herausgestellt. Beide profitieren so- Beteiligten an der Sache und die per- wohl von den Fragestellungen als sönliche gegenseitige Achtung zum auch von den erforschten Antworten. guten Gelingen beigetragen. Und last, but not least: Eine nicht zu unterschätzende Begleiterscheinung Alfred Wüest ist das motivierende Umfeld, welches

Im Winter an der Wasseroberfläche aufrahmende Burgunderblutalgen sammeln sich im Schilfgürtel des Sees. Stoff- und Energiehaushalt im Schilf werden in Forschungsprojekten studiert. Die Zersetzungsprozesse werden durch am Ufer angeschwemmte Algenblüten massiv verstärkt.

52 Sondernummer 24 Dezember 2007 UMWELT AARGAU Publikationen

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UMWELT AARGAU Sondernummer 24 Dezember 2007 53 Scheidegger, A., Stöckli, A., Wüest, A. (1994): Einfluss der internen Sanierungsmassnahmen auf den Sauerstoffhaushalt im Hallwilersee. «wasser, energie, Luft» 86/5–6, 126–131. Gächter, R., Mares, A., Stamm, C., Kunze, U., Blum, J. (1996): Dünger düngt Sempachersee. Agrarforschung 3, 329–332. Wehrli, B., Wüest, A. (1996): Zehn Jahre Seenbelüftung: Erfahrungen und Optionen. Schriftenreihe der EAWAG Nr. 9, Dübendorf-Zürich (ISBN: 3-906484-14-9). Stadelmann, P., Butscher, E., Bürgi, H.-R. (1997): Massnahmen zur Seesanierung: Beispiel Baldeggersee. Gas, Wasser, Abwasser, 1997/1. Sibbesen, E., Sharpley, A. N. (1997): Setting and justifying upper critical limits for phosphorus in soils. In: Tunney, H., Carton, O. T., Brookes, P. C., Johnston, A. J. (Eds.): Phosphorus Loss from Soil to Water. CAB International. Oxon (UK) and New York (USA). 151–176. Stamm, C., Flühler, H., Gächter, R., Leuenberger, J., Wunderli, H. (1998): Preferential transport of phosphorus in drained grassland soils. J. Environ. Qual. 27, 515–522. Bürgi, H. R., Jolidon, C. (1998): 10 Jahre Seesanierung Hallwilersee – die Reaktion des Planktons. «wasser, energie, luft» 90/5–6, 109–116. Gächter, R., Müller, B. (1999): Die bodenbürtige P-Belastung des Sempachersees. Problemanalyse und Lösungsvorschlag. «gwa» 6, 460–466. GRUDAF (2001): Grundlagen für die Düngung im Acker- und Futterbau. Agrarforschung 8/6 (ganzes Heft). Enz, C., Müller, R., Bia, M. M., Heeb, J. (2002): A population dynamics model for evaluating mortality factors in whitefish (Coregonus suidteri) larvae in Lake Hallwil. Arch. Hydrobiol. Spec. Issues Advanc. Limnol. 57, 343–358. Müller, R., Meng, H. J., Enz, C., Bia, M. M., Schäffer, E. (2002): Forecasting year-class strength an yields of Lake Hallwil whitefish in an eutrophic lake. Arch. Hydrobiol. Spec. Issues Advanc. Limnol. 57, 615–625. Lorke, A., McGinnis, D., Spaak, P., Wüest, A. (2004): Acoustic observations of zooplankton in lakes using a Doppler current profiler. Freshwater Biology, 2004, 1365–2427. Müller, R., Stadelmann, P. (2004): Fish habitat requirements as the basis for rehabilitation of eutrophic lakes by oxygenation. Fisheries Management and Ecology 11, 251–260. McGinnis, D., Lorke, A., Wüest, A., Stöckli, A., Little, J. C. (2004): Interaction between a bubble plume and the near field in a stratified lake. Water Resources Research 40, W10206. Suter, B. (2004): Seebelüftung Hallwilersee mit vor Ort erzeugtem Sauerstoff. Wasser, Boden, Luft, Umwelttechnik 2004/3, 12–13. Moosmann, L., Gächter, R., Müller, B., Wüest, A. (2005): Is phosphorus retention in autochthonous lake sediments controlled by oxygen or phosphorus? Limnol. Oceanogr. 51, 763–771. Buesing, N., Gessner, M. (2006): Benthic bacterial and fungal productivity and carbon turnover in a freshwater marsh. Applied and Environmental Microbiology 72/1, 596–605.

Aktuelle Informationen zur Sanierung Hallwilersee http://www.ag.ch/umwelt/de/pub/themen/wasser/sanierung_hallwilersee.htm

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