Eystrup – Haßbergen 36
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ANDACHT 3 Gemeindebrief Hoch der evangelisch – lutherischen Kirchengemeinden Hassel – Eystrup – Haßbergen 36 WAS UNS VERBINDET … September – November 2020 ANDACHT AN(GE)DACHT gekappt oder einfach den Hörer aufgelegt? Verbindungen Nein, das glaube ich nicht. Vielmehr sind wir es oft, die den Hörer auflegen, den Ver- Bei diesem Stichwort fällt mir vieles ein: trag kündigen und nicht mehr auf seine Zug- und Flugverbindungen, Telefon-/In- Worte hören. Er hat uns versprochen, die ternetverbindungen und natürlich die Verbindung niemals zu trennen, ganz menschlichen Verbindungen zwischen gleich, was geschieht. Es gibt viele Bibel- Ehepartnern, Eltern und Kindern, Großel- stellen, die diesen Bund bekräftigen. Im tern und Enkelkindern. Aber auch die Psalm 50,15 fordert Gott uns auf: „Rufe freundschaftlichen und geschäftlichen Ver- mich an in der Not, so will ich dich erretten, bindungen. und du sollst mich preisen.“ Dabei denke ich natürlich ebenfalls an Nachzulesen ist es auch im 1. Mose die persönlichen Verbindungen, die seit 9,12–17. Hier sagt Gott: „Diesen Bund März diesen Jahres fast alle aufgrund der schließe ich mit euch und allen Bewohnern Corona-Pandemie zwangsläufig unterbro- der Erde, immer und ewig will ich dazu ste- chen wurden. Erst dadurch ist vielen be- hen. Der Regenbogen soll ein Zeichen für wusst geworden, wie wichtig es ist, andere dieses Versprechen sein. Wenn ich Wolken Menschen jederzeit besuchen zu können. am Himmel aufziehen lasse und der Re- Verbindungen werden gebraucht, um genbogen darin erscheint, dann werde ich miteinander Kontakt zu haben oder zuein- an meinen Bund denken, den ich mit ander zu kommen, ein Ziel zu erreichen. Mensch und Tier geschlossen habe: Nie Sie sind wechselseitig, haben meistens ei- wieder soll es eine so große Flut geben! nen Anfang und ein Ende. Sie beruhen auf Nie wieder soll alles Leben auf diese Weise Gegenseitigkeit. Manchmal ist die Verbin- vernichtet werden! Diese Zusage gilt für dung unterbrochen. Wenn man Glück hat, alle Zeiten, der Regenbogen ist das Erin- muss man lediglich warten und sie kann nerungszeichen.“ wiederhergestellt werden oder man kommt Das Kreuz ist für mich z.B. ein Verbin- durch Umleitungen und Umwege zum Ziel. dungsstück: Ich stelle mir vor, der Längs- Anders ist es beim Telefonieren. Anstelle balken ist das Symbol für die Verbindung des gewünschten Teilnehmers ertönt von Himmel und Erde, der Querbalken plötzlich eine fremde Stimme, die uns mit- steht dafür, dass alles auf der Erde mitein- teilt: „Kein Anschluss unter dieser Num- ander verbunden ist. Jesus ist somit die mer.“ Der erste Gedanke ist: Habe ich eine bildhafte Verbindung am Kreuz zwischen falsche Nummer gewählt? Wir kontrollie- Himmel und Erde. Durch ihn wird die Ver- ren und versuchen es noch einmal. Nein – bindung neu aufgestellt und garantiert – kein Anschluss! Was kann passiert sein? wir müssen sie unsererseits nur aufrecht- Warum ist der andere nicht mehr erreich- erhalten und nutzen. Probieren Sie es aus bar? Was kann ich tun, um mit ihm oder ihr – es lohnt sich! doch noch in Verbindung zu treten? Ich Ursula Nenstedt kann z.B. die Auskunft anrufen, im Internet recherchieren oder mich anderweitig er- kundigen. Doch wie war bzw. ist es in solch schwerer Zeit mit unserer Verbindung zu Gott? Ha- ben Menschen auch hier das Gefühl, sie ist unterbrochen? Sicher wissen Sie, worauf ich hinaus will? Haben Sie noch das Ge- fühl mit ihm verbunden zu sein? Hört er unsere Gebete? Hat er evtl. die Verbindung 3 WAS UNS VERBINDET… BILD STIMMUNGS Geht’s noch, Frau Käßmann? Oder: Drehen jetzt Foto: epd bild/Uwe Lewandowski eigentlich alle durch? Margot Käßmann (*3. Juni 1958 in Mar- burg) ist eine evangelisch-lutherische Es ist mitten in der Nacht. Nur noch zwei Theologin und Pfarrerin, die verschiede- Wochen bis zur Abgabe und nicht ein ver- ne Leitungsfunktionen innehatte. Unter nünftiger Satz will aus meinen Fingern in anderem war sie Generalsekretärin des die Tastatur fließen. Das Thema: der „Ge- Deutschen Evangelischen Kirchentags, nerationendeal“. Seit Wochen brenne ich Landesbischöfin der Landeskirche Han- darauf, darüber zu schreiben! Formulierun- novers und Ratsvorsitzende der Evange- gen, Vergleiche, Zitate und Meinungssplit- lischen Kirche in Deutschland. Von April ter – alles ist irgendwo in meinem Kopf. Al- 2012 bis Juni 2018 war sie als Botschaf- lerdings fällt es mir zunehmend schwerer, terin des Rates der EKD für das Refor- mit dieser Krise umzugehen. Kontaktar- mationsjubiläum 2017 tätig. Seit 2018 mut, Distanz, Maske tragen – so berechtigt ist Margot Käßmann im Ruhestand und diese Maßnahmen zum Schutz von uns al- pendelt seitdem zwischen Hannover len sind, so sehr setzen sie meiner Psyche und Usedom. Sie engagiert sich unter zu. Ein Ende? Wahrscheinlich, aber wann? anderem im Kuratorium der Deutschen Mein Kopf fühlt sich leer an. Keine Energie Stiftung Weltbevölkerung, als Botschaf- mehr da, als hätte jemand den Stecker aus terin für „terre des hommes“ und als He- der Steckdose gezogen. Das Kopfschüt- rausgeberin der niedersächsischen Stra- teln über Margot Käßmanns Äußerungen? ßenzeitung „Asphalt“. Daneben schreibt Die Empörung? Alles weit weg. Zu viele sie Bücher, gibt die Zeitschrift „Mitten skurrile Aussagen, Forderungen und Taten im Leben“ heraus und veröffentlicht alle zogen bereits durch die Medienlandschaft. zwei Wochen einen Podcast. Ihre Sätze sind da doch nur einige von vie- len. Oder? im Anschluss noch mehrere Stunden hän- Einige Begegnungen der letzten Wo- gen blieben. Vor allem diese Begegnung ist chen kommen mir in den Sinn. Zufällige es, die mir nicht aus dem Kopf geht: Strah- beim Einkaufen. Spontane, kurz „auf’n lend saßen wir zusammen, der Jüngste ge- Kaffee“ draußen auf der Terrasse. Und rade sieben Jahre alt, die Älteste über 80. auch geplante, wie neulich beim Nach- Allein drei Generationen aus der Familie barn im Garten, als der Posaunenchor ein der Gastgeber. Geschnackt haben wir, als „Corona-Ständchen“ gegeben hat und wir hätten wir uns Jahre nicht gesehen, über 4 WAS UNS VERBINDET… alle Altersgrenzen hinweg. Voller Glücks- gefühle ging ich erst gegen 22 Uhr nach Hause. WhatsApp, Telefon oder Videokon- ferenzen sind eben doch kein vollwertiger Ersatz für Begegnungen in der „echten Welt“, sei es auch auf Distanz. Und dann sind sie doch wieder da, die Worte, die mich damals so empört haben: „Wenn ich wüsste, dass die Kleinen und Jüngeren wieder raus können, wenn wir, die über Sechzigjährigen, die Risikogrup- pen, zu Hause blieben, wenn das der Deal wäre, dann würde ich mich darauf ein- lassen.“ Diese Aussage von Margot Käß- mann, getroffen während eines Interviews für ihr Straßenmagazin „Asphalt“, ist aller- sterben die meisten, irgendwann. [...] Ich dings nicht die erste, die für Diskussionen sag’s Ihnen mal ganz brutal: Wir retten in sorgte. Boris Palmer, Oberbürgermeister Deutschland möglicherweise Menschen, von Tübingen, eröffnete den Reigen An- die in einem halben Jahr sowieso tot wä- fang April in der taz: „Ich halte es für ver- ren, aufgrund ihres Alters und ihrer Vorer- tretbar, bei Menschen im Alter ab 65 und krankungen.“ aufgrund von Vorerkrankungen [...] Qua- Und Ende Mai ist es ausgerechnet die rantäne-Anordnungen auszusprechen. […] Theologin und ehemalige Landesbischöfin Ein Ehepaar mit 80, rüstig und gesund, darf Margot Käßmann, die mit dem „Genera- zu zweit im Wald spazieren gehen. Aber tionendeal“ eine ähnliche Ansicht vertritt. sie bekommen alles, was sie brauchen, Also ehrlich: Drehen jetzt eigentlich alle nach Hause geliefert, gehen nicht mehr in durch? Geht’s noch, Frau Käßmann? die Stadt und treffen keine Freunde und Was treibt diese drei Menschen unter- Verwandten.“ Auch Palmer spricht von ei- schiedlichen Alters und unterschiedlicher nem neuen „Generationenvertrag“. Seine Lebensumstände zu solch provozieren- Maßnahmen für Ältere: einkaufen nur zu den Aussagen? Überzeugung? Abgeho- bestimmten Uhrzeiten, ausschließlich digi- benheit? Oder doch nur Kalkül? Schließ- taler Kontakt zu Verwandten, Transport mit lich garantieren solch polarisierende Sätze Taxis und vor allem wenig Selbständigkeit eine hohe Aufmerksamkeit in den Medien. und Freiheit. Liest man das vollständige Interview mit Ende April erscheint in der FAZ dann Wolfgang Schäuble, erkennt man schnell, ein Interview mit Wolfgang Schäuble, aus dass der 77-jährige Politiker einen abso- dem wiederum ein Satz viel diskutiert wird: lut nüchternen Blick auf die Entwicklung „Aber wenn ich höre, alles andere habe vor der Pandemie und die immer neuen Er- dem Schutz von Leben zurückzutreten, kenntnisse der Wissenschaft hat. Er ist dann muss ich sagen: Das ist in dieser Ab- sich durchaus der Risiken für die gesamte solutheit nicht richtig. [...] Wenn es über- Gesellschaft bewusst, aber genauso der haupt einen absoluten Wert in unserem Rechte und Pflichten der politischen Ent- Grundgesetz gibt, dann ist das die Würde scheidungsträger. Denn er sagt auch dies: des Menschen. Die ist unantastbar. Aber „Wir dürfen nicht alleine den Virologen die sie schließt nicht aus, dass wir sterben Entscheidungen überlassen, sondern müs- müssen.“ Zwei Tage später ist es wieder sen auch die gewaltigen ökonomischen, Boris Palmer, der im SAT-1-Frühstücks- sozialen, psychologischen und sonstigen fernsehen dazu Stellung nimmt: „Über 80 Auswirkungen abwägen.“ Dabei „das rich- 5 WAS UNS VERBINDET… tige Maß“ zu finden, wäre allerdings „irrsin- ausgesetzt sind. In der NDR Talkshow am nig schwierig“. 5. Juni erklärt sie dazu: „Ich will nieman- Alles andere als nüchtern und abwägend den zwingen, einsperren, isolieren. Ich