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Rough Guide Rock

Rough Guide Rock

Rough Guide Rock

Der ultimative Führer zur Rockmusik. 1000 Künstler und Bands

Bearbeitet von Peter Buckley, Dieter Fuchs, Ralf Brunkow, Nicola Halschke, u.a u.a

erweitert, überarbeitet 2004. Taschenbuch. VIII, 953 S. Paperback ISBN 978 3 476 01891 5 Format (B x L): 17 x 24 cm Gewicht: 1569 g

Weitere Fachgebiete > Musik, Darstellende Künste, Film > Musikgattungen > Jazz

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A

Die Band zog sich zurück – normalerweise fatal im HipHop – und kam erst im November 1993 mit Mid- night Marauders zurück. Weniger jazzorientiert, Gegründet 1989 in Queens, New York. dennoch cool und entspannt, präsentierten sie einen schlichteren, unauffälligeren Sound. Amerika war be- er Einstieg für A Tribe Called Quest war ziemlich geistert, die LP erreichte Platz Nr. 8 in den Billboard D einfach, vielleicht untypisch für Rapper. Bereits Charts – ein großer Sprung im Vergleich zu Love End, vor Veröffentlichung des Erstlingswerks People’s In- das es nur bis auf Platz Nr. 45 schaffte. stinctive Travels And The Paths Of Rhythm (1990) Das langersehnte vierte erschien in Form von Jonathan Davis, alias Q-Tip (Rapper/Produzent), von Beats, Rhyme And Life (1996), wirkte allerdings Malik Taylor, alias Phife Dog (Rapper) und Ali Sha- wie der Kater, der auf den Rausch folgt, und war im heed Muhammad (DJ) waren die Gegebenheiten op- Vergleich zu Instinctive Travel eine müde Angele- timal: Auf dem -Album von De genheit. Recht verhalten kam dann auch The Love La Soul (1989), einem Welterfolg, war Q-Tip Gastmu- Moment (1998). Q-Tip, mit 25 bereits ein Veteran, siker. HipHop hatte sich über Nacht verändert, und produzierte damals schon Teen-Rapper wie and vom Tribes-Album erwartete man, daß sie diese Revo- Shyheim und ist mittlerweile ein gefragter Handanle- lution fortführen würden. Außerdem hatte Q-Tip ger. Sein Kollektiv arbeitete weiter und wirkte dabei auch auf einer der Top-Singles des Jahres 1990 ge- trotz allem stets wie eine der HipHop-Bands, denen rappt: »Groove Is In The Heart« von Deee-Lite. Die es auf Dauer gelingen könnte, gleichermaßen ange- Band versprach also, zur Personifizierung des Rap-Op- sagt wie glaubwürdig zu bleiben. Daumen hoch, daß timismus der 90er Jahre zu werden. Durch afrozen- das so bleibt. trisch-politische Haltung, spielerische Art und unge- b People’s Instinctive Travels And The Paths of Rhythm wöhnliche, aber interessante Samples schienen sie (1990; Jive). Gags, wilde Samples, inkl. dem Nike-Hit »Can I schlaffe Beats, einfallslose MC-Sprüche und gold- Kick It?« A schmuckbehängte Rap-Pioniere wie Run DMC zu b The Low End Theory (1991; Jive). Eines der allerbesten emanzipieren. HipHop-Alben. Jazzige Grooves mit erstklassigen Raps; Instinctive Travel mitverantwortlich für Trip-Hop und andere seltsame Dinge. enthielt alle wichtigen Zutaten. b 3 Midnight Marauders (1993; Jive). Eine Empfehlung für Die Scheibe, witzig, schnell und komplex, stand alle, vom Turnschuh-Rapper bis zum HipHop-Rocker: Feet High in nichts nach. Sie erzählte amüsante Ge- Spitzenklasse. schichten über wilde Wochenenden, z.B. in »I Left My Marc Elliot Wallet In El Segundo«, und stellte unerwartete (heut- zutage unumgängliche) Samples vor: so war der Hit »Can I Kick It« aus »Walk On The Wild Side« geba- ABBA stelt. ATCQ – oder , wie sie sich selbst Gegründet 1972 in Schweden aufgelöst 1982. gerne nannten – hatten Glück. Sie waren am richti- gen Ort zur rechten Zeit. Allerdings hielt das Glück »Ihre Songs triefen von ehrlicher Melancholie … nicht lange an. HipHop veränderte sich ständig, und all die Verzierungen, z.B. doppelte Oktaven am bald wurden die Tribes – trotz auffallender Afrozen- Klavier – wir klauten, was das Zeug hielt.« trik – als soft und mittelständisch gebrandmarkt. Das Elvis Costello HipHop-Zentrum verlagerte sich nach L.A. und favo- risierte rauhe Gangsta-Raps von NWA mit harten as Elvis Costello-Zitat ist echt: Er sprach nicht Steel-Vibes (auch wenn Ice Cube genauso zur Mittel- D über die Beatles oder die Beach Boys, sondern klasse gehörte wie ). De La Soul veröffent- über Abba, das schwedische Boy/Girl-Quartett, das lichte das morbide Album . Ein oft als Krönung des Kitsch-Trends der 70er verhöhnt Flop, die Glanzzeit war vorbei. wurde. Costello war nur einer von vielen, die Anfang Ausgerechnet dann landeten die Tribes den großen der 90er überraschenderweise in Lobeshymnen aus- Coup mit der Veröffentlichung von The Low End brachen. Nach ihrem Sieg mit »Waterloo« im Grand Theory (1991). Insgesamt viel einfacher und sehr fi- Prix d’Eurovision 1974, in Samtanzügen und silber- xiert auf die jazzigen Bass-Sequenzen von J. Ron nen Plateaustiefeln, stürmten Abba zwanzig Jahre Carter. Eine mutige, innovative Platte, die den Ruf später erneut die Hitparaden. der Tribes gegenüber unbeständigen Hardcore-Hip- Alle vier Mitglieder – Benny Andersson (keyb./

Hop-Bands verteidigte. voc.), Agnetha Faltskög (voc., blond), Anni-Frid ABBA

1 Lyngstad (voc., rothaarig) und Björn Ulvaeus (git./ Of Us« und »The Day Before You Came«. Die Tage des voc.) – waren in Schweden bereits als Solokünstler fröhlichen Beisammenseins waren längst vorbei. erfolgreich, bevor sie als Paare Ulvaeus/Faltskög und Nach ihrem letzten Studioalbum, dem komplexen Andersson/Lyngstad 1972 das Quartett Abba gründe- The Visitors (1981), das wenig Anklang fand, verein- ten. Zum dritten Mal angetreten, gewannen sie ten sich Abba ein Jahr später noch einmal, um das schließlich 1974 den Grand Prix und landeten mit aufwendig gestaltete Doppel-LP-Set The Singles: The »Waterloo« einen Welthit. In erreichten sie First Ten Years (1982) zu promoten. Danach, obwohl die Nr. 1, und sogar in Amerika schafften sie die Top es nie eine offizielle Trennung gab, entschlossen sich 10 (der Anfang einer merkwürdigen Beziehung zum alle vier Mitglieder, sich auf Soloprojekte zu konzen- amerikanischen Plattenkäufer. Obwohl ihnen der trieren. Andersson und Ulvaeus blieben zusammen Durchbruch nie richtig gelang, hatten sie doch zehn und schrieben (mit Tim Rice) das Musical Chess, wäh- Top-20-Hits, unter anderem sogar eine Nr. 1 mit rend Faltskög und Lyngstad wenig erfolgreiche Solo- »Dancing Queen«). Danach kam die Flaute. Der Mana- LPs veröffentlichten. ger der Gruppe, Stig Anderson, der Andersson/Ulva- Zehn Jahre danach, 1992, wurde die Abba-Legende eus anfangs beim Texten in englisch tatkräftig unter- wieder zum Leben erweckt. Die Tribut-EP von Erasure, stützt hatte, zog sich mehr und mehr zurück. Das ein Hitparadenstürmer, und der Erfolg von Abba-Ko- Paar entwickelte jedoch ziemlich rasch eine Eigendy- pien wie Björn Again inspirierte Polydor, eine Abba- namik. Promotion-Kampagne zu starten, angefangen mit Die Single »SOS« machte der Flaute ein Ende. Die dem Singles-Sampler Abba Gold (1992). Den weltwei- Spector-ähnliche Produktion mit gestaffelten Chor- ten Erfolg konnte man nicht einfach als billige 70er- elementen katapultierte Abba zurück in die Top 10 Nostalgiewelle entschuldigen: Gary Glitter zieht zwar und war der Ausgangspunkt für zehn weitere Erfolgs- nach wie vor sein Publikum, aber sieben Millionen jahre. Das Rezept war einfach: gefühlvolle, ausgegli- LPs, 20 Jahre später, verkauft er nicht. 1997 warf Po- chene Verse mit dramatischen, mitreißenden Re- lydor sämtliche Alben remastered auf den Markt, an- frains. Sie schafften es, ein Momentum der Inspira- gefangen bei Ring Ring und bis hin zu Abba Live, und tion mit täuschend einfachen Mitteln zu kreieren: eine weitere Kompilation, Love Stories, ließ Ende das A-Kapella-Intro bei »Take A Chance On Me«, die 1998 die Kassen süß erklingen. Im März 1999 nahm Chöre bei »Name Of The Game« oder das unbefangene die Geschichte der Band eine neue Wendung, als im ›oh yeah‹ in »Dancing Queen« zählen zu den deut- Londoner Westend Mamma Mia startete, ein Musical, lichsten Beispielen. Diese genialen Feinheiten unter- das rund um 27 beliebte ABBA-Songs gebaut war. Mal schieden sie eindeutig von anderen Boy/Girl-Quar- abgesehen von den schrägen Frisuren und schrillen A tetts, die später versuchten, den Abba-Sound wieder Kostümen ist Abbas Popularität beständig geblieben aufleben zu lassen. und hat sich sogar, dank ihres musikalischen Ver- Ein weiterer, wichtiger Aspekt in der Erfolgsge- mächtnisses, zu einem brillant ausgewogenen Ge- schichte von Abba war, daß sie Pionierarbeit im Mu- samtwerk entwickelt, was Andersson und Ulvaeus sikvideobereich geleistet hatten, und zwar in den durchaus das Recht einräumt, sich zu den Top-Kom- 70ern, bevor es die MTV-Generation gab. Zu jeder Sin- ponisten der modernen Zeit zählen zu dürfen. gle gab es einen ›Promo-Film‹. So hatte die Gruppe b Abba Gold und More Abba Gold (1992 & 1993; Polydor). die Möglichkeit, ohne aufwendige Tourneen weltweit Der erste Teil dieser Anthologie reiht eine Anzahl von Hits präsent zu sein. Diese Strategie entstand 1977 im wie eine Kette glitzernder Juwelen aneinander, während der Zuge der Produktion des Kinofilms Abba: The Movie. zweite Teil etwas tiefer greift und die kleineren Hits (darunter Inhaltlich dünn, nach dem Motto ›unermüdlicher das hervorragende »The Day Before You Came«) präsentiert. Journalist sucht Abba‹, besteht der Film vorwiegend Bonustrack ist die legendäre ›verlorene‹ 1983er Single »I Am The City«. Ein Muß. aus Konzertausschnitten der Australien-Tournee und Jonathan Kennaugh Interviews. Zwar seicht und sentimental, aber kombi- niert mit Abba: The Album (1978) der ultimative Er- folg. Innerhalb der Band machte sich der Druck des Su- ABC perstar-Rummels – besonders zwischenmenschlich – Gegründet 1980 in Sheffield, England. zunehmend bemerkbar. Der Scheidung von Ulvaeus und Faltskög 1978 folgte zwei Jahre später auch die »Ich wollte einen Namen, mit dem wir im von Andersson/Lyngstad. Im Zuge dieser persönli- Telefonbuch garantiert der erste Eintrag sind, chen Dramen entstanden allerdings die hervorragend- oder, wenn man Abba mitzählt, der zweite.« sten Werke. Die Songs waren nun emotional tiefgrün- diger, z.B. die Nr. 1-Single »The Winner Takes It All« (1980). Das war Abbas ›Tour de Force‹, ein brillant us der Asche der Post-Punk-Gruppe Vice Versa strukturiertes Melodram mit der zerbrechlichen, sen- A entstanden ABC. Überzeugt davon, daß Earth, timentalen Stimme von Faltskög als Mittelpunkt. Ihr Wind & Fire genauso wichtig und aufregend waren wie Auftritt im Video als einsame, isolierte Person unter- die , kreuzten sie die strammen - strich diesen Effekt zusätzlich. Das Erfolgsrezept -Arrangements mit witzigen, scharfen New Wa-

ABC wurde in den späteren Videos beibehalten, z.B. »One ve-Texten. Martin Fry (voc.) war gleichzeitig der

2 Single, »«, im Kasten war. David Palmer sprang während der Welttournee 1982/83 in Japan ab. Er beschloß, sich beim Yellow Magic Orchestra zu bewerben, spielte dann allerdings hauptsächlich bei THE THE. Fry und White kämpften gemeinsam wei- ter und stellten fest, daß sie im Zuge ihrer musikalischen Entwicklungsphase von Kriti- kern und Publikum links liegen gelassen wurden. Mit (1983) wagten sie einen Ausflug in die Rockszene, präsentier- ten Gitarrensolos und ›sozialkritische‹ Texte. 1983 war derartiges fast universal out. Im nachhinein betrachtet war es allerdings ei- ner der waghalsigsten Karriereschritte jener Zeit – ein Vorreiter des Polit-Pop-Trends, der sich zwei bis drei Jahre später abzeichnete. Trotz allem, die Motivation war zwar bewun- dernswert, aber das Album selbst schwerfäl- lig und deplaziert, sowohl für ABC als auch für die 1983er Popszene allgemein. How To Be A Zillionaire (1985) kam besser Texter von ABC. In der Originalbesetztung spielten an, zeigte aber erneut, daß Fry und White wieder am Mark White (git.), Mark Lickley (b.), Steve Sin- richtigen Ort zur falschen Zeit waren. Diesmal verar- gleton (sax.) und David Palmer (dr.). beiteten sie den Einfluß der New Yorker Discoszene Ihre erste Single, »Tears Are Not Enough«, wurde sowie die aufstrebenden Electro- und HipHop-Trends, im Herbst 1981 veröffentlicht und schaffte kurz da- die in England noch nicht ganz im Mainstream inte- nach den Sprung in die englischen Top 20. Damals griert waren. Die LP verkaufte sich gut in Amerika, sagte Martin Fry in einem Interview nicht nur, daß und eine Singleauskopplung »« erreichte seine Lieblingsgruppe , sondern auch, daß Platz Nr. 9 in den . Großbritannien seine derzeitige Lieblingssingle »Hand Held In Black zögerte. Es ließ sich kaum nachvollziehen, welchen And White« von Dollar sei. Diese widersprüchliche Markt die Gruppe überhaupt anstrebte. Der ironische A Begeisterung für straighten Punk und kitschigen Dis- Versuch eines neuen Images folgte: die Band als Kari- co-Pop teilte auch Phil Oakey von , katur, mit den neuen Mitgliedern Eden (bekannt als der etwa zur gleichen Zeit verkündete, wie sehr er Style-Journalistin Fiona Russell Powell) und David Abba bewundere. Yarritu – aber nichts half, die Plattenverkäufe zu Frys Begeisterung für Dollar führte zu einem Tref- steigern oder das Gesamtprofil der Band aufzupolie- fen mit dem Produzenten von »Hand Held«, Trevor ren. Horn. Ehemals die eine Hälfte der Buggles, produ- Fast hätten sich ABC nach How To Be A Zillionaire zierte er später Frankie Goes To Hollywood, Malcolm aufgelöst, nicht zuletzt wegen Frys schwerer Krank- McLaren und . Doch das Debütalbum von heit 1985/86. Glücklicherweise erholte er sich, und ABC, (1982), war und blieb seine inspiriert vom Erfolg von »Be Near Me« in Amerika beste Gesamtproduktion. Üppig, cinematisch, tanz- (Zillionaire kam dem Sound des viel vermißten von bar – geteilte Kritikermeinungen. Einige fanden es lä- Lexicon am nächsten) war das nächste Album eine cherlich, wie dieses Symbol des ›neuen Pop‹ die Rückkehr zur Basis. Eine Pop-Dance-LP, Alphabet 1977er Punk-Ethik zu einem schlechten Witz degra- City (1987), wurde zur erfolgreichsten seit ihrer De- dierte; anderen gefiel, wie glamourös der Pop gefeiert büt-LP. Der Tribut an Smokey Robinson, »When Smo- wurde. Wie auch immer, die Plattenkäufer liebten die key Sings«, wurde ein Riesenhit auf beiden Seiten LP, und im Sommer 1982 landete sie auf Platz 1 der des Atlantiks. englischen sowie auf Platz 24 der amerikanischen Al- Frys und Whites Begeisterung für House führte bum-Charts. Die Songs inspirierten sogar den Film 1989 zu UP, einer LP, auf der es an guten Songs man- Mantrap (1982), dessen Regisseur Julien Temple vor- gelte, während Abracadabra (1991) den Eindruck ei- her u.a. auch für den Sex Pistols-Streifen Great nes halbherzigen Versuchs erweckte, die bewährte Rock’n’Roll Swindle (1979) verantwortlich war. Formel noch einmal aufleben zu lassen. Es kam nie zu Ein ständiges Problem war, einen gleichwertigen einer offiziellen Trennung, doch wurde es sehr still Nachfolger für The Lexicon Of Love zu schreiben. Die um das Duo, bis sie mit (1997) wieder nachfolgenden ABC-Veröffentlichungen waren zwar auftauchten und Fry stilvoll überzeugte, als ob es nie vielseitig, wurden aber immer mit dem Erstlingswerk anders gewesen wäre. Selbstbewußter denn je (›Look verglichen. Eine zeitlang sah es tatsächlich so aus, into my eyes baby, it’s such a spectacular view‹ – als würde die Gruppe nicht überleben. Mark Lickley schau mir in die Augen, der Anblick ist einfach spek-

verließ die Band Anfang 1982, nachdem die zweite takulär) kokettierte er mit überschwenglicher Musik ABC

3 und versprühte Charme und Ironie. Ein breites Publi- wurde, schaffte sie den Sprung in die Charts nicht. kum war dafür aber nicht mehr empfänglich, und Der provokative Metal-Klassiker Dirty Deeds Done auch ABC/Fry blieb das Schicksal nicht erspart, da- Dirt Cheep schnitt nicht viel besser ab. Die verfrühte nach immer wieder im Rahmen irgendwelcher Oldie- Tournee zu Let There Be Rock (1977) war schlecht be- Nights aufzutreten. sucht. Doch eine der Shows auf dieser Tour, nämlich b The Lexicon of Love (1982; Phonogram/Mercury). Der die im Londoner Hammersmith Odeon, sollte den Maßstab für alle folgenden ABC-Veröffentlichungen. Zwar Stein ins Rollen bringen. Der Grund: das inzwischen schon etwas älter, aber als Beispiel für den besten Pop der legendäre Repertoire, mit Titeln wie »Whole Lotta Ro- 80er steht es Dare von The Human League in nichts nach. Die sie«, »Problem Child« und einer halsbrecherische Ver- 1996er-Wiederveröffentlichung enthält sechs zusätzliche sion von »Rocker«. Remix-Titel, B-Seiten und Live-Cuts – keine besonders wichti- Evans wurde durch ersetzt, und Let gen, aber trotz allem ein gutes Gesamtangebot. There Be Rock b The Look Of Love: The Very Best Of ABC (2001; Phono- stürmte die englischen Charts, gefolgt gram/Mercury). Die obligatorische Greatest-Hits-Kollektion, von der zurückhaltenderen LP, (1978). Ei- die beweist, daß selbst in den schwächsten LPs von ABC nige Songs auf Powerage, z.B. »Down Payment Blues« einige erfrischende Vier-Minuten-Kostbarkeiten versteckt und »What’s Next To The Moon«, bewiesen, daß Scott waren. durchaus auch intelligente Texte schreiben konnte, Justin Lewis auch wenn sein ausgeprägter Sexismus in anderen Texten dem widersprach. Der erste Hit, »Rock’n’Roll Damnation«, sicherte ihnen einen TV-Auftritt bei Top AC/DC Of The Pops. If You Want Blood, You Got It (1978) wurde zum bis dahin erfolgreichsten Album. Gegründet 1973 in , Australien. Die gemischte Reaktion auf ver- C/DC, eine der unsterblichen Größen des Heavy hinderte keineswegs Verkäufe von weltweit einer Mil- A Metal, wurden von (git.) und sei- lion, doch ein schwerer Schicksalsschlag sollte bald nem Bruder Malcolm (rhythm git.) gegründet. In Ori- folgen: Im Februar 1980 wurde Scott nach einem ex- ginalbesetzung, mit , Peter Clark, und zessiven Whisky-Gelage tot aufgefunden. Der Ge- Sänger Dave Evans, nahmen sie 1974 ihre erste Sin- richtsmediziner konnte nur noch ›Tod durch Alkohol- gle, das leicht anämische »Can I Sit Next To You Girl«, mißbrauch‹ feststellen. auf. Später im selben Jahr lösten die Brüder Young die Band wieder auf und zogen nach . Dort engagier- A ten sie den Sänger und Kleinkriminel- REDFERNS len , (dr.) und (b.). Die ersten beiden LPs, TNT (1975) und High Voltage (1976), waren vom Feinsten. Doch erst mit ihren Live-Auf- tritten – einschlägiger, harter Sound und theatralische Einlagen, der Wirbel- wind Angus in Schuluniform, von Bon Scott auf den Schultern durchs Publi- kum getragen – setzten AC/DC Ak- zente. Anfangs waren Einflüsse von den Stones und zu erkennen, aber bald wurden energiegeladene Frage- und-Antwort-Riffs und schweißtreiben- der Fun zum Schwerpunkt. 1976 übersiedelten AC/DC nach Eng- land. Punk war gerade im Aufschwung. Eine Zeitlang behauptete sich ihr oh- renbetäubender Wahnsinnssound sehr gut in jenen Clubs, die sonst die Sex Pi- stols oder The Damned zu Gast hatten. Wie die Punk-Bands hatten auch AC/DC die traditionelle Rockszene satt. Den- noch hatte ausgerechnet Scott verlau- ten lassen, wie enttäuschend die musi- kalische Unfähigkeit der Punkbands sei. Obwohl High Voltage 1976 schließ- Angus Young – die bekanntesten Knie des Rock

AC/DC lich doch in England veröffentlicht

4 Kreativ gesehen haben sich AC/DC von dieser Tra- b If You Want Blood, You’ve Got It (1978; Atlantic). Das gödie nie wieder erholt. Scott wurde durch den Bri- letzte Wort in Sachen Hardrock-Livealbum. Wenn die Amps ten ersetzt (Ex-Geordie), aber auch brummen und die ersten Töne von »Riff Raff« nicht bei dir zünden, mußt du tot sein. Ein zeitloses Dokument. seine ausgezeichnete Bühnenpräsenz konnte nicht b Highway To Hell (1979; Atlantic). Eins der besten verhindern, daß Texte und Riffs schwächer und im- Studioalben. Knisternd produziert von Mutt Lange und mit mer gleichklingender wurden. Trotz allem entwik- einer potentiellen Hitsingle nach der anderen. kelte sich die Gruppe zu einer der größten Stadion- b (1980; Atlantic). Brian Johnsons Stimme bands der Welt. klingt zwar ganz ähnlich wie die von Scott, doch es sind die Auf dem durchwachsenen 1980er Comeback-Album Songs, die dieses Album auszeichnen. Hier war die Band ganz Back In Black, Nr. 1 in England, erwiesen sie Scott oben, und dementsprechend klingt es. b Bonfire (1997; EMI). Etwas für Sammler. 4 CDs, die letzte Ehre mit dem gezielt anmaßenden »Have A vollgepackt mit Besonderheiten wie Scott-Demos, der Drink On Me«. Dieses Album brachte den großen legendären Radiosession von 1977 sowie dem Soundtrack zu Durchburch in Amerika. Dort verzeichnete es Ver- dem Konzertfilm Let There Be Rock. Sagenhaft und jeden Euro kaufszahlen von über zehn Millionen, weckte so wert. enormes Interesse an früheren Veröffentlichungen Roger Sabin und Essi Berelian und ebnete den Weg für For Those About To Rock (We Salute You). Inzwischen waren AC/DC ein äußerst be- gehrter Live-Act. 1981 und 1984 spielten sie als Headliner auf dem wichtigsten Heavy Metal-Festival Englands, Castle Donington – vor jeweils mehr als Gegründet 1977 in ; Adam immer noch gut im Geschäft. 70.000 Zuschauern. Das Tourneeleben zehrte an Phil Rudd. 1983 wurde unk hatte immer einen Hauch von Kunst an sich. er von abgelöst. Trotz erfolgreicher LPs P Für viele Geschmäcker hatten Adam And The wie (1983), Fly On (1985) Ants einen Hauch zuviel davon. Adams Karriere läßt oder und dem Headline-Auftritt beim sich durch seine verschiedenen Imagewechsel besser Rock In Rio Festival in Brasilien wurde immer deutli- beschreiben als durch seine Musik. Doch seine Musik cher, daß AC/DC ihren Zenit überschritten hatten. Ein ist Fun, z.B. seine Anspielung auf S & M im gewagten weiterer Personalwechsel folgte. Wright ging 1989 zu »Whip In My Valise« oder das tuntenhafte »Stand Dio und übernahm am Schlagzeug. And Deliver«. Trotz allem erlebten AC/DC erneut einen kommer- Anfang 1977 waren sie eine von vielen Bands, die ziellen Aufschwung von Ende der 80er bis Anfang der versuchten, auf der Welle der Sex Pistols mitzu- 90er. Blow Up Your Video und The Razor’s Edge ver- schwimmen. Die Originalbesetzung, Adam (Stuart kauften enorm. Live (1992), Highlights aus der Goddard), Andy Warren (b.), (git.) 1990/91er Welttournee, setzte ein Denkmal für die und Paul Flanagan (dr.), präsentierte sich in Johnson-Jahre, konnte aber das schweißtriefende If schwarzem Leder (ein völlig normales Punk-Image), You Want Blood, You’ve Got It nicht übertreffen. die Songs neigten gewöhnlich zu einem ›Sturm-und- Dann wurde es ein bißchen ruhiger um die Band. Drang‹-Höhepunkt. Was sie in die obere Liga kata- Eine Zusammenarbeit mit Rick Rubin erbrachte die pultierte, waren die Sado-Maso-Einlagen zwischen Single »« für den Soundtrack zu dem Schwar- Adam und Band-Manager Jordan, ein Ex-Mitläufer zenegger-Film The Last Action Hero. Auch Ball- von Malcolm McLaren, der ähnlich überheblich breaker (1995), das erste Studioalbum in fünf Jah- agierte. ren, hob sich, inzwischen wieder mit Phil Rudd am Obwohl die Musik nichts Außergewöhnliches war, Schlagzeug, deutlich von der Meterware der späten vermochte es die Bühnenshow, die Zuschauer von der 80er ab. Bar fernzuhalten; außerdem durfte Adam (gemein- Weihnachten 1997 betraten AC/DC erstmals CD-Bo- sam mit Jordan) eine Rolle in Derek Jarmans Film Ju- xen-Land und veröffentlichten Bonfire, eine Vernei- bilee übernehmen. Adam spielte die Rolle des Kid, der gung vor Bon Scott auf 4 CDs, die Konzertmit- ein paar Lieder sang, sich profilierte und zum Schluß schnitte, unveröffentlichte Demos und andere Rari- sogar ermordet wurde; alles ausgezeichnete Promo- ties enthielt. Die Box füllte auch die Lücke bis zum tion für das Debütalbum, nächsten Studioalbum. (1979). Inzwischen gab es auch neue Bandmitglieder: Stiff Upper Lip (2000) wurde dann von vielen als Gitarrist Mark Gaumont (der bald darauf gegen Mat- Rückkehr zu alter Form gefeiert. Nicht daß die Platte thew Ashman ausgetauscht wurde), Schlagzeuger die Arbeiten von Ende 70, Anfang 80 übertroffen Dave Barbe und Bassist . Kurz nach hätte – aber hier war wie früher der knarzige Blues der LP-Veröffentlichung schuf Malcolm McLaren aus im Spiel. Nach wie vor waren und sind AC/DC auf der diesem Line-Up allerdings . Die wan- Bühne allerdings spektakulär. Die Angus-Bronzesta- kelmütige Musikpresse war begeistert und schrieb tue, die gigantische Glocke (bei »Hells Bells«), die Adam leichtfertig ab als wieder einen, dessen Karriere Kanonen (bei »For Those About To Rock«) – man muß vorbei war. es erlebt haben, um es zu glauben! Oder zumindest Unbeirrt gründete Adam eine neue Band mit einen Blick in die Stiff Upper Lip Live DVD (2001) (git.), Terry Lee Miall (dr.), Merrick

werfen. (dr.), und (b.), der im Frühjahr 1981 AND THE ANTS ADAM

5 REDFERNS

Lederklamotten, gequälte Miene? Das dürften Adam and the Ants sein, bevor die Lieferung mit den neuen Kostümen eintraf

durch Gary Tibbs ( und ) er- Adam biß in den sauren Apfel und löste 1982 die setzt wurde. Adam selbst legte sich ein neues Image Band auf. Er arbeitete weiter mit Ant-Gitarrist Pirroni zu. Er trat in einer bizarren Kreation (Piratenkostüm zusammen, unter anderem auf der Nr.-1-Single und Indianer-Make-up) als Frontmann einer drumla- »Goody Two Shoes«. Das Duo veröffentlichte einige stigen Heavy-Pop-Band auf. Ein Sound, inspiriert von LPs, die sowohl bei Kritikern als auch beim Publikum den afrikanischen Trommlern von Burundi, interes- keine Resonanz fanden. santerweise kreiert von Simon Jeffes (vom Penguin Nach einem Kurzauftritt 1985 bei Live Aid hängte Café). Adam seine Bühnenklamotten an den Nagel, um sich Adams zweite LP, Kings Of The Wild Frontier statt dessen auf eine Filmkarriere zu konzentrieren. (1980), wurde mit diesen heißen Rhythmen ein Rie- Marco ging zu Spear Of Destiny und arbeitete im senerfolg. Der Sänger, zum Umfallen schön, schmet- Studio mit Sinéad O’Connor. terte ausgelassene New Wave-Hymnen. Er schrieb so- 1990 vereinten sie sich vorübergehend ein weite- gar eine Hymne für sich selbst. »« sicherte res Mal und produzierten das Top-20-Album Man- ihm neben »Dog Eat Dog« den Weg in die Charts. ners & Physique, aber danach war die Luft endgültig ›Antmania‹ brach für eine Weile aus und sorgte dank raus. Dann war es still, bis Adam Anfang 1995 seinen aufwendiger Promovideos für eine Menge verkaufter Pin-Up-Look und seine sexy Stimme erneut zum Ein- Schallplatten, besonders in England. Von 1980 bis satz brachte, um mit Wonderful eine neue Genera- 1982 kamen acht Singles auf den Markt – alle wur- tion in Verzückung zu versetzen. den Hits in England, drei davon erreichten sogar die Nr. 1. b Kings Of The Wild Frontier (1980; CBS). Sein erstes Teenybopper-Ruhm ist meistens kurzlebig, und für Hit-Album mit neuem Image und anderer Band. Teils sind die Adam verblaßte er Ende 1981 nach der Veröffentli- Stücke Überbleibsel der früheren Ants, teils auf ein neues chung seiner wenig erfolgreichen Char- Publikum zugeschnitten (erbärmlich: »Los Rancheros« und ming »Jolly Roger«). Kein Muß, aber gut, wenn man auf Fun-Musik -LP. ›Man sollte keine Angst davor haben, sich steht. lächerlich zu machen‹, erklärte unser Held im Titel- b Hits 1980–85 (1986; CBS). Dreizehn Songs, alle Renner. song. Eigentlich doch, wenn man sich derart präsen- Diese LP und Dirk, dann hat man das wichtigste des tiert – frag’ mal den anderen Prince. Das war nicht Ant-Kunstwerks.

ADAM AND THE ANTS ADAM Rock’n’Roll, das war ein Kurzwarenladen. Al Spicer

6 dem Replacements-Drummer Tommy Stinson stellte dieses dritte Album – ähnlich wie Wilcos Being There – den gelungenen Versuch dar, sich aus der engen Geb. 1974 in Jacksonville, North Carolina. Verbindung zu No Depression zu lösen. Als es aber er- enn Gram Parsons der ›Heilige Geist‹ des Alter- schien – aufgrund einer ›Neustrukturierung‹ der Plat- W native Country ist, dann ist Ryan Adams si- tenfirma drei Jahre später als ursprünglich vorgese- cherlich sein Messias, sowohl, was das ständige Un- hen –, hatte Cary bereits eine eigenes Album terwegssein und die Exzesse, als auch, was die veröffentlicht und war Adams auch schon eigene emotionale Tiefe und die Genreerneuerung in seiner Wege gegangen. Folgerichtig machten Musik betrifft. Das Etikett ›Alternative Country‹ hat den Laden dicht. Adams allerdings seit jeher abzuschütteln versucht: Adams’ erstes Solo-Unterfangen war, sich auf die Durch ständige Stilwechsel hat er sich einer allzu Straße zu begeben und eine Reihe akustischer Kon- leichtfertigen Kategorisierung entzogen und zudem zerte abzuliefern. Dann ging er mit den Songwritern dafür gesorgt, daß er auch im Mainstream zu einer Gillian Welch und David Rawlings ins Studio (in Art Star wurde. Nashville – wo sonst?). Bei dem großartigen Blood- In Adams’ Musik atmet die Seele des Country, shot-Label erschien dann Heartbreaker (2000), ein wenngleich er als Einflüsse für seine erste Band, The Album, das von einer Musikpresse, die erwartungs- Patty Duke Syndrome, die er mit fünfzehn gründete, voll neuer Großtaten dieses vielversprechenden Ta- Bands wie Black Flag, Hüsker Dü und die Dead Kenne- lents harrte, mit offenen Armen empfangen wurde. dys angibt. Innerhalb von vier Jahren hatte sich die Welch und Rawlings bereicherten Adams’ flapsig-ro- Gruppe in ihrer Heimat einen gewissen Ruf erspielt, hen Vortrag um eine seriösere, bodenständigere Kom- doch 1994, kurz nach seinem Umzug ins nahegele- ponente, und trug als Gastsängerin gene Raleigh, stieg Adams aus und gründete eine bei »Oh My Sweet Carolina« zu noch mehr Country- neue Band mit Phil Wandscher (git.) und Caitlin Feeling bei. Cary (Violine; voc.). Daraus wurde mit den Neuzu- gängen Steve Grothman und Eric ›Skillet‹ Gilmore die Gruppe Whiskeytown. Mit dieser neuen Gruppe hatte Adams die Möglich- keiten, die er zuvor vermißt hatte, und er vereinigte nun Country, Punk, Pop und Rock. Zum Sprachrohr der Band wurde das wichtigste Medium der aufblü- henden Alt-Country-Szene, die Zeitschrift No Depres- sion, und dies insbesondere mit dem Erscheinen des Debüt- Faithless St (1996). Die Platte, aufge- nommen mit viel Alkohol und mit Chris Stamey von den dBs an den Reglern, strahlte Kargheit und eine fast brutale Melancholie aus. Es war dies ein entscheidender Moment, der das Genre neu definierte: eine Hälfte Replacements, die andere Parsons. Adams war aber nicht bereit, auf der Stelle zu treten. Strangers Almanac (1997) legte die Produktionslatte höher an, was zweifelsohne daran lag, daß nun ein Major-Label im Spiel war. Adams’ Songwriting war weit gereift, und in seine Sentimen- Wieder versuchten die Majors, ein Stück vom Ku- talität mischte sich ein Lebens- und Weltüberdruß, chen abzukriegen, und Adams unterschrieb bei dem der erstaunlich war angesichts der wenigen Lenze, Universal-Ableger Lost Highway, der dann Gold die der Autor auf dem Buckel hatte. Zu diesem Zeit- (2001) herausbrachte – im selben Jahr, in dem auch punkt traute man Whiskeytown allerhand zu, doch Pneumonia erschien. Gold orientierte sich mehr am interne Unstimmigkeiten drohten die Gruppe zu Rock der 70er und streifte ebenso wie die sprengen: das Touren war immer schwierig gewesen, Rolling Stones, scheute sich auch nicht vor einem die Arbeit an Strangers Almanac strapaziös, und es Zwischenstop im Hotel California. Adams war schon herrschte eine offensichtliche Animosität zwischen immer ein unglaublich fleißiger Autor gewesen und Adams und Wandscher. hatte im Jahr vor der Veröffentlichung von Gold Ma- Als die Gruppe wieder ins Studio ging, waren nur terial für insgesamt vier Alben angesammelt. Drei- noch Cary, Adams und der (neu hinzugekommene) zehn dieser Tracks wurden unter dem Titel Demoli- Multiinstrumentalist Mike Daly im Boot. Produzent tion im Jahr 2002 veröffentlicht. Klarerweise han- Ethan Johns schaffte es, bei Pneumonia (2001) in delte es sich dabei um einen Lückenfüller, der die ausgewogener Form sowohl den rohen Ansatz des De- Zeit bis zum nächsten ›richtigen‹ Album überbrücken büts zu bewahren, als auch einen Glanz zu erzielen, sollte; dennoch waren hier einige wahre Perlen zu wie ihn Major-Firmen nun einmal fordern. Mit Gast- finden, etwa das verträumte »Tennessee Sucks« oder

auftritten von James Iha (Smashing Pumpkins) und das sentimentale »Cry On Demand«. ADAMS RYAN

7 Adams bleibt jedoch der Punk, der er war; er ist zudem ein breites Publikum für ihren ganz eigenen Mitglied der Fucking Virgins, gemeinsam mit James Elektronik-Poprock zu interessieren und das Traktie- Iha, Evan Dando und Melissa Auf der Maur; außerdem ren von Analog-Instrumenten wieder salonfähig zu wirkt er, wie man hört, bei der Hardcore-Truppe Fin- machen. ger mit. Anfang 2003 war er mit den Rolling Stones Barry Smith und Ann Shenton kannten sich vom auf Tour und gründete dazu The Pink Hearts, Ende We Are Electric-Club und gründeten Add N To (X), 2003 legte er ein weiteres, von der Kritik hymnisch nachdem Smith im Mülleimer einen ausrangierten gefeiertes Album, Rock’N’Roll, sowie die EPs Love Is MS20- gefunden hatte. Unter Hinzu- Hell, Pt. 1 & 2, vor. nahme weiterer aufgelesener Keyboards, Theremins Parsons wäre sicherlich stolz auf seinen musikali- und Oszillatoren absolvierten sie eine Reihe stan- schen Sprößling. dardmäßiger Elektronikkonzerte in London und . Dies änderte sich, als 1997 Steve Claydon zur Gruppe WHISKEYTOWN stieß. Die neue Formation betätigte sich nun in Sa- b Faithless St (1996; Outpost). Adams wird mit Schnaps- chen – wie sie das selbst bezeichnen – ›Avant-hard‹, taufe in die Welt des Country aufgenommen. Stellenweise veröffentlichte das Mini-Album Vero Electronic auf ruppig, stellenweise klebrig, aber durchgängig lohnend – insbesondere bei gefühlvoll-brachialen Tracks wie »Excuse Me Blow Up Records und wurde daraufhin von Satellite While I Break My Heart Tonight«. Records unter Vertrag genommen. Zwei Maxi-Singles entstanden hier, nämlich »The Black Regent« und RYAN ADAMS »King Wasp« (letztere mit faszinierendem Artwork b Heartbreaker (2000; Bloodshot). Nach Jahren des immer und 3D-Brille), beide wurden vom NME zur jeweiligen weiter und immer besser geht Adams zurück zu den Single Of The Week gekürt. Ein weiteres Stück, »De- Ursprüngen. Diese bittersüße Arbeit zeigt ihn als gereiften Autor und Interpreten. mon Seed«, erschien auf dem Piao!-Label im Rahmen b Gold (2001; Lost Highway). Einerseits überkandidelt und einer Single, die man sich mit Fridge teilte, und Pop- eine Nummer zu dick, andererseits eine absolut zeitgemäße Papst John Peel lud seine neuen Lieblinge 1998 ein, Neukonzeption des Countryrock. Niemand hat die Grundwerte für ihn eine Session einzuspielen. des Alternative Country so überzeugend einem breiten Das Debüt-Album On The Wires Of Our Nerves Publikum zugänglich gemacht wie Adams. (1998) wurde von Musikpresse und Radiostationen Derryck Strachan begeistert aufgenommen; es entstand sogar ein Do- kumentarfilm über die Band, in dem neben der Musik auch ein paar ihrer Experimentalfilme gezeigt wur- ADD N TO (X) den. Das Album, das ältere Musiktechnologie (in der Tradition von Cabaret Voltaire und Throbbing Gristle) Gegründet 1994 in London. mit relaxtem Jungle-Getrommel von Rob Alum (High eit ihren Anfängen ist es Add N To (X) nicht nur Llamas) zu kombinieren verstand, führte – unter- S gelungen, mit überkommenen Technologien gute, stützt von den echten Schlagzeugern Andy Ramsay auffällige und moderne Musik zu machen, sondern (Stereolab) und John Russell – zu Live-Auftritten bei John Peels Meltdown Festival sowie mit Pulp im Londoner Fins- bury Park. Add N To (X) traten so- gar im Megadog-Club auf, wo die Tanzwütigen ganz überrascht wa- ren, daß die Gruppe live härter und JOE DILWORTH/SIN aggressiver zur Sache geht, als es die Plattenaufnahmen vermuten ließen. Mitte 1998 wechselte die Gruppe zu Mute und veröffentlichte die EP Little Black Rocks In The Sun (1998) sowie das Mechano-Porno- Video zur Single »Metal Fingers In My Body« (1999). Das zweite Al- bum, Avant Hard (1999), brachte dann noch mehr genresprengenden Elektronikspaß. Nach erfolgreichen Tourneen, dem Neuzugang von Ross Orton, der Änderung von Smiths Namen in Barry 7 und der Nebenbetätigung als Shenton En- gine veröffentlichte die Gruppe Add Insult To Injury (2000). Diese Add N To (X) und ihre fette Moog-Sammlung

ADD N TO (X) ADD N TO Scheibe bot einen angenehmen Zu-

8 gang zu dem elektronischem Herumgepoppe, was na- Of Thousands (1998; Reissue bei Anagram), auf den türlich an der eingängigen Single »« und Markt kam, hatten sie bereits jegliche Punk-Glaub- ihrem tanzbodenfüllenden Disco-Remix lag. In diese würdigkeit verloren und sogar einen Synthesizerex- Kerbe hieb dann auch Loud Like Nature (2002), wo- perten engagiert, der früher bei Mike Oldfield ge- bei hier der beste Track wohl »Lick A Battery (Tongue spielt hatte. Nachdem die Platte von Kritikern Across The Terminals)« war. entweder ignoriert oder verrissen wurde, besannen b On The Wires Of Our Nerves (1998; Satellite). Irgendwo sich TV und Gaye auf ihre eigentlichen Namen und zwischen Giorgio Moroder, den und Throbbing verschwanden im Sonnenuntergang. Stilvoll bis zum Gristle bewegt sich dieses Album, das mehr als jedes andere Schluß. seit Suicide für eine Breitenakzeptanz von elektronischem b Crossing The Red Sea With The Adverts (1978; CBS). Alle Geblubbere und Gefiepse gesorgt hat. Zwischen Chaos und guten Singles sowie ein verworrener Mix aus dem restlichen Vocodern dringt aber dennoch ab und zu die Stille durch. Repertoire. b Add Insult To Injury (2000; Mute). Grooviges mit den ältesten und grauenhaftesten Synthies am Platze. Add N To Al Spicer (X) haben ihren Elektro-Pop gern lärmig und pervers und nutzen die Gelegenheit, sich mit S & M-Computerspielchen schadlos zu halten. Richard Fontenoy Gegründet 1970 in Sunapee, New Hampshire. »Am Anfang waren wir nicht besonders ehrgeizig. THE ADVERTS Wir wollten nur die Größten sein.« Steven Tyler

Gegründet 1976 in London; aufgelöst Ende 1979. erosmith, Stadionrocker par excellence, haben »The Adverts kennen einen Akkord, The Damned A Durchhaltevermögen bewiesen. Aus dem Ab- drei. Seht alle vier…« Konzertplakat 1977 grund, in den sie Ende der 70er gesunken waren, schafften sie im Zeitalter von Videos und MTV ein V Smith (git./voc.) und Gaye Advert (b.) grün- Comeback, wurden sogar zu Megastars. Gegründet T deten eine Band und spielten ihren ersten Gig im von Sänger Steven Tyler (richtiger Name Steven Tala- Roxy – einem verschwitzten, versifften Club im Lon- rico) und Rhythmusgitarrist Brad Whitford, kamen doner Covent Garden. Verstärkt durch Howard Pik- Schlagzeuger Joey Kramer, Bassist Tom Hamilton kup (git.) und Laurie Driver (dr.) spielten sie als und der begnadete Leadgitarrist Joe Perry dazu. Er Vorgruppe von The Damned und gingen zu Stiff Re- und Tyler entwickelten sich zum Mittelpunkt der cords. Nach einer kurzen Studiosession landete ihre Gruppe. erste 45er, »One Chord Wonders«, in den Plattenläden 1972 veröffentlichten Aerosmith das gleichnamige – eine starke Punk-Single, die Unerfahrenheit trotzig Debütalbum mit dem fetzenden »Mama Kin« und der zu einer Tugend erhob. träumerischen Ballade »Dream On«. Auf dem von Die zweite Single im Sommer 1977 sprach nicht Jack Douglas produzierten Album Get Your Wings nur die Kultfreaks an. »Gary Gilmore’s Eyes« war eine (1974) demonstrierten sie erstmals ihr späteres Mar- makabre Fantasiegeschichte über besagten Mörder, kenzeichen: straffe Rockrhythmen und Tylers heisere, dessen Wunsch es war, seinen Körper der Medizin zur bluesige Gesangsakrobatik. Das Multi-Millionen-Al- Verfügung zu stellen. Ein interessantes Thema für die bum Toys In The Attic (1975), zwar gewagter, aber zu- Boulevardpresse. Die Plattenfirma half mit provokati- kunftsweisender Funk in »Walk This Way« und das ven Pressefotos von Gayle nach. Ein TV-Auftritt in charakteristisch breite Innuendo auf »Big Ten Inch«, stampfte plötzlich tausende neue katapultierte die Band in die Stadien und widerlegte Punk-Kids aus dem Boden – größtenteils männlicher alle, durch Tylers Ähnlichkeit mit Jagger und Perrys Natur –, die von Gayles verwahrlostem Amphetamin- Gitarrenstil ausgelösten Zweifel, daß die Band nur ein Look begeistert waren. Auf der B-Seite der Single Stones-Abklatsch sei. schlummerte die maßgeschneiderte Hymne »Bored Auf Rocks (1976) brachten Aerosmith eine unver- Teenagers«. kennbare Mischung von Beatles-Harmonien und kom- Zwei weitere Singles schafften den Mainstream-Er- promißlosen Heavy Metal-Riffs wie z.B. »Back In The folg nicht, doch die LP Crossing The Red Sea With The Saddle«. Wahrscheinlich waren es jene Beatles-Ele- Adverts (1978) kroch in die untere Hälfte der UK-Top mente, die ihnen 1978 die Ehre verschafften, den 40. Das Album enthält die Singles sowie einige un- Song »Come Together« im Film Sgt. Pepper’s Lonely spektakuläre Konzertnummern – obwohl die Band Hearts Club Band zum Besten geben zu dürfen. live faszinierend war, kamen die Aufnahmen so lang- Auf der Bühne hatten sich Aerosmith zu einer At- weilig und schlaff rüber wie die Frisur von TV Smith. traktion entwickelt. Ein androgyner, provokativer Ty- Nach Laurie Drivers Abgang rekrutierten TV und ler, der seinen Mikrophonständer durch die Luft Gaye verschiedene Aushilfsdrummer. Sie wechselten schwang wie ein Bandleader seinen Taktstock, die sogar das Plattenlabel, hatten aber Schwierigkeiten, Band eine perfekte Basis für Perrys protzige Gitarren- einen Produzenten zu finden, der ihren Live-Sound exzesse. Das Publikum tobte derart (Tyler wurde re- Cast im Studio umzusetzen wußte. Bis die zweite LP, gelmäßig in die Menge gezerrt), daß sie hinter einem AEROSMITH

9 speziell angefertigten Gitter auftreten mußten. Lei- der blieben die Exzesse des Rock’n’Roll-Lebensstils nicht ohne Folgen – Tyler gab später bekannt, daß er über eine Million Dollar für Drogen ausgegeben hatte. Ein weiterer Streßfaktor war, daß ähnliche Erfolge auf der anderen Seite des Atlantiks ausblieben. 1977 er- lebten sie eine verheerende Europa-Tournee mitten in der Glanzzeit des Punk. Das seichte Draw The Line wurde nur durch den Ti- telsong gerettet. Live Bootleg war zwar ein ausge- zeichnetes Album, doch Disharmonie aufgrund ihres Drogenkonsums spiegelte sich stark auf Night In The Ruts (1980) wider. Brad Whitfield verließ die Band, ebenso Joe Perry, der drei Soloalben mit dem Joe Perry Project veröffentlichte. Tyler harrte aus, enga- gierte die Gitarristen Jim Crespo und Rick Dufay und veröffentlichte Rock In A Hard Place (1982). Aber abgesehen von Crespos empfehlenswerten Licks solide Live-Album A Little South Of Sanity (1998) auf »Lightning Strikes« und »Bolivian Ragamuffin« oder in Jusy Push Play (2001) reinhören, um zu be- hatte es nichts zu bieten. greifen, daß Aerosmith nicht gewillt sind, irgendwas Die Originalbesetzung – inzwischen entgiftet – in Sachen Sound oder Songwriting zu verändern. Der vereinte sich 1985 wieder, wechselte zum Geffen-La- legendäre Status der Band wurde dadurch unterstri- bel und veröffentlichte Done With Mirrors (1985). chen, daß sie im März 2001 in die Rock And Roll Hall Das Album signalisierte eine neue Hochform und Of Fame eingeführt wurden. brachte einen überarbeiteten Titel aus Perrys Solokol- b Rocks (1976; Columbia). Guns N’ Roses-Gitarrist Slash lektion, »Let The Music Do The Talking«, als High- zitiert diesen Klassiker als ›das Album, das mein Leben light. Im folgenden Jahr wurden sie von den Plati- veränderte‹. Darauf zu hören »Last Child« und »Sick As A num-Rappern Run DMC gebeten, auf deren Coverver- Dog«. Definitiv das Aerosmith-Album. sion von »Walk This Way« mitzuwirken. b Live Bootleg (1979; Columbia). Ein rauhes Live-Album Permanent Vacation, eine Kollaboration mit Bon ohne Nachmischung präsentiert aufgemotzte Versionen von Klassikern wie »Walk This Way«, »Mama Kin«, und »Sweet Jovi-Produzent Bruce Fairbairn, wurde von einer ge- Emotion« sowie den funkigen James Brown-Tribut »Mother spannten Rockpresse – die Aerosmith-inspirierten Popcorn«. Newcomer Guns N’ Roses machten damals Furore – b Permanent Vacation (1987; Geffen) Ein meisterhaftes sehnlichst erwartet. Dieses abwechslungsreiche, ehr- Set, das Jahre der Rock-Erfahrung mit einer Reihe gewagter geizige Album präsentierte den Hit »Dude (Looks Songs verbindet. Es ist laut, frisch und funky, neu verpackt in Like A Lady)«, das bluesige »Rag Doll«, den calypso- kommerziellem Glanz. b Pandora’s Box (1991; Sony) Die ultimative Aerosmith- ähnlichen Titelsong und ein energiegeladenes Cover Kollektion, verpackt in einer schönen Dreier-CD-Box. Von des Beatles-Songs »I’m Down«. Die Band unternahm 1966er-Aufnahmen von Tylers Prä-Aerosmith-Band, Chain Mammut-Tourneen und etablierte sich erneut – dies- Reaction, bis Rock In A Hard Place. mal auf beiden Seiten des Atlantiks. Der Grammy-Ge- Michael Andrews winner Pump (1989) enthielt die Hits »Janie’s Got A Gun« und »Love In The Elevator«, was wegen der Pas- sage ›going down‹ viele Radioeinsätze einbüßen mußte. AFGHAN WHIGS Get A Grip (1993) war ein weiterer Verkaufsschla- Gegründet 1987 in Hamilton, ; aufgelöst 2001. ger sowie eine Prophezeihung, daß die Gruppe den › Boom‹, der viele Glamrocker ihr Publikum rontmann der Afghan Whigs, ein gewisser Greg kostete, überdauern würde. Vier schwere Jahre mit F Dulli (git./voc.), ist mit einer Stimme begnadet, Drogen- und Egoproblemen folgten, bis schießlich die die Kleinstadtisolation, über die er singt, perfekt 1997 Nine Lives in den Plattenläden landete. Trotz porträtiert. Die Band gründete er nach dem Besuch anfänglicher Schwierigkeiten behauptete sich das Al- eines Hüsker Dü-Gigs, der ihn so tief berührte, daß er bum als außergewöhnlich stark mit 70 Minuten gna- sein Filmstudium an den Nagel hängte, um in der Mu- denlosem Rock, Gitarrensolos, theatralischen Vocals, sikszene mitzumischen. Die Originalbesetzung ent- fürchterlichen Texten und heißen Zweideutigkeiten. stand während seines kurzen Aufenthalts im Knast Gems (1998) warf dann einen Blick auf die Highlights von (wegen Urinieren vor einem Polizi- der Karriere vor der Wiederauferstehung mit Run- sten). Dort traf er (b.; inhaftiert wegen D.M.C. Allerdings: Das Sprichwort ›Das Leben beginnt Drogendelikten). Wieder frei und zurück in Hamilton, mit Vierzig‹ hat sich bei dieser Band bewahrheitet. einer Stadt mit vorwiegend Stahlindustrie, ca. 30 Reifer und stolz auf ihre altmodischen Formeln zei- Meilen vor Cincinnati, wurde aus dem Duo eine gen sie sich fitter als so manche, die auf die neue Gruppe mit Rick McCollum (git.) und Steve Earle

AFGHAN WHIGS Sensibilität im Rock bauen. Man muß nur kurz in das (dr.).

10 1988 kam ihr Debütalbum, Big Top Halloween, auf b Gentlemen (1993; Elektra). Das Major-Debüt behandelt den Markt, eine wirklich gutturale Exposition der die üblichen Afghans-Themen – Religion, Isolation, Sex (oder 70er-Rock-Akkorde, mit Genuß und Substanz einge- keiner). Die Musik ist stimmungsvoller, mehr . Die schwärzeste Platte, die weißer Grunge je produziert hat. spielt. Dullis Texte, im Suff geschrieben, waren halb Fantasie und halb Realität, vor allem aber filmreif. Alex Ogg Als erste Band auf dem -Label engagierten sie zwei Jahre später den Star-Produzenten für . Zwar erreichte die LP nie das erhoffte Ziel, wurde aber zum Vorreiter des späteren Grunge. Gegründet 1981 in Rhyl, Wales; aufgelöst 1991. Afghan Whigs verstanden es, trotz Übertreibung ihr Volumen gekonnt zu balancieren – die Country- bwohl The Alarm eine der besten Live-Bands der Rock-Parodie »Son Of The South« diente als Wegwei- O 80er war, hatten sie nie den Erfolg, den sie ei- ser für ihre EP mit Soul-Coverversionen, Uptown gentlich verdient hätten. Zuerst hießen sie Seven- Avondale. Congregation (1992) hingegen war eher teen (und sie waren damals alle 17). trübsinnig und unentschlossen, einsichtig und doch (voc./git.), (git.), Eddie MacDonald (b.) verdrießlich. schlugen einen un- und Nigel Twist (dr.) änderten dann ihren Namen in durchsichtigen Weg ein. The Alarm, gemäß dem Song »Alarm, Alarm«. Im Grunge-Fieber wurden auch die Whigs als letzte Zahlreichen Tourneen und der ersten (selbstfinan- der Sub Pop-Bands von einem Major eingekauft: Elek- zierten) Single, »Unsafe Building«, zufolge bauten tra wurde ihr neues Zuhause. Dulli behielt sich das The Alarm eine stattliche Underground-Fangemeinde Recht vor, alle Videos zu produzieren sowie die Regie auf. Anfangs bei Illegal Records, dem Label von Poli- zu führen. In der Presse ging auch ein Gerücht über ce-Manager Miles Copeland, wechselten sie zu IRS ein Filmprojekt um. und veröffentlichten 1984 ihr erstes Album Declara- Auch wenn Gentlemen (1993) sie nicht auf eine tion. Sie wurden sofort mit The Clash verglichen: Die Stufe mit Nirvana stellte, erntete es dennoch genü- Stimme von Peter klang ähnlich, und die Instrumen- gend Beifall, der ein langes Leben prophezeite. Die tierung auf der Single »Sixty Eight Guns« (Nr. 17 in Musik war sehr ausgefeilt, die Texte hatten den rauh- England) könnte eine Leihgabe von »London Calling« en Beigeschmack behalten. Im folgenden Jahr wurde gewesen sein. Trotzdem, die Band hatte genügend Ta- Dulli für eine ›Grunge Supergroup‹ engagiert, die die lent für eine eigene Identität, was die akustisch/ Background-Musik für Backbeat lieferte (mit von der elektrische Mischung und Ohrwürmer wie »Blaze of Partie waren auch , und Glory« (Highlight eines jeden Alarm-Konzerts) und Dave Pirner), einen Spielfilm über Stuart Sutcliffe »Where Were You Hiding When The Storm Broke?« und die frühen Jahre der Beatles. Er durfte den John sehr wohl demonstrierten. Lennon geben. Als Vorgruppe von U2 waren sie Anfang der 80er Für den Soundtrack von Beautiful Girls lieferte die perfekte Besetzung. Sie teilten nicht nur die kel- Dulli eine Coverversion des -Titels »Cant’ tische Abstammung, sondern auch Punkenergie und Get Enough Of Your Love, Babe« ab. Ein Schritt in religiöse Überzeugung. In den Texten von The Alarm Richtung Soul, der sich später auf Black Love (1996) konnte man Peters christlichen Glauben stark erken- auswirken sollte, ein gelungenes Werk mit aussichts- nen. Nach der Veröffentlichung von »The Chant Has losen Geschichten und krankhafter Leidenschaft. Just Begun«/»The Bells Of Rhymey« (letzteres eine Columbia veröffentlichte 1999 ein weiteres Album, akustische Version des gleichnamigen Waliser Ge- 1965, das jedoch wenig erfolgreich war. Im Jahr dar- dichts) erschien das durchwachsene Album Strength auf legte Dulli mit das Album (1985). Mit einer Tendenz zum Stadionrock (im fol- Twilight As Played By The Twilight Singers vor. Die genden Jahr spielten sie mit Queen und Status Quo hier enthaltenen Stücke stammten aus dem Jahr im Wembley Stadion) hatte die LP durchaus gute Sei- 1997 und waren schon als Bootlegs zu hören gewe- ten, insbesondere »Spirit Of ’76« und »Walk Forever sen, doch die offizielle Veröffentlichung gewann By My Side«. Eye Of The Hurricane (1987) dagegen dank zusätzlicher Musiker und der Produktion der hatte wenig zu bieten, mit Ausnahme der Top-20-Sin- maßvollen Fila Brazillia an Reife und Tiefe – zudem gle »Rain In The Summertime« und dem Live-Track zeigte sich Dulli auf diesem Meisterwerk, dem dann »One Step Closer To Home«. noch Blackberry Belle (2003) folgte, so seelenvoll Auf Change (1989) zeichnete sich ein Richtungs- und optimistisch wie nie. wechsel von der ursprünglichen Punk/Folk-Mischung Die Afghan Wigs fanden es indessen zunehmend zum bluesigeren Sound ab, besonders auffällig bei schwieriger zusammenzuarbeiten – auch weil die »Sold Me Down The River« und »Devolution Workin’ Bandmitglieder so weit auseinander lebten –, und Man Blues«. Für viele allerdings galt »A New South nachdem schon verlautet war, es gäbe bald neues Wales«, mit dem Waliser Männerchor und dem Welsh Studiomaterial, lösten sie sich 2001 im Guten auf. Symphony Orchestra, als Highlight dieser LP. Voller Stolz über ihre Herkunft veröffentlichten sie dieses b Big Top Halloween (1988; Ultrasuede). Ein Wahnsinns- debüt. Eine Glanzleistung an Schnelligkeit, Timing und Lyrics, Album auch in walisischer Sprache. für die die Mehrzahl von Seattles Musikern ihren Jack- Nach einer Amerika-Tournee, auf der sie

Daniels-Arm geben würde. begleiteten, veröffentlichten sie ein Mini-Live-Al- THE ALARM

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