MITTEILUNGEN JOURNAL DES HESSISCHEN MUSEUMSVERBANDES 46/2014 46/2014 MITTEILUNGEN 46/2014

NEUE MUSEUMS­ EINRICHTUNGEN NEUE MUSEUMSEINRICHTUNGEN FORSCHUNG Rüsselsheimer Stadt- und Industriemuseum Rüsselsheim: Historische Wahlurnen im Industriegeschichte Vom Dorfhandwerk zur Industrialisierung 2 Bad Homburger Museum 40 Konrad-Zuse-Museum Hünfeld mit neuer Abteilung zur Bahngeschichte Hünfelds 4 „Blut ist ein ganz besonderer Saft“: NEUE PUBLIKATIONEN 42 Neue Emil-von-Behring-Ausstellung in Marburg 5 PERSONALIA 44

AKTUELLE SONDERAUSSTELLUNGEN 6 MELDUNGEN 47

VERMITTLUNG UND KOMMUNIKATION Gemeinsam Natur erleben – interkultureller VERBANDSMITTEILUNGEN Austausch in Frankfurt am Main 28 Rückblick auf den Verbandstag 2013 Das inklusive Museum – in 54 RESTAURIERUNG barrierefrei und demografiefest 30 Internationaler Museumstag UND KONSERVIERUNG am 18. Mai 2014 57 Rekonstruktion eines Ist das Kultur oder kann das weg? Giraffenskeletts SAMMLUNG UND DOKUMENTATION Fachkonferenz am 5. Juli 2014 in Marburg 57 Das „Open Lab“: Eine interaktive Neue Museumsverbandstexte: Plattform des Weltkulturen Museums 32 Wenn Erwartungen auf Besucher treffen 58 Wella-Sammlung geht an das Hessische Landesmuseum Darmstadt 34 Museum Jagdschloss Kranichstein: AUTORINNEN UND AUTOREN 59 Hirsche auf Reisen 36

VORSTAND DES HESSISCHEN RESTAURIERUNG UND KONSERVIERUNG MUSEUMSVERBANDES 59 Ein Skelett und seine Geschichte: Die Montage des Giraffenbullen „Otto“ für das Hessische Landesmuseum Darmstadt 38 IMPRESSUM 60

MELDUNGEN Kaulbach-Porträt in Bad Arolsen führen beispielhaft vor Augen, wie sich das Neben drei Unternehmergenerationen der Der Sämereienladen erzählt von Handwerk im Zeitalter der Industrialisierung Familie Opel treffen wir auch auf ihren Wider­ Selbstversorgung und Konsum auf neue Produkte und Werkzeuge einstellen part in Gestalt eines Gewerkschaftsfunktionärs, muss. Die Gleichzeitigkeit des Ungleichzeitigen der erst nach Jahren als Verhandlungspartner findet sich auch im Wechselspiel des wach­ akzeptiert wurde. Eine Facharbeiterdynastie, senden Ortes und der boomenden Industrie, die ihre Maßwerkzeuge über Generationen zu deren Hauptakteur sich in Rüsselsheim das vererbte, zeigt die Schere zwischen Qualifi­ Opel-Werk entwickelte. zierung und Dequalifizierung durch die in­ Dieser große Erzählbogen „Vom Dorfhand­ dustrielle Entwicklung auf. Vertiefende Bio­ werk zur Industrialisierung“ und das spannungs­ grafiestationen mit Objekten und Quellen zu reiche Verhältnis von Alltags- und Arbeits­ Opfern, Tätern und Widerständlern geben welt bestimmen die Grundstruktur der Aus­ Einblicke in den Alltag und die Handlungs­ stellung. Den Eingangsbereich prägt ein aura­ spielräume unter der nationalsozialistischen tisch präsentierter Amboss als Sinnbild des Diktatur. schaffenden Menschen. Ein Schattenrissfilm Besucherinnen und Besucher werden akti­ zweier Schmiede am Amboss macht das Ty­ viert und ermutigt, sich Geschichte zu erarbei­ pische der Handwerksarbeit sichtbar: Kunst­ ten. Während heute durch eine Drehung des Erlebnis des Ersten Weltkrieges Inszenierung zum „schaffenden fertigkeit, Vielseitigkeit und selbstbestimmter Zündschlüssels ein Automobil startet, müssen an der Front und vor Ort Menschen“ als Einstieg in die Arbeitsrhythmus. an einer Spielstation am Opel-Oldtimer alle Ausstellung und Hinführung Historische Wandlungsprozesse Von hier aus eröffnet sich eine lange Sicht­ damals nötigen Schritte nachvollzogen wer­ zum Thema „Handwerk“ achse zum gegenüberliegenden Ende des Aus­ den. Ein auf Gaze aufgedrucktes Foto einer sinnlich erfahrbar stellungsraumes, wo ein zweites lebensgroßes Rüsselsheimer Straßenszene symbolisiert nicht Die neu gestaltete Abteilung „Vom Schattenspiel das Zentrum des Abschnitts zum allein den „Weg zur Stadt“. Dadurch, dass ent­ 20. Jahrhundert bildet. Dieses zeigt drei Arbei­ sprechende Objekte hinter der Gaze beleuchtet Dorfhandwerk zur Industrialisierung“ ter mit ihren eingetakteten, immer wieder­ und sichtbar gemacht werden können, lassen Ausstellungsbereich zur zweiten in Rüsselsheim kehrenden Arbeitshandlungen bei der Moto­ sich verschiedene Aspekte des Infrastruktur­ Unternehmergeneration bei renmontage am Fließband – ein Hinweis auf ausbaus nachvollziehen. Opel mit Produkten und Gegen- die Einführung des Fließbandes bei Opel im Die großen Ereignisse und Entwicklungs­ ständen aus der Alltagswelt Seit seiner Gründung steht das Stadt- und Jahr 1924. stränge der Geschichte werden immer wieder ­Industriemuseum Rüsselsheim dafür, die In­ Am Anfang des Rundganges gelangen die auf lokaler Ebene anschaulich gemacht: Der dustrialisierung nicht als abstrakten Prozess Besucher in die Werkstätten von Dorfschmied Militarismus des Kaiserreiches spiegelt sich in Erklärtes Ziel vonseiten des Museumsteams oder technische Leistungsschau zu vermitteln, und Wagner. Dann teilt sich der Weg: Auf der den Andenken hiesiger Wehrpflichtiger. Das war es, die Rüsselsheimer Bevölkerung von An­ sondern den arbeitenden Menschen in Bezie­ einen Seite entwickelt sich das Dorf zur Stadt. Grauen des industrialisierten Ersten Weltkrie­ fang an mit auf den Weg in ihr neues Museum hung zu technischen Innovationen zu setzen. Auf der anderen Seite entstehen zunächst Manu­ ges zeigt sich in einer Grabenkampfinszenie­ zu nehmen. Vorträge, Diskussionsrunden und Für dieses Konzept erhielt das Museum 1979 fakturen, später erste Fabriken und schließ­ rung und in Feldpostsendungen nach Rüssels­ Baustellenführungen gaben daher immer wie­ den Preis des Europarates. Nun präsentiert lich das Opelwerk. Beide Erzählstränge sind heim; aber auch die Rüstungsproduktion bei der Einblicke in den Stand der Arbeiten, in­ sich die Abteilung „Von der Industrialisierung durch thematische Anbindungen, Sichtachsen Opel ist hier Thema. formierten über ausgewählte Objekte und bis 1945“ nach dreijähriger Überarbeitung in und Objektgruppen in Beziehung gesetzt: So Für Anschaulichkeit durch Unmittelbarkeit wichtige Themenkomplexe. neuem Gewand. Noch schärfer wird der Fokus blickt man aus der Automobilfertigung im sorgen ausgewählte Biografien, die die konkre­ Jens Scholten auf das Geschehen vor Ort gerichtet, indem Werk über einen Opel „Torpedo“ hin zu Woh­ te Lebenswelt ihrer Zeit vor Augen führen. So exemplarisch die fundamentalen Veränderun­ nungsbau und Infrastrukturentwicklung. Die sitzt die kleine Tochter des Schmieds, Anna, auf gen dieser Epoche konkret erlebbar werden. Herstellung des Autos und seine Vermarktung dem Großfoto der Werkstatt mit am Arbeits­ Stadt- und Industriemuseum Rüsselsheim Fotos S. 2 und 3: Wenn sich aus einer Landgemeinde eine werden so mit der Frage verbunden, welche platz und zeigt die Einheit von Arbeits- und Hauptmann-Scheuermann-Weg 4 Frank Möllenberg/Stadt- und Stadt mit heute 60.000 Einwohnern aus über negativen Konsequenzen etwa das Einfahren Wohnort auf. Als alte Frau zwischen ihren 65428 Rüsselsheim Industriemuseum Rüsselsheim 100 Nationen entwickelt, wird deutlich: Wan­ der „Stinkkutschen“ auf den unbefestigten Gemüsebeeten schlägt sie die Brücke zum Tel.: (0 61 42) 83 29 50 del war immer. Wagner und Dorfschmied Straßen der Kleinstadt hatte. Thema Selbstversorgung. www.museum-ruesselsheim.de

2 NEUE MUSEUMSEINRICHTUNGEN NEUE MUSEUMSEINRICHTUNGEN 3 Via Hünfeld in die Welt: die verkehrsmäßige Erschließung der Region „Blut ist ein ganz tete durch sein verbessertes Tetanusserum im begeben sich die Besucher auf eine Reise in die Ersten Weltkrieg vielen Soldaten das Leben. Neue Abteilung zur Hünfelder Bahngeschichte entlang eines zur besonderer Saft“ Durch die gemeinsamen Anstrengungen der Bahngeschichte Hünfelds „Zeitschiene“ umfunktionierten alten Schie­ Stadt Marburg und der Philipps-Universität nenstrangs. Im ersten Abschnitt geht es um Eine neue Dauerausstellung im Kontext ist es nun gelungen, der Ausstellung über das die Entwicklung des Eisenbahnwesens vom der Marburger „Behring-Route“ Leben und Wirken des Marburger Professors 19. Jahrhundert bis zur Gegenwart und um für Hygiene wieder einen festen Platz zu geben: Im alten Wasserturm des Bahnhofs Hünfeld, die ab 1866 erfolgte Anbindung Hünfelds an Am 10. Dezember 2013, dem Tag der jährlichen der von der Stadt erworben und für museale das expandierende Streckennetz. Entlang der Nobelpreisverleihung in Stockholm, wurde sie Zwecke zur Verfügung gestellt wurde, ist seit unverputzt belassenen Wandflächen wird da­ im ersten Obergeschoss der Arbeitsstelle für August 2013 die neue Abteilung „Bahngeschich­ zu ergänzend die Bedeutung der Bahn für die die Geschichte der Medizin im Beisein des te“ des Konrad-Zuse-Museums beheimatet. Menschen in und um Hünfeld geschildert. Ein Oberbürgermeisters Egon Vaupel und des Vize­ Den Grundstock für diese Präsentation legte gesonderter Themenbereich beschäftigt sich präsidenten der Philipps-Universität, Prof. Dr. Porträt Emil von Behrings aus die Schenkung von zwei bahngeschichtlichen mit der Bahn als Arbeitgeber und der Vorstel­ Joachim Schachtner, eröffnet. Nach Einzel­ dem Jahr 1896; Foto: Behring- Sammlungen an das Museum, ergänzt um Ein­ lung unterschiedlicher Arbeitsfelder. Zahlreiche präsentationen im Marburger Schloss und im Archiv EvB/L 16 zelobjekte von Privatleuten. Ein Glücksfall Originalexponate veranschaulichen teilweise Rathaus sowie der 2011 erfolgten Übergabe waren dabei die zeitlich parallel laufenden schon gar nicht mehr existente Berufe und des Behring-Archivs an die Philipps-Univer­ Umbauarbeiten am Hünfelder Bahnhof, wo­ Tätigkeiten, die per Hand ausgeführt wurden. sität konnte die Ausstellung nun dauerhaft Themenbereich „Im Gleis“; durch mehrere Großexponate für den Außen­ Die rückwärtige Seite der Zeitschiene ist der Blick in die Behring-Ausstellung; Foto: Kornelia Grundmann etabliert und mit dem Archiv an einem Stand­ ­Foto: Karl Sauerbier bereich übernommen werden konnten. „Bimbel“ vorbehalten, einer von 1906 bis in ort als zentrale Behring-Forschungsstätte zu­ Das inhaltliche und gestalterische Konzept die 1990er Jahre existierenden Nebenstrecke sammengeführt werden. des Büros Büxel aus Bad Hersfeld beruhte dar­ zwischen Hünfeld und Wenigentaft, die in der Wer war Emil von Behring? Geboren 1854 in Die Ausstellung ist darüber hinaus Teil der auf, den Wasserturm, der ehemals zum Befüllen Erinnerung vieler Hünfelder noch äußerst einfachste Verhältnisse als Sohn eines Dorf­ neuen „Behring-Route“, die diese bedeutende der Dampflokomotiven diente, als Exponat in präsent ist. schullehrers konnte er mit Hilfe eines Stipen­ Persönlichkeit im Stadtbild Marburgs sichtbar situ mit einzubeziehen. Zwei Erzählstränge Auf großes Interesse der Besucher stößt die diums in Medizin studieren und arbeite­ macht. Der Stadterlebnisspaziergang führt zu Zur Behring-Route ist eine führen durch das schmale, aber langgestreckte Möglichkeit einer virtuellen Zugfahrt im nach­ te zunächst als Militärarzt, später als Assistent ehemaligen Wohn- und Wirkungsstätten. In ­Begleitbroschüre (deutsch/ Gebäude. Ausgehend von einer Einführung in gebildeten Zugabteil. Dabei kann man eine Robert Kochs. Zusammen mit seinen Berliner der Ausstellung in der Bahnhofstraße kann englisch) erschienen, die in Blick in die Ausstellungsräum- gefilmte Bahnfahrt auf dem Streckenteil zwi­ Kollegen gelang es Behring 1890, die ersten sich der Besucher über Behrings Werdegang, der Ausstellung und in der lichkeiten; Foto: Karl Sauerbier schen Fulda und Neukirchen mittels eines in wirksamen Heilseren gegen Diphtherie und seine Familie und Freunde, seine Tätigkeit als Marburger Touristinfo am ­Pilgrimstein 26 erhältlich ist. ein Zugfenster eingebauten Monitors erleben. Tetanus (Wundstarrkrampf) zu entwickeln, Wissenschaftler in Berlin und Marburg, sein Weitere Informationen lassen Um diese neue Attraktion zu realisieren, die als passive Immunisierung zur Bekämp­ Wirken als Marburger Kommunalpolitiker und sich unter: www.marburg.de/ bedurfte es vieler Unterstützer. Finanziell en­ fung dieser Infektionskrankheiten eingesetzt die Gründung der Behringwerke informieren. behring-route und als QR-Codes gagierten sich der Landkreis Fulda, die Stadt werden konnten. Nach seiner Entlassung aus Nicht zuletzt wird die Nobelpreisurkunde für an den einzelnen Stationen Hünfeld und der Hessische Museumsverband, der preußischen Armee gelang Behring der ge­ den ersten Träger des Medizin-Nobelpreises abrufen. während die praktische Umsetzung der Aus­ sellschaftliche Aufstieg durch seine Berufung gezeigt. Die Dokumente des Behring- stellungseinrichtung in vielen Stunden von als Hochschullehrer an die Marburger Univer­ Öffnungszeiten: Mo bis Do 9–17 Uhr Nachlasses sind online einseh- bar unter: www.uni-marburg. ehrenamtlichen Kräften geleistet wurde. sität. Hier lebte er seit 1895 bis zu seinem Tod und Fr 9–13 Uhr. de/behring-digital. Karl Sauerbier im Jahr 1917. Die Farbwerke Hoechst vermark­ Kornelia Grundmann, Karin Stichnothe-Botschafter teten zunächst sein Heilserum. 1904 machte er sich von den Farbwerken unabhängig und Konrad-Zuse-Museum Hünfeld gründete mit dem Preisgeld, das er zwei Jahre Emil-von-Behring-Ausstellung mit Kreis- und Stadtgeschichte zuvor bei der Verleihung des Nobelpreises er­ Arbeitsstelle für die Geschichte der Medizin Kirchplatz 4 – 6 halten hatte, die Firma „Behringwerk oHG“. Bahnhofstraße 7 36088 Hünfeld Während dieser arbeitsreichen Jahre führte er 35037 Marburg Tel.: (0 66 52) 91 98 84 seine Forschungen weiter, entwickelte einen Tel.: (0 64 21) 28 - 67 08 8 www.zuse-museum-huenfeld.de (aktiven) Impfstoff gegen Diphtherie und ret­ www.uni-marburg.de/fb20/evbb

4 NEUE MUSEUMSEINRICHTUNGEN NEUE MUSEUMSEINRICHTUNGEN 5 Mathematikum Gießen werklich komplizierten wie künstlerisch an­ (geb. 1969, Niederlande) und Ming Wong Liebigstraße 8 spruchsvollen Farbholzschnitt, mit dem er sich (geb. 1971 Singapur). Der Vergleich dieser 35390 Gießen in der Kunstszene etablierte. Die Jubiläums­ Werke mit Ausschnitten aus Fassbinders Fil­ Tel.: (06 41) 9 69 79 70 ausstellung zum 90. Geburtstag von Esteban men soll Ähnlichkeiten und Unterschiede er­ www.mathematikum.de Fekete entstand in Kooperation mit der Fekete- fahrbar machen. Übergeordnet reflektiert der Stiftung im Kulturhistorischen Verein Roß­ Vergleich, wie das Kino aktuelle künstlerische dorf. Medien prägt. Auch provoziert er die Frage, in­ wiefern die Grenze zwischen Film- und Video­ Museum Schloss Fechenbach kunst im digitalen Zeitalter zunehmend ver­ Eulengasse 8 schwimmt. 64807 Dieburg Tel.: (0 60 71) 20 02 - 46 0 Deutsches Filmmuseum www.museum-schloss-fechenbach.de Schaumainkai 41 60596 Frankfurt am Main Tel.: (0 69) 96 12 20 - 22 0 Ein Stahlobjekt von Friedhelm www.deutsches-filmmuseum.de Kürpig; Foto: © F. Kürpig Fassbinder – Jetzt Film und Videokunst Ecken und Kanten – europaweit 30. Oktober 2013 bis 1. Juni 2014 11. April bis 11. Mai 2014

Viele Themen der Filme von Rainer Werner Friedhelm Kürpig (geb. 1942) und Ulrich Fassbinder sind heute so relevant wie zu ihrer Mikloweit­ aus Deutschland, Rinus Roelofs Entstehungszeit zwischen 1966 und 1982: (geb. 1954) aus den Niederlanden und Ueli emotionale Abhängigkeit und Ausbeutung, Wittorf (geb. 1943) aus der Schweiz sind vir­ zerrüttete Familien, Diskriminierung von tuose Schöpfer plastischer Werke, die eine enge Minderheiten und gesellschaftlicher Druck Beziehung zur Mathematik aufweisen. Das im kapitalistischen System. Die Arbeitsweise Thema ihrer geometrischen Modelle sind so­ Esteban Fekete: Neidin am Abend; Foto: Fekete-Stiftung, dieses bedeutenden Regisseurs wird in der Aus­ genannte Polyeder – mathematische Körper, Roßdorf stellung durch zahlreiche Originaldokumente die schon Pythagoras, Leonardo da Vinci oder aus dem „Rainer Werner Fassbinder Archiv“ Johannes Kepler beschäftigt haben. Die unter­ in Kooperation mit der „Rainer Werner Fass­ schiedlichen Herstellungsweisen und Mate­ Esteban Fekete zum 90sten binder Foundation“ veranschaulicht. Diese Ein Objekt aus gedrehten rialien verleihen den rund 150 ausgestellten ­werden mit Videoarbeiten zeitgenössischer ­Hölzern von Rinus Roelofs; Objekten einen besonderen Reiz: Mikloweit 8. April bis 15. Mai 2014 Künstler und Künstlerinnen aus verschiede­ Foto: © R. Roelofs stellt bunte Papierpolyeder her, Kürpig fertigt nen Ländern in Verbindung gesetzt, die Fass­ Objekte aus Stahl, Wittorf kreiert sowohl Holz- binders Themen sowie seine ästhetischen Polyeder als auch Kunststoff-Sterne und Roelofs Der deutsch-argentinischer Maler, Zeichner Strategien aufgreifen. verwandelt die geometrischen Körper in orga­ und Farbholzschneider Esteban Fekete (1924– Die ausgewählten Videoarbeiten stammen nisch wirkende Skulpturen. Die Objekte laden 2009) ist stilistisch nicht festzulegen; seine von Tom Geens (geb. 1970, Belgien); Runa den Betrachter dazu ein, genauer hinzusehen Werke sind weder eindeutig dem Expressionis­ ­Islam (geb. 1970, Bangladesch), Maryam Jafri und die Geheimnisse der Geometrie zu ent­ mus, noch der gegenständlichen und schon (geb. 1972, Pakistan), Jesper Just (geb. 1974, decken. Die Ausstellung wird von Mitmach­ gar nicht der abstrakten Kunst zuzuordnen. Dänemark), Jeroen de Rijke (geb. 1970, Nieder­ Rainer Werner Fassbinder bei den Dreharbeiten zum Film „Händler der vier Jahreszeiten“ (1972); aktionen und Workshops begleitet. In besonderer Weise beherrschte er den hand­ lande, gest. 2006, Ghana)/Willem de Rooij Quelle: Sammlung Peter Gauhe/DIF; Foto: Peter Gauhe

6 AKTUELLE SONDERAUSSTELLUNGEN AKTUELLE SONDERAUSSTELLUNGEN 7 Aus einem ganzen Leben erkenntnisse berücksichtigt alle Schaffenspha­ schlossen die Nationalsozialisten den Künstler Malerei von Wolfgang Pfeil sen und besonders das Früh- und Spätwerk. aus der Reichskammer der bildenden Künste Der künstlerische Durchbruch gelang Nolde aus und erteilten ihm Berufsverbot. Unter die­ 27. März bis 1. Juni 2014 mit Blumen- und Gartenbildern, in denen er sen Bedingungen entstanden von 1938 bis mit dem Potenzial der Farbe experimentierte. 1945 Noldes „Ungemalten Bilder“. Die daran Ab 1912 fanden seine Arbeiten deutschland­ anschließende letzte Schaffensphase des Künst­ Wolfgang Pfeil, geboren 1928 in Plauen (Vogt­ weit großen Anklang. Neben religiösen Bil­ lers ist von ausdrucksstarken Natur- und Land­ land) und seit 1980 in Schauenburg-Elmshagen dern (z. B. „Das Leben Christi“, 1911/12), die schaftsdarstellungen geprägt. ansässig, studierte Musik in Kassel, Frankfurt/M. zu den Höhepunkten in seinem Gesamtwerk und Detmold. Ein befreundeter Kasseler Violin­ gehören, entstanden politische und sozialkri­ Städel Museum spieler brachte ihn zur Malerei. Dieses künst­ tische Gemälde sowie Darstellungen von Ber­ Schaumainkai 63 lerische Ausdrucksmittel wurde Wolfgang lin, wo Nolde ab 1905 halbjährlich lebte. Auf 60596 Frankfurt am Main Pfeil immer wichtiger, insbesondere als seiner eine Expedition nach Neuguinea gehen Werke Tel.: (0 69) 60 50 98 - 0 musikalischen Karriere durch einen Unfall zurück, die Noldes Sehnsucht nach einem www.staedelmuseum.de 1969 ein Ende gesetzt wurde. Die Ausstellung ­zivilisationsfernen, exotischen Naturidyll zeigt mit Aquarellen, Collagen, Drucken und ausdrücken.­ Acrylarbeiten einen Querschnitt aus einer rund 60 Jahre währenden Schaffenszeit. Pfeils künst­ Die Bilder von Wolfgang Pfeil lerisches Werk ist vielseitig. Einen inhaltlichen Aufbruch nach 1945 – Wols und die zeigen vor allem Motive aus der Schwerpunkt bilden die Landschaftsbilder, französische Kunst der 50er Jahre Natur; Foto: © Wolfgang Pfeil stilistisch reicht das Spektrum von naturalis­ Wols: Gesicht (Grohmann XXV), zu Bryen „Baleine-Ville“, tisch bis abstrakt. 14. März bis 15. Juni 2014 1955 (posthumer Druck), Kaltnadelradierung, MHK, Öffnungszeiten: Di bis Do 10 –13 Uhr, ­Graphische Sammlung; Foto: Ute Brunzel Sa und So 14 –17 Uhr. Die Bedeutung von Wols, eigentlich Alfred Regionalmuseum Wolfhager Land Otto Wolfgang Schultze (geb. 1913 in Berlin, Die Ausstellung in Kassel zum 100. Geburts­ Ritterstraße 1 gest. 1951 in Paris), für die Kunst der 1950er tag des Künstlers konzentriert sich auf den kur­ 34466 Wolfhagen Jahre ist heute unbestritten. Neben Jackson zen, aber für Wols’ Werk und dessen Rezeption Tel.: (0 56 92) 99 24 31 Pollock gilt er als der Begründer der informel­ besonders bedeutsamen Zeitraum zwischen Wols: Komposition mit rotem www.regionalmuseum-wolfhager-land.de len Malerei. Seine Ablehnung bürgerlicher dem Ende des Zweiten Weltkrieges und dem Fleck, 1945, MHK, Graphische Normen, die enge Verquickung von Vita und Tod des Künstlers 1951. Die Präsentation wid­ Sammlung; Foto: Ute Brunzel Kunst und nicht zuletzt sein früher, tragischer met sich nicht nur der Kunst und dem künst­ Tod machten sein Leben schnell zur Legende. lerischen Umfeld, sondern beleuchtet zum Einer breiten Öffentlichkeit blieb sein Œuvre Beispiel anhand der bislang nur wenig beach­ Emil Nolde. Retrospektive Emil Nolde: Herbstmeer VII, 1910, Öl/Lw., Nolde Stiftung dennoch weitgehend unbekannt. teten Buchillustrationen Wols’ Kontakte zur Seebüll; Foto: © Nolde Stiftung Seebüll Wols, der 1932 von Dresden in die Kunst­ literarischen Szene in Frankreich sowie den 5. März bis 15. Juni 2014 metropole Paris gezogen war, trat zunächst Einfluss des Jazz auf Wols’ Kunst. Ein vielfäl­ durch seine Fotografien hervor. Nach Aus­ tiges Begleitprogramm rundet das Ausstel­ 1915 bis 1932 konzentrierte sich der Künst­ bruch des Krieges wurde er in verschiedenen lungsprojekt ab. Die von der Nolde Stiftung Seebüll und vielen ler auf Sujets seiner norddeutschen Heimat, Lagern interniert, wo er zu zeichnen begann. Leihgebern unterstützte Präsentation mit Ge­ zum Beispiel das Meer und Blumen in seinem Nach seiner Rückkehr nach Paris 1945 vollzog Museumslandschaft Hessen Kassel mälden, Aquarellen und Druckgrafiken ermög­ Garten. Obwohl Nolde der nationalsozialisti­ er den Schritt in die Abstraktion. 1946 begann Neue Galerie licht einen umfangreichen Überblick über das schen Ideenwelt zugeneigt war, wurden seine der damals noch weitgehend unbekannte Schöne Aussicht 1 Emil Nolde: Selbstbild, 1917, Öl/ Œuvre eines der bedeutendsten deutschen Werke 1937 in öffentlichen Sammlungen be­ Künstler, auch in Öl zu arbeiten. Der Werk­ 34117 Kassel Sperrholz, Nolde Stiftung Seebüll; Expressionisten: Emil Nolde (1867–1956). Die schlagnahmt und teilweise in der Ausstellung prozess, die Materialität und die Struktur wer­ Tel.: (05 61) 3 16 80 - 0 Foto: © Nolde Stiftung Seebüll Retrospektive auf der Basis neuer Forschungs­ „Entartete Kunst“ in München gezeigt. 1941 den zum eigentlichen Thema seiner Malerei. www.museum-kassel.de

8 AKTUELLE SONDERAUSSTELLUNGEN AKTUELLE SONDERAUSSTELLUNGEN 9 Augusta Kaiser und Hedwig Marquardt. Deutschland in den 1930er und 1940er Jahren zu bilden, gründeten sich in Düsseldorf zwei Ein Künstlerinnenpaar in Frankreich weiterentwickelten oder wie Initiativen: 1900 die Zeitschrift „Die Rhein­ französische Künstler auf die deutsche Besat­ lande“ und 1904 der „Verband der Kunst­ 3. November 2013 bis 29. Juni 2014 zung reagierten, zum Beispiel mit der ersten freunde in den Ländern am Rhein“. Gemein­ politisch motivierten Ausstellung avantgar­ sam verfolgten sie das Ziel, der Vielfalt künst­ distischer Malerei 1941 in Paris, an der sich lerischer Positionen eine Öffentlichkeit zu Die Ausstellung zeigt Arbeiten zweier fast ver­ unter anderem Gustave Singier beteiligte. bieten und diese als Moderne zu etablieren – gessener Künstlerinnen und zeichnet deren gleichsam als Gegenentwurf zur klassischen gemeinsamen Lebensweg in den 1920er Jah­ Historisches Museum Hanau Vorstellung von „Moderne“. ren nach. Die einzigartige Keramiksammlung Schloss Philippsruhe von Joachim und Angelika Konietzny (Hg.: Philippsruher Allee 45 Alfred Nathaniel Oppenheim „Augusta Kaiser – die Gustl Kaiser der Kieler 63454 Hanau (1873–1953): Sommerlicher Kunst-Keramik – und ihr Leben mit Hedwig Tel.: (0 61 81) 2 95 17 18 Garten mit Pavillon, 1910, Marquardt“, 2011), zahlreiche Kunstobjekte www.museen-hanau.de Öl/Holz, Sammlung Giersch; Pelikan, entworfen von Hedwig sowie historische Dokumente aus dem Archiv Fernand Leger: Blaue und rote Zusammenstellung, 1938; Foto: Museum Giersch Marquardt für die Kieler Kunst- Laurence Marsh (London) und Arbeiten aus der Foto: Musée Unterlinden, Colmar/VG Bild-Kunst, Bonn, 2014 Keramik AG; Foto: © Joachim Sammlung Dr. W. J. R. van Ouwerkerk (Ams­ Pierre Soulages: 13. September 1966, 1966; Foto: Musée Unterlinden, Colmar/VG Bildkunst, Bonn, 2014 und Angelika Konietzny terdam) machen erstmalig Leben und Schaf­ fenswelt von Augusta Kaiser (1895–1932) und Paris mon amour – Hedwig Marquardt (1884–1969) sichtbar. Picasso, Baumeister, Poliakoff… 1922 lernte die in Wiesbaden aufgewachsene Augusta Kaiser die Künstlerin Hedwig Mar­ 30. März bis 29. Juni 2014 quardt in kennen und lieben. 1924 zogen beide nach und arbeiteten für die Kieler Kunst-Keramik AG. Hier entstanden zahl­ Diese Ausstellung präsentiert Meisterwerke reiche Vasen, Deckeldosen, Wandteller, Figuren des 20. Jahrhunderts aus dem Musée Unter­ und baukeramische Entwürfe. „Gustl“ Kaisers linden in Colmar. Hintergrund und Anregung keramisches Markenzeichen war die durchge­ für die Kooperation mit einem Museum im Die Ausstellung zeigt über 130 Gemälde, hende Farbigkeit, die durch eine glänzende, Elsass ist die Geschichte der Grafschaft Hanau- Grafiken und Plastiken namhafter wie auch craquelierte Glasur noch kräftiger wirkte. Zwi­ Lichtenberg (von 1456/80 bis 1736), die etwa weitgehend unbekannter Künstler. Mit beson­ schen 1925 und 1927 arbeiteten die Künstlerin­ ein Drittel des Elsass umfasste. Gezeigt werden derem Fokus auf das Rhein-Main-Gebiet präsen­ nen selbständig in der von ihnen gegründeten vor allem Arbeiten, die in Paris entstanden, tiert sie impressionistische Landschaften und „Werkstätte für angewandte Kunst“ in Biere. Sie denn die französische Hauptstadt war zwi­ Interieurs von Robert Hoffmann und Heinrich wechselten nach Hannover, als Hed­wig Mar­ schen den beiden Weltkriegen und seit den Die andere Moderne Werner sowie spannungsreiche Bronzeplastiken quardt dort eine Anstellung als Kunsterzieherin 1950er Jahren Anziehungspunkt für viele Kunst und Künstler in den Ländern am Rhein von Ludwig Habich und Bernhard Hoetger. bekam. Augusta Kaiser trat in Folge einer Krebs­ Künstler aus verschiedenen Ländern. 1900 bis 1922 Gemeinsam mit Werken neuidealistischer und erkrankung als Künstlerin nicht mehr hervor Den Schwerpunkt der Präsentation bildet expressiver Künstler wie Fritz Boehle und und starb 1932 in Wiesbaden. Hedwig Mar­ die abstrakte Malerei der sogenannten „Nou­ 23. März bis 13. Juli 2014 August Babberger ergibt sich eine erweiterte quardt hinterließ nach ihrem Tod 1969 in Han­ velle École de Paris“ (1945–1960). Die ausge­ Perspektive auf die Moderne. nover ein Œuvre von mehr als 500 Werken. stellten Werke verdeutlichen zum einen die Elefantenreiter, entworfen von engen Beziehungen zwischen Frankreich und Um 1900 befand sich die deutsche Kunstland­ Museum Giersch Augusta Kaiser für die Kieler Kunst- Frauen-Museum Wiesbaden Deutschland, zum anderen aber auch bisher schaft im Umbruch. In vielen Städten schlossen Schaumainkai 83 Adam Antes (1891–1984): Keramik AG; Foto: © Joachim Wörthstraße 5 weniger bekannte Aspekte der deutsch-fran­ sich Künstler zu Interessengemeinschaften zu­ 60596 Frankfurt am Main Verlassenheit, 1919, Gips, und Angelika Konietzny 65185 Wiesbaden zösischen Geschichte und Kunstgeschichte sammen. Um überregional Aufmerksamkeit Tel.: (0 69) 6 33 04 - 12 8 ­Galerie Netuschil; Foto: Tel.: (06 11) 3 08 17 63 des 20. Jahrhunderts. Die Besucher erfahren, zu erlangen und um ein Gegengewicht zu den www.museum-giersch.de © Galerie Netuschil, Darmstadt www.frauenmuseum-wiesbaden.de wie sich Künstler nach der Emigration aus dominanten Kunstzentren Berlin und München

10 AKTUELLE SONDERAUSSTELLUNGEN AKTUELLE SONDERAUSSTELLUNGEN 11 Vergessene Gäste. Kurort und Krieg Bis zum Zusammenbruch gab es Kurmusik und losophischen und moralischen Fragen aus­ Theatervorstellungen. In der Ausstellung wird einander, die bis heute von gesellschaftlicher 18. Mai bis 20. Juli 2014 zudem die Nutzung der kurörtlichen Infra­­ und politischer Brisanz sind. Die Ausstellung struktur für militärische Zwecke in den Kriegs­ mit Werken afrikanischer Künstler überträgt jahren belegt. Die vorhandenen Bettenkapazi­ die universellen Fragestellungen des literari­ Diese Wanderausstellung wurde von einer täten, die gute medizinische Versorgung, aber schen Werkes in aktuelle, transnationale Zu­ ­Arbeitsgemeinschaft aus den vier Kur- und auch das angenehme Umfeld ermöglichten sammenhänge. Bademuseen in Bad Kissingen, Bad Pyrmont, sowohl eine Nutzung als „Lazarettstadt“ zur Auf drei Etagen, denen jeweils das Paradies, Bad Schwalbach und Bad Wildungen vorberei­ Pflege und Gesundung verwundeter Soldaten die Hölle und das Fegefeuer zugeordnet sind, tet. Die nächsten Stationen nach Bad Wildun­ als auch die Unterbringung von Führungs­ werden Malereien, Fotografien, Skulpturen, gen werden Bad Kissingen und Bad Schwal­ stäben. Bad Wildungen war 1939 als Haupt­ Videoarbeiten, Installationen und Performan­ Handamputierter beim Tisch- bach sein. quartier für die deutsche Luftwaffe vorgesehen, ces präsentiert. Dabei entwerfen einige Künst­ tennistraining in Bad Pyrmont Kurorte sind in der allgemeinen Wahrneh­ nach dem Zweiten Weltkrieg befand sich das ler die Jenseitsreiche als weltliche Orte, die 1943; Foto: Museum im Schloss mung und auch ihrer eigenen Selbstdarstel­ Hauptquartier der englischen Armee in Bad mittels der Vorstellungskraft bereichert werden, Bad Pyrmont lung stets Orte der Heilung und der Gesund­ Oeynhausen und das der französischen Trup­ andere hingegen verknüpfen sie mit der Idee heitspflege. Ihre Geschichte in Kriegszeiten pen in Baden-Baden. von Göttlichkeit, Hoffnung oder Verlust. Die steht selten im Mittelpunkt von Untersuchun­ Ausstellung unterstreicht die Tatsache, dass gen oder Ausstellungen, auch wurden Objekte Quellenmuseum (Wandelhalle) alle Menschen trotz ihrer offensichtlichen Oswald Ammersbach (1889–1956): Affengruppe, 1930er Jahre; und Bilder zu diesem Thema in den Kurorten An der Georg-Viktor-Quelle 3 Unterschiede etwas gemeinsam haben: Die Foto: Deutsches Elfenbeinmuseum Erbach nur selten aufbewahrt. Der Krieg spielte aber 34537 Bad Wildungen Vorstellungen von Paradies, Fegefeuer und zumindest im 20. Jahrhundert eine wichtige Tel.: (0 56 21) 96 79 60 Hölle sind universell. Rolle und prägte über Jahre alle Belange des www.bad-wildungen.de Tierisch ausgefeilt kurörtlichen Alltags. Denn Kur- und Bade­ Museum für Moderne Kunst städte wurden gezielt in die Behandlung und 12. November 2014 bis Ende Februar 2015: Domstraße 10 28. März bis 13. Juli 2014 Versorgung von Verwundeten eingebunden Kur-Stadt-Apothekenmuseum 60311 Frankfurt am Main und profitierten nicht nur medizinisch und Pestalozzistraße 16a Tel.: (0 69) 21 23 04 47 finanziell von den Kriegen. 65307 Bad Schwalbach www.mmk-frankfurt.de Diese bunte und vielfältige Kabinett-Ausstel­ Tel.: (0 61 24) 72 37 60 lung aus den Beständen des Deutschen Elfen­ www.museum-bad-schwalbach.de. Kurgäste und Soldaten vor der Edson Chagas, TIPO PASS, alten Wandelhalle Bad Wildungen, beinmuseums präsentiert Tierdarstellungen in Filipe D. Kuangana, 2012; 1916; Foto: Städtische Museen Elfenbein und verwandten Materialien (z. B. Foto: © Edson Chagas Bad Wildungen Bernstein) aus verschiedenen Kunstepochen und aus aller Welt. Das Spektrum reicht von den eiszeitlichen Tierdarstellungen aus Mammut­ Die Göttliche Komödie elfenbein bis hin zu modernen Kleinskulpturen, Himmel, Hölle, Fegefeuer wobei der Schwerpunkt auf den naturalisti­ aus Sicht afrikanischer Gegenwartskünstler schen Tierplastiken des 19. und 20. Jahrhun­ derts liegt. Auch das Verhältnis zwischen Tier 21. März bis 27. Juli 2014 und Mensch wird in Elfenbein künstlerisch thematisiert. Das große Ausstellungsprojekt zu Dantes Deutsches Elfenbeinmuseum Erbach Die Ausstellung zeigt, wie Kriege und ihre „Göttlicher Komödie“ stellt Arbeiten von Otto-Glenz-Straße 1 Auswirkungen in die heile Welt der Kurorte 57 Gegenwartskünstlern aus über 20 afrikani­ 64711 Erbach im Odenwald hineindrängten und wie man in diesen Zeiten schen Ländern vor. In der „Göttlichen Komö­ Aïda Muluneh, The 99 Series Tel.: (0 60 62) 91 99 90 versuchte, die gewohnte Scheinwelt aufrecht­ die“ setzt sich der italienische Dichter Dante (Detail), 2013, Series of seven www.elfenbeinmuseum.de zuerhalten. Denn auch dies ist festzustellen: Alighieri (1265–1321) mit theologischen, phi­ photographs; © Aïda Muluneh

12 AKTUELLE SONDERAUSSTELLUNGEN AKTUELLE SONDERAUSSTELLUNGEN 13 Forum Romanum Museumslandschaft Hessen Kassel wahren. Die Ausstellung zeigt diese und viele zung leisteten die Sparkasse Bad Hersfeld-­ Geschichte und Archäologie eines Platzes Museum Schloss Wilhelmshöhe andere Geschichten aus dem umfangreichen Rotenburg und die Gesellschaft der Freunde Schlosspark 1 Werk des Comiczeichners. der Stiftsruine 4. April bis 27. Juli 2014 34131 Kassel Tel.: (05 61) 3 16 80 - 0 Caricatura Museum Frankfurt Wortreich in Bad Hersfeld www.museum-kassel.de Museum für Komische Kunst Benno-Schilde-Platz 1 Seit dem Jahr 753 v. Chr., dem fiktiven Grün­ Weckmarkt 17 36251 Bad Hersfeld dungsdatum Roms, gestalteten die Römer ein 60311 Frankfurt am Main Tel.: (0 66 21) 79 48 90 Der Tempel der Dioskuren auf sumpfiges Tal, umgeben von sieben Hügeln, Tel.: (0 69) 21 23 01 61 dem Forum Romanum, im Hin- www.wortreich.bad-hersfeld.de tergrund der Tempel der Faustina, zum zentralen Ort ihres Weltreiches. Für Jahr­ www.caricatura-museum.de Foto ca. 1885–1890; MHK, hunderte war das Forum Romanum ein Ort, Prototyp; © Ralf König ­Archiv Antikensammlung, an dem die Geschichte Europas geschrieben Foto: Arno Hensmanns, MHK wurde. In der Frühzeit versammelten sich hier eisenzeitliche Stämme, später sprachen und wirkten hier Persönlichkeiten wie Cicero, Großes Theater! ­Cäsar und Augustus. Nach dem Ende der Bad Hersfelder Festspiele seit 1951 ­Antike fiel das Forum an die Päpste. 5. Juni bis 30. August 2014 Modell der Burg Eppstein um 1300, links an der Wehrmauer Modell des Forum Romanum um ist der Abtritt mit Holzschacht 10 n. Chr., entstanden an der rekonstruiert; Foto: Stadt- und Universität Erlangen-Nürnberg, Diese Ausstellung bietet den Besuchern einen Burgmuseum Eppstein 2005–2011; Antikensammlung Ralf König Überblick über die Geschichte des traditions­ des Instituts für Klassische Archäo- reichen Freilicht-Theaterfestivals in der Bad logie der Universität Erlangen- 27. März bis 3. August 2014 Hersfelder Stiftsruine seit 1951. Zudem wer­ Im Bad mit Gottfried. Nürnberg; Foto: Arno Hens- den zahlreiche, mit dem Festival verbundene Hygiene auf Burg Eppstein manns, MHK Persönlichkeiten vorgestellt. Eine Reihe von Ralf König (geb. 1960) zeichnet seit über 30 Mitmach-Exponaten ermöglicht es den Be­ 18. Mai bis 31. August 2014 Jahren Comics. Die ersten, heute in zahlreiche suchern, verschiedene Gewerke aus der Thea­ Sprachen übersetzten Geschichten widmeten terwelt kennen zu lernen. sich der Schwulenszene. Einem breiten Pub­ Die Ausstellung wurde konzipiert und um­ Diese Ausstellung begibt sich auf Spuren­ likum ist der Kölner Zeichner spätestens seit gesetzt durch die Designerin Heike Volkert, suche nach feudalen Orten der Gesundheit 1987 bekannt, als „Der bewegte Mann“ er­ den Kulturwissenschaftler Eckart Büxel und und ­Hygiene auf Burg Eppstein. Auch bei den schien, der 1994 verfilmt und eine der erfolg­ das Wortreich-Team. Finanzielle Unterstüt­ Burgherren im Mittelalter waren warme Bäder Die Ausstellung bietet eine Zeitreise durch reichsten deutschen Kinoproduktionen wurde. begehrt. Zwar ist das Badehaus heute nicht die Geschichte des Forum Romanum in fünf Seit einigen Jahren dreht sich Ralf Königs mehr erhalten, aber es haben sich für Burg Epp­ großen Abschnitten. Dabei geht es erstens um Schaffen vermehrt um Religion: 2005 und stein Zeugnisse der täglichen Hygiene, der das sumpfige Tal, in dem vor 3.000 Jahren der 2006 erschien in zwei Bänden die Erzählung Wasserversorgung und Ableitung erhalten. Legende nach eine Wölfin die Zwillinge Romu­ „DschinnDschinn“, die sich dem Phänomen Geradezu komfortabel wirken die Toiletten­ lus und Remus säugte, zweitens um die Funk­ des radikalen Islamismus widmet. Mit der türme, die jedem Geschoss des Wohngebäudes tion des Forum Romanum als Zentrum der ­Bibel-Trilogie „Prototyp“ (2008), „Archetyp“ ein eigenes „heymlich Gemach“ zuordnen. antiken Weltstadt Rom, drittens um den Ver­ (2009) und „Antityp“ (2010) schrieb König fall der Bauwerke im Mittelalter, viertens um die Schöpfungsgeschichte, die Geschichte Stadt- und Burgmuseum Eppstein den „campo vaccino“ im 18. Jahrhundert so­ der Sintflut und des Apostel Paulus neu. Das Burg Eppstein wie abschließend um die heutige Ruinenland­ neueste Buch „Elftausend Jungfrauen“ (2012) 65817 Eppstein Programmhefte der Bad Hersfel- schaft als Tummelplatz von Archäologen und erzählt die Legende der Heiligen Ursula, die Tel.: (0 61 98) 80 31 oder 30 50 der Festspiele; Foto: Wortreich Touristen. nach Köln pilgerte, um ihre Unschuld zu be­ www.eppstein.de in Bad Hersfeld

14 AKTUELLE SONDERAUSSTELLUNGEN AKTUELLE SONDERAUSSTELLUNGEN 15 Diese Ausstellung, die in Kooperation mit See-Blicke: Das Edertal 1911 und 2011 dem Fritz Bauer Institut und dem Thüringer Justizministerium entstand, ist der Person 13. Juli bis 7. September 2014 und dem Wirken Fritz Bauers gewidmet. Als Jude blieb er vom Antisemitismus nicht ver­ schont, als Sozialdemokrat glaubte er jedoch Schwerpunkt der in Zusammenarbeit mit dem an den Fortschritt, bis ihn die Nationalsozialis­ Hessischen Landesamt für Denkmalpflege ten für 13 Jahre ins Exil nach Dänemark und entstandenen Ausstellung sind etwa 60 his­ Schweden trieben. 1949 kehrte Bauer nach torische Aufnahmen, die 1911 von der König­ Deutschland zurück, wurde Direktor des Land­ lich Preußischen Messbildanstalt angefertigt gerichts Braunschweig und 1950 Generalstaats­ wurden. Diese zeigen den Zustand der Land­ anwalt beim dortigen Oberlandesgericht, wo­ schaft und der Dörfer vor der Flutung des Ferdinand Kramer, quadratischer bei er das überkommene Bild dieses Amtes Eder­tals infolge der 1908 bis 1914 errichteten Tisch aus dem kd-Programm, ­revolutionierte. 1956 wurde er in das Amt des Edertalsperre. Ergänzt werden die Aufnahmen 1953/54; Foto: Marc Schwarzer wieder auf, sondern übernahm auch die Innen­ hessischen Generalstaatsanwalts mit Sitz in der Messbildanstalt durch ebenfalls kaum be­ einrichtung. Heute erleben Kramers Entwürfe Frankfurt am Main berufen, das er bis zu sei­ kannte Fotografien aus dem Bildarchiv „Philipp Das Prinzip Kramer vom Türdrücker bis zum Couchtisch ein Re­ nem Tod innehatte. Bauer verstand sich stets Holzmann AG“ des Hauptverbandes der Deut­ Design für den variablen Gebrauch vival, stehen sie doch für Werte wie Langlebig­ als Vertreter der Menschenwürde, vor allem schen Bauindustrie e. V., welche die Errich­ keit, Zeitlosigkeit und Nachhaltigkeit, die in auch gegen staatliche Gewalt – ein großer tung der Edersee-Staumauer dokumentieren. 6. Februar bis 7. September 2014 Zeiten schwindender Ressourcen wieder von Schritt auf dem Weg der Demokratisierung Im sehr trockenen Sommer 2011 zeigte sich größter Aktualität sind. Die über 100 gezeig­ in der frühen Bundesrepublik. das Edertal in seinem ursprünglichen Verlauf ten Ausstellungsobjekte belegen sämtliche und zugleich in völlig neuer Gestalt. Den Foto­ Fritz Bauer im Club Voltaire, der In den 1920er Jahren war der Architekt und Schaffensphasen Kramers und werden durch Jüdisches Museum grafen Wolfgang Werner regte der Wandel der 1962 von linken Intellektuellen Designer Ferdinand Kramer (1898–1985) am Objekte aus Familienbesitz ergänzt. Untermainkai 14 –15 Landschaft zu impressionistisch verfremdeten in Frankfurt gegründet wurde; Frankfurter Hochbauamt unter der Leitung 60311 Frankfurt am Main Aufnahmen an, die in der Ausstellung den Foto: Siegfried Träger/ Fritz Bauer Institut des Stadtbaurates Ernst May für Fragen der Museum Angewandte Kunst Tel.: (0 69) 2 12 35 00 0 dokumentarischen Fotografien der Messbild­ Normung zuständig. Er entwarf Öfen, Tür­ Schaumainkai 17 www.juedischesmuseum.de anstalt und des Holzmann-Archivs kontrastie­ drücker und Fensterbeschläge, Sperrholztüren, 60594 Frankfurt am Main rend gegenübergestellt werden. Möbel für Siedlungen, Schulen und Kinder­ Tel.: (0 69) 2 12 - 34 03 7 Die Eder zwischen Waldeck gärten. Nebenher entwickelte er Stühle und www.museumangewandtekunst.de Wolfgang-Bonhage-Museum Korbach und Berich, 1911; Foto: Königl. Schränke für die Firma Thonet. Nachdem Kirchplatz 2 Preußische Messbild-Anstalt, Kramer 1937 mit Arbeitsverbot belegt worden 34497 Korbach Berlin war, emigrierte er 1938 in die USA. Fasziniert Tel.: (0 56 31) 5 32 89 vom mobilen Lebensstil der Amerikaner ent­ www.museum-korbach.de warf er dort Miniküchen auf Rädern, zerleg­ Fritz Bauer – Der Staatsanwalt Ferdinand Kramer, Montage eines bare „Knock-Down-Furniture“ nach dem Vor­ Kleiderschranks der Put-Away- bild amerikanischer „Knock-Down-Houses“, 10. April bis 7. September 2014 Das Edertal im Jahr 2011; Serie; Foto: Kramer Archiv, stapelbare, zusammenklappbare, fahrbare Foto: Wolfgang Werner Frankfurt am Main Möbel, ganze Wareneinrichtungen nach neu­ esten Theorien der Wahrnehmung und sogar Fritz Bauer (1903–1968) gehört zu den juris­ einen eleganten und erfolgreichen Wegwerf- tisch einflussreichsten jüdischen Remigranten Regenschirm („Rainbelle“). im Nachkriegsdeutschland. Als hessischer Ge­ 1952 kehrte Kramer nach Frankfurt am neralstaatsanwalt, der den Frankfurter Ausch­ Main zurück. Als Baudirektor der Goethe-­ witz-Prozess 1963 auf den Weg brachte, hat er Universität baute er nicht nur das zerstörte bundesrepublikanische Geschichte geschrie­ Universitätsgelände mit 23 neuen Gebäuden ben.

16 AKTUELLE SONDERAUSSTELLUNGEN AKTUELLE SONDERAUSSTELLUNGEN 17 Ausstellung zum Ersten Weltkrieg ­bestimmt. Die Mutter klebte die Zeichnungen der erste Krieg der modernen Geschichte, der Dreieich-Museum in zwei Schulhefte. Da Uti in ihrer Kinder­ sich nicht mehr nur auf die Schlachtfelder Fahrgasse 52 18. Juli bis 14. September 2014 sprache den Krieg in „Tiech“ umbenannte, ­beschränkte, sondern auch in der Heimat all­ 63303 Dreieich gab sie den Heften den Titel „Briefe von Pappi gegenwärtig war. Die Ausstellung illustriert Tel.: (0 61 03) 8 49 14 aus dem Tiech an Uti“. dies eindrucksvoll am Beispiel der Weltkur­ www.dreieich-museum.de Josef Eberz: „Vereint“, Litho­ stadt Wiesbaden. Zum Beispiel war die riesige graphie (Mappe „Kämpfe“), 1915; Foto: Sascha Braun Kunstsammlungen der Stadt Limburg Nagelstatue des „Eisernen Siegfried“ am Kaiser- Historisches Rathaus Friedrich-Platz kaum zu übersehen, die sich Fischmarkt 21 heute im Besitz des Stadtmuseums Wiesbaden 65549 Limburg an der Lahn befindet und in der Ausstellung eine zentrale Der Stachel des Skorpions Tel.: (0 64 31) 2 03 - 91 2 Rolle einnimmt. www.limburg.de 22. Juni bis 5. Oktober 2014 Schaufenster Stadtmuseum Ellenbogengasse 3 –7 Frank Kunert, „Erfrischung“; 65185 Wiesbaden Luis Buñuels Film „L’Âge d’Or“ (1930) gilt als Foto: © Frank Kunert, Boppard Tel.: (06 11) 34 13 28 77 der zentrale Film des Surrealismus und als www.wiesbaden.de/stadtmuseum grundlegend für den Einzug des Mediums Film in die bildende Kunst. In dieser Ausstel­ lung auf der Mathildenhöhe (Platanenhain) Die Ausstellung erinnert an den Ersten Welt­ interpretieren sechs zeitgenössische Künstler krieg, der vor 100 Jahren ausbrach. Gezeigt bzw. Künstlergruppen das surrealistische Meis­ werden Exponate von Künstlern, die den Frank Kunert: Wunderland terwerk neu. Vor dem Hintergrund der aktuel­ Kriegsbeginn bejahten, aber auch Exponate len gesellschaftlichen Entwicklungen entsteht von Künstlern, die schon vor Kriegsbeginn 18. Mai bis 5. Oktober 2014 ein experimentelles Manifest, das den Begriff mit ihren Darstellungen auf das bevorstehende des „goldenen Zeitalters“ und die Radikalität Grauen hinwiesen. Die erbarmungslosen Ge­ des gleichnamigen Filmes von Buñuel, der bis schehnisse holten auch die Kriegsbefürworter In den Fotografien von Frank Kunert (geb. 1963 1982 Aufführungsverbot hatte, auf die Probe Josef Eberz: „Neue Gräber“, ein, ernüchterten schnell und schlugen sich in Frankfurt am Main) geht es seltsam zu: Ein stellt. In der Ausstellung sind vertreten: der Litho­graphie (Mappe „Kämpfe“), auf deren Kunst nieder. Einen Schwerpunkt der Sprung vom Zehn-Meter-Brett endet nicht im Fotograf Tobias Zielony, die australisch-ame­ 1915; Foto: Sascha Braun Ausstellung bilden die Werke von Josef Eberz Schwimmbecken, sondern in einem überdimen­ rikanische Musik-Künstlergruppe „Chicks on (geb. 1880 in Limburg an der Lahn; gest. 1942 sionalen Glas voll kühlem „Stöffche“. Und Speed“ (Melissa Logan, Alex Murray-Leslie), in München) aus der Kriegszeit. Eberz und Zerstörungen nach einem Bombenangriff, Wiesbaden, der für ein „Menu à deux“ gedeckte Tisch ist das deutsch-luxemburgische Duo M+M (Marc seine Ehefrau wurden seit 1914 durch den Rhielstraße, 25.10.1918; Foto: Stadtmuseum Wiesbaden, so geschickt um die Ecke gebaut, dass keiner Weis, Martin de Mattia), die israelische Video­ Münchner Kunsthändler Hans Goltz vertre­ Sammlung Nassauischer Altertümer den anderen sehen muss, dafür aber jeder auf künstlerin Keren Cytter, der Multimedia-Künst­ ten, der auch 1915 Eberz’ erste Lithographie- seinen eigenen Fernseher blicken kann. Oder ler Julian Rosefeldt, und der Aktionskünstler Mappe „Kämpfe“ herausgab. Im Gegensatz der Schreibtisch hat ein eingebautes Bett für John Bock. Filmstill aus „L’Âge d’Or“ (1930), zum Titel zeigen die darin enthaltenen Blätter Die Eiserne Zeit – den ersehnten Büroschlaf. Und die Außen­ Zeitgleich präsentiert das Deutsche Film­ Regie: Luis Buñuel; Foto: Institut Mathildenhöhe Darmstadt aber keineswegs Kämpfer, sondern nur Opfer Wiesbaden im Ersten Weltkrieg toilette liegt weiter draußen als im Notfall er­ museum Frankfurt die Ausstellung „Bewusste des Krieges. hofft, nämlich auf dem Mond. Melancholie Halluzinationen“ zur Genese des Surrealismus Ergänzend ist die Ausstellung „Briefe von 25. Juni bis 28. September 2014 und schräger Witz liegen in diesem Wunder­ im Film der 1920er und 1930er Jahre. Pappi aus dem Tiech an Uti“ (18. Juli bis 23. No­ land der Absurditäten nah beieinander. Die vember 2014) zu sehen. Sie zeigt Zeichnungen surreal anmutenden Bildwelten erschafft der Mathildenhöhe Darmstadt von Ernst Moritz Engert, die er den Briefen an Anlässlich des Gedenkens an den Ausbruch Modellbauer und Fotograf Frank Kunert in Olbrichweg 13 seine Frau Alette von seinen Einsatzorten im des Ersten Weltkrieges vor 100 Jahren wirft die wochenlanger Kleinarbeit. Ergänzend zu den 64287 Darmstadt Ersten Weltkrieg 1916/17 beifügte. Diese Zeich­ Ausstellung den Blick auf die Geschehnisse Fotografien sind auch einige Miniaturmodelle Tel.: (0 61 51) 13 27 78 nungen waren für seine kleine Tochter Uti an der Heimatfront. Der Erste Weltkrieg war ausgestellt. www.mathildenhoehe.eu

18 AKTUELLE SONDERAUSSTELLUNGEN AKTUELLE SONDERAUSSTELLUNGEN 19 Karl Otto Götz chermaßen Dynamik und Ordnung verleihen. gemälde von Martin Kippenberger, eine Col­ durch zunehmende Ressourcenknappheit im Das Spektrum der Präsentation reicht von frü­ lage von Christo sowie wertvolle Zeichnungen, 17. Jahrhundert ausgelöste technische wie 11. Juli bis 12. Oktober 2014 hen, dem Surrealismus nahestehenden „Luft­ Modelle, Möbel, Originalbauteile und Fotos. auch gestalterische Entwicklung vom klassi­ pumpenaquarellen“, Fotogrammen und Bild­ Klotz sah seine Mission darin, sich an die Spitze schen „Fünf-Platten-Ofen“ mit Bibelmotiven fakturen über die berühmten Rakelwerke der einer internationalen Bewegung zu setzen, die bis hin zu Etagen- und Säulenöfen der Grün­ Karl Otto Götz (geb. 1914 in Aachen) ist ein 1950er und 1960er Jahre bis hin zu prägnan­ als „Postmoderne“ in die Geschichte einging. derzeit wird durch Beispiele belegt. Die Öfen bedeutender Protagonist des Informel. In den ten Beispielen aus dem Spätwerk. Bereits 1972 engagierte er sich für die „Post­ waren als Mittelpunkt der „guten Stube“ im­ 1930er Jahren schuf er abstrakte Bilder und moderne“ und wurde insbesondere mit der mer auch repräsentative Objekte ihrer Zeit. experimentierte mit Collagen. Die National­ Museum Wiesbaden Eröffnungsausstellung des Deutschen Archi­ Öffnungszeiten: So 14–17 Uhr; Führungen sozialisten belegten ihn mit Malverbot, nach Friedrich-Ebert-Allee 2 tekturmuseums 1984 „Revision der Moderne. nach Vereinbarung unter Tel.: (0 64 52) 81 33, Oswald Mathias Ungers: 1945 wandte sich Götz der ungegenständ­ 65185 Wiesbaden Postmoderne Architektur 1960–1980“ inter­ E-Mail: [email protected]. ­Deutsches Architekturmuseum lichen Kunst zu. Von 1959 bis 1979 lehrte er Tel.: (06 11) 3 35 - 22 50 national bekannt. Frankfurt am Main, 1980, an der Kunstakademie Düsseldorf und beein­ www.museum-wiesbaden.de Stadtmuseum Battenberg (kolorierte­ Zeichnung); Foto: © DAM flusste viele bedeutende Künstler. Zu seinen Deutsches Architekturmuseum Hauptstraße 46 berühmten Schülern gehören HA Schult, Sig­ Schaumainkai 43 35088 Battenberg (Eder) mar Polke oder Gerhard Richter. Aus Anlass 60596 Frankfurt am Main Tel.: (0 64 52) 93 44 - 15 seines 100. Geburtstages im Februar 2014 wid­ Tel.: (0 69) 2 12 - 38 84 4 www.battenberg-eder.de K. O. Götz, Krakmo, 1958; men ihm das Museum Wiesbaden, die Neue www.dam-online.de Foto: © Museum Wiesbaden Nationalgalerie Berlin und das Museum Küp­ Ofenplatte mit dem Wappen persmühle für Moderne Kunst, Duisburg, eine des englischen Königs Georg II.; umfassende Werkschau. Foto: Viessmann Wärme-Geschichte(n)

11. Mai bis 26. Oktober 2014 Heinrich Klotz, 1988; Foto: © Freek van Arkel

Um die Entwicklung der häuslichen Wärme­ Mission: Postmodern versorgung vom 16. bis 20. Jahrhundert zu ver­ anschaulichen, werden bisher nicht zugäng­ 10. Mai bis 19. Oktober 2014 liche Arbeiten Philipp Soldans (1500–1569), Ofenplatten mit Motiven aus dem englischen Königshaus – anlässlich des 300. Jahrestages Die Tagebuchaufzeichnungen des DAM-Grün­ der Thronbesteigung Georg I. von Hannover – K. O. Götz, Dantons Tod, 1960, dungsdirektors Heinrich Klotz (1935–1999) sowie Prunköfen aus der Gründerzeit gezeigt. Sammlung Ströher; Foto: Olaf sind Ausgangspunkt für diese Ausstellung. Der Sämtliche Exponate entstammen der Samm­ Bergman, Witten Kunsthistoriker und Architekturtheoretiker lung der Firma Viessmann, eines Heiztechnik- war weltweit vernetzt und kannte die wich­ Unternehmens mit Stammsitz im benachbar­ tigsten Architekten der Gegenwart persönlich: ten Allendorf (Eder). Rund 60 Hauptwerke des Künstlers vermit­ Rem Koolhaas, Frank Gehry, Aldo Rossi, Hans Ausgehend vom Leben und Werk des Fran­ teln in Wiesbaden einen Einblick in Götz’ viel­ Hollein, Richard Meier, Peter Cook, Tadao Ando kenberger Formenschneiders und Ofenbauers schichtiges, nunmehr über acht Jahrzehnte und viele andere mehr. In einer „Wunder­ Philipp Soldan wird dargestellt, dass die häus­ währendes Œuvre. Die Ausstellung lenkt den kammer“ werden zum 30-jährigen Jubiläum liche Wärmeversorgung mit Hilfe von zum Teil Blick vor allem auf serielle Prozesse, auf Zufäl­ des Deutschen Architekturmuseums die wich­ kunstvoll gestalteten Öfen den Umbruch vom ligkeiten, aber auch auf wiederkehrende Bild­ tigsten Werke gezeigt, die Klotz von diesen Spätmittelalter zur reformatorisch geprägten, ideen und Rhythmen, die Götz’ Bildern glei­ Architekten erworben hat, aber auch ein Öl­ frühneuzeitlichen Gesellschaft anzeigt. Die

20 AKTUELLE SONDERAUSSTELLUNGEN AKTUELLE SONDERAUSSTELLUNGEN 21 lagern ist ein weiteres Ausstellungsthema. Ex­ etablieren. Die importierte weiße Baumwolle lendorf, Borken und Breitenau waren jeweils emplarisch wird das Schicksal des Lagerkom­ löste das heimatliche graubeige Leinen ab, wo­ Tausende ausländischer Arbeitskräfte im Ein­ mandos „Feuerwehr und Luftschutz“ im Kon­ durch die Leineweber ihre Einkünfte verloren. satz. Und natürlich gab es Verbindungen zwi­ zentrationslager Theresienstadt erzählt, das von Weißes, industriell gefertigtes Geschirr aus schen den vier Einrichtungen. So entsandte dem Häftling Nr. 630, dem jüdischen Feuer­ Porzellan oder Emaille ersetzte die bisher üb­ das Stammlager Trutzhain Kriegsgefangene wehrmann Leo Holzer, geleitet wurde. liche, aus erdfarbenen Tonsorten hergestellte zur Munitionsfertigung nach Allendorf und Parallel zu dieser Ausstellung wird an den Keramik. Wäsche wurde früher auf flussnahen in die Bergbauregion Borken. Dutzende aus­ Feuerwehrmann Albert Bürger (1913–1996) er­ Wiesen am Ortsrand gebleicht, heute wird sie ländische Arbeitskräfte der Sprengstoffwerke innert, der das deutsche Feuerwehrwesen nach mit Hilfe von Waschmitteln weiß und rein. (Allendorf) und der Kohlegruben (Borken) dem Zweiten Weltkrieg wesentlich prägte. Und für helle und saubere Wände in Haus wurden in Breitenau gedemütigt, terrorisiert und Stall wurde in der nordhessischen Region und bestraft. In den letzten Kriegstagen wur­ Deutsches Feuerwehr-Museum Fulda früher Kalk aus natürlichen Vorkommen ge­ den Hunderte ungarischer Jüdinnen aus den St. Laurentius-Straße 3 wonnen. Weitere Ausstellungsthemen sind Munitions- und Sprengstoffwerken Allendorf 36041 Fulda der Alltag im Winter, weiße Bekleidung und von den Deutschen abtransportiert, da die Tel.: (06 61) 7 50 17 das Weiß in der Natur. Ein reichhaltiges Ver­ amerikanischen Truppen immer näher an den www.dfm-fulda.de anstaltungsprogramm ergänzt die Präsentation. Ort heranrückten. Die Frauen erlebten das Der jüdische Feuerwehrmann Ernst Frenkel 1928 als Mitglied Kriegsende – ihre Bewacher hatten längst die der Besatzung der Automobil- LandMuseum Wülmersen Flucht ergriffen – und die unmittelbare Nach­ spritze der Freiwilligen Feuer- Wasserschloss Wülmersen kriegszeit in den damaligen Landkreisen Fritz­ wehr Lemgo; Foto: FF Lemgo 34388 Trendelburg-Wülmersen lar und Homberg. Ein Teil von ihnen wurde Tel.: (0 56 75) 7 21 03 48 in der Bergbaustadt Borken untergebracht. www.wasserschloss-wuelmersen.de Jüdisches Leben und Feuerwehr

18. Oktober 2013 bis 31. Oktober 2014

Orte und Wege – Unmittelbar nach der Machtergreifung begann Menschen und Schicksale das NS-Regime 1933 mit der systematischen Hochzeit in Weiß in Gottsbüren, 1936 – bis zum Beginn Zwangsarbeit in Nordhessen im Zweiten Weltkrieg Ausgrenzung, Demütigung und Entrechtung der 1930er Jahre trug die Braut jedoch noch schwarze der deutschen Juden. An die davon betroffe­ Kleider; Foto: Bildarchiv Wellner 18. Mai bis 31. Oktober 2014 nen rund 20.000 jüdischen Feuerwehrleute, die 1934/35 die Wehren verlassen mussten, erinnert diese Ausstellung. Auch die im No­ Weißheiten Die Region Nordhessen war vor 75 Jahren inte­ vember 1938 brennenden Synagogen werden Wäsche, Winter, Familienfeste und mehr graler Bestandteil der nationalsozialistischen in der Ausstellung thematisiert. Beschämend Kriegs- und Rüstungswirtschaft und repräsen­ wenige Brandstiftungen sind eindeutig doku­ 27. April bis 31. Oktober 2014 tiert in besonderer Weise das System der NS- mentiert, diese belegen jedoch die unterschied­ Zwangsarbeit. Folgerichtig erinnern vier nord­ Ausländische Zwangsarbeiter im Lager Struthbachweg der Firma Henschel in Kassel, 1942; Foto: lichen Reaktionen einzelner Feuerwehren. hessische Museen bzw. Gedenkstätten mit Neuschwander (ehem. niederländischer Zwangsarbeiter), Archiv der Gedenkstätte Breitenau Das Spektrum reicht von der aktiven Beteili­ Die Ausstellung mit Rauminstallationen und einem Kooperationsprojekt an den Zweiten gung an der verbrecherischen Brandstiftung Kunstobjekten lädt zur Betrachtung unseres Weltkrieg, der am 1. September 1939 mit dem Rodelpartie im Rittergut über das nur auf den Schutz der umgebenden „weißen“ Alltags in Vergangenheit und Gegen­ deutschen Überfall auf den Nachbarstaat Polen Die vier musealen Einrichtungen in Borken, ­Wülmersen, 1953; Foto: Bebauung beschränkte passive Verhalten bis wart ein. Weiß steht für Unschuld und Rein­ begann. Guxhagen, Schwalmstadt-Trutzhain und Stadt­ Archiv LandMuseumWülmersen hin zum Hinwegsetzen über das polizeilich heit, doch erst durch die technischen Errungen­ Welche Dimension die NS-Zwangsarbeit in allendorf bieten mit ihren Präsentationen die angeordnete Löschverbot. Die Geschichte der schaften des industriellen Zeitalters konnten Nordhessen erreichte, wird allein durch die Gelegenheit, die Komplexität und Brutalität Häftlingsfeuerwehren in den Konzentrations­ sich immer mehr „weiße“ Produkte im Alltag Zahlen deutlich: In den Lagern Trutzhain, Al­ des NS-Zwangsarbeitssystems am authenti­

22 AKTUELLE SONDERAUSSTELLUNGEN AKTUELLE SONDERAUSSTELLUNGEN 23 schen Ort kennen zu lernen. In der ehemali­ beitserziehungslager nach Breitenau verbracht Roger Vivier – Schuhwerke internationalen Modemarkt, der „Fabergé“ gen Barackensiedlung Trutzhain erfahren die und hier – oft mit brutalen Methoden – be­ im Schuhbusiness war innovativ bis ins hohe Besucher, wie der Arbeitseinsatz von Kriegs­ straft und gefügig gemacht. Einzelne Biografien 22. März bis 2. November 2014 Alter. Er starb 1998, nachdem er zuletzt mit gefangenen aus unterschiedlichen Ländern spiegeln in den Ausstellungsbereichen den einer Plexiglas-Sandalette für Furore gesorgt organisiert und strukturiert wurde. Das Doku­ Zeitgeist und den destruktiven Charakter des hatte. mentations- und Informationszentrum in Stadt­ „Dritten Reichs“ wider. Historische Fotografien, Der Franzose Roger Vivier (1907–1998) fand Das DLM präsentiert erstmals aus seinem allendorf veranschaulicht, unter welchen Be­ Dokumente, Filmsequenzen sowie Exponate als Student der Bildenden Künste eine Beschäf­ Fundus 40 bislang unbekannte Prototypen des dingungen Granaten und Sprengstoffe in in­ vertiefen den zeithistorischen Kontext. tigung in einer Schuhfabrik – und fortan ge­ Meisters aus den 1930er Jahren. Diese frühen dustriellem Maßstab in den Munitions- und staltete er Schuhe wie Skulpturen. Seit den Werke Viviers werden durch Leihgaben des Sprengstoffwerken vor Ort gefertigt wurden. Gedenkstätte und Museum Trutzhain frühen 1930er Jahren revolutionierte er den Hauses Roger Vivier Paris, der Fondation Pierre Das Hessische Braunkohle Bergbaumuseum Seilerweg 1 nordamerikanischen Schuhmarkt und kreierte Bergé Yves Saint Laurent und des Musée Chris­ Borken greift mit der Sonderausstellung „Kohle 34613 Schwalmstadt-Trutzhain für I. Miller und Delman in New York – im tian Dior in Granville ergänzt. & Krieg“ das Thema der nationalsozialistischen Tel.: (0 66 91) 71 06 62 Auftrag der S. A. Laboremus, einer Tochter der Geschichte „vor Ort“ erstmals auf und belegt www.gedenkstaette-trutzhain.de Heylschen Lederwerke in Worms-Liebenau Deutsches Ledermuseum/ mit Sitz in Paris. Vivier entwarf Modelle aus Schuhmuseum Offenbach Dokumentations- und Informationszentrum den feinen, in Worms gegerbten Chevreaux­ Frankfurter Straße 86 Gleisarbeiten als Zwangsarbeit Aufbauplatz 4 ledern, deren Nuancen auf die Pariser Stoff­ 63067 Offenbach am Main im Braunkohlentagebau bei 35260 Stadtallendorf farben sensibel abgestimmt waren oder sich Tel.: (0 69) 82 97 98 - 0 ­Borken; Foto: BKB AG, Archiv Tel.: (0 64 28) 4 49 89 32 mit Goldauflagen und Strukturprägungen für www.ledermuseum.de des Hessischen Braunkohle www.diz-stadtallendorf.de elegante Abendsandaletten vor schlichten Bergbaumuseum Borken Roben glänzend abhoben. 1953 bis 1963 ent­ Spangenpumps, Entwurf: Hessisches Braunkohle Bergbaumuseum Borken warf Vivier Schuhmodelle für Christian Dior. Roger Vivier, 1933; Foto: Am Freilichtmuseum 1 © DLM Ledermuseum, 34582 Borken (Hessen) C. Perl-Appl Tel.: (0 56 82) 8 08 - 27 1 www.braunkohle-bergbaumuseum.de Stochern von Bomben; Foto: Bundesarchiv, Dokumentations- Gedenkstätte Breitenau und Informationszentrum Stadt- Brückenstraße 12 allendorf 34302 Guxhagen Tel.: (0 56 65) 35 33 www.gedenkstaette-breitenau.de die hohe überregionale Bedeutung des Bor­ Paradiesvögel kener Bergbau- und Energieerzeugungsstand­ Französische Kriegsgefangene ortes für die damalige Kriegs- und Rüstungs­ Rosenpumps für Christian Dior, Entwurf: Roger Vivier, 1959; 25. Mai bis 16. November 2014 beim Arbeitseinsatz im STALAG Foto: © DLM Ledermuseum, C. Perl-Appl IX A, Ziegenhain, 1941; Foto: wirtschaft. Unter anderem verdeutlicht ein Gedenkstätte und Museum 7 m langes Modell des Großkraftwerks Main- Trutzhain Weser die Dimensionen zentralisierter, groß­ Die prächtigen Paradiesvögel, von denen bis­ flächiger Energieerzeugung in den 1930er/40er Er erfand 1954 den Stiletto-Absatz und später her 42 Arten bekannt sind, stehen im Zentrum Jahren. Auf den Einsatz von Zwangsarbeitern die jedem statischen Verständnis widerspre­ einer umfangreichen interdisziplinären Prä­ im Kohlerevier und in der Region Borken wird chenden Komma- und Choc-Absätze, ließ seine sentation, die auf einer Wanderausstellung ebenfalls eingegangen. In der Gedenkstätte Seidenschühchen mit Federn und Perlen be­ des Münchener Museums Mensch und Natur Breitenau stehen die ausländischen Arbeits­ sticken und gab Brigitte Bardot die richtigen basiert. Sie wird in Wiesbaden erweitert, zum kräfte im Mittelpunkt, die sich nicht konform Stiefel für den Ritt auf der Harley-Davidson. Beispiel durch 22 Paradiesvogelarten aus der zu den vom NS-Regime aufgestellten Regeln Seine asymmetrischen Schnitte und detailver­ Sammlung des Nassauer Arztes Ernst Albert verhielten. Sie wurden in das sogenannte Ar­ liebten Kreationen prägten fast 70 Jahre den Fritze, der vor knapp 200 Jahren auf Java

24 AKTUELLE SONDERAUSSTELLUNGEN AKTUELLE SONDERAUSSTELLUNGEN 25 praktizierte. Verborgen leben die Paradies­ kofner (1920–2003) dar, der zeitweise für die hand von materiellen Objekten. Erzählt wird vögel in den tropischen Wäldern Neuguineas, Hessen-Glaswerke in Stierstadt tätig war. Erst­ von verstörenden Blicken auf den Menschen Australiens und der Molukken. Alfred Russel mals zugänglich gemachte Filmaufnahmen im Namen der Wissenschaft, von der Meta­ Wallace war 1857 der erste Europäer, der Para­ aus den 1950er Jahren zeigen die aufwändigen morphose des menschlichen Körpers in ein diesvögel auf den Aru-Inseln beobachten Produktionstechniken in der Stierstädter Glas­ Objekt, von der Faszination „anderer“ Völker, konnte. hütte. von der Leidenschaft zu sammeln, von dem Präparate von Paradiesvögeln gelangten Parallel zu dieser Sonderausstellung finden Auftrag „fremde“ Kulturen für die Ewigkeit zu be­reits im 16. Jahrhundert mit den ersten anlässlich des vierzigjährigen Bestehens des erhalten, von der Notwendigkeit Systeme hier­ Glasschleifer bei der Arbeit, Handelsschiffen der Portugiesen und Nieder­ Hessenparks weitere Präsentationen im ge­ für zu finden. Und es ist die Erzählung, wie ­Hessen-Glaswerke GmbH, länder nach Europa. Diesen fehlten die Beine, samten Museumsgelände statt, ausgehend von Geld und Handel letztendlich immer eine ­Stierstadt/Taunus, Ende 1960er da nur das sagenhafte Gefieder präsentiert einer zentralen Station in der Ausstellungs­ Rolle spielen. Jahre; Fotograf: unbekannt werden sollte. So entstand die Legende von scheune aus Asterode. Erstmals werden die von Museumsgründer den Göttervögeln, die dem Paradies entstam­ Dr. Bernhard Hagen angefertigten anthropo­ men und sich nie auf der Erde niederlassen. Freilichtmuseum Hessenpark logischen Nacktaufnahmen aus den Jahren Auf der Suche nach neuen Vogelarten ent­ Laubweg 5 1879 bis 1895 ausgestellt. Die Präsentation deckte man auf Neuguinea auch zahlreiche 61267 Neu-Anspach zeigt zudem über 1.000 historische Artefakte indigene Kulturen, in denen Paradiesvögel Tel.: (0 60 81) 5 88 - 0 und Fotografien aus aller Welt. Gemeinsam ­eine bedeutende Rolle spielen. Auf diese kul­ www.hessenpark.de mit Sammlungsgegenständen und Archiv­ turellen Aspekte wird anhand von Fotografien materialien eröffnen die Ergebnisse der künst­ und Ethnografika näher eingegangen. Mit den lerischen Forschungen 2013 im Weltkulturen Paradiesvögeln wurde auch viel Geld verdient, Vase aus formgeblasenem Kristallglas, Design: Prof. Aloys Labor neue Perspektiven auf die Thematik. denn in Europa waren die Federn als Mode­ F. Gangkofner, Hessenglas GmbH, Stierstadt im Taunus, Zudem werden Textbeiträge von Schriftstel­ accessoires sehr beliebt. Weltweite Proteste Mitte 1950er Jahre; Foto: Oliver Rapp lern „in residence“ präsentiert. führten um 1914 zu den ersten Naturschutz­ gesetzen und verhinderten die Ausrottung der Weltkulturen Museum Tiere. Lichtblick Glas Schaumainkai 29 Schwanzfeder eines Königspara- Vier Jahrzehnte böhmische Glasindustrie im Taunus 60594 Frankfurt am Main diesvogels (Cicinnurus regius); Museum Wiesbaden Tel.: (0 69) 2 12 - 31 51 0 Foto: © Museum Wiesbaden Friedrich-Ebert-Allee 2 16. März bis 30. November 2014 www.weltkulturenmuseum.de 65185 Wiesbaden Tel.: (06 11) 3 35 - 22 50 Touristen an einem Schmuckstand im südlichen Afrika; www.museum-wiesbaden.de Die Ausstellung im Haus aus Gemünden/ Foto: unbekannter Fotograf, ca. 1930/Bildarchiv der Jesuiten Ehemaliges Magazin des Welt- Wohra, Baugruppe Marktplatz, dokumentiert kulturen Museums (Neckermann- die vierzigjährige Geschichte der Glasindustrie Haus am Danziger Platz, Frank- Stephanie-Paradiesvogel (Astrapia in Oberursel seit ihrer Gründung durch heimat­ Ware & Wissen furt a. M.) mit den auf der Sepik- stephaniae); Foto: © Museum Expedition gesammelten Objek- vertriebene Glasfachleute aus Nordböhmen. Wiesbaden (or the stories you wouldn’t tell a stranger) ten, 1961; Foto: Gisela Simrock/ Über 100 Objekte privater Sammler demonst­ Weltkulturen Museum rieren die erstklassige Qualität der Glaswaren, 16. Januar 2014 bis 4. Januar 2015 die im Taunus zwischen 1947 und 1989 her­ gestellt, veredelt und vermarktet wurden. Die Palette reicht von der klassischen böhmi­ Diese Ausstellung zur Beziehung zwischen schen Kristallglasvase über zeitgenössische Ethnologie und Handel wirft Schlaglichter auf Fotografien der Sammlung 1960 bis 2013 mit neuen Parfüm- und Rauchgarnituren bis hin zu Re­ das Leben einer Institution. Die Geschichten ­Arbeiten von Marie Angeletti, flektorengläsern für die Automobilindustrie. einzelner Personen sind hierbei ebenso von Otobong Nkanga und Benedikte Eine besondere Kostbarkeit stellen Glaskunst­ Bedeutung wie Aspekte der Entwicklung einer Bjerre; Foto: Wolfgang Günzel, objekte des Industriedesigners Aloys F. Gang­ Disziplin: der ethnologischen Forschung an­ 2013

26 AKTUELLE SONDERAUSSTELLUNGEN AKTUELLE SONDERAUSSTELLUNGEN 27 zwei Jahre ins Leben. Dadurch konnten die den Kolleginnen und Kollegen entsprechend Um auch die frühkindliche naturwissen­ Programme weiteren ausgesuchten Kursträgern der logistischen Voraussetzungen und der Kern­ schaftliche Bildung zu fördern, sprechen wir angeboten und das Spektrum um Angebote themen der Partner weiterentwickelt. mit unseren weiteren Angeboten jene Kinder für bildungsbenachteiligte Kinder erweitert Die schon 2010 festgelegten Ziele, die För­ unabhängig von einer möglichen Zuwande­ werden. Bereits die damalige Evaluation be­ derung der gesellschaftlichen und kulturellen rungsgeschichte an, deren Familien es aus fi­ legte die gelungene Konzeption sowie den Teilhabe, des interkulturellen Austauschs und nanziellen oder biografischen Gründen nur tatsächlichen Abbau von Zugangshemmnis­ des gesellschaftlichen Miteinander, der Bildung sehr bedingt möglich ist, ihnen bei naturbezo­ sen. Ende November 2011 wurde das Projekt Erwachsener in Bezug auf Naturthemen und genen Lernprozessen zu helfen. Gemeinsam überdies vom Magistrat mit dem „Integrations­ der frühkindlichen naturwissenschaftlichen möchten wir sie dabei unterstützen, sich be­ preis der Stadt Frankfurt“ ausgezeichnet. Bildung, werden heute von allen Kooperations­ reits ab einem Alter von vier Jahren spielerisch, Angesichts solcher Ergebnisse entstand nicht partnern getragen. Der Schlüssel dabei ist der experimentell und handlungsorientiert Natur­ nur der Wunsch das Projekt fortzuführen, son­ Abbau von Schwellenängsten. themen zu nähern. Hier gilt es, ihr Interesse dern es zudem mit verschiedenen Partnern zu wecken und ihren Begabungen Raum zur auszubauen, um dem steigenden Bedarf Rech­ Entfaltung zu geben. Nach einer Führung durch nung zu tragen. Gerade der Natur verschrie­ die jeweilige Institution und einer Pause folgt Der Buchmann-Saal im Naturmuseum Senckenberg vermittelt einen Einblick in die Vielfalt der bene Institutionen mit ihren für jeden Men­ abschließend stets eine besondere Vertiefung. Vogelarten; Foto: Veronika Martin schen unabhängig von Alter, Geschlecht oder Mit der Durchführung der Evaluierung ist Bildungsstand faszinierenden Objekten bieten Frau Dr. Stéphanie Wintzerith betraut, die be­ ideale Voraussetzungen für interkulturellen reits bei dem Vorgängerprojekt beratend zur Gemeinsam Natur erleben – Austausch. Daher lag es mehr als nahe, sich Seite gestanden hatte. Ihre ersten Auswertun­ bezüglich einer neuen Zusammenarbeit an Das Projektteam (v.l.n.r.): Christina Hintze, Semela Dukova, gen zeichnen erneut ein sehr positives Bild interkultureller Austausch den Palmengarten, das StadtWaldHaus und Martina Weiser, Daniela Szymanski, Johanna Kiefer, Ditmar mit hoch zufriedenen Kursleiterinnen und in Frankfurt den Zoo der Stadt Frankfurt zu wenden, die Breimhorst, Daniela Bischoff und Marie Rahn. Nicht ab­ begeisterten Teilnehmerinnen. umgehend zusagten. gebildet: Nina Tebati; Foto: Sven Tränkner, Senckenberg Zukünftig sind bereits weitere Angebote Forschungsinstitut und Naturmuseum Mit großzügiger Unterstützung der Stiftung für Erwachsene in Kooperation mit dem Welt­ Anfang 2009 unternahmen Alphabetisierungs­ Flughafen Frankfurt/Main für die Region so­ kulturen Museum Frankfurt und dem Deut­ Die Ausstellung im Hauptgebäude kurse von „infrau e. V.“, einem Bildungszent­ wie der Stiftung Polytechnische Gesellschaft, schen Architekturmuseum geplant. Die Stadt des StadtWaldHauses ermöglicht rum für Migrantinnen, Ausflüge in das Natur­ der BHF-Bank-Stiftung und der Ursula-Ströher- Die Angebote richten sich vorrangig an ist groß, der Bedarf noch lange nicht gedeckt, das hautnahe Kennenlernen der museum Senckenberg. Basierend auf ihren Stiftung konnte das neue Kooperationsprojekt Teil­nehmerinnen von Integrations-, Alphabe­ bei der Umsetzung sind wir jedoch auf Hilfe Pflanzen und Tiere unserer Region; Foto: Veronika Martin Rückmeldungen entwickelten die Museums­ „Gemeinsam Natur erleben – interkultureller tisierungs- und Orientierungskursen aus dem angewiesen und für jede Unterstützung dank­ pädagogen in enger Zusammenarbeit mit ihnen Austausch in Frankfurt“ am 1. Oktober 2012 Frankfurter Raum, die keine oder nur geringe bar, damit wir gemeinsam Natur noch leichter ein spezielles Vermittlungsangebot für Sprach- schließlich seine Arbeit aufnehmen. Bewusst Erfahrungen mit öffentlichen Kultureinrich­ für Groß und Klein erlebbar machen können. und Integrationskurse. Für die meisten Kurs­ wurde erneut bei Titel und Beschreibungen tungen haben und auch aus finanziellen Grün­ Weitere Infos zum Projekt finden Sie unter: teilnehmerinnen war es der erste Besuch eines auf einen Zusatz wie „Angebote für Migran­ den bisher von einem Besuch absehen mussten. www.senckenberg.de/interkulturellesProjekt. Museums. Ihnen war daher weder dessen Exis­ ten“ verzichtet, da eine derartige Verallgemei­ Fester Bestandteil der Programme ist zunächst Anne Marie Rahn tenz, noch die Möglichkeit, einen solchen nerung unzulässig wäre. Die kostenfreien An­ eine individuell auf die jeweilige Gruppe zu­ ­öffentlichen Bildungs- und Freizeitort persön­ gebote richten sich von jeher nur an solche geschnittene generelle Einführung zu der be­ lich nutzen zu können, bewusst. Hier sollte Kinder und Erwachsene in der Region, für die suchten Einrichtung. Danach folgt bei jedem Senckenberg Forschungsinstitut eine gezielte museumspädagogische Beglei­ im besonderen Maße Zugangshemmnisse vor­ Partner eine vertiefende Führung. Die Anre­ und Naturmuseum tung ansetzen und den Zugang erleichtern. handen sind. Mit dem Projekt soll ihnen die gung der Sinne, Aktivierung der Teilnehmen­ Senckenberganlage 25 Da die ersten Aktionen sehr großen An­ Gelegenheit gegeben werden, im Projektzeit­ den, das Aufgreifen ihrer persönlichen Erfah­ 60325 Frankfurt am Main Bei den Aktionen im Palmen­ klang fanden und die Nachfrage stetig wuchs, raum bis zum Herbst 2015 jede Partnereinrich­ rungen sowie das Aufzeigen direkter Bezüge Tel.: (0 69) 75 42 - 0 garten werden mit Pflanzenpro- rief die Senckenberg Gesellschaft für Natur­ tung für sich zu entdecken. Die bestehenden zur persönlichen Lebenswelt stehen dabei im www.senckenberg.de ben z. B. von Aloe oder Kaktus- forschung 2010 das gemeinnützige Projekt Erfahrungen und Kontakte nutzend, wurden Mittelpunkt. Die Vielfalt der Themen ermög­ feige alle Sinne angeregt; Foto: „Gemeinsam Natur erleben – interkultureller die bisherigen Formate auf alle Institutionen licht es, sich sowohl mit regionalen als auch Veronika Martin Austausch im Senckenberg“ für insgesamt übertragen und in enger Zusammenarbeit mit globalen Aspekten zu beschäftigen.

28 VERMITTLUNG UND KOMMUNIKATION VERMITTLUNG UND KOMMUNIKATION 29 Das inklusive Museum – Die UN-Behindertenrechtskonvention, die Für Museen wie deren Träger ist es unab­ klarkommen“ nach dem Ablauf eines Museums­ 2006 verabschiedet wurde, ist eines der zahl­ dingbar, sich mit diesen Grundsatzpapieren besuchs gegliedert. Indem er die unterschied­ barrierefrei und demografiefest reichen Menschenrechtsdokumente der Ver­ auseinanderzusetzen und geeignete Maßnah­ lichen Bedürfnisse parallel im Blick behält, einten Nationen. In Deutschland wurde sie men zu ergreifen. Hilfreich ist hierbei auch sollen z. B. kostspielige Nachrüstungen, die im Februar 2009 vom Deutschen Bundestag der Artikel 2 der UN-Konvention, in dem er­ aufgrund der Konzentration auf Maßnahmen Vor kurzem ist die Publikation „Das inklusive ratifiziert und ist am 26. März 2009 in Kraft läutert wird, was unter „angemessenen Vorkeh­ für eine Zielgruppe entstehen könnten, ver­ Museum. Ein Leitfaden zu Barrierefreiheit und getreten. In der UN-Behindertenrechtskonven­ rungen“ zu verstehen ist: nämlich „notwen­ mieden werden. Inklusion“ im Rahmen einer Veranstaltung tion finden sich insbesondere im Artikel 24 dige und geeignete Änderungen und Anpas­ zum Thema „Das inklusive Museum“ auf der (Bildung) und in Artikel 30 (Teilhabe am kul­ sungen, die keine unverhältnismäßige oder Folientastbuch zur „Blauen turellen Leben sowie an Erholung, Freizeit und Museumsmesse EXPONATEC in Köln vor­ unbillige Belastung darstellen“. Von Museen ­Madonna“ von Lorenzo di Credi gestellt worden. Mitherausgeber des Buches Sport) Passagen, die Museen direkt betreffen. wird also keine sofortige und allumfassende im Landesmuseum Mainz; aus der Reihe der Leitfäden des Deutschen Dies reicht vom Ziel, „Menschen mit Behin­ Umsetzung von möglichst großer Barrierefrei­ Foto: Ursula Rudischer, Landes- Museumsbundes sind der Bundesverband derungen zur wirklichen Teilhabe an einer heit gefordert, sondern eine schrittweise Um­ museum Mainz Museumspädagogik und das Bundeskompe­ freien Gesellschaft zu befähigen“ (24, 1c) bis setzung, die sich u. a. auch an den jeweiligen tenzzentrum Barrierefreiheit. Der Leitfaden hin zum „Anspruch auf Anerkennung und Ressourcen orientiert. will Museen dabei unterstützen, Barrieren ab­ Unterstützung ihrer spezifischen kulturellen zubauen und die Museen auch für Menschen und sprachlichen Identität, einschließlich mit besonderen Bedürfnissen zu erschließen. der Gebärdensprachen und der Gehörlosen­ Die Handreichung ist das Ergebnis eines Ge­ kultur“ (Artikel 30, 4). meinschaftsprojekts von Experten aus unter­ Seit Inkrafttreten der UN-Behindertenrechts­ schiedlichen Museumssparten sowie Vertre­ konvention haben verschiedene Bundesländer tern der Behindertenselbsthilfeorganisationen. sowie der Bund eigene Aktionspläne zu deren Sie richtet sich vornehmlich an Museumsmit­ Umsetzung beschlossen. Lediglich in Baden- arbeiter sowie an die Träger von Museen, aber Württemberg, Bremen, Niedersachsen und Der Leitfaden stellt konkrete Maßnahmen auch an Institutionen und Menschen, die Schleswig-Holstein liegen noch keine verab­ vor und gibt hilfreiche Tipps. Er liefert aber Museen bei der Umsetzung von Barrierefrei­ schiedeten Aktionspläne vor. auch Argumente für Maßnahmen zur Barriere­ heit unterstützen wollen. Im Aktionsplan der Hessischen Landes­re­gie­ freiheit. Zentrale Begriffe werden in einem rung, verabschiedet 2012, sind u. a. in Kapitel Glossar erläutert. Eine Übersicht über weiter­ 6 (Schule – Bildung) sowie in Kapitel 12 (Kul­ führende Literatur und Links sowie Hinweise Eine Klaviertastatur lädt im Spohr- tur – Tourismus – Freizeit – Sport) wichtige zu Ansprechpartnern sind ebenfalls enthalten. Museum Kassel dazu ein, eine mit Sand bestreute Platte in Violin- Grundsatzziele formuliert, die auch für Mu­ Im Sinne des Artikels 9 der UN-Behinderten­ form durch unterschiedliche seen Bedeutung haben. Wenn nämlich För­ rechtskonvention versteht sich der Leitfaden Tonhöhen in Schwingungen zu derschulen ihre Angebote schrittweise unter als „Leitlinie für die Zugänglichkeit von Ein­ versetzen; Foto: Spohr-Museum das Dach der allgemeinen Schule verlagern richtungen und Diensten, die der Öffentlich­ werden (6,6), hat das auch Auswirkungen für keit offenstehen“. den außerschulischen Lernort Museum. Darü­ Der Leitfaden kann über den Deutschen ber hinaus gehört es zu den allgemeinen Ziel­ Museumsbund, den Bundesverband Museums­ Weiterführende Links: vorgaben, sowohl den Zugang zu Erholungs- Unterfahrbare Ausstellungselemente; Foto: Ursula Rudischer, pädagogik und das Bundeskompetenzzentrum und Bildungsurlauben (12,1) als auch die Landesmuseum Mainz Barrierefreiheit bestellt werden. Außerdem UN-Behindertenrechts­ konvention: Rahmenbedingungen zur Teilhabe von Men­ steht er als barrierefreies PDF unter http://www.behinderten schen mit Behinderungen am kulturellen • www.museumsbund.de, beauftragte.de ­Leben (12,2) zu verbessern und die Barriere­ Hierbei will der oben genannte Leitfaden • www.museumspaedagogik.org freiheit in den touristischen Konzepten für Hilfestellung bieten. Im Gegensatz zu anderen und Aktionsplan der Hessen (12,4) zu verankern, was ebenfalls die Publikationen zum Thema ist er nicht nach • www.barrierefreiheit.de Hessischen Landesregierung: Museen als Kultur- und Freizeiteinrichtung Behinderungsformen strukturiert, sondern ge­ zum Download zur Verfügung. http://www.behindertenrechts konvention.hessen.de betrifft. treu dem Motto „Hinkommen, reinkommen, Bettina Scheeder

30 VERMITTLUNG UND KOMMUNIKATION VERMITTLUNG UND KOMMUNIKATION 31 Die Projekte oder „Versionen“ können von Speziell zur aktuellen Sonderausstellung den Nutzern der Internetseiten jederzeit kom­ „Ware & Wissen (or the stories you wouldn’t mentiert werden. Voraussetzung für die inter­ tell a stranger)“ hat das Museumsteam Infor­ aktiven Betätigungen ist die Erstellung eines mationen und Materialien im „Open Lab“ zu­ eigenen Benutzerkontos (Account) und die sammengestellt. Die Kuratoren und Künstler Anlage eines eigenen Profils. Danach besteht laden dazu ein, auf konkrete Fragen zu reagie­ für jeden die Möglichkeit, auch eigene, von ren und mit eigenen Beiträgen Antworten zu den Objekten des Weltkulturen Museums in­ finden. Die Ausstellung wurde auf verschiedene spirierte Werke, Ideen oder Projekte einzubrin­ „Projekte“ verteilt, die im „Open Lab“ mitein­ gen bzw. eine neue „Version“ zu erstellen. So ander vernetzt sind. Die Internetplattform können dann Texte, Bilder oder Audiodateien bietet somit die Möglichkeit, eine heterogene hochgeladen, erläutert und mit Schlagwörtern Diskussion über die Geschichte der Frankfur­ versehen werden. Eine neu erstellte „Version“ ter Sammlung und die Aufgaben und Frage­ wird automatisch zur Redaktion des „Welt­ stellungen eines ethnografischen Museums im kulturen Open Lab“ geleitet, dort geprüft und 21. Jahrhundert zu führen. So ist das „Open freigegeben. Lab“ nicht als Archiv, sondern als Produktions­ werkzeug zu verstehen. Annie Büncker

Weltkulturen Museum Schaumainkai 29–37 Screenshot Open Lab, Thema 60594 Frankfurt am Main „Objekt-Akkumulation“ zur Tel.: (0 69) 21 23 59 13 ­Ausstellung „Ware & Wissen www.weltkulturen-openlab.com (or the stories you wouldn’t tell a stranger)“ www.weltkulturenmuseum.de

Fotos S. 32 und 33: Weltkulturen Museum

Das „Open Lab“: Im deutsch- und englischsprachig angeleg­ ten „Open Lab“ befinden sich zurzeit ca. 50 Screenshot Open Lab, Thema „Repatriation“ zur Ausstel- eine interaktive Plattform wissenschaftliche oder künstlerische Projekte. lung „Ware & Wissen (or the stories you wouldn’t tell a des Weltkulturen Museums Sie geben Einblicke in künstlerische Werke stranger)“ sowie Forschungen und Fragestellungen zu ethnografischen Objekten des Weltkulturen Mit der neuen interaktiven Museumsplattform Museums. Ein Projekt kann in jedem Stadium Mittels der interaktiven Funktionen kann „Weltkulturen Open Lab“ öffnet das Weltkul­ mit weiteren Informationen verknüpft und sich weltweit auch jeder an Forschungspro­ turen Museum seine Depots und ermöglicht angereichert werden. Dabei wächst die als jekten und -fragen beteiligen und sich zu damit den Zugang zu seinen ethnografischen Baumstruktur angelegte Mindmap und bildet ­eigenen Forschungen und Arbeiten inspirie­ Objekten weltweit für jedermann. Das „Open ständig neue Verzweigungen. Durch Filter ren lassen. Mit Hilfe dieser interdisziplinären Lab“ wurde gemeinsam mit der Multimedia kann sich jeder auf eine digitale Entdeckungs­ Herangehensweise könnte es möglich sein, Screenshot Open Lab, Thema „Trade Cultures“ zur Aus- Agentur Cocomore AG entwickelt und steht reise begeben. So kann nach Autoren, Gegen­ manche noch offene Frage zu den ethnogra­ stellung „Ware & Wissen (or the stories you wouldn’t tell seit Juni 2013 der Öffentlichkeit zur Verfü­ ständen, geografischen Schwerpunkten oder fischen Gegenständen zu klären. a stranger)“ gung. Schlagwörtern gesucht werden.

32 SAMMLUNG UND DOKUMENTATION SAMMLUNG UND DOKUMENTATION 33 Wella-Sammlung geht an das eröffneten. Anfangs stand vor allem die Ge­ Zwar war die Detailplanung zur neuen Anlässlich des 135. Geburtstages der Firma schichte des Friseurhandwerks im Mittelpunkt, Dauerausstellung im Landesmuseum weitge­ Wella plant das Landesmuseum Darmstadt Hessische Landesmuseum doch die Sammeltätigkeit erstreckte sich bald hend abgeschlossen, doch wurden die bereits für das Jahr 2015 eine Sonderausstellung, die Darmstadt auf alle Aspekte der Haut- und Körperpflege. bestehenden Konzepte partiell geändert, um sich ganz der Sammlung des Wella-Museums Zuletzt präsentierte das Wella-Museum in Darm­ die bedeutendsten Objekte der Wella-Samm­ widmen wird. stadt rund 300 der auf ca. 3.000 Objekte an­ lung integrieren zu können. Nach der Wieder­ gewachsenen Firmensammlung. Bis zu seiner eröffnung des Hessischen Landesmuseums Die Zukunft der Sammlung des Wella-Museums Schließung im Jahr 2009 konnten hier aus­ Hessisches Landesmuseum Darmstadt ist gesichert: Im November 2013 wurde sie erlesene, hochkarätige und auch kuriose Stü­ Friedensplatz 1 Attisch-schwarz-figuriges Öl­ nahezu komplett an das Hessische Landes­ cke besichtigt werden. 64283 Darmstadt gefäß, sogenanntes Lekythos, museum Darmstadt als Schenkung übergeben. Die Wella-Sammlung kennt weder räum­ Tel.: (0 61 51) 16 57 03 Ton, bemalt nach Art des Gela- So verbleibt die bedeutende Sammlung zur liche noch zeitliche Grenzen, weshalb sie sich www.hlmd.de bzw. des Diosphos-Malers, um Kulturgeschichte der Schönheitspflege in der gut in den universellen Charakter des Hessi­ 500 v. Chr.; Foto: Wella/HLMD langjährigen Wella-Heimat Darmstadt. schen Landesmuseums Darmstadt einfügt. Denn das Haus mit seiner breit aufgestellten Sammlung bietet die Möglichkeit, die neuen Exponate in vielfältige kunst- und kulturge­ schichtliche Zusammenhänge einzubetten. So bereichert und ergänzt die Wella-Schenkung unterschiedliche Sammlungsbereiche des Hes­ sischen Landesmuseums und wird dadurch neu erfahrbar. Rund 350 Objekte, unter anderem aus Ägyp­ ten, der römischen Kaiserzeit, der klassischen Antike Griechenlands und der heimischen Vor- und Frühgeschichte, gehen in den Samm­ lungsbestand der Archäologischen Abteilung ein. Unter den über 1.000 Objekten des um­ fangreichen kunsthandwerklichen Bestandes der Wella-Sammlung verbergen sich zahlreiche Schätze. Dazu gehört ein 1795 durch den re­ nommierten Pariser Goldschmied Aucoc ge­ fertigter Toilettenkasten aus Palisanderholz von Joséphine de Beauharnais, der späteren Gemahlin Napoléons. Toilettenkasten der Kaiserin Der Grafik-Bestand umfasst neben künst­ ­Joséphine de Beauharnais, Einige Objekte der ägyptolo­ lerischen Arbeiten auf Papier und Druckgrafik ­Palisander mit Messingeinlagen, gischen Sammlung; Foto: auch über 300 historische literarische Schriften, Darmstadt Ende 2014 werden diese dann in Monogramm „J“ und Krone, ­Wolfgang Fuhrmannek, HLMD Urkunden und Bücher. Auf eindrucksvolle den Abteilungen Archäologie, Mittelalter, Kunst­ ­Paris, 1795; Foto: Wella/HLMD Weise belegen diese Dokumente die Schön­ handwerk und in der Graphischen Sammlung heits-, Körper- und Gesundheitspflege in ver­ der Öffentlichkeit zugänglich sein. In beson­ Die Sammlung geht auf das Engagement schiedenen Kulturepochen. Hinzu kommen derem Maße profitiert die ägyptologische Prä­ der Firmeninhaber Karl und Georg Ströher Dokumentationen zu Spezialthemen wie Tä­ sentation von der Schenkung: Hier entsteht zurück, die in den 1950er Jahren mit dem Auf­ to­wierung oder Haartracht bei außereuropä­ aus der Fülle herausragender Stücke ein neuer bau einer kulturhistorischen Sammlung be­ ischen Kulturen sowie ein größerer Bestand Themenschwerpunkt zur Kosmetik und Schön­ gannen und 1952 das erste Firmenmuseum an japanischen Farbholzschnitten. heitspflege in der Dauerausstellung.

34 SAMMLUNG UND DOKUMENTATION SAMMLUNG UND DOKUMENTATION 35 ­Kaiserhof in Wien profitierte von solchen Prä­ jedoch feststellen, dass er sich als Informations­ senten. Für derartige Sendungen verfügte der quelle ganz besonderer Art entpuppte. Fast Darmstädter Hof über mehrere speziell dafür kein anderes Objekt in unserem Hause hat so angefertigte Transportwagen, von denen sich viele Veränderungen durchlaufen, die den aber nur ein einziger im Museum Jagdschloss Ausstellungsmoden beziehungsweise den Vor­ Kranichstein erhalten hat. lieben der Kuratoren der letzten 60 Jahre im Im Gegensatz zu anderen höfischen Fahr­ Museum Jagdschloss Kranichstein geschuldet zeugen, die dem Transport von Personen ge­ sind. Der Prunkschlitten ermöglicht Einblicke dient haben, waren Wild-Transportwagen in in die Museumsgeschichte, seien es Farbvor­ keiner Weise repräsentativ gestaltet, sondern lieben, bestimmte ästhetische Vorstellungen bis ins kleinste Detail funktional: ein einfa­ von Oberflächen oder gar verfälschende Ab­ cher Zweispänner, der Kutschbock vor dem änderungen zugunsten eines „schönen“ Ob­ Kasten, keine Bremsen, keine Federung. Die jekts. Innenwände sind mit grobem Leinen und Sichtbar gemacht haben diese unterschied­ Stroh gepolstert, um das Wild vor Verletzun­ lichen Gestaltungsphasen erst die umfang­ gen zu schützen, schließlich dauerten solche reichen Konservierungs-und Restaurierungs­ Transporte bis zu mehreren Wochen und ein arbeiten, die von März bis September 2012 verletzter oder optisch angeschlagener Hirsch gedauert haben und dem bedenklichen Erhal­ wäre als Geschenk durchaus als Affront ver­ tungszustand der beiden Fahrzeuge geschuldet standen worden. Außerdem verfügt der Trans­ waren. Um die beiden Fahrzeuge möglichst portwagen über eine Futterschublade im vor­ wenig zu bewegen, aber auch, um eine der Der fürstliche Hirschtransportwagen mit Futterklappe und Lichtöffnungen; Fotos: Kerstin Frost deren Bereich und über Oberlichter zur Be­ grundlegenden und für die Besucher normaler­ lüftung und Beleuchtung. Im Unterschied zu weise im Verborgenen stattfindenden Arbei­ Der Prunkschlitten, der im Museum mehrfach verändert wurde; Foto: Anne Katrin Stockmeyer Reh- oder Saukästen handelt es sich beim ten im Museum der Öffentlichkeit näher zu Hirsche auf Reisen Hirschwagen um ein rundum geschlossenes bringen, haben wir uns entschlossen, einen Fahrzeug, so dass die Tiere gegen die Witterung Teil der Ausstellungsfläche zu einer öffentlich dass außerhalb des Hirschleibes rechts und Zur Geschichte und Restaurierung und optische Ablenkung geschützt waren. sichtbaren Restaurierungswerkstatt umzugestal­ links jeweils ein Sitzplatz entstand. Aufgrund eines Hirschtransportwagens und Glücklicherweise hat der Hirschtransport­ ten. Mit Anne Katrin Stockmeyer und Kerstin der vielen verschiedenen Restaurierungsphasen eines Prunkschlittens wagen im Museum Jagdschloss Kranichstein Frost gewannen wir zwei freischaffende Diplom- und der bewegten Geschichte dieses Objekts keine nennenswerten Umbauten oder Nut­ Restauratorinnen, die bereit waren, dieses haben wir uns dazu entschlossen, im Wesent­ zungsänderungen erfahren, so dass wir es mit Projekt zu begleiten. Sie arbeiteten während lichen eine Konservierung der beiden Fahr­ einem fast unveränderten Objekt aus dem unserer Öffnungszeiten an den Fahrzeugen, zeuge vorzunehmen, damit auf gar keinen Dass Staatsgeschenke auch im 18. Jahrhundert 18. Jahrhundert zu tun haben. Diese Beson­ so dass die Besucher die Möglichkeit hatten, Fall Spuren des Gebrauchs sowie Spuren der quicklebendig sein konnten, davon zeugt ein derheit bewog uns, den Hirschwagen aus dem sich verschiedene Techniken, Vorgehensweisen späteren musealen Bearbeitung verloren gehen. Objekt aus dem Museum Jagdschloss Kranich­ Depot zu holen, zu restaurieren und auszu­ und Erkenntnisse zeigen und erklären zu las­ In der geplanten neuen Dauerausstellung sol­ stein: ein Hirschtransportwagen der Land­ stellen – zusammen mit einem barocken sen. Dadurch konnten wir ein neues Publikum len sowohl die ursprüngliche Funktion als auch grafen von Hessen-Darmstadt, mit dem man Prunkschlitten in Hirschgestalt. Ob dieser gewinnen, interessante Korporationen knüp­ die museale Geschichte der beiden Fahrzeuge lebendes Wild auch über mehrere 100 Kilo­ ausschließlich als Fahrzeug für die jährlich fen und sogar einen Teil der Objektgeschichte erläutert werden. meter sicher transportieren konnte. Jagdlicher gehaltenen Schlittenparaden genutzt wurde des Prunkschlittens erhellen. So stellte die Onno Faller Gabentausch war in Hessen-Darmstadt be­ oder ob er als repräsentativer Zubringer für die Witwe des Restaurators, der den Schlitten in sonders unter Landgraf Ludwig VIII. (1691– Damen in die Jagdreviere und zu den Jagd­ den 1970er Jahren restauriert hatte, uns reich­ 1768) üblich. So half der Landgraf nicht nur, häusern gedient hat, wie es das Zeremoniell haltiges Diamaterial aus dieser Zeit zur Verfü­ Museum Jagdschloss Kranichstein Der Löwenkopf wurde wahr- die Wälder befreundeter Regenten mit Wild zu für die Teilnahme der Damen an der Jagd ge­ gung. Jetzt wissen wir zum Beispiel, dass der Kranichsteiner Straße 261 scheinlich erst in den 1950er bevölkern, sondern er bezeugte seine Freund­ bot, können wir nicht sagen, denn über die Prunkschlitten vom Einsitzer zum Dreisitzer 64289 Darmstadt Jahren auf den Schlitten montiert; schaft und Loyalität auch durch großzügige Provenienz dieses Schlittens ist nichts bekannt. umgebaut wurde, indem ein Brett im rechten Tel.: (0 61 51) 71 86 13 Foto: Anne Katrin Stockmeyer Geschenke starker Hirsche. Besonders der Zu unserer eigenen Überraschung konnten wir Winkel durch den Korpus getrieben wurde, so www.jagdschloss-kranichstein.de

36 SAMMLUNG UND DOKUMENTATION SAMMLUNG UND DOKUMENTATION 37 Ein Skelett und seine Doch zur Montage des Giraffenbullen durch Museum Zürich mit alterungsbeständigem so, dass sein Rotationspunkt lotrecht über der Ulrich Stephan sollte es leider nicht mehr kom­ und formstabilem Synthesegips abgegossen. Gelenkfläche steht. Aufgrund ihrer Größe sind Geschichte: Die Montage men. Fast 50 Jahre schlummerten die Knochen Die Abgüsse heben sich farblich leicht von von Giraffen nur sehr wenige Röntgen- oder des Giraffenbullen „Otto“ in einem Depot. Im September 2011 über­ den Originalknochen ab und sind so für das CT-Aufnahmen vorhanden. Da auch Publika­ nahm die Präparatorin Sabrina Beutler aus wachsame Auge als Replikate­ ersichtlich. tionen selten sind, konnte diese Frage nur Düdingen (Schweiz) die anspruchsvolle Auf­ durch Beobachtungen am lebenden Tier, die gabe, das Skelett freistehend und naturgetreu Analyse der Lebensweise und der Knochen in einer verweilenden Stellung zu montieren. sowie Vergleiche mit systematisch oder biolo­ Abguss des Sprunggelenkes; Das Skelett des Giraffenbullen wurde als un­ gisch ähnlichen Tierarten geklärt werden. Die Foto: Sabrina Beutler sortierter Knochenhaufen in einer Kiste in die nun umgesetzte Montage entspricht dem ak­ Schweiz transportiert. Der Zustand der Kno­ tuellsten Stand des Wissens und den Beobach­ chen war im Großen und Ganzen gut, sie wie­ tungen lebender Tiere. Aus Transportgründen sen lediglich einige eingetrocknete Gewebe­ ist das Skelett in sieben Teile zerlegt: vier Beine, reste und äußerliche Verunreinigungen auf. Je­ Thorax, Hals und Schädel. Die Probleme der doch stellte sich heraus, dass das Skelett nicht komplizierten Statik, die vor allem durch den Kiste mit den Knochen des mehr vollständig war. Es fehlten sämtliche langen, schweren Hals entstehen, wurden Giraffenbullen vor der Montage; Schwanzwirbel, das Brustbein, alle Finger- mittels zweier Stahlseile im Inneren der Kon­ Foto: HLMD und Zehenknochen, Handwurzel- und Fuß­ struktion gelöst. So wird der Hals, ähnlich ei­ wurzelknochen sowie das Zungenbein. Noch ner Hängebrücke, von einem Seil im Nerven­ heute erkennbare, auffällige Knochenwuche­ kanal der Wirbelsäule abgespannt, wie es das Der Giraffenbulle „Otto“ wurde 1948 in Tan­ rungen am linken Hinterbein wurden durch „Ligamentum superspinale“ (Nackenstrang) sania geboren und kam im September 1953 in Wolfgang Lummer, der bis 1995 Tierpfleger im beim lebenden Tier über die Dornfortsätze tut. den Frankfurter Zoo. Dort lebte er zusammen Frankfurter Zoo war, bestätigt. Der Giraffen­ Ein anderes Stahlseil stabilisiert die Schulter, mit der Giraffendame „Lotte“ und zeugte sechs bulle war zu Lebzeiten mit den Hinterbeinen denn das Tier steht mit seinen Vorderextre­ Nachkommen. Aus ungeklärten Gründen im Gitter des Innengeheges hängengeblieben mitäten vor seinem Schwerpunkt und würde ­verstarb „Otto“ 1964 im Alter von 16 Jahren. und hatte sich dabei eine tiefe, aber gut ver­ durch seinen schweren Hals vornüber kippen. Kurz darauf bot man dem Hessischen Landes­ heilte Verletzung zugezogen. Mit der Wiedereröffnung des Landesmuse­ museum Darmstadt das Tier als Schenkung Alle vorhandenen Knochen wurden mit ums wird das neuaufgearbeitete Skelett des an. Der damalige Präparator Ulrich Stephan ­einer gepufferten Reinigungslösung behan­ Giraffenbullen erstmals in der Schausamm­ und der zoologische Leiter Dr. Scheer mach­ delt, um Verunreinigungen zu entfernen und lung zu sehen sein. „Otto“ wird die Skelett­ ten sich mit einem Transportunternehmen gleichzeitig eine Schädigung der Knochen herde, die knapp 100 Objekte umfasst, berei­ sofort auf den Weg zum Frankfurter Zoo. Bei durch eventuell vorhandene Fettsäuren zu chern. Mit seiner gewaltigen Höhe von 4,80 m ihrer Ankunft lag der Giraffenbulle im Giraffen­ verhindern. Vorhandene Gewebereste wurden Montage der Extremitäten; Foto: Sabrina Beutler überragt er alle anderen Skelette und wird ein haus. Die Hautdecke des Bullen war besonders enzymatisch geweicht und anschließend mit Blickfang für die Besucher sein. im Bereich der Hüften abgestoßen, weshalb Proteinasen sauber enzymatisch mazeriert Sabrina Beutler und Mareike Munsch eine dermoplastische Präparation des Tieres (von lateinisch macerare „einweichen“). Ein­ Die Montage des Skelettes erfolgte in stän­ nicht infrage kam. So entschied man sich, das zelne Knochen wurden in einer Knochenent­ diger Absprache mit Fachleuten der Veterinär­ Tier vor Ort zu zerlegen und nur die Knochen fettungsanlage behandelt. Wie zu Zeiten Ulrich anatomischen Institute Bern und Zürich, der Hessisches Landesmuseum Darmstadt Erste Montage des Skelettes in mitzunehmen. Stephans übertraf das komplette Skelett je­ Universität in Jena, Kuratoren, Zootierärzten Abteilung Naturgeschichte – Zoologie der Werkstatt in voller Größe; Pinnwand mit Papiersilhouetten Im Museum angekommen, begann Ulrich doch leider das Volumen und die Kapazität und Tierpflegern verschiedener Zoos sowie Friedensplatz 1 Foto: Sabrina Beutler der Knochen in Originalgröße Stephan mit der Präparation der Knochen. Er der vorhandenen Knochenentfettungsanlage. ­diversen Präparatorenkollegen. 64283 Darmstadt zwecks Diskussion der Gelenk- entschied sich für eine Kaltwassermazeration Die fehlenden Zehenknochen und Schwanz­ Diskussionspunkt war vor allem die korrek­te Tel.: (0 61 51) 16 57 03 winkel; Foto: Sabrina Beutler in einem großen Steinbottich, bohrte die wirbel eines alten Bullen konnten durch einen Stellung des Schulterblatts in Zusammenhang www.hlmd.de Knochen an, um das Knochenmark zu ent­ Präparator in Namibia geborgen und impor­ mit den Oberarmknochen. Bei Fluchttieren, fernen und erhielt ein relativ gut entfettetes, tiert werden. Die restlichen Fehlknochen wur­ zu denen Giraffen im anatomischen Sinne ge­ elfenbeinfarbenes Skelett. den von einem Skelett aus dem Zoologischen hören, steht das Schultergelenk in Ruhestellung

38 RESTAURIERUNG UND KONSERVIERUNG RESTAURIERUNG UND KONSERVIERUNG 39 aufruf bis zur Abstimmung zu einem schier unglaublichen Vorgang, den man kaum bes­ ser erfinden könnte. Da die Bürger nun wählen durften, dies aber zuvor nie getan hatten, mussten sie den Wahl­ modus und die Objekte für die Wahl (Stimm­ zettel, Stimmkasten) erst erfinden und schaf­ fen. Für die Form des Stimmkastens orientierte man sich im Deutschland und auch im Frank­ Löwensiegel auf Wahlurne; reich jener Zeit gern an der Antike, wo Urnen Foto: Bernd Mayer bei Abstimmungen genutzt worden waren. Wo­ her sollte man aber eine Urne nehmen, zumal wenn gar nicht ausreichend Zeit vorhanden abdrücken trug vor der Restaurierung einen Links: Unrestaurierte Urne. war, eine solche herzustellen? Hier kam den krepierten, krakelierten Lacküberzug, der wie Rechts: Restaurierte Urne; Homburgern ein Zufall zu Hilfe. eine matte Lederbespannung aussah. Dieser Fotos: Bernd Mayer Als der Erbprinz von Hessen-Homburg 1818 wurde entfernt. Die andere Urne hatte noch eine englische Prinzessin heiratete, brachte eine intakte Lackierung, ihr fehlte aber der diese natürlich ihr Aussteuerbesteck mit. Im breite Ring des Deckels, welcher ergänzt wurde. Historische Wahlurnen gelabdrücke und Schlitze in den Deckeln nur England des Regency war es jedoch üblich, Die Recherchen zu Wahlen und Urnen mün­ den Schluss zu, dass die Objekte alte Wahl­ Silberbesteck in aufwändigen „cutlery urns“ deten in eine Kabinettausstellung zu „Hom­ im Bad Homburger Museum urnen sein mussten. Die Siegel zeigten einen aufzubewahren und zu präsentieren. Solche burger Wahlen im 19. Jahrhundert“. Eine Geschichte, Restaurierung Löwen und einen (halben) Adler. Da Hessen- Holzobjekte brachte Prinzessin Elizabeth also ­Besucherin war so begeistert, dass sie dem Homburg 1866 an Preußen fiel und der Löwe nach Hessen. 30 Jahre später, das Ehepaar war Museum eine Wahlurne des Deutschen Rei­ und Ausstellung damit als alleiniges Wappentier ausgedient längst verstorben, standen die Holzurnen offen­ ches aus der Zeit um 1900 stiftete. Zeitgleich hatte, mussten die Wahlurnen zum ersten Mal bar nutzlos herum. Der nun regierende Land­ mit dieser Ausstellung lief unter dem Titel noch vor 1866 verwendet worden sein. graf dürfte daher den wahlwilligen und urnen­ „Homburger Pracht“ die Ausstellung einer Pri­ Historische Wahlurnen sind eine relativ seltene „Neuentdeckungen“ im Depot sind natür­ suchenden Untertanen die ausrangierten könig­ vatsammlung mit Exponaten aus dem 18. und Objektgruppe, die selbst in der Literatur und lich relativ. Fotos der historischen Museums­ lichen „cutlery urns“ als erste demokratische 19. Jahrhundert. Zu den Objekten gehörte das in Bilddatenbanken kaum auftaucht. Bekannt­ einrichtungen zeigen eine der Wahlurnen in Wahlurnen zur Verfügung gestellt haben. Tat­ Silberbesteck, das sich Elizabeth, noch als eng­ heit erlangt haben die Urne aus Bronzeblech der Dauerausstellung der 1920er Jahre, und sächlich war der Landgraf an den Vorbereitun­ lische Prinzessin, zwischen 1807 und 1814 im Stadtmuseum Rottweil und die kelchför­ in historischen Unterlagen aus dem 20. Jahr­ gen der Wahl zumindest in der Hinsicht betei­ in London hatte fertigen lassen. Somit waren mige, schwarz-rot-golden bemalte Wahlurne hundert wird diese Urne mit der Wahl zur ligt, dass er sie per Erlass gewährte. Die Bürger nach über 150 Jahren Besteckurne und Be­ aus Pappe des Museums im Bock in Leutkirch. Paulskirche 1848 in Verbindung gebracht. machten Schlitze in die Deckel der „cutlery steck wieder unter einem Dach vereint. Zu Aufgrund der Seltenheit historischer Wahl­ Spätestens dieser Hinweis war Anlass für das urns“, nahmen die Besteckträger heraus und beiden Ausstellungen „Homburger Wahlen im urnen waren die Überraschung und Freude Museum, eine ausgewiesene Rechts- und Lan­ fertig waren die neuen Wahlurnen. 19. Jahrhundert“ und „Homburger Pracht“ er­ umso größer, als 2012 im Außendepot des deshistorikerin mit einem Forschungsauftrag Bei beiden Holzurnen handelt es sich um schienen Kataloge, die die historischen Zu­ Städtischen historischen Museums in Bad rund um Wahlen, Wahlverfahren und Wahl­ kunstvolle, aufwändige Schreinerarbeiten, die sammenhänge erläutern. Englisches Besteck, Homburg gleich zwei historische Wahlurnen recht im 19. Jahrhundert zu betrauen. Prof. völlig baugleich sind. Über einer Bodenplatte, Peter Lingens Anfang 19. Jahrhundert; entdeckt wurden. Man hatte sie vorher nicht Dr. Barbara Dölemeyer erforschte alle Wahlen die auf vier Kugelfüßen steht, befindet sich Foto: Stefan Seibold erkennen können, denn durch Depotumzüge auf nationaler, territorialer und kommunaler ein verjüngender Fuß, der in den großen, sich waren Deckel und Körper der Wahlurnen von­ Ebene von 1848 bis 1868, sowohl in landgräf­ nach oben erweiternden Kelch oder Korpus der Städtisches historisches Museum Wahlurne aus bemaltem Metall, einander getrennt worden und sie unterschie­ licher als auch in preußischer Zeit. Sie kam zu Urne übergeht. Er ist aus Mahagoni geformt Gotisches Haus um 1900; Foto: Stefan Seibold den sich zudem durch Zerstörungen und Ge­ dem Ergebnis, dass beide Wahlurnen in den und mit schmalen Adern aus hellerem Buchs­ Tannenwaldweg 102 brauchsspuren in ihrem äußerlichen Erschei­ untersuchten Wahlen zum Einsatz gekommen baum verziert. Im Sommer 2013 wurden beide 61350 Bad Homburg v. d. Höhe nungsbild. Nachdem die Deckel und Körper sein könnten, auch bei der Wahl 1848. Damals Holzurnen restauriert und fehlende Teile er­ Tel.: (0 61 72) 3 76 18 wieder zueinander gebracht waren, ließen Sie­ kam es durch den kurzen Zeitraum vom Wahl­ gänzt. Die besser erhaltene Urne mit den Siegel­ www.bad-homburg.de/museum

40 FORSCHUNG FORSCHUNG 41 NEUE PUBLIKATIONEN

Christiane Schrübbers (Hg.): Moderieren im Museum. Christina Hahn: Open Access für Museen. Rechts­ Dagmar Wunderlich: Museen aus der Perspektive Vanessa Schröder: Geschichte ausstellen – Theorie und Praxis der dialogischen Besucherfüh- fragen zur freien Verfügbarkeit von Sammlungen. von Jugendlichen. Evaluation eines Realschul­ ­Geschichte verstehen. Wie Besucher im Museum rung. Bielefeld: Transcript-Verlag, 2013. 256 Seiten Berlin: BibSpider, 2013 (= Leipziger Impulse­ für projekts im Kontext kultureller Bildung. Berlin: Geschichte und historische Zeit deuten. Bielefeld: die Museumspraxis, Band 2). 104 Seiten BibSpider, 2013 (= Vogtensien – Impulse für die Transcript-Verlag, 2013. 522 Seiten Wie können sich Besucher in einer Führung Museumspädagogik, Band. 2, Hg.: Markus Walz). einbringen, wie viel Zeit und Raum verlangt Diese von Markus Walz herausgegebene Ver­ 104 Seiten Die vorliegende Publikation stützt sich in ihre Beteiligung, wie müssen sich Informatio­ öffentlichung ist die überarbeitete und aktua­ ­ihrem Kern auf die Auswertung und Interpre­ nen und Vortragsstil ändern? Mit dialogischen li­sierte Fassung einer 2006 im Studiengang Die Forderung nach stärkerer Einbindung der tation von Besucherbefragungen, die im Rah­ Vermittlungsmethoden und deren Umsetzung Museologie an der Leipziger Hochschule für Museen in Formen außerschulischen Lernens men eines Forschungsprojektes der Uni Duis­ im Museum beschäftigen sich die Beiträge von Technik, Wirtschaft und Kultur eingereichten und der Ruf nach umfassender kultureller Bil­ burg-Essen an vier kulturgeschichtlichen Bettina Altendorf, Anna Grosskopf, Christine Diplomarbeit. Sie beschäftigt sich mit den Zie­ dung gehören seit Jahren zu den Schlagworten ­Museen erhoben wurden. Dabei wird der Frage Heiß, Michael Matthes, Sofija Popov-Schloßer, len der Open-Access-Bewegung und den Mög­ bildungspolitischer Diskussionen. Im Alltag nachgegangen, inwiefern sich durch Verän­ Marion Schröder, Christiane Schrübbers, Friede­ lichkeiten der Umsetzung von Open Access in zeigt sich jedoch immer wieder: So wünschens­ derungen in der Präsentation von Geschichte rike Weis und Georg von Wilcken in diesem der Museumspraxis. Juristische Fallbeispiele wert die Zusammenarbeit zwischen Schule und auch ein Wandel in der Geschichtsdeutung Buch. Im Mittelpunkt steht dabei das Kon­ sowie ein Literatur- und Quellenverzeichnis Museum auch ist, es stehen ihr viele Widrig­ vollzogen hat. Der erste Teil der Arbeit wid­ zept der Moderation, das anstelle der konven­ runden den Band ab. keiten entgegen. Worin diese begründet liegen, met sich phänomenologischen Einordnun­ tionellen Führung tritt. Praktische Beispiele, Im Oktober 2003 bekannten sich führende ist bislang allerdings kaum untersucht. Die gen: Was konstituiert ein Museum, wie wird technische Anleitungen und theoretische Hin­ deutsche Wissenschaftsorganisationen ge­ vorliegende Publikation greift diese methodi­ Geschichte erzählt und wie wird historische tergründe beleuchten den neuen Vermittlungs­ meinsam mit nationalen und internationalen sche Lücke auf und evaluiert die Vermittlungs­ Zeit ausgestellt bzw. historische Zeitperspek­ ansatz aus verschiedenen Perspektiven. Forschungs- und Kultureinrichtungen zum methoden eines Kooperationsprojektes zwi­ tive konstruiert? Teil zwei stellt die vier, in die Die Arbeitstechniken von Museumsmodera­ Prinzip des „offenen Zugangs“ (Open-Access- schen Realschulen und dem Deutschen His­ Besucherbefragung eingebundenen Museen toren basieren auf der partizipativen Teilneh­ Paradigma). Das Ziel dieser Bewegung besteht torischen Museum, welches im Rahmen von (Deutsches Historisches Museum, Jüdisches mer-Orientierung und der konstruktivistischen darin, mit Hilfe des Internets Kulturgüter und zwei Sonderausstellungen stattfand. Insbe­ Museum Berlin, Haus der Geschichte der Bun­ Lerntheorie. Der Museumsmoderator als „Ge­ Wissen einer breiten Öffentlichkeit zur Verfü­ sondere wird dabei der Frage nachgegangen, desrepublik Deutschland und Historisches neralist“ steuert einen ergebnisoffenen Prozess, gung zu stellen. Anfangs stand die Veröffent­ wie sich die Bedürfnisse von Jugendlichen in Museum Hannover) vor, erläutert die Spezi­ bei dem ausgehend von einem Exponat Wissen lichung wissenschaftlicher Fachliteratur im Hinblick auf die Vermittlungsarbeit von den fika ihrer jeweiligen Geschichtserzählung und und Erfahrungen mit den Museumsbesuchern Fokus der Open-Access-Bewegung, zunehmend Vorstellungen und Zielen der Museumspäda­ beschäftigt sich vor dem Hintergrund des der­ ausgetauscht und auch Bezüge zum gegenwär­ werden aber auch Kulturgüter, zum Beispiel gogik unterscheiden und wie sie letztlich in zeitigen Standes der Besucherforschung mit tigen Alltag hergestellt und diskutiert werden. aus den Beständen von Museen und Archiven, Übereinstimmung zu bringen sind. Wichtigs­ den vorgenommenen Stichproben und dem Der erster Abschnitt des Buches widmet im Internet veröffentlicht. tes Analyseelement waren dabei Gruppendis­ jeweiligen Besuchspublikum der einzelnen sich der Besucherorientierung heutiger Museen. Bevor Museen ihre Sammlungsbestände on­ kussionen mit Schülern, die im Nachgang des Häuser. Der zweite Teil behandelt am Beispiel von line zugänglich machen, müssen verschiedene, Kooperationsprojektes geführt wurden und Der umfangreichste, dritte Teil der Veröf­ Kunst-, Geschichts- und Technikmuseen die vor allem rechtliche Aspekte geklärt werden. ausführlich dokumentiert sind. Die Jugend­ fentlichung nutzt die empirischen Befunde, um Vermittlungsarbeit der Moderatoren, womit Das gilt besonders für das Urheberrecht und lichen brachten hierbei sehr deutlich zum daraus Aussagen zur Geschichtsdeutung der Be­ die spartenspezifische Aufbereitung von Aus­ die damit verbundenen Nutzungsrechte. So­ Ausdruck, was Museen keinesfalls sein soll­ sucher, ihrer Wahrnehmung von Museum und stellungsinhalten für eine gemeinsame Betrach­ wohl die Rechteinhaber an einem Werk selbst ten: Ein nur in den Außenbereich verlagerter der sich ihnen vermittelnden Zeit­perspek­ ­tive tung gemeint ist. Im dritten Abschnitt steht als auch Personen oder Institutionen, die das Schulraum. Vielmehr gilt es, so das Resumee abzuleiten. Herausgearbeitet wird, dass jedes die aktivierende Methodik mit ihren teilneh­ Werk foto­grafisch reproduziert haben, müssen der Autorin, die Museen in ihrer Funktion als der untersuchten vier Häuser charakteristische­ merorientierten und partizipativen Ansätzen ermittelt werden und die Veröffentlichung offener Lernort zu stärken und die jugendli­ Geschichtsdeutungen seitens der Besucher im Mittelpunkt. Dazu gehören die Planung genehmigen. Liegt keine Erlaubnis vor, kön­ chen Besucher mit unterschiedlichen Mög­ evoziert, gleichzeitig aber auch die Vorprägun­ eines dialogischen und interaktiven Rund­ nen später Klagen wegen Unterlassung und lichkeiten selbsttätiger Aneignung vertraut gen der Besucher und ihre eigenen Zeitperspek­ gangs sowie Gesprächstechniken, die einen Schadensersatzforderungen erhoben werden. zu machen. tiven Einfluss darauf haben, wie Geschichts­ Austausch fördern. präsentationen im Museum erlebt werden.

42 NEUE PUBLIKATIONEN NEUE PUBLIKATIONEN 43 PERSONALIA

Harry Thomas † Christian Aschenbrenner † schloss das Studium 1978 mit einer Disserta­ eine weltweite Agentur für Public Relations. tion über die jungneolithische Michelsberger Zu ihren wesentlichen Aufgaben zählten Presse Am 3. Januar 2014 verstarb im Alter von 92 Die Stiftung Konrad-Zuse-Museum Hünfeld Kultur und den Silexhandel ab. Es folgten wis­ und Medienarbeit, Recherchen, Dokumenta­ Jahren Harry Thomas, langjähriger Leiter der mit Stadt- und Kreisgeschichte trauert um senschaftliche Tätigkeiten in Bern und Frank­ tionen, Monitorings sowie die Begleitung von Geschäftsstelle, Schriftführer und Ehrenmit­ Christian Aschenbrenner, der am 14. Septem­ furt am Main. 1990 bis 1997 war Willms an Events und Konferenzen. Außerdem war Kar­ glied des Hessischen Museumsverbandes. Be­ ber 2013 im 67. Lebensjahr verstarb. Der lei­ dem Forschungsprojekt „Archäometallurgie“ mann im Auftrag des Instituts für Auslands­ heimatet im waldeckischen Mengeringhausen, denschaftliche Lehrer für Geschichte, Kunst, an der Universität Münster und dem Westfä­ beziehungen e. V. als Redakteurin für die hatte er bereits viele Jahren in der Verwaltung Politik und Wirtschaft am Wigbert-Gymnasium lischen Museum für Archäologie in Münster Deutsche Allgemeine Zeitung in Kasachstan der Kommunalen Versorgungskassen im Hause in Hünfeld arbeitete über 35 Jahre ehrenamt­ beteiligt. tätig. Als Lektorin der Robert Bosch Stiftung der Hessischen Brandversicherungsanstalt ge­ lich im Museum und war entscheidend an des­ Die umfangreiche Publikationsliste belegt unterstützte sie die Nationale Polytechnische arbeitet, als 1964 der Verbandsvorsitzende sen Wiederaufbau beteiligt. Seit 1982 leitete Christoph Willms’ thematische Breite. Er wid­ Universität in Odessa, Ukraine, durch eigene und Direktor der Brandkasse, Hans Mangold, er die Abteilung Geologie und Vor- und Früh­ mete sich dem prähistorischen Menschen und Lehrveranstaltungen und Projekte. Dr. Christoph Willms; ihm die Leitung der HMV-Geschäftsstelle über­ geschichte. Diese wurde unter seiner Feder­ dessen Einfluss auf die Umwelt, was zu vielbe­ Foto: Archäo­logisches Museum trug. Harry Thomas nahm das Ehrenamt an führung überregional bekannt. Neben der Ge­ achteten Studien über das Schicksal verschiede­ Frankfurt Harry Thomas und führte die Geschäfte des Museumsverban­ staltung der Ausstellungsräume im Museum ner Wild- und Haustiere führte. Neben zahl­ des über 25 Jahre mit großem Engagement leistete er wesentliche Arbeiten bei der Errich­ reichen Einzelstudien können als wesentliche Susanne Wartenberg und Herzblut. In seiner Freizeit organisierte tung des Keltendorfes in Hünfeld-Mackenzell. Früchte seiner Arbeit die 2006 und 2010 er­ er nicht nur Verbandstage, Fachtagungen, Ex­ Christian Aschenbrenner war Autor umfang­ schienenen Bände „Steinzeit“ und „Metall­ Seit dem 1. Januar 2014 ist Susanne Warten­ kursionen und Konservierungskurse, sondern reicher dokumentarischer Schriften zu archäo­ zeiten“ mit neuen, überraschenden Zugängen berg M. A. als wissenschaftliche Mitarbeiterin er kümmerte sich auch um die finanzielle För­ logischen Ausgrabungen in der Region. Für und Einsichten zur Archäologie des Frankfur­ am Museum Giersch in Frankfurt am Main derung der Museen und setzte sich für die sein außergewöhnliches ehrenamtliches En­ ter Raums betrachtet werden. Weitere Studien angestellt. 2012 bis 2013 absolvierte sie hier Schaffung von zwei weiteren Museumsberater­ gagement erwarb er sich hohe Anerkennung. zu Frankfurter Altfunden aus seiner Feder ste­ ihr wissenschaftliches Volontariat, während­ stellen in Kassel und Darmstadt ein. Im Rah­ Am 16. November 2011 verlieh ihm die Stadt hen vor der Veröffentlichung. dessen sie zuletzt die Ausstellung „Künstlerin men des Verbandstages 1983 wurde Harry Hünfeld den Kulturpreis der Stadt. sein! Ottilie W. Roederstein – Emy Roeder – Thomas das Bundesverdienstkreuz für seine Maria von Heider-Schweinitz“ kuratierte. langjährige ehrenamtliche Tätigkeit verlie­ Die gebürtige Dresdnerin studierte Kunst­ hen. Als 1986 seine Berufstätigkeit bei den Christine Karmann geschichte, Filmwissenschaft und Ostasiatische Kommu­nalen Versorgungskassen endete, wid­ Christoph Willms Kunstgeschichte an der Freien Universität in Christine Karmann mete er sich noch intensiver der Verbands­ Christine Karmann unterstützt seit November Berlin und an der University of Warwick, Eng­ arbeit. 1989 wurde Harry Thomas offiziell Ende Mai 2013 ist Dr. Christoph Willms in 2013 das Museum Giersch in Frankfurt am land, und schloss mit dem Grad des „Magister auch beim Museumsverband verabschiedet, den Ruhestand getreten. Seit 2001 leitete er Main im Bereich Presse und Marketing. Sie prä­ Artium“ ab. Bereits während ihres Studiums doch kam er bis zu seinem 80. Lebensjahr re­ die Prähistorische Abteilung des Archäologi­ sentiert die Sonderausstellungen des Museums war sie als freie Mitarbeiterin der Galerie Neue gelmäßig in die Geschäftsstelle, um seinem schen Museums Frankfurt mit großem Enga­ samt Begleitprogramm in den Print- und On­ Meister der Staatlichen Kunstsammlungen Nachfolger hilfreich zur Seite zu stehen. Den gement, akribischem Forscherdrang und breit linemedien sowie sozialen Netzwerken. Da­ Dresden tätig. Ihr Aufgabenbereich am Mu­ Kontakt zum HMV hielt er bis zu seinem Tod aufgestelltem Fachwissen. Er widmete sich der neben ist Christine Karmann als Assistentin seum Giersch umfasst die Unterstützung des Christian Aschenbrenner aufrecht. Der Hessische Museumsverband Neueinrichtung der Dauerausstellung, der Son­ der Geschäftsleitung für die Stiftung Giersch Museumsteams in allen Bereichen des Museums­ würdigt Harry Thomas’ Verdienste um die derausstellung „Der Keltenfürst aus Frankfurt. tätig. betriebs, insbesondere bei der Vorbereitung hessischen Museen und wird ihm ein ehren­ Macht und Totenkult um 700 v. Chr.“ (2002) In ihrem interdisziplinären Studium der Eu­ und Umsetzung der Wechselausstellungen des Andenken bewahren. und mit besonderem Interesse den Altbestän­ ropäischen Wirtschaft in Bamberg und St. Pe­ und begleitenden Kataloge. den des Frankfurter Museums. tersburg setzte sie sich intensiv mit interna­ Wilms studierte Vor- und Frühgeschichte, tionalem Management, sozialwissenschaftli­ Ethnologie und Volkskunde an der Westfäli­ chen Europastudien und Marketing auseinan­ schen Wilhelms-Universität in Münster und der. Zuletzt arbeitete sie als PR-Beraterin für Susanne Wartenberg

44 PERSONALIA PERSONALIA 45 Jutta Pauli keit als Staatssekretär im Hessischen Ministe­ MELDUNGEN rium des Innern und für Sport wurde er im Als Nachfolgerin von Sabine Kübler hat August 2010 Hessischer Minister für dieses Dr. Jutta Pauli am 1. Januar 2014 die Leitung Ressort, bis er Anfang 2014 vom Innenminis­ und frühgeschichtlichen Abteilung. Damit hat Fundzustand des Östlandeimers; des Rosenmuseums Steinfurth übernommen. terium in das Wissenschaft- und Kunstminis­ das Museum – neben dem jungbronzezeitli­ Foto: Heimat- und Geschichts- Die Trägerschaft des Museums ging zeitgleich terium wechselte. Hier obliegt Boris Rhein chen Kammhelm Typ Biebesheim und dem verein Biebesheim von der Kommune in die Hände des neuge­ nun die Aufsicht über die Hochschulen, For­ Biebesheimer Togatus, einer lebensgroßen gründeten Vereins Rosenmuseum Steinfurth schung und vielfältigen Kulturinstitutionen Marmorstatue aus römischer Zeit – ein wei­ e. V. über. Das Rosenmuseum ist Jutta Pauli in Hessen. teres Highlight. seit über zehn Jahren vertraut, hatte sie doch Öffnungszeiten: So 10 –12 Uhr. 2002/ 2003 die bis heute gezeigte Daueraus­ stellung „Rosige Zeiten“ konzipiert und ein­ Heimatmuseum Biebesheim gerichtet. Rheinstraße 44 Dr. Jutta Pauli Jutta Pauli studierte Archäologie und arbei­ 64584 Biebesheim am Rhein tet seit gut 16 Jahren freiberuflich als Kultur­ Tel.: (0 62 58) 8 15 99 wissenschaftlerin. Zum Beispiel war sie für die www.biebesheim.de in mehreren mitteleuropäischen Städten ge­ zeigte Europaratsausstellung „Europas Mitte Der Östlandeimer im restaurier- um 1000“ (2000–2002) als Projektleiterin tätig. ten Zustand; Foto: Heimat- und Sie entwickelte später neue Dauerausstellungen Geschichtsverein Biebesheim für das Museum Kirtorf, das Schlossmuseum Romrod, das Glasmuseum Hadamar und die Stadtmuseen in Groß-Gerau, Neu-Isenburg Eiförmiger Östlandeimer gefunden und Hofheim, darüber hinaus Ausstellungs­ konzepte für weitere Museen. Im Jahr 2011 fand Holger Buchhaupt bei Eine wichtige Aufgabe der neuen Leiterin Niedrigwasser des Rheins das Fragment eines des Rosenmuseums Steinfurth wird es sein, unbekannten Objektes aus Bronze, das er dem das Zusammenspiel von Rosenanbauern, Heimat- und Geschichtsverein Biebesheim e. V. ­Museumsbesuchern und Sponsoren zu or­ übergab. Da das Fragment zwei Löcher zur Be­ ganisieren. festigung beispielsweise eines Henkels auf­ weist, kam die Vermutung auf, es könne ein Eimer sein. Der Heimat- und Geschichtsver­ ein übergab das Fundstück mit entsprechen­ Boris Rhein dem Fundbericht an das Landesamt für Denk­ malpflege in Darmstadt. Dort erklärte Dr. Hol­ Seit dem 18. Januar 2014 ist Boris Rhein neuer ger Göldner, dass es sich bei dem Objekt um Hessischer Minister für Wissenschaft und Kunst. einen „eiförmigen Östlandeimer“ handelt. In 1972 in Frankfurt am Main geboren, studierte Dieburg konnte vor etwa vier Jahren ein grö­ Skulptur von Ernst Barlach als Dauerleihgabe er 1991 bis 1997 Rechtswissenschaften an der ßeres Exemplar dieser Art aus einem Brunnen Johann Wolfgang Goethe-Universität Frank­ geborgen werden. Die seltenen Östlandeimer Das Hessische Landesmuseum Darmstadt furt am Main. Seine Zulassung als Rechts­ wurden um 150 n. Chr. aus dem römischen freut sich über eine neue Dauerleihgabe aus anwalt erhielt er nach dem Zweiten juristi­ Reich importiert. südhessischem Privatbesitz: die Skulptur „Sin­ schen Staatsexamen im Jahr 2000. Von 1999 Der Heimat- und Geschichtsverein ließ das gender Mann“ von Ernst Barlach (1870–1938). Boris Rhein; Foto: Alexander bis 2006 war Boris Rhein Mitglied des Hessi­ Bronzefragment 2013 restaurieren und zeigt Seit 1912 im zeichnerischen Werk des Bild­ Kurz/Hessisches Ministerium für schen Landtags, anschließend bis 2009 Stadt­ den eiförmigen Östlandeimer nun im Heimat­ hauers vorbereitet, entstand 1928 das Gips­ Wissenschaft und Kunst rat in Frankfurt am Main. Nach seiner Tätig­ museum Biebesheim am Rhein in seiner vor- modell, von dem um 1930 Bronzegüsse her­

46 PERSONALIA MELDUNGEN 47 Neuerwerbung: Geboren wurde Wilhelm von Kaulbach im dem Schwarzen Baumwaran (Varanus beccarii) Porträt des Malers Wilhelm von Kaulbach Jahr 1804 in Bad Arolsen. Der Landschaft ab­ vergleichen. Der lange Greifschwanz in Kom­ gewandt, frontal und in strenger Haltung ist bination mit den stark gekrümmten Krallen an Das Museum Bad Arolsen konnte mit Unter­ der Begründer der berühmten Künstlerfamilie den Vorder- und Hinterextremitäten spricht stützung der Kulturstiftung der Länder, der auf Bendz’ Porträtbild ganz im Stil der bieder­ für eine baumgebundene Lebensweise. Der Hessischen Kulturstiftung, des Museumsver­ meierlichen Mode mit einem hohen schwarzen stark gepanzerte Schädel war wahrscheinlich eins und der „Hannelore und Heinz-Jürgen Hut mit breiter Krempe dargestellt. Der junge relativ unbeweglich, so dass die Tiere wohl Schäfer-Stiftung“ das 1832 entstandene „Bild­ Mann mit schmalem Gesicht und Schnurrbart keine flinken und effektiven Jäger waren, son­ nis des Münchner Malers Wilhelm von Kaul­ blickt eindringlich und ernst. Ein paar Jahre dern sich eher von Pflanzen und Insekten er­ bach“ erwerben, das der dänische Maler Wil­ später war Kaulbach bayrischer Hofmaler, nährt haben dürften. Dies stimmt mit den helm Bendz (1804–1832) von seinem Künstler­ ­reüssierte mit seinen monumentalen Welt­ bislang nachgewiesenen Inhalten des Magen- freund anfertigte. Bendz zählt zu den bedeuten­ geschichtsdarstellungen für das Neue Museum Darm-Traktes überein. den Vertretern des sogenannten „Goldenen zu Berlin und wurde schließlich 1849 Direk­ Die Präparation des Fundes war schwierig, Ernst Barlach: Singender Mann, Zeitalters“ in der dänischen Kunst des 19. Jahr­ tor der Münchner Kunstakademie. vor allem weil der Kopf- und ein Teil des Brust­ um 1930, Bronze, Dauerleihgabe hunderts. Die einfühlsame Darstellung, die bereiches noch vollständig vom Ölschiefer im HLMD; Foto: Wolfgang Fuhr- detaillierte Gestaltung der unterschiedlichen Museum Bad Arolsen bedeckt waren und in einer sehr dünnen Öl­ mannek Materialien sowie die raffinierte Lichtführung Schlossstraße 30 schieferplatte lagen. Diese musste sorgsam an­ beweisen die außerordentliche Begabung des 34454 Bad Arolsen gepasst und stabilisiert werden, bevor mit dem Großkopfechse (Ornatocephalus früh verstorbenen Künstlers. Den Bildhinter­ Tel.: (0 56 91) 62 57 34 Freilegen begonnen werden konnte. Nach der metzleri), Originalfund im Hessi- gestellt wurden. Die zukünftig in Darmstadt grund für das Porträt des Malerkollegen Kaul­ www.museum-bad-arolsen.de sorgsamen Retusche der Fehlstellen präsen­ sches Landesmuseum Darmstadt; ausgestellte Skulptur ist das dritte Exemplar bach ließ Bendz allerdings von seinem Maler­ tiert sich die Großkopfechse nun als beein­ Foto: Wolfgang Fuhrmannek, HLMD der ersten Auflage von zehn Güssen. Der freund Christian Morgenstern gestalten. druckendes Exponat. „Singende Mann“ steht in Barlachs Werk für die eher blockhafte, abstrahierende Formen­ Neue Großkopfechse in der sprache, die sich besonders in seiner architek­ Grube Messel entdeckt turgebundenen Plastik und seinen in der da­ maligen Öffentlichkeit stark umstrittenen Seit 1966 werden planmäßige Grabungen in Denkmälern für die Opfer des Krieges zeigt. dem UNESCO-Weltnaturerbe-Denkmal Grube Die Figuren zeigen nicht bestimmte Indivi­ Messel durchgeführt, bei denen auch heute duen, sondern vermitteln allgemeine seelische noch bedeutende Funde zu Tage kommen. So und existentielle Zustände des Menschen. Bar­ wurde 2012 von Philipp Müller, einem der Historische Reinigungsmittel aus lach wurde nach 1933 der „entarteten Kunst“ Grabungspraktikanten des Hessischen Lan­ dem Kolonialwarenladen im zugerechnet und erhielt ab 1937 Ausstellungs­ desmuseums Darmstadt, eine hervorragend Stadtmuseum Bad Soden am verbot. erhaltene Großkopfechse entdeckt. Derartige Taunus; Foto: Stadtmuseum Dank der neuen Dauerleihgabe kann zu­ Funde sind noch seltener als die berühmten Bad Soden am Taunus künftig zusammen mit den museumseigenen „Urvögel“ (Archaeopteryx). Der Neufund hat Skulpturen „Der Spaziergänger“ (1912) und eine Kopf-Schwanz-Länge von gut 91 cm und „Der Sänger“ (1931) ein eindrucksvolles Werk- ist bis auf die Schwanzspitze und die Finger Einkaufen wie zu Großmutters Zeiten Trio des Künstlers Ernst Barlach präsentiert der rechten Vorderextremität vollständig er­ werden. halten. Sogar der Hautschatten und kleinere Seit kurzem lädt im Stadtmuseum Bad Soden Reste des „Mageninhalts“ sind an manchen am Taunus ein Kaufmannsladen zum Schauen Hessisches Landesmuseum Darmstadt Stellen zu sehen. und Ausprobieren ein. Bei diesem komplett Friedensplatz 1 Großkopfechsen sind bislang nur aus der erhaltenen Kolonialwarenladen aus der Zeit 64283 Darmstadt Grube Messel bekannt. Unter den heutigen um 1910 handelt es sich um eine Dauerleih­ Tel.: (0 61 51) 16 57 03 Wilhelm Bendz: Bildnis des Münchner Malers Wilhelm von Formen kann man sie noch am ehesten mit gabe der Familie Nelson aus Neuenhain. Als www.hlmd.de Kaulbach, 1832; Foto: Museum Bad Arolsen dem Smaragdwaran (Varanus prasinus) oder Kolonialwaren bezeichnete man früher Lebens-

48 MELDUNGEN MELDUNGEN 49 Museumstipendium Die Online-Präsentation eröffnet vielfältige „Kulturelle Vielfalt und Migration“ Recherchemöglichkeiten, die den internatio­ nalen Standards von Forschern ebenso Rech­ Das Frankfurter Goethe-Haus will als Kultur­ nung trägt wie den Ansprüchen „surfender“ institution stärker von Menschen mit Migra­ Laien. Auf der neuen Website kann nach Archi­ tionshintergrund wahrgenommen werden. tekten, Projekten, Jahr, geografischem Bezug, Deshalb arbeitet seit dem 1. Januar 2014 im Materialien, Inventarnummern und der Be­ Freien Deutschen Hochstift eine Stipendiatin, zeichnung der Objekte gesucht werden. In die in den kommenden zwei Jahren Programme nächster Zukunft wird die Modellsammlung entwickeln wird, die Mitbürger aus anderen des DAM auch Bestandteil der Deutschen Di­ Kulturen dazu einladen, am kulturellen Leben gitalen Bibliothek und der webbasierten Platt­ der Stadt teilzuhaben und dieses aktiv mitzu­ form „Europeana“ werden, die der Allgemein­ gestalten. Das Stipendium „Kulturelle Vielfalt Dominikus Böhm: Modell der St. Kamillus Asthma-­ heit Zugang zum wissenschaftlichen und kul­ und Migration“ wurde – im Rahmen einer Krankenhaus-Kirche; Foto: Uwe Dettmar, © DAM turellen Erbe Deutschlands bzw. Europas bie­ Förderinitiative deutscher Stiftungen – an die und Dominikus Böhm ten. junge türkischstämmige Emek Sarigül verge­ ben. Die 31-jährige Hochschulabsolventin Deutsches Architekturmuseum studierte Germanistik und Kulturwissenschaf­ Architektur-Modelle online Schaumainkai 43 ten und wird zunächst in Zusammenarbeit 60596 Frankfurt am Main mit den Kuratoren und der Museumspädago­ Das Deutsche Architekturmuseum verfügt Tel.: (0 69) 2 12 - 38 84 4 Der neu eingerichtete Kolonial- gik des Hauses bereits in Arbeit befindliche über eine international angelegte Sammlung www.dam-online.de warenladen im Stadtmuseum Projekte weiterentwickeln und betreuen, im zur Architekturgeschichte überwiegend des http://archiv.dam-online.de Bad Soden am Taunus; Foto: und Genussmittel aus Übersee, insbesondere zweiten Jahr aber auch eigenständig ein Aus­ 20. Jahrhunderts, die abschnittsweise in Teil­ Stadtmuseum Bad Soden am Zucker, Kaffee, Tabak, Reis, Kakao, Gewürze stellungsprojekt erarbeiten und partizipative bereichen online zur Verfügung gestellt wer­ Taunus Oswald Mathias Ungers: und Tee. Dank großzügiger Spenden kann Programme entwickeln. den soll. Der komplette Bestand an 1.289 Ar­ Modell des Deutschen ­eine reiche Auswahl an „Originallebensmit­ Das Freie Deutsche Hochstift und das His­ chitekturmodellen ist bereits über die Website Architekturmuseums; teln“ aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhun­ torische Museum Frankfurt wurden als „Aus­ des Museums öffentlich zugänglich. Kurze Be­ Foto: DAM, © DAM und derts in dem Kolonialwarenladen gezeigt wer­ bildungsmuseen“ für das Projekt „Kulturelle schreibungen und Fotos ermöglichen nun, was Oswald Mathias Ungers den. Im Gegensatz zu den Kunden früherer Vielfalt und Migration“ in Frankfurt am Main bisher nur ausschnittweise in Ausstellungen Zeiten dürfen die Besucher auch hinter den ausgesucht. Beide Frankfurter Stipendien wer­ oder nach vorheriger Anmeldung im Archiv Verkaufstresen treten und neugierige Blicke den von der Stiftung Polytechnische Gesell­ möglich war: einen Rundgang durch den um­ in die vielen Schubladen werfen. schaft finanziert und dienen auch dazu, die fangreichen Modell-Fundus. Die großzügige Leihgabe wurde zum An­ Zahl qualifizierter Bewerber mit Migrations­ lass genommen, die Abteilung zum Stadtteil hintergrund für eine wissenschaftliche Lauf­ Neuenhain im Museum neu zu gestalten. An­ bahn in Museen zu erhöhen. hand farbiger bebildeter Tafeln wird die Ge­ schichte des einstigen Wein- und späteren Freies Deutsches Hochstift Obstdorfes Neuenhain nachgezeichnet, das Frankfurter Goethe-Museum seit 1977 ein Stadtteil von Bad Soden ist. Großer Hirschgraben 23 Neugestaltete Grimm-Abteilung 60311 Frankfurt am Main im Schloss Philippsruhe Stadtmuseum Bad Soden am Taunus Tel.: (0 69) 13 88 00 Badehaus im Alten Kurpark www.goethehaus-frankfurt.de Zum Grimm-Jubiläumsjahr 2013 würdigte Emek Sarigül, Stipendiatin des Königsteiner Straße 86 das Historische Museum Hanau das Lebens­ Projekts „Kulturelle Vielfalt und 65812 Bad Soden am Taunus werk der Brüder Jacob, Wilhelm und Ludwig Migration“ Tel.: (0 61 96) 2 08 - 41 4 Frei Otto: Modell eines Wohnhochhauses, Studie; Emil Grimm mit einer inhaltlich wie gestalte­ www.bad-soden.de Foto: Uwe Dettmar, © DAM und Frei Otto risch neu konzipierten Abteilung. Wandtexte,

50 MELDUNGEN MELDUNGEN 51 die mit historischen Fotos, Zitaten und Re­ ersten vier Bände des „Deutschen Wörter­ produktionen von Zeichnungen Ludwig Emil buchs“ ausgestellt. Ein weiteres herausragen­ Grimms illustriert sind, informieren über das des Exponat stellt die lederne Aktentasche Leben und Wirken der drei Brüder. von Jacob Grimm dar, die er 1815 nach Paris Im Vorraum der Ausstellung dreht sich zu­ zu Verhandlungen über geraubte Kunstgüter nächst alles um die 1812 erstmals erschiene­ aus Kassel mitgenommen haben soll. nen „Kinder- und Hausmärchen“, die ohne Im Mittelpunkt der erweiterten Präsenta­ die Beiträgerinnen (z. B. Marie Hassenpflug tion zu Ludwig Emil Grimm stehen dessen aus Hanau) und die Märchenillustrationen Zeichnungen, die aufgrund der Lichtempfind­ von Ludwig Emil Grimm nicht zu dem Werk lichkeit der Originale für die Besucher über der Weltliteratur geworden wären, als welches ein Terminal einsehbar sind. In Hanauer sie heute gefeiert werden. Sammlungen befinden sich rund 160 Zeich­ nungen und Aquarelle des Künstlers, von de­ nen eine wechselnde Auswahl digital präsen­ tiert wird. Daneben sind unter anderem ein Skizzenbuch aus dem Jahr 1805 und einige seiner Gemälde mit christlichen Themen zu sehen.

Historisches Museum Hanau Schloss Philippsruhe Startseite des Rotkäppchen-Levels Philippsruher Allee 45 innerhalb des Grimm-Spiels; 63454 Hanau-Kesselstadt ­Foto: Brüder Grimm-Haus und Tel.: (0 61 81) 2 95 - 56 4 Museum Steinau www.museen-hanau.de

den. Somit verbindet es Unterhaltung auch Haus und die Stadt Steinau zusammen mit mit touristischen Zielen. der Hochschule RheinMain noch Partner. „Serious Games“ rund um die Auf der in Steinau spielenden Rahmen­ Brüder Grimm in Steinau ebene entführt eine Hexe die kleine Charlotte Brüder Grimm-Haus und Museum Steinau Grimm. Um Charlotte zu befreien, muss in Brüder Grimm-Straße 80 Im Sommersemester 2013 wurde am Medien­ weiteren Spielebenen (Mini-Games) nach der 36396 Steinau an der Straße campus der Hochschule RheinMain in Wies­ nötigen Hilfe gesucht werden. Diese einzel­ Tel.: (0 66 63) 76 05 Blick in die neue Grimm-­ baden ein interdisziplinäres Projekt zur Ent­ nen Märchen-Level sind als Jump-and-Run- www.museum-steinau.de Abteilung; Foto: Städtische wicklung von Computerspielen durchgeführt. Games gestaltet. Es gilt, mit den Märchenhel­ ­Museen Hanau Im ersten Ausstellungsbereich werden der 23 Studierende unter Betreuung von Prof. Ulrike den einen am Inhalt des Märchens orientier­ Screenshot der Rotkäppchen- Entwurf für das Hanauer Nationaldenkmal von ten Weg zu meistern und dabei Gegenstände Spierling und Prof. Ralf Dörner entwickelten Spielsequenz; Foto: Syrius Eberle, zwei Porträtbüsten der Brüder zusammen mit dem Leiter des Brüder Grimm- einzusammeln. Weitere Hilfestellungen zur Brüder Grimm-Haus Jacob und Wilhelm Grimm (geschaffen von Hauses in Steinau an der Straße sowie einer Befreiung kann man beim Besuch der Stadt und Museum Steinau Carl Hassenpflug, dem ältesten Sohn von Lotte Butzbacher Multimedia-Agentur ein soge­ oder des Museums erhalten. Hier sind mobile Grimm und Ludwig Hassenpflug) sowie der nanntes „Serious Game“. Dieses soll nicht Endgeräte von Nutzen, mit denen man direkt Hausrock von Jacob Grimm aus dem Nachlass nur unterhalten, sondern auch Wissen über vor Ort spielen kann. der jüngsten Tochter Wilhelm Grimms präsen­ die Brüder Grimm und deren Werk auf spie­ Bisher konnte aus finanziellen Gründen tiert. Als wichtigste Werke der Brüder Grimm lerische Weise vermitteln. Es kann in vielfäl­ nur der Level zum Märchen „Rotkäppchen“ sind die „Deutsche Grammatik“ und die „Deut­ tiger Weise vor, während und nach dem Auf­ realisiert werden. Um das Spiel komplett um­ sche Mythologie“ von Jacob Grimm und die enthalt in der Stadt Steinau eingesetzt wer­ setzen zu können, suchen das Brüder Grimm-

52 MELDUNGEN MELDUNGEN 53 Staatsministerin Eva Kühne-Hörmann zog Dr. Rainer Hanemann, Kulturpolitischer Immer stärker greife die Kommunalaufsicht im Anschluss daran eine Bilanz der Leistungen Sprecher der SPD-Fraktion, verwies darauf, des Landes im Zuge der Genehmigungsverfah­ des Landes für die Weiterentwicklung der hes­ dass seine Partei mit Sorge die geringer wer­ ren für die Kommunalhaushalte in die Kom­ sischen Museumslandschaft und erinnerte an denden Handlungsspielräume der Kommunen petenzen der Kommunen ein und fordere eine die Millioneninvestitionen, die Hessen aktuell und die Infragestellung kultureller Angebote Zurückführung der Ausgaben im Bereich der zugunsten seiner Landesmuseen tätige. Bei infolge der Schutzschirmpolitik beobachte. sogenannten freiwilligen Leistungen. Dies be­ ­allen Anstrengungen zur Verbesserung der Mit zur Wahrheit gehöre, dass erst die Redu­ drohe schon jetzt an vielen Orten eine kultu­ Museumsarbeit in Hessen sei der Hessische zierung der Mittel für die Kommunen zur finan­ relle Substanz, die über Jahrzehnte mit mas­ Museumsverband mit seiner fachlichen Bera­ ziellen Schieflage vieler Städte und Gemeinden siver bürgerschaftlicher Unterstützung auf­ tung für das Land der entscheidende Partner. beigetragen habe. Ausdrücklich begrüßte er die gebaut worden sei. Museen könnten ihre Hessen habe seine Kulturausgaben nicht ge­ aktuelle Debatte um die Inklusion, die auch ­Aufgaben nur erfüllen, wenn sie öffentlich kürzt; wichtig sei aber, dass auch die Kom­ von den Museen geführt werden müsse. Auch zugänglich seien und in die Lage versetzt wer­ munen bereit seien, in Kultur zu investieren, Monika Lentz von Bündnis 90/Die Grünen hob den, Bildungsangebote zu entwickeln. Dies was die Attraktivität der Städte und Gemein­ hervor, dass Inklusion ein gesellschaftlich gelinge aber immer weniger, wenn Fachperso­ den sichere. hochaktuelles Thema sei, das die Museen als nal abgebaut, Öffnungszeiten reduziert und Für die FDP-Fraktion des Landtages würdigte­ wichtige außerschulische Lernorte berühre. Sammlungen vernachlässigt werden. Der Hes­ Leif Blum Museen als unverzichtbare Orte Ziel müsse es sein, die Bildungsangebote der sische Museumsverband setze sich deshalb mit ­außerschulischer kultureller Bildung, die in Museen für alle Bevölkerungsgruppen zugäng­ Vehemenz dafür ein, gemeinsam mit allen Der Tagungsort: der Lage seien, Inhalte anschaulich und wirk­ lich zu machen. Museumsträgern eine Perspektive zu sichern. Staatsministerin Eva Kühne-­ Der Kasseler Kulturbahnhof lichkeitsnah zu vermitteln. Für die Museen Als letzter Grußredner ging Karl-Christian An die Kommunen appelliert der Verbands­ Hörmann übermittelte die Gruß- bedeute dies jedoch, sich stärker als bisher für Schelzke, Geschäftsführender Direktor des Hes­ vorsitzende, sich nicht durch einen Träger­ worte im Namen der Landes­ attraktive museumspädagogische Konzepte zu sischen Städte- und Gemeindebundes noch ein­ schaftswechsel ihrer Verantwortung für die regierung Rückblick auf den Verbandstag öffnen. Sie müssten so ausgerichtet sein, dass mal direkt auf die drohenden Folgen der Schutz­ Vergangenheit zu entledigen. Der falsche Weg sie auch für Menschen mit Behinderung offen schirmpolitik des Landes für die kulturelle sei es, allein auf Events zu setzen und z. B. am 21. September 2013 sind. Infrastruktur in der Fläche ein. Kultur sei in die wissenschaftliche Erschließung der Samm­ in Kassel Deutschland wie Hessen seien gleicher­ Hessen eine von der Landesverfassung festge­ lungen sowie ihre konservatorische Betreu­ maßen verpflichtet in Museen als Teil des Bil­ schriebene Pflichtaufgabe. Durch die massiven ung zu vernachlässigen. Abschließend infor­ dungskapitals zu investieren, hob Alois Lenz Sparauflagen käme es schon jetzt zur Verlet­ mierte Dr. Wurzel über Gespräche mit dem Anlässlich ihrer 1100-Jahrfeier hatte die Stadt von der CDU-Fraktion hervor. Auch aus die­ zung des Verfassungsgebots, wonach Staat und Hessischen Kultusministerium bezüglich einer Kassel den Hessischen Museumsverband nach sem Grund müsse der Zugang zu den Museen Kommunen verpflichtet seien, kulturelle Werte künftigen Rahmenvereinbarung zur Verbesse­ Nordhessen eingeladen, um im Veranstaltungs­ und Sammlungen barrierefrei ermöglicht wer­ zu schützen. Die Infragestellung der Existenz rung der Zusammenarbeit von Museen und zentrum des ehemaligen Haupt- und jetzigen den. von Museen ignoriere ein Verfassungsgebot.­ Schulen. Die anwesenden Abgeordneten des Kulturbahnhofs den jährlichen Verbandstag Deshalb stehe der Hessische Städte- und Ge­ Hessischen Landtags bat er um Unterstützung auszurichten. Gut 120 Vertreter und Vertre­ meindebund auch als Partner an der Seite des dieser Bemühungen. Ebenso ließ er nicht un­ Zahlreiche Mitglieder und Gäste fanden sich zum Verbandstag ein terinnen von Museen, zahlreiche persönliche Museumsverbandes, wenn es um die Bewahrung erwähnt, dass auch der Verband selbst an einer Mitglieder und Gäste konnte Verbandsvorsit­ der gewachsenen Museumslandschaft gehe. Verbesserung seines öffentlichen Serviceauf­ zender Dr. Thomas Wurzel am Tagungsort Der Verbandsvorsitzende Dr. Thomas Wur­ tritts gearbeitet und eine Internetpräsenz er­ Verbandsvorsitzender Dr. Thomas ­begrüßen. zel dankte in seiner Ansprache allen Grußwort­ stellt habe, die dazu beitragen solle, mehr ak­ Wurzel bei seiner Ansprache Oberbürgermeister Hilgen überbrachte die rednern für die hohe Wertschätzung der Arbeit tuelle Informationen und Angebote an alle Grüße der Stadt Kassel und verwies auf die er­ des Hessischen Musemsverbandes und für de­ Interessierten weiterzugeben. heblichen Anstrengungen der Kommune bei ren Bekenntnis zur hessischen Museumsland­ Im Anschluss daran fand in offener Abstim­ der Stärkung des Museumsstandorts Kassel. schaft. Der HMV setze sich mit Nachdruck seit mung die Nachwahl von Oberbürgermeister Kunst und Kultur seien für die Zukunft der Jahren für eine Qualifizierung der Museums­ Hilgen in den Vorstand des Verbandes statt, Kommunen wichtig und bräuchten verlässli­ arbeit ein und könne dabei sichtbare Erfolge da Bürgermeister Baier als Vertreter der kom­ che Rahmenbedingungen, um ihre Wirkung vorweisen. Umso mehr sorge er sich um die munalen Spitzenverbände mit Eintritt in den zu entfalten. Zukunft der Museumslandschaft in der Fläche. Ruhestand zuvor ausgeschieden war.

54 VERBANDSMITTEILUNGEN VERBANDSMITTEILUNGEN 55 Nach einer gemeinsamen Mittagspause und schiedenen Präsentationsformen profitiere. Internationaler Museumstag Ist das Kultur regem Austausch untereinander stand das Allerdings ging sie auch auf einen möglichen Nachmittagsprogramm ganz im Zeichen der Ressourcenkonflikt ein. Bereite man sich auf am 18. Mai 2014 oder kann das weg? Fachvorträge zum Thema „Inklusion im Mu­ alle Eventualitäten vor, könne dies zu Platz­ Kulturgeschichtliche seum“. Bettina Scheeder, Geschäftsführerin problemen oder einer überladenen Präsenta­ des Museumsverbandes Rheinland-Pfalz und tion führen. Zumindest sollte aber jede Infor­ Unter dem Motto „Sammeln verbindet – Sammlungen sichten, Vorstandsmitglied des Deutschen Museums­ mation über zwei Sinneseindrücke wahrnehm­ ­Museum collections make connections“ rufen bundes (DMB) stellte im ersten Fachreferat bar sein. Wichtig sei es zuerst zu planen und ICOM, Deutscher Museumsbund und die Mu­ interpretieren, übersetzen den neuen Leitfaden des DMB zum Thema sich zu überlegen, wen man wirklich anspre­ seumsorganisationen der Länder die Museen Fachkonferenz am 5. Juli 2014 „Barrierefreiheit und Inklusion“ vor und nahm chen wolle. Ebenso müsse man das ganze am Sonntag, den 18. Mai 2014, zur Teilnahme Bezug auf die UN-Behindertenrechtskonven­ Museum und alle Mitarbeiter miteinbeziehen am 37. Internationalen Museumstag auf. Im ver­ in Marburg tion, die seit 2009 auch in Deutschland gül­ und auch den Mut zur Imperfektion haben. gangenen Jahr waren weltweit 30.000 Museen tig sei und Menschen mit Behinderungen das Dr. Karl Traugott Goldbach, Leiter des Spohr in über 20 Ländern beteiligt, mehr als 1.600 Neu im Vorstand des HMV Recht auf Bildung und wirkliche sowie gleich­ Museums Kassel, schloss den Reigen der Fach­ deutsche Museen öffneten mit 10.000 Aktio­ Der „Arbeitskreis von Wissenschaftlern an als Vertreter der kommunalen berechtigte Teilhabe in allen Bereichen garan­ vorträge und berichtete über seine Erfahrun­ nen ihre Türen für die Besucher. hessischen Museen“ organisiert in Koopera­ Spitzenverbände: Kassels Ober- tiere. Abschließend nannte sie konkrete Bei­ gen in der Zusammenarbeit mit dem Verein Das diesjährige Motto stellt die Aufgabe des tion mit der Hessischen Vereinigung für Volks­ bürgermeister Bertram Hilgen spiele für Maßnahmen, die eine Inklusion er­ „Mensch zuerst“ und über ein gemeinsames Sammelns in den Mittelpunkt, viele Museen kunde die diesjährige Fachkonferenz. Der pro­ möglichen könnten. Homepages könnten mit Schulungsprogramm, bei dem Betroffene selbst in Hessen widmen sich aber auch mit Ausstel­ vokante Titel der Tagung verweist darauf, dass Vorlesefunktion versehen werden, für Men­ Führungen in leichter Sprache anbieten. Ins­ lungen, Vorträgen und Lesungen dem Gedenk­ seit einigen Jahren in vielen Museen die kultur­ schen mit Lernschwierigkeiten gäbe es die gesamt sei seine Erfahrung, dass Angebote in jahr zum Ausbruch des Ersten Weltkrieges vor geschichtlichen Sammlungen nach und nach „Leichte Sprache“, die auf lange Sätze und leichter Sprache letztlich auch von Menschen 100 Jahren. Ein Beispiel ist die länderübergrei­ verschwinden. Nicht nur in Hessen haben komplizierte Fremdwörter verzichte. Bei Roll­ ohne Lernschwierigkeiten gut angenommen fende Wanderausstellung „Vergessene Gäste – sich die Landesmuseen und zahlreiche Stadt­ stuhlfahrern müsse man die Gestaltungsfor­ würden. Kurort im Krieg“ im Quellenmuseum in Bad museen von ihrer volkskundlichen Tradition men und verschiedene Präsentationshöhen Christina Reinsch, Tobias Paar Wildungen. Eröffnet wird sie im Rahmen der verabschiedet und die Alltagskultur ins Depot im Blick haben, für Gehörlöse gebe es Video­ landesweiten Auftaktveranstaltung zum Inter­ verbannt. Was waren die Auslöser dafür und guides mit Untertiteln oder Gebärdensprache, nationalen Museumstag in Hessen am Sonn­ sind die Begründungen nachvollziehbar? umgekehrt Audioguides für Sehbehinderte. tag, den 18. Mai um 11.30 Uhr. Nach einer theoretischen Auseinanderset­ Diese „pluralen Zugänge“ forderte auch Der nächste Verbandstag des HMV findet am Der Internationale Museumstag wird ge­ zung mit diesem Phänomen werden drei Bei­ Folker Metzger, Bildungsreferent der Klassik 27. September 2014 in Rüsselsheim statt. fördert von Stiftungen und Instituten der spiele aus der Praxis zeigen, dass es durchaus Stiftung Weimar und Mitglied im Bundesver­ Sparkassen-Finanzgruppe, in Hessen von der Alternativen zum „Wegräumen volkskund­ band Museumspädagogik, in seinem Beitrag. Sparkassen-Finanzgruppe Hessen-Thüringen. licher Objekte“ gibt. Neuinterpretationen al­ Er stellte die Frage, ob die Inklusion wirklich ter Bestände, der kreative Umgang mit histo­ für alle möglich sei und bezeichnete dies als rischen Vorlagen und gegenwartsbezogenes Auch dieses Jahr gibt es zum ein Ideal, dem man sich in der Praxis schritt­ Sammeln sind Beispiele für aktuelle Ausein­ Museumstag zahlreiche Angebote weise annähern müsse. Besucher müssten andersetzungen mit dem Thema „Alltagskultur für Kinder; Foto: Naturkunde- spüren, dass sie willkommen sind. Diese Ein­ im Museum“ und für die Neubewertung kul­ museum im Ottoneum Kassel stellung zum Bestandteil der Museumskultur turhistorischer Sammlungen. zu machen, sollte letztlich in kleinen Schrit­ Gastgeber der Fachkonferenz ist die Stadt ten erfolgen. Durch das Ansprechen verschie­ Marburg, die 2014 das Themenjahr „Museums­ dener Sinne würden auch andere Besucher aufbruch in Marburg“ ausgerufen hat und im profitieren. Anschluss an die Tagung Führungen durch Referentin Bettina Scheeder, Weitere Erfahrungen aus der Praxis zeigte die Marburger Museen anbietet. Tagungsort Mitglied im Vorstand des DMB, Petra Lutz, Ausstellungskuratorin aus Berlin, ist das Marburger Rathaus. bei ihrem Einführungsbeitrag in ihrem Referat zu barrierefreien Ausstellun­ Weitere Informationen erfolgen mit Pro­ zum Thema „Inklusion“ gen auf. Wie Metzger betonte sie, dass jeder grammzusendung und auf der Homepage des Fotos S. 54 bis 56: HMV von Dingen wie Lesbarkeit, Platz oder ver­ Museumsverbandes.

56 VERBANDSMITTEILUNGEN VERBANDSMITTEILUNGEN 57 Wenn Erwartungen heimer Technoseum geht die dort tätige Mu­ AUTORINNEN UND AUTOREN 46/2014 VORSTAND des Hessischen Museumsverbandes e. V. seumspädagogin Antje Kaysers näher ein. auf Besucher treffen Museumsleiter Markus Moehring informiert anschaulich über die Bildungs- und Vermitt­ Sabrina Beutler, Düdingen/Schweiz Vorsitzender: Annie Büncker, Weltkulturen Museum, Frankfurt am Main Dr. Thomas Wurzel, Frankfurt am Main Besucherorientierung im Zusammen- lungsarbeit am Beispiel „seines“ Dreiländer­ Onno Faller, Bioversum Kranichstein und Museum Jagd- spiel von Theorie und Praxis museums Lörrach. Der Vortrag von Denis schloss Kranichstein, Darmstadt Vertreter der Gruppe öffentlich zugänglicher Schäfer über die Organisation und Optimie­ Dr. Kornelia Grundmann, Emil-von-Behring-Bibliothek/­ nichtstaatlicher Museen: rung der Besucherorientierung im Museum Arbeitsstelle für Geschichte der Medizin, Prof. Dr. Albrecht Beutelspacher, Gießen Die Beiträge der Fachkonferenz 2013 liegen nun beschließt den Tagungsband. Philipps-Universität Marburg Dr. Markus Miller, Eichenzell als Band 16 in der Reihe Museumsverbands­ Die in der Publikation versammelten Bei­ Dr. Peter Lingens, Museum im Gotischen Haus, Reinhard Pfnorr, Nidda texte vor. Sie beschäftigen sich mit Fragen träge möchten dazu ermuntern, Erkenntnis­ Bad Homburg v. d. Höhe Gunnar Richter, Guxhagen wie: Warum gehen Menschen ins Museum? möglichkeiten und Instrumente der Besucher­ Dipl.-Biol. Mareike Munsch, Hessisches Landesmuseum Dr. Eva Scheid, Hofheim am Taunus Darmstadt Dr. Dieter Wolf, Butzbach Was erwarten sie, was nehmen sie dort wahr forschung kennen zu lernen, die zwar in ihrer Tobias Paar, Kassel und was nehmen sie von einem Museums­ ganzen Breite nicht für jeden einsetzbar sind, Anne Marie Rahn, Naturmuseum Senckenberg, Vertreter der Gruppe der staatlichen Museen: besuch mit? Lernen Besucher im Museum oder aber dennoch anregend für die Selbstreflexion Frankfurt am Main Prof. Dr. Bernd Küster, Kassel wollen sie überhaupt lernen? – Allesamt Dinge, der eigenen Arbeit sein können. Christina Reinsch M. A., Hessischer Museumsverband e.V., die das Grundverständnis von Museen berüh­ Kassel Vertreter der Gruppe der Kommunalen Spitzenverbände: ren und von elementarer Bedeutung für die Die Museumsverbandstexte 16 sind ab so­ Karl Sauerbier, Konrad-Zuse-Museum mit Stadt- Oberbürgermeister Bertram Hilgen, Kassel Museumsarbeit sind. fort über die Geschäftsstelle des Hessischen und Kreisgeschichte, Hünfeld Bettina Scheeder M. A., Museumsverband Rheinland-Pfalz/ Vorsitzende des Arbeitskreises Wissenschaftler an Antworten darauf zu finden, heißt auch Museumsverbandes, E-Mail: Vorstand Deutscher Museumsbund hessischen­ Museen: über die eigenen Vorstellungen nachzudenken, [email protected] Dr. Jens Scholten, Stadt- und Industriemuseum Dr. Birgit Kümmel, Bad Arolsen die wir als „Museumsmacher“ von den Besu­ oder online bestellbar. Es wird eine Schutz­ Rüsselsheim­ chern und ihren Erwartungen haben. Das gebühr von fünf Euro erhoben. Karin Stichnothe-Botschafter, Fachdienst Kultur ­jeweilige Besucherbild fließt ein in die Kon­ Stadt Marburg zeption und Umsetzung von Ausstellungen, aber auch in die tägliche Bildungs- und Ver­ mittlungsarbeit. Die letzte Fachkonferenz des Hessischen Museumsverbandes setzte hier an und beschäftigte sich mit den Museen und ihren Besuchern aus beiderlei Perspektiven. Die Vorträge führten zunächst in den Stand der Forschung ein, anschließend wurden Ein­ blicke in die praktische Bildungs- und Vermitt­ lungsarbeit sowie die Besucherorientierung gegeben. Im ersten Beitrag des neu erschienenen Bandes zieht der Sozialwissenschaftler Dr. Ulrich Paatsch ein persönliches Resumee der Tagung. Prof. Dr. Holger Höge, der sich in den letzten Jahren mit Besucherverhalten und der Evalu­ ation von Museen beschäftigte, berichtet über die Lust und Last des Lernens im Museum. Was Besucherinnen und Besucher wirklich wollen, erklärt Volker Schönert anhand seines Beitra­ ges über Besucherforschung im Museum. Auf die praktische Vermittlungsarbeit im Mann­

58 VERBANDSMITTEILUNGEN 59 IMPRESSUM

Herausgeber: Hessischer Museumsverband e. V., Kassel www.museumsverband-hessen.de

Redaktion: Christina Reinsch M. A. und Dr. Bettina von Andrian Redaktionsbeirat: Dr. Ulrike Adamek, Dr. Hanno Broo, Heike Heinzel M. A., Dr. Rolf Luhn, Dr. Dieter Wolf

Gestaltungskonzept, Satz und Layout: atelier grotesk, Kassel

Druck: Grafische Werkstatt von 1980 GmbH, 34123 Kassel

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ISSN 0932-0741

Anschrift der Redaktion: Hessischer Museumsverband Redaktion Mitteilungen Kölnische Straße 44– 46 34117 Kassel Tel.: (05 61) 78 89 - 46 93 5 Fax: (05 61) 78 89 - 46 82 6 [email protected]

Redaktionsschluss ist der 15. Januar bzw. der 15. Juli eines Jahres

Titelbild: Aus der Modellsammlung des Deutschen ­Architekturmuseums (vgl. Seite 51): Stefan Häfner, ­Zukunftsstadt, Modell 2; Foto: DAM und Stefan Häfner, Atelier Goldstein

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