Beschluss

Zulassungsantrag der ProSiebenSat.1 TV Deutschland GmbH für das Fernsehspartenprogramm „Mobile Live Entertainment“ (Arbeitstitel)

Az.: KEK 976

In der Rundfunkangelegenheit

der ProSiebenSat.1 TV Deutschland GmbH, vertreten durch die Geschäftsführer Wolfgang Link (Vorsitzender), Katja Hofem und Dennis Zentgraf, Medienallee 7, 85774 Unterföhring, - Antragstellerin -

w e g e n

Zulassung zur Veranstaltung des bundesweit empfangbaren Fernsehspartenprogramms „Mobile Live Entertainment“ (Arbeitstitel)

hat die Kommission zur Ermittlung der Konzentration im Medienbereich (KEK) auf Vorlage der Bayerischen Landeszentrale für neue Medien (BLM) vom 29.06.2018 in der Sitzung am 11.09.2018 unter Mitwirkung ihrer Mitglieder

Prof. Dr. Gounalakis (Vorsitzender), Prof. Dr. Althammer, Becker, Conradt, Prof. Dr. Mailänder, Prof. Dr. Müller-Terpitz, Sagurna, Wagner und Dr. Zimmer

entschieden:

Der von der ProSiebenSat.1 TV Deutschland GmbH mit Schreiben vom 19.06.2018 bei der Bayerischen Landeszentrale für neue Medien (BLM) beantragten Zulassung zur Veranstaltung des bundesweit empfangbaren Fernsehspartenprogramms „Mobile Live Entertainment“ (Arbeitstitel) stehen Gründe der Sicherung der Meinungsvielfalt im Fernsehen nicht entgegen.

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Begründung

I Sachverhalt

1 Zulassungsantrag

Die ProSiebenSat.1 Media SE („ProSiebenSat.1“) hat im Namen und im Auftrag ihrer Tochtergesellschaft ProSiebenSat.1 TV Deutschland GmbH mit Schreiben vom 19.06.2018 bei der BLM die Zulassung zur Veranstaltung des bundesweiten Fernsehspartenprogramms Mobile Live Entertainment für den längst möglichen Zeitraum beantragt. Die BLM hat der KEK den Antrag mit Schreiben vom 29.06.2018 zur medienkonzentrationsrechtlichen Prüfung vorgelegt.

2 Programmstruktur und -verbreitung

Unter dem Arbeitstitel Mobile Live Entertainment ist ein Unterhaltungsspartenprogramm geplant, das als Livestream täglich zu einer vorher kommunizierten Uhrzeit über das Internet verbreitet werden soll. Es handelt sich dabei um eine 15- bis 30-minütige Unterhaltungssendung mit Moderator und ggf. Gästen, mit denen die Nutzer in Interaktion treten können (z. B. in Form eines Live-Quiz). Das Programm soll aus Werbeerlösen finanziert werden. Das Programm soll über mobile Apps für die Betriebssysteme iOS und Android sowie Smart-TV-Apps in Deutschland, Österreich und der Schweiz verbreitet werden.

3 Antragstellerin und Beteiligte

ProSiebenSat.1 TV Deutschland GmbH

3.1.1 Gesellschaftszweck der ProSiebenSat.1 TV Deutschland GmbH ist die Veranstaltung und Verbreitung von Fernsehsendungen, der Erwerb, das Halten und die Verwaltung von Beteiligungen an Unternehmen, die im Bereich des deutschsprachigen, frei empfangbaren Fernsehens, insbesondere als Veranstalter von Fernsehsendungen, sowie im Bereich des deutschsprachigen Rundfunks tätig sind, die Verwaltung sonstigen eigenen Vermögens, die Beschaffung, Herstellung und Veräußerung von Film- und Fernsehproduktionen und der Erwerb und die Vergabe von Rechten aller Art sowie das Merchandising- und Multimedia-Geschäft XXX...

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3.1.2 Die ProSiebenSat.1 TV Deutschland GmbH veranstaltet die Fernsehvollprogramme ProSieben und sowie die Fernsehspartenprogramme , SAT.1 Gold, ProSieben MAXX und . Sie hält außerdem sämtliche Anteile an der Sat.1 SatellitenFernsehen GmbH, die auf Grundlage einer Lizenz der LMK das Programm SAT.1 veranstaltet. Für die Zeit ab dem 01.06.2013 hat die MA HSH der ProSiebenSat.1 TV Deutschland GmbH eine Lizenz zur Veranstaltung des Programms SAT.1 erteilt; diese Lizenzerteilung ist jedoch nicht bestandskräftig. Die Antragstellerin hält des Weiteren sämtliche Anteile der ProSiebenSat.1 Pay TV GmbH, die die Pay-TV- Programme ProSieben FUN, und SAT.1 emotions veranstaltet, sowie der wetter.com GmbH, der Veranstalterin des Fernsehspartenprogramms wetter.com TV (vgl. zu Letzterer Beschluss der KEK i. S. wetter.com TV vom 11.09.2018, Az.: KEK 971).

3.1.3 Sämtliche Anteile der Antragstellerin hält ProSiebenSat.1. ProSiebenSat.1. Zwischen ihnen besteht zudem ein Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag.

ProSiebenSat.1

3.2.1 ProSiebenSat.1 hält auch sämtliche Anteile der ProSieben Sat.1 Sports GmbH, die das Pay-TV-Programm ranFIGHTING veranstaltet, und über diese mittelbar 57,5 % der Anteile der DOSB New Media GmbH, der Veranstalterin des Sportspartenprogramms Sportdeutschland.TV. ProSiebenSat.1 ist zudem mittelbar in Höhe von 33 % an der adspree media GmbH beteiligt, die Online-Gaming-Portale betreibt und eine Rundfunklizenz für das Livestream-Angebot ProSieben Games hält.

3.2.2 ProSiebenSat.1 ist neben der RTL Group die größte private TV- Sendergruppe in Deutschland. Kerngeschäftsfeld ist das werbefinanzierte Fernsehen. Neben dem Bereich der Fernsehveranstaltung ist ProSiebenSat.1 u. a. in den Bereichen TV- Produktion (Red Arrow Entertainment Group), Online (Senderauftritte, Video-on-Demand-Portal Maxdome, Sender-Apps und senderübergreifende 7TV-App, Multi-Channel-Network Studio71, Foren, Communities, Spiele etc.), Vermarktung (SevenOne Media), Musiklabel (Starwatch Entertainment) sowie Venture & Commerce (über die 74,9%ige Beteiligung an der NuCom Group) tätig. Hinsichtlich der satzungsrechtlichen Bestimmungen und weiteren Medienaktivitäten wird auf den Beschluss der KEK i. S. ProSiebenSat.1 vom 05.12.2017, Az.: KEK 937, I 2.2.1 und 2.2.2, verwiesen.

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3.2.3 ProSiebenSat.1 hat mit Schreiben vom 16.08.2018 für ihre Tochtergesellschaften Beteiligungsveränderungen gegenüber den zuständigen Landesmedienanstalten – darunter auch die BLM – angezeigt. Das diesbezügliche Verfahren unter dem Aktenzeichen KEK 983 ist derzeit bei der KEK anhängig. Danach besteht bei ProSiebenSat.1 aktuell folgende Aktionärsstruktur:

Capital Group Companies, Inc.: 9,98 % BlackRock Inc.: 5,72 % Eigenbesitz: 1,70 % Streubesitz: 82,60 %.

Zu den genannten Aktionären und ihren weiteren Medienbeteiligungen vgl. Beschluss der KEK i. S. ProSiebenSat.1 vom 05.12.2017, Az.: KEK 937, I 2.3 und 2.4.

Die nachfolgende Grafik gibt eine Übersicht über die Beteiligungsverhältnisse:

Veranstalterbeteiligungen und zuzurechnende Programme der ProSiebenSat.1 Media SE im bundesweiten Fernsehen

Capital Group Companies, Inc. Streubesitz 100 82,60 von der Capital Research 9,98 and Management Company ProSiebenSat.1 Media SE 100 ProSiebenSat.1 Digital & verwaltete Fonds 1,70 % in Eigenbesitz Adjacent GmbH wetter.com GmbH 100 ProSieben Travel 100 BlackRock, Inc. 5,72 GmbH wetter.com TV

100 100 100 ProSiebenSat.1 Digital ProSiebenSat.1 GmbH Pay TV GmbH ProSiebenSat.1 TV ProSiebenSat.1 Sports 33,0 ProSieben FUN Deutschland GmbH GmbH gamigo AG Samarion SE ProSieben ran FIGHTING kabel eins CLASSICS 100 51,26 100 kabel eins SAT.1 emotions 57,5 ElbSpree Media Holding GmbH sixx DOSB New Media 100 GmbH SAT.1 Gold adspree media GmbH Sportdeutschland.TV Sat.1 Satelliten ProSieben MAXX Fernsehen GmbH ProSieben Games kabel eins Doku SAT.1 100 Deutscher Olympischer 27,5 weiteres Sportbund e.V. (DOSB) Spartenprogramm 15,0 GIP Media Productions GmbH

Programm, das der ProSiebenSat.1 Media SE zuzurechnen ist

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II Verfahren

Die Vollständigkeitserklärung der Veranstalterin liegt vor. Der BLM wurde Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben.

III Medienkonzentrationsrechtliche Beurteilung

1 Bestätigungsvorbehalt der KEK

Nach § 20 Abs. 1 Satz 1 RStV bedürfen private Rundfunkveranstalter einer Zulassung. Fragestellungen der Sicherung der Meinungsvielfalt werden von der KEK nach Vorlage durch die zuständige Landesmedienanstalt beurteilt, §§ 36 Abs. 4, 37 Abs. 1 RStV.

2 Zurechnung von Programmen

Das Programm Mobile Live Entertainment (Arbeitstitel) sowie die Programme ProSieben, kabel eins, sixx, SAT.1 Gold, ProSieben MAXX und kabel eins Doku sind der Antragstellerin als Veranstalterin und ProSiebenSat.1 gemäß § 28 Abs. 1 Satz 1 RStV zuzurechnen. ProSiebenSat.1 sind darüber hinaus als Konzernobergesellschaft die Programme SAT.1, SAT.1 emotions, ProSieben FUN, kabel eins CLASSICS, RanFIGHTING, Sportdeutschland.TV und wetter.com TV gemäß § 28 Abs. 1 Satz 2 RStV i. V. m. §§ 15, 16 AktG zuzurechnen. Diese Programme werden umgekehrt auch der Antragstellerin zugerechnet (arg. e §§ 28 Abs. 1 Satz 3, 29 Satz 2 RStV). Aktionären von ProSiebenSat.1 sind die Programme nicht nach § 28 RStV zuzurechnen.

3 Vorherrschende Meinungsmacht

Ein Unternehmen darf eine unbegrenzte Anzahl von bundesweiten Fernsehprogrammen veranstalten, sofern es dadurch keine vorherrschende Meinungsmacht erlangt (§ 26 Abs. 1 RStV).

Zuschaueranteile

Bei der Bestimmung des Zuschaueranteils des jeweiligen Programms sind gemäß § 27 RStV alle deutschsprachigen Programme des öffentlich- rechtlichen Rundfunks und des bundesweit empfangbaren privaten Rundfunks zu berücksichtigen. Die KEK legt bei der Ermittlung der Zuschaueranteile gemäß der Übergangsvorschrift des § 34 RStV vor allem die Daten der AGF Videoforschung zugrunde.

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Die ProSiebenSat.1 zuzurechnenden Programme erreichten in der Referenzperiode von Juni 2017 bis Mai 2018 einen Zuschaueranteil in Höhe von insgesamt 17,7 %.

Programme Zuschaueranteile in % Juni 2017 bis Mai 2018 SAT.1 6,4 SAT.1 Gold 1,6 ProSieben 4,4 ProSieben MAXX 0,7 sixx 0,7 kabel eins 3,5 kabel eins Doku 0,4 kabel eins CLASSICS 0,0 ProSieben FUN 0,0 SAT.1 emotions 0,0 wetter.com TV 0,0  ProSiebenSat.1 Media SE 17,7

Quelle: Schreiben der Antragstellerin vom 19.06.2018 (Anlage 3), dort angegebene Quelle: AGF in Zusammenarbeit mit GfK, TV Scope, Zuschauer ab drei Jahren

Der Abruf von linear sowie zeitversetzt angebotenen Programminhalten im Internet findet noch keine Berücksichtigung in den ausgewiesenen Zuschaueranteilen. In dem Verfahren i. S. ProSiebenSat.1, Beschluss der KEK vom 05.12.2017, Az.: KEK 937, hat ProSiebenSat.1 mitgeteilt, dass die Anzahl der Livestream-Aufrufe (Views) für die Sender SAT.1, ProSieben, kabel eins, kabel eins Doku, sixx, ProSieben MAXX und SAT.1 Gold sowie für das Web-TV-Programm Sportdeutschland.TV im Durchschnitt bei 470.000 Views pro Monat (9/2016 - 8/2017) lag. Für das Web-TV-Programm ranFIGHTING liegen keine Nutzungszahlen vor.

Die KEK geht davon aus, dass sich der Zuschaueranteil der ProSiebenSat.1 zuzurechnenden Programme derzeit auch bei Einbeziehung der linear und zeitversetzt angebotenen Inhalte im Internet nicht maßgeblich verändern würde, da sich der Gesamtmarkt dann um die Onlineangebote aller Sender, insbesondere der RTL- Gruppe und der öffentlich-rechtlichen Programme, sowie der reinen Web-TV-Sender vergrößern würde.

Berücksichtigung der Regional- und Drittfenster

3.2.1 Nach dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 29.01.2014, Az.: 6 C 2.13, sind bei der Prüfung nach § 26 RStV Bonuspunkte für Regional- und Drittfenster vorab von dem zurechenbaren Zuschaueranteil abzuziehen. Nach Feststellungen der KEK genügen die im Programm SAT.1 veranstalteten Regionalfensterprogramme in Hamburg und Schleswig-Holstein (Beschluss der KEK i. S. SAT.1 Norddeutschland vom 09.12.2014 und 14.04.2015, Az.: KEK 803-1 und -2), Bremen und

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Niedersachsen (Beschluss der KEK i. S. SAT.1 Norddeutschland vom 13.02.2018, Az.: KEK 952_954), Hessen (Beschluss der KEK i. S. TVIIIa vom 10.07.2018, Az.: KEK 966), Rheinland-Pfalz (Beschluss der KEK i. S. TVIIIa vom 08.04.2014, Az.: KEK 774) und Nordrhein-Westfalen (Beschluss der KEK i. S. WestCom vom 09.12.2014, Az.: KEK 799) gegenwärtig den Anforderungen des RStV. Hinsichtlich der Erfüllung der jeweiligen rundfunkstaatsvertraglichen Voraussetzungen wird auf die genannten Beschlüsse verwiesen. Bezüglich des Regionalfensters der Privatfernsehen in Bayern GmbH & Co. KG in Bayern konnte die KEK keine Prüfung vornehmen. Deren ursprünglich bis zum 31.12.2017 befristete Lizenz gilt mit Änderungsgesetz zum Bayerischen Mediengesetzes vom 20.12.2016 als unbefristet (Art. 26 Abs. 2 Satz 1 und 2 BayMG). Die BLM hat daher nur eine Zuweisungsentscheidung zu Gunsten der Veranstalterin für weitere acht Jahre getroffen. Eine Benehmensherstellung mit der KEK ist in diesem Zusammenhang nicht erfolgt.

3.2.2 Ob Bonuspunkte für die Regionalfenster anzurechnen sind, kann jedoch angesichts des in diesem Verfahren zugrunde zu legenden Zuschaueranteils von 17,7 % dahinstehen: Eine Prüfung der Vermutungstatbestände des § 26 Abs. 2 Satz 2 RStV entfällt, weil der dafür erforderliche Schwellenwert von 25 % Zuschaueranteil nicht erreicht wird. Da der Zuschaueranteil deutlich unter 20 % liegt, muss nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts auch eine Prüfung des Grundtatbestands des § 26 Abs. 1 RStV unterbleiben. Demnach ist auch die Frage, ob (weitere) Bonuspunkte für die Einräumung von Sendezeit für unabhängige Dritte im Sinne des § 26 Abs. 2 Satz 3 RStV auf den Zuschaueranteil anzurechnen sind, nicht entscheidungsrelevant.

Abschließende Feststellung

Nach dem dargelegten Sachverhalt gibt es keine Anhaltspunkte für die Entstehung vorherrschender Meinungsmacht. Der beantragten Zulassung des Programms Mobile Live Entertainment (Arbeitstitel) stehen Gründe der Sicherung der Meinungsvielfalt daher nicht entgegen.

Gounalakis Althammer Becker Conradt Mailänder Müller-Terpitz Sagurna Wagner Zimmer

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