<<

© F. Enke Verlag Stuttgart Zeitschrift Für Soziologie, Jg. 8, Heft 3, Juli 1979, S. 254 - 266

Eine Skala zur Messung der normativen Geschlechtsrollen-Orientierung (GRO-Skala)

Günter Krampen Fachbereich Erziehungs- und Kulturwissenschaften der Universität Erlangen-Nürnberg Lehrstuhl für Psychologie I Regensburger Straße 160, D-8500 Nürnberg

Zusammenfassung: Die deutschsprachige Version einer Skala zur Messung der normativen Geschlechts­ rollen-Orientierung (GRO-Skala) wird vorgelegt. Geschlechtsrollen-Orientierungen werden als die normativen Kon­ zeptionen eines Individuums über angemessenes Verhalten von Frauen und Männern definiert. Die Skafa wurde in ei­ ner Stichprobe von N = 151 Personen eingesetzt. Item-Charakteristika, Testhalbierungszuverlässigkeit und interne Konsistenz sprechen für die Tauglichkeit der Skala. Die GRO-Skala steht in Beziehungen zum Geschlecht, Alter und der Religionszugehörigkeit der Personen; Alkoholiker haben traditionellere Geschlechtsrollen-Orientierungen als sonstige Personen (differentielle Validität). Die Konstruktvalidität wurde konvergent und faktoriell abgesichert. Ge­ schlechtsrollen-Orientierungen stehen in Relation zu Faschismus, Rigidität, Konservatismus und externalen Kontroll- überzeugungen. Abschließend wird auf Anwendungsmöglichkeiten in der pädagogisch-psychologischen und sozial- psychologischen Forschung eingegangen.

1. Grundlagen der GRO-Skala Datenerhebung jedoch das Geschlecht der Unter­ suchungspersonen (Upn) nur als biologische Va­ In vielen soziologischen und sozialpsychologi­ riable erfaßt, so lassen eventuell auftauchende schen empirischen Untersuchungen wird das Ge­ geschlechtsspezifische Ergebnisse im Hinblick auf schlecht der untersuchten Personen beiläufig diese Theorien nur Spekulationen und Vermu­ miterhoben. Obwohl bis heute eine Theorie über tungen zu, die häufig in einem unbefriedigenden psychobiologische Variablen fehlt (vgl. hierzu Rahmen bleiben (vgl. etwa Terry J. Prociuk und Annette Degenhardt, 1978), führen die biologi­ Lawrence J. Breen, 1976). Aussagen über die schen Geschlechtsunterschiede und wohl auch Moderatorrolle des Geschlechts unter Bezug auf die allgemeinen theoretischen Ansätze zur Des­ die oben genannten theoretischen Ansätze wer­ kription und Explanation geschlechtstypischen den erst dann möglich, wenn zusätzlich die Ein­ Verhaltens zu diesem Vorgehen. Häufig gehen stellungen der Upn zur Geschlechtsrolle bekannt so implizit Hypothesen aus der Theorie der zuge­ sind. Operationalisierungsversuche in dieser Rich­ schriebenen Geschlechtsrolle von Talcott Parsons tung liegen mit den Maskulinitäts-/Feminitäts- und Robert F. Bales (1955) oder aus den unter­ Skalen (MF-Skalen) vor, in denen „Weiblichkeit“ schiedlichen lerntheoretischen Ansätzen zur Er­ und „Männlichkeit“ als Persönlichkeitszüge auf­ klärung der Sozialisation geschlechtstypischer gefaßt werden. Skalen dieser Art beinhalten etwa Verhaltensweisen (vgl. etwa , das Freiburger Persönlichkeitsinventar (FPI) von 1966; Walter Mischei, 1970) in die Untersuchun­ Jochen Fahrenberg und Herbert Selg (1970) und gen mit ein. All diesen Ansätzen ist die Bewer­ das Minnesota Multiphasic Personality Inventory tung von Geschlechtsrollen oder geschlechtstypi­ (MMPI) von S.R. Hathaway, J.C. McKinley & schem Verhalten inhärent: sowohl Geschlechts­ Otfried Spreen (1963). Anne Constantinople rollen-Erwartungen als auch Verstärkungen von wies schon 1973 daraufhin, daß diese MF-Ska­ geschlechtstypischen Verhaltensweisen und len Geschlechtsrollen-Präferenzen, Geschlechts­ selbstkategorisierende Konzeptbildungen, die als rollen-Übernahme und Geschlechtsrollen-Identi- Erklärungskonzepte zur Sozialisation in diesen Theorien herangezogen werden, beinhalten kul­ turelle Normen und Wertungen1. Wird bei der

1 Diese Wertungen geschlechtstypischer Verhaltens­ verhaltens fest, was er mit der Typik des „helden­ weisen schlagen sich u.a. auch in den Massenme­ haften Erforschens und Eroberns der widerständigen dien nieder, was unlängst Friedrich Bittmann (1977) Umwelt“ (p. 368) umschreibt. Frauen treten in Le­ exemplarisch für deutsche Lesebücher des 7. Schul­ sebuch-Geschichten vermehrt in untergeordneten jahres nachwies. Inhaltsanalytisch stellte er eine ins­ Berufen und sozialen Rollen auf, sind angepaßt, em­ gesamt positivere Darstellung des männüchen Rollen- pfindsam und introvertiert. G. Krampen: Eine Skala zur Messung der normativen Geschlechtsrollen-Orientierung 255 tat konfundieren2. Sie vernachlässigen überdies (1976) validierten die englischsprachige Version die sozialpsychologisch (siehe oben) wichtige Di­ primär diskriminativ: sie stellten u.a. fest, daß mension der präskriptiven und proskriptiven Frauen im allgemeinen nontraditioneller in der Normen (vgl. Ephraim H. Mizruchi & Robert normativen Geschlechtsrollen-Orientierung sind Perucci, 1962) für das Verhalten von Frauen als Männer, daß jüngere Personen nontraditionel­ und Männern und messen zudem partiell Ge­ ler sind als ältere, und daß Personen, die einer schlechtsrollen-Stereotype (vgl. Patricia Lunne- Religionsgemeinschaft angehören, traditioneller borg, 1970). Zur Messung der subjektiven Wahr­ sind als Personen ohne formale Religionszugehö­ nehmung von Geschlechtsrollen-Stereotypen ist rigkeit. Weiterhin ermittelten sie — allerdings etwa der spezielle Fragebogen von Robert C. recht global — Beziehungen zwischen Geschlechts­ Newman (1976) besser geeignet als die MF-Ska- rollen-Orientierungen und autoritärer Erziehungs­ len. Zur Analyse normativer Geschlechtsrollen­ einstellung, Ausbüdung und Arbeitsverhältnis der orientierungen entwickelten Donna Brogan & Mutter und den Karriere-Aspirationen von Studen­ Nancy G. Kutner (1976) die SRO-Skala (sex-role- ten. Die von Brogan & Kutner (1976) verwende­ orientation scale). Geschlechtsrollen-Orientierung te Stichprobe setzt sich vor allem aus jüngeren wird von ihnen als die „normativen Konzeptio­ Upn zusammen, wobei Studenten fast 70% der nen über angemessenes Verhalten von Frauen Gesamtstichprobe ausmachten. und Männern“ (Brogan & Kutner, 1976: 33; Übersetzung vom Autor) definiert. Mit der Ge­ Um Stichprobeneffekte weitgehend auszuschal­ schlechtsrollen-Orientierung werden also norma­ ten, wurde in der vorliegenden Untersuchung tive Einstellungsaspekte bezeichnet, die morali­ die GRO-Skala verschiedenartigen Subgruppen sche Wertungen darüber beinhalten, wie sich vorgelegt, die weitergehende differentielle Vali­ Männer und Frauen verhalten sollten und wie dierungsversuche erlauben3 und den weiten sie sein sollten. Im Gegensatz zu Geschlechtsrol­ Anwendungsbereich der GRO-Skala verdeutli­ len-Stereotypen (vgl. Newman, 1976), die die chen sollen. Neben der Untersuchung der diffe­ Wahrnehmung geschlechtstypischer Eigenschaf­ rentialpsychologischen Potenz der GRO-Skala ten und Verhaltensweisen bezeichnen, umfassen (Gruppenvergleiche) wird die konvergente und normative Geschlechtsrollen-Orientierungen die faktorielle Validität (Konstruktvalidität) der Einstellung über das, was für Frauen und Männer Skala untersucht. Zur konvergenten Validierung subjektiv als richtig angesehen wird. wurden Variablen ausgewählt, bei denen ein Be­ zug zur normativen Geschlechtsrollen-Orientie­ Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit der rung hypothetisch erwartet werden kann bzw. Adaptation der SRO-Skala von Brogan & Kutner bei denen eine Relation zur Geschlechtsrollen- (1976) in’s Deutsche und legt erste Ergebnisse Einstellung empirisch nachgewiesen ist (vgl. zur deutschsprachigen Version der Geschlechts- A.P. McDonald, 1974; Roger P. Greenberg & rollen-Orientierungs-Skala (GRO-Skala) vor. Ne­ Peter B. Zeldow, 1977). Neben allgemeinem ben der Analyse der Itemcharakteristika und der Konservatismus werden Faschismus, Machiavel­ Konsistenz der GRO-Skala soll vor allem ihre Va­ lismus, Rigidität und die Kontrollüberzeugungen lidität untersucht werden. Brogan & Kutner der Upn erfaßt. Die faktorielle Validierung rich­ tet sich an den bei der Skalenkonstruktion von Brogan & Kutner (1976) verwendeten Inhalts­ bereichen aus (siehe Abschnitt über Skalenkon­ 2 Geschlechtsrollen-Präferenz bezeichnet die ge­ struktion). schlechtstypischen Aktivitäten und Persönlichkeits­ merkmale, die ein Individuum vorzieht; Geschlechts­ rollen-Übernahme bezeichnet die manifesten ge­ schlechtstypischen Aktivitäten und Merkmale eines Individuums; Geschlechtsrollen-Idcntität als komple­ xere Variable bezeichnet die kognitiven und affek­ 3 So werden u.a. auch Alkoholiker untersucht, da es tiven Faktoren, die Selbstbewertung und die Bewer­ in der Literatur einige Hinweise gibt, die die Hypo­ tung anderer Personen in Bezug auf Männlichkeit these gestatten, daß Alkoholiker in Geschlechtsrol­ bzw. Weiblichkeit reflektieren. Die Ge schlecht srol- len-Orientierungen konservativer sind als Nicht-Al­ len-Identität hängt also stark von den Rollenstan­ koholiker (vgl. Frederick B. Parker, 1972; Harold A. dards der Person ab (Constantinople, 1973). Mulford, 1977). 256 Zeitschrift für Soziologie, Jg. 8, Heft 3, Juli 1979, S. 254 - 266

2. Methoden gen unabhängig vom konkreten Inhalt mit Zu­ stimmung zu reagieren, sind 20 Items traditio­ 2 1. Konstruktion der GRO-Skala nell und 16 nontraditionell formuliert. Die GRO- Skala wird mit folgender Instruktion vorgelegt: Bei der Skalenkonstruktion gingen Brogan & „Geben Sie bitte bei den folgenden Aussagen an, inwie­ Kutner (1976) von 53 Einstellungsitems im weit sie sich mit Ihrer persönlichen Meinung decken. Likert-Typ aus, die zum Teil aus bestehenden Tun Sie dies bitte, indem Sie jeweils den entsprechen­ Geschlechtsrollen-Fragebogen ausgewählt und den Zahlenwert für ,sehr falsch4, ,falsch4, ,eher falsch4, umformuliert, zum Teil neu formuliert wur­ ,eher richtig4, »richtig4, oder ,sehr richtig4 ankreuzen.44 den. Basis dieser Item-Sammlung waren folgen­ Die Upn sollen also alle Itmes an Hand von 6- de sechs Inhaltsbereiche: stufigen Lickert-Skalen beurteilen. Die Auswer­ (1) Einstellungen gegenüber der traditionellen tung der Antworten geschieht durch einfache geschlechtsspezifischen Arbeitsteilung in Punktvergabe (pro Item 1 bis 6 Punkte). Im in der Ehe; Gegensatz zu Brogan & Kutner (1976) werden (2) Einstellungen gegenüber der traditionellen für traditionelle Antworten hohe Punktzahlen geschlechtsspezifischen Machtstruktur in vergeben und für nontraditionelle Antworten Familie, Politik und Arbeitswelt; niedrige. Diese Umpolung geschah, weil die mei­ (3) Einstellungen gegenüber traditionellen und sten deutschsprachigen Fragebogen in Richtung nontraditionellen beruflichen Beschäfti­ auf hohen Konservatismus, hohen Faschismus gungen von Frauen und Männern; etc. gepolt sind. Der Gesamtskalenwert einer Per­ (4) Einstellungen gegenüber traditionellem und son ist die Summe der Punktwerte in den 36 nontraditionellem politischen Status von Items; er variiert von 36 (extrem nontraditionell) Frauen; bis 216 (extrem traditionelle normative Ge­ (5) Einstellungen gegenüber angemessener ge­ schlechtsrollen-Orientierung). Die gesamte Item­ schlechtsspezifischer Sozialisation von Jun­ liste (mit den zugehörigen Polungen) ist in Ta­ gen und Mädchen; belle 1 aufgeführt. (6) Einstellungen zu bestehenden Stereotypen über angemessenes Geschlechtsrollen-Ver­ halten, die in (1) bis (5) nicht enthalten 2 2 Parallel eingesetzte Fragebogen sind (etwa Kleidung, Moral). Allgemeiner Konservatismus wurde mit dem Zu betonen ist, daß diese sechs Punkte als In­ MK3 von Bernhard Cloetta (1974) gemessen, ei­ haltsbereiche Hilfen bei der Formulierung der nem Kurzfragebogen, der neben Konservatismus Items waren, und nicht als Subskalen der GRO- auch Machiavellismus erfaßt. Skala angelegt sind. Alle Items wurden präskrip- Cloetta (1974: 2) kennzeichnet den Untertest Kon­ tiv („Frauen sollten . . . “) oder proskriptiv servatismus folgendermaßen: „Wird ein konservatives („Frauen sollten nicht . . . “) formuliert. Diese Menschenbild vertreten, das durch den Glauben an die Notwendigkeit von Hierarchie und Autorität, die Un­ 53 Items wurden von Brogan & Kutner (1976) veränderlichkeit der bösen menschlichen Natur und 298 Personen (70% Studenten) zur Beantwor­ Mißtrauen gegenüber der Vernunft gekennzeichnet ist, tung vorgelegt. Durch eine nachfolgende Item­ oder lehnt man im Gegenteil unnötigen Zwang ab, be­ analyse wurden 17 Items eliminiert. Kriterien tont die Vernünftigkeit des Menschen und übt Kritik an der bestehenden Gesellschaftsordnung.44 Machiavel­ dabei waren die Item-Skalen Korrelation (qt > lismus wird durch manipulative Tendenzen, einen „re­ L50I) und die Eindeutigkeit der Itemformulie* lativen Gefühlsmangel in zwischenmenschlichen Bezie­ rung. Soweit zum Vorgehen von Brogan & Kut­ hungen, eine geringe Beachtung gängiger Moralvorstel­ lungen und geringe ideologische Bindung“ (Cloetta, ner (1976). 1974: 3) beschrieben. Die Liste der 36 Items wurde vom Autor in’s Faschismus wurde mit der von Jürgen Doebert, Deutsche übersetzt. Die Übersetzung wurde von Burkhard Stahl & Oslind Vogl (1973) vorgeleg­ 10 Personen (Deutschen) auf Verständlichkeit ten Version der F-Skala von Theodor W. Adorno und Eindeutigkeit in den Aussagen überprüft. et al. (1968) gemessen. Als Sicherung gegen „acquiescence response sets“ (vgl. Detlef Oesterreich, 1974), also der mehr Behaviorale Rigidität wurde durch eine deutsch­ oder weniger starken Tendenz der Upn, auf Fra­ sprachige Version des im Test for Behavioral G. Krampen: Eine Skala zur Messung der normativen Geschlechtsrollen-Orientierung 257

Rigidity von K. Warner Schaie (1960) enthalte­ 3. Ergebnisse nen Fragebogen erhoben, (vgl. Günter Krampen, 1977). Rigidität wird hier als Unfähigkeit, neue Da Durchführungs- und Auswertungsobjektivität und ungewohnte interpersonale Situationen bei den verwendeten Fragebogen gewährleistet wahrzunehmen und sich auf sie einzustellen, de­ sind, wird zunächst auf die Itemcharakteristika finiert. Gemessen wird also die Fähigkeit eines und die Reliabilität der GRO-Skala eingegangen, Individuums, pragmatische, zwischenmenschliche dann auf die verschiedenen Ansätze zu ihrer Va­ Probleme zu handhaben. lidierung4.

Die Kontrollüberzeugung der Upn wurde durch die IPC-Skalen von Hanna Levenson (1972; 3.1. Itemcharakteristika und Reliabilität der Krampen, 1979) erfaßt, die eine Weiterentwick­ GRO-Skala lung des eindimensionalen Fragebogens für ex- ternale versus internale Kontrollüberzeugungen In Tabelle 1 sind in den Spalten 2 und 3 die von Julien B. Rotter (1966; vgl. auch Jörn Os­ Schwierigkeitensindizes (pj) und die part-whole selmann, 1976) sind. Die IPC-Skalen messen das korrigierten Trennschärfekoeffizienten (qt-i; sie­ Ausmaß, in dem Personen Verstärker und Ereig­ he Gustav A. Lienert, 19693) für die 36 Items nisse als Konsequenz eigenen Verhaltens (I-Ska- der GRO-Skala aufgeführt. la), als durch mächtige andere Personen kon­ trolliert (P-Skala), oder als zufallsabhängig (C- Die Schwierigkeitsindizes der Items sprechen für Skala) wahrnehmen und interpretieren. Die I- die Brauchbarkeit der GRO-Skala; sie variieren Skala erfaßt also internale Kontrollüberzeugun- von pi = .34 bis pi = .62. Das von Brogan & gen/Verstärkungserwartungen, die Skalen P und Kutner (1976) bei der Itemanalyse mehr oder C verschiedenartige Aspekte externaler Kontroll- weniger willkürlich gesetzte Kriterium von qt-i überzeugungen/Verstärkungserwartungen. - /. 50/ für die Trennschärfekoeffizienten errei­ chen jedoch hier nur 22 der 36 Items. Es wurde daher die Signifikanz aller Trennschärfekoeffi­ 2.3. Un tersuchu ngspersonen zienten nach dem von Lienert (19693: 100) dargestellten Verfahren geprüft. Nur die Trenn- Die GRO-Skala wurde zusammen mit MK3, F- schärfekoeffizienten der Items 15 (t = 1,4699) Skala, Rigiditätsfragebogen und IPC-Skalen ins­ und 23 (t = 1,6593) erreichen nicht die Signi­ gesamt 151 Upn zur Beantwortung vorgelegt. fikanzgrenze für ot = .05; die Trennschärfekoeffi­ Diese Gesamtstichprobe besteht aus 3 Substich­ zienten der Items 2 (t = 2,5377), 10 (t = 2,1473) proben: Ni = 50 Alkoholiker, N2 = 45 männ­ und 35 (t = 2,3346) sind bei a < .05 signifikant, liche, junge Strafgefangene, N3 = 56 „sonstige“ alle anderen bei a < .01. Die Items 15 und 23 Personen. Die Alkoholiker waren Personen, die wurden trotzdem in die weiteren Analysen ein­ sich am Anfang einer stationären Entziehungs­ bezogen, da es sich hier um die erste Erprobung kur befanden; das durchschnittliche Alter dieser der GRO-Skala handelt, und da ihre Schwierig­ Stichprobe betrug Xi = 39,14 Jahre (si = 1 1 ,2 1 ; keitsindizes im Mittelbereich liegen und die Niw = 16 Frauen, Nim = 34 Männer). Die Grup­ pe der männlichen Strafgefangenen war im 4 Alle Berechnungen wurden auf dem Rechner TR Durchschnitt x 2 = 20,4 Jahre (s2 = 1,51) alt; 440 des Hochschulrechenzentrums der Universität die Fragebogen wurden in der Strafanstalt bear­ Erlangen-Nürnberg durchgeführt. Neben eigens er­ beitet. Das durchschnittliche Alter der „sonsti­ stellten Fortran IV-Programmen wurden die folgen­ gen“ Upn betrug X3 = 36,2 Jahre (S3 = 15,35; den Programme verwendet: Für die Itemanalyse bearbeitete Versionen von Programmen von Herrn N3w = 16 Frauen, N3m = 40 Männer); es handelte Dipl.-Math. Heinrich Zacher und Herrn stud, psych. sich um eine heterogene Stichprobe, die sich aus Gerhard Hoffmann (Universität Trier), für die mul­ 31 Teilnehmern eines Kurses der Erwachsenen­ tiple Regression eine von Herrn Dipl.-Psych. Hans bildung, 11 Studenten und 14 Patienten auf ei­ Sittauer adaptierte Version des Programms Multr ner Station für innere Medizin zusammensetzte. von William W. Colley & Paul R. Lohnes (1971), für die Faktorenanalyse das Programms PAFA von P. Schnell & F. Gebhardt (1975) und für die Mittel­ Die Fragebogen wurden zusammengeheftet und wert svergleiche das Programm PAMV von F. Geb­ von den Personen anonym bearbeitet. hardt (1975). 258 Zeitschrift für Soziologie, Jg. 8, Heft 3, Juli 1979, S. 256 - 266

TABELLE 1: Schwierigkeitsindizes (pj), Trennschärfekoeffizienten (r^.j) und Fak­ torladungen der Items der GRO-Skala (N = 151) Faktor Item Pi rit_i I II III IV

1. Es ist für eine Frau wichtiger, den Ehemann bei seiner Karriere zu unterstützen, als selbst Karriere zu machen. .49 .50 .55 .03 .15 -.1 9

2. Die Idee, daß junge Frauen und Mädchen in der Fußball-Bundes­ liga spielen, ist einfach lächerlich. .44 .26 .16 .06 .46 -.1 9

3. * Der Anteil an Zeit und Energie, den jemand seiner Karriere einer­ seits und der Familie anderer­ seits zukommenläßt, sollte von den persönlichen Wünschen und Interessen und nicht von dem Geschlecht der Person bestimmt werden. .62 -.36 -.23 -.46 .08 -.0 2

4. Es ist für eine Frau wichtiger, eine gute Figur zu haben und gut gekleidet zu sein, als für einen Mann. .57 .35 .47 -.0 4 .08 -.1 8

5. Der alte Ausspruch „die Frau gehört in’s Haus und zur Fa­ milie“ ist im Grund richtig, und es sollte auch so bleiben. .50 .56 .72 .16 .12 -.0 8

6. Eine Frau sollte gegenüber Männern nicht zu strebsam sein. .52 .55 .58 .20 .01 -.0 4

7. Eine Frau, die in der Öffentlich­ keit arbeitet (z.B. eine Verkäuferin), sollte nicht mehr arbeiten, wenn zu sehen ist, daß sie schwanger ist. .54 .59 .59 .12 .02 -.1 8

8. Der Mann sollte in einer Familie für alle größeren Entscheidungen verantwortlich und zuständig sein. .54 .63 .70 .33 .10 .03

9. In einer Gruppe mit weiblichen und männlichen Mitgliedern soll­ te ein Mann die Führungsposition innehaben. .49 .61 .70 .23 .15 -.1 4

10. Verheiratete Flauen, die Kinder im Schulalter haben, sollten nicht arbeiten, es sei denn, es ist für die Familie finanziell unbedingt notwendig. .44 .22 .50 -.4 6 .41 .11

11. Wenn sich ein gut qualifizierter Mann und eine etwas besser qua­ lifizierte Frau um eine Arbeitsstelle bewerben, so sollte der Mann die Stelle erhalten, da er eine Familie ernähren muß. .48 .54 .67 -.0 2 .32 -.0 4 G. Krampen: Eine Skala zur Messung der normativen Geschlechtsrollen-Orientierung 259

Fortsetzung TABELLE 1 Faktor

Item Pi rit-i I II III IV

12.* Die Ehe ist eine Partnerschaft, in der Frau und Mann gleicher­ maßen für die Finanzen verant­ wortlich sein sollten. .41 -.37 -.09 -.43 -.18 .10

13.Eine Frau sollte lieber auf ihre Karriere verzichten als darauf bestehen, daß ihr Mann wegen einem für sie notwendigen Orts­ wechsel eine neue Arbeitsstelle suchen muß. .50 .55 .69 -.05 .12 -.19

140* Eine verheiratete Frau, die lieber im Beruf weiterkommen möchte, und keine Kinder haben will, sollte deswegen kein schlech­ tes Gewissen haben. .34 -.41 -.0 4 -.3 2 -.51 .22

15.Verheiratete Frauen, die Kinder im Vorschulalter haben, sollten nicht arbeiten, es sei denn, daß es Für die Familie finanziell not­ wendig ist. .52 .15 .43 -.4 8 .28 .02

16.Im allgemeinen ist es besser, wenn ein Mann der Leiter einer Abteilung ist, in der Frauen und Männer arbeiten. .47 .60 .64 .08 .33 -.0 8

17.* Ein Mann sollte kein schlechtes Gewissen haben, wenn seine Frau mehr verdient als er. .42 -.3 8 -.1 3 -.57 -.27 .15

18.* Es ist gut, wenn Frauen lokal­ politische Ämter innehaben. .48 -.45 -.11 -.27 -.4 9 .32

19.Wenn sich ein Student und eine Studentin um ein Stipendium bewerben, so sollte es der Stu­ dent erhalten, da er größere be­ rufliche Chancen hat. .42 .52 .46 .18 .57 .18

20.* Wenn eine Frau eine obszöne Sprache gebraucht, so ist das nicht anstößiger, als wenn ein Mann dies tut. .45 -.3 6 -.05 .07 -.39 .27

21.* Auch Jungen sollten mit Puppen spielen. .44 -.57 -.3 3 -.3 3 -.12 .56

22.Man sollte Mädchen raten, einen weiblichen Beruf wie Kranken­ schwester, Schneiderin oder Grund­ schullehrerin zu wählen. .58 .51 .41 .10 .51 .05

23.* Frauen sollten alle athletischen Sportarten betreiben. .44 -.17 .04 .01 -.1 8 .37

24.* Eltern sollten bei Töchtern ebenso wie bei Söhnen unabhän­ giges und selbständiges Verhalten ermuntern und fördern. .52 -.51 -.1 3 -.7 0 -.0 8 .01 260 Zeitschrift für Soziologie, Jg. 8, Heft 3, Juli 1979, S. 256 - 266

Fortsetzung TABELLE 1 Faktor

Item Pi rit-i I II III IV 25.* Frauen sollten auch traditionell männliche Berufe wie Maurer oder Pilot ergreifen. .53 -.63 -.4 8 -.26 -.27 .37

26.* Wenn eine Fraue ihren Mädchen­ namen nach der Hochzeit behalten will, so ist nichts dagegen einzuwen­ den. .38 -.4 9 -.2 2 -.58 -.37 .06

27.* Es wäre nichts dagegen zu sagen, wenn einmal eine Frau Bundeskanzler würde. .62 -.65 -.31 -.58 -.4 2 .22

28.Die berufliche Ausbildung von Jungen sollte für die Eltern und die Lehrer wichtiger sein als die von Mädchen. .41 .59 .63 .37 .09 .06

29. Auch wenn eine Frau arbeitet, sollte der Mann der „Haupt- Brotverdiener“ sein, und die Frau sollte die Verantwortung für den Haushalt tragen. .44 .62 .75 .20 .11 .00

30. In der Grundschule sollten Mädchen Kleider und keine langen Hosen tragen. .39 .58 .57 .24 .13 .05

31.* Wenn eine Frau Pfarrer oder Priester wird, so ist nichts dagegen einzuwenden. .37 -.5 2 -.2 2 -.43 -.55 -.0 2

32.* Frauen sollten vermehrt wichtige landes- und bundes­ politische Ämter innehaben. .51 -.4 8 -.21 -.3 2 -.3 8 .41

33.Es ist nicht gut, wenn ein Mann zu Hause bleibt und die Kinder versorgt, und seine Frau arbeitet. .43 .56 .64 .06 .11 -.4 3

34.Der einzige Grund, warum Mädchen einen Beruf erlernen sollten, besteht darin, daß sie evtl, nicht heiraten oder ge­ schieden werden können. .46 .50 .52 .09 .16 .20

35.* Es gibt keine richtige Be­ gründung dafür, daß Männer im vollen Bus ihren Sitzplatz einer Frau anbieten sollten. .58 -.2 4 -.0 6 -.06 .02 .70

36.* Männer sollten ruhig auch Berufe ergreifen, die traditionell Frauen Vorbehalten sind (z.B. Kindergärtner, Telefon-Vermitt­ ler). .61 -.5 3 -.2 0 -.47 -.1 5 .45

* Diese Items sind in nontraditionaler Weise formuliert, müssen also bei der Aus­ wertung umgepolt werden. G. Krampen: Eine Skala zur Messung der normativen Geschlechtsrollen-Orientierung 261

Vorzeichen der Trennschärfekoeffizienten mit denen Subgruppen der Gesamtstichprobe wer­ den Itemformulierungen übereinstimmen5. Die den dazu an Hand der Mittelwerte im GRO-Ge- Vorzeichen der Trennschärfekoeffizienten aller samtwert durch einfache Varianzanalysen und Items entsprechen der Richtung der Itemfor­ t-Tests für unabhängige Stichproben verglichen. mulierungen, d.h., es treten 20 positive und 16 Im Anschluß daran wird auf die Konstruktvali­ negative Vorzeichen auf (siehe Tabelle 1). dität im eigentlichen Sinne (konvergente und faktorielle Validität) der GRO-Skala eingegangen; Die Testhalbierungszuverlässigkeit der GRO-Ska- in diesen Analysen wird die Gesamtstichprobe la wurde nach Spearman-Brown ermittelt (vgl. von N = 151 verwendet. Lienert, 19693). Es wurde die odd-even Metho­ de zur Bildung der Subskalen verwendet, wobei durch die Itemanordnung zu jeder Subskala 10 3.2.1. Differentielle Validität traditionell und 8 nontraditionell formulierte Items gehören. Der Koeffizient für die Testhal­ In der Gesamtstichprobe liegt der Testmittelwert bierungszuverlässigkeit beträgt rtt = .92. in der GRO-Skala bei x j = 104,54. Die Stan­ dardabweichung beträgt s j = 29,46. Die Mittel­ Die interne Konsistenz der GRO-Skala wurde an werte und Standardabweichungen für verschiede­ Hand von Formula 8 nach Kuder-Richardson ne Subgruppen sind in Tabelle 2 aufgeführt. Ein­ (vgl. Lienert, 19693) und der part-whole Korrek­ faktorielle Varianzanalysen und t-Tests für un­ tur berechnet. Sie beträgt für die GRO-Skala abhängige Stichproben6 ergaben die folgenden rtt ~ .99. Dadurch, daß zwei Items der GRO- Ergebnisse zu Subgruppenunterschieden: Skala inhaltlich sehr ähnlich sind, ist eine wei (1) Der Vergleich der Stichprobe der Alkoho­ tere, spezifischere Überprüfung der Antwortkon­ liker, der Strafgefangenen und der sonstigen sistenz der Upn möglich. Item 10 („Verheirate­ Upn ergab einen varianzanalytischen Wert von te Frauen, die Kinder im Schulalter haben, soll­ F248 = 7,840 (p < .01). Alkoholiker sind in den ten nicht arbeiten, es sei denn, es ist für die Fa­ normativen Geschlechtsrollen-Orientierungen tra­ milie finanziell unbedingt notwendig“) korreliert ditioneller als Nicht-Alkoholiker (tio* = 3,679; mit Item 15 („Verheiratete Frauen, die Kinder p < .001) und als die männlichen Strafgefange­ im Vorschulalter haben, sollten nicht arbeiten, es nen (t93 = 3,517; p < .01); Strafgefangene unter­ sei denn, daß es für die Familie finanziell not­ scheiden sich im GRO-Wert nicht signifikant wendig ist“) zu r = .70 (p < .001). Die Reaktio­ von den sonstigen Personen (siehe Tabelle 2). nen auf diese Items stehen also in einer starken Dies kann u.a. durch den niedrigen Altersdurch­ Beziehung, wobei Item 15 (x = 4,26; s = 1,454) schnitt der Strafgefangenen erklärt werden, da ebenso wie bei Brogan & Kutner (1976) etwas Alter statistisch bedeutsam mit dem GRO-Wert höher eingeschätzt wurde als Item 10 (x = 3,99; zusammenhängt (siehe unten). Die aus den Stu­ s = 1,499). dien von Parker (1972) und Mulford (1977) ab­ geleitete Hypothese, daß Alkoholiker konserva­ Die vorgelegten Befunde belegen die Tauglich­ tivere Geschlechtsrollen-Orientierungen haben keit der deutschen Version der GRO-Skala nach als andere Personen, konnte also bestätigt wer­ den Kriterien der klassischen Testtheorie. Die den. Befunde von Brogan & Kutner (1976) konnten mit geringen Abstrichen für die deutsche Adap­ (2) Frauen haben in der GRO-Skala im Durch­ tation bestätigt werden. schnitt signifikant niedrigere Werte als Männer (tio4 = 2,933; p < .01), sie sind in der Ge­ schlechtsrollen-Orientierung also nontraditionel­ 3.2. Validität der GRO-Skala ler. Dies bestätigt die Befunde von Brogan & Kutner (1976). Die Stichprobe der Männer un­ Zunächst werden die Befunde zur differentiellen terscheidet sich in der GRO-Skala auch signifi­ Validität der GRO-Skala dargestellt; die verschie- kant von der Gruppe der männlichen Strafge­ fangenen (t 177 = 2,204, p < .05); die Strafge- 5 Auch erbrachte ihre Elimination keine Erhöhung der Werte für die Testhalbierungs-Reiiabilität und 6 Die Varianzhomogenität der Gruppen wurde durch die interne Konsistenz der GRO-Skala. den Bartlett-Test geprüft. 262 Zeitschrift für Soziologie, Jg. 8, Heft 3, Juli 1979, S. 256 - 266

TABELLE 2: Mittelwerte und Standardabweichungen der GRO-Skala von verschiedenen Personengruppen

Stichprobe N X s Alkoholiker 50 117,20 22,01 Strafgefangene 45 100,80 23,36 sonstige Upn 56 96,20 35,86

Geschlecht sgr uppen

Frauen 32 92,81 30,34 Männer 74 111,90 30,86

Altersgruppen

bis 26 Jahre 50 97,00 26,56 27 bis 40 Jahre 51 91,84 27,49 über 41 Jahre 50 125,00 23,31

Religionszugehörigkeit

katholisch 94 108,20 28,41 evangelisch 43 105,00 25,89 ohne formale Religion 14 78,64 36,32

Wohnort

Großstadt ( > 100 000 Einw.) 43 100,30 33,79 Stadt (10 000 - 99 999 Einw.) 61 104,80 28,98 Dorf ( < 1 0 000) 47 108,20 26,07 fangenen unterscheiden sich von der Stichprobe (4) Die drei nach der Religionszugehörigkeit der Frauen nicht signifikant (t75 = 1,312). Dies gebildeten Gruppen unterscheiden sich signifi­ kann wiederum durch das niedrige Alter der kant (Fi48 = 6,552; p < .01). Katholische Upn Strafgefangenen erklärt werden. Der Befund der und evangelische Upn haben im Durchschnitt Geschlechtsdifferenzen in der GRO-Skala kann traditionellere Werte in der GRO-Skala als Upn sowohl für die Stichprobe der Alkoholiker (t48 ohne formale Religionszugehörigkeit (tio6 = = 2,4675; p < .05) als auch für die der Nicht- 3,498; p < .001 bzw. t55 = 2,982; p < .01); Alkoholiker (ts4 = 2.911; p < .01) bestätigt wer­ katholische und evangelische Personen unter­ den. scheiden sich nicht signifikant (ti3s = 0,634). Zu ähnlichen Ergebnissen kamen auch Brogan (3) Der Vergleich jüngerer und älterer Upn & Kutner (1976). (Tertial-Splitf) ergab einen varianzanalytischen (5) Der Vergleich von Großstadt-, Stadt- und Wert von F f 8 = 23,987 (p < .01). Ältere Per­ Dorfbewohnern ergab keine signifikanten Mit­ sonen (über 40 Jahre) haben traditionellere telwertunterschiede in der GRO-Skala (F2 148 = Geschlechtsrollen-Orientierungen als junge (bis 0,806; U02 = 0,730; tio6 = 0,631; tss = 1,250), 26 Jahre; = 5,611; p < .001) und als Per­ obwohl ein Trend zu erkennen ist (siehe Tabelle sonen zwischen 26 und 41 Jahren (tg9 = 6,540; 2), der darauf hindeutet, daß Großstädter non­ p < .001); junge Personen unterscheiden sich in traditioneller sind als Städter und Dorfbewohner, den Geschlechtsrollen-Orientierungen nicht signi­ und daß Städter nontraditioneller sind als Dorf­ fikant von Personen zwischen 26 und 41 Jahren bewohner. (t99 = 0.959). Auch diese Ergebnisse bestätigen die von Brogan & Kutner (1976) zur englisch­ Zusammenfassend kann gesagt werden, daß diese sprachigen Version der Skala. Befunde die differentielle Validität der GRO- G. Krampen: Eine Skala zur Messung der normativen Geschlechtsrollen-Orientierung 263

TABELLE 3: Ergebnisse einer multiplen Regressionsanalyse mit der Geschlechtsrollen- Orientierung als Kriterium (N = 15l) a

Prädiktor rcrit. Beta Strukt.

internale Kontrollüberzeugung .05 -.0 6 .06 externale, durch Machtlosigkeit begründete Kontrollüberzeugung .25++ -.3 9 .35 externale, fataüstische Kontroll- Überzeugung .36+++ .73 .49 Konservativismus .39+++ .31 .54 Machiavellismus 29+++ .42 .40 Faschismus .67+++ 2.99 .92 Rigidität .62+++ 1.65 .86

Parameter der multiplen Regression

Konstante -73.744 multiple Korrelation (R) .72++ multiple Determination (R2) .52 F-Wert (F7143) 22.158++

■n’p < .0 1 ;+++p < .001

arcrit. = Prädiktor-Kriterium-Korrelation; Beta = Beta-Gewicht; Strukt. = Regressions-Faktor-Struktur-Koeffizient.

Skala bestätigen. Die Ergebnisse zum Zusammen­ Zeugungen und GRO 13%, die von Machiavellis­ hang von Geschlechtsrollen-Orientierung und Ge­ mus und GRO 8%, die von GRO und externalen, schlecht, Alter und Religionszugehörigkeit bestä­ durch subjektive Machtlosigkeit begründeten tigen die Befunde von Brogan & Kutner (1976); Kontrollüberzeugungen 6% und die von GRO die Hypothese, daß Alkoholiker traditionellere und Internalität 0,25%. Traditionalität in den Geschlechtsrollen-Orientierung haben als andere Geschlechtsrollen-Orientierungen steht also in Personen (vgl. Mulford, 1977) konnte bestätigt starken Beziehungen zu Faschismus und Rigidi­ werden. tät und in geringeren, aber doch noch statistisch bedeutsamen, zu allgemeinem Konservatismus, Externalität und Machiavellismus. Zusätzlich 3.2.2. Konvergente Validität wurde eine multiple Regressionsanalyse durchge­ führt, in der die drei Komponenten der Kontroll- Die folgenden Analysen beziehen sich stets auf überzeugung, Konservatismus, Machiavellismus, die Gesamtstichprobe. Zunächst wurden Produkt- Faschismus und Rigidität als Prädiktoren für den Moment-Korrelationskoeffizienten zwischen dem GRO-Wert (Kriterium) eingesetzt wurden. Die GRO-Wert und den Werten in den parallel einge­ Ergebnisse sind in Tabelle 3 dargestellt. Dieser setzten Fragebogen berechnet. Die Korrelations­ Prädiktorensatz erklärt 52% der Varianz in der koeffizienten sind in Tabelle 3 (Spalte 2) wieder­ GRO-Skala. Die Regressions-Faktor-Struktur- gegeben7. Koeffizienten (siehe Cooley & Lohnes, 1971) weisen auf die Relevanz von Faschismus, Rigidi­ Die gemeinsame Varianz von normativer Ge­ tät und Konservatismus für die Vorhersage der schlechtsrollen-Orientierung und Faschismus be­ normativen Geschlechtsrollen-Orientierung. trägt 45%, die von GRO und Rigidität 38%, die von GRO und allgemeinem Konservatismus 15%, Auch die korrelativen Befunde belegen die Vali­ die von externalen, fatalistischen Kontrollüber- dität der GRO-Skala. Das Ergebnis von Brogan & Kutner (1976), daß zwischen Geschlechtsrol­ len-Orientierungen und autoritären Erziehungs­ 7 Die Korrelation von GRO-Skalenwert und Alter be­ trägt r = .51 (p < .001). Dieser Wert bestätigt die einstellungen eine Beziehung besteht, konnte für zur differentiellen Validität vorgelegten Befunde. allgemeinere Variablen empirisch gesichert und 264 Zeitschrift für Soziologie, Jg. 8, Heft 3, Juli 1979, S. 256 - 266

differenziert werden. Ähnliche Befunde zum Zu­ Insgesamt 15 Items laden auf ihm mit ay * 1.501. sammenhang von Rigidität, Autokratismus und Faktor II, der 22,55% der relativen Varianz er­ Konventionalismus zur Einstellung zur Ge­ klärt, faßt im wesentlichen die Items zu norma­ schlechtsrolle liegen mit den Arbeiten von McDo­ tiven Orientierungen gegenüber der traditionellen nald (1974) und Greenberg & Zeldow (1977) Machtstruktur zwischen den Geschlechtern zu­ vor. Normative Geschlechtsrollen-Orientierungen sammen. Faktor III kann als normative Orientie­ können demnach als ein integrativer Bestandteil rungen gegenüber der beruflichen Situation und allgemeiner konservativer Einstellungen gekenn­ Sozialisation der Geschlechter bezeichnet wer­ zeichnet werden. den (relativer Varianz an teil: 18,58%). Faktor IV hat einen relativen Varianzanteil von 13,53% und faßt Items zusammen, die normative Orien­ 3.2.3. Faktorielle Validität tierungen zur nontraditionellen Rolle des Mannes thematisieren (siehe Tabelle 1). Die Bewertungen der 36 Items der GRO-Skala durch die 151 Upn wurden einer Hauptkompo- Die sechs bei der Skalenkonstruktion von Bro­ nenten-Faktorenanalyse unterzogen. Die qua­ gan & Kutner (1976) verwendeten Inhaltsberei­ drierten multiplen Korrelationskoeffizienten wur­ che treten in dieser Faktorlösung also nur z.T. den als Anfangsschätzung für die Kommunalitä- als Faktoren auf. Auffällig ist, daß neben einem ten eingesetzt; es wurden mehrere nach Varimax starken Faktor, der Items zu verschiedenartigen rotierte Faktorlösungen ermittelt. An Hand der Einstellungsbereichen zusammenfaßt, drei sehr von Michael Röhr (1977) zusammengestellten spezifische Faktoren auftreten, auf denen jeweils Kriterien zur Bestimmung der interpretations­ nur wenige Items hoch laden. Dies weist auf eine günstigsten Faktorlösung wurde die 4-faktorielle relativ hohe inhaltliche Konsistenz der GRO-Ska­ Variante ausgewählt8. Diese vier Faktoren er­ la als ein Maß für normative Geschlechtsrollen- klären 46,26% der Gesamtvarianz. Die Ladungen Orientierungen. Die Bildung von Subskalen ist der einzelnen Items der GRO-Skala auf den Fak­ aufgrund der vorliegenden Ergebnisse nicht ange­ toren sind in Tabelle 1 (Spalten 4 bis 7) aufge- bracht. führt. Faktor I kann als normative Orientierung zu bestehenden Stereotypen über Geschlechtsrol­ len-Verhalten interpretiert werden. Dieser Faktor 4. Diskussion erklärt 45,34% der relativen Varianz. Als Stärk­ ster Faktor beinhaltet er auch die Einstellungen Die vorgelegten Befunde zur instrumenteilen gegenüber der Arbeitsteilung in der Ehe und die Reliabilität und Validität sprechen also für die über die Sozialisation von Jungen und Mädchen. *IV Tauglichkeit der deutschen Version der SRO- Skala. Die von Brogan & Kutner (1976) für die englischsprachige Originalversion vorgelegten 8 Ausschlaggebend für die Wahl der 4-faktoriellen Lösungen waren die folgenden Gesichtspunkte: die Werte konnten für die deutsche Adaptation be­ nach dem rein mathematisch-statistischen Kriterium stätigt werden. Die Daten zur Validierung der (Zahl der Eigenwerte = 1.00) ermittelte Intervall­ GRO-Skala gehen über die Arbeit von Brogan & grenze liegt bei k = 5 Faktoren; das Eigenwertsver- Kutner (1976) hinaus. laufs-Kriterium (Scree-Test; siehe auch Raymond B. Catteil & S. Vogelmann, 1977) führt zu k = 4 Fak­ toren; das Kriterium der positiven Eigenwerte führt Die GRO-Skala ist also zur Messung der norma­ zu einem Intervall von 4 - k * 7 Faktoren; die tiven Konzeptionen für angemessenes Verhalten Kriterien von Ernst Fürntratt (1969) führen zu 4 von Frauen und Männern bei Erwachsenen ge­ Faktoren. Auf Grund dieser Befunde und in Bezug eignet. Als ein Fragebogen, der auch in Grup­ auf die Fragestellung wurde die 4-faktorielle Lösung ausgewählt. Diese wurde dem Bargmann-Test (vgl. pensitzungen bearbeitet werden kann, ist die Röhr, 1977) unterzogen. Nach diesem konservativen GRO-Skala ein leicht einsetzbares Forschungsin­ Test sind die im folgenden dargestellten Faktoren strument, dessen Ökonomie allerdings durch die IV ( a < .01) und II ( a < .05) durch Signifikanzen relativ hohe Itemzahl etwas eingeschränkt wird. abesichert, die Faktoren I und III sind nicht signi­ fikant im Bargmann-Test, können nach den strengen Es ist zu überlegen, ob auf der Grundlage der Kriterien dieses Tests also nur hypothetisch interpre­ Itemanalyse und der Faktorenanalyse eine Kurz­ tiert werden (vgl. zu diesem Vorgehen Röhr, 1977). fassung entwickelt werden sollte. G. Krampen: Eine Skala zur Messung der normativen Geschlechtsrollen-Orientierung 265

Geht man davon aus, daß geschlechtstypisches Der Bezug der GRO-Skala zu Variablen des all­ Verhalten sowohl von der biologischen Grund­ gemeinen Konservatismus und Autokratismus ausstattung, die geschlechtsspezifisch unterschied­ (vgl. Doebert et al., 1973) konnte in der vorlie­ lich ist, als auch von den sozialen Anforderungen genden Studie belegt werden. In Folgeunter­ determiniert wird, so wird deutlich, daß die suchungen sollte nun ihre Beziehung zu anderen GRO-Skala überall da eingesetzt werden sollte, Geschlechtsrollen-Fragebogen und zu den MF- wo die biologische Geschlechtsvariable aufgrund Skalen analysiert werden. Neben den bereits ge­ von (meist impliziten) Hypothesen erhoben wird. nannten Skalen aus dem FPI und dem MMPI Die GRO-Skale würde hier etwa eine Reanalyse wäre hier etwa an das Sex-Role-Inventory von der Befunde zu psychischen Geschlechtsunter­ Sandra L. Bern (1974) zu denken, mit dem ne­ schieden auf dem Hintergrund der normativen ben femininen und maskulinen Personen andro­ Geschlechtsrollen-Orientierungen der Individuen gyne Personen identifiziert werden können, die gestatten (vgl. hierzu Degenhardt, 1978). Als sowohl „weibliche“ als auch „männliche“ Inter­ Antezedensvariable könnte die Geschlechtsrol­ essen, Verhaltensweisen etc. aufweisen (vgl. auch len-Orientierung auch für implizite Erziehungs­ Jacob L Orlofsky, Alice L. Aslin & Sheila D. einstellungen und Erzieherverhalten (vgl. Bitt­ Ginsburg, 1977). mann, 1977; Sava G. Zimet & Carl N. Zimet, 1977) untersucht werden. Unter einer Fülle von Es bleibt zu hoffen, daß die GRO-Skala durch Anwendungsmöglichkeiten im pädagogisch-psy­ ihren Bezug zu den theoretischen Ansätzen zur chologischen und dem sozialpsychologischen Be­ Erklärung der Sozialisation und Manifestation reich soll hier noch auf die Einsatzmöglichkeit geschlechtstypischen Verhaltens, einen — wenn in inter- und interakulturellen Vergleichsunter­ auch geringen —Beitrag zur „Abkehr von der auf suchungen und in Studien zum gesellschaftlichen diesem Gebiet theoriearmen, unfruchtbaren, über­ Wertwandel hingewiesen werden. flüssigen und dabei oft kostspieligen ,Fakten­ sammelei“4 (Degenhardt, 1978: 29-30) erbringt.

Literatur:

Adorno, T.W., Bettelheim, B., Frenkel-Brunswik, E., Doebert, J„ Stahl, B. & Vogl, O., 1973: Faktorenana­ Gutermann, N., Janowitz, M., Levinson, D.J. & lyse mehrerer Skalen zum Bereich des Konservatis­ Sandford, R.N., 1968: Der autoritäre Charakter. mus und Autoritarismus. Diagnostica 19, 8-19. Amsterdam: De Munter. Fahrenberg, J. & Selg, H., 1970: Das Freiburger Per­ Bern, S.L., 1974: The measurement of psychological sönlichkeitsinventar. Göttingen: Hogrefe. androgyny. Journal for Consulting and Clinical Fürntratt, E., 1969: Zur Bestimmung der Anzahl inter­ 42, 155-162. pretierbarer gemeinsamer Faktoren in Faktorenana­ Bittmann, F., 1977: Empirische Untersuchungen zum lysen psychologischer Daten. Diagnostica 15, 62-75. geschlechtsrollenspezifischen Verhalten in deutschen Gebhardt, F., 1975: PAMV. Paarweiser Mittelwertsver­ Lesebüchern. Psychologie in Erziehung und Unter­ gleich und einfache Varianzanalyse. Fortran IV Pro­ richt 24, 365-369. gramm. In: Statistik Programme des Deutschen Brogan, D. & Kutner, N.G., 1976: Measuring sex-role Rechenzentrums, hersg. von F. Gebhardt, Darm­ orientations: A normative approach. Journal of stadt: Deutsches Rechenzentrum. Marriage and The Family 38, 31-40. Greenberg, R.P. & Zeldow, P.B., 1977: Personality Cattell, R.B. & Vogelmann, S., 1977: A comprehensive characteristics of men with liberal sex-role attitudes. trial of the scree and KG criteria for determining Journal of Psychology 97, 187-190. the number of factors. Multivariate Behavioral Re­ Hathaway, S.R., McKinley, J.C. & Spreen, O., 1963: search 12, 289-325. MMPI - Saarbrücken. Bern: Huber. Cloetta, B., 1974: Neue Daten zum MK. Arbeitsbericht Kohlberg, L., 1966: A cognitive-developmental analysis 18 aus dem SFB 23. Konstanz: Universität Konstanz. of children’s sex-role concepts and attitudes. In: The Constantinople, A., 1973: Masculinity - feminity: An development of sex differences, hersg. von E.E. Mac- exception to a famous dictum? Psychological Bul­ copby. Stanford: Stanford University Press. S. 82-173. letin 80, 389-407. Krampen, G., 1977: TBR-Fragebogen zur behavioralen Cooley, W.W. & Lohnes, P.R., 1971: Multivariate data Rigidität. Trierer Psychologische Berichte 4, Heft 9. analysis. New York: Wiley. Krampen, G., 1979: Differenzierungen des Konstruktes Degenhardt, A., 1978: Geschechtstypisches Verhalten der Kontrollüberzeugungen. Deutsche Bearbeitung - eine psychologische Variable? Psychologische und Anwendung der IPC-Skalen. Zeitschrift für ex­ Rundschau 14, 15-37. perimentelle und angewandte Psychologie (im Druck). 266 Zeitschrift für Soziologie, Jg. 8, Heft 3, Juli 1979, S. 256 - 266

Levenson, H., 1972: Distinctions within the concept of Osselmann, J., 1976: Eine Skala zur Messung der Inter­ internal-external control. In: Proceedings of the nalen versus Externalen Verstärkungskontrolle. Be­ 80th Annual Convention of the American Psycholo­ richte aus dem Psychologischen Institut der Universi­ gical Association 7, 261-262. tät Bonn, Nummer 7. Lienert, G.A., 1969: Testaufbau und Testanalyse. Wein­ Parker, F.B., 1972: Sex-role adjustment in women al­ heim: Beltz (dritte Auflage). coholics. Journal of Studies on Alcohol 33, 647- Lunneborg, P.W., 1970: Stereotypie aspects in mascul­ 657. inity - feminity measurement. Journal of Consulting Parsons, T. & Bales, R.F., 1955: Family, socialization and 34, 113-118. and interaction process. New York: Wiley. McDonald, A.P., 1974: Identification and measurement Prociuk, T.J. & Breen, L.J., 1976: Machiavellianism of multidimensional attitudes toward equality bet­ and locus of control. Journal of ween the sexes. Journal of Homosexuality 1, 165 — 98, 141-142. 182. Röhr, M., 1977: Zur Interpretation faktorenanalyti­ Mischel, W., 1970: Sex typing and socialization. In: scher Studien in der Psychologie. Probleme und Er­ Carmichael’s manual of child psychology, hersg. von gebnisse der Psychologie 62, 61-77. P.H. Müssen. New York: Wiley. S. 3-72. Rotter, J.B., 1966: Generalized expectancies for inter­ Mizruchi, E.H. & Perrucci, R., 1962: Norm qualitites nal versus external control of reinforcement. Psy­ and differential effects of deviant behavior: An ex­ chological Monographs 80 (1, Whole No. 609). ploratory analysis. American Sociological Review Schaie, K.W., 1960: Test for Behavioral Rigidity. Palo 27, 391-399. Alto: Consulting Press. Mulford, H.A., 1977: Women and men problem drin­ Schnell, P. & Gebhardt, F., 1975: Pafa. Principle axis kers. Journal of Studies on Alcohol 38, 1624-1639. . Fortran IV Hauptprogramm. In: Newman, R.C., 1976: Development and standardization Programme des Deutschen Rechenzentrums, hersg. of measures of stereotypic sex-role concepts and of von F. Gebhardt. Darmstadt: Deutsches Rechen­ sex-role adaption in adults. Psychological Reports 39, zentrum. 623-630. Zimet, S.G. & Zimet, C.N., 1977: Teachers view peo­ Oesterreich, D., 1974: Die Messung und Korrektur von ple: Sex-role stereotyping. Psychological Report acquiescence-response set bei Autoritarismus-Skalen. 41, 583-591. Zeitschrift für experimentelle und angewandte Psy­ chologie 21, 394-408. Orlofsky, J.L., Aslin, A.L. & Ginsburg, S.D., 1977: Dif­ ferential effectiveness of two classification procedur­ es on the Bern Sex Role Inventory. Journal of Per­ sonality Assessment 41, 414-416.