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Anna Lux, Sylvia Paletschek (Hrsg.) Okkultismus im Gehäuse Okkulte Moderne

Beiträge zur Nichthegemonialen Innovation

Herausgegeben von Christian Kassung, Sylvia Paletschek, Erhard Schüttpelz und Helmut Zander Band 3 Okkultismus im Gehäuse

Institutionalisierungen der Parapsychologie im 20. Jahrhundert im internationalen Vergleich

Herausgegeben von Anna Lux und Sylvia Paletschek Gedruckt mit Unterstützung der Deutschen Forschungsgemeinschaft.

ISBN 978-3-11-046376-7 e-ISBN (PDF) 978-3-11-046663-8 e-ISBN (EPUB) 978-3-11-046451-1 ISSN 2366-9179

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Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar.

© 2016 Walter de Gruyter GmbH, /Boston Titelbild: Joseph B. Rhine and female test subject. Bereitgestellt von den University Archives der Duke University Durham, N.C. (Photograph Collection, box 25, UAPC-025-044-002). Druck und Bindung: CPI books GmbH, Leck ♾ Gedruckt auf säurefreiem Papier Printed in Germany www.degruyter.com Inhalt

Anna Lux, Sylvia Paletschek Institutionalisierung und Parapsychologie Eine Hinführung 1

Ulrich Linse Klassische Orte parapsychologischer Wissensproduktion im Fin de Siècle und zu Beginn des 20. Jahrhunderts Albert von Schrenck-Notzing und sein Münchner Kreiszwischen Salon, Labor und Bühne 37

Ingrid Kloosterman An Institutionalised ‘Fremdkörper’ Seven Stages of Academic Parapsychologyinthe Netherlands 71

Anna Lux Passing Through the Needle’sEye Dimensionen der universitären Integration der Parapsychologie in Deutschland und den USA 93

Elizabeth R. Valentine Institutionalisation and the HistoryofPsychical Research in Great Britain in the 20th Century 133

Birgit Menzel Parapsychologie im sowjetischen undpostsowjetischenRaum Status, Forschung, Experimente 149

Renaud Evrard The Orthodoxization of PsychologyinFranceatthe Turn of the 20th Century 173

Júlia Gyimesi The Institutionalisation of ParapsychologyinHungary in the 20th Century 201 VI Inhalt

Ina Schmied-Knittel, Andreas Anton, Michael Schetsche Institutionalisierung ausgeschlossen … ZumUmgang mit paranormalen Wissensbeständen, Erfahrungen und Praktiken in der DDR 225

EberhardBauer Internationalisierung und Professionalisierung parapsychologischer Forschungim20. JahrhundertamBeispiel von „ParapsychologyFoundation“ und „Parapsychological Association“ 245

Martin Schneider Soldaten der Aufklärung Die „Deutsche Gesellschaft Schutz vor Aberglauben“ und ihr Kampf gegen Parapsychologie und Okkultismus (1953 –1963) 277

Uwe Schellinger „Kriminaltelepathen“ und „okkulte Detektive“ Integrationsversuche paranormaler Fähigkeiten in die Polizeiarbeit im deutschsprachigen Raum 1920 bis 1960 307

Natascha Adamowsky Spooked, Haunted or justParanormal? ZumVerhältnis von Wissenschaft und Okkultismus im Film 341

Bernd Wedemeyer-Kolwe „VomUntergrund des Abendlandes“ Der Göttinger Volkskundeprofessor Helmut Möller und die deutsche Okkultismusforschung in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Eine biographische Annäherung 357

EberhardBauer Suche nach Ordnung und Lust an der Anarchie Antworten auf Fragen von Anna Lux und Ehler Voss 381

Autorinnen und Autoren 411

Namens- und Ortsregister 417

Institutionen- und Begriffsregister 427 AnnaLux, Sylvia Paletschek Institutionalisierung undParapsychologie

Eine Hinführung

1Warumeine Geschichteder Institutionalisierung der Parapsychologie?

Der Titel unseres Bandes „Okkultismus im Gehäuse“¹ geht aufden viel beachte- ten Aufsatzdes Wissenschaftshistorikers Rüdiger vomBruch ausdem Jahr 2000 zurück.VomBruch leitet seinen Text „Wissenschaft im Gehäuse: VomNutzen und Nachteil institutionengeschichtlicher Perspektiven“ mit dem Satz ein: „Wervon Forschung redet, kann vonChancen und Hemmnissen ihrer institutionellen Verfasstheitnicht schweigen“.² Damit plädiert er für einen komplexen institu- tionengeschichtlichen Zugangzur Wissenschaftsgeschichte, einen Zugang, der Wissenschaft als soziales System begreift und sie in ihrem jeweiligenKontext zu erfassensucht. Die Typologie „Gehäuse“ ist dabei vielgestaltig. Sie bezeichnetzum einen die Verinnerlichung des Wissenschaftlers, exemplifiziert an den Darstellungen des Hieronymos im Gehäuse, des berühmten lateinischen Gelehrten, Bibelübersetzers und Asketen, dargestelltals einsamer Gelehrter in der mönchischen Klause. Im Gehäuse verweist aber auch auffrühe Institutionalisierungsformen wie die ein- geschworene Gelehrtensozietät.Seit Mitte des 19.Jahrhunderts meint Gehäuse das arbeitsteiliggesteuerte Forschungsinstitut oder das disziplinierende Gehäuse moderner akademischer Institutionen. In jedem Fall knüpfen sich an das Bild von „Wissenschaft im Gehäuse“ Fragen nach der Autonomie, nach durch Institutio- nalisierungenerzeugte Pfadabhängigkeiten oder gar Fremdsteuerungvon Wis- senschaft,nach dem immer wiederbemühten Ideal der einsamen Gelehrten

 Die meisten Beiträgedieses Bandes gehen aufeine vonder DFG im Rahmen der Paketgruppe „Innovation durch nichthegemoniale Wissensproduktion: Okkulte Phänomene zwischen Medi- engeschichte, Kulturtransfer und Wissenschaft –“ (Pak )finanzierte Tagung unter dem Titel „Okkultismus im Gehäuse. Institutionalisierungder wissenschaftlichen Beschäftigung mit dem Paranormalen im .JahrhundertiminternationalenVergleich“ zurück, die vom .bis . .  in Freiburgstattfand. Für die formale Redaktion der Texte, die Hilfe beim Kor- rekturlesen und Übersetzen bedanken wir uns bei Melanie Fritscher-Fehr,Christoph Henseling, Christa Klein, Martin Schneider und Isabelle Zink ganz herzlich.  VomBruch: Wissenschaft, .

DOI 9783110466638-001 2 Anna Lux, Sylvia Paletschek versus des Wissenschaftlersbzw.der Wissenschaftlerin, welche in strukturelle und kontextuelle Zusammenhängeeingebunden sind. Institutionalisierungen sind immer mit Grenzziehungenverbunden. Es geht bei „Gehäuse“ alsoauch um Fragen vonInnen und Außen: um die Zugehörigkeit oder Nichtzugehörigkeit zur scientific community,umdas Verhältnis vonWissenschaft und Gesellschaft,um Fragen nach der Anwendungsorientierung vonWissenschaft und ihrer gesell- schaftlichen Legitimation. „OkkultismusimGehäuse“ stelltdie wissenschaftliche Beschäftigung mit dem Paranormalen und ihre Institutionalisierungen in den Mittelpunkt. „Okkul- tismus“ ist dabei eine stilistisch bedingteVerkürzung, geht es uns doch um den sogenannten „wissenschaftlichen Okkultismus“.Dieserum1900 entstandene Begriff bezeichnetdie empirische Erforschung paranormaler Phänomene und wurde seit Ende der 1920er Jahre zunehmend vomBegriff der Parapsychologie abgelöst.Die Parapsychologie beschäftigt sich mit Phänomenen, die „neben“ (griech.: para) den uns bekanntenVorgängen stehen und mit bisherigen (natur‐) wissenschaftlichen Erkenntnissen nicht erklärt werden können. Ihre Kernthemen sind „Außersinnliche Wahrnehmung“,also Phänomene wie Telepathie, Hellse- hen oder Präkognition, sowie Psychokinese, worunter auch Spuk-und Materia- lisationsphänomene zu fassen sind.³ Eine besondere Herausforderungist die Elusivität(Flüchtigkeit) der Phänomene, die ihre experimentelle Reproduzier- barkeit unter Laborbedingungennur sehr eingeschränkt ermöglicht,sowiege- nerell die Fragenach der Evidenz paranormaler Phänomene und ihrem Wirk- lichkeitscharakter.DieserUmstand ist bis heute für die umstrittene Stellungdes Fachs wesentlich verantwortlich.⁴ Die Beiträge in unserem Band legen den Schwerpunkt aufdie Institutio- nalisierungder wissenschaftlichen Beschäftigungmit dem Okkulten bzw.Par- anormalen. Grundsätzlich verweist der Blick aufInstitutionen aufdie materielle Dimension des Gegenstands. Institutionen bezeichnen Organisationen mit be- stimmterStruktur sowie materieller und personellerAusstattung. Die historische Analyse vonInstitutionalisierungen setzt zunächst bei den zeitlichen und räumlichen Bedingungenanund untersucht hard facts wie Struktur,Ausstattung und Personal, um Entwicklungsprozesse, Ausbau, aber auch Rezession zu ver- deutlichen.⁵ In einem weiteren Schritt können institutionshistorische Zugänge auch die Auswirkungender jeweiligenInstitutionen aufsoziale Praxis und epis- temische Prozesse in den Blick nehmen; universitäts-, wissenschafts- und kul-

 Vgl. Bender:UnsersechsterSinn, .  Vgl. Lucadou: Der flüchtige Spuk.  Vgl. Lingelbach: Institutionelle Rahmenbedingungen. Institutionalisierung und Parapsychologie 3 turgeschichtlicheFragenwerden dabei miteinander verbunden.⁶ Universitäts- historisch geht es bei unserem Gegenstand v. a. um die Frage, unter welchen Bedingungen die Integration der Parapsychologie an einzelnenUniversitäten erfolgte. Bis zu welchem Grad war eine Verstetigung möglich; welche Faktoren waren für das Scheitern der Integration verantwortlich?Damit wird der Blick aufProzesse gelenkt,die in der Universitätsgeschichtebislang häufig vernach- lässigt wurden. Warumund unter welchenBedingungen Disziplinen in die Uni- versität als Institution Eingang fanden, ist systematisch wenig untersucht,meist lediglich konstatiert und nichtweiter hinterfragt worden.⁷ Zudem ist die Per- spektive in der Regel aufAusbauund Verstetigung,nicht jedoch aufdie ‚Sack- gassen‘ gerichtet; Rückentwicklung,Streichung oder nur zeitweise Institutiona- lisierung vonDisziplinen werden in der Regel nicht betrachtet.⁸ Dabei können gerade ausdem Nicht-Erfolgvon universitärer Institutionalisierung wichtigeBe- funde hinsichtlich der generellen Fragegewonnen werden, wie Disziplinbildung funktionierte und unter welchen Bedingungen Wissensbestände als bedeutsam erachtet und durch Institutionalisierung aufDauer gestellt wurden.⁹ Gerade die internationale Perspektive des Bandes macht deutlich, wie stark insbesondere die akademische Institutionalisierung der Parapsychologie vonexternen Faktoren abhängig war – vonden verschiedenen Wissenschaftstraditionen sowievon si- tuativen, lokalenund nationalen,politischenund gesellschaftlichen Bedingun- gen. Ein wichtiges Themenfeld in diesem Zusammenhang ist zudemdas Ver- hältnis der Parapsychologie zu ihrer ‚Mutterdisziplin‘ Psychologie.¹⁰ Auswissenschaftshistorischer Sicht ist die Parapsychologie vorallem des- halb bedeutsam,weil über ihre Anerkennung oder Nicht-Anerkennunginder scientific community Einblicke in die epistemischen und sozialen Bedingungen der Konstruktion vonWissenschaft gewonnen werden sowiegenerelle Fragen der Disziplinbildungstudiertwerden können.¹¹ Darüber hinaus ist die Parapsycho- logie als „ScienceinContext“ (Stefan Böschen)¹² eng mit verschiedenen gesell-

 Vgl. Paletschek: Stand und Perspektivender neueren Universitätsgeschichte, f.  Eine Ausnahme bilden Arbeitenwie z.B. Lingelbach: Klio macht Karriere.  Vgl. Paletschek: PermanenteErfindung, f.  Vgl. hierzu auch Müller-Benedict: Der Prozess der fachlichen Differenzierung.  Vgl. Böhm/Jaeger/Krex et al.: Verdrängte Ursprünge.  Vgl. Collins/Pinch: Frames of Meaning.  Der WissenssoziologeStefan Böschen bezeichnetwissenschaftliche Disziplinen mit starker Kontextualisierung als „science in context“. Solche Disziplinen stehen in enger Beziehungzu anderen Wissensbereichen und nutzen derenTheorien. Im Fall der Parapsychologie gibt es enge Überschneidungen mit Disziplinen wie Physik und Tiefenpsychologie. Darüber hinaus haben Disziplinen in context enge Bindungen an ihrenichtwissenschaftlicheUmwelt,einen hohen Anwendungsbezugund provozieren ein gesteigertesöffentliches Interesse. Den Gegenpart zu 4 Anna Lux, Sylvia Paletschek schaftlichen Feldern (Wissenschaft,Religion, Unterhaltung, Lebensbewältigung, medialeÖffentlichkeit) verbunden.¹³ Sie ist daher ein hervorragendes Beispiel, um das Verhältnis vonWissenschaft, Anwendungund gesellschaftlicher Relevanz sowie vonWissenschaft,Popularisierung und populärkultureller Verwertungzu diskutieren.¹⁴ In diesem Zusammenhang kann die Wissensgeschichte der Parapsychologie zudem eingebettet werden in die historische, zum Teil bis heute andauernde Diskussion um die Fragenach ihrem Status als Wissenschaft.Als wissenschaft- lich werden ganz grundsätzlich jene Disziplinen bezeichnet, die über ein abge- stecktes Forschungsfeld und anerkannte Methodenverfügen, die ihre Ergebnisse empirisch belegenund theoretisch begründenkönnen.Wichtig ist weiterhin, dass Wissenschaft unter kontrollierten Bedingungenstattfindet und dass eine breite, diskursoffene scientific community existiert,inder Methoden und Ergebnisse kritisch diskutiert werden. Dass diese Kriterien teilweise aufdie Parapsychologie zutreffen, konstatierten die beiden Wissenssoziologen Harry Collins und Trevor Pinch in Folgeihrer Auseinandersetzungmit paranormal metal bending Mitte der 1970er Jahre.¹⁵ Dennochriss die Diskussion um den Status der Parapsychologie als ‚Normal‘-, Proto- oder ‚Pseudowissenschaft‘ im 20.Jahrhundert nicht ab,¹⁶ was vor allem mit dem Gegenstand zusammenhängt.Selbst unter führenden Parapsy- chologinnen und Parapsychologen besteht keine Einigkeit darüber,obPsi tat- sächlich existiert und welche Phänomene als paranormal zu klassifizierensind.¹⁷ In der Tatist ein Analysebegriff für die Bezeichnungdieses historischkontin- genten Feldes der nicht-anerkannten, heterodoxenoder nicht-hegemonialen¹⁸

diesen verflochtenen Disziplinen bilden nach Böschen „republics of science“,also Disziplinen mit sehr loser Verbindungzuanderenwissenschaftlichen Disziplinen und ihrernichtwissenschaft- lichen Umwelt.Vgl. Böschen: ScienceAssessment.  Vgl. Lux/Paletschek: Editorial.  Vgl. beispielsweise Lux: Vomspielenden Gelingen.  In Bezugauf die Methoden der Parapsychologie schreiben sie: „The best of modern para- compromises some of the most rigorouslycontrolled and methodologicallysophis- ticated work in the science“.Hinsichtlichder Merkmaledes Fachs als sozialem System heißtesbei den Autoren: „ has acquired manyofthe social characteristics of an orthodox science.“ Collins/Pinch: The Construction of the Paranormal, f. sowie f.  Vgl. zur Diskussion um Pseudowissenschaft die BeiträgeinRupnow/Lipphardt/Thiel/Wessely: Pseudowissenschaft.Aus der älterenPerspektive,die die Abgrenzungzwischen Schul-, Para- und Pseudowissenschaft als Aufgabe der Wissenschaftstheorie und -soziologie erwartet,vgl. Eberlein: Schulwissenschaften, Parawissenschaften, Pseudowissenschaften.  Vgl. Bauer:Parapsychologie für wen?, .  ZurUnterscheidung zwischen heterodoxem und orthodoxemWissen vgl. Schetsche: Theorie der Kryptodoxie, –.Zum Begriff der Hetereodoxie vgl. Bourdieu: Über einige Eigenschaften von Feldern, .Zunicht-hegemonialem Wissen bzw. zum Verhältnis vonnicht-hegemonialen Institutionalisierung undParapsychologie 5

Wissensproduktion schwierig.Der Begriff Pseudowissenschaft ist da nicht hilf- reich,¹⁹ denn er sagt wenigeretwas über die so titulierteDisziplin aus, als über die zu einembestimmten historischen Zeitpunktals wissenschaftlich anerkannte Wissensproduktion. Damit können sogenannte Proto-Wissenschaften (emerging sciences, unconventional sciences), deren Erkenntnisse zwar nicht zum Zeitpunkt ihrer Entstehung, aber später(z. B. Darwins Evolutionstheorie) Eingang in eta- blierte Wissenschaften fanden, unter das Verdikt der ‚Pseudowissenschaft‘ fallen; ebenso ehemalsanerkannteWissensbestände wiez.B.die Hermetik (als ‚old science‘),²⁰ die durch neue Definitionsmerkmale vonWissenschaft abqualifiziert wurden oder sich (ideologisch) überlebthatten. Solche Prozesse lassen sich an verschiedenen Wissenschaftsfeldern historischaufzeigen; die „üblichenVer- dächtigen“ der Pseudowissenschaft waren im 19.und 20.Jahrhundertz.B.Mes- merismus, Astrologie, Homöopathie, Phrenologie, Psychoanalyse, Parapsycho- logie, aber auch Rassenlehre, Lyssenkoismus oder Esoterik²¹. Der Begriff Pseudowissenschaft entstand Mitte des 19.Jahrhunderts²² und erfuhr vorallem nach 1945eine Konjunktur in der Wissenschaftstheorie als normativerDisziplin, die die Grenzen vonWissenschaft und Nicht-Wissenschaft durch historischinvarianteKriterien zu bestimmen suchte. In Wissenschafts- philosophie und Wissenschaftsgeschichte hatte die Diskussion um die Unter- scheidungzwischenWissenschaft und Pseudowissenschaft vorallem in den 1960erbis 1980er Jahren Konjunktur.Diese Demarkationsbemühungen hatten, so die Vermutung Michael Hagners,vor allem moralische und politische Gründe in Folgeder Vermischungen vonPolitik, Ideologemen und Wissenschaft im „Zeitalter der Extreme“.Menschenverachtende Experimente im Nationalsozialismus wur- den als pseudowissenschaftlich markiert,auch um das Ideal einer reinen und interesselosenWissenschaft aufrechtzuerhalten und die ‚Normalwissenschaft‘ zu

Gruppen und Innovation vgl. Sziede/Zander:Von der Dämonologiezum Unbewussten: Per- spektiven, VIII–XI.  Neben Pseudowissenschaft kursiert ein Arsenal weitererBegriffe. Das Spektrum reicht von (oftmals religiös inspirierter) „Anti-Wissenschaft“,die wissenschaftliche Methoden ablehne, so- wie „Anti-Akademismus“,der die Integration in den wissenschaftlichen Diskurs nicht anstrebe, über „Para-“ und „Pseudo-Wissenschaften“,derenAnspruch aufWissenschaftlichkeit als zwei- felhaft gilt und umstritten ist,bis hin zu „Proto-Wissenschaften“.Vgl. die Unterscheidungen in Rupnow/Lipphardt/Thiel et al.: Einleitung, .  Vgl. Zander: Esoterische Wissenschaft um , f.  Vgl. exemplarisch zum Feld der esoterischen ForschungHanegraaff: Esotericism and the Academy.  In den er Jahrenwurde Hahnemanns Homöopathieinmedizinischen Zeitschriften in Schottland als pseudoscience bezeichnet. Vgl. Hagner: Bye-byeScience, Welcome Pseudoscience, . 6 AnnaLux, Sylvia Paletschek entlasten. Im Kalten Krieg diente die Etikettierung dazu – wie am Beispiel von Lyssenkoismus vs. Kybernetik gezeigt werden kann – den politischen Gegner wissenschaftlich zu delegitimieren und die Wissenschaftstheorie als „erkennt- nistheoretischen Gesetzgeber“ und „Diskurspolizei“ zu etablieren.²³ „Pseudo- wissenschaft“ war in diesem Zusammenhang vorallem ein in besonderer Absicht verwendeterAkteursbegriff, ein politischer und situativer Kampfbegriff.²⁴ Mit dem wachsenden Einfluss sozialkonstruktivistischer Ansätze in der Wissenschaftsforschungseit den 1970er Jahren wurde der Begriff zunehmend fragwürdig.²⁵ Diese Ansätze,die nicht zuletzt durch die Untersuchung vonmar- ginalisierten Wissenschaften erarbeitetworden waren,²⁶ hatten die soziale Kon- struktion vonWissenschaft,die historische Bedingtheit vonErkenntnis sowie die Unmöglichkeit,überzeitliche und kontextunabhängigeEntscheidungskrite- rien für den UnterschiedzwischenWissenschaft und Nicht-Wissenschaft her- ausgestellt.ImZugeder Wissensgeschichtewurde zudem dafür plädiert, margi- nale oder nicht-hegemoniale Wissenskulturennicht retrospektivnach den Kategorienwissenschaftlich oder pseudowissenschaftlich zu bewerten, sondern deren epistemische und soziale Praxen der Wissensproduktion ernst zu nehmen und zu untersuchen.²⁷ Seitdem ist der Begriff Pseudowissenschaft eigentlich obsolet und historisiert.Paradoxerweise wird er,obwohl als überholt und un- präzise angesehen, teilweise jedoch weiterverwendet,nun allerdings meist in Anführungszeichen. Dies macht deutlich, dass bislang keine begrifflich und epistemisch befriedigende Lösung gefunden wurde, um die Differenzierungen, Spannweiten und fließenden Übergänge wissenschaftlicher Wissenskulturen zu

 Vgl. ebd., .  Vgl. ebd., .  Hagner belegt diesen sich um  nachhaltig vollziehenden Wandel in den veränderten Kategorisierungen der ISIS-Bibliographie: Bis  wurde die Kategorie „Pseudowissenschaft“ aufgeführt,unterder für die Vormoderne Magie, Alchemie, Astrologie, Hexerei, Divination, für das .Jahrhundert Mesmerismus, Phrenologie, Parapsychologie, Okkultismus,Physiognomik, ru- briziert wurden; für das .Jahrhundert wurden unterdieser Kategorie C. G. JungsArchetypen- lehre(aber nicht Freuds Psychoanalyse),Rassenlehre sowie Eugenik aufgeführt.Diese Klassifi- kation bestätigte Pseudowissenschaft als abgrenzbares Feld. Seit  verschwand mit einer grundlegenden Reform die Kategorie Pseudowissenschaft und es wurde für jedes eigenständige Wissensgebiet eine eigene Rubrik gebildet (also Magie, Alchemie, Astrologie etc.),der Bereich „Interdisciplinary works and borderline sciences“ für die Felder „scientific anomalies,discussions of ,pseudoscience‘“ eingeführt sowie ehemals als pseudowissenschaftlich gelabelteWissensge- bietein‚etablierte‘ Disziplinen eingeordnet,soetwa Phrenologie und Psychoanalyse unterPsy- chologie, Kreationismus unter „Scienceand Religion“.Vgl. ebd., –.  Vgl. Wallis:Onthe Margins of Science; Collins/Pinch: The Construction of the Paranormal.  Vgl. Mauskopf/McVaugh: The Elusive Science. Institutionalisierung undParapsychologie 7 erfassen.²⁸ Für diesen Befund ist auch die Geschichte der Parapsychologie ein Beispiel.²⁹ Dies macht sie für die historische Betrachtung besonders interessant, kommen mit ihr doch, auch im Interesse einer symmetrischen Geschichtsschrei- bung,³⁰ verschiedene Gegenläufigkeiten in den Blick. Zugleich können über die Untersuchung vonGrenzwissenschaften wie der Parapsychologie wie unter einem Brennglas generelle Bedingungsweisen, Funktionen und Institutionalisierungen vonWissenschaft ausgemacht und analysiert werden.

2Forschungsstand

Die (Wissenschafts‐)Geschichte vonParapsychologie und Psychical Research hat in den letzten Jahren verstärktesForschungsinteresse aufsich gezogen. Ex- emplarisch stehen dafür Themenhefte renommierter historischer Zeitschriften, die sich dem Feld widmeten.³¹ Vorallem für den Zeitraumvon den Anfängen der wissenschaftlichen Beschäftigung mit paranormalen Phänomenen im Mesme- rismusum1800 bis in die erste Hälftedes 20.Jahrhunderts liegen eine Reihe fundierter historischer Arbeiten vor.³² Dagegen ist die Entwicklunginder zweiten Hälfte des 20.Jahrhunderts bislang kaum systematisch in den Blick vonHistori- kerinnen und Historikern gerückt. Gleichwohl beschäftigten sich Parapsycholo-

 Die historische Verflüssigung der Demarkationslinien und die geforderteradikale Histori- sierungmacht es nicht obsolet,Kriterien zu finden, um wissenschaftsadäquatevon inadäquaten Praktiken und Doktrinen zu unterscheiden. So wirdinals ‚Pseudo-Wissenschaften‘ qualifizierten Wissensfeldern häufig eine bestimmte, trivialisierteForm der Epistemologie der Wissenschaften imitiert,nicht aber derenPraxis der wiederholten kleinteiligen Forschungsarbeit.Infolgedessen giltetwa eine Messreihe oder ein Beleg bereits als Beweis für die Existenz eines Sachverhaltes. Die Vorannahmen, Methoden und Reichweiteder Ergebnisse werden nicht reflektiert und es gibt meist keine breitereoder diskursoffene scientific community. Zentrale Kriterien dessen,was als moderne Wissenschaft seit dem .Jahrhundert gelten darf, werdennicht erfüllt. Vgl. Hagner: Bye-bye Science, Welcome Pseudoscience, .  Vgl. zu den der Parapsychologie zugeschriebenen Attributen – als z.B. Wissenschaft der okkulten Erscheinungen, Grenzwissenschaft der Psyche, phantastische Wissenschaft,deviante Wissenschaft,elusive Wissenschaft oder Pseudowissenschaft – sowie die Versuche einer StandortbestimmungBauer:Zwischen Devianz und Othodoxie.  Vgl. Bloor:Knowledge and Social Imagery.  Vgl. Geppert/Braidt: Ortedes Okkulten(erschienen als Themenheftder „Österreichischen Zeitschrift für Geschichtswissenschaften“ );Valentine: Relations Between Psychical Research and Academic Psychology (als Themenheft der Zeitschrift „History of the Human Science“ ) sowie Lux/Paletschek/Burghartz: Okkultismus und Moderne (als Themenheft der „Historischen Anthropologie“ ).  Vgl. als Überblick Kloosterman: Psychical Research. 8 Anna Lux, Sylvia Paletschek ginnen und Parapsychologen immer wieder mit den auch institutionshistorisch wichtigen Fragen nach Standortbestimmung,Traditionsbildung und Zukunfts- perspektive.³³ Diese Arbeiten sind, auch wenn oder gerade weil sie ausder In- nenperspektive entstanden sind,eine wichtigeGrundlagehistorischer For- schung.³⁴ Der Forschungsstand zur Geschichte der Parapsychologie in den jeweiligen nationalenKontexten ist heterogen; er wird in den einzelnen Beiträgen referiert und soll hier nur kurz umrissen werden. Gut erforscht ist die Geschichte der Pa- rapsychologie in den USA; hervorzuheben ist besonders die profunde Arbeit der Wissenschaftshistoriker Seymour H. Mauskopf und MichaelR.McVaugh.³⁵ Über die Geschichte der Parapsychologie in Frankreich sind für die Zeit bis in die 1930er Jahre fundierte Arbeiten erschienen.³⁶ Über die Entwicklungennach dem Zweiten Weltkrieg hat vorallem Renaud Evrard publiziert,der jüngst zudem eine Ge- schichte der Parapsychologie in Frankreich im 19.und 20.Jahrhundert vorgelegt hat.³⁷ ZurGeschichte der Parapsychologie in den Niederlanden gibt es bislang vor allem Arbeiten ausdem Feld sowie erste wissenschaftshistorische Studien.³⁸ Bezüglich der Geschichte der Parapsychologie in Großbritannien kann neben den Untersuchungen vonBrian Inglis und John Beloff aufdie Arbeiten zu den be- merkenswerten Entwicklungenseit den 1980er Jahren verwiesen werden.³⁹ Zur Geschichte der deutschen Parapsychologie liegen grundlegende Arbeiten bis 1945 vor, so vonHeather Wolffram und Frank-Rutger Hausmann.⁴⁰ Für die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg sind vorallem die historischen Bestandsaufnahmen von Eberhard Bauer zu nennen.⁴¹ Weiterhin entstanden jüngst wissenschaftshistori- sche Aufsätze, in denenvor allem die Disziplinbildungsprozesse sowie die Me- dialisierungsstrategien vonHans Bender im Mittelpunkt standen.⁴² DieSituation der Parapsychologie sowie des Paranormalen ‚im Osten‘ wird in Bezugauf die DDR

 Vgl. exemplarisch Beloff: Parapsychology;Pilkington:Men and Woman; Pilkington: Esprit.  Vgl. Kloosterman: Psychical Research.  Vgl. Mauskopf/McVaugh: The Elusive Science.  Vgl. Brower:The Fantasms of Science; Monroe: Laboratories of Faith; Lachapelle: Investigating the Supernatural; Plas: Psychologyand Psychical Research.  Vgl. etwa Evrard: Parapsychology in France; sowie Evrard: La légende de l’esprit.  Vgl. Tenhaeff: Vijftigjaar;Dongen/Gerding:PSI; Kramer:Het Laboratorium, Teil  und ; Kloosterman: Capturingthe Paranormal Scientifically.  Vgl. Inglis: Scienceand Parascience; Beloff: The Relentless Question; Hövelmann/Schriever: Der leise Revolutionär;Delanoy:Parapsychology.  Vgl. Wolffram: The Stepchildren of Science; Hausmann: Hans Bender.  Vgl. Bauer: Parapsychologie für wen?; Bauer:Hans Bender;Bauer/Lucadou: Parapsychologie in Freiburg.  Vgl. Lux: Vomspielenden Gelingen; Lux: Voninnerer Berufung. Institutionalisierung und Parapsychologie 9 aktuell im Rahmeneines DFG-Forschungsprojekts bearbeitet.⁴³ Die bereits zeit- genössischkontrovers debattierten Psi-Forschungen in der Sowjetunion⁴⁴ wurden (kultur‐)historisch eingebettet in dem 2011 erschienenen Band vonBirgit Menzel und Michael Hagemeister diskutiert.⁴⁵ Die Forschungen zur Disziplin Parapsychologie sind Teil eines in den letz- ten 15 bis 20 Jahren gewachsenen interdisziplinären Interesses an Okkultismus, Spiritismus und dem Paranormalen generell.⁴⁶ Dieseskann zurückgeführt wer- den aufdie Bedeutung esoterischer Bewegungenund Deutungsmuster in der Gegenwart sowie aufeine anhaltende Faszination für das Okkulte in der Popu- lärkultur.⁴⁷ Zugleich steht dieses Interesse im Zusammenhang mit der generell zunehmenden Beschäftigungmit „nicht-hegemonialen Wissenskulturen“ im Zuge der verschiedenen cultural turns in den Geistes-und Sozialwissenschaften. In Bezugauf die Deutung des Okkultismus changieren diese Forschungen zwischen seiner Interpretation als Phänomen „im Schatten der Aufklärung“⁴⁸,als „rejected knowledge“⁴⁹ sowie als integralem Bestandteil der Moderne.⁵⁰ Die Forschungs- arbeiten zur gesellschaftlichen und kulturhistorischen Relevanz vonOkkultismus, Esoterik⁵¹ und New Ageim20. Jahrhundertsind wichtigeReferenzen für die Untersuchung vonParapsychologie und ihre Verschränkungmit gesellschaftli- chen Prozessen wie Säkularisierung, Individualisierung, Fortschrittsgläubigkeit, Medialisierung oder Kritikander Moderne.⁵²

 Vgl. www.okkulte-ddr.de, Zugriff am ...Vgl. weiterhin als erstenVergleich der EntwicklungeninDDR und Sowjetunion Schneider/Anton: Politische Ideologie.  Vgl. Ostrander/Schroeder:PSI; Ebon: PSI in der UdSSR.  Menzel/Hagemeister: The New AgeofRussia.  Vgl. als Überblick Geppert/Braidt: Moderne Magie; Hövelmann: Historische Fallstudien.  Vgl. Hill: Paranormal Media. Das gesteigerte öffentliche Interesseschlugsich auch in einer Vielzahl vonAusstellungenzum Themanieder.Vgl. Zander: L’Europe des esprits;Imorde: Ok- kultismus.  Doering-Manteuffel: Das Okkulte.  Hanegraaff: Esotericism and the Acadamy.  Vgl. u.a. Linse: Geisterseher und Wunderwirker; Sawicki: Leben mit den Toten; Treitel: ASciencefor the Soul; Pytlik: Okkultismus und Moderne.  Vgl. Asprem:The Problem of Disenchantment; Hess:Scienceinthe New Age; Hanegraaff: New Ageand Western Culture.  Vgl. exemplarisch ausden verschiedenen nationalen Kontexten: Küenzlen: Das Unbehagenan der Moderne;Bensaude-Vincent/Blondel: LesSavants face al’Occulte; Stuckrad:Wasist Esoterik?; Edelman: Histoire de la Voyance;Knoblauch: PopuläreReligion; Knoblauch: VomNew Age; Sconce:HauntedMedia; Schmied-Knittel: Satanismus. 10 AnnaLux, Sylvia Paletschek

3Begriffe

Die Geschichte der wissenschaftlichen Beschäftigung mit paranormalen Phäno- menen und Praxen beginnt mit dem Mesmerismusim18. Jahrhundert⁵³ und setzt sich überdie Forschungen im Zuge des Spiritismus fort.⁵⁴ Als erste Institutiona- lisierung der systematischen Erforschung spiritistischer bzw.paranormaler Phä- nomene gilt die „Society for Psychical Research“.Seit ihrer Gründung1882in London hat sich das Feld ausdifferenziert,professionalisiert und spezialisiert. DieserProzess spiegelt sich in der unterschiedlichen Bezeichnung des Feldes, die auch in den Beiträgen des Bandes abhängig vomnationalen und zeithistorischen Kontext deutlich wird. Um 1900 wurden die Forschungen im englischsprachigen Raum als Psychical Research bezeichnet. Analog sprach man im deutschen Sprachraumvon „Psy- chischen Studien“–so lauteteauch der Titel einer ersten, 1874 gegründeten Fachzeitschrift.⁵⁵ Eine alternative Bezeichnung war „wissenschaftlicher Okkul- tismus“,worunter die Beschäftigung mit all jenen „vonder offiziellen Wissen- schaft noch nicht allgemeinanerkannten Erscheinungen des Natur und Seelen- lebens“ verstanden wurde, „deren Ursachen den Sinnen verborgene, occulte, sind.“⁵⁶ Der wissenschaftliche Okkultismus als Vorläufer der Parapsychologie ist begrifflich klar zu trennen vonder heutigen umgangssprachlichenVerwendung des Begriffs. „Okkultismus“ ist heute vollständig vondem wissenschaftlichen Bezuggelöst und das „Okkulte“ ein Containerbegriff, der,soder Religionswis- senschaftler Wouter J. Hanegraaff, „seems to contain everything that partakes of ,the charisma of the unexplained‘,from the in spirits of fairiestopara-

 Vgl. Sziede/Zander:Von der Dämonologie.  Seit Mitte des .Jahrhundertsstandendie „Psychischen Forschungen“ in engerVerbindung mit dem Spiritismus,eine der wichtigsten internationalen Neureligionen des .Jahrhunderts. Die Anhängerdes Spiritismus waren davonüberzeugt,dass die Kommunikation mit den Geistern Verstorbener,mit Bewohnern anderer Planetensowie nichtmenschlichen höheren Wesen möglich ist.Mittels Medien, also medial besonders begabten Personen, die in Séancen befragt wurden, sollten sich die Seelen Verstorbener äußern. Einige der Medien waren aufautomatisches Schreiben oder Sprechen spezialisiert,anderekonntenphysische VeränderungenimRaumher- vorrufen (Klopfgeräusche, Materialisation, Apporte, Levitationen). Vgl. Sawicki: Spiritismus und das Okkulte.Darüber hinaus hatten spiritistische Vorführungeneinen hohen Unterhaltungswert. Vgl. Natale: Geisterglaube.  Die Zeitschrift „Psychische Studien“ wurde  vonAlexander Aksakow(–) gegründet.  Kiesewetter:Geschichte, XI. Institutionalisierung undParapsychologie 11 psychological experiments, from UFOabductions to Oriental mysticism, from vampirelegends to channeling, and so on.“⁵⁷ Im fortschreitenden Verlauf des 20.Jahrhunderts wurden in den verschie- denen internationalen Wissenschaftskulturenvariierende Begriffe für die Erfor- schung des Verborgenen, Okkulten und Paranormalen gebildet.InFrankreich wurde um 1900 zunächstmit sciencespsychiques die analogeBildungzuPsychical Research verwendet.1905 jedoch führte der Medizinprofessor und Nobelpreis- träger Charles Richet (1850 –1935)den Begriff métapsychique ein.⁵⁸ Mit Referenz aufAristoteles’„Metaphysik“ bevorzugte Richet den neuen Begriff, der die Wis- senschaftlichkeit des Gebiets hervorhebe, gegenüber etwa occulte,ein Begriff, der den mysteriösen Charakter der Phänomene betonen und ihnen den Anschein der Nichterforschbarkeit geben würde.⁵⁹ Métapsychique verstand Richet so auch als Markierung des Verwissenschaftlichungsprozesses und er verwendeteden Begriff daher zur Bezeichnung des Forschungsfeldes – als science métapsychique⁶⁰ oder einfach als la métapsychique.⁶¹ Métapsychique setzte sich aufGrundder Bedeu- tung vonRichet in Frankreich durch, prominent repräsentiert im Namen einer der seinerzeit wichtigsten Einrichtungen, dem „Institut Métapsychique International“ (IMI), das 1919 in Paris gegründet wurde. Nach dem Zweiten Weltkrieg etablierte sich jedoch auch in Frankreich, bedingt durch die erfolgreichen statistischen Forschungen in den USA, der Begriff der Parapsychologie.⁶² „Parapsychologie“,dieser nochheute geläufigeBegriff, geht aufeinen Auf- satz des späteren BerlinerPhilosophieprofessors Max Dessoir (1867–1947) von 1889 zurück.⁶³ Doch erst Ende der 1920er/Anfang der 1930er Jahre verfestigteer sich als Disziplinbezeichnung im Zuge der methodologischen Arbeiten vonHans Driesch(1867–1941), Joseph Banks Rhine (1895–1980), Hans Bender(1907–1991) sowie Wilhelm Heinrich Carl Tenhaeff (1894–1981).⁶⁴

 Hanegraaff: „Occult/Occultism“, .  Richet stellteden Begriff im Rahmen seiner Adresse als Präsident der SPR  vor. Vgl. Ri- chet: Traité, .  Vgl. ebd.  Ebd., .  „Alors la Métapsychique sortira de l’Occultisme, comme la chimie s’est dégagéedel’Alchimie. Et nul ne peut prévoir quelle en seral’etonnante destinée.“ Ebd., .  So erschien  eine Bilanz der bisherigenForschungenvon Robert Amadouunterdem Titel „La Parapsychologie“.Amadouunterschied dabei die ‚alte‘ Metapsychique der Vorkriegszeit von der rationelleren und professionalisierten Parapsychologie angelsächsischer Prägung.  Vgl. Dessoir:Die Parapsychologie.  Driesch war Biologe und Naturphilosoph und hatte  eine Methodenlehreunter dem Titel „Parapsychologie“ vorgelegt.  wurde die Zeitschrift „Psychische Studien“ in „Zeitschrift für Parapsychologie“ umbenannt; Tenhaeff gründete  die „Tijdschrift voor Parapsychologie“. 12 AnnaLux, Sylvia Paletschek

Während ‚im Westen‘„Parapsychologie“ zur Bezeichnung des Forschungs- feldes dominierte, wurdeinder Sowjetunion Anfang der 1970er Jahre der Begriff „Psychotronik“ eingeführt.Zur Geschichte des Begriffs liegen kaum Forschungen vor.⁶⁵ Gemeinhin gilt Psychotronik als osteuropäische und sowjetische Alternative zu Parapsychologie, gebildet,umdie okkulten Implikationen des ‚westlichen‘ Begriffszuvermeiden sowie die naturwissenschaftlich-technische Dimension des Forschungsfeldesund seine (auchmilitärische) Nützlichkeit zu betonen.⁶⁶ Aller- dingsersetzte Psychotronik die herkömmliche Bezeichnung Parapsychologie weder im Osten vollständig,noch wurde der Begriff im Westen ignoriert.Vielmehr entstandenunter dieser Bezeichnung in den 1960erbis 1980er Jahren Institu- tionen wie die „Fédération des Organismes de Recherche en Parapsychologie et Psychotronique“,1975inFrankreich gegründet,⁶⁷ oder Zeitschriften wie „Psy- chotronik. Zeitschrift für Grenzfragen vonBewußtsein, Energie und Materie“.Die Zeitschriftwurde Ende der 1970er vondem tschechischen Wissenschaftler Zdenek Rejdák(1934–2004) herausgegeben, die Themen ähnelten denender zeitgenös- sischen Parapsychologie. Für unseren Zusammenhang bemerkenswert ist,dass die Zeitschrift im österreichischen Resch-Verlag erschien und damitexemplarisch ist für den in den 1970er Jahren beginnenden Austausch vonInstitutionen sowie Akteuren der Parapsychologie in Ost und West.Die aufInitiative vonRejdák 1973 gegründete „International Association for Psychotronic Research“ widmete sich dezidiert dem Austausch vonParapsychologen und Psychotronikern ausOst und West in Zeiten des Kalten Krieges.⁶⁸ Die erste vonihr veranstaltete Konferenz fand 1973 in Prag statt,die folgendenjedoch im ‚globalen Westen‘,inMonte Carlo, Japan und Brasilien.Vordiesem Hintergrund ging es bei dem Begriff Psychotronik damit nur teilweise um gegenseitigeAbgrenzung.Wichtiger waren neben der

 Unsere Überlegungen knüpfen hier an die Ausführungenvon Hövelmann: Psychotronik an.  Aufder erstenPsychotronik-Konferenz in Prag  definierteZdenek Rejdák, der Initiator der Veranstaltung,den Begriff wie folgt: „Das Wesen der Psychotronik heißtBionik, d. h. die Ver- wendung elektronischer Geräte in der Biologie. Ihr Hauptziel besteht darin, die Gesetzmäßigkeiten vonder belebten und unbelebten Natur zu vervollständigen, indem man neue psychologische, physikalische und biologische Erkenntnisse, die man über bestimmteaußergewöhnliche Er- scheinungender menschlichen Psyche gewonnen hat,integriert.Ein weiteres Ziel der Psycho- tronik ist die Suche nach praktischen Konsequenzender daran beteiligten Probleme: entweder benützt man den Menschen als Zwischenglied oder man eliminiert ihn und arbeitet mit einer künstlichen Synthese; man entwickeltz.B.einen ‚Generator‘,der diejenige Energie erzeugt,die bei der telepathischen Übertragung beteiligt ist,sobald schlüssignachgewiesen wurde, daß keine der bekannten Energieformen, z.B. elektromagnetischer Art,daran beteiligt ist.“ Das Zitat wurde widergegeben in Bauer: I. Internationale Konferenz, .  Vgl. Evrard: Parapsychology, f.  Vgl. Bauer:I.Internationale Konferenz, . Institutionalisierung und Parapsychologie 13 epistemischen Ebene vermutlich v. a. die technik-und anwendungsbezogenen Implikationen sowie die Funktion, unter diesem ‚unverbrauchten‘ Begriff, For- scherinnenund Forscher vonbeiden Seiten des eisernen Vorhangszusammen- zubringen. Dass der Begriff in den 1980er Jahren weitgehend verschwand,kann daher auch mit dem Ende des Kalten Krieges in Zusammenhang gebracht werden. Nachdem „Parapsychologie“ mehrereJahrzehnte die geläufigeBezeichnung des Feldes war,erfährtdas Forschungsfeld im deutschenund englischsprachigen Raum seiteinigen Jahren eine Ausweitung unter der Bezeichnung „Wissen- schaftlicheAnomalistik“.⁶⁹ Auch die Anomalistik versteht sich als dezidiert wis- senschaftliches Unternehmen und grenzt sich vomMetaphysischenund Reli- giösen ab.⁷⁰ Sie ist interdisziplinär angelegt und widmet sich der Erforschung von wissenschaftlichen Anomalien und deren Rezeption in Wissenschaft wie Gesell- schaft.Nebenden klassischen Forschungsfeldern der Parapsychologie untersucht sie auch Nahtoderfahrungen, Ufo-Sichtungen oder medizinische Anomalienwie Homöopathie, Geister-und Wunderheilung.⁷¹ Neben der inhaltlichen Ausweitung strebt die Anomalistik einen „kontroversen, partnerschaftlichen Dialog“⁷² an. Sie ist somit als Versuch zu verstehen, die mit dem Begriff Parapsychologie verbun- denen Implikationen zu überwinden.Als interdisziplinärer Forschungszugang ist die neue Bezeichnung zudem eine Möglichkeit,die Assoziation zur Psychologie und damit einhergehende thematische und methodische Beschränkungenzu vermeiden und stärker den interdisziplinären Zugriff (nicht nur durch naturwis- senschaftliche, sondern auch durch kultur-und sozialwissenschaftliche Diszi- plinen) zu signalisieren.

4Inhalt des Bandes

Der vorliegende Band untersucht Institutionalisierungen in der parapsycholo- gischen Wissensproduktion in vergleichender Perspektive mit Schwerpunkt auf der zweiten Hälfte des 20.Jahrhunderts. Vordem Hintergrund eines breiten Ver-

 Der Begriff wurde  vondem AnthropologenRoger W. Wescott eingeführt.Vgl. zur Be- deutungdes amerikanischen SoziologenMarcello Truzzi (–)für die Anomalistik zudem Hövelmann: Devianz und Anomalistik.  Als Anomalienwerden Beobachtungen und Erscheinungen verstanden, die den bisherigen theoretischen Vorstellungenund Annahmen über die Welt zu widersprechen scheinen. Vgl. Wunder:Editorial, .  Vgl. Mayer/Schetsche/Schmied-Knitteletal.: Handbuchder Anomalistik; sowie die Beiträgein der seit  erscheinenden „Zeitschrift für Anomalistik“.  Wunder: Editorial, . 14 AnnaLux, Sylvia Paletschek ständnisses vonInstitutionalisierung werden universitäre und außeruniversitäre Einrichtungen, Vereine, Salons sowie filmische Repräsentationen untersucht. Zudem kommen die gescheiterten Versuche der Akademisierung in den Blick, ebenso Anwendungsfelder,persönliche Erfahrungen der Forschenden oder die Gegenbewegungen durch Organisationen vonSkeptikern. Im Anschluss an die Übersicht überdie Beiträgediskutieren wir erste Ergebnisse des Bandes.

Labor und Salon – Frühe Institutionalisierungen

Die Reihung der Beiträgefolgt einer chronologisch-thematischen Ordnung. Den Auftakt bildet der Beitrag von Ulrich Linse,der am Beispiel vonAlbertvon Schrenck-Notzing (1862–1929) und seinem Münchner Kreis ‚klassische‘ Orte der parapsychologischen Wissensproduktion zu Beginn des 20.Jahrhunderts und damit frühe Formen der Institutionalisierung untersucht: Klinik und Schaubühne, Labor und Salon, Vortragssaal und Atelier,indenen parapsychologische Expe- rimente mit Medien vorden Teilnehmern und Teilnehmerinnen ausdem geho- benen Besitz-und Bildungsbürgertum stattfanden. Diese Orte warenkeine sich ausschließendenAlternativen, sondern Handlungsortesich überschneidender geselliger,wissenschaftlicher und künstlerischer Aktivitäten. Gerade in der An- fangsphaseder wissenschaftlichen Disziplinbildung finden wir hier keine, über Räume abgebildete ‚reinliche Scheidung‘ der SphäreWissenschaftvon ande- ren gesellschaftlichenBereichen wieReligion, Kunst oder Unterhaltung. Dieses Amalgam auswissenschaftlicher und künstlerischer Moderne mit okkultistischem Einschlag warein Charakteristikum der Zeit und Parapsychologie infolgedessen ein Teil der kulturellen Moderne.

Beispiele der akademischen Integration der Parapsychologie

Die unter der Rubrik „Abteilung,Professur oder Labor“ zusammenzufassenden vier Beiträge beleuchten die zeitweise erfolgreichen universitären Institutionali- sierungen der Parapsychologie in den Niederlanden, der Bundesrepublik, den USA, in Großbritannien und der Sowjetunion. Der Beitrag von Ingrid Klooster- man untersucht die verschiedenen Stadien der akademischen Institutionalisie- rung der Parapsychologie in den Niederlanden vonden 1920er Jahren bis 2011. Sie stelltdabei eine der grundlegendenFragenzur Erforschung der Geschichte der Parapsychologie: Warum überlebte die Disziplin über100 Jahre, ohne endgültige Legitimation oder aber Ablehnungdurch andere Wissenschaften zu erhalten?Eine Antwort ist,wie das niederländischeBeispiel zeigt,die mehrfache Verschränkung Institutionalisierung und Parapsychologie 15 vonMarginalisierung und Institutionalisierung.Die massenmediale Popularität und die gesellschaftliche Relevanz des Themas beförderten und behinderten gleichzeitigdie wissenschaftliche Etablierung. Sie legitimierten die Erforschung paranormaler Phänomene, bedingten aber gleichzeitig – da große Erwartungen nicht mit stabilen Ergebnissen zusammen kamen – die Marginalisierung durch die ‚orthodoxen‘ Mitgliederder academiccommunity. Marginal war die akademische Institutionalisierung aber auch, da sie nur an wenigenOrten – insbesondere an der Universität in Utrecht – stattfand, die Professuren unbezahlt waren bzw.an- derweitigfinanziert wurden und deren Einrichtung so vonFörderern und Prot- agonisten vorOrt abhängig war.Zudem befürchteten einflussreiche Protagonisten wie Tenhaeff bei einer vollständigen Integration der Parapsychologie den Verlust ihres besonderenCharakters und ein Aufgehen im weiten Feld der Psychologie. Die marginale Position konnteallerdings auch ein Vorteil sein. So kamen dem Fach eine forciertere Wissenschaftskritik und Forderungennach einer Demokra- tisierung der Wissenschaftinden 1960er und 1970er Jahren ebenso zu Gute wie der beginnende Ausbauder Sozialwissenschaften. DieGeschichte der Parapsy- chologie als „institutionalized marginal“ verweist so aufgrundlegende Prozesse wissenschaftlicher Institutionalisierung:auf das Spannungsverhältnis vonwis- senschaftlicher Legitimation und gesellschaftlicher Relevanz in der akademi- schen Positionierung,ebensoauf die Bedeutung vonindividuellen, zum Teil zufälligen Faktoren. Anna Lux untersucht in einer vergleichenden Perspektive die universitäre Integration der Parapsychologie in der Bundesrepublik und in den USA, wobei sich viele Parallelen zwischen diesen beiden nationalenFallbeispielensowie zu den Entwicklungeninden Niederlanden ausmachen lassen. Im Zentrumdes Beitragssteht das 1935 an der Duke University in Durham,N.C.unter der Leitung des Biologen und Parapsychologen Joseph B. Rhine gegründete „Parapsychology Laboratory“ sowiedie 1954 errichteteProfessur für Grenzgebiete der Psychologie an der Universität Freiburg, die Hans Bender innehatte. Der Beitrag zeichnet die komplexen Bedingungsgefüge – Akteure, Strategien, disziplinäreVoraussetzun- gen, politische, hochschulpolitische und gesellschaftliche Kontexte – nach, die zur „völligen Integration“ der Parapsychologie (so die EinschätzungBenders 1968) an beiden Universitäten führte. Allerdings war diese nichtvon Dauer,so dass Parapsychologie auch ausinstitutionshistorischer Perspektive als eine Grenzwissenschaft begriffen werden kann. In ihrem vergleichenden und analy- tischen Teil macht Lux – u. a. unter Rückgriff aufdie Konzepte von Boundary-Work sowie Bourdieus Konzept des sozialen Kapitals und des akademischem Habitus – fünf Dimensionen im Prozess der akademischer Integration aus, die zusammen- kommen mussten, damit die Parapsychologie das akademische Nadelöhr der universitären Institutionalisierung passierenkonnte. 16 AnnaLux, Sylvia Paletschek

Elizabeth Valentine zeichnet in ihrem Beitragdie traditionsreiche Ge- schichte der parapsychologischen Forschung in Großbritannien nach. Sie listet und systematisiert die seit den 1860er Jahren bis zur Gegenwart bestehenden Einrichtungen und unterscheidet dabei nach innerhalb und außerhalb der Uni- versität gegründete Institutionen sowienach deren Nähe zum Spiritismus. Prä- gend war zunächst die 1882 unter Beteiligung bekannterWissenschaftler ge- gründete „Society for Psychical Research“,die nicht nur national, sondern international weit ausstrahlte. In den 1920er und 1930er Jahren entstandenneben privaten Zirkeln und Vereinigungen zwei weitere, privat finanzierte Institutionen zur Erforschung des Paranormalen. Diese beschritten methodologisch unter- schiedliche Wege und setzten sich zum Ziel, eine universitäre Anbindungzuer- reichen, scheiterten jedoch. Ihre akademische Anerkennungerfolgte eher durch einzelne,z.T.renommiertePersonen, nichtdurch etablierte akademische Insti- tutionen, konstatiert Valentine. Erst mit der Einstellung des Parapsychologen John Beloff (1920–2006) 1962als Lecturer für Psychologie in Edinburgh gelang eine erste universitäre Anbindung; durch die Einrichtung einer Stiftungsprofessur 1985 und den Aufbauder „Koestler ParapsychologyUnit“ unter der Leitung vonRobert L. Morris (1942–2004) konnte die akademische Integration ausgebaut werden. Birgit Menzel richtet den Blick aufdie reiche Geschichte der Parapsycholo- gie in der Sowjetunion und im nach-sowjetischenRussland, wo von1917bis zur Gegenwart eine kontinuierliche Beschäftigungmit dem Paranormalen stattfand – mit oder ohne staatliche Unterstützung, in der Öffentlichkeit oder unter strenger Geheimhaltung.Besonders während der Sowjetzeit musste sich die parapsycho- logische Forschung stets als naturwissenschaftlich-technisch und praxisorientiert legitimieren, insbesondere in ihrer militärisch-strategischen Anwendung. Die kontinuierliche Präsenz des Themas und die unterschiedlichen Institutionali- sierungen der Erforschung des Paranormalen in der Sowjetunionbilden eine bemerkenswerteDifferenz zu den Entwicklungeninder DDR,wobeides weitge- hend unterbunden wurde, wie der Beitrag vonIna Schmied-Knittel, Andreas Anton und Michael Schetsche zeigt.Die Gründe für die starke Präsenz des Par- anormalen in der Wissenskultur der Sowjetunionsieht Menzel unter anderem in einer unvollständigen Säkularisierung, in der Bedeutung indigener Völker und ihrer Kulturen, einerstarken Verankerungvon utopischem Denken in der So- wjetunion sowie in fließenderen Übergängenzwischen Wissenschaft, Religion und Spekulation. Menzel führt letzteres am Beispiel vonVasilij Nalimov (1910 – 1997) als exzeptionellem Denker eindrucksvoll vorAugen. Aber auch geheim- dienstlich-militärische Interessen bei der Beschäftigung mit Parapsychologie und die weltanschaulich-politische Konkurrenz zur USAwarenbedeutsam für die spezifische Entwicklunginder Sowjetunion. Institutionalisierung undParapsychologie 17

Verhinderungen von akademischer Integration undInstitutionalisierung

Drei nationale Fallbeispiele – Frankreich, Ungarn und die DDR – beleuchten exemplarisch unterschiedliche Formen der verhindertenakademischen Inte- gration der Parapsychologie im 20.Jahrhundert,die ausunterschiedlichen epis- temischen, gesellschaftlichen und politischen Kontexten resultierte. Renaud Evrard zeigt,wie in Frankreich, wo um 1900 die neue wissenschaftliche Disziplin der Psychologie nochuntrennbar mit métapsychique verbunden war,imLaufe des 20.Jahrhunderts in mehreren Etappen eine rigide Boundary-Work einsetzte. Im Zuge dessenwurde die Parapsychologie als Heterodoxie und Pseudowissenschaft markiertund im historischen Rückblick ausder Fachgeschichte ausgegrenzt. Damit verliefinFrankreich die Professionalisierung und Anerkennungder Psy- chologie als wissenschaftliche Disziplin parallel zur Ausgrenzung der Parapsy- chologie, wobei sich auch am französischen Beispiel zeigt,dass die Marginali- sierung teilweise auch vonParapsychologen selbst vollzogen wurde. Durch den Einfluss des phantastischen Realismus in den 1960er Jahren und im Zuge der Studentenbewegungöffnete sich der universitäre Raum kurzzeitigfür parapsy- chologische Lehreund Forschungen. Vorangetriebene wurde diese Entwicklung durch einzelne Protagonistenwie RémyChauvin (1913–2009) sowiedurch Stu- dentengruppen. Evrard schließt seinen Beitrag mit einem interessanten analyti- schen Modell, das über den engeren Gegenstand hinausweist und am Beispiel der Parapsychologie sechs Funktionen aufzeigt – scarecrow,controlgroup,sweep vehicle, subversion, touchstone, pathfinder –,die heterodoxe Wissensbestände für wissenschaftliche Disziplinbildung und Innovation im 20.Jahrhunderthaben konnten. Júlia Gyimesi führt am Beispiel der Parapsychologie in Ungarn vorAugen, wie die Institutionalisierung parapsychologischer Forschungen verhindert wurde – zunächstdurch den seit Ende des 19.Jahrhunderts weit verbreiteten Spiritis- mus, der stark religiös-christlich und moralisch geprägt war, nach Ende des Zweiten Weltkrieges durch das kommunistische Regime. Seit den 1930er Jahren entstandenauch in Ungarn Vereinigungen, die sich parapsychologischenFor- schungen widmeten, ebenso mehrere, allerdings meist kurzlebigeZeitschriften. Zudem stellteneinflussreiche, ‚hegemoniale‘ Wissenschaftler wie der Chemiker Elemér Chengery Pap (1869–?) oder der Psychoanalytiker und Freud-Schüler SándorFerenczi (1873 – 1933)parapsychologische Experimente an, so dass sich Ansätze einer Akademisierung zeigten. Diese kamen allerdings (u. a. durch den Todvon Ferenczi) zum Erliegen. In den 1940er Jahren formiertesich zudem eine Allianz auschristlichem Spiritismus,Antisemitismus und Nationalismus inner- halb der metapsychischen Zirkel, die weitere Forschungen behinderte. Nach 1945 brachte die Herrschaft der Kommunisten das Verbot für jeglichespiritistische und 18 AnnaLux, Sylvia Paletschek parapsychologische Vereinigungen. Gegner parapsychologischerForschungen waren jedoch nichtnur die Kommunistische Partei, sondern auch einflussreiche Akademiker und Psychologen. Erst nach dem Systemwechsel 1989 wurde die Beschäftigung mit dem Paranormalen wieder öffentlich sichtbar – in privaten Vereinen, in den Medien, aber auch an der Universität. „Institutionalisierung ausgeschlossen“–zu diesemErgebniskommen Ina Schmied-Knittel, Andreas Anton undMichael Schetsche in ihrem Beitragüber Erfahrungenund Praktiken im Umgangmit paranormalen Wissensbeständen in der DDR.Okkulte, esoterische oder parapsychologische Themen galten im szi- entistischen und atheistischen Diskurs der DDR-Führung als Aberglaube und wurden offiziell diskreditiert.Den Kampfgegen das Paranormale erklärendie Autoren und die Autorin ausden besonderenAnstrengungen zur Absicherungder offiziell geltenden Wirklichkeitsordnung und des epistemischen Regimes, das durch den Marxismus-Leninismus und die zentralen Ideologeme Antifaschismus, Materialismus sowie Szientismus gekennzeichnet war.Die Auseinandersetzung mit Aberglauben und Okkultismus war zudem Bestandteil der ideologischen Auseinandersetzung mit dem Westen: Spätestens in den 1970er Jahren wurde auch die Okkultismus-Debattezueiner Bühne, aufder „der (Klassen‐)Kampf um die Wirklichkeit“ inszeniert wurde. Institutionalisiert war in der DDR daher allein die öffentliche Delegitimierung der Parapsychologie und ihrer Themen. Dies ver- hinderte jedoch nicht,dass in der Lebensweltder DDR-Bevölkerungdurchaus ein, wenn auch kleiner ‚okkulter Untergrund‘ existierte, getragen vonVolksglauben, persönlichenErfahrungen, non-konformem Protest gegenüber dem szientisti- schen Wissensregime oder beeinflusst durch Ereignisse wie die „Uri-Geller-Welle“, die über das Fernsehenindie DDR schwappte. Die Ausführungen über die (zeitweise) erfolgreichen wie verhinderten uni- versitärenInstitutionalisierungen zeigen, dass die Grenzen innerhalb dieser Prozesse keineswegsreinlich zwischen Ost und West verliefen, sondern vielmehr generell gesellschaftliche Prozesse wie Säkularisierungsowie dasVerhältnis von Staat und Kirche vonzentraler Bedeutung sein konnten. Vordiesem Hintergrund waren v. a. hinsichtlich der akademischen Institutionalisierung die Parallelen zwischender DDR und Frankreich größer als die zwischenDDR und Sowjetunion.

Vereine undwissenschaftliche Gesellschaften – Institutionalisierungen von Förderern und Kritikern

Die meist singuläre akademische Integration der Parapsychologie aufnationaler Ebene machte die internationale Vernetzung des Fachs umso wichtiger. Eberhard Bauer untersucht zwei in den 1950er Jahren entstandene internationale Vereini- Institutionalisierung und Parapsychologie 19 gungen zur Förderungder Parapsychologie. Es handelt sich dabei um die 1951auf Initiative und durch die Stiftungsmittel vonzwei Mäzeninnen, der mediumistisch veranlagten Verlegerin und Autorin Eileen Garrett (1893–1970)sowieder Phil- anthropin und Kongressabgeordneten Frances P. Bolton (1885–1977), gegründete „ParapsychologyFoundation“.Über die Stiftung sollteder wissenschaftliche Nachwuchs und die Durchführung voninternationalen Fachkonferenzen geför- dert werden. Als weitere internationale Organisation wurde 1957,angeregt durch J.B. Rhine,die „Parapsychological Association“ als interdisziplinäreund inter- nationale Organisation der im wissenschaftlichen Kontext tätigen Forscher und Forscherinnengegründet.Ziel dieser Vereinigung war und ist es, Wissen über paranormale Phänomene zu erweitern und die Forschung interdisziplinär zu verankern. Hauptaufgabe der „Parapsychological Association“ war und ist die Durchführung einer jährlichen internationalen und interdisziplinärenTagung, die neue Forschungsmethoden und Ergebnisse thematisiert.Mit dieserEinrichtung schuf die parapsychologische community ein Forum, das sich über Methoden, Forschungsfragen, experimentelle Anordnungenund Modellvorstellungenver- ständigt.Eszeichnetsich allerdings kein Konsens in Bezugauf die Interpretation der Phänomene ab.Vielmehr divergieren die Einstellungenhinsichtlich der me- thodischenZugänge,der empirischen Evidenz oder dem epistemologischen und ontologischen Status paranormaler Phänomene. Nicht nur die an der wissenschaftlichen Erforschung paranormaler Phäno- mene Interessierten, auch die Kritiker und Gegner der Parapsychologie organi- sierten sich national und international. Martin Schneider untersucht am Beispiel der in der Bundesrepublik 1953gegründeten „Deutschen Gesellschaft Schutz vor Aberglauben“ (Degesa) den Kampf dieser „Soldaten der Aufklärung“ gegendie Parapsychologie in den 1950er und frühen 1960erJahren. Mit der Degesa vollzog sich in Deutschland der Wandel vomokkult-kritischen Diskurs,der den „wis- senschaftlichen Okkultismus“ seitdem späten 19.Jahrhundertbegleitet hatte, zur organisiertenBewegung.Ihre Angriffe richtetedie Degesa insbesondere gegen den Parapsychologen Hans Bender, der durch seine Arbeiten öffentliche Auf- merksamkeit aufdas Themazog und in den Augen der Degesa dem Aberglauben Vorschubleistete. Durch Zeitungsartikel, Buchpublikationen, (Fernseh‐)Auftritte sowie in Gerichtsprozessen griff die Degesa in den öffentlichen Diskurs über das Paranormale ein und nährte so die ohnehin vorhandene Skepsis gegenüber der Disziplin Parapsychologie. Damit gelang es ihr,zumindest in Teilen der jungen Disziplin öffentliche Akzeptanz zu entziehen und ihren Expertenstatus zu dele- gitimieren. 20 AnnaLux, Sylvia Paletschek

Verwertungen und Fiktionalisierungen von Parapsychologie

Die Fragenach der Anwendungsorientierung war auch für die Parapsychologie höchst relevant.Sie organisierte daher therapeutische Angebote (unter dem Stichwort „Psychohygiene“)und verwendeteZeit und Ressourcen auföffentliche Aufklärung und Information. Ein anderes Anwendungsfeld bot der Bereich Militär und Geheimdienst,wie die Forschungen in der Sowjetunion oder die Pendelver- suche zur Ortung vonU-Booten während des Nationalsozialismus vorAugen führen. UweSchellingers Beitrag beleuchtet mit den zeitweisen Versuchen, Kriminaltelepathie in die Polizeiarbeit zu integrieren, einen weiteren Anwen- dungsaspekt der Parapsychologie. Die in den 1920er Jahren im deutschsprachigen Raum überraschend verbreitete Untersuchung vonVerbrechen mit Hilfe von Hellsehern oder Telepathen war eine umstrittene Methode der Ermittlungsarbeit, vonder sich einigeKriminalisten jedoch innovativesPotential versprachen.An- hand vonFallstudienaus den 1920er bis 1950er Jahren kann Schellinger zeigen, dass trotzunbefriedigenderResultateund kontroverser Diskussionen paranor- male Fähigkeiten wiederholt für die polizeiliche Ermittlungsarbeit eingesetzt wurden. Phasen ernsthafter Versuche,diese Praxisals anerkannteKriminal- technologie zu nutzen, wechselten sich mit Phasen der dezidierten Ablehnungab. Diese wiederkehrenden Anstrengungen, den Kriminalmediumismus in der Poli- zeiarbeit zu institutionalisieren, können als eine fortlaufende, nicht zum Ab- schluss kommende „mediumistische Probe“ (Erhard Schüttpelz) begriffen wer- den. Fiktionalisierungen paranormaler Phänomene sowie utopische Vorstellun- geneinerNutzung parapsychologischer Erkenntnisse in Film und Literatur be- gleiteten die Fragenach der Anwendungsorientierung.Fiktionalisierungen er- öffneten so einen Raum potentieller Praxis und diskursiverAuseinandersetzung. Natascha Adamowsky geht der Fragenach, wie die wissenschaftliche Beschäf- tigungmit dem Okkulten im Film dargestelltwurde. Sie konstatiert zunächst, dass die Erforschungparanormaler Phänomene weit seltener ThemaimFilm ist als das Okkulte und Paranormale selbst.ImMittelpunkt ihrer Analysesteht der preis- gekrönteSpielfilm „The Stone Tape“ des englischen Dramatikers und Dreh- buchautors NigelKneale (1922–2006), der 1972 vonder BBC ausgestrahlt wurde. In diesem Film wurde das in den 1970er Jahren viel diskutiertePhänomen der „Tonbandstimmen“ aufgegriffen und die Spannungzwischen moderner Labor- wissenschaft und dem Außergewöhnlichen thematisiert.AmBeispiel weiterer Filme und Serien seit Mitte der 1950er Jahre untersucht Adamowsky, wie das Verhältnis vonWissenschaftund Paranormalem behandelt wird.Vielfach zeigen die Filme das Scheitern der Forschungen und damit die Begrenztheit wissen- schaftlicher Verfahren sowie die Grenzen des modernen Subjekts. Allerdings: Institutionalisierung und Parapsychologie 21

Sobaldinden Filmen Außerirdische als äußere Bedrohungins Spiel kommen, werden Wissenschaft und Technik – oft gepaart mit dem Einsatz paranormaler Kräfte – durchaus erfolgreich im Kampf um das Überleben der Menschheit ein- gesetzt.Wie Adamowsky abschließend am Film „Red Lights“ (2012)herausar- beitet,scheint im Film der einzigeWeg, dem Okkulten aufErden erfolgreich zu begegnen nicht der des Wissenschaftlers zu sein,sondern der des medial Be- gabten. Dieser gehöre jedoch nicht in die Disziplinaranordnungdes Labors, sondern in die massenmediale Ligader Superhelden.

VomLeben im Gehäuse – Erinnerungen undErfahrungen

Die abschließende Sequenzdes Bandes stellen zwei Beiträgedar,die in unter- schiedlichen Perspektivenpersönliche Erfahrungen in der wissenschaftlichen Beschäftigung mit dem Paranormalen aufzeigen. Bernd Wedemeyer-Kolwe behandelt am Beispiel des Göttinger Volkskundeprofessors Helmut Möller(1926– 2013) einen Außenseiter und Vorreiter der volkskundlichenund kulturwissen- schaftlichen Okkultismusforschung in den 1960er bis 1980er Jahren, also in einer Zeit,inder das Feld in den Geschichts- wie Kulturwissenschaftenweitgehend ignoriert und als unseriös abgetan wurde.Wedemeyer-Kolwebeschreibt Möller als diskreten GelehrtenimSpannungsverhältnis vonpersönlichemInteresse und akademischer Ausgrenzung, der die Wahl seiner Themen mit gründlicher For- schung,dem (nicht publikationsfreundlichen) Hang zum Perfektionismus sowie einem hohem Anspruchanseine Schüler und Schülerinnen verband.Als „Meis- ter des Indirekten“ schuf er in Göttingen eine Nische für die Beschäftigungmit dem Okkulten in Lehreund Forschung und steht damit exemplarisch für die graduelle akademische Integration vonOkkultismusforschung im deutschsprachigen Raum. Eine „Suche nach Ordnungund Lust an der Anarchie“–aufdiesen Punkt brachten Anna Lux undEhler Voss ihr Interview mit dem Parapsychologen und Wissenschaftshistoriker Eberhard Bauer (*1944). Bauer studierte Psychologie, Medizin, Philosophie und Geschichte und war seit Mitte der 1960erJahre zunächst als Student vonHans Bender, dann als Mitarbeiter am Freiburger „Institut für Grenzgebiete der Psychologie und Psychohygiene“ (IGPP) tätig.ImZeitzeugen- interview werden die Veränderungen in der Parapsychologie, insbesondere am FreiburgerInstitut, während der letzten Jahrzehnte reflektiert.Eswerden Fragen zur Motivation, sich mit Parapsychologie zu beschäftigen, ferner zur Evidenz paranormaler Phänomene, zur Finanzierung, zur akademischen Institutionali- sierung und wissenschaftlichen Anerkennungder Parapsychologie sowie zu ih- rem Verhältnis zu Öffentlichkeit,Medien und Kritikern gestellt. Dabei warenes 22 AnnaLux, Sylvia Paletschek vorallem philosophische und erkenntnistheoretische Fragestellungen, wissen- schaftlicheNeugier,die Lust an der Anarchie, aber auch die offene Fragenach dem Wirklichkeitscharakterund der Ontologie paranormaler Phänomene, die Bauer zur Parapsychologie brachten und im Feld hielten. Ausinstitutionshistorischer Sicht interessant sind jene Aussagen, nach denenesimmer das Ziel des Freiburger Institutswar,das unorthodoxe Gebiet in der wissenschaftlichen Forschung zu etablieren und die Wissensproduktion aufDauer zu stellen. Die universitäre An- bindungwurde jedoch auch ambivalent gesehen angesichts der mit der akade- mischen Integration einhergehenden Zwängeund Disziplinierungen, die im Ge- gensatz standen zu der doch größeren Autonomie einesüber Stiftungsgelder finanzierten Forschungsinstituts.

5Ergebnisse, Synthetisierungenund Desiderate

An der wechselhaften Geschichte des Fachs wird deutlich, dass sich die Para- psychologie im 20.Jahrhundert permanent zwischen den Polender Integration als Fachwissenschaft und der Ausgrenzung als ‚Pseudo‘-bzw. ‚Nicht-Wissenschaft‘ bewegte. Die Frage, ob es eine Wissenschaft des Okkulten geben könne oder sollte, wurde nichtabschließend entschieden, sondern unter veränderten zeithistori- schen Konditionen immer wieder aufs Neue aufgerollt. Im Zuge dessenwar die akademische Institutionalisierung phasenweise erfolgreich,wurde dann jedoch wiederzurückgeschnitten. Die konkreten Entwicklungenwaren dabei eng an die jeweiligenzeithistorischen sowie nationalen Kontextegebunden. EinigeErgeb- nisse sollen im Folgenden zusammengefasst und Desiderate aufgezeigt werden.

5.1 Institutionalisierungsformen

Zunächstkönnen verschiedene Institutionalisierungsformen der Parapsychologie für das 19.und 20.Jahrhundertunterschieden werden. Deren Einteilung ist ver- gleichbar mit der anderer Disziplinen.⁷³ Erstens entstanden seit dem letzten Drittel des 19.Jahrhunderts außeruniversitäre wissenschaftliche Einrichtungen, die sich der Erforschung paranormaler Phänomene widmeten. Die älteste ist die „Society for Psychical Research“,1882 in London gegründet,mit nationaler wie interna- tionaler Ausstrahlung. Nach ihrem Vorbild entstandenwissenschaftliche Gesell-

 Die Untergliederungist orientiert an Lingelbach: Institutionelle Rahmenbedingungen, – . Institutionalisierung undParapsychologie 23 schaften auch in anderen Ländern, einigebestehen bis heute.⁷⁴ Im Zuge der zu- nehmenden Professionalisierung der Parapsychologie wurde 1957 die „Parapsy- chological Association“ (PA) als internationaler Fachverband gegründet,der heute etwa 250Wissenschaftlerinnenund Wissenschaftler ausNatur-, Human- und Sozialwissenschaften, darunter ca. 30 Prozent Psychologen angehören. 1969 wurde die PA in die weltweit größte wissenschaftliche Gesellschaft,die „American Association for the Advancement of Science“,aufgenommen.⁷⁵ Zweitens fand seit den 1930er Jahren die Integration des Fachs an Universitäten statt(siehe unten). Im Zuge dessen entstandenakademische Institutionalisierungen wie Professu- ren, Abteilungen und Laboratorien in den USA, in Deutschland, den Niederlanden und Großbritannien, aber auch in der Sowjetunion. Eine dritte Form der Institu- tionalisierung warenund sind Einrichtungen wie Bibliotheken, Archive sowie Stiftungen, die wichtigeinfrastrukturelle, fördernde, aber auch traditions-und identitätsbildende sowielegitimierende Funktionen haben. Bibliotheken und Archive waren und sind meist an privateVereine und Gesellschaften gebunden, haben aber vielfach eine eigene Geschichte.⁷⁶ Eine der wichtigstenStiftungen ist die 1951inNew York gegründete „ParapsychologyFoundation“.⁷⁷ In diesem Zu- sammenhang sind weiterhin fachfremde, staatliche oder privateOrganisationen zu nennen, die parapsychologische Forschung zwischenzeitlich förderten, so die „Rockefeller Foundation“ oder die „Deutsche Forschungsgemeinschaft“ (DFG). Als wissenschaftliche Institutionen müssen viertens die seit dem späten 19.Jahr- hundertentstandenen wissenschaftlichen Zeitschriften ergänzt werden. Vielfach führten die jeweils nationalenFachgesellschaften und -vereinigungen eigene Zeitschriftenein, um alternative Kommunikationsforen zu bilden, etwa das „Journalofthe Society for Psychical Research“ oder die vom „InstitutMétapsy- chique International“ herausgegebene „Revue Métapsychique“,die bis in die 1980er Jahre bestand. Im deutschsprachigen Raum nach dem Zweiten Weltkrieg ist besonders die „Zeitschrift für Parapsychologie und Grenzgebiete der Psycho- logie“ zu nennen, die 1957 gegründet wurde und bis heute erscheint.⁷⁸

 Vgl. Livreblanc.  Vgl. Bauer:Gegen den Strom, .  Vgl. exemplarisch Schellinger: Die ‚Sonderaktion Heß‘.  Vgl. Alvarado/Coly/Colyetal.: Fifty Years.  Die Jahrgänge der „Zeitschrift für Parapsychologie und Grenzgebiete der Psychologie“ bis ins Jahr  sowie eine Reihe weiterer deutschsprachigerFachzeitschriften, die seit den er Jahrenerschienen sind, finden sich digitalisiert aufder Websiteder UB der FreiburgerAlbert- Ludwigs-Universität (z. B. „Sphinx“, „Zeitschrift für kritischen Okkultismus“ sowie „Neue Wis- senschaft“). Vgl. www.ub.uni-freiburg.de/recherche/digitale-bibliothek/freiburger-historische-be staende/parapsychologie/, Zugriff am ... 24 AnnaLux, Sylvia Paletschek

Neben den wissenschaftlichen Institutionen besteht fünftens eine Vielzahl vonEinrichtungen der ‚praktischenParapsychologie‘.Indiesen Einrichtungen interessierterLaien geht es um die praktische Beschäftigung mit paranormalen Phänomenen, wobei parapsychologische Forschungsergebnisse rezipiert werden. Diese Einrichtungen können den Charakter vonprivaten Zirkeln, teilöffentlichen Vereinigungen oder eingetragen Vereinen haben. Sie weisen eine unterschiedlich langeLebensdauer auf, zum Teil gruppieren sie sich um Integrationsfiguren. Für den deutschsprachigen Raum seien lediglich zwei Beispiele mit längerer Ge- schichte genannt: Der „Basler Psi-Verein“ entstand ausder 1967gegründeten „Parapsychologischen Arbeitsgruppe Basel“,die Vorträgeüber Parapsychologie organisierteund eine eigene Zeitschrift herausgab. In den 1980er Jahren weite- ten sich die Aktivitäten des Vereins aus – vonklassischen parapsychologischen Themen hin zu spirituellen und esoterischen Angeboten; zwischen 1983bis 2006 veranstaltete der Verein die „Basler Psi Tage“,einen Kongress, der Wissen- schaftler, Praktiker und breiteÖffentlichkeit zusammenbrachte.⁷⁹ Ein zweites Beispiel ist der 1975 gegründete „Verein für Transkommunikations-Forschung“,⁸⁰ der das seinerzeit hochaktuelle Phänomender „Tonbandstimmen“ aufgriff und bis heute besteht.⁸¹ Als privateInstitutionalisierungen sind hier auch jene Ver- einigungen anzusiedeln, die sich als Skeptiker der Parapsychologie bezeichnen. Die größte ist CSICOP,das „Committee for Skeptical Inquiry of Claims of the Paranormal“,gegründet 1976 in den USA;⁸² eine frühere Institutionalisierung im deutschsprachigen Raum war die „Deutsche Gesellschaft Schutz vorAberglau- ben“,die 1953gegründet wurde.

 Vgl. die Websitedes Vereins: www.svpp.ch/content/BPV-geschichte.html, Zugriff am .. .  Vgl. die Websitedes Vereins:www.vtf.de, Zugriff am ...  Das umstrittene Phänomen bezog sich aufStimmen und Geräusche, deren Herkunft ungeklärt ist und die aufTonband gespeichert wurden. Diese Stimmen und Geräusche waren während der Aufnahme nicht zu hören, jedoch bei der Wiedergabe als leise „Einspielungen“ zu erkennen. Die Stimmen wurden vielfach als Äußerungenvon Verstorbenen gedeutet.Entdeckt wurde das Stimmenphänomen durch den schwedischen OpernsängerFriedrich Jürgenson (–), der sie in seinem  erschienen Buch „Sprechfunk für Verstorbene“ als eine „dem Atomzeitalter gemäße Form der praktischen, technisch-physikalischen Kontaktherstellung mit dem Jenseits“ bezeichnetund für Aufsehen gesorgt hatte. Jürgenson wurde vondem FreiburgerParapsychologen Hans Bender mehrfach untersucht,der für die Einspielungen allerdingsnicht Verstorbene, son- dern paranormaleFähigkeiten verantwortlich machte.  Vgl. Hansen: The Trickster, –. Institutionalisierung und Parapsychologie 25

5.2 Phasen der akademischen Institutionalisierung

Wissenschaftliche Disziplinbildungverlief seit dem 19.Jahrhundert generell über mehrereEtappen. Zunächstwaren es in einemFrühstadium meistFachzeit- schriften und wissenschaftliche Vereinigungen, die den Auftakt zur Entstehung eines Netzwerks und die Möglichkeit des kommunikativenAustauschs zur Ver- handlungvon Methodenund Untersuchungsgegenstand bildeten. Weitereinsti- tutionelle Verfestigungenstellten die Gründungvon (zunächst meist privaten) Forschungsinstitutensowie die EntwicklungeinerForschungsinfrastruktur,z.B. in Form vonBibliotheken, dar.Eine universitäre Institutionalisierung begann häufig übererste Qualifikationsarbeiten (in der Regel Promotionen, im deutsch- sprachigen Raum auch Habilitationen) sowie über einzelne Professoren oder Dozenten, die, noch ohne eine entsprechende Denomination, das neue Feld in Forschung und Lehreeinbrachten. Die Errichtung besoldeter Professuren oder Dozentenstellen sowie die Aufnahme des neuen Fachs in Prüfungs- und Studi- enordnungen waren weitere ‚harte‘ Schritte in der Etablierung vonDisziplinen.⁸³ Auch die Parapsychologie durchlief alle diese Etappen, allerdings nur an ein- zelnen Orten und auch dort weitgehend singulär.

Frühphase der Disziplinbildung (ca. 1870er bis 1920er Jahre)

In einer ersten Phase der wissenschaftlichen Disziplinbildung entstandenim letzten Drittel des 19.Jahrhunderts ausdem Interesse an der Erforschung spiri- tistischer Phänomene herauserste Zeitschriften und Vereinigungen. Am wirk- mächtigsten und aufandere nationale Entwicklungen ausstrahlend, war die mehrfach erwähnte „Society for Psychical Research“.Diese in nationalen Kon- texten gegründeten Vereinigungenund Zeitschriften waren vielfach an interna- tionalem Austausch interessiert,ein Merkmal, das sich auch im weiteren Ver- wissenschaftlichungsprozess erhalten sollte. Versucht man, die institutionellen Entwicklungenmit epistemischen zu überschneiden, so ist diese Phase vorallem durch Experimente mit Medien geprägt.Kennzeichnend war weiterhin, dass die Grenzen zwischen Labor und Salon, zwischen Wissenschaft und Unterhaltung, aber auch zwischen Wissenschaftund Religion noch nicht verfestigt waren. Zwar beschäftigten sich einigeanUniversitäten etablierteWissenschaftler mit dem Paranormalen und z.T. fanden in universitären Räumen Untersuchungen mit

 Vgl. Hartig/Janßen/Müller-Benedict et al.: Wasbeeinflusst die Entstehung, ;sowie grund- legend Stichweh: Wissenschaft; Weingart: Wissenschaftssoziologie. 26 AnnaLux, Sylvia Paletschek

Medien oder VorträgezuThemen des wissenschaftlichen Okkultismus statt,⁸⁴ doch kann damit noch nichtvon einer universitären Institutionalisierung ge- sprochen werden.

Hochphase der Parapsychologie (1930er bis 1970er Jahre)

Seit den 1920er Jahren verdichteten sich die Anzeichen einer universitären Ins- titutionalisierung.Zunächstwaren es einzelne Universitätsprofessoren, so in Tübingen der Philosophund PsychologeTraugott Konstantin Oestreich (1880 – 1949) sowie in Leipzigder NaturphilosophHans Driesch, die in ihrer Lehre und Forschung parapsychologische Themen in die Universität hineintrugen.⁸⁵ Erste Qualifikationsarbeiten entstanden in den 1930er Jahren, etwa die Promotionen vonBenderund Tenhaeff.Weiterezentrale Schritte der universitären Institutio- nalisierungwaren die Einrichtung des „ParapsychologyLaboratory“ 1935 an der Duke University im amerikanischen Durham, die Schaffung vonProfessuren für das Themenfeld in Utrecht 1953sowie Freiburg1954,die Aufwertungder FreiburgerProfessur 1967zum persönlichenOrdinariat,die Einrichtung einer zweiten Professur für Parapsychologie an der Universität Utrecht 1974.Diese Prozesse waren jedoch nicht aufWesteuropa und die USAbeschränkt. Vielmehr wurde nach Ende des Stalinismus auch in der Sowjetunion insbesondere im militärisch-technischen Bereich die Erforschungparanormaler Phänomene vor- angetrieben und entsprechende Einrichtungen gegründet.Neben diesen univer- sitären Institutionalisierungen erfolgte die Gründungprivater Einrichtungen wie des FreiburgerIGPP 1950,der „Parapsychological Association“ 1957 oder der „ParapsychologyFoundation“ 1954 sowie weiterer Fachzeitschriften. Damit kennzeichnetediese Phase sowohl eine fortschreitende Verwissenschaftlichung und universitäre Integration aufnationaler Ebene wie auch eine fortgesetzte In- ternationalisierung. In dieser zweiten Phase, die durch akademische Institutionalisierung und disziplinäreKonsolidierung gekennzeichnet war,können für die 1930er,die 1950er sowie die 1970er Jahre besondere Konjunkturen ausgemacht werden. Gerade nach Ende des Ersten und Zweiten Weltkrieges sowie in den 1970er Jahren ließen sich „okkulte Wellen“ feststellen, die sich in einemgesteigerten gesellschaftlichen Interesse an okkultenPhänomenen und Praktiken manifestierten und Akademi-

 Ein Beispiel sind die Experimente des FreiburgerMedizinprofessors Max Schottelius mit dem angeblichen Hellseher Ludwig Kahn. Vgl. Schellinger: Faszinosum.  Vgl. Wolffram: The Stepchildren of Science, –. Institutionalisierung und Parapsychologie 27 sierungsprozesse anschoben.Während des Kalten Krieges griff die Konkurrenz der Systeme auch aufdas Gebiet der Psi-Forschung über und beförderte entspre- chende Forschungen wie Institutionalisierungen.WichtigeVoraussetzungwar ein Paradigmenwechsel im Forschungsdesign und die ‚Vernaturwissenschaftlichung‘ der Methoden im Zuge der Forschungen an der Duke University in den USA. Neben den wenigen Fällen einertatsächlichen universitärenInstitutionali- sierung der Parapsychologie fand in dieser Phase auch in anderen Universitäten eine Beschäftigung mit dem Paranormalen statt,ohne dass diese institutionali- siert war.Exemplarisch kann eine Aufzählungaus den 1960erJahren genannt werden, nach der an 75 Universitäten und Colleges in den USAparapsychologische Forschungen oder Lehrveranstaltungenstattfanden.⁸⁶ Selbst in Frankreich, wo die Abgrenzungsprozesse zwischen Psychologie und Parapsychologie besonders scharf waren, bildete sich in Paris im Zuge der 68er Bewegungdie „Groupe d’Etudes et de Recherches en Parapsychology“ an der Universität Nanterre. Auch die 1969erfolgte Aufnahme der „Parapsychological Association“ in die „American Association of the Advancement of Science“ weist diesen Zeitraumals Hochphase der Parapsychologie aus. Die graduelle Anerkennung als wissenschaftliche Dis- ziplin zu diesem Zeitpunkt manifestierte sich nicht zuletzt am Beispiel der Fi- nanzierung.Sowurden bspw.Forschungsprojekte des IGPP durch DFG,Stifter- verband oder Thyssenstiftungnahezu kontinuierlich vonden 1950erbis Ende der 1970er Jahre gefördert.⁸⁷ Als wichtigeinstitutionelle Infrastrukturmaßnahme er- folgte zudem der Ausbauvon Bibliotheken, wiesich ebenfalls exemplarisch für Freiburgzeigen lässt.Nicht zuletzt zeichnete sich die beginnende Akademisierung des Feldes ab, so in der Aufnahme des Fachs ab 1978 als freiwilligesZusatzfach in die Hauptdiplomprüfung für Psychologen in Freiburg. Trotz dieser Erfolge darf nicht übersehen werden, dass der Status der akademisierten Parapsychologie vielfach prekär war und innerhalb der bestehenden Strukturen marginalblieb. Eine wichtigeRolle in dieser Phase spielten charismatischePioniere wie Rhine, Benderoder Tenhaeff.Sie konnten sich als Wissenschaftler behaupten und agierten zugleich als Wissenschaftsmanager und Wissenschaftspopularisierer. Außenseiter waren sie mitihrem Gegenstand, jedoch nicht als wissenschaftliche Akteure. Vielmehr versuchten sie,kompatible Mitspieler im wissenschaftlichen Feld zu sein; dies mussten sie auch, wollten sie innerhalb der Universität reüs- sieren. Aussozialer Sicht repräsentierten sie dasherrschendeWissenschaftssys- tem ihrer Zeit: Sie warenmännlich, weiß und christlicherKonfessionund hatten

 Vgl. Dommeyer/White: Psychical Research.  Vgl. dazu die Bestände im Archivdes IGPP,Bestand: E/:Deutsche Forschungsgemeinschaft –,unpag. 28 AnnaLux, Sylvia Paletschek reguläre Werdegängeinetablierten Disziplinen absolviert.Neben diesen,auch in Fachgeschichte und Fachtradition besonders erinnerten Personen, spielten andere Gruppen, wissenschaftliche Mitarbeiter und auch Laien, sowie viele Wissenschaftlerinnen eine wichtigeRolle im Disziplinbildungsprozess, so die Zoologin und Spukforscherin FannyMoser (1872–1953), die Philosophin und Husserl-Schülerin Gerda Walther (1897–1977), weiterhin Louisa Rhine (1895– 1980), die intensive Forschungen zu Außersinnlicher Wahrnehmung und Psy- chokinese anstellte,oder die russische Parapsychologin LarissaVilenskaja (1948– 2001), die 1981 in die USAemigrierte.⁸⁸ Anhand der zeitweise akademischen Institutionalisierung der Parapsycho- logie im 20.Jahrhundert lassen sich exemplarisch Mechanismen aufzeigen, die auch aufandere, weniger randständigeWissensgebiete übertragen werden kön- nen. Offenbarmusste ein ganzesFaktorenbündel zusammenkommen, um eine Disziplin an der Universität zu verankern: Gesellschaftliche Nachfragen und Orientierungsbedürfnisse waren ebensoessentiell wie Episteme, die an aner- kannteDisziplinen, Theorien oder Methoden andocken konnten. Eine zentrale Rolle spielten personelle Faktoren, also charismatische Pioniere, einflussreiche Förderer sowie Stifterinnen und Stifter. Auch räumliche Faktoren, d. h. die In- teraktion mit lokalen Eliten vorOrt ebenso wie transnationale Verbindungen, weiterhin das spezifische zeittypische Setting vonPolitik und Hochschulpolitik müssen berücksichtigt werden, ebenso Kontingenz. Nichtzuletzt beförderteeine potentielle Anwendungsmöglichkeit die akademische Integration – sei sie ideo- logisch bestimmt über die Legitimation bestimmter Weltanschauungen oder ‚praktisch‘ durch die Einmündung in neue Berufsfelder.

Krisen, akademische De-Institutionalisierung und Gegenläufigkeiten seit den 1980er Jahren

Trotz der institutionellen Erfolgeinden 1970er Jahren zeichnete sich in den fol- genden Jahrzehnten ab,dass eine nachhaltigeakademische Verstetigung nicht stattfand. In Durham wurde das „Parapsychological Laboratory“ bereits 1965in eine privateStiftung überführt. 1998 wurdedie FreiburgerProfessur für Grenz- gebiete der Psychologie umgewidmet,inUtrechtfolgte dem sukzessivenAbbau die Aufhebung 2011. MehrereFaktoren müssen für die universitäre De-Institu-

 Über die Bedeutungvon Frauen als Medien gibt es bereits eine Reihe vonArbeiten. Vgl. etwa Owen: The Darkened Room. Autobiographische Beiträgeüber wichtige Parapsychologinnen finden sich bei Pilkington: Men and Women; sowie Pilkington:Esprit. Institutionalisierung undParapsychologie 29 tionalisierung in Betracht gezogen werden: Neben der epistemischenElusivität und der Umstrittenheit der Phänomene war der Umstand problematisch, dass auf nationalerEbene Parapsychologie häufig eine one-man-show war und dasFach nur an jeweils einem Ort verankert war.Damit fehltedie Möglichkeit zur Aus- bildungund Zirkulation vonwissenschaftlichem Nachwuchs, beides wichtige Motoren wissenschaftlicher Disziplinbildung.Weiterhin trafen die seitden 1980er Jahren sichtbar werdenden Sparmaßnahmen und Kürzungen im Hochschulsektor in der Regel als erstes randständige, umstrittene Fachgebiete wie die Parapsy- chologie, die nichtineigene Studiengängeund Berufsfelder mündeten. Der nach wie vorvorhandene Widerstand gegendie Disziplin und ihre mangelnde Aner- kennungvon Seiten etablierter Wissenschaftsdisziplinen(etwa der Medizin) wirkte zudem destabilisierend, insbesondere wenn sich kontingent veränderte personelle Konstellationen ergaben, z.B. durch den Abtritt oder Todcharismati- scher Parapsychologen und einflussreicher Förderer und Förderinnen. Auch der weiterlaufende Abgrenzungsprozess noch relativjunger, expandierender Diszi- plinen wie der Psychologie vonder Erforschung des Paranormalen war wirk- mächtig.Die trotz der methodischen Ausrichtung aufdie Naturwissenschaften fehlenden stabilen Ergebnisse verschärftendie Situation. Angesichts hochge- spannter gesellschaftlicherund massenmedialer Erwartungenkonnten die ge- forderten Evidenzen nicht eingelöstwerden. Auch politische Momente spielten eine Rolle: Das Ende des Ost-West-Konflikts ließ Ressourcen versiegen, die in der Hoffnungauf eine militär-technische Verwendung vonErgebnissen der Parapsy- chologie flossen. Nicht zu unterschätzen ist die teilweise Skepsis innerhalb der parapsychologischen community (beispielsweisevon Tenhaeff)gegen die Insti- tutionalisierung im etabliertenWissenschaftsbetrieb, vonder sie den Verlust der Autonomie ihrer Forschungen, eine Sklerotisierung sowieeine unkreative ‚Nor- malisierung‘ befürchtete. Inwieweit ideen- und mentalitätsgeschichtliche Verän- derungen und neue hegemoniale Wirklichkeitskonstruktionen für die universitäre De-Institutionalisierung verantwortlich waren, gilt es noch auszuloten, ebenso das Verhältnis zu populärkulturellen Konjunkturen des Paranormalen, die für den Beginn des 21.Jahrhunderts geradezu kontrapunktisch zur wissenschaftlichen Institutionalisierung zu verlaufen scheinen. Ebenfalls eine Herausforderungfür kommende Forschungen ist die Untersuchung der Gegenläufigkeiten in diesem Prozess. Sie zeichneten sich vorallem in Großbritannien ab,wo mit der Errichtung eines Stiftungslehrstuhlsfür Parapsychologie 1985inEdinburgh ein erneuter Institutionalisierungsschubstattfand, der mit einer weiteren Akademisierung des Felds einherging.Auch in den ehemaligen Ostblockstaaten eröffneten sich nach 1989 neue Spielräume. 30 Anna Lux, Sylvia Paletschek

5.3 Wasbleibt? Desiderate

Eine Reihe offener Forschungsfragen wurden bereits angesprochen. Weitere De- siderate sehen wir in der Ausweitung des Vergleichs aufdie Entwicklungder Parapsychologie in den Räumen des globalen Südens⁸⁹ sowie in der Fokussie- rung aufkonkrete Aspektewie Finanzierung, die Rolle vonWissenschaftlerinnen und Geschlechterverhältnissen oder die Sozialstruktur der Forschendeninder Grenzgebietsforschung in intersektionaler Perspektive.Auch die Bedeutung von Studium, Ausbildungund Praxisfeldern in ihrer Rückwirkungauf eine Akade- misierung und die wissenschaftliche Anerkennungder Untersuchung des Par- anormalen wäre aufschlussreich. Eine systematisch angelegte Begriffsgeschichte könntesich weiterhinals nützlicherZugriff aufdie wechselnden Episteme und disziplinären Kodierungen der wissenschaftlichen Beschäftigung mit dem Par- anormalen erweisen. Nicht zuletzt müsste systematisch der Zusammenhang von Institutionalisierungsprozessen mit epistemischem Wandel untersucht werden. Gleichwohl sollen die Beiträgeindiesem Band gerade in der vorgeführten thematischen Breite zeigen, dass nicht nur ausinstitutionen- und wissen- schaftsgeschichtlicher Sichteine Beschäftigung mit Wissenschaft und Paranor- malem interessant ist,sondern damit auch Einblickeinandere gesellschafts-, kultur-und mentalitätsgeschichtlicheThemen ermöglichtwerden. So stehen hinter dem verstärktengesellschaftlichenwie wissenschaftlichen Interesse am Paranormalen auch immer mentalitäts- und geistesgeschichtlicheDispositionen, etwa die Suche nach einerneuen Ganzheitlichkeit und holistischen Weltsicht,die Idealismus und Materialismus verbindetund sich mit Wissenschaftvereinbaren lässt – Fragen, die dasgesamte 20.Jahrhundert durchziehen.

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 Lohnenswert sind etwa Forschungenüber die Entwicklungen in Indien, Brasilien oder auch Chile, wo  ein parapsychologisches Labor an der Staatsuniversität in Santiago gegründet wurde. Vgl. Bender:Einführung, . Institutionalisierung und Parapsychologie 31

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Ulrich Linse Klassische Orte parapsychologischer Wissensproduktion im Fin de Siècle undzuBeginn des 20.Jahrhunderts

Albertvon Schrenck-Notzing undsein Münchner Kreis zwischen Salon, Labor undBühne

1Vorbemerkung

Die institutionalisierte Erkundungdes Paranormalen,solauteteine These, habe sich außerhalb der akademischen Welt der Universitäten, ihrer Hörsäle und La- bore ereignet: Die „konkreten Orte des Okkulten“ seien „als Orte begreifbar,an denen alternativesWissen erprobt,produziert und kommuniziertwerden sollte, für welches es in der überkommenen, vorallem akademisch dominierten Wis- senslandschaft bestehend ausSchule, Bibliothek,Universität und Laboratorium buchstäblich keinen Platz gab“.¹ Diefolgende Fallstudie willdagegen zeigen, dass sich die Anfängedieser Forschung gerade nicht(nur)randständig in ob- skuren Hinterzimmern oder im alternativ-kulturellen Milieu ereigneten, sondern – im Herzen einerResidenzstadt wie München – voneinem akademischen und vom bayerischen König geadelten Großbürgertum,wohnhaft in modernster Reprä- sentationsarchitektur,inden öffentlichen und akademischen Raum hineinge- tragen wurden. Klinik und Schaubühne,Labor und Salon,Vortragssaal und Atelier waren dabei für die Teilnehmer der parapsychologischen Experimente keine sich ausschließendenAlternativen, sondern sich ergänzende und parallele Hand- lungsorte gesellig-gesellschaftlicher wie wissenschaftlicher Aktivitäten. Freilich schuf dies Überschneidungenund Verunklärungen der Funktion des jeweiligen Ortes parapsychologischer Wissensproduktion, was beimmedizinischen Esta- blishment generelle Zweifel an den wissenschaftlichen Ergebnissen dieser expe- rimentellen Arbeit mit Trance-Medien erzeugte.

 Geppert/Braidt: Moderne Magie, .

DOI 9783110466638-002 38 Ulrich Linse

2Parapsychologie unddie wissenschaftlich- künstlerische „Moderne“

Als sich um die Wende vom19. zum 20.Jahrhundert das gebildete Europa auf die wissenschaftliche Suche nach der Seele bzw.dem menschlichen Unterbe- wussten machte, gründeten Künstler und BildungsbürgerimJahre 1886 nach dem Vorbild der Londoner „Society for Psychical Research“ (1882) die „Psycho- logische Gesellschaft zu München“.² Als Zweck dieser Vereinigungfür „Experi- mentalpsychologie“³ nannten die vondem Philosophen Carl du Prel geprägten Statuten, „das Studiumder Psychologie durch wissenschaftliche Vorträge, Dis- kussionsabende, Experimenteund geselligeZusammenkünftezuermöglichen und insbesondere die wissenschaftliche Anerkennungder Tatsachen ausdem transzendentalen Gebiet nach Kräften zu fördern.“⁴ Als „Gesellschaft für psy- chologische Untersuchungen“ nahm die Vereinigung nicht nur die Erkundungvon Hypnose und Somnambulismus, sondern auch die unvoreingenommene Erfor- schung des Spiritismus und damit die praktische Arbeit mit Medien ausdrücklich in ihr Programm auf.⁵ Es ging ihr um die experimentelle Erforschung der „tran- szendental-psychologischen Fähigkeiten“ der Seele, die „im normalen Zustand latent bleiben“.⁶ Dieserbürgerliche Verein – mit seinem programmatischen „medizinisch- wissenschaftlichen Namen“⁷ – zur Erforschung des Paranormalen wurdezueinem Ursprungsort der deutschen psychologischen Forschung.⁸ Aufgrund seiner per- sonellenZusammensetzung ausnamhaften naturwissenschaftlich und künst- lerisch Gebildetensowie progressivenMalernaus dem Kreis der entstehenden Münchner „Secession“ (1892) schien er in hervorragenderWeise geeignet,der „Experimentalpsychologie“ zum Durchbruch und zur Anerkennungzuverhelfen, sowohl als wissenschaftliche Disziplin wie als künstlerischer Impulsgeber für eine „anti-materialistisch“ orientierte „Moderne“.⁹

 Programm der „Psychologischen Gesellschaft“ [veröffentlicht Januar ], in: Kaiser:Carl du Prel, –;vgl. die Statuten der „Psychologischen Gesellschaft“ (Oktober ), in: ebd., –.  Ebd., f.  Ebd., .  Ebd., .  Ebd., .Vgl. Prel: Übersinnliche Gedankenübertragung.  Kaiser:Carl du Prel, .  Vgl. Treitel: Science, .  Vgl. zuletzt Puschner/Stange-Fayos/Wimmer:Laboratorium. Klassische Orte parapsychologischer Wissensproduktion 39

Der Verein wirkte durch die Teilnehmer an seinen Veranstaltungen direkt in die gebildete Münchner Gesellschaft hinein und durch die entsprechenden Ver- öffentlichungen weit darüberhinaus. So hielt bereits ein vonder „Psychologi- schen Gesellschaft“ am 5. Mai 1887gegründeter und „mit der Untersuchung transzendental-psychologischer Vorgänge“ beauftragter „Sonderausschuss“ (auch „Komitee“ genannt) im selben Jahr 40 hypnotische Sitzungen mitüber 200Experimentenvor insgesamt 75 Zeugen – Professoren, Mediziner, Gelehrte und Künstler – ab. Zurzentralen Figurwurde dabei seit den 1890er Jahren der Arzt und Hypnotiseur Albert vonSchrenck-Notzing,¹⁰ langjährigerSchriftführerder „Psychologischen Gesellschaft“,insbesondere nachdem er und seinehemaliger geistiger Lehrer Carl du Prel¹¹ 1889 inhaltlich und vereinsmäßiggetrennteWege gegangenwaren.¹² In den realen Orten der damaligen Experimentespiegeln sich die beiden Handlungsfelder des MünchnerVereins:Die mittels naturwissenschaftlicher Methodenherbeizubringenden Beweise¹³ stützten sich aufBeobachtungen in Klinik und Arztpraxis, Gerichtssaal und „Laboratorium“;die künstlerisch-kreative Forschung erfolgte im Salon,imKünstler-Atelier und aufder Schaubühne. Zu- sammen verkörpern sie die mitBedeutung und Wertungaufgeladenen histori- schen Orte der frühen parapsychologischen Wissensproduktion. Es ist dabei nicht zu übersehen,dasssich in diesem Amalgamvon wissenschaftlicher und künst- lerischer Moderne mit „okkultistischem“ Einschlag ein geschichtliches Charak- teristikum der Zeit abbildet.¹⁴ Die damaligen Medien der Wissensspeicherung – neben Zeugenprotokollen sind das insbesondere Fotos – sind beiden genannten Feldern zuzuordnen, auch wenn jeweils unterschiedlich Gebrauch vonihnen gemacht wurde. VonInteresse

 Albert vonSchrenck-Notzing(–): Medizinstudium, praktischer Arzt in München, verheiratet mit der Großindustriellentochter Gabriele Siegle,  Mitbegründer der Münchner „Psychologischen Gesellschaft“ (Hypnoseexperimente), Entwicklungvom Psychotherapeuten zum betont wissenschaftlichen Erforscher der „mediumistischen Teleplastie“.  Carl du Prel(–): Militärtätigkeit,  Promotion in Philosophie an der Universität Tübingen, Privatgelehrter,  Mitbegründerder Münchner „Psychologischen Gesellschaft“ und Zuwendung zu Spiritismus und Okkultismus mit dem Ziel der Überwindung des Materialismus durch eine „Transzendentale Psychologie“,  Gründung der „Gesellschaft für Experimen- talpsychologie“.  Während Schrenck-Notzingeine aufempirischer Beobachtung beruhende Erforschungder Produktionen des Unbewussten erstrebte, gingesduPrel um die empirische Abstützungeiner die Unsterblichkeit der individuellen Seele begründenden „Mystik“.  Die Bedeutungdieses Modells gerade für die Anerkennungsbestrebungen der „Grenzwis- senschaft“ der Parapsychologie wurde herausgearbeitet durch Wolffram: Stepchildren.  Vgl. Loers/Witzmann: Okkultismus. 40 Ulrich Linse ist dabei die Tatsache, dass diese Experimente an der historischen Schnittstelle zwischenpersonellen Trance-Medien und neuen technischen Medien spielten.¹⁵ Dabei entstand eine eigenartige „medialeKunst“ der „Fotografie des Unsichtba- ren“¹⁶ ebenso, wie eine wesentlich aufFotos der Medien sich stützende ‚okkulte‘ Malerei des Unbewussten (Gabriel vonMax,¹⁷ Albertvon Keller¹⁸). Diese ‚klassische‘ Konstellation der Parapsychologie verlor,wie abschließend zu zeigen seinwird, in den 1920er Jahren ihre Bedeutung:Die im Fin de Siècle begründete ‚moderne‘ wissenschaftlich-künstlerische Synthese löste sich aufund neue Medien der Wissensspeicherung,insbesondere der Spielfilm, wurden für die psychische Deutung der Zeitbedeutsam.

3Die naturwissenschaftlich konnotierten Wissens-Orte:Laboratoriumstatt Spiritisten-Zirkel 3.1 Kontroverse Orte der parapsychologischen Wissensproduktion

Ein kleiner öffentlicher Schlagabtausch zwischen zwei Ärzten 1920/1921mag als Einstieg in das Themadienen. Im Jahr 1920 veröffentlichteAlbert vonSchre- nck-Notzing sein Werk „Physikalische Phänomene des Mediumismus“.Darin berichteteerauch vonden vonihm zwischen Januar und März 1914inseinem Laboratorium vorgenommenen Versuchsreihen ausdem Bereich der Telekinese mit dem vonihm eingeladenen polnischen Medium Stanislawa Tomczyk.¹⁹ Zur Beglaubigungder Echtheit der aufgetretenen Phänomene waren der Veröffentli-

 Vgl. Hahn/Schüttpelz: Trancemedien; Linse: Trancemedien.  Fischer/Loers: Reich der Phantome.  Gabriel vonMax (–): Akademische Ausbildung als Historienmaler,Maler okkult- religiöser und darwinistisch-anthropologischer Motive,Professur an der Münchner Akademie der Bildenden Künste, Große ethnographisch-archäologische Sammlung (heute in den Reiss-Engel- horn-Museen, Mannheim).  Albert vonKeller (–): Jurastudium, Maler,  Mitbegründer der Münchner Se- cession, verheiratet mit der BankierstochterIrene vonEichthal, Professur an der Münchner Akademie der Bildenden Künste, Entwicklungvom „Salonmaler“ zur expressivenMalerei des Unbewussten.  Vgl. Schrenck-Notzing: Physikalische Phänomene, –.Eswaren die letzten derartigen Veranstaltungen, an denen auch Schrenck-Notzings Malerfreund Albert vonKeller teilnahm.Vgl. Schrenck-Notzing: Albert vonKeller, . Klassische Orte parapsychologischer Wissensproduktion 41 chung nicht nur diverse, bei elektrischem Rotlicht entstandene Fotos,sondern auch die damaligen Sitzungsprotokolle beigefügt.Sie waren zustande gekom- men, indemSchrenck-Notzing schon während der Sitzungen und unter Anwe- senheit der beobachtendenZeugendas Protokoll in einen „elektrisch betriebenen Parlographen“ diktiert hatte – denn nachträgliche Protokolle bargendie Gefahr verfälschter Erinnerungen. Während des Mitverfolgens hattendie Anwesenden Gelegenheit, Änderungenund Zusätze zu machen; sie sollten darüberwachen, „dass das Diktat den jeweiligbeobachteten Tatbeständen entsprach.“ Daher könne, so Schrenck-Notzing, „wohl ohne weiteres angenommenwerden, dass die Protokollierung in voller Übereinstimmung mit den Anwesenden zustande kam.“²⁰ Einer der TeilnehmerandiesenExperimentenwar der Münchner Nervenarzt Dr.Aub.²¹ Er war bei fünf der insgesamt elf Münchner Sitzungen anwesend und hatte dabei laut Protokoll auch einmaldie sogenannte Vor- und zweimal die Nachkontrolle des Mediums vorgenommen²² und dabei „wiederholt den körper- lichen Zustand der Versuchsperson, die gesteigerte Herzfrequenz, die Tiefe des Dämmerzustandes geprüft“.²³ Sieben Jahre nach diesen Vorgängen und unmittelbar nach dem Erscheinen der Schrenck-Notzingschen Publikation, nahm Aubeine Veranstaltung des „Ärztlichen Vereins München“ am 20.Oktober 1920 zum Anlass, um öffentlich gegendie Nennung seines Namens in dieser Veröffentlichung zu protestieren.²⁴ Zweck dieserVersammlungder MünchnerÄrzteschaft war,sich vonSchrenck- NotzingsDeutungshoheit in SachenMediumismus zu befreien.²⁵ Nachdem der FreiburgerNervenarzt EduardAigner (1871– 1945) im völlig überfüllten Auditorium einen Vortrag mit Lichtbildern über „Okkultismus und Wissenschaft“²⁶ gehalten hatte, wurde über die Tätigkeit einer ärztlichen „Kommission zur Prüfung soge- nannter okkulter Phänomene“ seit April 1920 berichtet.²⁷ Wenn auch zunächst der

 Schrenck-Notzing: Über die Versuche, .  Vgl. Schrenck-Notzing: Physikalische Phänomene, –, , .  Ebd., , .Die Kontrollen nach verborgenen Hilfsmitteln des Mediums fielen jedes Mal negativ aus.  Schrenck-Notzing: Über die Versuche, .  ZumFolgenden vgl.: Rossbach: Verein.  Als Schrenck-Notzings Hauptgegner traten bei der VeranstaltungWalter vonGulat-Wellenburg und Mathilde vonChemnitz (verehel. Ludendorff) auf. Mathilde Ludendorffhatteschon  ihre „kritischen Betrachtungen“ zu Schrenck-Notzingveröffentlicht,vgl. Ludendorff: Moderne Medi- umforschung. Zurihrerbeider Kritik an Schrenck-Notzingvgl.Wolffram: Stepchildren, –.  Daraus gingdann folgende Schrift hervor: Aigner: Gibt es Wunder?.  Neben Eduard Aigner war Rudolf Tischner eines ihrer Mitglieder.Vgl. Ludwig/Tischner:Ok- kultistische Forschung. 42 Ulrich Linse

Name Schrenck-Notzing in Vortrag und Bericht wohl nicht fiel, so wurdedoch die folgende Aussprache zu einem persönlichen Frontalangriff aufihn benützt,ein- geleitet durch die Wortmeldungvon Aub, der sich energisch dagegen verwahrte,

als Haupt-und Kronzeuge für die Materialisationsphänomenevon Schrenck-Notzingauf- geführt zu werden. Er habe nie angenommen,dass es sich um strengwissenschaftliche Versuche handelte, sondern sie für privateSeancen gehalten. Die Versuchsanordnung sei alles andereals exakt gewesen. Zudem habe Sch.-N.nicht die Erlaubnis eingeholt, seinen Namen publizistisch zu verwenden.²⁸

Schrenck-Notzing suchte die Angriffe dadurch zu parieren, dass einer seiner ärztlichen Anhänger bei der genannten Ärztekommission ein Gutachten über das erschienene Buch zu seinen Gunsten einreichte.²⁹ Da das Fehlen vonZeugen- Protokollen gerügt worden war,ließ er zusätzlich voneinem damals bei sieben Sitzungen anwesenden Mediziner ein nachträgliches Protokoll für die Kommis- sion verfassen,³⁰ in welchem dieserauch bestätigte, dass sich Dr.Aub 1914ihm und dem Versuchsleiter gegenüber „keineswegsablehnend, sondern durchaus positivimSinne der Erscheinungen ausgesprochen [habe]“.³¹ In seiner im März 1921 in den „Psychischen Studien“ veröffentlichten Ent- gegnung ließ Schrenck-Notzing die „durchsichtige, nachträgliche Ausrede“,wie er Aubs Statement nannte, nicht gelten:

Eine gesellschaftliche Unterhaltung,ander vorzugsweise Gelehrteteilnehmen, die sonst nicht im dem Hause des Verfassers zu verkehren pflegen, eine Unterhaltung in den ärztlichen Räumen und im Laboratorium – anstatt in den Salons der Wohnräume? Eine Unterhaltung mit einem Medium im tiefen hysterischen Somnambulismus,mit äußerst anstrengenden Versuchen, durch welche mehrfach Ohnmachten herbeigeführt wurden! Eine Unterhaltung mit Waageund Blitzlichtapparaten, mit Abänderungender Beleuchtung, mit elektrischen und sonstigenInstrumenten! – Eine solche Unterhaltung würde den Gipfelpunktder Fri- volität bedeuten […]

Es könne allerdings sein, so Schrenck-Notzing weiter,

dass Herr Dr.Aub vonseinem subjektivenStandpunkt aus, ausdem bekannten Vorurteil gegenalles Okkultistische heraus,diesen Versuchen nicht den nötigenwissenschaftlichen

 Rossbach: Verein.  Auszügeaus dem „Gutachten“ des Praktischen ArztesDr. Recknagel, in: Schrenck-Notzing: Über die Versuche, , , .  Auszügeaus dem „Nachträglichen Protokoll“ des Dr.Dürig, in: ebd., , f., .  Ebd., . Klassische Orte parapsychologischer Wissensproduktion 43

Ernst entgegenbrachte und das Ganze als eine angenehme und interessante Zerstreuung (ähnlich einer Taschenspielervorstellung) betrachtete.³²

In Schrenk-NotzingsPalais³³ befanden sich nach diesen Ausführungen sowohl ein Salon sowiedie ärztliche Praxis des Hausherrn und in räumlicher Nähe sein Laboratorium. Salon und Laboratorium standen einerbeschränkten Öffent- lichkeit offen. Der Salon war der Ort der bürgerlich-geselligen Unterhaltungund Zerstreuung;das Laboratorium dagegen sollteüberprüfbare wissenschaftliche Ergebnisse produzieren, nicht zuletzt dank der Kontrollvorrichtungen. Die spiri- tistische Séance jedoch sollteweder im Salon noch im Laboratorium Platz haben. Es ging alsoinder Auseinandersetzung auch um die ‚richtigen‘ oder ‚falschen‘ Räume der Wissensproduktion bzw.umderen kontroverse Wahrnehmung.

3.2 Der abgelehnteGegenort: der fromme spiritistische „Zirkel“

Nicht der bürgerliche Salon als solcher,sondern der spiritistische Zirkelverkör- perte für Schrenck-Notzing den wahren Gegensatzzum Experiment im wissen- schaftlichen „Laboratorium“.Wissenschaft stand für ihn im Gegensatz zur Reli- gion, wobei dieser besonders dadurch verschärft wurde, dass der Spiritismus im letzten Viertel des 19.Jahrhunderts selbst den Ansprucherhob, kritischer Expe- rimental-Spiritismus zu sein. Gerade deshalb galt Schrenck-Notzing die spiritis- tische Séance als in Zielsetzung und Betätigung zu bekämpfendeGegenwelt.Der Spiritismus war für ihn ein Stück unaufgeklärtesMittelalter,das in die moderne Welt hineinrage:

Der mittelalterliche Brauch, Ekstasen zu produzieren, um mit Hilfe derselben einen Verkehr mit dem Jenseits anzubahnen, ist heutenoch fast vollständigerhalten in dem Ritual spiri- tistischer Sitzungen, das im ganzen, abgesehen vonunwesentlichen individuellen Schat- tierungen, folgendermaßen vorsich geht: VorBeginn der BeschwörungAbsingenheiliger Lieder oder instrumentaler Musik (Spieldose); unerläßlich für den Erfolgist die weihevolle, womöglichgläubige Stimmung, innere Sammlung und Harmonie der Cirkeltheilnehmer. Erwartungsvolle Contemplation, Auslöschen des Lichtesoder Halbdunkel; je mehr Liebe und Vertrauen dem Medium resp. dem Verstorbenen entgegengebracht wird, um so stärkerwird erfahrungsgemäß die Kraft der Phänomene. Durch diese lebhafteErregung der Einbil- dungskraft gerathen bei genügender Zeitdauer und öfterer Wiederholungder Sitzungeneine

 Ebd., f.   bis  vondem ArchitektenGabriel vonSeidl in der vornehmen Münchner Max-Jo- seph-Str.Nr.  (heute Nr. )imStil der Neurenaissanceerbaut. 44 Ulrich Linse

oder mehrere Personen in den sogenannten Trancezustand […]. Die unbewussten Sugges- tionen spiritistischen Inhalts,welche fortwährend vonden Cirkeltheilnehmern aufdie oft sehr empfänglichen Medien ausgeübt werden,bestimmen den geistigenInhaltihrerDelirien und übernehmen die Rolle der Dressur,sodass die Versuchspersonen meist in ihren Leis- tungen an ein bestimmtes eingelerntes Programm gebunden sind.³⁴

Die Arbeit mit Medien ziele im Spiritismus „aufdie Produktion vonWundern, eines unkontrollierbaren Hexensabbats im Dunkeln“.³⁵ Und der gläubigeSpiritist selbst werde aufgrund seiner „Kritiklosigkeit“,seiner „Leichtgläubigkeit“ und seines fanatischenStrebens, „àtout prix etwas zu erleben, Wunder zu sehen, Zeichen ausdem Jenseits zu erhalten“,soSchrenck-Notzing,leicht Manifesta- tionen vonGeistern sehen, wo es sich in Wirklichkeit nur um taschenspielerische Kunststücke oder um psychopathologische Erscheinungen handle.³⁶ Keine wissenschaftliche Kontrolle, keine naturwissenschaftliche Berechen- barkeit seialso in dieser „experimentellen Religion“³⁷ möglich. Der spiritistische Vorgangwerde ebensowie Trance und Suggestion in der ärztlichen Praxis oder bei der Laboratoriums-Arbeit mit Medien,mit Hilfe der Einbildungskraft und der Suggestion (als Autohypnose und als Fremd-Suggestion) produziert.Eshandle sich dabei also um „hypnotische VorgängeimspiritistischenGewande“ und allein dadurch biete der heutigeSpiritismus „ein Körnchen Wahrheit in der Hülle monströser Verirrungen der menschlichen Phantasie“.³⁸ Aufgrund dieser spiritistischenHerkunft,soSchrenck-Notzing,würden die Medien selbstfür die bei ihnen auftretenden Phänomene häufig keine wissen- schaftliche, sondern eine spiritistische Erklärung liefern, etwa durch Verweis aufihren „Kontrollgeist“.Deshalb geltees, diese Medien erst zu kooperations- fähigen Akteuren in wissenschaftlichen Untersuchungen, „zu wissenschaftlich brauchbarenObjekten“ zu „erziehen“,damit sie ihren „Ballast unnötiger Vor- stellungen“ (wie z.B. die in ihnen wirkenden „spirits“)abwerfen.³⁹ Darausergab sich ein klares Programm für Schrenck-Notzingsparapsycho- logische Wissensproduktion: Sie solltenicht unter den kruden Bedingungen der spiritistischen religiösen Séance mit ihren Fremd-und Selbsttäuschungsmecha- nismen, sondern unter nüchternen, der wissenschaftlichen Kontrolle zugängli- chen Verfahrensweisen erfolgen. Schrenck-NotzingsAnspruchlautete also, dem

 Schrenck-Notzing: Über Suggestion, f.  Schrenck-Notzing: ZurMethodik, .  Ebd., .  Ebd., .  Schrenck-Notzing: Über Suggestion, ;Schrenck-Notzing: ZurMethodik, .  Schrenck-Notzing: ZurMethodik, . Klassische Orte parapsychologischer Wissensproduktion 45 im 19.Jahrhundertprägenden Modell der frommen spiritistischen Séance mittels ärztlicher Experimente möglichst in einemnaturwissenschaftlich-technischen Laboratorium (eingerichtetaneinem Krankenhaus oder an einer Universität)eine wirksame Alternative entgegenzustellen und dadurch wissenschaftlich tragfähige Resultatezuerzielen (vgl. Abb. 1).

Abb. 1: Das Labor vonAlbertvon Schrenck-Notzing (Planskizze), 1921 (Quelle: Schrenck-Notzing: Materialisations-Phaenomene, 551)

3.3 Daswissenschaftliche Laboratorium undseine technische Einrichtung

In den Angriffen gegenSchrenck-NotzingsParapsychologie wiederholtesich ein Vorwurf, der zunächstgegen den Spiritismus gerichtet gewesen war und ein zentrales Problem seiner Art vonWissensproduktion beleuchtete: Waren die von 46 Ulrich Linse den weiblichen und männlichen Medien gezeigten Phänomene echt oder bloß das Ergebnis taschenspielerischer Tricks bzw. „betrügerischer Manipulationen“?⁴⁰ Immer wiederwaren zunächstfür echt angesehene Vorgänge – etwa die Levitation der Versuchsperson selbst oder die Elevation vonTischen, das Erscheinen von neuen Gegenständen (Apporte), Telekinesen oder stofflicher Emanationen aus dem Körperder Medien – später als Taschenspielertricks entlarvt und dadurch das angebliche parapsychologische Wissen entwertet worden. Schrenck-Notzing machte sich überdiesen Punkt keine Illusionen: Auch er habe mehr als 14 Jahre lang „schwindelnde Medien in allen Schattierungen, professionelle und private, zu beobachten Gelegenheit gehabt“ und sei „aus umfassender eigener Erfahrungdavon vollkommen überzeugt,dass bewusster oder unbewussterSchwindel eine ungeheure Rolle aufdiesem Gebiete spielt[…]. Ja es scheint fast,als sei der Trieb zur Täuschung oder zur mechanischen Insze- nierung mediumistischer Vorgänge geradezu ein häufig vorkommendes Symptom der Mediumschaft […].“⁴¹ Wiesehrihn dieses Thema bis zu seinem vorzeitigen Tode umtrieb, zeigen seine Arbeiten an dem nachgelassenen Werk über betrü- gerischen Mediumismus „Gefälschte Wunder“.⁴² Doch der klare Schnitt zwischenwissenschaftlicher Laboratoriumsarbeit und spiritistischerGläubigkeit war,wie Schrenck-Notzing selbst nur allzu deutlich erkannte, in der Praxisäußerstschwierig,selbst wenn man bewusste oder un- bewusste Täuschungsversuche der Medien verhinderte.Denn die in den Labo- ratorien benutzten ‚Versuchsobjekte‘–alsodie Medien – waren gewöhnlich von Spiritisten mit ihren religiösen Bedürfnissen entdeckt und ausgebildet worden und standen dort als ‚Heilige‘ in hohem Kurs.⁴³ Das Medium zeigezudemhäufig „infolge seines [geringen] Bildungsgrades gar kein Verständnis für die durch eine wissenschaftliche Untersuchung gebotenen Kautelen“.⁴⁴ Freilich lief die von ihm als unabdingbar genannte „richtigeHeranbildung vonMedien zur wissen- schaftlichen Untersuchungen“⁴⁵ ebenso wie im Spiritismus aufderen Dressur hinaus. Beiden spiritistischen Vorführungen förderten auch die Zuschauerinnen und Zuschauer durch ihre Gläubigkeit und Kritiklosigkeit den Schwindel:

 ZumklassischenText wurde Dessoir:Psychologie der Taschenspielerkunst.Vgl.dazu Wolff- ram: Stepchildren, f.  Schrenck-Notzing: ZurMethodik, f.  ZumInhaltvgl. Walther: Albert vonSchrenck-Notzing, f.  Schrenck-Notzing: ZurMethodik, .  Ebd., .  Ebd., . Klassische Orte parapsychologischer Wissensproduktion 47

Wenn dann die gläubigeGemeinde am Ende schon in jedem umgefallenen Regenschirm das Walten einer Geisterhand erblickt,soist sie reif, jede, auch die plumpste taschenspielerische Produktion der Medien als Geistergruß aufzunehmen!⁴⁶

In naiverÜberschätzungder Kritikfähigkeit eines akademischen Publikums glaubte Schrenck-Notzing allein schon durch das gebildete Publikumseiner La- borversuche diese spiritistische Selbsttäuschung ausschalten zu können. Aller- dingswar seiner Meinung nach generelles Misstrauen dem Medium gegenüber ein schweres bis unüberwindlichesHindernis für die Hervorbringungparanormaler Phänomene. Freilich tappteerdamitselbst in die Falle, ein mögliches Misslingen vonVersuchen aufeine Hemmungder empfindlichen Psyche der Medien durch die negative Suggestionskraft der beteiligten beobachtenden Personen zurückzu- führen.⁴⁷ Diese Befürchtungveranlasste ihn auch, in seinem Labor die Stimmung durch Unterhaltung und Musik zu entspannenund mit der Spieldose ein Element der spiritistischen Séance zu übernehmen.⁴⁸ Schrenck-Notzing war sich freilichunsicher,obdie spiritistische Versuchs- anordung nicht überhaupt geändert werden solle. So fragte er sich, ob die Rolle des Tisches bei seinen Experimenten nicht eigentlich überflüssigsei.Ererklärte ihn ausder spiritistischenPraxis der ‚Kettenbildung‘,d.h.das Medium saß zur Verstärkungseiner medialen Kräfte Hand in Hand mit weiteren Versuchsteil- nehmernumden Tisch, der seinerseits „eine gewisse Ordnung in die Kette“ brachte. Aber vielleicht seien, so Schrenck-Notzing,Tisch wieKettenbildung „nur ein traditionelles Überbleibsel ausder spiritistischen Erziehung der Medien“ und für die wissenschaftlichen Experimente ganz überflüssig.⁴⁹ Damit wollte er offenbar das zentrale Element der spiritistischenSéance, den „Circel“,aufbrechen und so das peinliche spiritistische Beiwerk seiner ‚wissenschaftlichen‘ Experi- mente möglichst eliminieren. Er scheint sich nicht bewusst gewesen zu sein, dass auch im Laboratorium die Grundkonstellation die gleiche wie im Circel blieb: Da befanden sich aufder einen Seite das Medium (samt Trance-Personifikationen) und ihr Hypnotiseur (bei den Spiritisten oft identisch mit dem Impressario des Mediums). Aufder anderen Seite saßen die erwartungsvollen Zuschauer,die weiterhin die Kette schlossen.⁵⁰ Die Zahl der Teilnehmerinnenund Teilnehmerriet

 Ebd., .  Vgl. ebd., , f.  Vgl. Schrenck-Notzing: Physikalische Phänomene,  (Eusapia Paladino); Schrenck-Notzing: Materialisations-Phänomene,  (Stanislawa P.); Mann: Berichte: ,und Mann: Erlebnisse, , f.,  (WillySchneider).  Schrenck-Notzing: ZurMethodik, f.  Vgl. Schrenck-Notzing: Experimente der Fernbewegung, ;Mann: Berichte, ,und Mann: Erlebnisse, f., , , . 48 Ulrich Linse

Schrenck-Notzing freilich aufsechs bis acht zu reduzieren,⁵¹ weil er davonaus- ging,dass dem Medium Betrügereien umso leichter möglich seien, je größer die Zahl der Anwesenden sei. Nichtklar warersich darüber, dass es auch bei den Laboratoriums-Versuchen eine mögliche Kooperation zwischenihm als Ver- suchsleiter und dem Medium in der Weise gab, dass das Medium willfährig genau diejenigen Resultatezuliefern suchte, die vonihm bzw.den anderen Teilnehmern gewünscht wurden. Noch wenigerreflektierte er die auch im Laboratorium vor- handene und nicht durch Technik zu eliminierende komplexepsychologische (auch sexuelle) und soziale Beziehungzwischen Medium und Versuchsleiter bzw. Publikum.⁵² Neben die traditionellen manuellen Kontrollen des Mediums sollteimLa- boratorium die Technik treten. Die mediumistischen ‚Wunder‘ vermehrtensich bald durch Telekinese und „Materialisation“,und so solltemit immer neuen, ausgefeilteren technischen Einrichtungen gegendie möglichen Manipulations- und Betrugsversuche der Medien bzw.ihrer Helfershelfer eingeschritten werden. Schon vor1900 dachte Schrenck-Notzing nach dem Vorschlag vonOliverLodge⁵³ (1851–1940) an die Einrichtung „eine[r] Art psychischen Laboratoriums,welches für alle Artenexperimenteller Psychologie und Psychophysik angepasst ist“.⁵⁴ Da die Sinnesorgane der Beobachter durch die Taschenspielertricks der Medien ge- täuscht werden könnten, müssten die mediumistischen Äußerungen durch Ap- parate registriert werden:

Selbstregistrierende Wa[a]gen, ausgiebige Benutzungder photographischen und elektri- schen Hilfsmittel (so Photographien bei ultraviolettem Licht), Anwendung verschiedener Helligkeitsgrade des Lichtes und der Spektralfarben, Temperaturmesser sowie sonstige sinnreich konstruierteInstrumente könnten in einem solchen Institut ihrenPlatz finden. AndereApparatemehr physiologischer Art wären für UntersuchungenamOrganismus des Mediums notwendig. (Für Gewicht,Temperatur,Puls,Atmungusw.).⁵⁵

 Wolffram: Stepchildren, ,spricht zu Unrecht von „großen“ Zuschauerzahlenbei den Ex- perimenten. Das klassische Arrangement war das bei Schrenck-Notzing: Materialisations-Phä- nomene, ,beschriebene: Man sitzt „in einem nach dem Kabinett hin offenen Halbkreis,an dessen beiden überstehenden Enden (Polen) sich das Medium [das also in diesem Falle nicht den Schutz des „Kabinetts“ suchte;UL] und der Verfasser [Schrenck-Notzing, der die Sitzungleitete, das Licht regulierteund fotografierte; UL]befanden“;neben dem Medium saßen die beiden Kontrollpersonen, zwischen ihnen und Schrenck die sieben übrigenTeilnehmer.  Vgl. Wolffram: Stepchildren, , –.  Vgl. Schrenck-Notzing: ZurMethodik, ,Anm. .Ernennt als seine Quelle: Lodge: Bericht.  Schrenck-Notzing: ZurMethodik, .  Ebd. Klassische Orte parapsychologischer Wissensproduktion 49

So würde also durch Technikeinsatz ausspiritistischemreligiösem Wunder- glauben endlich ‚glasklare‘ Wissenschaftwerden. Das dann vonSchrenck-Notzing selbst in seinem Münchner Palais verwirklichte Privat-Laboratorium war nichts anderes als eine solche außeruniversitäre wissenschaftliche Institution, in der unterhaltsame Zaubertricks keinen Platz mehr haben sollten und anstelle von spiritismus-gläubigen Dilettanten oder kritiklosen Verehrern der ‚Salonmagie‘ ein professioneller Wissenschaftler und Arzt mit den Medien arbeitete. Zauber- Schwindel oder Zirkel-Frömmigkeit erschienen ihm damit unmöglich. Ganze Batterien vonKameras,darunter stereoskopische, dazu mikroskopi- sche Vergrößerungender Fotos („Mikrophotogramme“)sowie Filmaufnahmen sollten die Realität der Wahrnehmungen immer unumstößlicher fixieren.⁵⁶ Wei- teres Licht ins Dunkel sollten Aufnahmen mit Magnesium-Blitzlicht bringen,⁵⁷ für die extra eine Abzugsröhre für den Rauch in der Mitte des Labors eingebaut wurde und „seit etwa 1928 wurden stattdessen zwei verspiegelte, elektrische Leuchten vonje1.500 Watt zu Momentaufnahmen verwendet“.⁵⁸ Mesotherium- Leuchtschnüre sollten betrügerische Bewegungendes Mediums im Halbdunkel ausschließen.⁵⁹ Freilich blieben vonden spiritistischen Vorführungen betrugser- leichternde Einrichtungen erhalten, insbesondere das im Labor aufgestellteKa- binett,innerhalb dessen sich das Medium ungestört betätigen konnte – auch wenn dessenAktionsraumdort durch ein „Gazekäfig“⁶⁰ eingeschränkt wurde und ein doppelter Boden des Kabinetts dessenheimliches Betreten durch einen Helfers- helfer mittels einerSignallampe anzeigensollte.⁶¹ Auch das Dunkellicht wich nicht der blendendenHelligkeit des „Weißlichts“,sondern nur dem dämmerigen Rotlicht,da„grelles Licht den Phänomenen schädlich“ sei.⁶² Stattdessen sollte mittels elektrischer Hand- und Fußkontrollen, einer „elektrischeFesselung“ nach einem Modell des Münchner Tierpsychologen Karl Krall (1863–1929), das Akti- onsfeld des Mediums überwacht werden.⁶³ Zuletzt,soerfahren wir,habe sich Schrenck-Notzing noch mitder Frageder möglichen Verwendung infraroter Strahlen zu Kontroll-und Registrierzwecken befasst.⁶⁴

 Vgl. Schrenck-Notzing: Materialisations-Phänomene , –.  Vgl. ebd., f.  Walther: Albert vonSchrenck-Notzing, .  Vgl. Schrenck-Notzing: Beweisführung, .  Walther: Albert vonSchrenck-Notzing, .Vgl. Schrenck-Notzing: Experimente der Fernbe- wegung,Tafel III.  Vgl. Schrenck-Notzing: Beweisführung, ,Anm.  (Zusatzanmerkung durch Gerda Walther).  Schrenck-Notzing: Über die Versuche, .  Vgl. Schrenck-Notzing: Ein elektrischer Apparat.  Vgl. Schrenck-Notzing: Beweisführung, ;vgl. Walther: Albert vonSchrenck-Notzing, . 50 Ulrich Linse

Im Resultat war das Laboratorium trotzdem nicht mehr als eine hochtech- nisierte spiritistische Bühne.⁶⁵ Allein schon der Auftritt der Medien mitihrer taschenspielerischen Geschicklichkeit verhinderte die saubere Scheidungder Örtlichkeiten der reinen Wissenschaft vondenen der unterhaltsamen Schau. Auch Schrenck-Notzing musste schließlich selbst erkennen, dass weder Fotosnoch Zeugen-Protokolle letztliche Beweiskraftfür die Realität der Erscheinungen hat- ten,⁶⁶ sondern nur das „Wirklichkeitserlebnis“.⁶⁷ Damit war jedoch wieder jeder Täuschungsmöglichkeit einschließlich der Selbsttäuschung des Versuchsleiters Tür und Torgeöffnet.Als Wissenschaft im Sinne ihres eigenen Anspruches als einer exakt-objektivenNaturwissenschaft war die Schrenck-Notzingsche Para- psychologie damit gescheitert.Dies galt auch aufder ganz praktischen Ebene, war es doch den Medien gelungen, die fotografische Kontrolleinrichtung der trotz aller Apparate blinden (oder besser: verblendeten) Wissenschaft ausder Hand zu nehmen und die Fotos inhaltlich zu manipulieren.⁶⁸ Schrenck-Notzingsberühmte Fotos der Eva C. und ihrer „Materialisationen“ warenkein Triumphder Wissen- schaft,sondern der ‚medialen Kunst‘.

4Orteder aufklärerischen öffentlichen Wirksamkeit

Schrenck-Notzing,der die hypnotischen Versuche Jean-Martin Charcots (1825– 1893) in Paris und Hippolyte Bernheims(1840 –1919)inNancy bereits als Stu- dent aufStudienreisen kennengelernt und nach Münchenübertragen hatte, glaubte, dass „zu hypnotischen und auch übersinnlichen Versuchen“ in erster Linie Ärzte berufenseien. Er folgte dabei zu Beginnseiner Berufskarriereals in Münchenniedergelassener praktischer Arzt seinem Vorbild Bernheim, der die hypnotischinduzierte Suggestion als Therapie für Kranke einsetzte.⁶⁹ Schrenck- Notzing stellte im „MünchnerKrankenhaus links der Isar“ vomMai bis August 1888 seine ersten suggestiv-therapeutischen Versuche an.⁷⁰

 Vgl. Kuff: Ästhetik, ;Wolffram: Stepchildren, , f.  Vgl. Schrenck-Notzing: Beweisführung, f.  Ebd., .  Vgl. Walter:Materialisationsphänomene;Brandon:Spiritualists, , –;Kuff: Äs- thetik, , , –.  Vgl. Schrenck-Notzing: Beitrag.  Vgl. Bernheim: Suggestion; Schrenck-Notzing: Beitrag, –;Schrenck-Notzing: Hypnotis- mus, .Möglich wurden diese erstenbayerischen Versuche in der Suggestionstherapie durch die Zustimmungvon Schrenck-Notzings Doktorvater Hugo vonZiemssen (–), Königlicher Klassische Orte parapsychologischer Wissensproduktion 51

Der junge Arzt Schrenck-Notzing spezialisierte sich, neben allgemeiner ner- venärztlicher Tätigkeit,insbesondere aufdie suggestive Therapie vonSexual- pathologien und beschäftigte sich in Vorträgen und Veröffentlichungen mit Se- xualpsychologie. Den Zeitgenossen galterals „einer der Begründer der modernen Sexualwissenschaft“.⁷¹ Und er wusste um die Publikumswirksamkeit vonHyp- nose und Suggestion.⁷² Bis dahin warjader Hypnotismus vonreisenden Ma- gnetiseuren „als eine Einnahmequelle allerersten Ranges mit wanderndenMedien „praktiziert“ worden, die mit „einer ganzenReihe mystischer Zuthaten“ umgeben wurden.⁷³ Auch Schrenck-Notzing befriedigteimRahmender „Psychologischen Gesellschaft“ dieses öffentliche Interesse am Phänomender Hypnose, verbunden mit medizinischer Aufklärung.⁷⁴ So hielt er im Januar 1889 im Münchner Kunst- gewerbehaus einen Vortrag über „Hypnotismus und Suggestion“ und erläuterte seine Ausführungen durch entsprechende Experimente;⁷⁵ ein ähnlichesReferat hielt er im gleichenJahr auch im Münchner „Kaufmännischen Verein“.⁷⁶ Ein weiterer Ort öffentlicher Wirksamkeit der neuen Wissenschaft der Hyp- nose war der Gerichtssaal und das dortigeforensische Gutachten des Arztes. In der Münchner „PsychologischenGesellschaft“ beschäftigte sich zunächst vorallem Carl du Prel mit der forensischenBedeutung vonSuggestion und Hypnose. So hielt er dort im Februar 1889 einen auch in gedruckter Form vorgelegtenVortrag „Der Somnambulismus vordem Landgericht München I“;imdarauffolgendenMonat sprach er „Über das Verhältnis des Somnambulismus zur Polizeiwissenschaft“.⁷⁷

Obermedizinalrat und Direktor des Allgemeinen Krankenhauses in München. Schrenck-Notzing wurde  bei ihm mit der Arbeit „Ein Beitrag zur therapeutischen Verwertungdes Hypnotis- mus“ promoviert.Zur Berliner Entwicklung vgl. Wolffram: Stepchildren, –.  Bloch: Sexualleben, .  Ein Beleg für die vomPublikum mit Hypnose assoziierteerotische Pikanterie ist der Stich bei Kuff: Ästhetik,  (Taf. ,Bild ). Nach freundlicher Informationvon Timon Kuff trägt ein Ori- ginalstich in den Staatlichen Museen zu Berlin, Preußischer Kulturbesitz, den Titel „‚Hypnose‘ von RichardFalkenberg, Jahresausstellung  der Künstler-GenossenschaftzuMünchen.“ Der Stich könnte aufeine Hypnose-Szene mit Schrenck-Notzingetwa im Münchner „Krankenhauslinks der Isar“ anspielen.  ZumFolgenden Obersteiner:Hypnotismus.  Indem er die Öffentlichkeit über das neue Heilverfahren aufklärtebzw.die Neugier des Pu- blikums befriedigte,wollte er gewiss auch seine eigene Klientel vergrößern.Thomas Mann notierte sich  Schrenck-Notzings Adresse in sein Notizbuch. Vgl. Mann: NotizbücherI,.  Vgl. Jahresbericht der „Psychologischen Gesellschaft“ / unterdem ..;die Aussprache der Gesellschaft über diesen Vortrag fand am .. statt,vgl.Kaiser: Carl du Prel, .  Belegt durch Schrenck-Notzing: Ueber die praktische Bedeutungdes Hypnotismus.  Vgl. den Jahresbericht der „Psychologischen Gesellschaft“ / unterdem .. und .. bei Kaiser: Carl du Prel, . 52 Ulrich Linse

Im gleichen Jahr veröffentlichteerdas Buch „Das hypnotische Verbrechen und seine Entdeckung“.⁷⁸ Du Prel griff dabei aufein Thema zurück, das bereits JulesLiégeois (1833 – 1908) vonder Nancy-Schule der Hypnose beschäftigt hatte, das sogenannte „hypnotischeVerbrechen“.⁷⁹ Die Bezeichnungbeinhaltet sowohl in Hypnose verübte Verbrechen wie Verbrechen an zuvorhypnotisierten Menschen. In seinem Nachruf aufLiégeois würdigte Schrenck-Notzing ihn dafür,

daß er zuerst als unerschrockener Vorkämpfer mit großemNachdruck die Aufmerksamkeit der Ärzteund Juristen aufdie bis dahin unbekannt gebliebeneRolle der Suggestion in der forensen Praxis lenkte, ein umfassendes Material ausder Rechtsprechungzur Bestätigung sammelte und durch die systematische, psychologische und juristische Bearbeitungdes Gebietes eine kriminalpsychologische Spezialität schuf, die heuteinkeinem Handbuchder gerichtlichen Medizin mehr fehlt.⁸⁰

Als jungerArzt erkannteSchrenck-Notzing die forensische Bedeutung des Themas Suggestion und Hypnose, sowohl im Hinblick aufeinen Bekanntheitsgewinn durch die damitverbundene, öffentlich beachteteGutachtertätigkeit als auch wegen der damit einhergehenden wissenschaftlichen Anerkennungder Hypnose selbst.⁸¹ Nachdem sich seine Wege vondenen Carl du Prels getrennt hatten, ver- öffentlichte Schrenck-Notzing selbstimOrgan der „PsychologischenGesellschaft“ Arbeiten über Kriminalpsychologie zunächst noch unter Pseudonym.⁸² Schrenck-Notzingwirkte schließlich 1895als GutachterimMünchner Schwurgerichtsprozess gegenden Handleser,Magnetiseur und Hypnotiseur CzeslawCzynski (1858–1932) mit,der durch Hypnose den Geschlechtsverkehr und eine Scheintrauung miteiner vonihm willenlos gemachten wohlhabenden Ade- ligenerschlichen haben sollte.⁸³ Dieser Fall war dadurch für ihn besonders in- teressant,daCzynski Okkultist war,auch wenn dieser Sachverhalt beim Prozess nur am Rande zur Sprache kam.⁸⁴ Gewiss warebenso für Schrenck-Notzing von

 ZurParapsychologie im deutschen Gerichtssaal der Weimarer Zeit vgl.Wolffram: Stepchildren, –.  Vgl. dessen Veröffentlichungen: Liégeois: Suggestion; Liégeois:Delasuggestion hypnotique.  Schrenck-Notzing: Professor Liégeois †, f.  Nach dem Prozess Czynski war er auch in späteren Sensationsprozessen als Gutachter tätig, so im „Berchtoldprozess“ (suggerierte Zeugenaussagen) und im „Allensteiner Prozess“ gegenden Hauptmann vonGöben (Mordund sexuelle Hörigkeit); vgl. Peter: Schrenck-Notzing, .  Vgl. Walther: Verzeichnis, f. Sein Pseudonym lautete Franz Imkoff.  Vgl. Grashey/Hirt/Schrenck-Notzing: Prozeß, .  Czynski wies bei seiner Vernehmung ausdrücklich aufdiese Tatsache hin: „Er sei Mitglied der Pariser ‚Societédes études ésotériques‘,deren Präsident Dr.Encausse (unter dem Namen Papus) sei. Herrn Dr.Frhrn.v. Schrenck müsse diese Gesellschaft bekannt sein. Letzterer verneint dies;es Klassische Orte parapsychologischer Wissensproduktion 53

Bedeutung,dass das weibliche Opfer dem Spiritismus zuneigteund mit spiri- tualistischen Kreisen in Berlin und München in Verbindunggestanden hatte.Im Mittelpunkt der Verhandlungenstand die Tatsache, dass damiterstmalsvon ei- nem deutschen Schwurgericht über ein „hypnotisches Verbrechen“ und damit auch über die tatsächliche Wirksamkeit der hypnotischen Suggestion Recht ge- sprochen werden sollte. Der Präsidentdes Schwurgerichts machte die Geschwo- renen vorder Urteilsfindungdarauf aufmerksam, „daß vordeutschen Schwur- gerichten noch kein ähnlicherFall verhandelt worden sei und die heutige EntscheidungimFalle der Bejahung der […]der Schuldfrageeinen Präzedenzfall schaffe“.⁸⁵ Schrenck-Notzing als einer der Gutachter der Anklage, wies aufdie Mög- lichkeit und das tatsächliche Vorkommen sexueller Verbrechen in der Hypnose hin. Für ihn war Czynski – gerade weil er ein so erfolgreicher Hypnotiseur sei – „ein typischer Repräsentant des Kurpfuschertums in seiner gefährlichsten Gestalt. Die wissenschaftlichen und sittlichen Voraussetzungeneinessoverantwor- tungsvollen Amtes wie das des Arztessind ihm völlig abzusprechen.“⁸⁶ Darüber hinaus erinnerteerdie Behörden an ihre „dringende Pflicht […], jede Artvon Ausübung hypnotischer Prozeduren, insbesondere öffentliche Schaustellungen, zu verbieten, und die Anwendung des Hypnotismus als Mittel zu Heilzwecken und zu wissenschaftlichen Studien lediglich approbiertenÄrzten zu gestatten.“⁸⁷ Die Geschworenen gaben den vier wissenschaftlichen Gutachtern Recht: „Damit ist zum ersten Male in Deutschland in einemSchwurgericht der Hypnotismus an- erkannt als ein Faktor,der bei der Rechtsprechung als ein solcher zu berück- sichtigen ist.“⁸⁸

scheint eine Gesellschaft vonDilettanten zu sein.“ Ebd., .Schrenck-Notzings angebliche Un- wissenheitindieser Sache ist erstaunlich: Gérard Encausse, Pseudonym Papus, (–)war nicht nur Arzt und Hypnotiseur wie er,sondern seine „Groupe indépendant d’études ésotériques“ hattewie die Münchner „Psychologische Gesellschaft“ eine theosophische Herkunft.Der Gedanke ist reizvoll, dass Schrenck-Notzingindem verbrecherischen „Sexualmagier“ Czynski sein eigenes Spiegelbild sah. Czynski führte zunächst den polnischen Zweig des Martinisten-Ordens;  dann die National-Großloge des Orientalischen Templer-Ordens (O.T.O.)für die slawischen Länder.  Grashey/Hirt/Schrenck-Notzing: Prozeß, .  Ebd., .  Ebd.  So der Gutachter Wilhelm Preyer, in: ebd., . 54 Ulrich Linse

5Die künstlerisch-kreativenWissens-Orte: Salon, Künstler-Atelier undSchaubühne

5.1 Vorführungen im „geselligen Zirkel“ des Salons

Die im „Münchner Kreis“ vonCarlduPrel und Schrenck-Notzing gegenEnde des vorletzten Jahrhunderts abgehaltenen geselligen abendlichen Sitzungen in den Salons ihrer Privathäuser oder -wohnungen befanden sich nochganz in der Kontinuität des klassischen spiritistischen Cirkels im häuslichen Umfeld des Wohnzimmersmit wenigenausgewählten Teilnehmerinnen und Teilnehmern, den so genannten Haus-Séancen.⁸⁹ Die Salon-Sitzungen dienten der Unterhaltung und dem amüsanten Zeitvertreib, aber auch der intellektuellen und emotionalen Anregung.Ebenso wie in den spiritistischen Séancen störten dabei die Konver- sation der Anwesenden und die Musik nicht,sondern waren eher erwünscht,dain beiden Fällen die dabei entstehende harmonische Atmosphäre für das Gelingen der Gesellschaft und der vonden Medien produzierten Phänomene förderlich erschien. So fand die übergroße Zahl der in München 1887mit dem Mädchen Lina Matzinger⁹⁰ abgehaltenen Experimente in den Privatwohnungen, sprich in den bürgerlichen Salons der Mitgliederder „Psychologischen Gesellschaft“ statt.⁹¹

 Vgl. Natale: Geisterglaube, f.: „Die privaten Sitzungen[der Spiritisten] wurden meist in den Teilen des Hauses abgehalten, die gewöhnlich sozialen und familiären Funktionen vorbe- haltenwaren. Solche Räume, wie etwa das Wohnzimmer, hatten gleichzeitigeine öffentlicheund privateFunktion.“  Sie war eine geborene Österreicherin und hattelängere Zeit in Wien gelebt,vgl. Prel: Expe- rimente, .Nach Schrenck-Notzing: Experimente übersinnlicher Eingebungen, ,gehörtedas junge MädchenLina M. den „Mittelständen“ an,war tagsüber berufstätigund stelltesich in seinen abendlichen Mußestundenuneigennützigfür die entsprechenden Versuche zur Verfügung.  Schrenck-Notzingmeint vage,erhabeinseiner „Wohnung“ (Schrenck-Notzing: Albert von Keller, ;auch in Schrenck-Notzing: Physikalische Phänomene, spricht er durchgehend von „Wohnungdes Verfassers“)für den engeren Freundeskreis Medien auftretenlassen.Solche „Sitzungen“,wohlimSalon, fanden nachweislich  und  mit dem Medium Eusapia Paladino statt.Eine dieser „Sitzungen“ von ,vielleicht schon im neuen Palais Schrenck- Notzings,ist auch fotografisch überliefert (Abb. ,in: Bott: Albert vonKeller, ). Nach der dortigenBeschriftungzeigt es die Levitation eines Tischchens,auf dem eine Ziehharmonikaliegt, durch Eusapia Paladino in München .Die Experimente sind beschriebeninSchrenck-Not- zing:Physikalische Phänomene, –:Ein kleiner Kreis vonfünf Personen – vier Männerund eine Frau – sitzen mit dem Medium an einem Tischund bilden die Kette. Die Intimität des Um- gangs vonSchrenck-Notzingmit diesem Medium kommtinseinem Hinweis zum Ausdruck, die allein reisende Eusapia Paladino „ist aufTreu und Glauben ihrem Gastgeber überliefert [wohl: Klassische Orte parapsychologischer Wissensproduktion 55

Eine wirklichexperimentelle Forschungnun in wissenschaftlichem Geisteist bei einer Pri- vatperson,welche in geselligemZirkel sich wohl allen Probensoweit unterwirft,dass Betrug als ausgeschlossen betrachtet werden kann, nur im beschränktenSinne möglich, einmal, weil man aufden medizinischen Teil der Untersuchungfast ganz verzichten muss,dann aber auch, weil das für genauere Erforschung unbedingt erforderliche Instrumentarium im Pri- vatkreise nicht vorhanden und auch so leicht nicht zu beschaffen ist, meinte dazu einschränkend derHypnotiseur Schrenck-Notzing.⁹² Schrenck-Not- zingsMalerfreund Albert vonKeller(1844–1920)stellte mehrfach seinen groß- bürgerlichen Salon⁹³ fürhypnotischeExperimenteund „okkultistische Unterneh- mungen“ mitMedienzur Verfügung, an denensowohlseinMünchnerFreundeskreis wiehochgestellte Prominente teilnahmen.⁹⁴ Er legteabergegenüber seinem Bio- graphen Hans Rosenhagen (1858– 1843)Wertauf dieFeststellung, „dass Siemich nichtals gläubigenSpiritisten erklären,der ichnicht bin; beiallem Interessefür dieseDinge binich sehr skeptisch, doch können mirdiejenigenGelehrten nicht

ausgeliefert; UL]. Währendsie in meinem Hause wohnte,war ich oft in ihrem Zimmer,hatteGe- legenheit,ihre geringenHabseligkeiten, ihre Schuhe und Kleidung sorgfältigstzuprüfen, konnte aber nichts Verdächtigesentdecken“ (Schrenck-Notzing: ZurMethodik, ). Trotzsolcher ge- genüber einem finanziell abhängigen „Gast“ eigentlich unangebrachter Schnüffelei im Namen der Wissenschaft,ist nicht zu übersehen, dass hier ausder verpönten spiritistischenSéancedas „tanzendeTischchen“ und die intime „Kette“ der um dieses zentrale häusliche Möbel herum sitzenden Zirkelteilnehmerübernommen wurde – und natürlich das „Medium“ selbst (Schrenck- Notzing: Telepathische Experimente, ). Widersprüchlich sind die Aussagen, soweit sie die Öffnungder Münchner Villa vonGabriel vonMax für solche Experimente betreffen. Fotosdes Wohnhauses vonGabriel vonMax in: Althaus: Gabriel vonMax, –,Abb. –.Dort heißt es auch, sein Haus sei für spiritistische Treffen offen gestanden und Gleichgesinnteund Wis- senschaftlerhätten sich bei ihm zu „Sitzungen“ getroffen, auch einige seiner Kollegen in der Münchner Kunstakademie hätten daran teilgenommen. Aber Gabriel vonMax habe vergleichs- weise seltenanmediumistischen Sitzungenteilgenommen,belegt seien solche Ende  in seinem damaligenAtelier,vgl. ebd., .Für die Behauptungvon Siebenmorgen: Gabriel vonMax, ,der Maler habe vonseinem SommerhausinAmmerlandamStarnbergerSee aus „regelmäßig an Séancen im Haus seines Nachbarn […]Albert vonSchrenck-Notzingteil[genommen]“,gibt es bislangkeine Belege.  Schrenck-Notzing: Telepathische Experimente, .  Albert vonKellers Fünfzimmerwohnunglag im erstenStock eines Doppelwohnhauses in der repräsentativenMaximilianstraße (Nr. ,heuteNr. )ineinem vonFriedrich vonBürcklein er- richtetenNeubau. Grundriss der Wohnung, besonders auch der beiden Salons sowie Auflistung und Fotosder Einrichtungsgegenstände bei Müller:Albert vonKeller, ;Müller:Ambiente, – , f.  Als solche werden namentlichgenannt die englischen Gelehrten FredericW.H. Myers (– )und Henry Sidgwick (–), die Königin Marie Sophie vonNeapel-Sizilien (– ), der Augenarzt HerzogCarl Theodorvon Bayern (–)und der ChirurgProf. Friedrich vonEsmarch (–). Vgl. Schrenck-Notzing: Albert vonKeller, . 56 Ulrich Linse imponieren,die absprechen ohne gesehenzuhaben.“⁹⁵ Keller glaubtenicht wiedie Spiritisten, dass sich beiden Sitzungen dieGeister vonVerstorbenendurch die Medien äußerten.Erstand also derauchvon Schrenck-Notzing vertretenen psy- chologischen Deutungder Phänomenenahe, nach deressichbei denmediumis- tischenPhänomenenumdie sichtbaren „materialisierten“ Auswirkungen unbe- wussterseelischer Vorgänge handele. Keller verdanken wir auch die malerische Darstellungder Doppelbödigkeit des Salons: Er ist ein Ort mondäner Tischgesellschaften, aber auch die Bühne für Séancen mit somnambulen Entrückungenoder mit „Materialisationen“ auseiner übersinnlichen oder zumindest unbewusstenWelt.⁹⁶ Salon und Okkultismus, großbürgerliche Außenweltund seelischerInnenraumgehörten offenbar für einen modernen Künstler wie Keller unauflösbar zusammen.⁹⁷ Er war sich dabei gänz- lich bewusst, dass es sich hier um eine Welt der Illusionen handelte: Er wollte diese aber,ebenso wie bei seinen häufigen Theaterbesuchen, nicht kritisch zer- stören lassen, sondern „bei mediumistischen Dingen und Darstellungen grund- sätzlich alles glaube[n] – dadurch verlebe ich Stunden des gespanntesten Inter- esses und fesselnder Erlebnisse und Erregungen.“⁹⁸

5.2 Zur Psychologie des „Salonmenschen“

Schon Albert vonKellers Biograph Hans Rosenhagen bemerkte in den Gemälden Kellers diesen Gegensatz: aufder einen Seite die Schilderung des „verhaltenen Sentiments vonSalonmenschen“,auf der anderen Seite aber die Darstellung von „Ausbrüchen elementarer Empfindungen“.⁹⁹ Letztere verband Keller beson-

 Rosenhageniana (= Nachlass vonHans Rosenhageninder Bayerischen Staatsbibliothek, Handschriftenabteilung), Briefe: Brief [Nr. ]von Albert vonKeller an Rosenhagenvom .. .  So zeigen Kellers Gemälde einerseits das „Interieurbild der gutenGesellschaft“ (Müller:Albert vonKeller, ), andererseits einen während einer Séancemit Lina Matzinger  ausgebro- chenen Brand: Aufeinem dieser Brandbilder sieht man das Medium in somnambuler Trance teilnahmslos-unbewegt im Sessel sitzen – um das Medium herum sechs Personen – vier Männer und zwei Frauen (d.h. eben die Kellers und vonihnen eingeladene Gäste), die mit panischem Schreckenreagieren (Abb. in: Müller:Albert vonKeller,  sowie Bott: Albert vonKeller,Abb. , zur Datierungebd., ). Im „Kleinen Salon“ hingdas Bild „Spiritistischer Apport“,Kellers Porträt des MediumsLina MatzingerinHypnose. Im „Großen Salon“ hingsein Bildnis des Mediums Eusapia Paladino. Vgl. Müller:Ambiente, , .  Aufgroteske Weise verfehltdiesen Zusammenhang Treichler, Revolutionen, .  Ostini: Albert v. Keller.  Rosenhagen: Albert vonKeller, . Klassische Orte parapsychologischer Wissensproduktion 57 ders mit dem Auftritt der „Schlaf-und Traumtänzerin“ Ma(g)deleine Guipet in München1904 (vgl.Abb. 2).Aus dem Repertoireihrer „Gebärdenkunst“¹⁰⁰ zog ihn besonders die „schmerzvolle Gebärde“¹⁰¹ an und stimulierteihn, gestützt auf Fotos ihrer Münchner Auftritte,¹⁰² zu zahlreichen malerischenDarstellungen.¹⁰³

Abb. 2: Die Traumtänzerin Magdeleine G. auf der Bühne des Münchener Schauspielhauses, im Zuschauerraum vonlinksnachrechts: Dr.v.Schrenck-Notzing, Prof.A.v.Keller,Prof.Gabriel v. Seidl,1904(Quelle: Schrenck-Notzing: Albertvon Keller,209)

Hatte Schrenck-Notzing im Sinne vonSigmund Freud (1856–1939) und Josef Breuer (1842–1925)vom Gegensatzzwischender kulturell verlangten Affektbe- herrschung und dem durch die Hypnose möglichen Aufbrechen der unterdrückten

 Schrenck-Notzing: Albert vonKeller, , .  Ebd., .Dies wirdbesonders augenfälligbeim Vergleich vonKellers quälerischenDar- stellungen mit Friedrich August vonKaulbachs malerischen Inszenierungender schönen Guipet. Vgl. das Beispiel bei Bott: Alfred vonKeller,  (Abb. ).  Vgl. Schrenck-Notzing: Albert vonKeller, , f.  Vgl. die Beispiele bei Rosenhagen: Albert vonKeller, f. (Abb. f.) und  (Abb. ); vgl. Schrenck-Notzing: Albert vonKeller,Nachruf, – (Abb. –). 58 Ulrich Linse und verborgenen tiefsten Gemütsbewegungen gesprochen,¹⁰⁴ so gaben die vi- sionär-alptraumhaftenBilder weiblicher Passionen („Visionen“ nannte er sie) einen Blick in Kellers eigene seelischen Abgründe bzw.die seiner Mutter frei. Dabei hatteerdas Motivder leidenden Frau,obals Märtyrerin, Verzweifelte oder Scheintote, ebenso wieden Titel „Vision“ vonGabriel vonMax (1840 –1915) übernommen¹⁰⁵ und dabei dessenkünstlerischen Übergang vonder Historien- malerei zur psychologischen Malerei weitergeführt und malerisch expressivge- steigert.Das Ergebnis waren Wege in eine ästhetische Moderne durch die Erfor- schung seelischerGrenzerfahrungen.¹⁰⁶ Im Fall vonAlbert vonKeller ging es bei der spirituell-okkulten Suche vor allem um die Darstellung seines eigenen inneren Dramasund Traumas, war doch seine eigene Mutter als Ehebrecherin ausdem Züricher ‚Juste milieu‘ ausgestoßen worden; sein leiblicher Vater war vermutlich der Bruder ihres Ehemannes.¹⁰⁷ Während die ehelich gezeugten Kinder beim Vater – einem angesehenen Züricher Seidenindustriellen – blieben,verzog die verstoßene Mutter mit ihrem uneheli- chen Sohn Albert ein Vierteljahr nach dessenGeburt für immer nach Deutschland. Als Dreijährigererlebte er dann dort 1847die öffentliche Zurschaustellung und Hinrichtungeiner Vater-Mörderin in Bayreuth.¹⁰⁸

 Vgl. Schrenck-Notzing: Traumtänzerin, .  Vgl. Mann: Gabriel Max, f.; Siebenmorgen: Gabriel vonMax, f.; Zänker:Crucifixae, –;Althaus: Gabriel vonMax, –.Nach Althaushattevon Max das Sujet wiederum von zeitgenössischen französischen Malern übernommen, vgl. ebd., f.  In vulgärmarxistischer Deutungwurde den Bildern hingegen „bürgerliche Verlogenheit“ attestiert.Vgl. Hamann/Hermand: Naturalismus, , , .Aus feministischer Sicht wurden sie als „Idoleder Perversität“ gedeutet.Vgl. Dijkstra: Idols, –, , , , f.; Bronfen: Leiche, –;Stelzl: Hexenwelt, –;Karentos: Kunstgöttinnen, –. Eine neue und positive kunsthistorische Würdigung Kellers findet sich in den Katalogenseiner Einzelausstellungen im Kunsthaus Zürich  (Bott: Albert vonKeller)und im Frye Art Museum in Seattle/U.S.A.  (Birnie Dansker/Bott: Séance).  So vermutet zumindest Müller:Albert vonKeller, .Nach der Scheidung vonihrem Ehemann, bereits zweiJahrevor Alberts Geburt,nahm sie wieder ihren Mädchennamen Keller an, den dann auch Albert erhielt.  Rosenhageniana (= Nachlass vonHans Rosenhageninder Bayerischen Staatsbibliothek, Handschriftenabteilung), III,:Albert vonKeller:[Autobiographische Aufzeichnungen]; Rosen- hagen: Albert vonKeller, –.Bei der Hingerichtetenhandelte es sich um die  geborene Anna BarbaraWendel vonUnterpurbach bei Kulmbach. Sie hattenach ihrerVerheiratung das bäuerliche Anwesen ihresVaters übernommen. Da das Anwesen verschuldet war,ermordetedas Paar gemeinschaftlich den Vatervon Barbara  und tarnteden Mord als Unfall.Vgl. Schreiben des Stadtarchivs Bayreuthvom .. an den Verf. Ich dankedem Bayreuther Stadtarchivar Walter Bartel für seine entsprechenden Recherchen. Klassische Orte parapsychologischer Wissensproduktion 59

Unter der Oberfläche der bürgerlichenZivilisation und damitauch der ge- sellschaftlich angepassten Salon-Menschen erkanntesoKeller destruktive Ob- sessionen,die in sexuellen Leidenschaftenund in körperlichen Gewaltakten zum Ausbruch drängten. So wurde Keller zum Maler des Unbewussten. Hatte bereits Gabriel vonMax eine Analogie seiner künstlerische Arbeit mit der vonTrance- mediengesehen, so verglichnun auch der Maler Albertvon Keller sich selbst mit einem Medium und seine Werke mit dessenunbewusst-passiven Trance-Produk- tionen.¹⁰⁹

5.3 Künstler-Atelier undSchaubühne alsOrte wissenschaftlich-künstlerischer Synthese

Die verdrängten Leidenschaften wurden aber auch vonhypnotisierten Medien inszeniert und konnten dann vonMalern ins Bild gebannt werden. Ausdiesem Grund fanden einigeder hypnotischen ExperimenteSchrenck-Notzingsganz be- wusst in den Künstler-Ateliers vonMitgliedern der „PsychologischenGesellschaft“ statt.Hier war man in kleinem Kreiseunter sich und ungestört,hier konnte man die für die Dokumentation nötigen fotografischen Ausrüstung aufbauen, hier war, falls benötigt,durch die Atelierfensterausreichend Tageslicht vorhanden, hier gab es Staffagen für mancherlei illusionistische Inszenierungen. Schrenck-Notzing berichtet¹¹⁰ voneinem dieser Experimente am 26.Mai 1887 im Atelier vonGabriel vonMax.¹¹¹ Beidieser Sitzung wurdeder durch die hyp- notischbewirkte Katalepsie eingefrorene Gesichts- und Gebärdenausdruck des Mediums Lina Matzingerauch fotografisch festgehalten. Es sollendie „ersten auf einer ‚systematischen‘ Versuchsanordnung beruhenden ‚okkulten‘ Experimente in Deutschland“ gewesen sein,die im neuen Bildmedium der Nachweltüberliefert wurden.¹¹² Im gleichen Jahr 1887fanden dann – ebenfalls im Rahmen der vonder

 Vgl. Rosenhagen: Albert vonKeller, , ;Schrenck-Notzing: Albert vonKeller,Nachruf, .  Vgl. Schrenck-Notzing: TelepathischeExperimente, f.  Max hatteimRückgebäude seiner repräsentativenVilla in der damaligenHeustraße (heute Paul-Heyse-Str. )imJahre  ein dreiteiligesAtelier einrichten lassen, eines davonals Be- sucheratelier.Vgl.Althaus: Gabriel vonMax, ; f. (Abb. f.), Tischorgel, in: ebd.,  (Abb. ).  Ebd., .Dies giltallerdingsnur dann, wenn die drei, während der gleichen Untersu- chungsreihe im AtelierAlbert vonKellers veranstalteten, „Sitzungen“ später in diesem Jahr stattgefunden haben. Nicht zu übersehen ist,dass nach dieser Lesart die bei Max gemachten Fotos keinerlei öffentlicheWirkung erzielten, weder durch malerische Umsetzung noch durch Vertrieb 60 Ulrich Linse

„Psychologischen Gesellschaft“ angeregten künstlerischen Experimente – drei hypnotische Sitzungen im Atelier vonAlbertKeller ebenfalls mit dem Medium Lina Matzinger und „voreiner Reihe vonZeugen“ statt.Die dabei gemachten Fotos des durch Schrenck-Notzing wiederum hypnotisierten und in Katalepsie versetzten Mediums wurden vonder „Psychologischen Gesellschaft“ kommerziell vertrie- ben¹¹³ und dientenAlbertvon Keller auch als VorlagezuGemälden (vgl.Abb. 3 und 4).¹¹⁴ Dieser habe, nach eigener Aussage,

durch die bei solchen Versuchen hervorgerufenen Nerven- und Gemütszustände der Objekte und besondersdurch derenins Wunderbaregesteigerte Ausdrucksfähigkeit einen außeror- dentlichen Reichtum vonErfahrungüber Erscheinung und Darstellungder Gemütsbewe- gungen der Menschen gesammelt.¹¹⁵

Als Fortsetzung und künstlerische Steigerung dieser 1886 vonihm gemeinsam mit Albertvon Keller unternommenen Affektstudien sah Schrenck-Notzing die vonihm 1903 und 1904 organisierten künstlerischen Auftritte der Pariser „Schlaf- oder Traum-Tänzerin“ Ma(g)deleine Guipet¹¹⁶ im „MünchnerSchauspielhaus“, dem neuen,erst 1901 eröffneten JugendstilbauRichard Riemerschmids.¹¹⁷ Da aber die öffentlichenVorführungen der Berufstänzerin peinlich an zeitgenössische unwissenschaftliche Schau-Hypnosen erinnerten,¹¹⁸ versäumte es Schrenck-Not- zing nicht,den Vorstellungen dadurch einen ernsthaften wissenschaftlichen Anstrich zu geben, dass er dem Münchner ärztlichen Vereindas Vorrecht einer Demonstration der Tänzerin im klinischen Hörsaal des Vereins vermittelte; der

der Fotosund so für die zeitgenössische Kunst und Wissenschaft bedeutungslos blieben – im Gegensatz zu den Fotografien, die in Kellers Atelier entstanden sind.  [Anonym]: Photographien, , , ,identische FotosinSphinx ,/, , f.  Vgl. Schrenck-Notzing: Albert vonKeller, –.  So zitiert bei Ostini: Albert vonKeller.  Schrenck-Notzinghattedie Berufstänzerin im Frühjahr  in Paris kennen gelernt und sie – wohlstimuliert durch ihreErfolge in der Pariser OpéraComique, durch ihrePrivatauftrittein Pariser Künstlerkreisen(u.a. bei dem Bildhauer AugusteRodin), sowie durch die dabei ent- standenen Fotosvon Frédéric Boissonnas – unterBegleitungihres Impressarios und Magnetiseurs Émile Magnin kurzdarauf nach München engagiert.Ineinem öffentlichen Vortrag „Über die künstlerische Bedeutungder Ausdrucksbewegungeninder Hysterieund in der Hypnose“ griff Schrenck-Notzing  das  vonCarl du Prelund der „Psychologischen Gesellschaft“ for- mulierteThema wieder aufund beschäftigte sich mittels der Methodender experimentellen Psychologie, inklusive der Hypnose, mit der Erforschung der unbewussten, kreativ-künstlerischen Potentiale, vgl. Kuff: Ästhetik, .  Vgl. Jelavich: Munich.  Vgl. Natale: Geisterglaube. Klassische Orte parapsychologischer Wissensproduktion 61

Verein lehnte jedoch seinweitergehendes Angebot ab,mittels eines Komitees die Tänzerin ärztlich begutachten zu lassen.¹¹⁹ An den fünf Privatvorführungen – drei davoninSchrenck-NotzingsPalais – und den folgendendrei Bühnenauftritten der Guipet in München¹²⁰ nahmendie Repräsentanten des städtischenBesitz-und Bildungsbürgertumsals Zuschauer teil. Beidiesen öffentlichenVeranstaltungenwarendas über 5.000 Zuschaue- rinnen und Zuschauer,3.000 vonihnen „Künstler,Ärzte, Gelehrte“ mit kosten- losem Eintritt.¹²¹ Ins Augefiel dem Publikum dabei besonders der starke „Af- fektausdruck“ der Tänzerin.¹²² Das MünchnerVorkriegspublikum,besonders seine bildungsbürgerliche Elite, die personell vernetzt war mit den Künstlern der „Secession“,mit der „Psychologischen Gesellschaft“ und mit der führenden li- beralen Presse der Stadt,erwiessich dabei als durchaus aufgeschlossengegen- über solchenFormen expressiverModernität.Mit diesen Kreisen und ihren künstlerischen Anschauungenverband sich nun Schrenck-Notzing,dem es nicht mehr wie in seinen ärztlichen Anfängen um eine therapeutische Suggestion der Kranken mittels Hypnose ging,sondern um die künstlerische Befreiung des Un- bewusstenund seines kreativenpsychischen Ausdrucksvermögens ausder Zwangsjacke der bürgerlichenKonventionen.¹²³ Es ist kennzeichnend für die damaligeoffen-moderne künstlerische Atmo- sphäre der Stadt,dass Schrenck-NotzingsMaler-Freund Albert vonKeller,ein leidenschaftlicher Theatergänger,dessen letzte große unerwiderteLiebe einer Schauspielerin ausMax Reinhardts BerlinerTruppe galt,¹²⁴ maßgebend bei der ‚würdigen‘ Gestaltungdes äußeren Rahmens des öffentlichen Auftrittsder Guipet

 Vgl. Schrenck-Notzing: EinigeBemerkungen; Schlaginweit: Schlaftänzerin.  ZumFolgenden vgl. Schrenck-Notzing: Traumtänzerin;Roberts:Schlaftänzerin.  So Schrenck-Notzing: Traumtänzerin, .Die Kritik an diesen Veranstaltungen kam vonSeiten der MünchnerSozialdemokratie, vgl. Roberts:Schlaftänzerin.  Schrenck-Notzing: Traumtänzerin, .Offen muss bleiben, ob es sich bei diesen Vorfüh- rungen tatsächlich um durch Hypnose induzierte Kunst handelte oder nicht einfach um die „geschickteMystifikation“ einer Berufs-Künstlerin,wie der Arzt Felix Schlaginweit vermutete. Schlaginweit: Schlaftänzerin, ,vgl. auch Ropa: Schlaftänzerin.  Wolffram: Stepchildren, , ,sieht in Schrenck-Notzings „ideoplastischer“ Deutungder Traumtänzerin dessen Einstieg in die Beschäftigung mit dem hypnotisch induzierten „physika- lischen Mediumismus“ und den Abschied vonseinem bisherigenärztlichen Einsatz der Hypno- setherapie.Seine ärztliche Praxis wurde zunehmend bedeutungslos,was auch durch die hei- ratsbedingte finanzielle Unabhängigkeit möglichwurde.  Camilla Eibenschützvom Deutschen Theater Berlin; vgl. Rosenhagen: Erinnerungen, ; Rosenhagen: Albert vonKeller,Abb.  und . 62 Ulrich Linse im Schauspielhaus beteiligt war und anschließend ihren dortigen Tanz über- schwänglich als „göttlich schön[es]“ Schauspiel lobte.¹²⁵

Abb. 3: Das MediumLina,von Schrenck-Notzing hypnotisiert in einer suggerierten Pose, 1887 (Quelle: Schrenck-Notzing: Albertvon Keller,200)

6Nach dem Ersten Weltkrieg: Romanund Kino alsneue mediale Orte

WieThomas Mann schrieb, sei Schrenck 1914nach seiner Veröffentlichung über die „Materialisations-Phänomene“, „wissenschaftlich ein toter Mann“ gewesen.“ Nach dem Weltkrieg und der Veröffentlichung vonSchrencks Verteidigungsschrift „Der Kampf um die Materialisationsphänonmene“ (1914) habe die Skepsis ihm

 Schrenck-Notzing: Albert vonKeller, . Klassische Orte parapsychologischer Wissensproduktion 63

Abb. 4: Spiritistischer Apport eines Bracelets, Gemälde von Albertvon Keller aus dem Jahr 1887 (Quelle: Schrenck-Notzing: Albertvon Keller,201) gegenüber aber nachgelassen.¹²⁶ Schrenck-NotzingsSitzungen waren in den An- fangsjahren der WeimarerRepublik ausgebucht.Dementsprechend machten aber auch seine wissenschaftlichen Gegner in der Weimarer Zeit mobil.¹²⁷ Thomas Mann selbst hatte aufeigenen Wunsch 1923/24als Beobachter und manueller „Kontrolleur“ an drei Laboratoriums-Sitzungen Schrenck-Notzingsmit dem Me- dium WillySchneider teilgenommen.¹²⁸ Begeistert äußerte er sich in einem Brief:

 Mann: Erlebnisse, –.  Vgl. Bruhn: GelehrteHypnose und Moll: Psychologie.  Schrenck-Notzingmachtemit dem ausBraunaustammenden jungenDentisten vonDe- zember  bis Anfang  sowie vonHerbst  bis Frühjahr  insgesamt  „Sit- zungen“,davon  im September/Oktober  während der Semesterferien im Psychologischen Institut der Universität München. An diesen „Sitzungen“ am Psychologischen Institut beteiligten sich  akademische Berufsgelehrteund  andereInteressenten(Ärzte, Schriftsteller,Privat- 64 Ulrich Linse

„Ichhabe okkulte Gaukeleien des organischen Lebens gesehen (mit meinen un- bestochenen Augengesehen)“.¹²⁹ In seinem Beobachtungs-Protokoll¹³⁰ und in dessenironisch gebrochener literarischen Bearbeitung¹³¹ machte sich Mann auch Schrenck-NotzingsDeutung der Vorgängeals „physikalischer Mediumis- mus“ zu eigen¹³² und bekräftigte so öffentlich dessen absoluteGlaubwürdigkeit. Ein Grund dafür könnte darin gelegen haben, dass er im Sinne Schrenck-Notzings die Vorgänge „als magisch objektivierte Traumvorstellungendes Mediums“,also als Produktionen des Unbewussten verstand und dabei – wie zuvorschon die Maler Gabriel vonMax und Albertvon Keller – aufdie Parallele zwischen Medium und Künstler verwies: Ein Künstler werde schnell bereit sein, „nichtnur sein ei- genes Handwerk,sondern auch die gesamte Wirklichkeit als ideoplastisches Phänomen zu deuten.“¹³³ Aber der bisherige, im einstigen Programm der Münchner „Psychologischen Gesellschaft“ verankerteharmonische Zusammenhang der Parapsychologie mit der naturwissenschaftlichen und der künstlerischen Welt der „Moderne“ begann sich in den 1920er Jahren aufzulösen. Diese Dissoziation lässt sich an Thomas Mann verdeutlichen. Denn was Thomas Mann – ganz anders als zuvor Albert von Keller – an den Produktionen des Mediums störte, war der moralisch bedenk- liche Irrationalismus dieser zwischen Traumund Realität schwebenden okkulten

gelehrteusw.). Der bildungsbürgerliche Zuschnitt des Publikums ist also deutlich.  veröf- fentlichteSchrenck-Notzingdie Resultateindem Buch „Experimente der Fernbewegung“.Eskam ihm „hierbei vorallem auch darauf an, unter ständigverbesserten Kontrollbedingungen bekannte Gelehrteund andere Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens vonder Echtheitder Phänomene zu überzeugen. So enthältdas Buch denn auch zahlreiche schriftliche Stellungnahmen vonSit- zungsteilnehmern […]“,einschließlich der vonThomas Mann.Vgl. Walther:Albert vonSchrenck- Notzing, –;Wolffram: Stepchildren, f.  Vgl. Mann: Briefe II, .  Vgl. Manns Protokolle in Schrenck-Notzing: Experimente der Fernbewegung, –, sowie Mann: Berichte.  Vgl. Mann: Erlebnisse.  Schrenck-Notzinghatte, gleich nachdem Mann die erste Sitzungbei ihm besuchthatte, ihm seine „Materialisations-Phänomene“ und seine „Verteidigungsschrift“ („Der Kampf um die Ma- terialisations-Phänomene. Eine Verteidigungsschrift“ von  in erweiterter Fassungvon ) übersandt. Vgl. Mann: Essays II, Kommentarband, ). Mann übernahm zustimmend ganzdie pseudowissenschaftliche Sprache vonSchrenck-Notzing. Vgl. Mann: Erlebnisse, –.  Mann: Erlebnisse, .Auch Albert vonKeller mag ausdiesem Grunde blind gegenüber den Fabrikationen der Eva C. gewesensein; vgl. Keller:Gutachten. Dieses Gutachten bezog sich zwar lediglich aufSchrenck-Notzings Fotosder Sitzungen. Keller kannte aber auch die Vorführungen der Eva C. auseigener AnschauungimAugust  in München.Vgl. Schrenck-Notzing: Albert von Keller, ;Schrenck-Notzing: Materialisations-Phänomene (), f., . Klassische Orte parapsychologischer Wissensproduktion 65

„Gaukeleien“.¹³⁴ Er vermisste also offensichtlich den inneren Wahrheitsgehalt des vonihm Erlebten. Er stellte diesen wieder her,indem er Schrenck-Notzings anti-spiritistische parapsychologische Experimental-Wissenschaft vomKopf auf die Füße stellte: Der Abschnitt „Fragwürdigstes“ in seinem Roman „Der Zauber- berg“ (1924) beginnt scheinbarharmlos miteinem vonSchrenck-Notzing be- kämpften „spiritistischenGesellschaftsspiel“ im Sanatorium, hier mit „Glasrü- cken“ im spiritistischen Zirkel samt dem damitverbundenen Glauben, „durch das Glas würden die Geister Abgeschiedener [„spirits“]zuder Versammlungreden.“¹³⁵ ZumAbschluss einer folgenden, zunächstganz im Sinne vonSchrenck-Notzings wissenschaftlichen Prozeduren abgehaltenen, „Sitzung“ aber erscheint dann, ganz ähnlich wie bei den alptraumhaften Passions-Visionen des Albert vonKeller, in Gestaltdes ausdem Totenreich heraufbeschworenen geliebten Verstorbenen ein visionäres Schreckbild: Das Totengespenstist nichtinZivil, sondern trägt – den Zeugender im Roman aufdie Zeitum1912 angesiedelten Szene nochunbe- kannt – eine feldgraueWeltkriegs-Uniform mit Stahlhelm, Säbel und Pistolenta- sche. Die spielerische „Gaukelei“ verwandelt sich so in die Ahnungkommenden blutigenErnstes.ImRoman half 1912 gegendiesesheraufbeschworene Unheil freilich noch das Einschalten des „Weißlichts“ und die Flucht ausdem bannenden „Zirkel“ des „Zauberbergs“. Auch im deutschen Nachkriegsfilm tauchte ein altes Thema Schrenck-Not- zings, die „verbrecherische Hypnose“,wiederauf, zeigteaber gerade das von Schrenck abgelehnte voyeuristische Schau-Element der hypnotischen Verführung. So widmeten sich berühmte Filme wie Robert Wienes „Das Cabinet des Dr.Cali- gari“ (1920)und Fritz Langs „Dr.Mabuse, der Spieler“ (1922) der Suggestion,wobei auch der vorwissenschaftliche Unterhaltungswert der Hypnose durch die dorti- genJahrmarktszenen betont wurde. Bekanntlich hat dann SiegfriedKracauer in seiner Untersuchung „VonCaligarizuHitler“ die psychohistorische Dimension dieser WeimarerFilmproduktion herausgearbeitet: GrößenwahnsinnigeTyrannen benützen in den genannten Filmen die Hypnose als verbrecherisches Machtin- strument und erweisen sich damit als Vorläufer des „MeisterhypnotiseursHit- ler“.¹³⁶ Die Anspielungen Kracauers aufdie Suggestionswirkung der faschisti-

 Mann: Erlebnisse, , , ;ebenso Mann: Zauberberg, .Unklar ist,obMann auch die vonihm deutlich genannten sexuellen Momentedes Vorgangs(vgl. Mann: Berichte, ) dazurechnete. Mann benütztedas Wort „Gaukelei“ nicht wie Schrenck-Notzing, der ganzimSinne der damaligenRechtsprechung(vgl. Wolffram: Stepchildren, – über den „Gaukelei-Pa- ragraph“)mit „gewissenlosen Gauklern“ Trickbetrügermeinte(Schrenck-Notzing: Beweisführung, ).  Mann: Zauberberg, .  Kracauer:Caligari, . 66 Ulrich Linse schen Massenpsychologie waren dabei beabsichtigt.Der Caligari-Film wurde rätselhafterWeise, wie er schreibt,auf Plakaten mit dem Slogan der ursprüngli- chen Selbstsuggestion des irrenPsychiaters beworben. Statt „IchmussCaligari werden“¹³⁷ hieß es aufden Plakaten: „Du musst Caligari werden!“¹³⁸ Das Thema vonMedium, Hypnotiseur,Verbrechen und Publikum wardamitdurch Thomas Manns „Zauberberg“ und die genannten Filme aufdas politische Feld gehoben, und der Ort des psychologischen Geschehens hatte sich vomprivaten Rotlicht- Laboratorium in die dunklen seelischen Abgründe der deutschen Vorkriegs-Ge- sellschaft geweitet.

7Schluss

Angetrieben vonwissenschaftlichem Forscherdrang und sozialem Geltungswillen unternahm Albertvon Schrenck-Notzing ab den 1880er Jahren in München wis- senschaftliche Experimente aufdem Gebiete des Somnambulismus und Hypno- tismusmit zumeist weiblichenMedien, zunächstzutherapeutischen Zwecken. Interesse dafür fand er bei einem Kreis liberaler,teilweise in den bayerischen Personaladel erhobenen Besitz-und Bildungsbürger. Bühne für diese „parapsy- chologischen“ Versuche waren ebenso das Laboratorium, die Klinik und die Arztpraxis wieder Salon,das Atelier oder die Schaubühne. Gerade diese Über- schneidung wissenschaftlicher und geselligerOrte bei der Arbeit mit Trance- Medien machte eine Isolierung eines dieser Orte ausschließlich zu wissen- schaftlichen Zwecksetzungenpraktisch unmöglich. Im Detail zeigtesich dies nochmals durch die Transformation der Schrenckschen wissenschaftlichen Kontroll-Fotos in kommerzialisierteUnterhaltungsbilder oder künstlerische Vor- lagen. Während sich die Mehrheit seiner ärztlichen Kollegen vonSchrenck-Not- zings „Mediumismus“ zunehmend distanzierte, gaberden dafür aufgeschlosse- nen Künstlern vielfältigeAnregungen, und die Parapsychologie wurde so Teil der kulturellen Moderne der königlichen Residenzstadt München. In den 1920er Jahren löste sich – ebenso als Folge des Todes der bisherigen Protagonisten wie des mentalen Wandels nach dem Ersten Weltkrieg – diese sich um die Parapsy- chologie kristallisierende naturwissenschaftlich-künstlerische Allianz auf.

 Ebd., .  Ebd., . Klassische Orte parapsychologischer Wissensproduktion 67

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1Why so marginal?

The history of Dutch academicparapsychologyisparticularlyrich. Ever since the 1920sand as farasto2011, psychical and parapsychological research has had aplace in academia in the Netherlands. This history has receivedlittle schol- arlyattention. Thus far,the history of parapsychologyafter World WarIIhas been neglected in general by the international historiographyofscience. Dutch parapsychologyprovides an interesting case studyfor the investigation of the developments within this specific science duringthe whole 20th century. Parapsychologyisaninteresting science. The scientific investigation of the supernatural seems counter-intuitive at best and impossible at worst.But,at the same time, several notable scholars and scientists have pondered the ques- tion of the existenceofthe supernatural and have tried to systematicallyinves- tigate its manifestations. The academic presenceofthis deviant science seems puzzling.Towhat extent can an ‘abnormal’ endeavour such as the research of the paranormal be apart of ‘normal’ institutions or universities?How can we un- derstand the persistent academic presenceofadiscipline in the Netherlandsthat always seems to have been regarded as being different or contested and even as being a ‘pseudo-science’? The examination of the processes of the institutionalisation of Dutch para- psychologyinthe 20th centuryprovides an answer to these questions. By looking closelyatthe precise workings of the institutional developments, anew perspec- tive is openedupwhich not onlyemphasises the creative marginality of parapsy- chologybut alsosheds light on the complexities of discipline-formation.

2The meaning of institutionalisation

In the history and philosophyofscience,the institutions wherescience is made or producedhavereceivedample attention in the lastseveral decades. The diffi- cult quest for the precise special qualityofscience was in juxtaposition to what seemed to be easilyestablishedinpractice. As sociologist of science Thomas Gieryn has put it famouslyin1983: “Even as sociologists and philosophers

DOI 9783110466638-003 72 Ingrid Kloosterman argueoverthe uniqueness of science among intellectual activities, demarcation is routinelyaccomplished in practical, everydaysettings.”¹ The demarcation be- tween science and non-science is settled, specifically, in university buildings. Academic disciplines and scientific endeavours within university walls are usu- allyperceivedasaccepted practices.Simultaneously, research outside these walls is typicallynot respected as being academic or scientific. Demarcation is happeningwhen the choicesare made between inclusion and exclusion. What scientificpractices and research subjects are welcome in classrooms and labora- tories?Which scientists and what kind of research is excluded?How does this changeovertime? By investigatingthese intricate ways of institutionalisation the profound social nature of science becomes manifest. The history of attemptstoresearch the ‘paranormal’ or the ‘supernatural’ has always been especiallyrelevant for this demarcation problem. Psychical re- search or parapsychologyfunctionedasatouchstone for ‘normal’ science, deem- ing the researchers of the paranormal as ‘pseudo-scientific’.² Usuallydemarca- tion takes place by pointingout the differencesbetween the practices of these ‘pseudo’-scientists and one’sownsprocedures. In these histories,parapsycholo- gy is not takenseriously as ascience per se but is mainlyregarded as deviant or acaricature of ‘real’ science. But from the 1960s onwards,through the growing attention for the social character of scientific practice, these ‘fringe’ sciences have themselvesbecome the focus of attention. By situatingthe emergenceof these ‘supernatural’ research agendas in the context of the fin de siècle,academ- ic interest in the paranormal is typicallyunderstood as acultural product.With the growinguncertainties of the modern era, apersistent need emergedfor solid proof of the existenceofthe ‘other world’.Inthe disenchantment of modern times, religion had lost its lureasan arbiter of truth. Scholars and intellectuals tried to ground their religious beliefs in empirical data, so as to be able to cling to their convictions even in these scientific times. In historic interpretations of parapsychology, then, the discipline is understood as asubstitute religion.³ Al- though fringesciences are deemed worthyofinvestigation by themselves, they are not in theirown right regarded as ascience. Thus,largely lackingare studiesthatstart outfromtakingparapsychology as a ‘scientific practice’.One notableexception hasbeenMauskopfand McVaugh’s “TheElusive Science”,investigating theresearchesbyJosephBanks Rhineinto “Extra SensoryPerception”.⁴ ThesehistorianshavesituatedRhine in hisinstitu-

 Gieryn: Boundary-Work, .  See Oppenheim: The Other World.  See Turner:Between Scienceand Religion.  See Mauskopf/McVaugh: The Elusive Science. An Institutionalised ‘Fremdkörper’ 73 tional contextbymakinghis Zenercard experimentsthe central topicoftheir re- search.Mauskopfand McVaughclaimed that Rhine, by developing a(claimed) replicable andquantitativeexperimentalprocedure fordemonstratingthe exis- tenceofthe supernatural,madeaparadigm-altering contribution to parapsychol- ogyasascientificdiscipline. Thequantitative experimental approach provided the fieldwithaunifyingdisciplinary self-consciousness that supposedly transformed psychicalresearchintoparapsychology. DuetoRhine’sefforts,bythe endofthe 1930sAmericanparapsychologyshowedseveralcharacteristics of a ‘real science’: ascientificcommunity,commonproblems, aresearchtraditionand aresearch technique. Nevertheless, genuinescientificacceptanceremainedproblematic. Theproblem of obtainingacceptanceisrelated by Mauskopf andMcVaugh to thedifficultiesofproducing convincing experimental resultsand theisolatedpo- sition of parapsychologists (through e.g. separatejournalsand workinginprivate institutes). Here Mauskopf andMcVaugh allude to an interestingparadox – insti- tutionalisation does notnecessarily result in academic acceptance – that canbe distinguishedinthe Dutchsituation as well. More recently, researchers have investigated the scientific merits of psychical research and parapsychologybyrelating its history to developments within psychology.⁵ In his comparison of psychical research in England, France, Ger- manyand the United States,Andreas Sommer used as astarting point that “[…]from the early1880s to shortlybefore ’sdeath in 1910 psychi- cal research was considered alegitimate branch of international scientific parapsychology.”⁶ Due to culturalfactors and not to alack of empirical success, eventuallythe twodisciplines drifted apart.Instudying the developments in German psychical research and parapsychology, Heather Wolffram tried to re- frain from anymoral evaluations of the two disciplines and instead focused upon “the difficulties surroundingthe epistemic claims of these fieldsasprob- lems of discipline formation.”⁷ In her studyinteresting processes of cross-fertil- isation between parapsychologyand mainstream psychologyare pointed out.Al- though these recent studies aim to investigateparapsychologyinits own right, they rather focus on what the disciplines represent or have contributed to ‘main- stream’ science instead of taking the developments within the disciplines them- selvesasastarting point.And,again, these fairlyrecent studies still focus on the period around the turn of the 19th to the 20th century.

 See Wolffram: The Stepchildren of Science.  Sommer:Crossing, .  Wolffram: The Stepchildren of Science, . 74 Ingrid Kloosterman

The crucial thing to understand about the history of the research of the para- normalishow and whyitbecame demarcated from ‘normal’ science.Ashistor- ian of science Richard Noakes has put it,itistime to move beyond to try “to un- derstand whyanyone ever took psychical researchand ancestral enterprises seriously”,since, with the various recent culturalstudies about the interestin the ‘paranormal’,wenow know the extent to which it was (and is) intertwined with our western culture. Noakes posed anew task: “[…]what historians need to do is to understand whyit[psychical research, I. K.] has not commanded the consensus enjoyedbyother sciences.”⁸ To try to find an answer to this ques- tion it is not enough to keep focusing upon the end of the 19th and the beginning of the 20th century – as so manystudies have done so far.The history of parapsy- chologydoes not end after World WarIand not even after World WarII–pro- fessors werebeing appointed in the 1950s,research-laboratories were establish- ed in the 1960s and journals foundedinthe 1970s. Furthermore, to try to understand the difficult position of parapsychology as ascientificpractice, the specific character of the research of the paranormal should be kept in mind. Forparapsychologyhas not “commanded” consensus, as Noakes has rightlyput it,but simultaneously, it has also not been unequivo- callyignored. The sociologist James McClenon seemed to ask the crucial ques- tion: “Whyhas parapsychologysurvivedfor over acentury without either ach- ieving legitimacy within or rejectionfrom science?”⁹ Onlybyextensively investigating the – often neglected – second half of the 20th century and through international comparison can we begin to try to answer these questions. In my work Iinvestigate the research on the paranormal as such, by relatingthe vari- ous internal developments of the scientific practice of parapsychologytopsy- chology – thus perceiving the discipline as asocial science.Because parapsy- chologyinthe Netherlands – and elsewhere – has always been anumerically small field, its history provides an excellent method to investigatethe long- term developments within social-scientific practices and institutionalisations. The histories of both parapsychologyand psychologyare not onlyprofoundlyin- tertwined because of the involvement of individuals in both of the disciplines, but also due to their co-emergence at the end of the 19th century.Tounderstand the history of parapsychology, its institutional developments within the 20th cen- tury should be studied in context of the changes within the discipline of psychol- ogy. Due to specific historical reasons related to psychologyasascientificdisci- pline, parapsychologyinthe Netherlands was academicallypresent in the whole

 Noakes: Historiography, .  McClenon:Deviant Science, . An Institutionalised ‘Fremdkörper’ 75

20th century.Also, in the United States (at Duke University in Durham) and in Germany(at the ) parapsychologywas academicallypres- ent.But from 1974 until 1988 the Netherlands had even two professors in para- psychology, and in this same period parapsychologywas alsoanintegrated part of the department of psychology. These specific factors and the longevity of aca- demic parapsychologymake the Dutch situation quite unique.¹⁰ In my (forthcoming) dissertation Idiscuss the history of Dutch parapsychol- ogybyfocusingupon four different aspectsthat constitutescience as a practice.¹¹ Firstly,the changes in the research objectsare acentral element of my study; evolving from spirits to telepathyand from to PSI. These changes are very much related to developments regardingresearch meth- ods, constituting the second basic aspect of my dissertation. Thirdly, parapsy- chologydevelopedasanacademic discipline due to the constantlypersistent public interest in the supernatural. The role and importance of relatingtothe general public as aparapsychologist is athird aspect of my thesis. And lastly, the role of institutions cannot be overstated. It is preciselythe long institutional history of Dutch parapsychologythatisintriguing,and this fourth aspect will be the focus here, by discussing the sevenstages of Dutch academic parapsychol- ogy. Adiscussion of these seven consecutive keyperiods in the history of Dutch parapsychologywillsuggest whyand how amarginal field could have lasted so long within academia.

3Seven stages of Dutch parapsychology

The institutional history of parapsychologyisspecificallysituated in Utrecht. One of the main actorsofDutch parapsychology – and adriving forcehimself – wasWilhelm Tenhaeff (1894–1981). Just likehis German equal Hans Bender – as discussed by Anna Luxinher contribution in this volume – Tenhaeff made crucial contributions to the developments within Dutch parapsychology especiallyafter the World WarII. Tenhaeff was born in Rotterdam as the son of adirector of ashort-haul company. Against the will of his father he started studying psychologyatUtrecht in 1925,with aspecial interest in psychical re- search. He became aprivate lecturer (“Privatdozent”)ofparapsychologyin 1933 and aprofessor of parapsychologyin1953.

 Kloosterman: Psychical Research and ParapsychologyInterpreted.  My dissertation “Wetenschap vangene zijde” [SciencefromBeyond] will be published (in Dutch) as amonographinearly  at Boom (Amsterdam). 76 Ingrid Kloosterman

It could be argued that Tenhaeff himself was Dutch parapsychology – at least in the eyes of the general public. Tenhaeff will be our guide through the institutional history of Dutch parapsychology, beginning in the 1880s and end- ing in 2011. In seven consecutive periods, various institutional milestones will be discussed. To highlight the marginal character of the institutionalisationof Dutch parapsychologyand to demonstrate that in the Netherlands organised psychical research took off later thanelsewhere, we willstart with aperiod filled with failed institutionalisation attempts. One of the reasons whyTenhaeff became interestedinthe supernatural in the first place was anovel of the Dutch author and physician Frederik van Eeden (1860 –1932). Themystical fairytale “De kleine Johannes”, written by VanEeden, published in 1884,was part of secondary education in the Nether- lands when Tenhaeff attended school as alittle boy.¹² Tenhaeff was not born yetwhen VanEeden himself was alreadydeeplyemergedinpsychical research. VanEeden was one of the Dutch pioneering and parapsycholo- gists. He represents the earliest beginningsofDutch academic parapsychology. Ever since his experienceswith hypnosis in the Salpetière-clinic in France in the 1870s, VanEeden wasdetermined to generate interest in the serious investi- gation of several intriguing phenomena he experienced, such as second sight and thought transference. VanEeden was part of atradition wherephysicians turned towardsthe investigation of the paranormal from their clinical experien- ces.Active promotion of the serious nature of research of the paranormal by Van Eeden was particularlynecessary in the Netherlands, for naturalscientists had a long tradition of promotingabstinencetowards the occult.¹³ One wayinwhich VanEeden tried to promotepsychical research was by organisingapublic séance with the medium Miss Fayin1890.Miss Faywas a physical medium, capable of moving objectsthrough her alleged psychical force. Theséance organised by VanEeden on the January 18 was areplication of the experiments undertaken with Miss FaybyBritishpsychical researcher and physicist William Crookes (1832–1919). Unfortunatelyfor the organisers, Miss Faywas not able to produce anyconvincing phenomenaduringthis partic- ular séance. Therefore, the contribution to anyinstitutionalisation of psychical research was non-existent and the séance onlyseemed to add to the skeptical position of respected natural scientists against psychical research. Nevertheless,Van Eeden himself became increasinglyconvincedofthe real- ity of the phenomena he experiencedinséances,especiallybythe mediumMrs.

 Eeden: De kleine Johannes.  See Harting: Hallucinatien, –. An Institutionalised ‘Fremdkörper’ 77

Edmund Thompson. VanEeden wroteanarticle in favorofthis medium for the British “Society of Psychical Research”.¹⁴ This can be seen as the beginning of a more non-critical approach to the supernatural. Simultaneously, VanEeden graduallylost interestinhis position as aprotagonist of academicpsychical re- search in the Netherlands. He became convinced that duringaséance it was only possibletobecome intuitively aware of the reality of the phenomena – scientific investigation was impossible. Simultaneously, in this first key-period at the end of the 19th and the begin- ning of the 20th century, manyspiritualistic societies emergedinthe Netherlands. ’During World WarITenhaeff came into first direct contact with experiences of the supernatural in these societies. The various societies for spiritualismhad wildlydifferent positions regardingthe nature of the other world. Whereas some societies would be profoundlyChristian, other societies focused on the role of reincarnation.¹⁵ In 1888, “Harmony” was established as an overarching society to try to facilitate collaboration between the various groups.Henri de Fremery (1867–1940) wasone of the most active and notable spiritualists in this period. De Fremery came from avery prosperous family.His familywas in- volved in trade in the Indies and held various military positions. From 1896 to 1902DeFremery was an artilleryofficerinthe Indies. After his short-livedmili- tary career,hededicated himself to societal causesand to spiritualism. The wealth of his familyenabled him to do so. Like VanEeden, De Fremery believed that the promotion of serious investi- gation of the spiritualistphenomena was necessary in order to be able to support spiritualism as an ideology. Together with another novelist,Marcellus Emants (1848–1923), De Fremery tried to found aDutch “Society for Psychical Research” (SPR) in 1904.They wantedtopersuade VanEeden to become the first president of this society.Van Eeden declinedbecause he was increasinglyinterestedinin- tuitively experiencing the reality of the otherworld in the context of séances in- stead of conducting precise experiments. Besides VanEeden no otherDutch scholarorscientist waswilling to work publiclyonspiritualism. The subject re- mainedacademicallycontroversial. De Fremery turned to his fellow spiritualists, trying to further psychical research in the Netherlands. He worked together with the former student of medicine Floris Jansen (1881–1937)infoundingalabora- tory for the investigation of the origins of the supernatural. Because neither spiritualists nor scientists wanted to finance the work in the laboratory,already

 See Eeden: Account, –.  E. g. groups around Elise van Calcar (–)and “Veritas”,aspiritualist society estab- lished in . 78 Ingrid Kloosterman in 1906 Jansen had to stop his various experiments on, amongst others, and Reichenbach’sOd-radiation.For natural scientists the work in the laboratory was too amateurish and for the spiritualists the experiments appeared unimpor- tant – they weremoreinterested in discussingthe meaning of the spiritual be- liefs than in examining their contested reality.Onthe eveofWorld WarI,this first key-period, which can be characterised as a failure to institutionalise, came to an end. Despite various attempts,psychical researchers did not succeed in gainingmomentumtoobtain some –rudimentary – form of institutionalisa- tion. The scientific community still opposed the attemptstotry to investigate the supernatural, and the spiritualists wereinterested in ideologyaboveevery- thing else. After World WarIthe situation changed drastically, and thereforethis sec- ond key-period is defined by the emergence of the first societies of psychical re- search. In this period Tenhaeff became actively involved in psychical research. Twenty-one years of age, he was an active memberofthe “Society for Psychical Researchand Animal Magnetism”.This society was foundedbythe teacher Leendert Groeneweg (1877–1950) duringthe war, in 1915.The horrors of World WarIhad shocked the entire world – also the neutralNetherlands. There was agrowingneed for holistic and hopeful perspectivesupon the world. This result- ed in agrowingpopularity of animal magnetism duringand shortlyafter World WarI.¹⁶Animal magnetisers claimedtobeabletoheal people through the laying of hands-passes. Doing so, they believed to rearrangevitalenergy and hence contributetothe healthoftheir patients. Groeneweg and his society wanted to provide ascientificfoundation for these healers and make them more professio- nal. As to be expected, this led to opposition from physicians – as they would continue to do so throughout the 20th century.Groeneweg developedacourse- program for magnetisers to train them theoreticallyand practically. If the healing of patients by the magnetisers was confirmed by two magnetisers,the student receivedacertificate. Traditionalphysicians feared that this could lead to serious harm to patientsand to awidespread belief in the powers of magnetisers.Groe- neweg’ssociety alsotried to discover the background of animal magnetism by looking for proof of the existence of avital force. In this research program Ten- haeff was most actively involved. However,Groeneweg’ssociety was not regard- ed as beingserious academic, since the focus was upon practical applications and not manyrespected scientists wereinvolved. In 1919 the establishment of the Dutch SPR,with the pioneering and famous philosopher Gerard Heymans (1857–1930) as its first president,

 Spiritualism rose in popularity as well. See Kloosterman: “Spiritalismus vincit mundum”. An Institutionalised ‘Fremdkörper’ 79 marked an important moment in the history of Dutch institutional parapsychol- ogyand in this second key-period. Forthe first time asociety came into being with respected scientists and scholars as its members. In the aftermathof World WarI,the culturaland academic climate seemed more open to holistic ideas – such as acollective consciousness through which the existenceoftele- pathycould be understood – and supported the foundation of this scholarlyso- ciety. Media-attention for the supernaturalsparked the foundation of aDutch SPR. Avisit of the telepath Eugene de Rubini in 1919 led to vibrant discussions in the newspapers.¹⁷ To manyspectators it was clear thatRubini made use of ‘muscle- reading’.But this explanation did not provide anyconclusive proof that the whole phenomenon of telepathyingeneral wasnonsense.For some scholars the readingofthoughts was theoreticallyvery well possible. Heymans – and his kindredspirits – wereconvinced that our consciousness is interconnected and therefore it should be possibletoobtain athoughtfrom somebody’smind – justlike yousuddenlyremember amemory youthoughtyou had forgotten. Heymans believed he obtainedsolid proof of this conviction in afamous experi- ment with the student Abraham van Dam.¹⁸ VanDam was very successful in pre- dicting the right field on aboard, thus leading this respected scientisttothe con- clusion that telepathydoes exist.Thisexperiment helped to securesome scientificrespectability but was not as heralded by the still-present spiritualists. VanDam was not amedium, and he was willing to abide to the demands of his investigators.Mediums, however,weremore fragile accordingtothe spiritualists and they should be dealt with more respectfullyand delicately. Their collabora- tion with scientists could not be as straightforward as with VanDam. The more scientificoriented members of the Dutch SPR wanted the mediums in the séan- ces to obey to their rules. Eventually, aschism between the critical-minded and the more spiritualistic-inclinedled to afalling out in 1925.Tenhaeff would only become actively involved with the Dutch SPR in 1928,uptothis point he was a memberofGroeneweg’sorganisation. This organisation would cease to exist in 1935,when Groeneweg was convicted for the illegal practicing of medicine.¹⁹ In the aftermath of World WarIand in adeveloping discipline of psychology in this second key-period, afragile beginning was made with the institutionali- sation of Dutch parapsychology. Compared to other countries,the foundations of

 De Rubini visited the NetherlandsinJune and July of  when he gave several shows in theatres in Amsterdam.  Heymans/Brugmans/Weinberg: Een experimenteel onderzoek, .  This conviction was largely symbolic. Groeneweg had to payafine of one gilder and had to spend one night in jail: Magnetiseur veroordeeld. 80 Ingrid Kloosterman these societies for psychical research wererather late, which can be explained by the more ‘hostile’ environment of natural scientists. In the Netherlands develop- ments in the research of the supernatural had to come from psychologists, and since this new field of studywas for along time non-existent or relatively small, it lasted until after World WarIbefore an organised Dutch psychical research emerged. With Heymans and his fellow investigators leaving the SPR in 1925,it seemed Dutch psychical research had come to ahalt shortlyafter it had finally attracted some academic interest.But,partlydue to Tenhaeff’sparticipation, in the third key-period of the 1930s, Dutch parapsychologybecame for the first time embedded in universities. Together with the biologist and psychiatrist Paul Dietz (1878 – 1953), Tenhaeff had started the Dutch “Journal of Parapsychology” in 1928.This journalwith an academic tone and the cooperation of various scholars was asuccessfulattempt to revive academic interest in the research of the para- normal. Consequently, in 1932 Paul Dietz was appointed an unsalaried private lecturer (like its German equivalent “Privatdozent”)ofparapsychologyatthe UniversityofLeiden, and in 1933 Tenhaeff gotasimilar position at Utrecht Uni- versity. Both these renowned universities – foundedin1575and 1636 respectively – wereand are public universities withoutany specific religious background. Dietz and Tenhaeff wereactive popularisers of Dutch parapsychology. Ten- haeff had begun to studypsychology, and when he obtained his PhDin1932, im- mediatelyhebecame aprivatelecturerinparapsychology. Dietz was trainedasa biologist and apsychiatrist.Hehad been interested in the supernatural from his student-daysonwards,and his interest was amplified by his experienceswith the clinical practice. Both Dietz and Tenhaeff wroteextensively for the general public; both in newspapers and in their books they aimed at ageneral readership.²⁰ In the 1930s Dietz and Tenhaeff became the most important leaders of the Dutch SPR.Under their influencealaboratory for psychical research was started in Amsterdam.This laboratory – funded by privatedonors – supported the scientificstatureofthe young discipline.²¹ With ajournal, aresearchlaboratory and two lectureships atrue stride for- ward seemed to have been made in the institutionalisation of Dutch parapsy- chology. Whereas at the end of the 19th and beginning of the 20th century no in- stitutionalisation seemed to be taking off and in the second key-period of the 1920sonlytwo looselystructured and non-academicallyaffiliated societies

 E. g. Dietz: Menschendroom; Dietz: Telepathie en helderziendheid; Dietz: Telepathie en psy- chologie der menigte; Tenhaeff: Hetspiritisme; Tenhaeff: Hoofdstukken.  See Kramer: Hetlaboratorium – Deel , –;Kramer: Hetlaboratorium – Deel , –. An Institutionalised ‘Fremdkörper’ 81 werefounded, this changed in the 1930s. This can be explainedinthe context of the developments in Dutch psychologyasawhole. In the 1930s Dutch psychol- ogy – and especiallypsychotechnics – was growingexplosively.The mainstream paradigm in Dutch psychologyinthe 1930s was that of apractice-oriented kind of psychologythat could help people with their everydayactions and decisions – such as finding the right job. Whereas in the 1920sthe theoretical foundations of psychologywerebeing discussed, in the 1930s the practical implications of psy- chological research wereemphasised.With its close relation to the interest of the general public, parapsychologycould benefit from this growth of applied psy- chologyingeneral. But the success of the institutionalisationofDutch parapsy- chologyinthe 1930s should not be overstated. With two unsalaried positions for both Dietz and Tenhaeff this institutionalisationstill remained marginal and the laboratory was onlylooselyassociatedwith the University of Amsterdam. This subtle institutionalisation of parapsychologycame to acompletehalt with the outbreak of World WarII. Parapsychologywas deemed “Amerikani- sche[r]Unfugund Schwindel” duringthe German occupation. The SPR was ban- ned and the laboratory was shut down.²² Dietz even retired from parapsychology altogether.Tenhaeff was in hiding during the war but remained involved in para- psychology. In the postwar reconstruction of parapsychology, Tenhaeff would playanimportant role.The 1950s – our fourth key-period – eventuallyevenbe- came the heydaysofDutch parapsychology. In 1953 Tenhaeff was appointed asso- ciate professor of parapsychologyatUtrechtUniversity,making him the first Eu- ropean holder of achair.Tenhaeff’schair was an associate one, meaning he receivedthe title of aprofessor but was not paid as one. These associate chairs had to be supported by the Queen herself and weremeant.The associate profes- sorshipshad alsotobesupported by asocietal organisation. In this case, the right to an associate professorship of parapsychologywas giventothe SPR, who asked Utrecht University to welcome the new unsalaried professor.Ten- haeff’schair was underimmediate supervision of the Ministry of Education, Cul- ture and Science – making Tenhaeff additionallya‘Fremdkörper’. Right before Tenhaeff was appointed, the annual international conference of the “ParapsychologyFoundation” was held at Utrecht in 1953. In this period after the war,Utrecht was regarded as the centreofinternational parapsychologybe- cause of the chair in parapsychologyatUtrecht University.²³ In the rebuilding years of the 1950s,parapsychologycould obtain an academic position in a more solid form than ever before. The post-war reconstruction of the Netherlands

 See Dongen/Gerding:PSI, .  See Parapsychology Foundation: Proceedings. 82 Ingrid Kloosterman was not onlypractical but also moral and intellectual. Psychologyhad devel- oped academicallyasadiscipline before the war,but was – much likeparapsy- chology – numericallystill small in the 1930s and 1940s. When several of the pre-warprofessors werefired after 1945because of alleged association with the Germanoccupier,the whole field of psychologyhad to be rebuild – again, much like parapsychologyitself. At Utrecht University several psychologists werefired and the reconstruction of psychologygot avery specific character. In the so-called “Utrecht School” aprofound personalistic and phenomenologi- cal approach to psychologywas developed after the war.²⁴ This “Utrecht School” was not aformal school. It should be regarded as aconglomeration of kindred spirits – consistingofabout ten different professors – between approximately 1949 until 1955.These professors pursued an anti-reductionist approach to psy- chology. The idea was to ‘meet’ the individual in order to be able to grasp the meaning of human experiences. Parapsychology – with its emphasis upon expe- riences in everydaylife – could fit within the scheme of this specificallyanti-re- ductionist perspective upon psychology. The first president of the SPR after the war – the professor of ethnology Henri Fischer (1901–1976) – playedanimportant role in founding the associate chair in parapsychology. As the president of the SPR and as an integratedpro- fessor at Utrecht University,Fischer could mediate between parapsychology and its institutionalisation. Fischer was arespectedintellectual in academiccir- cles and in close contact with the psychologists.Heconvincedthem of the rele- vanceofthe subject,despite serious objections from the faculty of medicine. Just as in the 1920s, orthodoxphysicians wereopposed to giving parapsychologya serious status, since they expected an upsurge in quackery.They feared that a professorship of parapsychologywould give legitimacytocertain healers and therewith jeopardise the general health of the public. But the ties between para- psychologyand psychologyweretight enough in this period to withstand the criticism of the faculty of medicine. In theiranti-reductionist approach of sci- ence, Tenhaeff and the “Utrecht School” were ‘soul-mates’.Important for secur- ing achair for parapsychologywas the fact that it would be an associate chair – making Tenhaeff not an integralmember of the university staff. This position was also unsalaried and Tenhaeff made aliving on his wife’sincome. Despite this ‘small’ professorship, Tenhaeff was giventhe opportunity to make alegitimate scientificfield into the paranormal in the near future. Tenhaeff himself playedamajor role also outside university in the postwar reconstruction of Dutch parapsychology. With the mediumand magnetiser Ger-

 See Weijers:Terugnaar het behouden huis. An Institutionalised ‘Fremdkörper’ 83 ard Croiset (1909 –1980), he travelled all over the Netherlands – and even abroad – gaininginterest for his psychic abilitiestoaid the police, for example, with locating lost persons.²⁵ Croiset was the most famous paranormallygifted in- dividual in the Netherlands after World WarII. Together with Croiset,Tenhaeff became ahousehold name giving lectures,writing books for ageneral audience and often appearing in the media. When Tenhaeff was appointed aprofessor in 1953, alsothe “Parapsycholog- ical Institute” was established, financed partlybythe government and partlyby the “ParapsychologyFoundation”.²⁶ The Institute was part of Utrecht University. The hope and expectation trulywas that Utrecht would become the center of par- apsychologyinEurope and the expectations werehigh:

The hope is to found permanent European headquarters of the [Parapsychology,I.K.] Foundation,and in the opinion of all members of the Committee [of the conference, I. K.] Utrecht with its important roleinhistory and in the sciences would be the ideal placefor such headquarters.²⁷

In 1963, the beginning of our fifth key-period, these expectations werelowered, but still plans were made for the further institutionalisation of parapsychology. In 1963, the faculty of social scienceswas established at Utrecht University;itbe- came the stageofpolitical and organisational debates around parapsychology. Whereas the social scienceshad previouslybeen part of the faculty of humani- ties, duetothe growth of especiallypsychologyand sociology, aseparate faculty for the social sciences came into being in the 1960s. In 1940 only51students wereinvolvedinpsychology, in 1963this number had grown to 2,000 nation- wide. From 1922 until 1940 eight professors gotachair of psychology, from 1945until 1960 therewere20professors of psychologyinthe Netherlands.²⁸ In these broader institutional developments the plan was made to replace the associate chair of parapsychologywith afull professorship, which would make the discipline an integralpart of the new faculty.Thiswas so much more important because the Dutch SPR could not finance the chair anymore by itself when Tenhaeff – 66 years oldatthe time – would retire.

 See Tenhaeff: Beschouwingen.  See the article by EberhardBauer in this volume.  Zorab:Het eersteinternationale congres, : “Men hoopt dat het mogelijk zal zijn een per- manent Europees hoofdkwartier van de [Parapsychology,I.K.] Foundation op te richten, en het is de meningvan alle leden van de Commissie, dat Utrecht vanwegezijn belangrijkerol in de geschiedenis en op het terrein der wetenschappen de ideale plaats zou zijn voor de vestiging van zulk een hoofdkwartier.”  Eisenga: Geschiedenis, . 84 Ingrid Kloosterman

The physicist Jaap Kistemaker (1917–2010), president of the SPR in these years, playedamajor role in convincing the board of the universitytoagree with afullypaidprofessorship of parapsychology. The dean of the department of psychology – the psychologist Johannes Linschoten (1925–1964) – was also supportiveofparapsychology, even though aprofessorship for the discipline was not his main concern. His focus was upon getting his new department up and running.Aprofessorship for parapsychologywas, again, opposed by the faculty of medicine,for they were afraid thatsuch aprofessor would onlyfunc- tion as apromotor of quackery.That is what they believed Tenhaeff had been doing.The fact that Kistemaker and the SPR wanted to appoint the psychiatrist Joost Meerloo (1903–1976)onlyadded fuel to the fire.Because if a ‘physician’ such as Meerloo would become an ordinary professor of parapsychology, the representativesofthe faculty of medicine wereconvincedthis would onlyadd to superstition and would lead to serious threats to public health. After Linscho- ten had died unexpectedlyin1964,the new dean of the department of psychol- ogyconsultedthe other faculties of Utrecht University about appointingMeerloo to the chair of parapsychology. Because of the reaction of the faculty of medicine and the fragile position of the new department of the social sciences,the dean decided to laylow on the issue of full professorship for parapsychology. This sit- uation demonstrates the fragile position of parapsychologyand the importance of patrons for asuccessful institutionalisation of the research field. The decision to refrain from finding afull professor in parapsychology sparked atumultuous period in the institutionalisationofDutch parapsychology whereTenhaeff mobilised his political contact to attract attention for parapsy- chology. Through his involvement in the Freemasonry,Tenhaeff was in close con- tact with various ministers and politicians. Both in parliament and in the news- papers the issues regardinghis succession weredealt with and caused embarrassment to the Board of Utrecht University.Parapsychologyhad avery public face from 1963until 1974,and this shows the extent to which the univer- sities were looking for theirappropriate societal role in this period. Due to the public controversies, parapsychologyplayedamajor role in these debates, while the discipline itself had amarginalposition at the university. In the sixth key-period this tumultuous period – when the democratisation and expansion of the university had been playing acentral role – led to the uniquesituation that twoprofessors of parapsychology wereappointed. In 1974, the Swedish psychologist Martin Johnson (1930 –2011) was appointed afull pro- fessor of parapsychologyinUtrecht,while Tenhaeff – almosteighty years old – continued his teachingonthe basis of his associate chair.Inthe 1960sthe idea had been to replace Tenhaeff’sassociate chair by afull professorship of parapsy- chology. But when the discussions about the right successor exploded, the Board An Institutionalised ‘Fremdkörper’ 85 of Utrecht University tried to minimise public damage. To avoid more bad pub- licity,the board of the university had decided to uphold the extraordinary chair in parapsychology. The influenceofthe board on this chair was limited in anycase, since the Queen had appointed it to the SPR,which meant that it was up to the society itself to appoint an associate professor and the influence of Utrecht University was limited in the matter. This led to asituation when not onlytwo professors wereappointed, but also two locations for research existed in Utrecht.This was,first,the “Parapsycholog- ical Institute”,founded in 1953with Tenhaeff as its director and home of the “Dutch Journal of Parapsychology”.Secondly, Johnson and his main employee Sybo Schouten worked at the “ParapsychologyLaboratory”,foundedin1974 and an integralpart of the department of psychologyand its “PsychologyLabo- ratory”.Johnson also established his ownjournal in 1975 – the internationally oriented and thereforeEnglish “European JournalofParapsychology”.The insti- tutes and their professors weretwo separate worlds.There was no collaboration in research nor in teaching, because of the profoundlydistinct perspective upon parapsychology. Schouten and Johnson had made the conscious choice to re- frain from anyinvolvement with the media and to focus solelyoninternational parapsychologyand methodological advances in quantitative parapsychological research. Several international visitingresearch workers came to the “Parapsy- chologyLaboratory” making it avibrant yetsmall academic community.Ten- haeff, on the other hand, remained in close contact with the media and contin- ued his qualitative researches and his public lectures with Croiset.The two professors and the two institutesseemed to be incongruent with the limited amount of people actively workinginthe field in the Netherlands. In 1978 Tenhaeff – threeyears before he passed away – endedhis twenty-five year career as an associate professor when he was succeeded by the eclectic in- tellectual Henri van Praag(1916–1988). VanPraag had never obtainedaPhD but was academicallyeducated in psychology, sociology, history,mathematics, phys- ics and sinology. VanPraag continued partlyinthe footsteps of Tenhaeff by de- voting attention to the public interest in the paranormal, for example in his Dutch popular-scientificjournal “Prana”–founded in 1975 to facilitateadia- logue between different spiritual perspectives – and alsoinhis manybooks.²⁹ At the same time, he worked on normalising the relations with Utrecht Universi- ty,and in 1978 therewas an organised ‘peace-meeting’ between the two profes- sors. Thiscould have marked the beginning of aunifiedDutch parapsychology. But in the 1980s in the Netherlands the sciences in general and the social scien-

 VanPraag published a “Parapsychological Library”,consisting out of tenvolumes. 86 Ingrid Kloosterman ces in particularhad to deal with extensive budgetcuts. Even though Johnson and Schouten had worked hard on close relations with general psychology, in 1988 the ordinary chair in parapsychologyand the “ParapsychologyLaboratory” wereabolisheddue to these budgetcuts. In this fragile situation, when the dozen different universities in the Netherlands were fighting for their existence, it seemed thatthe board of the university did not want to run the risk to be affili- ated with the deviant science of parapsychology. It could harm its position in the national debate. Johnson went back to Sweden and Schouten eventuallywould turn away from parapsychology. VanPraag died in 1988, onlytwo years after he had stepped down as an associate professor.Itseemed as if the institutionalisa- tion of Dutch parapsychologywas over.Whereas in the previous key-period the deviant character seemed to have playedinthe advantage of the institutionali- sation of Dutch parapsychologybyusing its publicappeal, in this sixth key-pe- riod the ‘supernatural’ nature of the research hinderedthe continuance of the or- dinarychair. The social sciences were preoccupied with distancing themselves from the audience in order to maintain scientific legitimacy. But the history of the institutionalisationofDutch parapsychologydoes not end here. In the seventh and, thus far,final key-period anew extraordinary pro- fessor of parapsychologywas appointed in 1991, leading towards the diminish- mentofacademicparapsychology in the Netherlands. The appointment of Profes- sor Dick Bierman (*1943) was neither quiet nor simple. After the abolishment of the “ParapsychologyLaboratory” and the ordinary chair,the SPR still had the Queen-given-right to appoint anew associate professor.Innegotiations with Utrecht University it soon became evident thatboth parties had conflicting views about who would be the right successor.Utrecht University preferred Sybo Schouten, because he was familiar to them and seemed to promise the least chance of external controversies. TheSPR,onthe otherhand, preferred one of its own candidates,because of Schouten’sprevious connection to the de- partmentofpsychology. Legally, the SPR had the sole right to decide and it chose Bierman – much to the dismayofthe department of psychology. When Bierman – both aphysicist and psychologist by training – was appointed associate pro- fessor,hewas not welcome at the facultyofsocial sciences. Thus there was con- tinuityand the chair stillexisted, but more thaneverparapsychologywas a ‘Fremdkörper’. In the beginning of 2000 the rules regarding associate chairs appointed by the Queen changed, giving more influencetothe boards of the universities when it came to the futureofthese professorships.In2007the associate chair of para- psychologywould be evaluated, and the SPR was sure that in the current aca- demic setting the future of the chair would be difficult to maintain. The secretary of the SPR,Hans Gerding(*1947), wasinclose contact with the sociologist and An Institutionalised ‘Fremdkörper’ 87 professor of the theory of science Ilja Maso (1943–2011), who was also the rector of the UniversityofHumanistic Studies in Utrecht. Thispublic and state-funded university is unique in the Netherlands and aims at educatingspiritual and men- tal counselors from ahumanistic background. Maso himself was interested in parapsychologyand in 2007 he welcomed the associate chair to this university. In 2009 Bierman retired and was replaced by Stefan Schmidt (*1967), aGerman psychologist.Because of his work as aclinical psychologist in Germany his abil- ity to go backand forth to Utrecht was limited, and when Masodied in 2011 the support for the associate chair had wanedcompletely. So parapsychologynever reallybecame part of the University of Humanistic Studies, it had most of all been an indulgenceofMaso. Although the SPR still exists today, the academic institutionalisationof Dutch parapsychologyhas virtuallybeen non-existent in recent years. Hardly anyparapsychological research is being done, nor are anyyoungscholars inter- ested in pursuing the field.³⁰ The discipline does playarole, however,incontem- porary – public and scientific – debates about the methodological foundations of experimentalpsychology.³¹

4The power of the marginal

Institutionalisation is usually interpreted as the indicator of success of ascien- tific field. Institutions are perceivedasloci of power,securing legitimacy.For adeviant science such as parapsychology, institutionalisation is taken to be a sign of recognition and acceptance. If there is acceptance, for example, by the AAAS,³² or if an ordinary professor of parapsychologyisappointed, this is under- stood to indicate the serious nature of the field’sscientificresearch. Especiallyin the eyes of the general public, then, parapsychologyshould in the Netherlands be regarded as aserious discipline with an impressive institutional history. And, naturally, there are manyarguments in favour of this perspective.Fa- mous (pioneer)psychologists such as Frederik van Eeden and Gerard Heymans wereactively involved in the first days of Dutch parapsychology, thus already demonstratingthe legitimacyofthe field.Inthe 1930s Dietz and Tenhaeff be- came part of the academic community as private lecturers,and in 1953Tenhaeff

 Although recentlyatthe University of Groningen the psychologist JacobJolij has demonstrat- ed interest in parapsychological research.  E.g. Wagenmakers/Wetzels/Borsboom/Maas: WhyPsychologists, –.  Since  until todaythe “Parapsychological Association” has been amember of the “American Associationfor the Advancement of Science” (AAAS). 88 Ingrid Kloosterman gotachair as an associate professor of parapsychology. This chair wassupposed to be replaced, even, by afull professorship in 1963. When this did not succeed, two separate chairs of parapsychologyexisted in the Netherlands from 1974 until 1986.This institutional history of the chairsofparapsychologyinthe Nether- lands came to ahalt onlyvery recently, when in 2011 the associate chair was abolished at the University of HumanisticStudies. Besides this rich history of professorships of parapsychologyinthe Nether- lands, the institutional history of Dutch parapsychologycould alsobetold by the places whereparapsychological research was beingdone. Forthe establishment of science, the value of the loci of research cannot be overstated.³³ VanEeden did acontrolled séance in aprivateroom.Heymans moved Dutch psychical research into the laboratory,thus elevatingittoahigher level of legitimacy.Inthe 1930s the SPR had its ownlaboratory.And in the 1950s Tenhaeff worked in the “Para- psychological Institute”,asapart of university.Inthe 1970sthis process continued, and now two loci of research existed: the “Parapsychological Insti- tute” and the university-financed “Parapsychological Laboratory”.But this institutionalisation stopped in the 1980s, afterbudgetcutsdiminished Dutch parapsychology. As aconsequence, it lost its (public) visibilityand perhaps thereforeits objective existence. The summing up of these institutionalisations of Dutch parapsychology seems impressive at first.But if we look closely, it is clear thatalso aprocess of marginalisation was taking place. Marginalisation and institutionalisation are not mutuallyexclusive processes and,ifwelook at the history of Dutch para- psychology, even dialecticallyintertwined. There are three reasons.First,the in- stitutionalisation onlytook place partially, and the professorship was onlyan unsalaried, associate one. Second, parapsychologywas always dependent on protagonists (donors or patronisers), and never stood on its own feet.Third, the process of institutionalisation was always going hand in hand with aprocess of marginalisation. Whereas in other disciplines the appointment of privatelecturers in the 1930s was quickly followed by paid lecturers and professorships,this was not the case with parapsychology. Onlyafter the war,inaspecific university-context, Tenhaeff was appointed an unsalaried professor of parapsychology. The full pro- fessorship, to be established in the 1960s, was never apriority for the represen- tativesofthe new facultyofsocial sciences. In 1988 the full professorship was swiftlyabolished in aseries of budgetcuts. After 1991 the associate chair still ex- isted but became even more marginalised at Utrecht University when the new

 See Derksen: Wijpsychologen. An Institutionalised ‘Fremdkörper’ 89 professor,Bierman, was not even welcome in the buildings and facilitiesofthe faculty of social sciences. The transferofthe chair to the UniversityofHuman- istic Studies in 2007 can even be regarded as afurther marginalisation,which eventuallyled to the entireabolishment of the chair in 2011. So despite its institutionalisation, parapsychologyremained adeviant sci- ence. It was preciselythis marginalcharacter of Dutch parapsychologythat kept the discipline in the vicinity of the academic community.For manyscholars and scientists, the supernatural belonged to the privatesphere and not to the sci- entific world. In the Netherlands, physicians weremost actively opposed to the meddling of parapsychologists in the academic community.They feared that this would fuel the superstition of the people and could lead to serious harmbycon- doning paranormal healing.And the popularity of the supernatural added to the marginalisation of parapsychology, because it raised eyebrows with the orthodox members of the academic community.But the public appeal of the supernatural was preciselywhat made parapsychological research so relevant,atleast after World Wars Iand II. Especiallyinthe second half of the 20th century,when not onlythe scientific hegemonywas contested but alsothe democratic society grew enormously, parapsychologywas anything but hinderedbyits marginal po- sition. Because of their public appeal, both Dietz and Tenhaeff were accepted by the academic communities in the 1930s and 1950s. Moreover,the controversial position of parapsychologyled to the acceptance of not one, but two professors in parapsychologyinthe1970s and 1980s. With the full professorship the idea wastoincorporate it within the department of psychology, thus ‘normalising’ parapsychology. This was actively opposed by Tenhaeff,who feared the loss of the ‘special’ character of parapsychology. Whereas this special character was usuallyframed in terms of differences in methodological approaches, it could just as well applytothe relation towards the general public. Dutch parapsychologyhad to balance between scientific le- gitimacy and societal relevance. In this precarious situation bothmarginalisa- tion and institutionalisation playedacrucial role. To gain academicattention for the field it was necessary to highlight the elaborate and careful experiments that wereundertaken, for example by Heymans in the 1920sand in the 1970sin the “Parapsychological Laboratory”.Asaserious science,parapsychologycould be welcome in the realm of the university.But,atthe sametime, if parapsychol- ogists appeared too ‘normal’,itwould just emerge into the broader field of psy- chologyand the field itself would vanish. Thus, the ‘special’ character had to be maintained at all costs.This was usually done by actively referringtothe societal need for the research. In the 1970sthe normalising tendencyofthe parapsychologists in the “Para- psychologyLaboratory” added to their demise. Without anyactive public appeal, 90 Ingrid Kloosterman maintaining the full professorship became impossible. But in the explosive growth of the universities, the relation towards the general public had become distorted. Thus, it was not as easy as in the 1950s to relate to the general public. The expectations about scientific research had changed. Whereas in the 1950s a direct relation with the general public was detrimental for the social sciencesin general to demonstrate its relevance, in the 1970sithad become more important to uphold alevel of scientific legitimacy;hence distancing itself more and more from the general public. The University of Humanistic Studies seemed to be the last resort for an inherent societallyoriented parapsychology. But even here any linkage to the afterlife – so profoundlypart of the public appeal ahundred years ago – was not possible anymore.The juggling of institutionalisation with margin- alisation and of scientific legitimacywith societal relevance came to ahalt. We are often sympatheticallyinclined towards the underdogand even at- tribute innovative qualities to the marginalised.³⁴ The history of Dutch parapsy- chologydemonstratesthat, to be of value, an outsider does not have to have contributed in adirect waytothe center.Asaninstitutionalisedmarginal, para- psychologycan serveasamirror for the processes that are taking place all the time within scientific institutions – and elsewhere – with regardtothe role of coincidence, of luck, and of referring to scientificlegitimacy and societal rele- vancetoobtain and maintain an academic position.

5References

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AnnaLux Passing Through the Needle’sEye Dimensionen der universitären Integration der Parapsychologie in Deutschland undden USA

1Einleitung¹

Im Rahmendes Dies Academicus an der FreiburgerUniversität hielt Hans Bender, Professor für Grenzgebiete der Psychologie, Anfang 1958 einen Vortrag unter dem Titel „Parapsychologische Phänomene als wissenschaftliche Grenzfrage“. Darin konstatierteBender gleich zu Beginn die „Sonderstellung“ des Faches Pa- rapsychologie, das als einziges gezwungen sei, „die Existenz seines eigenen Ge- genstandes zu beweisen oder zumindest,seine Eigenständigkeit und Nicht-Re- duzierbarkeit glaubhaft zu machen.“² Diese „Sonderstellung“ war für Bender nicht nur eine epistemologische Herausforderung.Vielmehr hatte er sich schon zu Beginn seiner Karriere das Ziel gesetzt,die Parapsychologie als Universitätsdis- ziplin zu etablieren.³ Denn nur als Bestandteil vonUniversitäten – so die Annahme – könnten die Forschungen des Fachs aufDauer gestellt, personelle Kontinuitäten gesichert,Anerkennungund Legitimität geschaffen sowieSichtbarkeit erzeugt werden.⁴ Als Bender1958 den genannten Vortrag hielt,hatte er wichtigeEtappen aufdem Wegzur Erfüllungdieses Ziels bereits genommen. Seit 1954 war er planmäßiger außerordentlicher Professor an der Universität Freiburgmit aus- drücklichem Lehrauftrag für die Grenzgebiete der Psychologie. Er war ein er- folgreicher akademischer Lehrer und Wissenschaftsorganisator. Und nicht zuletzt wiesen ihn seine Rolle als Redner während des Dies Academicus, alsoimoffizi- ellen Programm der Universität,als weitgehend anerkanntes Mitglied des aka- demischen Betriebsaus. Dennoch: DieserStatus war weder unwiderruflich – die Professur bestand nur bis 1998 – noch selbstverständlich. Daher war es Bender

 Für aufmerksame Lektüreund wertvolle Hinweise dankeich EberhardBauer sowie Sylvia Paletschek.  Bender:Parapsychische Phänomene, .  Bender:Psychische Automatismen, IV.  Vgl. Bauer: Parapsychologie für wen?, .

DOI 9783110466638-004 94 AnnaLux

„ein Bedürfnis, anläßlich dieses Vortrages der Universität für das Vertrauen zu danken, das sie in ihrer Unvoreingenommenheit zum Ausdruck bringt.“⁵ Mein Aufsatz setzt an diesem Spannungsfeld vonepistemologischer „Son- derstellung“ der Parapsychologie und ihrer (zeitweise)erfolgreichen akademi- schen Integration an. Im Zentrum meiner Untersuchung stehen zwei Einrich- tungen: die Professur vonBendersowie das „ParapsychologyLaboratory“ im amerikanischen Durham. Das „ParapsychologyLaboratory“ wurde 1935 unter der Leitungvon Joseph Banks Rhine gegründet und war bis 1965Teil der Universität. Die Professur für Grenzgebiete der Psychologie in Freiburgwurde 1954 für Hans Bendereingerichtet und bestand bis 1998.⁶ Der Vergleich beider Einrichtungen bietet die Möglichkeit,Systematiken herauszuarbeiten. Diese gelten zu einem Teil für die Entwicklungder Parapsychologie als akademische Disziplin generell. Gleichzeitig kann über den Vergleich aufnationale Differenzen hingewiesen werden. Der Schwerpunkt meines Vergleichs liegt aufder Phase der akademischen Integration in den 1930er Jahren an der Duke University sowie in den 1950er Jahren an der FreiburgerAlbert-Ludwigs-Universität.Der Beitrag konzentriert sich be- wusst aufdiese beiden „Pioniereinrichtungen“.⁷ Mir geht es hier um die Frage, unter welchen komplexen Bedingungen die Integration des Forschungsfeldes Parapsychologie als akademische Institutionalisierung erfolgte. Eine systemati- sche Einbettung dieser Prozesse in die nationale und internationale Fachge- schichte kann daher nur am Rande erfolgen.⁸ Fokussiert aufdie EntwicklungeninDurhamund Freiburgimzweiten Drittel des 20.Jahrhunderts kann gezeigtwerden,wie ganz unterschiedliche Faktoren zur Wirkungkamen und die akademische Integration der Parapsychologie ermög- lichten. Diese Faktoren werden im Aufsatz in fünf Dimensionen zusammengefasst: Die epistemische sowie die gesellschaftlicheDimension prägten die Entwick-

 Bender:Parapsychische Phänomene,   Vgl. Rao:J.B. Rhine; Pratt: Parapsychology;Brian: Enchanted Voyager; und Rhine: Something Hidden. Vgl. weiterhin die populärwissenschaftliche Arbeit vonHorn: Unbelievable.  Er bietet keinenÜberblick über die Geschichteder Parapsychologie in den USAund in Deutschlandinsgesamt.Ein solcher müsstenicht nur weit eher einsetzen, sondern auch ein weit breiteres Spektrum an Forschungenund Institutionalisierungsformen (innerhalb wie außerhalb vonUniversitäten) abdecken.  An deutschen Hochschulen beschäftigten sich bereits in den er Jahren Wissenschaftlerwie Hans Driesch (–)inLeipzigoder der TübingerPhilosophieprofessor Traugott Kon- stantin Oesterreich (–)mit paranormalen Phänomenen und ihrerErforschung.Inden USAwar ein wichtigerWeggefährteRhines der Sozialpsychologe Gardner Murphy(–), Professor am City CollegeinNew York. Eine Studie von  zähltinsgesamt  Universitäten und Colleges, an denen zu dieser Zeit parapsychologische Forschungbetrieben wurde.Vgl. Dommeyer/ White: Psychical Research. Passing Through the Needle’sEye 95 lungender umstrittenen „Grenzwissenschaft“ generell und durchgängig. Die lo- kale wie die persönliche Dimension verweisen aufdie Bedeutung voncharis- matischenFührungspersönlichkeiten, einflussreichenFörderern sowie konkreten situativen Bedingungen an den Hochschulen. Solche Aspektewaren vongroßer Relevanz für die Entwicklungder Parapsychologie. Zuletzt weist besonders die (hochschul‐)politische Dimension aufUnterschiede in der Entwicklunganbeiden Standorten hin. Vordem Hintergrund einer Historisierung der Parapsychologie erscheint mir der historische Vergleich besonders geeignet,umsich der Stellung und Rolle des Fachs als wissenschaftliche Disziplin im 20.Jahrhundertzunähern. Die Syste- matisierungen ermöglichen Vergleichbarkeit in zwei Richtungen – einerseits in- nerhalb eines politisch-gesellschaftlichenKontextes mit anderen hegemonialen sowie nicht-hegemonialen Disziplinen,⁹ andererseits innerhalb der Disziplin und unter Berücksichtigung der jeweiligen nationalen Besonderheiten.¹⁰ ZurGeschichte des „ParapsychologyLaboratory“ (PL)und dem Werk und Wirken vonRhine liegt eine Reihe vonArbeiten vor. Publikationen ausseinem engeren Kreis,u.a.von seiner FrauLouisa Rhine, die ihn und seine Forschungen zeitlebens begleitet hat,bieten einen guten Einblick in die Arbeit am PL und deren Bedingungen. Die differenzierteStudie „Elusive Science“ der Wissenschaftshis- toriker Seymour H. Mauskopf und Michael R. McVaugh ist nicht nur die erste historische Analyse parapsychologischer Institutionen, sondern zeigt aufbreiter Quellenbasis die komplexen Zusammenhängeinder Geschichte des „Parapsy- chologyLaboratory“.¹¹ Mit der Geschichte der Parapsychologie in Freiburghaben sich ebenfalls zunächstv.a.Zeitgenossen und Schüler vonBender beschäftigt. Einen guten

 Die aufgezeigtenDimensionen können auch für andere Disziplinen diskutiert werden,etwa für die Entwicklung der Volkskunde als akademischesFach. Vgl. Lux: Räume des Möglichen, v. a. –.  So wäreetwa auch der Vergleich mit den Institutionalisierungeninden Niederlanden sowie Großbritannien lohnenswert:Die Entwicklungenander Universität Utrecht unter Wilhelm Heinrich Carl Tenhaeff (–), der  eine Professur für Parapsychologie antrat,ähneln in verschiedener Hinsicht denen in Freiburg; die Geschichte der Stiftungsprofessur für Parapsy- chologie  in Edinburgh für Robert L. Morris (–)weist eine Vielzahl vonVerbin- dungslinien zu Rhine und dessen Arbeit auf.Vgl. hierzu die Beiträgevon IngridKloosterman sowie Elizabeth Valentine in diesem Band.  Vgl. Mauskopf/McVaugh: Elusive Science. Der Aufsatz kann im Wesentlichen aufdiese Pu- blikationen zurückgreifen. Ergänzt werden sie durch eigene Recherchen in den Beständen des DukeUniversity Archivessowie des Archivs des „Rhine Research Center“.Für ihre Unterstützung bei meinen Recherchenvor Ort danke ich im Besonderen AmyMcDonald von „DukeUniversity Archives“ sowie der Tochtervon Rhine, SallyFeather. 96 AnnaLux

Überblicküber die institutionellen Entwicklungenbietet der Aufsatz vonEberhard Bauer und Walter vonLucadou.¹² Die Einbindungder Professur Benders in das Institut für Psychologie zeichnetdie Untersuchung vonRoland Schönrock zur Geschichte der FreiburgerPsychologie von1941bis 1971 nach.¹³ Umfassendere historische Analysen zur Geschichte der deutschen Parapsychologie konzen- trierten sich bislang allerdings aufdie erste Hälftedes 20.Jahrhunderts,¹⁴ also auf die Vorgeschichte der hier im Fokus stehenden Prozesse.¹⁵ Der Aufsatz zeichnet zunächstdie Institutionalisierung und universitäre In- tegration der Parapsychologie an der Duke University (Teil 1) sowie an der Albert- Ludwigs-Universität (Teil 2) nach. Teil 3diskutiert vergleichend die akademische Integration des Fachs unter Berücksichtigungder genannten fünf Dimensionen. Die Analyse zeigt,dass an beiden Standorten ganz unterschiedliche Faktoren ineinandergreifen mussten, damit die Parapsychologie das Nadelöhr der akade- mischen Integration passierenkonnte.

2Anfang undEnde der „Rhine revolution“: Parapsychologie an der DukeUniversity 2.1 Institutionalisierung und frühe Erfolge(1927 bisca. 1940)

1927 kamJoseph Banks Rhine (1895–1980) nach Durham,eine kleineStadt in North Carolina, bekannt durch ihre Tabakproduktion. Erst wenige Jahre zuvor war der promovierteBiologeandie HarvardUniversity gegangen, um bei dem bekannten Psychologen William McDougall (1871– 1938) zu studieren. Dieser hatte sich auch der Untersuchung paranormaler Phänomene gewidmetund war von 1920 bis 1921 Präsidentder „Society for Psychical Research“ gewesen. Als McDougall einen Rufandie neu gegründete Duke University in Durhamannahm, um dort die Psychologie aufzubauen, begleiteteihn Rhine. Gemeinsam gründeten sie 1935 das „ParapsychologyLaboratory“ (PL), eine der wichtigsten parapsy- chologischen Einrichtungen ihrer Zeit. Andersals bisher im Rahmen der Psychical

 Vgl. Bauer/Lucadou: Parapsychologie in Freiburg. Vgl. weiterhin Bauer:Hans Bender.  Vgl. Schönrock: Geschichte.  Vgl. Wolffram: Stepchildren of Science; Hausmann: Hans Bender.  Für den vorliegenden Aufsatz wurden daher Bestände ausdem FreiburgerUniversitätsarchiv sowie dem Archivdes „Instituts für Grenzgebieteder Psychologie und Psychohygiene“ in Freiburg hinzugezogen. Für seine Unterstützung bei meinen Recherchen dankeich UweSchellinger, Ar- chivar des IGPP.Für die Beratungbei der Verwendung der Abbildungen dankeich Andreas Fischer vomIGPP. Passing Through the Needle’sEye 97

Research üblich, untersuchten Rhine und sein Team nicht mehr Medien und die vonihnen produziertenPhänomene. Vielmehr wandten sie quantitative Metho- den an und erforschtenaußersinnliche Fähigkeiten anhand einergroßen Zahl zufällig ausgewählter Testpersonen. Bekannt wurden vorallem ihre Experimente mit den sogenannten Zener-oder ESP-Karten (vgl. Abb. 1).¹⁶ Die Ergebnisse dieser Massenexperimente führten Rhine zu der Schlussfolgerung,den Nachweis für die Existenz außersinnlicher Wahrnehmungen (Hellsehen, Telepathie und Präkog- nition) erbracht zu haben. Die Ergebnisse dieser Forschungen erschienen1934in„Extra-Sensory Per- ception“.Indiesem Buch entwarf Rhine in Abgrenzung zu bisherigenForschun- genauf dem Gebietein wissenschaftliches Forschungsprogramm,das den Un- tersuchungsgegenstandklar umriss, Methodenzur Erhebung und Auswertung sowie erste Theorienzur Erklärung des empirischen Materials vorstellte. Im Zuge dessenetablierte Rhine mit Begriffen wie „Parapsychology“ und „Extra-Sensory “ (ESP) eine einheitliche Terminologie für das Feld. Die damiteinher- gehende Rationalisierung des Forschungsgebiets,die Anlehnung an die Natur- wissenschaften sowiedie institutionelle Verortungdes „ParapsychologyLabo- ratory“ innerhalb der Universität gelten in der Fachgeschichteals Beginn der modernen, professionellen Parapsychologie. Rhine wird dabei eine zentrale Rolle zugesprochen. John Beloff spricht in seiner Fachgeschichte daher von „Rhine revolution“.¹⁷ In der breiten Öffentlichkeit war Rhines Buch ein großer Erfolg, nicht zuletzt durch wohlwollende Besprechungeninder Presse, etwa der „New York Times“.Parapsychologie und ESP wurden zu geläufigen Begriffen und Rhine zu einer Art „folk hero“¹⁸. Konzentrieren wir uns aufdie Institutionalisierungsgeschichte, so erschei- nen die 1930er Jahre als wichtigeAufschwungsphase: Nachdem Rhine seit seinem Wechsel an die Duke University seine Forschungen betrieben hatte, wurde 1935 das „ParapsychologyLaboratory“ als Teil des „Department of Psychology“ offi- ziell eingerichtet.ImZugedessenerhielt das Labor zusätzlicheRäume und fi-

 Dabei solltendie Probanden, in der Regel Studentinnen und Studenten,versuchen, auseinem Deck von  Karten die jeweils nächsteKartevorauszusagen. Die „Zener-Karten“ oder ESP-Karten bestanden ausfünf Sätzen mit je fünf unterschiedlichen Karten, die mit leicht erkennbaren Symbolen versehen waren (Kreis, Quadrat,Stern, Kreuz, Wellenlinie). Lagdas Ergebnis über der mittleren Zufallserwartung von  Prozent,also waren es mehr als fünf Richtige bei  Versuchen, wurde der Test als signifikant gewertet.Die Experimentatoren waren vonden Probanden entweder durch einen Sichtschutz getrennt oder in einem anderen Raum. Im Rhine-Pratt-Experiment  betrugdie Entfernungbeispielsweise  Yard.  Vgl. Beloff: Parapsychology, .  Ebd., . 98 AnnaLux nanzielle Mittel, die die GrundausstattunganStellen und Material deckten.¹⁹ Darüberhinausgehende Forschungsmittelmussten ausprivater Quelle akquiriert werden. Ausdiesem Grund wurden der „William McDougall ResearchFund“ gegründet sowie die „Walter Franklin Prince Fellowships“ vergeben.²⁰ Das Ein- werben vonForschungsgeldern (funding)war kein Spezifikum der Parapsycho- logie, sondern in dieser Zeit durchaus üblich, da die Universität kaum Geld für Forschung zur Verfügung stellte. Gleichwohl erwies sich Rhine als besonders er- folgreicher Drittmitteleinwerber.²¹ Diese Phase des Aufbaus stellteanRhine persönlich hohe Anforderungen,war er doch zugleich Professor für Psychologie, Forschungsdirektor am PL und Her- ausgeber des 1937 gegründeten Journal of Parapsychology. Daneben war er ein gefragter Redner und Autor,zudemständig in lebhafter Auseinandersetzung mit Kritikern. Im Gegenzugbedeutetedie akademische Integration nicht nur einen wichtigen Schritt hin zur wissenschaftlichen Anerkennungdes Fachs, sondern sicherte auch Zugriff aufmaterielle und personelle Ressourcen, insbesondere auf Studierende und wissenschaftlichen Nachwuchs sowieauf institutionelles Ka- pital. Die in „Extra-Sensory Perception“ publizierten Ergebnisse des PL sorgten auch unter amerikanischen Psychologen für Aufsehen. Besonderswichtigwar in diesem Zusammenhang die Jahreskonferenz der „American Psychological Asso- ciation“ 1938, aufder Rhine über die Evidenz vonESP sprechen konnte. An der nachfolgenden Diskussion über daskontroverse Thema beteiligten sich viele Kollegen, so dass Rhine in Bezugauf die Veranstaltung voneinem „Wendepunkt für die wissenschaftliche Anerkennungder ASW-Forschung“²² sprach. Alsdie Kritik an den Methoden und Ergebnissen seiner Forschungen dennoch weiter anhielt,griffenRhine und Kollegen 35 der wichtigsten Gegenhypothesen aufund diskutierten sie in dem 1940 erschienenen Buch „ after 60 Years“.²³ Nach Erscheinen dieses systematisierenden Buchs gabesverstärkt positive Rückmeldungenauch vonakademischen Kollegen. So schrieb GeorgM.

 Neben Rhine wurden vonder Universität zwei Mitarbeiter sowie eine Sekretärin bezahlt. Weiterhin wurden über den Etat die Kosten für Material und Bibliothekbeglichen.Vgl. Mauskopf/ McVaugh:Elusive Science, .  Diese waren benanntnach dem Gründer der „Boston Society for Psychical Research“,Walter Franklin Prince(–).  Vgl. Mauskopf/McVaugh: Elusive Science, .  Rhine: Reichweite, .ASW steht für „Außersinnliche Wahrnehmung“ und entspricht der Übersetzung von „Extra-Sensory Perception“.  Der Titel bezogsich aufdie Anfänge der Parapsychologie in den er Jahren. Passing Through the Needle’sEye 99

Statton (1865–1957), Vertreter der experimentellen Psychologie an der University of Californien in Berkley:

Youand your colleagues […]are to be congratulatedofpresentingthis whole matter with scope, with care for detail and with even temper.And we who read it,psychologist,other scientists,and the public generally, – areindebt to you, for asummary such as this. Your diligent and ingenious experimenting,your readiness to amend your method to meet to the utmost its critics,havegiven strength to your impressive structure.²⁴

Zurückhaltender äußerten sich Kollegen wie Jack W. Dunlap (1902–1977) vom Department of Education der University of Rochester.Doch auch er musste ge- stehen: „Ihavenot believed or disbelieved in E.S.P., but the evidence youpresent substantiates my belief thatfurther work should be carried on in this field.“²⁵ Der Eindruck einer „gewissen Toleranz“²⁶ in dieser Zeit innerhalb der akademi- schen Psychologie verstärkt sich, wenn man das ErgebniseinerUmfragevon 1938 berücksichtigt,die an amerikanischen psychologischen Instituten durchgeführt wurde. Hiernach hielten 61 %der Befragten die Untersuchung parapsychologi- scher Phänomene für prinzipiell sinnvoll und ihre Einbindungindie Universi- tät für legitim.²⁷ Offensichtlich hatte das betont naturwissenschaftlich ausge- richteteForschungssetting des „ParapsychologyLaboratory“,die akribischen Sicherheitsmaßnahmen bei der Durchführungder Experimente und ihre genauen Darstellungeninden Publikationen der Parapsychologie zu einer besseren Stel- lunginnerhalb des wissenschaftlichen Feldes verholfen. Ein weiterer Ausbau, eine fortschreitende Anerkennungschienen, so Rhine, „nur eine Frageder Zeit“.²⁸ Entsprechend euphorisch schrieb auch OliverLodge (1851–1940), Physiker und ehemaliger Präsident der „Society for Psychical Research“ nach Erscheinen von „Extrasensory Perception after 60 Years“: „Onlynow the subjectisonthe wayto becomingrespectable, treated in ahandsome volume […]and vouched for by several Professors as abranch of Psychology“²⁹.

 Brief vonGeorgM.Statton an J. B. Rhine vom ..,in: DukeUniversity Archives, Box : –,Extra-Sensory Perception after Sixty Years.  Brief vonJack W. DunlapanJ.B.Rhine vom ..,in: ebd.  Mauskopf/McVaugh:Elusive Science, .  Vgl. ebd., .  Rhine: Reichweite, .  Brief vonOliverLodge an Rhine vom ..,zitiert nach Mauskopf/McVaugh: Elusive Science, . 100 Anna Lux

2.2 Entfremdung, Besonderung undTrennung vonder Universität (ca. 1948–1965)

Doch die akademische Anerkennungblieb aus, ebensoder erhoffte Ausbau und die dauerhafte Integration des Fachs in die Universität.Dies hatte zunächstmit finanziellenEngpässen der Universität im Zuge der Great Depression zu tun. In- folgedessen wurdefür das „ParapsychologyLaboratory“ 1941ein Endowment- Programm aufgelegt,mit dem das PL systematisch Gelder durch privateFinanziers einwerben sollte.³⁰ Parallel galt es, die Arbeit des PL auch in Kriegszeiten aufrecht zu erhalten – die männlichen Mitarbeiter waren zum Militär eingezogen –,sowie nach wie vorauf Angriffe vonKritikern zu reagieren. Darüber hinaus beförderten die strukturellen Besonderheiten des „ParapsychologyLaboratory“,die hohe öffentliche Aufmerksamkeit sowie die anhaltendenKontroversen die Entfrem- dungdes Fachs innerhalb der Psychologie an der Duke University.³¹ Dieser Prozess mündete 1948 in der Ausgliederungdes PL ausdem Departement,womit das „ParapsychologyLaboratory“ nun der Universitätsleitung direkt unterstellt war. Zu all dem wirkte sich nachteiligaus, dass die beiden wichtigsten Unterstützer Rhines, McDougall sowie der UniversitätspräsidentWilliam Preston Few1938 bzw.1940 verstorben waren. Zwar unterstützte Fews NachfolgerRobert Lee Flower (1870 – 1951), Präsident von1941bis 1948, sowie der Vize-Präsident und Director of Public Relations Henry R. Dwire (1882–1944) die Parapsychologie in Zeiten der Krise, doch waren sie nur in Maßen erfolgreich. 1948 folgte als Präsident Arthur Hollis Edens (1901–1968), der kein spezifisches Interesse an der Parapsychologie verfolgte und zudem mit den großen Problemen privater Universitäten in der Nachkriegsärazukämpfen hatte. Unter diesen schwierigen Bedingungenwar die Abhängigkeit des „ParapsychologyLaboratory“ vonder Universitätsleitungpro- blematischund einer weiteren Verstetigung warenengeGrenzen gesetzt.Während die zunächst vielversprechende Situation in den 1940erJahren stagnierte, erfolgte außerhalb der Duke University allerdings eine weitere Professionalisierung des Feldes:1951 wurde die „ParapsychologyFoundation“ gegründet.1957 entstand auf Rhines Initiative die „Parapsychological Association“ als Fachverband.³²

 Vgl. dazu die Unterlagenin: DukeUniversity Archives, Box : –,Work in Pro- gress.  Vgl. Mauskopf/McVaugh:Elusive Science, f.; sowie Brian: Enchanted Voyager: –.  Die bis heuteaktive „Parapsychological Association“ hat einen hohen Professionalisie- rungsgrad, der sich in ihrerAnerkennungdurch die weltweit größteWissenschaftsvereinigung,die „American Association for the Advancement of Science“  spiegelt.Mit der Gründung der „Parapsychology Foundation“ entstand zudem eine weitere Möglichkeitder Finanzierungvon Passing Through the Needle’sEye 101

Abb. 1: Rhine untersuchteauch Psychokinese mit quantitativen Methoden in Form von Experi- menten mit Würfeln: Joseph B. Rhine DiceTurning Experiment (Quelle: Duke UniversityArchives, PhotoCollection, Box25, UAPC-025-044-003)

Die Trennung des „ParapsychologyLaboratory“ vonder Duke Universität erfolgte schließlich im Jahr 1965. Das PL wurde als „Institute for Parapsychology“ in die „Foundation for Research on the Nature of Man“ (FRNM) überführt, die Rhine 1962 gegründet hatte.³³ Mit diesem Schritt wollte Rhine die bestehenden Strukturen in einen privaten Rahmen überführen, nachdem deutlich geworden war, dass der Universität kaum mehr etwas daran lag,das Labor zu halten.³⁴ Auch in der community der Psychologen war die Parapsychologie nach wie vornicht aner- kannt. „We now realize“,soJohn A. Freeman, wissenschaftlicher Mitarbeiter am PL,1965 „that parapsychologycannot be accommodated within the presently conceivedfield of general psychology; it could be added on to or mergedwith, but not included by,the general field.“³⁵ Ausder Rückschauerschien Freeman bereits

parapsychologischer Forschungund des Austauschs aufinternationalenKonferenzen. Siehe dazu den Beitrag vonEberhardBauer in diesem Band.  Die Einrichtung besteht bis heuteunterdem Namen „Rhine Research Center“.  Vgl. Brian: Enchanted Voyager, .  Freeman: Parapsychology, f. 102 Anna Lux die Gründungdes „ParapsychologyLaboratory“ 1935 als Beginn dieses Tren- nungsprozesses: „The formation of the ParapsychologyLaboratory […]was the initial recognition of areal division between psychologyproper and parapsy- chology“.³⁶ Auch wenn diese Aussagedas Integrationspotential der Entwicklun- genunterschlägt – offensichtlichwird, dass der Versuch, die Parapsychologie in Durham innerhalb der Psychologie und als Teil der Universität zu etablieren, gescheitert war.³⁷ Dabei darf nicht übersehen werden, dass die Trennungvon der Universität zunächstmehr intellektuelle und organisatorische Autonomie be- deutet hatte. Die FRNM hatte vonprivaten Geldgebern, v. a. dem Xerox-Erfinder Chester Carlson (1906–1968), eine hohe Summe erhalten und wurdemit diesem Schritt unabhängiger voneiner Wissenschaftswelt, die, so Rhine,für die Para- psychologie nicht bereit war.³⁸ Nachdem es immer wieder Betrugsvorwürfe gegeben hatte, erschüttertenin den 1970er Jahren zwei Skandale die Arbeit der parapsychologischen community. Im „Institute of Parapsychology“ in der FRNM arbeiteteseit 1970 der Medizin- student Walter J. Levy.Erforschte v. a. zu Psi bei Tieren und erschien Rhine trotz seines jungenAlters als geeigneter Nachfolgerfür seine Arbeit,weshalb er ihm zunehmend Aufgaben und Verantwortungübertrug. 1974 jedoch entdeckten Kollegen, dass Levy Daten gefälscht hatte. Rhine ging damit offensivumund machte die Manipulation im „JournalofParapsychology“ öffentlich. Dennoch sahen seineKritiker in dem Ereignis einen erneuten Beweis für die methodischen Schwächen seiner Arbeitensowie für die Nichtexistenz vonPsi.³⁹ Bereits vier Jahre später wurdeein weiterer Fall vonDatenmanipulation bekannt.Dieser hatte zwar nichtdirekt mit der FRNM zu tun, sorgte jedoch ebenfalls für viel Diskussion in der Fachcommunity:1978wurde SamuelSoal (1889 –1975)nachgewiesen,dass auch er wahrscheinlich Daten manipuliert hatte.⁴⁰ Der englische Mathematik-

 Ebd.  An anderen Standorten fanden in den USAweiterhin parapsychologische Forschungenstatt. Exemplarisch seien genannt das „Dream Laboratory“ (gegr. )unter der Leitungvon Stanley Krippner (*)amDepartment of Psychiatry in New York sowie die „Division of Parapsycho- logy“ (gegr. )unter der Leitungvon Ian Stevenson (–)imDepartment of Psychiatry an der University of Virginia. Einen biographischen Zugriff aufdie wichtigsten Parapsychologen der Zeit liefern die Publikationen vonPilkington: Men and Women; sowie Esprit.Vgl. zudem als Überblick über Institutionen der Parapsychologie Dommeyer/White: Psychical Research; White: Parapsychology.Sources; sowie Parapsychology.New Sources.  Mit dieser Aussage wirdRhine in einem Zeitungsartikelvon  zitiert.Vgl.[o.A.]: Dr.Rhine to Leave DukeUniversity, in:The Villager, Greenwich Village,New York vom ..,in: Archive of the Rhine Research Center,History –.  Vgl. Brian: Enchanted Voyager, .  Vgl. ebd., –;Beloff: Parapsychology, –. Passing Through the Needle’sEye 103 professor Soal hatte in den 1940er Jahren Forschungen angestellt und war dabei trotz seiner prinzipiellen Skepsis gegenüber der parapsychologischenForschung zu positivenErgebnissen gekommen. Rhine hatte dies seinerzeit als „Meilen- stein“⁴¹ der Forschung bezeichnet.Beide Ereignisse in so kurzer Folgewaren daher ein harter Schlagfür die Integrität des Fachs und stärkten die Position der Gegner. Als sich nicht zuletzt in Folgedes Levy-Skandals die anfängliche Autonomie der FRNM in Isolation zu verwandeln drohte, versuchte Rhine seinen Einfluss sowie seine Beziehungen noch einmalgeltend zu machen und die Rückkehr der Para- psychologie an die Duke University zu erreichen. In einemMemorandum von1979 unter dem Titel „Duke and the FRNM“ hieß es:

Also, unconventional subjects require the stabilizingand ‚down to earth‘ influenceofmore orthodoxdisciplines.Healthygrowth of unorthodoxsubjects such as parapsychology dep- ends at least in part,not onlyonthe intellectual freedom needed to chart new adventures, but also on the responsibility that goes with the need to conform to shared rules of inquiry and objectivity.There is arealdangerthat asubject that grows in isolation from other departments of knowledgemay find itself unable to gainentry intothe main portals of science. Scienceina significant sense is asocial process. Inability to communicateisanimpedimenttoaccep- tance.⁴²

Doch eine Wiedereingliederungder Parapsychologie an der Duke Universitykam nicht zustande. Es fehltenicht nur an einflussreichenFörderern, sondern auch Rhine als Integrationsfigur war geschwächt.Die 1970er Jahre beendetensodie Rhine-Ära. Er starb 1980;seine Frau Louisa, die zeitlebens engmit ihm zusam- mengearbeitet hatte, drei Jahre später.⁴³

 Rhine: Reichweite, .  Es ist nicht klar erkenntlich, ob das Memorandumvon Rhine persönlich oder etwa vonseinem NachfolgerKoneru RamakrishnaRao (*)formuliert wurde. Es richtete sich an den neu ins Amt berufenen Provost (Vizekanzler)der Universität,William Bevan(–). Bevanwar zugleich Professor für Psychologie und hattedie William Preston FewProfessur inne. Die Kor- respondenz führte aufjeden Fall Rhine.Vgl. Memorandum „Dukeand the FRNM“ sowie den Brief vonRhine an Bevanvom ..,in: DukeUniversity Archives, Box : –,Duke relations with FRNM.  Gleichwohlendetedamit nicht die akademische Beschäftigung mit der Parapsychologie in den USA. Vielmehr wurden wichtige Impulse des Ehepaars Rhine aufgenommenund fortgesetzt.Vgl. Rao:J.B. Rhine. 104 Anna Lux

3Verstetigung auf Zeit. Parapsychologie an der Universität in Freiburg

3.1 ErsteSchritteder akademischen Integration (1920er Jahre bis1945)

Die Integration der Parapsychologie in den Fächerkanon der FreiburgerUniver- sität erfolgte nach Ende des Zweiten Weltkrieges unter dem Namen „Grenzgebiete der Psychologie“.Das zentrale Ereignis war die Gründung einer gleichnamigen Professur im Jahr 1954.Hans Bender(1907–1991) war seit den 1930er Jahren der zentrale AkteureimAkademisierungsprozessder deutschen Parapsychologie.⁴⁴ Beeindruckt vonden Forschungen des Philosophen und Psychiaters Pierre Janet (1859–1947) hatte Bender1927das Studienfeld gewechseltund Psychologie, Philosophie und Romanistikstudiert.1933 promovierte er bei dem Philosophen und Psychologen Erich Rothacker (1888–1965) in Bonn über „Psychische Auto- matismen“.⁴⁵ Im Anschluss führte er in Bonn Hellsehexperimente durch und kam wie Rhine zu dem Ergebnis, dass es „Außersinnliche Wahrnehmung“ und Hell- sehen gibt. Diese Ergebnisse erschienen1935inder „Zeitschrift für Psychologie“ sowie 1936 als Monographie⁴⁶ und erregten einiges Aufsehen inner-wie außer- halb der Wissenschaft.⁴⁷ Diese Aufmerksamkeit,gepaartmit Hans Drieschs Überlegungen über die Zukunft der Parapsychologie als Teil der Universität⁴⁸ und nicht zuletzt die institutionellen Fortschritte in den USAmögen Bender in seinem Willlen bestärkt haben, die Parapsychologie auch in Deutschland akademisch zu etablieren.⁴⁹ Den geeigneten Ort dafür sah er innerhalb der Psychologie: Deren

 Früh hatten ihn die Fragen nach Gestaltund Muster des Außergewöhnlichen fasziniert.Er habe gewusst, „daß es mir aufgetragen ist und ich dafür ausgestattet bin, mich mit den Grenz- gebieten, mit der ‚verborgenen Wirklichkeit‘,zubeschäftigen.“ Bender/Mischo:Gespräch, .  Vgl. Bender:Psychische Automatismen.  Vgl. Bender:Zum Problem der außersinnlichen Wahrnehmung ( sowie ).  So interessiertesich etwa der einflussreiche MarburgerPsychologieprofessor Erich Rudolf Jaensch (–)für die Arbeiten Benders und schrieb ein Vorwort zu Benders zweitem Buch „ZumProblem der außersinnlichenWahrnehmung“ (). Zuröffentlichen Diskussion vgl. Lux: Vomspielenden Gelingen.  Vgl. Driesch: Parapsychologie.  Zuvorhattesich eine Reihe vonWissenschaftlern dem Gebiet gewidmet,ohne dass es aka- demisch institutionalisiert war.Die bekanntesten waren der LeipzigerBiologe und Philosoph Hans Driesch (–), der TübingerPhilosophieprofessor Traugott Konstantin Oesterreich (–)sowie August Messer (–), Professor für Philosophie und Pädagogik an der Universität Gießen. Passing Through the Needle’sEye 105

„Forschungsstätten und daspsychologische Rüstzeug“ seien „besonders geeig- net“,umdie Ziele der Parapsychologie zu verwirklichen. Konkret bedeutetedies für Bender, „Tatsachen sachlich zu prüfen und sie gegenzwei Fronten […], gegen die apriorischen Negativisten und gegendie gläubigen Okkultisten,“⁵⁰ zu sichern. Mit diesen Worten verorteteBenderdie Parapsychologie inhaltlich, methodisch und institutionell innerhalb der universitären Psychologie. Nach der Promotion setzte Bender seine Forschungen als Assistent fort und absolvierte parallel ein Medizinstudium in Freiburg.⁵¹ 1941habilitierteersich im Fach Psychologie in Bonn und wurde im gleichen Jahr als außerordentlicher Professor nach Straßburgberufen.⁵² An der vonden Nationalsozialisten gegrün- deten Reichsuniversität sollteBender die Psychologie aufbauen. DieProfessur umfasste das Gesamtfeld des Fachs, inklusive der Klinischen Psychologie sowie der Parapsychologie.⁵³ Darüber hinaus arbeiteteBenderandem in Straßburg gegründeten privaten „Grenzwissenschaftlichen Institut“⁵⁴ mit und legte den Grundstock für eine parapsychologische Fachbibliothek.⁵⁵ Trotz der kurzen Dauer der StraßburgerZeitund beschäftigt mit dem Aufbauder Psychologie, konnte Benderbis 1945die Weichen für eine weitereInstitutionalisierung der Parapsy- chologie stellen. Seine Rolle in dieser Zeit ist ambivalent – einerseits profitierteer vomInteresse einiger nationalsozialistischer AkteureamOkkultismus, anderer- seits geriet er im Zuge der offiziellen NS-Politik unter Druck, die Geheimlehren und Grenzwissenschaften feindlich gegenüber stand und verfolgte.⁵⁶

 Bender:Psychische Automatismen, IV.   erhielt Bender die Approbation und begann eine Promotion im Fach Medizin.Allerdings wurde das Verfahren nicht rechtmäßigabgeschlossen Dass Bender in den folgenden Jahren dennoch den Titel Dr.med. führte, wurde in den er Jahren öffentlichkritisiert.Bender holte daraufhin  eine rechtskräftig abgeschlossene Promotion nach.Vgl. dazu die Korrespondenz mit der Universitätsleitunginder Personalaktevon Bender,in: UniversitätsarchivFreiburg(UAF), Bestand /,unpag.  Die politische Loyalitätwies Bender durch Eintritt in die NSDAP  nach. Vgl. zu Benders StraßburgerZeit ausführlich Hausmann: Hans Bender.  Vgl. Schreiben des Reichserziehungsministeriums an Bender vonAnfang ,zitiert nach Moragiannis: Parapsychologie, .  Vgl. Hausmann: Hans Bender, –.  Ein wesentlicher Teil der Bücher stammteaus dem Nachlass des MünchnerArztesAlbert von Schrenck-Notzing(–). Hinzu kamen – ausheutigerSicht nicht unproblematisch – Bücher ausder sogenannten Heß-Aktion. Vgl. Schellinger: Die ‚Sonderaktion Heß‘.  Bereits  war Bender im Zuge der öffentlichen Diskussion um seine Forschungsergebnisse in die Kritik geraten. Vgl. Lux: Vomspielenden Gelingen. Auch vonder „Heß-Aktion“  war Bender betroffen. Dieser war vorausgegangen, dass sich Reichsminister Rudolf Heß am ..  mit einem Flugzeug RichtungSchottland abgesetzt hatte, vermutlichumüber einen Son- derfrieden zu verhandeln. Da sich Heßfür Esoterik, Naturheilkunde und Astrologie interessierte, 106 AnnaLux

3.2 Institutionalisierungen in Freiburg (1945bis 1975)

Im Juli 1945kam Benderaus amerikanischer Gefangenschaft nach Freiburgund begann in seiner Heimatstadt gezielt mit dem Aufbauvon Institutionen und Netzwerken. 1946 gründete er mit Vertretern ausPolitik, Wissenschaft und Kunst die „Forschungsgemeinschaft für psychologische Grenzgebiete“,die Mittel für ein parapsychologisches Forschungsinstitut sammelte. Das Institut wurde1950 als privates Forschungsinstitut unter dem Namen „Institutfür Grenzgebiete der Psychologie und Psychohygiene“ (IGPP)eröffnet.Zuden Forschungsfeldern des Institutsgehörte die Untersuchung vonspontanen, individuellen Erlebnissen (z. B. Spuk), qualitative Experimente mit Medien sowie quantitative Untersu- chungen (vgl. Abb. 2).⁵⁷ Ein weiteres Feld, dem sich Bender verschrieben hatte,war die Psychohygiene, also Aufklärung,Information und Beratung im Sinne einer „positivenKritik des Aberglauben“⁵⁸.Seit 1946 lehrte Bender zudem an der Frei- burgerUniversität am Institut für Psychologie und Charakterologie. Dort hatte ihn der Lehrstuhlinhaber Robert Heiß (1903–1974)als „wertvolle Ergänzung“⁵⁹ be- grüßt. ZurEröffnungdes IGPP 1950 mitGästen ausPolitik und Wissenschaftwar auch Rhine eingeladen.⁶⁰ Zu ihm hatte Bender in den 1930er Jahren bereits Kontakt gehabt; nun trafen sie sich zum ersten Mal persönlich. Seinen Einfüh-

wurde die Aktion genutzt,umineiner reichsweiten „Aktion gegenGeheimlehren und sogenannte Geheimwissenschaften“ am .. gegen „Okkultisten“ (Astrologen, Hypnotiseure, Hell- seher sowie Anthroposophen und Theosophen) vorzugehen. Auch Benders Arbeitsplatz in Bonn wurde durchsucht.Vgl. zur „Heß-Aktion“ Schellinger/Anton/Schetsche: Zwischen Szientismus und Okkultismus.  Bender interessierte sich persönlich besonders für Spukphänomene und galt aufGrund seiner Präsenz in den Medien auch in der breiten Öffentlichkeit als Experteauf diesem Gebiet.Darüber hinaus führteBender eine Reihe qualitativerUntersuchungen durch,beispielsweise mit dem holländischen Hellseher Gerard Croiset (–). Im Rahmen von „Platzexperimenten“ wurde untersucht,obCroiset voraussagenkonnte,wer bei einer späteren Veranstaltungauf einem bestimmten Platz sitzen würde. Dafür beschrieb er die Person, derenÄußeres und Verhalten sowie emotionale Erlebnisse. Später wurden diese Aussagenmit den tatsächlichen Personen abgegli- chen. Vgl. Bender:Praekognition im qualitativenExperiment.  Bender:Editorial, .  Schreiben vonHeißals Dekan der Philosophischen Fakultät an die Französische Militärre- gierungvom ..,in: UAF, Bestand: B/ (PersonalbogenHans Bender), unpag.  Rhine sprach über „The ScienceofParapsychology Today“.Weitere Gästewaren der Kunst- historiker GustavF.Hartlaub/Heidelberg(–), die PsychologenRobert Heiß/Freiburg und Philipp Lersch/München (–), der Arzt und Professor für Psychohygiene Heinrich Meng/Basel (–), der PhysiologeHans Schäfer/Heidelberg(–)sowie die Philosophin und Husserl-Schülerin Gerda Walther/München (–). Passing Through the Needle’sEye 107 rungsvortrag widmete Bender dem Thema „Okkultismusals Problem der Psy- chohygiene“.Die Veranstaltung als Ganzes wurdesozum Statement:Hier stellte sich eine moderne, international vernetzte Wissenschaft vor, die in den letzten Jahren dank der Forschungen vonRhine akademisch an Boden gewonnen hatte. Sie würde auch in FreiburginZukunft nicht mehr im Mansardenzimmer agieren, sondern im ‚hellen Licht der Wissenschaft‘.Ihr Platz war nicht (mehr)amRande – weder vonWissenschaft,noch vonGesellschaft.Sie war vielmehr Teil der aka- demischen Psychologie. Mitihrem gesellschaftlichenLeistungsangebot der Psy- chohygiene stand sie mitten in einer Gesellschaft,die sich im Zuge der seelischen Zerrüttung nach dem Zweiten Weltkrieg dem Okkulten zugewandt hatte. Eine solch selbstbewusste Selbstverortungrichtetesich nicht nur an die ‚offizielle‘ Wissenschaft,sondern sollteauch konkurrierende Para-Vereinigungen, die sich nach dem Krieg gegründet hatten, aufdie hinteren Plätze verweisen.⁶¹ In der Tatwurde das IGPP in den folgendenJahren die wichtigste Einrichtung seiner Art im deutschsprachigen Raum. Täglich erhielt Bender Anfragen ausder Bevölkerung,und groß wardas Interesse der Medien, denen er geduldigInterviews gab. Dabei hatte er keine Berührungsängste mit populären Formaten und dem Fernsehen.⁶² Zudem gründete Bender 1957 die „Zeitschrift für Parapsychologie und Grenzgebiete der Psychologie“ als Forum für interdisziplinäreDiskussionen. Trotz des anhaltendenöffentlichen Interesses, das im Zuge der „okkulten Welle“ in den 1970er Jahren nochzunahm, war das Team am Institut klein, die finanziellenMittel gering.1970verfügte Benderals Hochschullehrer über eine einzigewissenschaftliche Mitarbeiterstelle sowie eine Sekretärin. Durch die Mittel der Fanny-Moser-Stiftung⁶³ konnteseit den 1950er Jahren zudemLotteBöhringer (1917–1994) als geschäftsführende Sekretärin des IGPP bezahlt werden. Für For-

 So die „FreieForschungsgemeinschaft für Psychologie und Grenzgebiete des Wissens“ in , gegründet vonGeorgAnschütz (–), der in den er Jahren außerplan- mäßigerProfessor in Hamburggewesen und aufGrund seines Engagements während des Dritten Reichs  entlassen worden war.Auch in München hattesich  eine Forschungsgemein- schaft für Parapsychologie um den Augenarzt und ParapsychologenRudolf Tischner (– )gegründet,wobei es hier eine Vielzahl vonProblemen gabund der Verein nur kurz exis- tierte. Diskussionen gabeszudem über einen Zusammenschluss im Rahmen einer „Deutschen Gesellschaft für Parapsychologie“.Vgl. zu diesen Debattenüber mögliche Institutionalisierungen in der Nachkriegszeit den Briefwechsel vonBender mit Gerda Walther,in: Archivdes IGPP,E/: Gerda Walther.  Vgl. Lux: Vomspielenden Gelingen.  Die Stiftungder Biologin und Spukforscherin FannyMoser (–)erfolgte .Sie umfassteBuchbestände sowie finanzielle Mittel über Münchner Liegenschaftswohnungen. Vgl. dazu die Unterlagen im Archiv des IGPP,E/:Geschäftsführungund Verwaltung:Stiftungund Erbe FannyHoppe-Moser – Korrespondenz und Materialien, unpag. 108 Anna Lux schungsprojektehingegen mussten Drittmittelakquiriert werden, die Bender ebenso wieRhine mit Erfolgeinwarb.⁶⁴ Seit dem Wintersemester 1946/47lehrte Benderzudem am Institut für Psy- chologie und Charakterologie.⁶⁵ Gerade unter den schwierigen Nachkriegsbe- dingungenwar Bender – ausgebildet in Medizin und Psychologie und ausge- stattet mit vielfältigen Erfahrungen in Lehreund Wissenschaftsmanagement – eine vielversprechende Lehrkraft, weshalb sich Heiß 1945persönlich für ihn einsetzte. Eine möglicheWegberufung, so schrieb Heiß 1950,würde eine „emp- findliche Lücke“ in die Arbeit des Instituts reißen.⁶⁶ Doch nicht nur in der Lehre war Bender eine Unterstützung. Vielmehr brachte er materielle Ressourcen ein: Die Räume im IGPP und dessenBibliothek konnten auch vonden Studierenden der Psychologie genutzt werden, deneninder Nachkriegszeit Arbeitsplätze und Bücher fehlten. Gleichwohl war Benders Situationunbefriedigend, die Lehrstellen befristet, das Gehalt gering.Dies änderte sich mit der Einrichtung der Professur für Grenzgebiete der Psychologie. Dieser wichtigeInstitutionalisierungsschritt war eng an hochschulpolitische Entscheidungengebunden. Bender gehörte zu den sogenannten „131ern“,die im Zuge eines Gesetzes von1951eingestelltwurden. Das Gesetzregeltedie Wiedereinstellungvon suspendierten Beamten, die ausden Vertreibungsgebieten stammten und/oder im Zuge der Entnazifizierungsverfahren entlassen worden waren. An den Hochschulen wurden die Professuren mit dem Vermerk „k.w.“ (künftigwegfallend) versehen, warenalsoallein an die Person gebunden, welche die Professur erhalten hatte.Bendererhielt die Professur 1954, doch war dies, wie unten ausgeführt wird, keineswegs unumstritten. Ab Mitte der 1950er Jahre erlebten die Grenzgebiete als Teil der Psychologie einen zwar bescheidenen, aber bemerkenswerten Ausbau: 1958 wurde Benders erste Promovendin IngeStrauch (*1932) als Assistentin angestellt.⁶⁷ 1967wurde das „Institut für Psychologie und Charakterologie“ umgestaltet und in „Psycho- logisches Institut“ umbenannt.Indiesem Zusammenhang erfolgte auch die Einrichtung vondrei Abteilungen, darunter die „Abteilung für Grenzgebiete der Psychologie“.Zudem wurden Bender die Rechte eines persönlichen Ordinarius verliehen und damit seine außerordentliche Professur aufgewertet.Zusammen

 Bender konnte wiederholt Mittel vonder DFG einwerben.Vgl. dazu die Bestände im Archivdes IGPP,Bestand: E/:Deutsche Forschungsgemeinschaft –,unpag.  Zuvorwar Bender im Entnazifizierungsverfahren als „Mitläufer“ eingestuft worden. Vgl. Hausmann: Hans Bender, .  Abschrift des Briefs vonRobert Heiß an die Philosophische Fakultät der Universität Freiburg vom ..,in: UAF, Bestand: B/ (PersonalbogenHans Bender), unpag.  Strauch habilitierte  bei Heiß und wurde später Professorin an der Universität Zürich. Passing Through the Needle’sEye 109 mit Heiß wurden Bender und seineKollegin HildegardHiltmann (1916–2004) zu gleichberechtigten Direktoren des Instituts. 1973 wurde zudem die Bibliothek des IGPP in ein Förderprogramm der DFG zu Gunsten überregional bedeutender Spezialbibliotheken aufgenommen.⁶⁸ Wenig später wurde ausMitteln der UB Freiburgeine Bibliotheksstelle eingerichtet.Benders Wirken innerhalb der Uni- versität ermöglichte ihm auch den Zugriff aufwissenschaftlichen Nachwuchs. Die Promotion vonIngeStrauch hatte sich mit „Geistiger Heilung“ (1958) beschäftigt. Weiterezehn Dissertationen entstanden am Lehrstuhl für Grenzgebiete der Psy- chologie bis Mitte der 1970er Jahre.⁶⁹ 1973 erfolgte mit der vonJohannes Mischo eingereichten Habilitationsschrift über „AußersinnlicheWahrnehmung“⁷⁰ die erste Habilitation über ein parapsychologisches Thema in Deutschland. Benderhielt regelmäßig gutbesuchte Veranstaltungenab, in der Regel eine Vorlesung und ein begleitendes Seminarsowie eine Vorlesung im Rahmen des StudiumGenerale für Hörer aller Fakultäten; den ersten Vortrag hielt er hier 1954. Generationen vonStudierenden kamen, um Benders Ausführungen über Tele- pathie, Spuk oder Hellsehen zu hören. Dass Benders Forschungsgebiet auch in der Universität,wenn auch nicht vonallen, durchaus Anerkennungfand, spiegeltsich in der Perspektive der Zeitgenossen: 1957,anlässlich der 500-Jahr-Feier der Uni- versität,betonteder RektorGerd Tellenbach (1903–1999) die Offenheit der Frei- burgerUniversität,die es nicht verschmähte, auch „okkulte Erscheinungen oder vor- und unwissenschaftliche Heilpraktiken zu erforschen.“⁷¹ Als Bender1975emeritiert wurde, entschied die Universität den Vermerk „k.w.“ zu tilgenund einen regulären Nachfolgerzuberufen. Die Stelle trat im November1975JohannesMischo (1930 –2001) an, der als Benders Assistent be- reits viele Jahre am Psychologischen Institutund am IGPP gearbeitet hatte. Spätestens jetzt schienes, als hätten sich die Grenzgebiete in Freiburgbehauptet, als habe sich die Parapsychologie trotz aller Schwierigkeiten als akademische Disziplin durchgesetzt.Für Bender bedeuteten v. a. die Ernennungzum Ordinarius und die Einrichtung einer eigenen Abteilung „die völligeIntegration der Para- psychologie“,die „auch ihre Kontinuität“ sichere,wie er 1966 an seinen Basler

 Zudem wurden die BeständeimRahmen eines Sondersammelgebiets vonIGPP und der FreiburgerUniversitätsbibliothek betreut.  Vgl. Bauer/Lucadou: Parapsychologie in Freiburg, .  Mischos Dissertation „Verlaufsprozesse in Traumserien, Tests und Biographie“ (), sowie seine Habilitationsschrift „Außersinnliche Wahrnehmung.Spontane Erfahrungund quantitativ- statistisches Experiment als Gegenstand der Forschung“ ()blieben unveröffentlicht.  GerdTellenbach:Tradition und Neugestaltung der Universität.Die Albert-Ludwigs-Universität Freiburg –,zit.nach Bender:Parapsychische Phänomene als wissenschaftliche Grenzfrage, . 110 AnnaLux

Abb. 2: ZurDurchführungquantitativer ExperimenteentwickelteBender in Zusammenarbeit mit der TU Darmstadt einen „Psi-Recorder“:Hans Bender am Zufallszahlengenerator des „ProRekorder70“im Versuchsraum des IGPP in der Eichhalde 12, Fotovon Leif Geiges, um 1970 (Quelle: Archivdes IGPP,Bestand 2/4)

Kollegen Heinrich Meng (1887–1992) schrieb.⁷² DieserVerstetigungsprozess setzte sich unter Mischo zunächstfort: 1978 wurde der Bereich „Parapsychologie/

 Schreiben vonHans Bender an Heinrich Mengvom ..,in: IGPP-Archiv, Bestand E/ ,Spezialkorrespondenz: Heinrich Meng –,unpag. Passing Through the Needle’sEye 111

Grenzgebiete der Psychologie“ als freiwilliges Zusatzfach in die Hauptdiplom- prüfung für Psychologen aufgenommen.⁷³

3.3 Höhepunkt, Krise undTrennung vonder Universität (1975 bis1998)

Zeitgleich zum Generationswechsel aufder FreiburgerProfessur 1975 fanden ge- samtgesellschaftlich Entwicklungenstatt,die die Parapsychologie verstärktins Rampenlicht rückten. In Folgeder spektakulären Auftritte vonUri Geller(*1946) 1974 war Psychokinese in aller Munde und verlangte nach Erklärungen. Im Zuge der Verbreitungvon New Ageund Esoterik seit dem Ende der 1960erJahre wur- den spirituell-religiöse Erklärungsansätze populär; Gurus und philippinische Heiler hatten massenhaft Zulauf.⁷⁴ Die Parapsychologie in ihrer Stellungzwischen Praktikern und Skeptikernsowie zwischen Religion und Wissenschaft war in Folge dessenmit einer Vielzahl vonFragenund Herausforderungenkonfrontiert.⁷⁵ Zu- gleich war dieser Boom nicht unproblematisch. Zumeinen rief er verstärkt Gegner aufden Plan, die sich seit den 1970er Jahren organisierten und v. a. gegenBender öffentlich polemisierten.⁷⁶ Zumanderen wurdedie Parapsychologie durch die hohen Erwartungen einer „sozial und metaphysisch beunruhigten Öffentlichkeit“ zur „Zielfläche unterschiedlichster weltanschaulicher Projektionen.“⁷⁷ Gerade diese stellten die „erst schwach ausgeprägte Identität“ des Fachs aufeine „schwereProbe“,⁷⁸ wieder ParapsychologeEberhard Bauer 1983konstatierte. Problematisch war auch, dass sich die neuen Anforderungennicht in einem institutionalisierten Ausbau niederschlugen. Im Gegenteilschienen die Entwick-

 Zudem bestand die Möglichkeit im Hauptfach Psychologie eine Diplomarbeitsowie im An- schluss eine Promotion mit parapsychologischem Thema zu schreiben. Vgl. Bauer/Lucadou: Parapsychologie in Freiburg, .  Vgl. Knoblauch: PopuläreReligion; Küenzlin: Das Unbehagen.  Als Forschungsinstitut griff das IGPP diese Themen aufund untersuchte ‚Löffelbiegen‘ und den sogenannten „Geller-Effekt“.Die Untersuchungenwurden auch unterPhysikern diskutiert.In der Abteilung „Psychologie und Grenzgebieteder Psychologie“ schlugsich dies in einem For- schungsprojekt nieder,indem der Physikerund Parapsychologe Walter vonLucadou (*) zwischen  und  Experimente zu Psychokinese durchführte.Vgl. Lucadou: Die Geister,die mich riefen.  Vgl. Bauer/Lucadou: Parapsychologie in Freiburg, f. Vgl. zur Geschichte der Parapsy- chologie als Geschichteder Kontroverse Bauer: Kritik und Kontroversen. Siehe auch den Beitrag vonMartin Schneider in diesem Band.  Bauer:Parapsychologie für wen?, .  Ebd. 112 AnnaLux lungenauseinanderzugehen. Zwarbestanden nach wie vordas privateIGPP und die „Professur für Grenzgebiete“ nebeneinander. Doch wurde diese 1975 in eine „Professur für Psychologie und Grenzgebiete der Psychologie“ umgewandelt.Für den Stelleninhaber Mischo bedeutetedie Umwidmung durchaus eine Aufwertung, denn er erhielt die Denomination für das Gesamtfeld der Psychologie. Für die Parapsychologie jedoch stellte dieser Schritt eine Entspezialisierung dar – die Professur war zwar nun etatisiert,hatte aber nur nocheine parapsychologische Teildenomination. Eine Folgedieser Entwicklungwar,dass Mischo sich in den kommenden Jahren nur noch zu etwa einem Viertel seiner Veranstaltungender Parapsychologie widmete.⁷⁹ Auch in den 1980er und 1990erJahren erfolgte trotz des anhaltenden gesellschaftlichen Interesses kein institutionellerAusbau in- nerhalb der Universität.⁸⁰ Vielmehr mündete die Entwicklungnach der Emeri- tierung vonMischo 1998 in die Umwidmung der Professur für Grenzgebiete in eine „Professur für Pädagogik der Psychologie“.Andiesen Schritt, der das Ende der institutionellen Integration der Parapsychologie an der FreiburgerUniversität bedeutete, können eine Reihevon Fragen angeschlossen werden: Wardie Strei- chung der Parapsychologie eine Folgeder Entspezialisierung?War die Integra- tionskraft Mischos geringer als die des Netzwerkers und Charismatikers Bender? Welchen Anteil hatten die anhaltenden Kontroversen um das Thema Psi? Wardie Überzeugung, mit der Bender und Rhine vonder Existenz vonPsi ausgegangen waren (und die in der community immer kritisch diskutiert worden war), seitden 1970er Jahren verstärkt ins Wanken geraten?⁸¹ Wiegroß war das Interesse uni- versitärerAkteureaneinem Verbleib und wie groß das Interesse seitens der FreiburgerParapsychologie, denn 1992hatte das IGPP eine millionenschwere

 Vgl. Vorlesungsverzeichnisse der Albert-Ludwigs-Universität.  Außerhalb der Universität fanden hingegenweitere Institutionalisierungenstatt,teilweise unterBeteiligung der „Abteilung für Grenzgebiete der Psychologie“.Sowurde  aufInitiative vonMischo die „Wissenschaftliche Gesellschaft zur Förderungder Parapsychologie e.V.“ (WGFP) gegründet,die gezieltÖffentlichkeitsarbeit und Netzwerkbildung betreibt.Die WGFP richtete zudem  unterder Leitungvon Walter vonLucadou die „Parapsychologische Beratungsstelle“ in Freiburgein, die vorallem Informations-und Beratungsarbeit leistet. Die Beratungsstellewird zum Teil ausMitteln des Landes Baden-Württembergfinanziert.   wurde aufdem „Jahrhundertkongress“ (anlässlich der Gründungder SPR )auch eine Bilanz der Psi-Forschunggezogen. Mit Blick aufdie zentralen Fragen, ob die Existenz vonPsi wissenschaftlich nachgewiesen sei und ob Öffentlichkeit und Wissenschaft vonder Legitimität der parapsychologischen Forschungüberzeugt werden konnte, fielen die Antworten unterschiedlich aus. Es gaboptimistische Stimmen, doch überwog „eine eher nachdenkliche Grundstimmung[…], gekoppeltmit der Bereitschaft,auch die grundlegende Frage –‚Existiert Psi?‘–neu aufzurollen und zur Diskussion zu stellen, ohne daß man darin gleich einen Ausverkaufder Parapsychologie gesehen hätte.“ Bauer/Hövelmann/Lucadou: Der Jahrhundertkongress, f. Passing Through the Needle’sEye 113

Stiftung erhalten und war damit finanziell so unabhängigwie nie zuvor?⁸² Oder hing die Streichung ursächlich mit den Kürzungen in der Hochschulfinanzierung in den 1990er Jahren zusammen?Diese Fragen giltesnach Einsicht der ent- sprechenden Quellen an anderer Stelle ausführlich zu diskutieren. Vergleichen wir abschließend die institutionelle Entwicklung der Parapsy- chologie in Freiburgund Durham, zeigen sich eine Reihe struktureller Unter- schiede, aber auch Gemeinsamkeiten. 1) Das „ParapsychologyLaboratory“ war ein in die Universität integriertes Forschungslabor,dem Rhine als Professor für Psychologie vorstand. Bender hingegen bekleidete eine Universitätsprofessur mit der Denomination Grenzge- biete der Psychologie. Der Schwerpunkt vonBenders Tätigkeit als Professor lag damit aufder Lehre, die vonRhine aufder Forschung (von seiner Lehrver- pflichtungwar er nach und nach entbunden worden). 2) Die parapsychologische Forschung war in Freiburginstitutionell großenteils, wenn auch nicht durch- gängig,aus der Universität ausgelagert und wurdeimIGPP betrieben, dem Bender vorstand. Er war während seiner gesamtenZeitals Professor in Personalunion Direktor des IGPP.Auf diese Weisekonnte er die Freiheiten eines privaten For- schungsinstituts ebenso nutzenwie die Ressourcen, welche die Universität zur Verfügung stellte.⁸³ Rhine hingegenleiteteeine universitäre Forschungseinrich- tung,die erst am Ende seiner Laufbahn in eine privateInstitution überführt wurde. 3) Ein weiterer Unterschied zeigt sich bezüglichdes zeitlichenHorizonts der beiden akademischen Institutionalisierungen. In den USAbegannen die in- stitutionellen Entwicklungenbereits Mitte der 1930er Jahre. Zu diesem Zeitpunkt betrat zwar auch Bender die akademische Bühne,doch konnte eine längerfristige Institutionalisierung nicht zuletzt aufGrund der politischenEntwicklungenerst nach Ende des Zweiten Weltkrieges realisiert werden. Auch die Trennungvon der Universität erfolgte in Durham eher,bereits in den 1960erJahren, d.h. nach 30 Jahren im Zuge der Emeritierung vonRhine. In Freiburghingegenbestand die Professur für Grenzgebiete der Psychologie über zwei Generationen 45 Jahre lang.

 Vgl. dazu auch das Interview mit EberhardBauer in diesem Band.  Bender verfügteals Professor über keine eigenen Büros im Psychologischen Institut,vielmehr hattedie Universität entsprechen Räume im IGPP angemietet.Lehre und Forschungfanden dort statt.Zudem konnte Bender auch noch nach seiner Emeritierungseine IGPP-Postvon der Post- stelle der Universität stempeln lassen. In der öffentlichen Wahrnehmung verwischten aufGrund solcher Konstellationenoft die Grenzen zwischen beiden Einrichtungen. Immer wieder bekam die Universitätsleitung Anfragen, ob das IGPP ein Institut der Universität sei. Die räumliche Ver- schränkungändertesich erst nach der Berufungvon Mischo, der sein Büroinnerhalb des Psy- chologischen Instituts in der Belfortstraße  hatte, später in der Belfortstraße .Für die Hin- weise danke ich EberhardBauer/Freiburgi.Br. 114 AnnaLux

Gleichwohl warinden 1980er Jahren nicht zuletzt durch die Veränderung in der Denomination ebenfalls ein Absinken der Tätigkeit aufdem Gebiet der Parapsy- chologie im Rahmender Professur festzustellen. DieUmwidmung „erst“ 1998 hatte möglicherweise kontingente Gründe und hing damitzusammen, dass die Universität erst die Emeritierung Mischos abwarten musste, bevor die Stelle um- gewidmetwerden konnte. 4) Unterschiedlich war das Verhältnis der beiden pa- rapsychologischen Einrichtungen zur Psychologie. Rhine geriet früh mit seinen Kollegen in Konflikt, was zur Entfremdung und letztendlichen Ausgliederung des „ParapsychologyLaboratory“ ausdem Department of Psychologyführte. Unter Benderund Mischo hingegen blieb die Parapsychologie bis zuletzt Teil der Psy- chologie. Als solche erlebte sie einen gewissenAusbau und wies eine Reihe von Anzeichenfür eine institutionelle (Teil‐)Verstetigung auf. 5) Neben diesenUnterschiedenzeigt der Vergleich Ähnlichkeiten im Status der beiden Einrichtungen. Hier wie dort war die Stellung der Parapsychologie institutionell marginal, der Ausbau gering,das Personal überschaubar.Die Mittel für Forschung mussten über Drittmittel eingeworben oder über privateFörderer und Förderinnen beschafft werden. Dieser institutionellen Begrenztheit stand an beiden Standorten ein großes öffentlichesInteresse gegenüber,das sich nicht zuletzt in der Vielzahlvon öffentlichenAnfragensowie im Erfolgder Publika- tionen vonRhine und Bender spiegelte.

4Dimensionender akademischen Integration

Im Folgenden widme ich mich systematisch vergleichend der universitären In- stitutionalisierung der Parapsychologie in Durham und Freiburg. Im Zentrum stehen die Faktoren, die für die erfolgreiche akademische Integration verant- wortlich waren. Diese lassen sich in fünf Dimensionen zusammenfassen:Die gesellschaftliche sowie die epistemische Dimension waren für die Entwicklung des Fachs durchgängigprägend, doch sie allein können die akademischen In- tegrations- bzw.Deintegrationsprozesse nicht erklären. Vielmehr kommen kon- kreteBedingungenhinzu, die sich als persönliche,lokale sowie politische Di- mension beschreiben lassen.

4.1 Gesellschaftliche Dimension – die Bedeutung des Okkulten für die Moderne

Ein zentraler Faktor,der die Geschichte der Parapsychologie seit ihren Anfängen in den 1880er Jahren prägte, ist die gesellschaftliche Dimension. Das Okkulte Passing Through the Needle’sEye 115 spielt in der Alltagswirklichkeit der Menschen seit Jahrhunderten und auch in der Moderne eine Rolle.⁸⁴ DieFaszination für das Thema spiegelt sich in der Popu- lärkultur des 19.und 20.Jahrhunderts, etwa im Erfolgvon Edgar Allan Poes Ge- spenstergeschichten und der Popularität vonHellsehern wie Hanussen (1889 – 1933), später im Hype um Filme wie „Der Exorzist“ (1974)oder heute im Erfolgvon Doku Soaps wie „Ghost Hunter“.⁸⁵ Neben dieserweit verbreiteten Faszination für das Unerklärliche stehen persönlicheErfahrungen wie Wahrträume, Telepathie, Nahtoderfahrungen oder auch Spuk. Diese individuellen, spontanen Erlebnisse, so der Soziologe MichaelSchetsche, gehören „zum festen Bestandteil fast aller menschlichen Kulturen“ und sind weit verbreitet,⁸⁶ auch wenn sie unterschiedlich gedeutet werden. Zuletzt gehören Praktiken wie Astrologie,Wünschelrutengehen, Wahrsagenund alternative Heilverfahren bis heute zur Alltagkultur vonMen- schen. Die kontinuierliche Relevanz des Okkulten auch in der Moderne nahm in Krisenzeiten zu. Diese verstärkte Beschäftigung mit okkulten Phänomenen, Praktiken und Deutungen wurden als „okkulte Wellen“ bezeichnet.⁸⁷ Solche Konjunkturen des Okkulten lassen sich etwa für die Zeit nach den beiden Welt- kriegen feststellen:

Der ungeheure Verlust an Menschenleben und die allgemeine Trauer um teureTote […]im Verein mit der Ungewißheit und der Umwertungder Werte als Folgeerscheinungendes Krieges bewirkten zweifellos,daß die Gedanken der Menschen sich der Möglichkeit zu- wandten, es möchtevielleicht jenseits der Erkenntnisse der Wissenschaft noch unerforschte Kräftegeben⁸⁸

– so die Diagnose vonRhine 1947. Besonders in solchenPhasen rückte die Pa- rapsychologie ins Rampenlicht.Vermehrt wurdeandas Fach als Wissenschaft vom Okkulten dasInteresse herangetragen,

 Vgl. Treitel: ASciencefor the Soul; sowie Doering-Manteuffel: Das Okkulte.  Vgl. Hill: Paranormal Media.  Schetsche:UnerwünschteWirklichkeit, .Diese Aussage Schetsches spiegelt sich in einer Reihe vonUntersuchungen. So hatten einer Studie der SPR von  zufolge  Prozent von . befragten Personen schon einmal eine „telepathischeHalluzination“ erlebt.Eine US- amerikanische Untersuchungvon  fragte nach verschiedenenparanormalen Erfahrungen wie Telepathieund Hellsehen, Spukphänomenen, geisterhafteErscheinungen oder Kontakt mit Verstorbenen. Sie kam dabei zu dem Ergebnis,dass insgesamt knapp  Prozent der Befragten eines dieser Phänomene bereits erlebt hatte. Vgl. ebd.  Vgl. Bender:Parapsychologie, .  Rhine: Reichweite,  116 Anna Lux

den uralten Fragekomplex daraufhin zu prüfen, ob er nicht doch Zeugnis vonaußerge- wöhnlichen Fähigkeiten oder Kräften ablege, die über kurz oder langinunser Bild vom Menschen und seiner Stellunginder Welt eingeordnet werden müssen. Es ist ein Aufbruch zu neuen Fragen an die Natur zu bemerken, eine Bereitschaft,das sanktionierteWissen zu erweitern.⁸⁹

Auch in Bezugauf unsere Fragenach akademischen Institutionalisierungen ist durchausein Zusammenhang mit gesellschaftlichen Interessenlagen festzustel- len: Die Gründungdes „ParapsychologyLaboratory“ in Durham erfolgte 1935 nach den ‚okkulten‘ 1920er Jahren; die Professur für Grenzgebiete in Freiburgwurde in einer Zeit eingerichtet,als eine repräsentative Umfragedes Instituts für Demo- skopie Allensbach von1958 ergab, dass die Hälfte der Bundesbürgerandie Wirklichkeit vonPsi glaube.⁹⁰ Dennochhat die gesellschaftliche Dimension als Erklärungsansatz ihre Grenzen. Sie ist – mit Blick aufKontinuum wie Konjunkturen – sehr weit gefasst und daher nur bedingt geeignet,konkrete Institutionalisierungsschritte zu er- klären. Aufdie Relativität dieser Dimension verweist auch die Tatsache, dass die okkulten1970er Jahre mit ‚Gellermanie‘ und New Agesowie die Debatten über Jugendokkultismus und Satanismus in den 1980er Jahre nicht ebenfalls einen signifikanten institutionellenAusbaunach sich zogen. Es müssen also weitere Aspekteberücksichtigt werden.

 Bender:Parapsychologie, .Ananderer Stelle führt Bender seine Erklärungfür die „okkulte Welle“ in den er Jahrennoch weiteraus: „Eine Motivationsanalyse läßteinerseits ein Be- dürfnis nach ‚Bewußtseinserweiterung‘ erkennen, eine Suche nach neuen Dimensionen des Weltverständnisses, andererseits die auseinem Gefühl der Unsicherheit stammende Hoffnung auf geheimnisvolle, der bedrohlichen technischen Zivilisation überlegene Mächteund Kräfte. Sie werden mit Heilserwartungen verbundenund nehmenoft pseudo-religiöse Formen an. Der Grund des Bedürfnisses nach Bewußtseinserweiterung – der positive Aspekt der ‚okkulten Welle‘–ist offenbar die Fragenach dem Sinn der individuellen Existenz, die auch für junge Menschen das Problem des Todes einschließt. Es sind Fragen, aufdie Antworten auseiner religiösen Sicht angebotenwerden und die nun auch im Hinblick aufdas wissenschaftliche Erkennen gestellt werden. So rückt die Parapsychologie in das Blickfeld der Suchenden; vonihr werden Antworten aufFragennach Wesen und Reichweite vonGeist und Psyche, ihrem Verhältnis zur Materie, nach Zerfall und Determination und schließlich nach Transzendenz erwartet.“ Bender ,zit.nach Bauer: Parapsychologie für wen?, .  Vgl. Bender:Unser sechster Sinn, f. Passing Through the Needle’sEye 117

4.2 Epistemische Dimension – die Fragenach der Existenz vonPsi

Über die Existenz vonPsi und die Frageder Erklärbarkeit wird nach wie vorge- stritten, auch in der Parapsychologie. In der ersten Hälftedes 20.Jahrhunderts jedoch galt in Folgeder methodischen und empirischenFortschritte an der Duke UniversityASW für viele Parapsychologen, nichtzuletzt für Rhine und Bender, als bewiesen. Die sorgfältigkontrollierten Massenuntersuchungen vonRhine und Kollegen hatten für Telepathie, Hellsehen und Präkognition sowie Psychokinese signifikante Ergebnisse erbracht.Kritik an den statistischen Methoden hatten Mathematiker zunächstentkräften können, Vorwürfen gegenüber psychologi- schen Methoden waren Rhine und Kollegen entgegengetreten.⁹¹ Auch wenn die Kritik anhielt,zeichnete sich infolgedessen in den 1930er bis 1970er Jahren eine gewisse Offenheit gegenüber dem Fach ab,die Rhine als „vielversprechendes Zeichen“⁹² deutete. DieFortschritte aufepistemischer Ebene können daher als wichtiger Faktor für die akademische Integration der Parapsychologie betrachtete werden. Auch in Freiburg20Jahre später profitiertedie Parapsychologie vonden Forschungserfolgeninden USA: „Die raschen Fortschritte der Parapsychologie in den letzten Jahren“,soBender 1970,

sind vorallem der systematischen Anwendung des Experiments mit quantitativ-statistischen Methoden zu verdanken. Mit Verfahren, die der wissenschaftlichen Forschunggeläufig sind und ihr Vertrauen erweckten, gelang[…]der Nachweis der Existenz der paranormalen Fä- higkeiten und ihrerVerhaltensweise. Dieser Tatsachenbeweis hat die ForschungimBereich der spontanen und erwartenden Beobachtung vondem Zwangentlastet,bei jedem einzelnen Fall und jeder einzelnen Untersuchungimmer wieder aufneue die Grundlagenfragezu stellen.⁹³

Die Methoden und daher zum Teil auch die Ergebnisse waren so vonden 1930er bis in die 1970er Jahre teilweise kompatibel mit dem (natur‐)wissenschaftlichen ‚mainstream‘.Gleichwohl verstummte nie die Kritik an dem unvollkommenen Nachweis vonPsi. Die epistemischen Unsicherheiten, gepaart mit immer wieder aufkommenden Diskussionen um Betrugund Fälschung,blieben. Ebenfalls zur epistemischen Dimension zählen spezifische Handlungsweisen vonRhine und Bender, die für die universitäre Institutionalisierung bedeutsam waren. Vorallem für Rhine warzuBeginn des akademischen Integrationspro-

 Vgl. Rhine/Pratt/Stuart: Extra-Sensory Perception after  Years.  Rhine: Kurze Einführung, .  Bender:Parapsychologie, f. 118 AnnaLux zesses Boundary-Work wichtig.⁹⁴ Konkret zog Rhine Grenzen zur traditionellen Psychical Research in Bezugauf Forschungsgegenstand, Begrifflichkeit,Methoden sowie Deutungen. Als Forschungsfeld benannte Rhine das Gebiet der Außer- sinnlichenWahrnehmung sowieder Psychokinese; in der Psychical Research galtenhingegen auch spiritistische Erscheinungen und paranormale Spontan- phänomene im Rahmenvon medialen Séancensowie die Fragenach einemLeben nach dem Todals forschungsrelevant.Methodisch arbeiteteRhine naturwissen- schaftlich⁹⁵ und betontedamit den Unterschied zu den schwer kontrollierbaren Untersuchungen vonpersonalen Medien oder spontanen Phänomenen. In der Interpretation der Phänomene zog Rhine eine deutliche Grenze zu den spiritisti- schen Deutungen,wie sie in den 1930er Jahren noch vonder „AmericanSociety for Psychical Research“ vertreten wurden. Rhines BoundaryWork schlugsich auch in der Einführung neuer Termini nieder. Er führte „Extrasensory Perception“ zur Beschreibung des Gegenstands ein und verwendetestatt „Psychical Research“ den vonMax Dessoir und Hans Drieschgeprägten Begriff „Parapsychologie“.ImZuge dieser methodischen und theoretischen EntscheidungenforcierteRhine einen Verwissenschaftlichungs- und Professionalisierungsprozess, der eine wesentliche Voraussetzung für die akademische Integration der Parapsychologie war. Doch Rhine grenztesich nicht nur gegenüber der „Laienforschung“ in der Psychical Research ab, sondern auch vonder akademischen Psychologie. Der Austritt ausdem DepartmentofPsychology1948 kann daher ebenfalls als Aus- druck vonGrenzziehung gedeutet werden. Für Rhine, vonHause ausBotaniker und Biologe,war die (amerikanische) Psychologie eben nicht der zentrale oder gar einzigeBezugspunkt seiner Forschungen, sondern ebenso Physik und Biologie. Im Vergleich dazu waren Benders Handlungsweisen integrativer. Er war of- fener bei der Frage,welchen Phänomenen sich die Parapsychologie widmen sollte und mitwelchen Methoden. Bereits auspsychohygienischen Gründen, so Bender, müssten neben den Kernthemen der Parapsychologie auch Themen berücksich- tigt werden, „die nicht unmittelbarmit der Parapsychologie zu tun haben“⁹⁶,etwa geistiges Heilen, Chirologie oder Astrologie. Auch methodisch war das Spektrum der Forschungen am IGPP breit.Esumfasste neben quantitativenForschungen qualitative Arbeiten, etwa die Sammlungvon Spontanphänomenen und die

 Für diese Handlungsstrategie hat der Soziologe Thomas F. Gieryn das Konzept der Boundary- Work erarbeitet. Boundary-Work meint ein Set vonsozialen und diskursivenStrategien,mit deren Hilfe wissenschaftliche Disziplinen ihren Status als eigenständige Disziplin definieren und sich legitimieren. Vgl. Gieryn: Boundary-Work.  Vgl. Rhine: Parapsychologie, .  So Bender programmatisch im ersten Heftder „Zeitschrift für Parapsychologie und Grenz- gebiete der Psychologie“.Bender:Einführung, . Passing Through the Needle’sEye 119

Auswertung vonSpukfällen.⁹⁷ Diese Ausweitung des Themen- wie Methodenfel- des durch Bender war auch eine Konsequenz ausden Grenzziehungen und Re- duktionen vonRhine:Dementsprechend hatte Bender mitBlick aufRhines Me- thodik voneiner „Zwangsjacke“⁹⁸ gesprochen, die die Erforschung des Charakters der Psi-Phänomene allein unmöglich leisten könne. Auch im Verhältnis zur Psychologie setzte Bender stets aufKooperation statt Abgrenzung.Für ihn war die Psychologie durchgängig methodischer Bezugspunkt und institutioneller Anker.Zwar sah auch er die Notwendigkeit der Zusammen- arbeit mitanderen Disziplinen.⁹⁹ Institutionell jedoch war für ihn die Psychologie die wichtigste Referenz und die Parapsychologie deren „jüngsteTeildisziplin“¹⁰⁰. Die Parapsychologie, so Bender1968 im Rahmen der PA-Konferenz, sei in Freiburg „voll integriert“¹⁰¹. „Das Gebiet wird als ein Teil der Psychologie betrachtet,das nur im Zusammenhang mit allen Teildisziplinen der Psychologie studiert und betrieben werden kann.“¹⁰²

4.3 Persönliche Dimension – die Bedeutungder Akteure

Die Handlungenund der Status der Akteurespielen besonders in der Phase der Etablierungvon Disziplinen eine wichtigeRolle. Ein geeigneter Zugang, um Ak- teureimFeld zu verorten, sind die analytischenÜberlegungenvon Pierre Bour- dieu, vorallem die zu Habitus und Kapital.¹⁰³

 Vgl. zu den Themen die Aufsätze in der „Zeitschrift für Parapsychologie und Grenzgebiete der Psychologie“.  Die statistischen Untersuchungen, so Bender,könnten „die okkulten Erscheinungen nur in einer Zwangsjacke“ zeigen. „Erst die statistischnicht mehr erfaßbare individuelle Natur der komplexerenPhänomene dieser Art und ihr Wesen und ihren Ort im Zusammenhang vonPsyche und Welt“ machen den Charakter der Psi-Phänomene deutlich. Bender:Parapsychologie, .  „Nurinenger Verbindung mit anderen Wissenschaftszweigen“,soBender,kanndie Para- psychologie die „beunruhigende Spannungzwischen den uns vertrautenErfahrungsbereichen und den Psi-Phänomenen“ einer Lösungnäherbringen. Bender:Parapsychologische Phänomene, .  Ebd.  Mit diesen Worten zitiert GottfriedLischkeden einführenden Vortrag vonBender anlässlich der Tagung der „Parapsychological Association“,die  in Freiburgstattfand. Lischke: Bericht, .  Ebd.  Nach Bourdieu sind Status und Bedeutungvon Akteuren vonsozialen Faktoren (Habitus, Kapital) abhängig.Diese sind wiederum relativund abhängigvon ihrer Umwelt. Für die Ausbil- dung des Habitus sind demographische Faktoren und der Bildungsweg entscheidend. Innerhalb des wissenschaftlichen Feldes bemisst sich das Kapital der jeweiligen AkteureamAnteil an in- 120 Anna Lux

In Bezugauf ihre soziale Verortunggilt es zunächst festzuhalten, dass sich Rhine und Benderhinsichtlich ihrer Herkunft,ihrer Generationszugehörigkeit und ihrem Verhältnis zur Religion unterschieden. Rhine, geboren am 29.September 1895 als zweites vonfünf Kindern, stammte auskleinbürgerlichen Verhältnissen. Sein Vater war zunächst Lehrer,dann Farmer und HändlerinPennsylvania/New Jersey und in Ohio. Rhine wollte ursprünglich Geistlicher werden, wandtesich jedoch am Collegeden (Natur‐)Wissenschaften zu. Gleichwohl blieben für ihn metaphysische Fragen immer bedeutsam.¹⁰⁴ Bender, geborenam5.Februar 1907, war 12 Jahre jünger. Er kamaus einer bildungsbürgerlichen Familie, der Vater war Anwalt.Religion spielte für Bender, evangelisch getauft,eine geringere Rolle als für Rhine. Trotz dieser Unterschiede verfolgten beide nach der Schule einen für Aka- demiker typischen Ausbildungsweg. Rhine studierte zunächst am Collegeof Wooster und – nach seinem Einsatz im Ersten Weltkrieg in der Marine, stationiert in Santiago – an der renommierten University of Chicago. Dort promovierteer1925 in Botanik. Ein Jahr später wechselteerzur Psychologie an die HarvardUniversity, um 1927 gemeinsammit McDougall nach Durham zu gehen. Benderstudierte nach dem Abitur 1925 zunächstRechtswissenschaft in Lausanne und Paris. Zwei Jahre später wechselteerzum Studium der Psychologie, Philosophie sowieRomanistikund lebte in Freiburg, Heidelbergund Berlin. Seit 1929 studierte BenderinBonn, wo er 1933 bei Rothackerpromovierte. Rhine und Benderfanden somiterst aufUmwegen und nachdem sie sich für paranormale Phänomene interessierten, zu der noch jungenDisziplin Psychologie. Als wis- senschaftliche Akteuregehörtensie hinsichtlich ihrer Ausbildungzum mainst- ream. Und auch privat wiesen Rhine und Bender als verheirateteFamilienväter wichtigeIndikatoren für soziale Integration auf; gegenüber geltenden Normen und Regeln verhielten sie sich weitestgehend konform. Diese knappen Ausfüh- rungen zeigen, dass Benderund Rhine vonihrer sozialen Dispositionsowie ihrer akademischen Ausbildungher keine Grenzgängerwaren. Dies ist wichtig,umsie als Akteureinder Arena Wissenschafteinzuschätzen. Beide vereinigten ge- winnbringend soziale Kompetenzen, den notwendigenHabitus sowie wissen- schaftlicheFähigkeiten. Sie warenoriginell, aber passfähig, und so seriöseMit- spieler im wissenschaftlichenFeld – ein Aspekt,der für die akademische Integration der Parapsychologie wichtig ist (vgl.Abb. 3).

stitutionalisierterMacht (inner-wie außerhalb der Universität), an intellektueller Prominenz sowie an politischem und ökonomischem Einfluss.Vgl. Bourdieu: Homo academicus, –.  Vgl. Brian: Enchanted Voyager; Rhine: Somethinghidden. Zu Benders Biographie vgl. Gru- ber:Suche im Grenzenlosen, sowie die Arbeiten vonHausmann. Passing Through the Needle’sEye 121

Auch im weiteren Verlauf, als es darum ging,die Parapsychologie zu stabi- lisieren und auszubauen, waren für die Akteuresoziales Kapital und Netzwerke entscheidend. Vorallem Bender war sein ganzesakademisches Leben hindurch mit wichtigen psychologischenFachvertretern gutbekannt und vernetzt,neben Heiß u. a. mit Udo Undeutsch (1917–2013) in Köln oder Hans Thomae (1915–2001) in Bonn, beide ‚mächtige‘ Psychologieordinarien der frühen Bundesrepublik.¹⁰⁵ Wenn es um Verstetigung und Ausbau voninstitutionellen Strukturen ging,war jedoch universitäres und wissenschaftliches Machtkapital zentral.¹⁰⁶ Nehmen wir den Zeitpunkt der Emeritierungvon Rhine und Bender 1965bzw.1975, so zeigt sich, dass beide allerdings kaum über universitäre Macht verfügten.¹⁰⁷ Auch in die psychologische Fachcommunity waren Benderund Rhine nur in der Anfangs- phase ihrer akademischen Karriereeingebunden.¹⁰⁸ Im weiteren Verlauf lassen sich solche Verbindungenkaummehr zeigen; in ihren Bibliographien finden sich kaum Publikationen in den wichtigenVerlagen und Zeitschriften der psycholo- gischen Fachcommunity.Infolgedessen verfügten weder Rhine noch Bender über nennenswertes institutionalisiertes wie disziplinäres Machtkapital und hatten somit auch wenigEinfluss aufdie klassischen Strukturen der Universität oder innerhalb der größeren psychologischenFacheinrichtungen. Dies wirkte sich negativauf den Prozess der Verstetigung aus, denn ohne universitäresbzw.dis- ziplinäresMachtkapital fehlten nicht nur Einflussmöglichkeiten, sondern auch die Mittel, die bestehenden Institutionen aufDauer zu stellen. Denn, so Bourdieu,

 Für diese Hinweise dankeich EberhardBauer/Freiburgi.Br.  Institutionelles Kapital innerhalb der Universität wirdangezeigt bspw.durch die Mitarbeit in universitären Gremien oder die Wahl in zentrale akademische Positionen. InstitutionellesKapital außerhalb der Universität,also in der Fachcommunity,manifestiert sich z.B. durch hohe wis- senschaftliche Auszeichnungen, Mitgliedschaft in renommierten akademischen Gesellschaften, Gutachtertätigkeiten, Veröffentlichungeninden zentralen Fachverlagen und -zeitschriftenoder eine umfangreiche Zitation. Vgl. Bourdieu: Homo academicus, f. sowie –.  Bender war nach Umstrukturierung des Psychologischen Instituts nominell zwar einer der drei Direktoren des Instituts.Die Institutsleitung hattejedoch nahezu durchgängigHeißinne (nur nach dessen Emeritierung und kurz vorseiner Emeritierungwar Bender Leiter des Instituts für zweiSemester). Das PL an der DukeUniversity war hingegenbereits seit  nicht mehr Teil des Psychologischen Departments und Rhine daher auch aufInstitutsebene nicht mehr eingebunden.  So wurden Rhine und Bender zu Beginn ihrerKarriereMitglied in den wichtigenpsycho- logischen Fachgesellschaften. Rhine war Mitglied in der „American Psychological Association“ und hielt  aufderen Jahreskonferenzeinen Vortrag über die Evidenz vonESP.Bender war Mitglied in der „Gesellschaft für Psychologie“.Erveröffentlichtezudem  in der renommierten „Zeitschrift für Psychologie“ einen umfangreichen Artikel über die Ergebnisse seiner Hellseh- experimente. 122 Anna Lux

„universitäresKapital erhält und behält [nur], werPositionen innehat, mit denen sich andere Positionen und deren Inhaber beherrschenlassen.“¹⁰⁹ Generell lässt sich institutionalisiertes Kapital – also Einfluss in Universi- tät und Fachcommunity – auch ‚vererben‘,sodass Nachfolgerdavon profitieren und Institutionalisierungen aufDauer gestelltwerden können.¹¹⁰ Anders verhält es sich mit „intellektueller Prominenz“ und „wissenschaftlichem Prestige“.¹¹¹ Diese Faktoren sind stark an die jeweilige Persönlichkeit und ihre Fähigkeiten gebunden. Konkret weist sich „wissenschaftliches Prestige“ und intellektuelle Reichweite durch Publikationen aus, die auch im Ausland rezipiert werden oder Eingang in die populäre Wissensvermittlungfinden. Der jeweiligeAkteur muss ein ausgewiesenes Interesse daran haben, diese Wege der Wissensvermittlungzu gehen und zudem (im Idealfall) über Fremdsprachkenntnisse sowiedie Fähigkeit verfügen, komplexeZusammenhängegut verständlich zu vermitteln – so wie Rhine und Bender.Ihre Arbeiten wurden in verschiedene Sprachen übersetzt und viele ihrer Publikationen richteten sich an ein breites Publikum. Die hier zum Ausdruckkommende internationale Dimension war dabei nicht nur Ausweis für wissenschaftliches Prestige,sondern auch einer der „Fluchtwege“ der Häresie.¹¹² Die internationale Vernetzung ermöglichte der kleinen, randstän- digen Parapsychologie Verbreitungund Austausch. Der Umweg über das Ausland war eine Möglichkeit,nationale Grenzen und Machtmechanismenzuumgehen. Auch die Publikation für eine größereÖffentlichkeit war ein „Fluchtweg“,umdie, durch das Wissenschaftssystem gesetzten Grenzen zu überwinden.Inder Tatwar Popularisierung für Rhine und Bender eine wichtigeStrategie zur Mobilisierung vonRessourcen und zur Produktion vonAufmerksamkeit.Sie hattenfrüh die Funktionsweisen der Massenmedien erkannt und verstandenes, Medienarbeit mit eigenen Interessen zu verbinden.Ihre Öffentlichkeitsarbeit diente der Legitimie- rung der Parapsychologie, der Normalisierung des öffentlichenDiskurses über paranormale Phänomene sowie der Mobilisierung vonRessourcen.¹¹³

 Bourdieu: Homo academicus, .  Denn die „eigentliche universitäreMacht beruht im wesentlichen aufder Herrschaft über die Instrumente zur Reproduktion der Körperschaft.“ Ebd., .  Vgl. ebd., ;Bourdieu: VomGebrauch der Wissenschaft,v.a.–.  Vgl. Bourdieu: Homo academicus, .  „In these years, parapsychologyinAmerica was aone-man affair in the popular mind. Rhine had not originallysoughtout this publicity;rather,ithad come to him because of the sympathyof sciencewriters and the interest of magazine editors. Once it came, however,hedid not try to avoid it […].“ Mauskopf/McVaugh: Elusive Science, .ZuBender vgl. Lux: Vomspielenden Gelingen. Passing Through the Needle’sEye 123

Abb. 3: Hans Bender und J.B. Rhine bei der Einweihung des IGPP 1950,Fotovon Leif Geiges (Quelle: Archivdes IGPP,Bestand 2/2)

4.4 LokaleDimension – die Situation der Hochschulen und die Rolleakademischer Förderer

Weiterhin bedeutend für die Integration der Parapsychologie waren die Rah- menbedingungenanbeiden Hochschulen. Die Universitäten in Durham und Freiburgbefanden sich zum Zeitpunkt der Integration der Parapsychologie in einer Anfangs- bzw.Umbruchsphase. Als Rhine 1927 nach Durham kam, war die Duke University noch jung. 1924 war sie auseinem kleinenMethodisten-College entstanden, gegründet durch den Tabakunternehmer JamesB.Duke(1856–1925). Unter dem Motto „Religio et eruditio“ (Religion und Wissen) sah sie sich ihren religiösen Ursprüngen verpflichtet.Zugleich verstand sie sich als ambitionierte Hochschule, die ihre Stellunginder Region behaupten wollte. Unter der enga- gierten Leitungvon William Preston Few(1867–1940), der seit 1910 Präsidentdes Colleges und späterder Universität war,erfolgten der Um- und Neubaudes Campus und eine Expansion, in deren Folgesich die Zahl der Fächer wie der 124 Anna Lux

Studierenden zwischen1910 und 1940 verzehnfachte.¹¹⁴ Fewwidmete sich auch dem Aufbauder Psychologie und gewann dafür den Harvard-Professor McDou- gall. Mit ihm stimmte er überein in der Kritik an Materialismus und mechanisti- scher Weltanschauung sowie an dem in der Psychologie einflussreichen Beha- viorismus, bei dem nicht Geist oder Seele im Mittelpunkt standen, sondern das Verhalten des Menschen. McDougall hatte seine Kritik am mechanistischen Weltbild mit Fragen und Erkenntnissen der Psychical Research verknüpft.Ihre Ergebnisse wurden so auch für Fewzueinem Pfeilerimmoralisch-religiösen Diskurs.¹¹⁵ 1457 gegründet,war die FreiburgerUniversität deutlich älter als die Duke- UniversityinDurham. 1945stand sie jedoch ebenfalls an einemNeuanfang.In Folgevon Nationalsozialismus und Kriegwarendie Gebäude der Universität schwer beschädigtoder zerstört,Hochschullehrer waren entlassen, Einrichtungen geschlossen worden. In der Nachkriegszeit galtes, sich neu aufzustellen – per- sonell, institutionell und konzeptionell. Dies galtimBesonderenfür die Psy- chologie, die in Freiburgohnehin noch am Anfang stand: Erst 1943war eine Professur eigens für Psychologie eingerichtet und das „Institut für Psychologie und Charakterologie“ gegründet worden. Es fehltedem Fach an Räumen, Lehr- kräften, Arbeitsmaterial und Büchern. Bender war mit Erfahrungenals Hoch- schullehrer und Wissenschaftsorganisatorgerade in dieser Konstellation ein viel versprechender Kandidat.InHeiß, dem Fachvertreter in der Psychologie, hatte er daher einen einflussreichen Förderer.Heiß war 1942nach Freiburgberufenwor- den und im Nachkriegsjahr Dekan der Philosophischen Fakultät.Soausgestattet mit institutionellem Kapital setzte er sich für Bender ein.¹¹⁶ Einen weiteren ein- flussreichen Fürsprecher hatte Bender in dem Professor für Psychiatrie Kurt Be- ringer (1893–1949), zugleich Direktor der Psychiatrischen und Nervenklinik. Bei ihm hatte BenderMedizin studiertund spätermit ihm zusammengearbeitet.Auch Beringer verfügte als Dekan der Medizinischen Fakultät 1946 und aufGrund seines widerständigen Verhaltens während des Dritten Reichs über hohes institutionelles

 Vgl. https://library.duke.edu/rubenstein/uarchives/history/articles/few,Zugriff am .. .  Vgl. Asprem:ANice Arrangement of Heterodoxies.Few unterstütztezudem persönlich den Aufbaudes „Parapsychology Laboratory“.Soleitete er beispielsweise  einen öffentlichen Vortrag vonRhine ein. Dabei stellteersich hinterdessen Forschungenund berichtete voneigenen außergewöhnlichen Erfahrungen. Vgl. Nielsen: Beginnings, .  Nicht zuletzt galt Heiß moralisch als integer,daerzuden wenigenFreiburgerProfessoren gehörte, die nach  als politisch unbelastet im Amt geblieben waren.Vgl. zur Entwicklung der Psychologie in FreiburgOtt: Philosophie und Psychologie; sowie Fahrenberg: VomPsychophy- sischen Labor. Passing Through the Needle’sEye 125 und moralisches Kapital.¹¹⁷ Nicht zuletzt begrüßteauch der Rektor der Universität, Constantin vonDietze (1891–1973), Jurist und aufGrund seiner Verbindungen zur „Bekennenden Kirche“ vonden Nationalsozialisten verfolgt,die Ansiedlung der Parapsychologie in Freiburg. Dietze hielt vorallem den internationalen Austausch für wichtig:Dadie Parapsychologie bereitsinanderen Ländern er- folgreich betrieben werde, diene die „zu erwartende Zusammenarbeit […]der Wiederanknüpfung der Verbindungender deutschen Wissenschaft über die Grenzen und solltedaher gefördert werden.“¹¹⁸ Zuletzt ist die lokale Dimension auch aufdie beiden Orte zu beziehen:Rhines Forschungen prägten auch den Ruf der Stadt;¹¹⁹ Freiburgals „locus occultus“ erhielt durch die Arbeit vonBendereine zusätzliche Facette.¹²⁰

4.5 Politische Dimension – ihreBedeutung fürdie Institutionalisierungen in Freiburg

Nach Kriegsende wurde Bender nicht nur vonwissenschaftlichen Akteuren un- terstützt,sondern auch voneinflussreichen politischen Personen. So engagierte sich der FreiburgerOberbürgermeister WolfgangHoffmann (1893–1956) für den Baudes IGPP.Trotz angespannter Wohnungs- und Materiallage und eines kei- neswegs prioritären Status des Bauvorhabens in den Augen vonStadt und Be- satzungsmächten gelang Bender mit dessen Hilfe die Errichtung des Gebäudes.¹²¹ Auch im Badischen Ministerium des Inneren hatte Bender gute Kontakte,vorallem zu dem Leiter der Abteilung für Gesundheit,Friedrich Pitsch (1894–1952). Pitsch befürwortete ebenfalls den Baudes Institutsund sprach wohlwollend vomIGPP und dessen „weitgehender Bedeutung für das Gesundheitswesen“.¹²² Unabhängigvon diesen Kontakten arbeitete Bender mit dem Badischen In- nenministerium bereits seitAnfang 1946 zusammen und schrieb als Sachver- ständiger Gutachten über die Arbeit vonAstrologen, Wünschelrutengängern und

 Vgl. Leven/Seidler: Die medizinische Fakultät, .  Schreiben vonDietze an das Wiederaufbaubüro beim Oberbürgermeister vom .., in: UAF, Bestand: B /:Personalbogen, Prof. Dr.H.Bender (–), unpag.  Vgl. Wise, Jime: The Rhines changedthe wayworld looks at Duke,in: Herald Sun, Durham/ N.C. vom ..,in: Archiveofthe Rhine Research Center,History –.  Vgl. Sellner:Freiburg – locus occultus.  Vgl. zu diesem Abschnitt Kaltenbrunn: Die Anfänge, –.  Bescheinigung des Badischen Ministers des Innern (unterzeichnetvon Pitsch) an die Bau- polizei in Freiburgvom ..,zit.nach ebd., . 126 AnnaLux medialen Heilern.¹²³ Die Beziehungenzum Ministerium aufLandesebene, aber auch zu Institutionen der Bundespolitik, waren so gut, dass Bendersogar die Hoffnunghegte, dass das IGPP einmal „ein Bundesinstitut wird“.¹²⁴ Als Förderer Benders waren sowohl Pitsch als auch der „unvergeßliche“¹²⁵ Hoffmann Gäste bei der Eröffnungdes IGPP 1950. Besonders wichtig wurden die politischenKontakte im Zusammenhang mit der Einrichtung der Professur für Bender 1954.Diese ging,wie obenerwähnt,auf das „Gesetz zur Regelungder Rechtsverhältnisse der unter Artikel 131 des Grundgesetzesfallenden Personen“ zurück. Das Gesetz war 1951 vomBundestag erlassen worden und regeltedie Wiedereinstellungamtsenthobener Professoren. Für die begehrten „131er-Stellen“ waren an der Universität Freiburgdrei Kandi- daten vorgeschlagen worden: Bender,der Germanist SiegfriedGutenbrunner (1906–1984) sowie der Lehrbeauftragtefür Philosophie und Ethik Hans Reiner (1896–1991). In den Diskussionen, die in Fakultät und Senat geführt wurden, wird deutlich, wie sehr Bender mittlerweile polarisierte. Seit acht Jahren lehrte er in FreiburgPsychologie und Parapsychologie. Er hatte das IGPP gegründet,For- schungsprojektelanciertund galtinForschung,Öffentlichkeit und Lehreals der Parapsychologe. Gegen ihn sprachen sich die Mediziner aus, die seinen Einfluss aufihre Studierenden mitArgwohn beobachteten.¹²⁶ Abwägender argumentierten die Kolleginnen und Kollegen der Philosophischen Fakultät.Sie honorierten Benders Engagement aufwissenschaftlichem Neuland, allerdings hielten sie Germanistik und Ethik für relevantere Fächer. Kritisch äußerte sich zudem Heiß, unzufrieden mit dem Umstand, dass Bender in den letzten Semestern die Lehre vernachlässigt hatte:¹²⁷ „Ichmöchte damit nicht sagen, dass Herr Bender eine

 Schreiben vonBender an das Badische Innenministeriumvom ..,zit.nach ebd., .  So Bender in einem Brief an FannyMoser vom ..,in: Archiv des IGPP,Bestand: E/ :Geschäftsführungund Verwaltung:Stiftungund Erbe FannyHoppe-Moser – Korrespondenz und Materialien, Mappe ,unpag.  Hans Bender/Mischo:Gespräch, .  Hintergrund war,dass Bender seit  die Vorlesung „Psychologie für Mediziner“ gehalten hatte. Im Senatsprotokoll vom .. heißt es daher, „die Medizinische Fakultätwolle zwar keinen Einspruchgegen den Vorschlagder Philosophischen Fakultäterheben, sie habe aber er- hebliche Bedenken gegendie wissenschaftliche Qualität des vonHerrn Bender betriebenen Fa- ches.Die Medizinische Fakultät habe sr.Zt. den Lehrauftrag vonHerrn Bender nicht erneuert,da die jungenStudenten nicht günstigwissenschaftlich beeinflußt wurden.“ In: UAF, Bestand: B/ :Senatsprotokolle ..–...  Im Sommersemester  hatteBender noch fünf Lehrveranstaltungengehalten, zum Zeitpunkt der Diskussionen  waren es nur noch drei. Vgl. Vorlesungsverzeichnisse der Uni- versität Freiburg. Passing Through the Needle’sEye 127 bedeutungslose Lehrtätigkeit ausübt,aber im Rahmendes eigentlichenLehrbe- triebs ist er zwar eine willkommene zusätzliche Lehrkraft, jedoch beschäftigt ihn seinen Forschungstätigkeit voll und ganz.“¹²⁸ In Folgeder fehlenden Unterstüt- zung in Fakultät und Universität stand Bender nur aufPlatz drei der Vor- schlagsliste. In dieser ungünstigen Konstellation erhielt er Unterstützung vom BadischenMinisterium des Inneren. Aufministerieller Ebene gabesoffensichtlich ein Interesse daran, ihn an der Universität zu halten, nicht zuletzt angesichts des verstärktaufkommenden Okkultismus.¹²⁹ Die Fürsprache im Ministerium war erfolgreich: Die Universität erhieltalle drei Professuren und Bender wurde au- ßerordentlicher Professor für „Grenzgebiete der Psychologie“.¹³⁰ Dass in Freiburg(hochschul‐)politische Aspekte stark zum Tragen kamen, liegt an der spezifischen Situation Deutschlands und der deutschen Universitäten nach dem Zweiten Weltkrieg. In dieser Phase des Umbruchs konnteBender po- litischeKontakte nutzen,umdas IGPP aufzubauen. Undauch die Einrichtung der 131er-Professur hatte eine gewisse politische Kontingenz. Hier lässt sich ein deutlicher Unterschied zu den EntwicklungeninDurhamfeststellen,wo politische Aspektefür die universitäre Integration keine vergleichbareRolle spielten.

5Zusammenfassung

Ziel des Aufsatzes war es, den vielschichtigen Prozessder akademischen Inte- gration der Parapsychologie aufzuzeigen. Im Zentrum standen zwei der wich- tigstenund frühen akademischen Einrichtungen, das „ParapsychologyLabora- tory“ an der Duke University sowie die Professur für Grenzgebiete der Psychologie in Freiburg. Deutlich wurden die strukturellen Unterschiedebeider Institutionen sowie Zeitpunkt und Dauer ihrer akademischen Integration. Darüber hinaus ließ sich eine beachtliche Reihe vonÄhnlichkeiten im akademischen Institutionali- sierungsprozess zeigen: Beide Hochschulen befanden sich zum Zeitpunkt der Integration in einer Erneuerungsphase und die Psychologie im Aufbau.Mit Hilfe einflussreicher Förderer wurden günstigeVoraussetzungen für die Integration des Fachs geschaffen. Eine zentrale Rolle spielten Rhine und Bender, die als charis-

 Stellungnahme vonHeiß vom ..,in: UAF, Bestand: B /,Personalbogen Prof. Dr.Hans Bender,unpag.  Das  begonnene Forschungsprojekt über Deutungs-und Beratungspraktiken wie Astrologie und Chirologie wurde daher eben nicht nur vonder DFG,sondern auch vomBun- desinnenministerium und der Bundeszentrale für Heimatdienst finanziert.Vgl. dazu die Bestände im Archivdes IGPP,Bestand:E/:Deutsche Forschungsgemeinschaft –,unpag.  Paletschek: Die Philosophische Fakultät im Überblick, . 128 Anna Lux matische AkteureRessourcen mobilisieren, Netzwerkeaufbauen und durch ihre Forschungen der umstrittenen Parapsychologie zu Anerkennungverhelfen konnten. Hilfreich warendabei spezifische Handlungsweisen, die die Identitätdes Fachs definierten und seinen Status innerhalb der Universität legitimierten – sei es durch Grenzziehung oder Integration. Unter diesenspezifischen Konstellationen, die in fünf Dimensionen zusammengefasst wurden, gelang es der Parapsychologie in Durhamund Freiburgdas akademische Nadelöhr zu passieren und Teil der Universität zu werden. Doch an beiden Standorten führte die universitäre Integration der Parapsy- chologie nichtzur längerfristigen akademischen Verstetigung.Der Ausbaudes Fachs erfolgte nur im kleinen Rahmen, der Status der Disziplin blieb prekär.Zu- letzt erfolgte die Ausgliederung der Parapsychologie ausbeiden Universitäten. Damit kann die Parapsychologie auch ausinstitutionshistorischer Perspektive als Grenzwissenschaft bezeichnet werden. Für den Prozessder universitären De-In- stitutionalisierung habe icheinigeAspektegenannt: Differenzen und fehlender Rückhalt innerhalb der Universität,Ausscheiden der Integrationsfiguren und Förderer,Krisen des Fachs und anhaltende epistemische Kontroversen, aber auch die Freiheiten und Ausweichmöglichkeiten privater Institutionalisierungen. Eine eingehende Analyse dieses Prozesses ist lohnenswert.Bereits jetzt ist absehbar, dass hier eine ähnlich komplexes Gefüge wirktewie im Prozessder akademischen Integration.

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Elizabeth R. Valentine Institutionalisation and the Historyof Psychical Research in GreatBritain in the 20th Century

1Overview: Institutions

At the turn of the 20th century,therewerefluid boundaries between academic or mainstream psychologyand psychical research. As scientific psychologydevel- oped and boundaries became more clearly defined,scientific psychologists for the most part became hostiletowards psychical research, which came to be seen as apseudo-science.From the 1970sonwards,post-Kuhnian developments in the philosophyofscience led to explorations of the role of social factors in the demarcationofscience from non-science, and work in the sociologyofscience focused on the role of ‘boundary work’ in the demarcation process. This pro- duced much critical work and arecent resurgence of interest and activity in the historiographyofpsychical research. In considering the history of the insti- tutionalisation of psychical research in Great Britain in the 20th century,itisuse- ful to distinguish institutions that werelinked to universities from those that werenot.Weshall provide abrief overview of these two categories before treat- ing the topic chronologically.

1.1 Institutionsnot linked to universities

Three strandsofinstitutions that werenot linked to universities can be distin- guished. The “London Dialectical Society” was setupin1867and acommittee established in 1869, consistingmostlyofprofessional people and includingthe British naturalist,explorer,geographer,anthropologist and biologist Alfred Rus- sel Wallace (1823−1913). It receivedoraland writtenevidence from spiritualists and mediums, including the Scotsman Daniel Dunglas Home (1833−1886),reput- ed to be able to levitate, to speak with the dead, and to produce rapping and knocks at will. Areport was privatelypublished in 1871 but the standard of re- porting left much to be desired and is now considered largely of historicalinter- est concerning the contemporaryspiritualistscene.¹

 Gauld: The Founders, –.

DOI 9783110466638-005 134 Elizabeth R. Valentine

In 1873,the “British National Association of Spiritualists” was formed by the English journalist and spiritualistEdmundDawson Rogers (1823−1910). It became the “CentralAssociation of Spiritualists”,aclique liquidated in 1883. It publishedthe “Spiritualist”, “Spirit Notes” (1879) and “Light” (1881), the last of which is still in existence. In 1884,the Association was reformed as the “Lon- don Spiritualist Alliance”,with Rogers and the Reverend William Stainton Moses, an English clergyman and spiritualist medium,asthe moving forces. Itspublicationsincluded “TwoWorlds” (1888), also stillinexistence. By 1934 it was estimated that there wereover2,000 spiritualist societies in Britain and about 100,000 homecircles.Anumber of regularlyconstituted spi- ritualistand psychical research societieswereformed to investigate and study psychic phenomena in ascientific waybut these had onlyafew thousand mem- bers at most.² After World WarII, the “London Spiritualist Alliance” widened its aims and was renamed as the “CollegeofPsychicScience” in 1955,and then the “College of Psychic Studies” in 1970.Itcurrently “offers facilities to both experienced in- vestigators and the general public for research and intelligent discussion in the field of psychical phenomena, with particularemphasis on the evidence for sur- vival afterdeath and for communication from the dead.”³ The “Society for Psychical Research” (SPR) was founded in 1882 and is still in existence. It is described in detail below. Anumber of institutions came into existencebetween the Wars. The “British CollegeofPsychic Science” was founded in 1920 and the “International Institute for Psychical Research” in 1934.These mergedtoformthe “Institute for Experi- mental Metaphysics” in 1938. Further information about these is provided in Sec- tion 3below.

 Nelson: Spiritualism, .  Ashort overview of the activities of the “CollegeofPsychic Studies” is givenonthe website of the “Encyclopedia of Occultism and Parapsychology”,http://www.encyclopedia.com/doc/G- .html. Dateofaccess:May , . Institutionalisation and the HistoryofPsychicalResearch in Great Britain 135

1.2 Institutionslinkedtouniversities

– National Laboratory of PsychicalResearch (–) – University of London Council for PsychicalResearch(–) – Perrott-Warrick Studentship for PsychicalResearch (Trinity College, Cambridge) (founded in ) – Blenner-Hassett Trust forPsychical Research(New College, Oxford) (founded in ) – InstituteofPsychophysical Research, Oxford (founded in ) – Koestler ParapsychologyUnit, UniversityofEdinburgh (founded in )

Table1:Institutions linkedtouniversities

Those institutions with links to universities are listed in Table 1. Amajor player in this context was Harry Price, whose work is discussed in detail below.In1926 he openedwhat he called the “National Laboratory of Psychical Research”.This was succeeded by aso-called “University of London Council for Psychical Re- search”,inexistence from 1934 to 1938. Shortlyafterwards two bequests wereset up at Oxbridge Colleges. In 1940 Trinity CollegeCambridge established astudentship in psychical research as a resultofabequest for this purpose from Frank Duerdin Perrott (1858–1936), a barrister and former clergyman, in memory of Frederic W. H. Myers, aleading memberofthe SPR,who had been aFellow of Trinity College.⁴ Psychical re- search was defined as “the investigation of mental or physical phenomena which seem prima facie to suggest (a) the existenceofsupernormal powers of cognition or action in human beingsintheir present life, or (b)the persistence of the human mind after bodilydeath.”⁵ This bequest later became known as the “Perrott-Warrick studentship”,following afurther bequest in 1956,from Frederic Walmsley Warrick (1860−1956), amanufacturingchemist.Itwas originallyten- able for one year and many scholars in psychical research have been holdersof it.Inrecent years, good fund management has considerably increased the amount of money available.⁶ It is now awarded for three years and is the second largest financial supporter of psychical research in Britain. The year 1940 also sawthe establishment of the “Blenner-Hassett Trust”,by Sylvia Blenner-Hassett,daughter of Frederic Myers. It was instituted for asimilar

 Frederic William Henry Myers (−), poet,classicist,philologist,and founder of the “Society for Psychical Research”;the author of “Human Personality and ItsSurvival of Bodily Death”,anextremelyinfluential book expounding his theory of the unconscious, and co-author with Edmund Gurney and Frank Podmoreof“Phantasms of the Living”.  Studentship, .  Sheldrake: Perrott-Warrick Fund. 136 Elizabeth R. Valentine purpose, the funds to be under the control of the SPR and,under certain speci- fied circumstances, to be transferable to New College, Oxford. The 1960s sawthe appointment of Dr John Beloff as alecturer in the Depart- ment of PsychologyatEdinburgh University.Hewas later to playamajor part in securing the Koestler ParapsychologyUnit for Edinburgh University in 1985. The endowment of the Koestler chair is the largest financial supporter of psychical research in the country. In 1967Celia Green (*1935), aBritish writer on philosophical scepticism, 20th century thought and psychology, and formerlyResearch Officer for the SPR,established the “Institute of Psychophysical Research” in Oxford. It utilised the press and radio appeals to collect data, which led to publicationsonlucid dreams and out of bodyexperiences.Its main benefactor,from 1963to1970, was Cecil Harmsworth King (1901−1987), then Chairman of the “International Publishing Corporation”,which owned the “DailyMirror”,and adirector of the Bank of England. The Institute was laterdirected by ⁷ and is still in existence, with the aim “to promote the advancement of knowledge by en- couragingresearch and experimentalinvestigation into paranormal phenomena and related mind-matterproblems in the physical and biological sciencesand in particularinthe fields of psychology, electro-physiologyand mental health.”⁸

2The “Society forPsychical Research”

The SPR was founded at aconference of the “British National Association of Spi- ritualists” in 1882, at the suggestion of Sir William Barrett,professor of physics at Dublin University,who had givenanaccount of experiments on psychical phe- nomena to ameetingofthe “British Association for the Advancement of Science” in 1876.The leaders of the Society wereFrederic W. H. Myers (1843–1901);Henry Sidgwick (1838–1900), the Cambridge philosopher; and Edmund Gurney (1847– 1888), aQuaker.Stainton Moses was also involved but later resigned. The aim of the Society was to studyparanormal phenomena, that is, “phe- nomena which are prima facie inexplicable on anygenerallyrecognised hypo-

 Hans JürgenEysenck (−), German-born psychologist whospent his professional ca- reerinEngland, best known for his work on intelligenceand personality,although he workedin awide rangeofareas within psychology.Hewas sympathetic to hereditarian views,asisGreen.  The objectivesofthe Instituteare described on the website of the fundraising platform “Total giving”;http://www.totalgiving.co.uk/charity/institute-of-psychophysical-research. Dateofac- cess: May , . Institutionalisation and the HistoryofPsychicalResearch in Great Britain 137 thesis”,⁹ and “to approach these various problems without prejudice or prepos- session of anykind, and in the samespirit of exact and unimpassioned inquiry which has enabled Sciencetosolve so manyproblems”.¹⁰ Significantly, then as now,the Society holds no corporate opinions. Six fields of enquiry wereout- lined: telepathy, hypnotism, Reichenbach phenomena, hauntingsand appari- tions, physical phenomena (e.g. poltergeists), and the history of psychical phe- nomena.The Society has published “Proceedings of the Society for Psychical Research” (since 1883), the “Journal of the Society for Psychical Research” (quar- terlyand peer-reviewed, since 1884), the “Paranormal Review” (a magazine), as well as pamphlets, leaflets, cassettesoflecturesand textsofthe Myers memorial lectures.Itholds an annual conference, regular lecturesand twostudy days per year. It co-operated with societies in America,France, Germany,the Netherlands and, in the earlydays, Russia. Mauskopf and McVaugh¹¹ offer the following as- sessment: The Society prides itself on careful and critical interpreta- tion. It has oftenfailed to obtain positive results but also failed to agree on what sort of investigations weremost appropriatefor psychical research. Although it has favoured experiments it has not actively promoted aresearch programme. It has had aresearch committee and appointed research officers but the latter coordinatedmaterial rather than carryingout research per se.

3The inter-war period:HarryPrice and the attempt to foundauniversity department of psychical research

There was considerable activity in psychical research in the inter-war period. World WarIled to an increased interest in telepathyand the possibility of sur- vival after death, as aresult of the massive number of bereavements. An exami- nation of the relevant databases for “Nature” and “The Times” shows that occur- rences of ‘psychical research’ peaked during the 1920sand 1930s; occurrences of ‘parapsychology’ peaked in the 1980s and 1990s (see Figures 1and 2below). Membership of the SPR reached apeak in 1920,but by 1930 it had dropped to almost half this figure.¹² The Society wasindisarray,splitbyfactions.¹³ There

 Sidgwick: Objects, .  Ibid., .  Mauskopf/McVaugh:The Elusive Science, –.  Inglis:Scienceand Parascience, . 138 Elizabeth R. Valentine

Figure 1: Frequency of references to psychicalresearch and parapsychologyin“Nature”, 1880−2009

Figure 2: Frequency of references to psychicalresearch and parapsychology in “The Times”, 1880−2008

 Mauskopf/McVaugh:The Elusive Science, . Institutionalisation and the History of Psychical Research in Great Britain 139 was divisionofopinion over subject matter,methods of investigation and theo- retical explanations.There were disputes about bothmetaphysical issues (sur- vival vs.anti-materialism and anti-mechanism)and methodological issues (the studyofspontaneous phenomena in individual cases vs.quantitative experi- ments on large samples). This enabled anumber of rival institutions to step into the breach. The “BritishCollegeofPsychic Science” was foundedin1920byJames Hewatt McKenzie (1869−1929) and his wife Barbara,¹⁴ leading figures in spiritu- alist circles, to work on similar lines to the “InstitutMétapsychique Internation- al” in Paris. From 1922 it published “QuarterlyTransactions” which became “Psychic Science” in 1939 and then “Experimental Metaphysics” in 1945. TheCol- legehad broader aims than the “London Spiritualist Alliance” at the time, in providingacentrefor information, advice and guidance, wherepsychic mediums of good reputation could be consulted and wherescientific research into psychic phenomena could be conducted. Itsmembers felt that the SPR was failing in its duty and wanted to encouragethe studyofmediums. It had three departments of work: instruction, demonstrations and research. Although eclectic in spirit,it favoured “ahuman and practical approach rather than acold and often negative scientificattitude”;¹⁵ and most of the reports in its journal, “PsychicScience”, relied on personal experiencesand anecdotal evidence. In 1934 the “International Institute for Psychical Research” was established, also spiritualistininspiration whilst claiming to be scientific. Although it was initiallysupported by reputable scientists, including the biologist Julian Huxley, they resigned after afew months when its survivalist leaningsbecame clear.It was led by the spiritualistNandor Fodor¹⁶ as research officer until 1938, when it mergedwith the “BritishCollegeofPsychic Science” to form the “Institute for Experimental Metaphysics”.During World WarIIitlanguished, finally clos- ing in 1947. Itslibrary and records wereeither dispersed or destroyed. Amajor figure who took advantage of the disarray in the SPR in the inter-war period was the amateur psychical researcher and businessman Harry Price (1881−1948). Defensive about his working-class origins,Price soughtacademic

 The McKenzies were both originallyfrom Scottish devout Christian families but came to Lon- don and converted to spiritualism. Hewatt became abusinessmanbut was an ardent spiritualist with aparticular interest in physical mediums and trancemediumship, of which he carried out a number of investigations.  Amalgamation, .  Nandor Fodor (−), Hungarian whoworkedinNew York and London as ajournal- ist.Aleadingauthority on poltergeists,hauntings and mediumship, he later adopted apsycho- analytic approach to these phenomena. See also the paper of Júlia Gyimesi in this volume. 140 Elizabeth R. Valentine recognition. His lifelong passion was psychical research, to which he devoted an enormousamount of energy and finances but his approach and values were those of abusinessman rather than ascientist.Hecravedfame and publicity, and wasprepared to sacrifice truth and integrity in pursuit of them if necessary. As RenéeHaynes,¹⁷ aBritish novelist and somewhat uncritical psychical re- searcher,put it: “He combined an infinite capacity for drama with agreat talent for,and addiction to,publicity,sometimes of aridiculous kind.”¹⁸ There was a vaudeville atmosphere to his sensationalistic studies. Although alifelong mem- ber of the SPR,which he joined in 1920,the twowereatdaggers drawn. Price foundedthe “National Laboratory of Psychical Research” in 1926 “to investigate in adispassionate mannerand by purelyscientific means, every phase of psychic or alleged psychic phenomena” and “to provide facilities for experimentation”.¹⁹ Several of the world’sleadingparapsychologists wereon its Council, includingAlbert Schrenck-Notzing (1862–1929), aphysician, psy- chiatristand psychical researcher from Munich, who studied mediumship,hyp- notism and telepathy; Fritz Grunewald (1885−1925), an engineer and psychical researcher in Berlin; Eugène Osty (1874−1938), adoctor and director of the “In- stitut Métapsychique International” in Paris; René Sudre (1880−1968), ascientif- ic writerwho made contributions to experimental and theoretical parapsycholo- gy,also in Paris; and Christian Winther(1873−1968), apsychical researcher and president of the Danish SPR in Copenhagen. LordSands, adistinguished Scot- tish judge,was appointed president and provided financial support.The psychol- ogists William Brown,²⁰ William McDougall²¹ and J. C. Flügel²² weremembers of a “London group available for participating in experimental work”²³ and Flügel was on its board. Members of the public paid amembership fee of one guinea (£1.05 in modern currency), for which they receivedcopies of the Laboratory’s publications. Honorary membership entitled people to use the Laboratory and participate in séances;lectures werealso organised. Within avery shorttime

 Renée Oriana Haynes (−), member of the SPR and editor of its journal.  Haynes:The Society, .  Price: Regurgitation, end papers.  William Brown (–), British physician, psychologist and psychotherapist.  William McDougall (−), influential British psychologist,who workedfirst in Eng- land, later emigratingtothe United States, wherehedeveloped work on parapsychologyatDuke University.Hewas president of both the American and the British SPR.  John Carl Flügel(−), psychologist and psychoanalyst,was an important figure in British psychology in the inter-war years, playingkey roles in both the psychoanalytic movement and the “British Psychological Society”.  Price: Regurgitation, end papers. Institutionalisation and the HistoryofPsychicalResearch in Great Britain 141 the membershipofthe Laboratory topped the 800-mark, rivallingthatofthe SPR.²⁴ Quite anumber of people weremembers of both organisations. Between 1926 and 1932 the Laboratory carriedout series of sittingswith (mostly physical) mediums, includingRudi Schneider (1908−1957), awell- known Austrian physical medium, the subjectofmanyexperimental investiga- tions, and the Scotswoman Helen Duncan.²⁵ Price aimed to appeal to both scien- tists and the laypublic: “It has always been the policy of the Laboratory to invite both the Press and official science to our tests”.²⁶ Initially, ‘experimental’ séan- ces to which scientists were invited alternatedwith ‘demonstrations’ for ‘interest- ed others’.Reporters from several nationalnewspapers and arepresentative from the British BroadcastingCorporation attendedsome of the séances;and articles weresubmitted to othernewspapers.Publications included the bi- monthlyjournal, the “BritishJournalofPsychical Research” (articles werealso submittedtothe “Revue Métapsychique” and the “Zeitschrift für Parapsycholo- gie”), “Bulletins” and “Proceedings” of the Laboratory and its successor,the “University of London Councilfor Psychical Research” (see below), about 18 books and newspaper articles. Price’seffortswerehailed as trulyscientific by newspapers all over the world. Mauskopf and McVaugh suggest thatPrice’sorganisation was far more im- portant than others in the English scene because he was able to enlistacadem- ics’ support on acontinuingbasis. TheLaboratory

remained aperennial thorn in the flesh of the SPR because Pricenoisilypublicized it as a society that would offer aprogressive alternative to the older institution,one that would actively and aggressively investigateall phenomena, including the physical and the overtly spiritualistic. It thus attracted apeculiar mixtureofsupporters, ranging from those spiritu- alists whowereoutraged at what they consideredthe excessive conservatism and scepti- cism of the SPR to critics like S. G. Soal whowerescornful of what they viewed as its un- scientific and overcredulous position on mental phenomena[…]his obvious ambition to dominatepsychical research and his knack for self-advertisement werebythemselves enough to earn him the distrust and suspicion of the SPR.²⁷

When the lease of his building was about to expire, Price attempted to develop collaborative links with anumber of institutions.Hefirst approachedthe “Lon-

 Randall: Harry Price, .  Victoria Helen McCrae Duncan (−), Scottish medium, whose main demonstration was to produce ectoplasm, which turned out to be regurgitated cheesecloth. She was convicted of fraud on several occasions.  Price: Rudi Schneider, .  Mauskopf/McVaugh:The Elusive Science, . 142 Elizabeth R. Valentine don Spiritualist Alliance” and the “Institut Métapsychique International” in 1929. The following year,heapproached the “British CollegeofPsychic Science” and the SPR.His offer to merge his laboratory with the latter was rejected out of hand by the leadership but approved by many of the society’smembers. None of these approachescame to fruition. Failing to link up with asociety,Price turned to academics. In 1933 he made aformal offer to the University of London to found aDepart- ment of Psychical Research. The offer included his laboratory and library (an ex- tensive collection of booksincludingmanyrarities on psychical research) and a guaranteed income of £500 per annum. The proposal was considered by various boards and committees of the University.Despite misgivingsinsome quarters,on January3rd 1934,the University of London pronounced psychical research to be “afit subjectofuniversity studyand research”.²⁸ However,space and financial limitations prevented its implementation in practice. Mauskopf and McVaugh suggest that Price’splans constituted athreat to the University’sresources and reputation.²⁹ Despite this,Price managed to organise aso-called “UniversityofLondon Council for Psychical Investigation” (ULCPI) in 1934.Itconsisted of tenacadem- ics: four psychologists (J.C.Flügel, Cyril Burt,C.Alec Mace, Francis Aveling), three philosophers, one physicist,one physician and one mathematician. The Council undertook to supervise the work of the Laboratory and to direct students in psychical research for higher degrees. Forawhile Price succeeded in engagingboth mainstream scientists and the general public, by cultivatingacademics and courtingjournalists, such as the editors of “Nature”, “The Listener” and the “DailyMail”.Headvertisedwide- ly,e.g.inthe spiritualistjournal “TwoWorlds” as well as in “Nature”. During this time he transferred his assets to the University. Hislibrary,hav- ing been rejected by the SPR,was handed over in November1936. TheCouncil did not live up to its promise. Price’sbehaviourupset several of his Council members on account of his disregardfor scientific integrity,his seeking of press publicity and his failuretoconsultthem before going ahead on such mat- ters.Onoccasions,heappeared to have intentionallytricked his colleagues, cited others’ work without their consent,claimed sole credit for collective achieve- ments, and lied to participants being tested. In 1938 the Council was disbanded.

 Price: Search for Truth, .  Mauskopf/McVaugh:The Elusive Science, . Institutionalisation and the History of PsychicalResearchinGreat Britain 143

So ultimatelythe attempt to link psychical research with universities failed; the SPR was left to carry on research.³⁰ Anothermajor player at this time wasSamuelSoal(1889−1975), amathemat- icslectureratQueen Mary College, University of London.Hebecameinterested in psychicalresearchand worked with both theSPR andHarry Price. He prided him- self on beingascientist. In 1934 he attemptedtoreplicate Rhine’scard-guessing experimentsonESP (extrasensory perception),first at the “National Laboratory of PsychicalResearch” andthen at University CollegeLondon. He used radio and “John O’London’sWeekly” to publicisehis work.By1938, he hadtested over 100participantsbut foundnotraceofsupernormalability in 12,425guesses.³¹ Theupshotwas that people became disenchanted with card-guessing experi- ments. Most SPRmembers foundcard-guessing dull,trivial andirrelevant. Soal hadbecomeconvinced of thefutilityofexperimentalsearchesfor telepathyand .InSeptember 1938,Queen Mary Collegewas evacuatedtoCam- bridge,where Soal metthe BritishparapsychologistWhately Carington(1892– 1947), whopersuaded himtolookfor displacement effects(successontrialsimme- diatelypreceding or followingthe critical ones). He foundtheseintwo of hispar- ticipants, Gloria Stewart, ahousewife,and Basil Shackleton,acelebrated London portraitphotographer.³² Soal andMollieGoldney³³ carriedonexperiments with Stewart andShackletononprecognitionbetween 1941 and1943. However,subsequent work has shown Soal to have been guilty of fraudin his experimental work³⁴ and that he frequentlybehavedinadevious manner.In- deed, he shared many characteristics with Harry Price. He was self-conscious about his lack of ahigher degree, ambitious and duplicitous,and had an uneasy relation with the SPR.

4John Beloff and the “Koestler Parapsychology Unit” at theUniversity of Edinburgh

Dr John Beloff (1920−2006) was appointed lecturer in the Department of Psy- chologyatthe UniversityofEdinburgh in 1962. One of his main interests was

 Ibid., .  Soal: Fresh Light, .  Carington/Soal: Experiments.  Kathleen Mary Goldney (−), amidwife whobecame an active psychical re- searcher.She worked with Harry Priceand was an officerofthe SPR.  Hansel: The Search; Markwick: The Soal-Goldney Experiments; Markwick: Establishment of Data Manipulation. 144 Elizabeth R. Valentine psychical research. He supervised anumber of self-funded postgraduatestu- dents in this area here. Described as a “scientistwho put parapsychologyon the academic map”³⁵ and as “Britain’spre-eminent parapsychologist,anaca- demic who did more thananyone to establish the studyofparanormal phenom- ena as alegitimate academic pursuit”,³⁶ Susan Blackmore³⁷ praised him for his “steadyand intelligent handling of this ever-controversial subject”.³⁸ As men- tioned above, he was instrumental in acquiringthe “Koestler Parapsychology Unit” for the UniversityofEdinburgh. During the final years of his life, Arthur Koestler³⁹ (with Brian Inglis⁴⁰ and Tony Bloomfield⁴¹)established the “KIB Society” (KIB being their initials)to sponsor research “outside the scientificorthodoxies”,which after his death in 1983was renamed the “Koestler Foundation”.Arthur and Cynthia Koestler be- queathed the residue of their estate (about £1 million) for the foundation of a chair in parapsychologyataBritish university.The trustees of the estate had great difficulty finding auniversity willing to establish such achair.Oxford, Cambridge,King’sCollegeLondon and University CollegeLondon wereap- proached and all refused. Eventually, the trustees reached an agreement with Ed- inburgh University to set up achair in accordance with Koestler’sbequest.The first Koestler Professor of Parapsychologywas the American, Robert Morris,⁴² ap- pointed in 1985and servinguntil his death in 2004.Morris recruited additional staff and research students to form the Koestler ParapsychologyUnit.Overtwo decades he supervised about 100 undergraduateand 30 postgraduateprojects. He also served as president of the PsychologySection of the “British Association for the Advancement of Science”,thus integrating parapsychologywith the wider academiccommunity.

 Braude: John Beloff, .  Blackmore: John Beloff, .  Susan Blackmore(*), British writer,lecturer and broadcaster on psychology and the paranormal; formerlyaparapsychologist,now asceptic.  Blackmore: John Beloff, .  Arthur Koestler (−), much travelled Austrian-Hungarian author and journalist, particularlyonEuropean political issues.Heresided in England for the last part of his life.  Brian Inglis (–), Irish journalist,historian and television presenter; somewhat un- critical in his treatment of psychical research.  Instone Bloomfield(−), former property developer;benefactor of spiritualist en- deavours and psychical research including the SPR.  Robert L. Morris (−), American psychologist,who worked at the “Rhine Research Center”;president of the “Parapsychological Association” and an officer of several other learned societies. Institutionalisation and the History of PsychicalResearchinGreat Britain 145

5The current situation

The current situation is that,rather than large institutions, there are research groups affiliatedtouniversities. There has alsobeen another changeinnomen- clature, so that rather than ‘psychical research’ or ‘parapsychology’,the label ‘anomalous experience’ is oftenused, indicating espousal of amoreneutral ap- proach and alack of ontologicalcommitment.For example, much of the workof the “Anomalous PsychologyResearch Group” at Goldsmiths’,University of Lon- don, is in the spirit of Joseph Jastrow and the psychologyofdeception, investi- gatinghow people come to believeinparanormal phenomena. Current research groups are listed in Table 2.

– Koestler ParapsychologyUnit, UniversityofEdinburgh – Centre forthe Study of Anomalous Processes, UniversityofNorthampton – Anomalous Psychology Research Unit, Goldsmiths’ UniversityofLondon – Anomalous ExperienceResearch Unit, Department of Sociology,University of York – Psychology of ParanormalPhenomenaGroup, UniversityofDerby

Table2:Current research groups

Other universities wherethere is or has been activityinparapsychologyare the UniversityofCoventry,the University of Hertfordshire,Liverpool Hope University, Liverpool John MooresUniversity and Cambridge University.

6Summary and research questions

Ishould liketoprefacethis section by querying the assumption of aprocess of institutionalisation. As Iindicated above(in the previous section), in Britain there have been societies and research groups rather than major institutions en- gagedinpsychical research. Concerningthe main historical episodes and conjuncturesinthe process of institutionalisation of paranormal research, Iwould suggest therehave been changes in the research paradigms.The subject of studyhas shifted in ap- proximatelythe following sequence: spontaneous phenomena → physical medi- ums → card guessing experiments (consonant with the changeofnomenclature from psychical research to parapsychology) → gifted PK (psychokinetic) subjects 146 Elizabeth R. Valentine

(e.g. Uri Geller)⁴³ → physiological measures,remoteviewing,Ganzfeld experi- ments, prediction of random events → the metaphysicallymore neutral study of anomalous phenomena. Lookingatthe topic from atransnational perspective,myimpression is that manyofthese intersections and differences have atransnationalelement.This is largely duetothe fact that international collaboration has always been afea- ture of psychical research. Agoal and achievement of the SPR was the formation of other societies. International congresses playedanimportant role in the early years. The SPR has had American, French and German presidents.Several for- eign representativesserved on the council of Harry Price’sLaboratory,although his later attemptsatcollaboration met with rejection. With regard to major actors and driving forces, it is difficult to single out in- dividuals as manypeople playedapart.However,Harry Price and SamuelSoal playedanimportant role. Unfortunately, both werefound to be fraudulent,at least at times. Twoothers of greater integrity wereJohn Beloff and Arthur Koes- tler.The latter left asubstantial financial legacy. Amajor demarcation and conflict persisting through the history of psychical research is the tension between orthodoxscience and psychical research, or be- tween orthodoxscience and spiritualism. Wolffram, in discussingpsychical re- search in Imperial and inter-war Germany, suggests it is aborder science be- tween psychologyand occultism.⁴⁴ Eleanor Sidgwick, principal of Newnham College, Cambridge delayedjoining the SPR because she feared it might endan- gerthe College’sreputation. The of the broad middle ground of experi- mental psychologists is thatpositive resultsare needed to pursue the topic. Al- though psychical researchstill had potentiallyamuch broader base of support in academic orthodoxy in Britain than in America in the 1930s,⁴⁵ nevertheless the UniversityofLondon ultimatelydeclined the offer to createadepartment for its study. Deborah Delanoy,arecent president of the SPR,isreported⁴⁶ as saying that parapsychologists are accepted in Britain because they work in psychology departments and engage in orthodoxresearch as well, to increase credibility. Funding in Britainhas been predominantlyprivate. All media resourceshave been used: academic and popularpublications, the national press,radio and tel- evision. The institutions that succeeded werethose that managed to appeal to a wide rangeofconstituencies.The SPR has always encompassed awide spectrum

 UriGeller (*), Israeli magician, television personality, and self-proclaimed psychic, known for his demonstrations of spoon bending.  Wolffram: The Stepchildren of Science.  Mauskopf/McVaugh:The Elusive Science, .  Odling-Smee: The Lab, . Institutionalisation and the HistoryofPsychicalResearch in Great Britain 147 of opinionand significantlydoes not hold corporate views. Harry Price was ex- plicitlycommitted to engagingboth scientists and the general population; he was continuallyinvolvedinabalancing act to appeal to both constituencies. His laboratory,equipmentand elaborate method of control designed to eliminate fraudwerehallmarks of science.Onthe other hand,his publications in the pop- ular press wereaimed at gainingthe support (financial and otherwise) of the general public, includingspiritualists. Possiblythe most significant reason for the cooperation of academic psychologists with him was theirmutualposition poised between scientific and popularpsychology.

7References

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Status, Forschung, Experimente

1Einleitung

„Es ist schwierig,eine genaue Einschätzung der sowjetischen Parapsychologie zu geben.“¹ Dies stellte der kalifornische Parapsychologeund Bewusstseinsfor- scher Stanley Krippner 1984 fest.Von Krippner stammen die ersten ausführlichen Berichte zur Lageinder Sowjetunion,² und seine Aussagegilt bis heute. Auch in einem neueren Aufsatz vonMartin Schneiderund Andreas Anton wird das Fehlen quantitativerDaten und Untersuchungen bedauert.Wenn die Autoren allerdings behaupten, die „Situation [sei] für die Sowjetunion zu weiten Teilen erforscht“,³ trifft das leider keineswegs zu. Ich versuche im Folgenden,einigeMosaiksteine zu dieser erst zukünftigzuschreibenden Geschichte der Parapsychologie in der SU beizutragen. Parapsychologische Forschung ist in der Sowjetzeit bis in die postsowjeti- sche Gegenwart immer mehr oder wenigerintensivbetrieben worden. Diese Forschungen fanden in einerkaumübersehbaren Anzahl vonInstitutionen un- terschiedlichsterDisziplinen statt,mit und ohne offizielle Unterstützung,mit und ohne finanzielle Mittel, offen wiegeheim, vereinzeltwie auch vernetzt.⁴ Ihr Status war jedoch immer prekär: Offiziellwar die parapsychologische Forschung unvereinbar mit der marxis- tisch-leninistischen Ideologie, die auch in den Naturwissenschaften bis zuletzt rigoros mechanistisch-materialistische Positionen vertrat.Aber bei allem An- spruchauf monolithische Einheit nach außen gabesintern, besonders in der nachstalinschen Zeit,widerstreitende Lager und Positionen. Zudem fanden sich

 Krippner:Sowjetische Parapsychologie, .  Vgl. Krippner:Human Possibilities.  Schneider/Anton: Politische Ideologie, .  „Man mussteseine Forschungsthemen immer ‚chiffrieren‘,verschlossene in offene umfor- mulieren, allen ‚Okkultismus‘ daraus entfernen“,soPlechanov:Tajny telepatii, http://dreamsil vertaro.narod.ru/libr/metod/metodik/rus/plehanov/telepat/index.htm.Vgl. hierzu auch die aus- führliche Chronologie in Uit: Misticizmvrusskoj kul’ture.

DOI 9783110466638-006 150 BirgitMenzel immer einzelne Anhänger,bis in die höchsten Ebenen der politischenund wis- senschaftlichen Nomenklatur,die abweichende, individuelle Forschung förder- ten und dafür sorgten, dass sie in institutionellem Rahmen stattfinden konnte. Dabei spielteder militärisch-industrielle Komplex häufig eine Schlüsselrolle. Und noch etwas ist spezifisch: Anders als beispielsweise in der DDR waren in Russland die Grenzen dessen, was als Wissenschaftdefiniert und akzeptiert wurde, immer beweglicher und viel durchlässiger zum Spekulativenund Religiösen hin. Dies hängt zum einen mit dem tief verwurzelten utopischen Denken zusammen, das immer auch Elemente enthielt, die im westlichen Denken als irrational oder gar esoterisch gelten. Man denke nur an die frühsowjetische Kosmosbegeisterung oder an solche quasireligiösen Philosophen wie Nikolaj Fedorov und Konstantin Ciolkovskij,⁵ die sich als lupenreine Materialisten verstanden, aber heute als di- rekteVorläufer der Transhumanismus-Bewegunggelten können.⁶ Zumanderen liegt es an der in Rußland späten, nie ganz vollzogenen Säkularisierung, die zu solch eigenartigen Bewegungen führte wie der in den 1910er bis 1920er Jahren aufkommenden mystischen Namensverehrung(„Imjaslavie“), die in der Sowjet- zeit jahrzehntelangunter führenden Mathematikern im Moskauer Untergrund fortlebte.⁷ Schließlich haben paranormale Phänomene und veränderte Bewusst- seinszustände trotz Verbot und Verfolgung in den indigenen Völkern des eura- sischen Raums, aber auch innerhalb der orthodoxenReligion oder in heidnisch- naturreligiösen Glaubenssystemen bis hin zu Traditionen der Volksheiler auch in der Sowjetzeit weitergewirkt.⁸ Die Existenz paranormaler Phänomene wurde in der Wissenschaft kaum je geleugnet oder in Fragegestellt. Die Bereitschaft zur Entgrenzung menschlicher Fähigkeiten, zur Entgrenzung vonZeit und Raum, war vonAnfang an ein Be- standteil des Projekts der kommunistischenUmgestaltung. Man kann alsoim Vergleich zu westeuropäischen Ländern wie auch im Vergleich zur DDR für Russland voneiner grundsätzlich größeren Offenheit gegenüber irrationalen bzw. paranormalen, übersinnlichen Phänomenen ausgehen. Da der Status parapsychologischer Forschung immer vonkonjunkturellen Wellen und Schwankungengekennzeichnet war,werden im Folgenden in einem

 Vgl. Hagemeister:Der „russische Kosmismus“, –;Richers:Das Kosmos-und Raum- fahrtfieber.  Vgl. More:The PhilosophyofTranshumanism, .  Vgl. Graham/Kantor:NamingInfinity.  Vgl. Ryan:The Bathhouse at Midnight. Ein neueres Beispiel in diesem Zusammenhang,das auch mit dem Tabu Sexualität bricht,ist der Film „Nebesnye ženyMari“ [Die himmlischen Frauen von Mari] (Russland ,Regie: Aleksey Fedorchenko).Dieser handeltvon den naturreligiösen, sexuell konnotierten Riten vonFrauen der autonomen Republik Mari Ėl. Parapsychologie im sowjetischen undpostsowjetischen Raum 151 ersten Teil die wichtigsten Phasen vonca. 1917bis zur Gegenwart skizziert.An- schließend wird die parapsychologische Forschung exemplarisch vorgestelltam Beispiel der PSI-Forschung im militärisch-geheimdienstlichen Bereich sowie am Beispiel der parapsychologischenArbeit des WissenschaftlersVasilij V. Nalimov. Den Abschluss bildet ein kurzer Ausblick aufgegenwärtigeForschungen und Publikationen aufdem Gebietder Parapsychologie.

2Vier Wellen parapsychologischer Forschung im 20.Jahrhundert⁹ 2.1 ErstePhase: Blütezeit 1917 bis1937

Die 1920er Jahre wareneine Blütezeit der Parapsychologie, hervorgegangen aus einer starken Popularität des Okkult-Esoterischen in allen Schichten seit der Jahrhundertwende.¹⁰ Dank Vladimir Bechterev (1857–1927)vom PetrograderIn- stitut für Psychoneurologie und Gehirnforschung und seinem Assistenten Leonid Vasil’ev (1891–1966) begann die systematische Erforschung der Mentalsuggestion oder Telepathie.¹¹ Weitere bedeutende Forscher waren der Biogeophysiker und Physiologe Petr Lazarev (1878 – 1942),die Neuropathologen TovijGurštejn und Viktor Kulebakin und die Professoren für Elektro-Ingenieurswesen, Mathematik und Physik SergejTurlygin und Bernard Kažinskij, die sich auch international mit ihrer Erforschungbiopsychophysischer Phänomene einen Namen machten. Ihren Experimenten verdanktedie Parapsychologie schon 1927 den Nachweis, dass paranormale Phänomene nicht mithilfeder traditionellen Physik, d.h. mit elektromagnetischen Wellen oder einer energetischen Basis erklärbar sind.¹² Daneben spielteParapsychologie auch eine Rolle in einigen Projekten des politischenOkkultismus, in denen z.B. der Arzt Aleksandr Barčenko (1881–1938)

 Für diese Periodisierungorientiereich mich an Kernbach: Kratkij obzor, .  Vgl. hierzu Mannherz:Modern Occultism; Vinitsky:GhostlyParadoxes.  Vgl. Bauer:ParapsychologyinEarlySoviet Russia. Berühmt wurden u. a. die, vondem Moskauer Zirkusdompteur Vladimir Durov durchgeführten, Experimente mit Hunden.Vgl. Durov: Dressirovka životnych.  Vgl. Gurtovoj: Nemnogo istorii, –;Kernbach: Kratkij obzor, .Der Nachweis,dass Te- lepathie nicht aufelektromagnetischen Effekten beruht,wurde auch im Rahmen der „Deep Quest- Experimente“ geliefert.Vgl. Schwartz: The Secret Vaults of Time. 152 BirgitMenzel mit dem russischen Geheimdienst OGPU bis in die oberste Spitze kooperierte (Tibet-Expeditionen).¹³

2.2 ZweitePhase: Überwintern 1937/38 bis1953/55

Zwischen den späten 1930er Jahren bis nach Stalins Tod1953war alles Para- psychologische offiziell verboten, da es als „Mystizismus“ galt und der marxis- tisch-leninistischen Ideologie widersprach. Wegender offenen Repression ist diese Periode gesondertzubetrachten.¹⁴ Die Wissenschaftler wurden verfolgt, verhaftet, verbannt oder umgebracht.Dennoch: Auch wenn zwischen 1937 und 1961kaumPublikationen erschienen, kam die Forschung nicht ganz zum Erlie- gen. So wurde Anfang der 1930er Jahre, als Vasil’ev seine Tätigkeit einstellen musste, aufseine Initiative hin und im Auftrag der Leningrader Parteiführung, eine Kommission zur Erforschung „geheimer Phänomene der menschlichen Psyche“ gegründet.Die Kommission, in der sowohl Schüler Vasil’evs als auch Skeptiker saßen, hatte fünf Mitglieder: Arsenij Dubrovskij, ein Psychiater vom Bechterev-Institut,die Ethnographin Nina Nikitina, weiterhin zwei Parapsycho- logen, einer vonihnen war Ivan Stepanov,und als Sekretär der junge Assistent und späterelangjährige Direktor des Museums für Religionsgeschichte und Atheismus an der Akademie der Wissenschaften, Michail Šachnovič.¹⁵ Die Kommission sah sich konfrontiert mit einer MengeMaterial psychisch anomaler Phänomene. In den folgendenJahrzehnten legte Šachnovič in Leningrad eine umfangreiche Dokumentation vonFallstudien paranormaler Erfahrungen ausder Bevölkerung an, die allerdings erst 1996 posthum vonseiner Tochter publiziert wurde.¹⁶

 Barčenko planteeine Reise nach Tibet (Shambhala). Die Finanzierungwurde allerdingsvon der OGPU im letzten Moment abgesagt. Der Maler und an Buddhismus wie Esoterik interessierte Visionär Nikolai Roerich(–)unternahm zwischen  und  eine Expedition nach Tibet,die u. a.vomsowjetischenGeheimdienst finanziert wurde. Er lebteseit  in Kullu/ Indien.Vgl. Andreev:Okkul’tist stranySovetov;Shishkin:The Occultist Aleksandr Barchenko, – .  Siehe hierzu Burmistrov:The History of Esotericism, –.  Näheres dazu im Vorwort vonMarianna Šachnovič,in: Šachnovič:Peterburgskie mistiki.  Ebd. Marianna Šachnovič ist Professorin für Religionswissenschaft an den Universitäten St.Petersburg und Helsinki. Das Buch enthältInterviews sowie zwischen  und  ge- sammeltes Material über Okkultisten, Astrologen, Spiritisten, Theosophen, Wahrsager, Alche- misten und Handleser in Leningrad. Die Evaluation des Materials durch die weltanschaulich gespaltene Kommission schwankteinBezugauf die Einschätzung der Quellen als „glaubwürdig“ zwischen  Prozent (Vasil’ev) und  Prozent (Šachnovič). Michail Šachnovič ist eine sehr wi- dersprüchliche Persönlichkeit,die für die Geschichteder Parapsychologie in der Sowjetunion Parapsychologie im sowjetischen undpostsowjetischen Raum 153

Der MathematikprofessorSergejTurlygin konnteinder Stalinäraals einer vonwenigenseine Forschungen fortführen und sogar die Ergebnisse publizieren. In den 1930er Jahren promoviertebei ihm und Lazarev zudem der Biophysiker Georgij Gurtovoj, der sich später ebenfalls als ParapsychologeeinenNamen machte. Bis kurz vordem Krieg und dann gleich wieder ab 1949 führte Gurtovoj, zusammen mit Kažinskij und Kollegen der Mathematik und Ingenieurswissen- schaft,inverschiedenen Labors und Institutionen die vonTurlygin begonnenen „psycho-bio-physikalischen“ Experimente fort.Gurtovoj war Ende der 1940er Jahre, in der Hochphase des Stalinismus, zudem unmittelbar beteiligt an der wissenschaftlichen Erforschung der ESP-Fähigkeiten des europaweit bekannten polnischen SensitivenWolf Messing (1899–1974), vondessenFähigkeiten Stalin persönlich beeindruckt war.Der Auftrag dazu wurde Gurtovoj vonder Spitze der Akademie der Wissenschaften erteilt.¹⁷

2.3 DrittePhase: Institutionalisierungen 1955bis 1980

Eine zweiteWelle der Förderungbegann nach Stalins Tod. 1955 durfte Sergej Turlygin offiziell wieder ein Labor für Parapsychologie eröffnen.DessenDirektor wurde 1958 sein Schüler,der PsychiaterDmitrij Mirza. Zudem wurdedie Wei- terführungparapsychologischer Forschung voneinigen führenden Vertretern der Akademie der Wissenschaftenbefürwortet.Von 1962ankonnten Kažinskij und Vasil’ev ihre Forschungen ausden 1930er Jahren publizieren,¹⁸ die auch in po- pulärwissenschaftlichen Zeitschriften diskutiert wurden. VonSeiten der staatli- chen Auftraggeber bestand allerdings immer die Vorgabe, diese Forschungen nicht als psychologische Phänomene des Bewusstseins auszuweisen, sondern ausschließlichals naturwissenschaftlich oder radiotechnisch experimentell überprüfbare Phänomene mit möglichem Anwendungsbezugund damit – gemäß der marxistisch-leninistischen Ideologie – mit nachweislich gesellschaftlichem Nutzen. Inwieweitdas erbeuteteMaterialder NS-Forschungsgemeinschaft „Deut- schesAhnenerbe“ hierfürneueAnstöße gab, istwegen nach wievor geschlossener Archivenicht zu belegen. Fest stehtjedoch, dass derneuerlicheAufschwungpa-

jedoch in verschiedener Hinsicht typisch ist.Sein Leben und Wirken verdienen eine eingehende Erforschung.  Vgl. Gurtovoj: Nemnogo istorii.  Vasil’ev,Leonid: Ėksperimental’nyeissledovanija myslennogovnušenija, Moskau ; Vnušenie na rasstojanii, Moskau ;Tainstvennye javlenija čelovečeskoj psichiki, Moskau .Kažinskij,BernardB.: Biologičeskaja radiosvjaz’,Kiev . 154 BirgitMenzel rapsychologischerForschung sowohl eine Folgedes Kybernetik-Booms¹⁹ alsauch des „Psi-Krieges“ in Konkurrenz mitden USAwar.Erste Anzeichenfür entspre- chende militärischeForschungen finden sich in den russischen Archiven ab 1961.²⁰ In den1960er Jahren begannen auch systematischeExperimente mitSensitiven (ESP), vondenen Roza Kulešovaund Ninel’ Kulagina am bekanntesten wurden. Nach AngabeninUS-Geheimdienstakten gabes1967inder UdSSRbereits 20 In- stitutezur ErforschungparanormalerPhänomene.²¹ Als1972imWestendas um- strittene(weil fürein breitessensationshungriges Publikum verfasste)Buch „Psy- chic DiscoveriesBehindthe Iron Curtain“ derkanadischen Journalistinnen Ostrander undSchroeder erschien,nahmenvierführendePsychologen derMos- kauerAkademieder Wissenschaften dies 1973 zumAnlassfür eine offizielle Stel- lungnahme. In ihremvieldiskutiertenArtikel „Parapsychologie – Fiktion oder Realität?“ verurteilten siezunächstdas Buch nichtzuUnrecht alssensationshei- schendes Mittel,umimWestenGelderfür psychotronischeForschung zu akqui- rieren.Gleichzeitiggaben dieAutoren jedoch zu,dassesPsi-Forschungen in der Sowjetunionineinigen naturwissenschaftlichenInstitutionen durchaus gibt, wenngleich gesicherte Ergebnisse noch nichtvorliegen würden.²² Einige derAu- torendes Artikels warenMitgliedereiner Spezialkommission, dieimAuftrag des Sekretärsdes ZK derKPdSU, Petr Demičev,inden zehn vorangegangenenJahren denStand derparapsychologischen Forschungerfasst hatten. In den 1970er Jahren spitzte sich die Systemkonkurrenz im Zuge des Kalten Krieges zu. Der im Westen übliche Begriff „Parapsychologie“ als „Arbeit mit un- erklärlichen mystischen Phänomenen“ wurde in der Sowjetunion mit „Okkultis- mus“ assoziiert und als unvereinbar mit dem historisch-materialistischen Welt-

 Im Oktober  verkündeteNikita Chruščev aufdem XXII. Parteitag der KPdSU, dass die Verwirklichungdes Kommunismusnunmehr unmittelbar bevorstehe.Imnächsten Zwanzig- jahrplan sollte,sodas Parteiprogramm, die „Sowjetunion den höchsten Lebensstandardder Welt […]durch einen Überfluß an materiellen und kulturellen Gütern erzielen.“ Dies wollteman be- sonders mithilfe einer neuen Wissenschaft,der Kybernetik, erreichen. Zeitgleich zum Partei- kongress erschien das Buch „Kybernetik im Dienstedes Kommunismus.“ (Sb. „Kibernetikana službe kommunizmu“,pod. red. Berga, Gosėnergoizdat). Der Traumvon einem einzigartigen, automatisierten, gigantischen Kontrollsystem – mithilfe des Computers – spielte eine zentrale Rolle bei der Schaffungder materiellen und technischen Grundlagendes Kommunismus. Siehe hierzu Gerovitch: Die Beherrschungder Welt, –.  Vgl. Kernbach: Kratkij obzor, .  Zu nennen ist hier insbesonderedie  eingerichtete SonderkommissionimAuftrag des ZK der KPdSUunterder Leitungvon P. N. Demičev.Ihr Abschlussbericht wurde  sofort ins Englische, Deutscheund Italienische übersetzt.Vgl. Ebd., .  Vgl. Leont’ev et.al.: Parapsichologija, – (engl. in: Krippner:Psychoenergetic Systems, –). Parapsychologie im sowjetischen undpostsowjetischen Raum 155 und Wissenschaftsverständnis abgelehnt.Alternativ prägteman im Osten den Gegenbegriff „Psychotronik“,²³ der an praktisch umsetzbare Forschung etwa in der Biologie und der Landwirtschaft,v.a.aber engandie psychologische Krieg- führung gekoppeltwurde. Darüber hinaus gewann in den 1970er Jahren im Untergrund auch die psy- chologisch orientierte Parapsychologie neue Anhänger.Esgab verdeckteExpe- rimente in allen möglichen Institutionen und Labors.Trotz der allgemeinen Ver- botswelle, z.B. für Yoga,beschäftigten sich Studenten der Psychologie auch mit der verbotenen Psychoanalyse oder NLP(Neuro-linguistic programming); sie experimentierten mit körperliche Grenzen überschreitenden Yoga-Praktiken wie Anabiose, mit transpersonaler Psychologie und psychoaktivenSubstanzen. Infolgedessen entwickeltesich, besonders in den 1970er und 1980er Jahren, später auch in den 1990erJahren, eine institutionelle Doppelexistenz.²⁴ Dies war eine Zeitvoller Widersprüche: HöchsteGeheimhaltungübereinzelne isolierte „šaraški“ (Forschungslabors im Gulag mitQuarantäne-Bedingungen für Spit- zenwissenschaftler)sowie landesweit vernetzte Institutionen der Parapsycholo- gieforschunggingen einhermit öffentlicherÄchtung,Pressekampagnen und Verboten, auch mit Verhaftungen und Verurteilungen zu Gefängnis und Lagerhaft. Parallel dazu gabesimmer ein starkes öffentlichesInteresse an Fragen des Übersinnlichen, das sich z.B. in der überauspopulären Science-Fiction-Literatur wie in zahlreichen Publikationen populärwissenschaftlicherZeitschriften zeigte, die in hohen Auflagen vonmehreren hunderttausend Exemplaren in der ganzen Sowjetunion erschienen. Eine von ĖduardNaumov,²⁵ einem der Pioniere der parapsychologischen Forschung in den 1960er Jahren, herausgegebene Biblio-

 Der Begriff „Psychotronik“ wurde  vondem tschechichen Wissenschaftler ZdeněkRejdák für die psychologische Kriegführung mit elektronischen und parapsychologischen Waffen ein- geführt und wirdseitdem im russischen Sprachraum verwendet.Anfangder er Jahre wurde eine „Internationale Assoziation“ zur Erforschung der Psychotronik gegründet.Dieser gehörtevon sowjetischer Seiteder Vorsitzende der Innenministeriums Professor G. A. Samojlov an.  Michail Šachnovič: „Mir wurde immer klarer, dass die ‚geheimen Wissenschaften‘ in unserem Land keineswegsganzverschwunden waren, sie waren nur tief in den Untergrund gegangen, als wollten sie sich für ihr späteres Wiederauftauchen vorbereiten.  Jahre vergingen, und ich hatte Recht.“ In: Šachnovič:Peterburgskie mistiki, .  Naumov war durch Vorlesungen, Fernsehsendungen und Publikationen in populärwissen- schaftlichen Zeitschriften öffentlich bekannt.Nachdemder KGBseine Kontaktev.a.zuauslän- dischen Wissenschaftlern missbilligte,wurde er  verhaftet und zu zwei Jahren Lagerhaft verurteilt.Eine Kampagne u.a. in der Londoner „Times“,woein vonJohn Priestley,Francis Huxley und Robert Harvey unterzeichneter Appell erschien, bewirktemöglicherweise, dass er bereits im April  wieder frei kam. 156 Birgit Menzel graphie²⁶ enthält mehr als 700publizierte Titel: 172Publikationen zur Telepathie, 237zuBilokation und bioenergetischer Information, 58 zu Poltergeist-,33zuTe- lekinese-Phänomenen und 261Titel zu physischen Evidenzen parapsychologi- scher Phänomene. An Institutionen und Disziplinen, die sich in dieser zweiten Welle vonden 1950er Jahren bis Ende der 1970er Jahre mit parapsychologischer Forschung be- fassten, seien folgende genannt: das „Moskauer Labor für Biophysik“,1986 um- benannt in „Sektion für organische Materie physischer Felder“;das „Allunions- institut für Experimentelle Medizin“ (VIĖM), das von1934bis 1942von Professor Petr Lazarev geleitet wurdeund in dem der polnische Sensitive Wolf Messing seine Fähigkeiten demonstrierte; das „Institut für Automatik und Elektromagnetik“ in Novosibirsk/Akademgorodok (1958–1968),woTelepathieexperimente, „distant acting“,unter Direktor Prof. Boris Petrov stattfanden, sowie das 1971 gegründete „Labor für optische Psychophysiologie“ am Institutfür Philosophie (Sektor Psy- chologie) der Akademie der Wissenschaften.²⁷ Geheime Strukturen mit völlig unabhängigen Institutenwaren meistverbundenmit dem militärisch-industriel- len Komplex bzw.der Raumfahrttechnologie, so etwa das „Institut für Klinische, Strahlungs-und Traumamedizin“ (Leningrad, Kiev,Novosibirsk), und das „Piro- govInstitut für Luft-und Raumfahrtmedizin“ in Moskau.²⁸ Ein weiterer Schauplatz zur Erforschung paranormaler Phänomene war Kiev.Dort entwickelten seit den späten 1940erJahren die beiden Physiothera- peuten ausKrasnodar, Semen und Valentina Kirlian, mit offizieller institutioneller Unterstützung die Ektoplasma-Photographie weiter,die bereits um die Jahrhun- dertwende einen Boom erlebt hatte. 1949 entdeckten sie in einem Kiever Labor einen „corona discharge“ genannten elektrographischen Effekt,²⁹ der auch als „Biofeedback“ bzw. „Elektrographologie“ weiterverfolgt wurde und als Kirlian- Photographie in den 1970er Jahren international bekannt wurde. Diese For- schungen werden bis in die postsowjetischeGegenwart fortgeführt,z.B.von KonstantinKorotkov am Institut für Sportphysiologie der Universität St.Peters- burg.³⁰

 Vgl. Naumov/Vilenskaja/Špilev:Parapsichologija vRossii.  Vgl. Gurtovoj: Nemnogo istorii. Gurtovojs AssistentenMichail Bongardund Michail Smirnov untersuchten die sogenannte „Hautsicht“ (kožee zrenie) vonRozaKulešova.  Näheres dazu in Siddiqi: The Red Rockets’ Glare.  Vgl. Kirlian/Kirlian: Vmire čudesnychrazrjadov;Kirlian/Kirlian: Kirlianovskie čtenija „Kir- lian-“.  Vgl. Korotkov: Osnovy GRVbioėlektrografii. Parapsychologie im sowjetischen und postsowjetischen Raum 157

2.4 Vierte Phase: Coming Out 1981 bis2003

Eine vierte Welle setzte Ende 1981 ein, als dem todkranken Generalsekretär der Kommunistischen ParteiLeonid Brežnev ausdem georgischen Tbilisi die Heilerin Džuna Davitašvili (1935–2015) vorgestelltwurde, und diese eine nachhaltige Wirkungauf ihn hatte. Daraufhin gabdas Politbüroumgehenddie Einrichtung eines neuen, strenggeheimen Labors zur wissenschaftlichen Erforschung und Weiterentwicklungparapsychologischer Phänomene in Auftrag,das mit erhebli- chen finanziellen Mitteln (einerhalben Million Dollar)ausgestattet und direkt dem ZK der KPdSUunterstellt wurde.³¹ Dieses Labor wurdeallerdings nicht in einem der Medizinischen Akademie unterstellten Institut eingerichtet,sondern am „Institut für Radiotechnologie, Elektronik und Kommunikation“ (MGP/NTORĖS) in der Sektion für Bioenergetik.³² Zunächst wurde AleksandrSpirkin zum Direktor ernannt,ihm folgte der Mathematiker und Physiker ĖduardGodik, dessenTeam weltweit die ersten Infrarotdetektoren entwickelt hatte, die auch in den Sputnik montiert wurden. Das weitverzweigte „Popov-Institut“ galt bereits in den 1960er Jahren als eines der Zentren für parapsychologische Forschung und Experimente. Die frühen 1980erJahre bedeuteten auch insofernforschungshistorisch einen Einschnitt,als zum ersten Mal strategische Programme zur staatlichen Förderung nichttraditioneller wissenschaftlicher Forschung eingerichtet wurden. Die bereits in den 1960erJahren eingeführte anwendungsorientierte, instrumentell unter- stützte Psychotronik zeigteerstmals konkrete Ergebnisse ihrer experimentellen Forschung.Hierbei wurden quantenmechanische Phänomene in makroskopi- schen Systemen untersucht,d.h.nichtlokale Signalübertragungen, die etwa den Magnetismus vonWasserstoffkernen verändern oder das Immunsystem von Weizen und Reis, aber auch das des Menschen beeinflussen können.³³ Die zuerst in der Tschechoslowakei entwickelten Generatoren zur Messung hochfrequenter

 Das Durchschnittsalter der Mitglieder im Politbüro betrugdamals  Jahre.Das Labor wurde im Keller des „Anochin-Instituts für normale Physiologie“ der ehemaligenMedizinischen Fakultät der MGU eingerichtet,ausgestattet mit damals progressivsten Computern der norwegischen Firma Norsk Data. Vgl. Kernbach: Kratkij obzor, f.  Bis dahin hatteeslediglichdie naturwissenschaftlich orientierteHalbleiterforschung, stellare Radioastronomie und interplanetareRadiokartographie gegeben. NamhafteWissenschaftlervon internationalemRang, z.B. das Akademiemitglied Jurij Kobzarev,der Begründer der sowjetischen Funkmessortung,waren an diesem Projekt beteiligt.Vgl.dazu (Tara‐)Torin: Die wahreGeschichte.  Der sogenannte „Aaronom-Bohm-Effekt“ beschreibt ein quantenmechanisches Phänomen nichtlokaler Signalübertragung, bei dem ein Magnetfeld die Interferenz vonElektronenstrahlen beeinflusst,obwohl diese sich nicht im klassisch zu erwartenden Einflussbereich des Magnet- feldes befinden, seine Feldstärkealso eigentlich gleich Null ist.Kernbach: Kratkij obzor, .Vgl. Kernbach: Psychotronik. 158 BirgitMenzel elektromagnetischer Strahlungkonnten nun perfektioniert werden (vgl. Abb. 1).³⁴ Zwischen 1984 und 1987wurden Programme vomLandwirtschafts- und Vertei- digungsministerium für Experimentemit torsionischen Generatoren an Instituten für Virologie, Pharmakologie, Biotechnik, Maschinenbau, Kristallographie, aber auch in Experimenten mit Tierhaltung aufSowchosen, den landwirtschaftlichen Großbetrieben in der SU,gefördert.Esgab auch Experimente mit Pflanzen und vereinzeltimmedizinischen Bereich Versuche mit Menschen.³⁵

Abb. 1: Der Pavlita-Generator (PW1) (Quelle: May/Rubel/Auerbach: ESP-Wars)

In den 1980er Jahren kam es nicht zuletzt zu einem ersten Austausch mit ame- rikanischen Parapsychologen. Russell Targ,Harold Putthoff und Edwin May, Mitarbeiter am „Stanford Research Institute“ (SRI), jenem vonder CIA finanzierten Zentrum für parapsychologische Forschung, das insbesondere Remote Viewing, d.h. Fernwahrnehmung mittels außersinnlicher Wahrnehmung,untersuchte,

 Der erste Generator wurde in den er Jahrenvon Robert Pavlita in der Tschechoslowakei entwickelt und in der UdSSR als „Cerpan-Generator“ vondem georgischen Wissenschaftler A. Beridze-Stachovskij weiterentwickelt.Die Konstruktionsprinzipien dieser Generatorenwurden vonden Wissenschaflern allerdingsgeheimgehalten, da sie eine unethische Anwendung ihrer Erfindungenbefürchteten. Vgl. Kernbach Kratkij obzor, .  Vgl. die Ausführungenauf: www.liveinternet.ru/users/kabkoplivENG/, Zugriff am .. . Parapsychologie im sowjetischen undpostsowjetischen Raum 159 besuchten die Kollegen in Moskauund führten gemeinsame Experimente durch.³⁶ Zu einerwichtigen Vermittlerin wurde die Physikerin, Philologin und Parapsy- chologin Larissa Vilenskaja. Sie hatte mit vielen namhaftensowjetischenSensi- tivengearbeitet.Nachihrer Emigration 1981 in die USAforschte sie in San Francisco und gabvon 1982 bis 1986 die Zeitschrift „Psi ResearchJournal“ heraus. Von1992bis 1994 war sie am „CognitiveScience Laboratory of the Science App- lications International Co.“ tätig,bis zu ihrem Tod2001 aber auch wieder in Russland aktiv.³⁷ 1986,imersten Jahr der Perestrojka, übernahmdas Staatskomitee des Mi- nisterratsfür Wissenschaft und Technik die zentrale Koordination der nichttra- ditionellen Forschung,die zugleich unmittelbar dem Verteidigungsministerium und dem KGBunterstellt war.Ein bis heute geheim gehaltener Beschluss be- kräftigtedie Förderungund Entwicklungder sogenannten torsionischen Tech- nologie zur „Steuerunglebender Objekte, darunter auch Menschen.“ Die Begriffe „torsionisch“ und „torsionische Felder“ wurde erstmals vondem Physiker Anatolij Akimov für bestimmte quantenmechanische Phänomene verwendet.Ersetzte sich seit etwa 1991 anstelle des zuvorverwendeten Begriffs „spinor“ (nach dem von dem Quantenphysiker Paul Dirac aufgestellten „Dirac-Spinor-Effekt“)durch und fand danach im Feld der Parapsychologie weiteVerbreitung.³⁸ Am 22. Dezember 1989 wurde ein „Zentrum für nichttraditionelle Technologie“ (GKNT SSSR) unter der Leitung vonA.E. Akimov gegründet,indem zwischen 1989 und 1991 alle Forschungsaktivitätenzusammenliefen. Im Jahr 1991 spitzte sich allerdings die langeschwelende Kontroverse zwi- schen der politischen Führung (Ministerrat,Verteidigungsministerium und Geheimdienst) und führenden Vertretern der Akademie der Wissenschaft zu. Ausgangspunkt war das 1989 gegründete „Zentrum für nichttraditionelle Tech- nologie“.Hintergrund jedoch war nicht zuletzt ein Machtkampf, in dem es um Autorität und wissenschaftliche Deutungshoheit,aber auch um viel Geld, Im- mobilienund Privilegien ging.Am4.Juli1991 verfügte das Komittee für Wis- senschaft und Technologie am Obersten Sowjet den Erlass „Über die schädliche Finanzierungspraxis pseudowissenschaftlicher Forschungaus staatlichen Mit- teln.“³⁹ Nureinen Monat vordieser Kampfansageandie Parapsychologie, am

 Persönliches Gespräch mit R. Targ und ihm gewidmetes Album vonD.Davitašvili.  Larissa Vilenskaja(geb.  in Riga; engl. LauraV.Faith) hinterließ mehr als  (populär‐) wissenschaftliche Publikationen, die in sechs Sprachen übersetzt wurden.  wurde sie vonder „Schweizer Stiftungfür Parapsychologie“ für ihr Lebenswerk ausgezeichnet. Vgl. May: Obituary.  Heute sind die Begriffe „torsionischeFelder/torsionisch“ einerseits popularisiert und ande- rerseits meist negativ konnotiert und stehenfür Obskurantismus und Pseudowissenschaft.  http://www.x-libri.ru/elib/zhglv/.htm, Zugriff am ... 160 BirgitMenzel

26.Juni 1991, war ein neues Zentrum mit der Bezeichnung „Vent“ (MNTC) ge- gründet worden. „Vent“ solltealle Funktionen des alten Zentrums übernehmen und war mit derselben finanziellenFörderung(500 Mio.Rubel) ausgestattet. Höchst bemerkenswert und wohl historischpräzedenzlos fasste hier also ein und dasselbe Staatskommittee mitexekutiverund judikativerGewalt zwei diametral entgegengesetzte Beschlüsse zur parapsychologischen Forschung. Hierzu muss man sich vorAugen führen, dass schon in den Jahren der Perestrojka, nochmehr jedoch in den 1990er Jahren und nach dem Zerfall der Sowjetunion, ein Jahrzehnt beispielloser Agonie einsetzte. Die SU war politisch zunehmend führerlos und vomZusammenbruch staatlicher Institutionen sowie der Auflösungaller in der Sowjetzeit geltendenWerte wie auch vonMachtkämpfen des kriminellen Milieus gekennzeichnet.Indieser vonden Menschen als trau- matisch erlebten Zeit fand alles Irrationale und Übersinnliche, wasdas Unver- ständlichezuerklären versprach, einen nie dagewesenen Boom.⁴⁰ Zusammen mit Astrologie, Okkultismus,Verschwörungstheorien und der Gründung neuer Sekten sowohl ausländischer als auch russischer Provenienzfand eine Art Coming Out der früher latent oder geheimbetriebenen Forschung statt,sodass nun auch parapsychologische Experimente, Kooperationen, Forschungen, Publikationen aufallen Ebenen sichtbarwurden. Neben dem Zentrum „Vent“,das bis 2005 existierte und bis 2003 Publika- tionen herausbrachte,gab es aufdem weiten Feld der wissenschaftlichen para- psychologischenForschunginden 1990er Jahrenmehrerekonkurrierende Stif- tungen und Organisationen, viele davonmit internationaler Vernetzung.Sokam es z. B. 1992erneut zu einer sowjetisch-amerikanischen Kooperation, als der amerikanische ParapsychologeEdwin May, selbst mit militärhistorischem Hin- tergrund,einen zweimonatigenBesuch an mehreren Institutionen in Moskauund Novosibirsk unternahm.⁴¹ Mit dieser Ausweitung einher ging auch ein Anwachsen der öffentlichen Kritik. Im Jahr 1998 gründete der späterePhysik-Nobelpreisträger Vitalij Ginzburg die „Kommission zum Kampf gegenObskurantismus und Pseudowissenschaft“. Diese stelltedie an den Hochschulen wuchernde parapsychologische sowiedie torsionische Feldforschung und deren Protagonisten, allen voranEvgenij Akimov, an den Pranger.

 Hierzu Belyev:Geographie der alternativenReligiosität.  Edwin Mayberichtete über die Hauptforschungsgebieteund Methoden der Bio-und Psy- chokinese,zudenen der Ferneinfluss auforganische und anorganische Systeme, nuklear-ma- gnetische Resonanz,elektrischeGeräuschgeneratoren, Mikrokalorimetersowie der Einfluss von Elektroencephalogram (EEG) aufpflanzliche und tierische Zellkulturen gehörte. Vgl. May/Vi- lenskaya: ScienceApplication International Corporation. Parapsychologie im sowjetischenund postsowjetischen Raum 161

Spätestens seit dem Jahr 2000 zeigtedie vonder Akademie der Wissen- schaften initiierte Kampagne gegenpara-akademische nichttraditionelle For- schung durch den Schulterschluss mit der neuen politischenFührung durch- schlagenden Erfolg. Nach derWahlVladimirPutinszum Präsidenten wurden alle Befürworter parapsychologischerForschung ausdem Kremlentfernt.Die Zeitschrift „Parapsy- chologie undPsychophysik“ wieauchsämtliche staatlichenProgrammewurden eingestellt,alleGeldergestrichen. DerKernphysiker undWissenschaftshistoriker SergeKernbachvergleichtdiesen Einbruch derForschung mitdem Einschnitt unter Stalin im Jahr 1937.Daweiterhin viel Materialzur Geschichte undGegenwart der parapsychologischenForschung derGeheimhaltung unterliegt,ist nichtbekannt, ob in Russland (wie auch in denUSA)derzeit Psychotronik-Forschung betrieben wird.Aus Schätzungenvon Teilnehmerinnenund Teilnehmernentsprechender KonferenzengehtKernbachvon derAnnahme aus, dass trotzder Ächtungund fehlendenfinanziellenMitteln in Russland derzeitnochimmer zwischen 400und 700Psychotronik-Forscher privat aktivsind.⁴² Nach diesem allgemeinenhistorischen Überblicksollen im Folgenden zwei konkrete Beispiele vorgestelltwerden. Da für diese Material vorliegt,erlauben sie einen genaueren Einblick in die parapsychologische Forschung.Eshandelt sich zum einen um neuere Publikationen ausdem militärisch-geheimdienstlichen Bereich, zum anderen geht es um das Wirkenvon Vasilij Nalimov,einer im Westen bislang kaum bekanntenForscherpersönlichkeit.

3Parapsychologieimmilitärisch- geheimdienstlichen Bereich

Als Beispiel für die staatlich geförderteForschungimmilitärisch-geheimdienst- lichen Bereich in den 1990erJahren soll eine 2013 publizierte Mongraphie mit dem Titel „Psy-Wars. Die Geschichte der militärischen Verwendungvon Extra- sensorik“ (in Englisch gekürzt als „ESP-Wars East and West“ erschienen) vorge- stelltwerden.⁴³ Herausgegeben vonEdwin Mayund Victor Rubel, basiert das Buch aufInterviews mit ehemalsführenden russischen Militärangehörigen, die über die einst geheime Forschung zu sprechen bereit waren.

 Vgl. Kernbach: Unconvential Research, .  Vgl. PSI-vojny: Zapad iVostok, .ImInternet kursierte das Material ausdem Buch bereits lange vorher. 162 BirgitMenzel

DasVorwort zum Buch schriebder frühereGeneralmajorNikolaj Šam,der in den1980erJahrenals stellvertretenderKGB-Chef fürdie industrielle und wissen- schaftlicheSpionageabwehr zuständigwar.ImMittelpunkt derStudiestehendie persönlichen Erinnerungen vonzweiehemaligenMilitärsund Geheimdienstlern, welche die „Abteilung1003“ leiteten,eineEinrichtung „zurEntwicklung paranor- malerFähigkeiten“.Die beiden Militärs warender russischeEx-General Aleksej Savin(Jg.1946),⁴⁴ zwischen 1986 und 1990 in dersowjetischenArmeeführungim Verteidigungsministerium,sowie derEx-GeneralBoris Ratnikov. Savin, nach eigenen Worten vonJugend an vorgeprägt durch Nahtoderleb- nisse, eigene sensitive Fähigkeiten und eine Affinitätzur Kosmologie,⁴⁵ leitete zunächstdas „Institut für Theoretische Kybernetik“,indem geheime aviatische Systeme und Raumfahrtsysteme entwickeltsowie Waffenforschung und -analyse betrieben wurde. Bereits in den 1960er Jahren erforschte Savin in Laboren der Luftwaffenabteilungkontroverse Phänomene wie die torsionischen Felder.⁴⁶ Die „Abteilung1003“ bestand von1986 bis 2003.Die systematische Arbeit begann 1989 und widmetesich derRekrutierung unddem Trainingeiner großen Gruppe von ESP-Sensitivenaus demganzen Land,sogenannten „Operatoren“.Anfangder 1990er Jahrewar die Abteilungbestens ausgestattet mit biszu120 sorgfältigausgewählten wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen undMitarbeitern ausganzRussland; am Ende waren es jedoch nurnoch50. Das Jahresbudgetbetrugbis 1998 ohne Personalkosten vier Millionen Dollar.Die Aufgaben derAbteilung unterSavin umfasstenSpionage undSpionageabwehr(U-Boot-Lokalisierung mit80bis 85-prozentiger Sicherheit); Unterstützung derKriminologie, um etwa mithilfe vonSensitivenVermisstezufinden; das Erstellen vonmedizinischen Diagnosen⁴⁷ sowie Heilungdurch Sensitive,beson- ders in Kooperationmit Militärkrankenhäusern. Mitunter wurden auch versunkene Schiffe gesuchtund gefunden. ESPwurde auch in derErforschungund Entwicklung neuerPSI-Waffeneingesetzt. Schließlich nannte Savin die Bioinformationsübertra-

 Savins Memoiren führtennach seiner forcierten Pensionierung  ein nicht immer seriöses Eigenleben mit reichhaltigen Publikationen und Website-Auftritten.  Dies wurde mir vonder Literaturwissenschaftlerin Tatjana Rotenbergaus persönlicher An- schauungbestätigt,inderenMoskauer Wohnungsich in den er JahrenVertreter des kali- fornischen Esalen-Instituts und sowjetische Anhängerder Parapsychologie trafen.  Savin definiert „torsionischeFelder“ so: „Felder,die sich durch Objektemit extrem hoher Drehgeschwindigkeit bilden und die mit elektromagnetischen, konventionellenphysikalischen Theorien nicht erklärbar sind. AufBasis dieser Felder funktionieren fliegende Untertassen,werden Generatoren produziert,die Energien auch im Weltall bündeln und transportieren sollen.“ In: ESP- Wars, ,übers.v.BM.  In Kooperation mit dem „Institut für Aviatische und Kosmische Medizin“ wurden zweiMit- arbeiter nach Deutschlandentsandt, um bei dem Physiologen Dr.Reinhold Voll (–), einem Experten für Elektroakupunktur,zuhospitieren. Vgl. ebd., . Parapsychologie im sowjetischen und postsowjetischen Raum 163 gung als Anwendungsgebiet,sobeispielsweise dieErforschungdes Gedächtnisses vonWasser.

Abb. 2: Kampf-Spionage-Truppmit Sonderaufgaben (u.a. ESP-Aufklärung) bei der Rückkehr aus Tschetschenien. Mit auf dem Bild das MediumElenaOlejnuk sowie Anton Savin, der Sohn von General Savin (Quelle: Rubel/Savin/Ratnikov:Psi-Vojny)

Als erfolgreiche Einsätze der Abteilung zählteSavin folgende Aktionen auf (ohne allerdings einschlägigeBelegezuliefern): die Ortung vonFeindeseinsät- zen im ersten Tschetschenienkrieg, die Warnung voreiner Atomkatastrophe in einem Kraftwerk in Glasgow, die Abwehr eines Mafia-Angriffs aufdie lokale Ad- ministration in Kalmykien, die Entschärfung der ersten aserbaidshanischen Flugzeugentführung in Baku und die Prognoseeines Erdbebens aufKamčatka. Das eigentliche Ziel der „Abteilung1003“ war jedoch, mithilfe vonsystematischer Entwicklungund dem Training paranormaler Fähigkeiten und Ressourcen für militärisches Personal eine Supereliteauszubilden, um – darin sah Savin seine persönliche Mission –„das Land ausder Scheiße zu ziehen“ (vgl. Abb. 2).⁴⁸

 Savin in: Psi-Vojny, ,übers.v.B.M. 164 BirgitMenzel

4Vasilij Nalimov – ein unbekannter Wissenschaftlerund die Parapsychologie

Der Mathematiker,Physiker,Biochemiker und PhilosophVasilij V. Nalimov (1910 – 1997) ist im Westen bisher nur wenigen Spezialistenbekannt.Ergilt als Begründer mehrerer wissenschaftlicher Disziplinen wie der chemischenKybernetik, der auf der Wahrscheinlichkeitstheorie basierten mathematischen Theorie des Experi- ments und der Szientometrie. Im Zentrum seines Werksstand, was in unserem Zusammenhang interessant ist,ein ganzheitlicher Ansatz, in dem er Vorstellungen vonPhilosophie, nichttraditioneller(transpersonaler)Psychologie, Mathematik, Physik sowie Sprach- und Religionswissenschaftverband, um eine wahrschein- lichkeitsorientierte Theorie der Bedeutung der menschlichenPersönlichkeit zu entwickeln.⁴⁹ Schon in den 1930er Jahren kam Nalimovmit der Quantenmechanik in Kontakt.Zudiesem Zeitpunkt wurden deren philosophische und psychologi- sche Implikationen vonWissenschaftlern noch in regem internationalem Aus- tausch diskutiert – eine Dimension, die nach dem Zweiten Weltkrieg unter dem Druck des Kalten Krieges pragmatisch-operativenZielen geopfert und bis in die 1960erJahre verdrängt wurde.⁵⁰ Durch eigene Experimente sowie theoretische Überlegungen leisteteNalimov,dem westliche Publikationen zur Philosophie, Psychoanalyse und humanistischen Psychologie bekannt waren, seit den 1970er Jahren einen eigenständigen Beitrag zur Bewusstseinsforschung.Dazu gehörten auch innovative Theorien zur Erklärung paranormaler Phänomene. Ungewöhn- lich und komplex war dabei die Verbindungvon mathematischer Wahrschein- lichkeitslehre zur Erklärung biologischer und ökologischer Informationsphäno- mene mit chemischerKybernetik, linguistischerSprachphilosophie und spirituellen Lehren östlicher wie westlicher Provenienz. Eine eingehende Erfor- schung seines ungewöhnlich breit angelegten Gesamtwerks,das Natur-, Sozial- und Geisteswissenschaften umfasste wie auch seines Beitragszur internationalen parapsychologischen Forschung steht bis heute noch aus. Nalimov stammte ausdem finno-ugrischenVolk der Komi im hohen Norden Russlands.⁵¹ Sein Großvater war der Schamaneinseinem Heimatdorf und sein

 Vgl. Bonitz/Drogalina: Vorwort, .  Vgl. hierzu Kaiser: Howthe Hippies SavedPhysics, bes. Chapter : „Shut up and Calculate“, –.  Im Volk der Komi, den Bewohnern der Komi-Halbinsel, waren animistische Naturreligionen noch bis ins .Jahrhunderthinein lebendig. Auch anderespirituell inspiriertePersönlichkeiten, wie z.B. der Soziologe Pitirim Sorokin oder der Maler Vassilij Kandinskij, stammten vonden Komi ab.Ende des .Jahrhunderts wurde bei den Komi erstmals eine, mitunter auch kollektivauf- Parapsychologie im sowjetischen undpostsowjetischen Raum 165

Vater,wie er ein Autodidakt,wurde ein bekannter Professor für Ethnographie, insbesondere der Komi,ander Moskauer Universität.⁵² Nalimov,der sein Leben lang transzendentale Meditation praktizierte,verbrachte 20 Jahre seines Lebens im Gulag (1936–1954), fünf Jahre davonander Kolyma,vonwokaumÜberlebende zurückkamen. Er war wegenkonterrevolutionärer Tätigkeit angeklagt und ver- urteiltworden, da er seitden 1920er Jahreneinem konspirativ-esoterischen Kreis vonPazifisten, den „mystischen Anarchisten“,angehörte.⁵³ Nahezu alle Mitglieder seiner Familie wurden Opfer der politischenRepression mit tragischen, vonMord und Selbstmord gezeichnetenSchicksalen. Nach seiner Entlassung und weiteren Jahren der VerbannunginKasachstanpromovierteNalimovnoch vorseiner späteren Rehabilitierung 1960 über mathematische Statistik. Er erhieltinLenin- grad Arbeit im „Labor für seltene Metalle“,wurde dann in MoskauProfessor für Wahrscheinlichkeitstheorie und mathematische Statistik, später Direktor der Fakultät für mathematische Theorie biologischer Experimente. ZehnJahre lang arbeiteteerals Assistent mit Andrej Kolmogorov (1903–1987), einem der be- deutendsten Mathematiker des 20.Jahrhunderts, zusammen.⁵⁴ Nurunter dessen Schutz war es Nalimov möglich,seine eigenständigen Experimente und For- schungen unabhängig und unbehelligt vonideologischen Schrankenzubetreiben und neben 20 Monografien etwa 300 wissenschaftliche Aufsätze zu publizieren.⁵⁵

tretende, Form der Ekstase oder zeitweiligePsychose („mėnerik“, „arktischeHysterie“ oder tra- ditionell auch „klikušestvo“ genannt) beobachtet.Diese wurde voneinigen Ethnologenmit einer unwillkürlichen TranceinZusammenhanggebracht,ähnlich wie bei Schamanen. Betroffene wurden u. a. mithilfe vonHypnose behandelt.Vgl. dazu Shishkin: Merjačenie, Mėnerik, Ėmerik (Arktičeskaja isterija). Die Mutter Nalimovswar im Übrigendie erste weibliche Absolventin der medizinischen Fakultät der MGU und eine der erstenChirurginnen Russlands.  Vgl. Thompson: VasilyV.Nalimov, –.  Über diese Gruppe ist bisher nur wenigbekannt.Siehe dazu den Abschnitt in Nalimovs Autobiographie „Kanatochodec“.  Die oben erwähnteenge Beziehungzwischen Mathematik und Mystik in der „Namensver- ehrung“ betraf auch AndrejKolmogorov.Vgl. Graham/Kantor:NamingInfinity.  Nalimovserste Monographie („Teorija ėksperimenta“,Moskau )wurde zu einem inter- nationalen, in viele Sprachen (dt.: Theorie des Experiments, Leipzig )übersetztenStan- dardwerk der Wissenschaftsmetrik. Daraufhin wurden vier weitere seiner Bücher v. a. philoso- phischer Orientierung in englischer Übersetzung in Amerikapubliziert. Sie sind online verfügbar. Gerade die grundlegenden philosophisch orientierten WerkeNalimovs konntenerst nach Ende der Sowjetunion in Russland erscheinen, wo einige vonihnen mehrere Neuauflagenerlebten. In Deutschlanderschien  eine zweite, vondem Kernphysiker Manfred Bonitz herausgegebene Mongraphie unterdem Titel „Spontaneität des Bewusstseins“,ein „Panorama der Entwicklung vonVorstellungendes Menschen über sich selbst“.Nalimov:Spontaneität des Bewusstseins, . 166 BirgitMenzel

Zu einemdirektenAustausch mitwestlichenKollegen kameserst, alsdem Wissenschaftlerwährend derPerestrojka eine Ausreisegenehmigungerteilt wurde.⁵⁶ Schonbevor Nalimov1988zum ersten MalnachDeutschland⁵⁷ undimRahmendes Soviet-AmericanExchange Programs deskalifornischenEsalen-Instituts (citizen diplomacy)auchindie USAausreisen durfte,würdigteStanislav Grof ihnals rus- sischenVorläufer und Wegbereiterder transpersonalen Psychologie.⁵⁸ Im Folgenden seien einigeThesenNalimovs vorgestellt, basierend aufseinen Monographien „Realms of the Unconscious“ und „Spontaneität des Bewusst- seins“. Ausgehend voneinem ganzheitlichen ZugangzuWirklichkeit,Materie und Bewusstsein jenseits des kartesianisch-materialistischen Welt-und Wissen- schaftsverständnisses befasste sich Nalimov mit Fragen der Überwindung einer polarisierenden Gegenüberstellung vonwestlichem und östlichem Denken, der Vereinbarungvon naturwissenschaftlichem Experimentund persönlichemWis- sen durch spirituelle Erfahrung und der Annäherung vonMathematik, philoso- phischem Denken, Kreativität und Spiritualität.Nalimovging davonaus, dass in einem wahrscheinlichkeitsorientiertenModell die Ungenauigkeit aller Phäno- mene (fuzziness)anerkannt werden müsse. Sowohl die Sprache als auch die menschliche spirituelle Individualität und der Kosmos selbst werden vonihm als semantisches Feld in einemontologischen Verständnis gesehen. Dieses ent- haltedas verdrängteGedächtnis (ethnogenetic memory)jenseits der konventio- nellen Zeit-und Raumgrenzen (These 9, 25,26).⁵⁹ Es sei über das nichtlokale Kontinuum des Bewusstseins zugänglich und dadurch gegenüber logisch aus- gerichteten Maschinen höherwertiger(These 37). Mithilfe vonGruppenmeditationen unterschiedlicher Art,die über Jahre hinweg unter wechselnden Bedingungensystematisch durchgeführt und doku- mentiert wurden, beschrieb Nalimov Experimentezur Erlangungeineswahr- scheinlichkeitsorientierten Modells für das menschliche Bewusstsein und die Imagination. Meditation war für ihn ein Torinveränderte Bewusstseinszustände, analog zu Traumzuständen, wie CarlGustavJungsie beschrieben hatte und die einen Zugangzum kollektiven Unbewussten ermöglichten. Die Experimente mit

 So etwa an der University of Pennsylvania, wo der indisch-amerikanische Materialwissen- schaftler und Experte für alternative Medizin,Religion und Wissenschaft Prof. Rustum Roy sich vonNalimovs Schriften tief beeindrucktzeigte.  Nach der Teilnahme Nalimovs am Kongress „Geist und Natur“ in Hannovererschien eine Würdigung seiner Arbeit auch in Deutschland. Vgl. vonWeizsäcker: V. V. – ein russischerMa- thematiker und mystischer Anarchist, –.  Vgl. Grof im Gespräch mit Verf. am . .  in Mill Valley/CA.  Vgl. Nalimov:Realms of the Unconscious. Parapsychologie im sowjetischen undpostsowjetischen Raum 167

Formen der Tiefenmeditation führte Nalimov seitden 1970er Jahren zusammen mit seiner Frau Žanna Drogalina durch.⁶⁰ Dabei wurde mitimaginierten Begriffen (wie Würde, Sklaverei, Freiheit) oder mit der unmittelbarenEinwirkungvon Musik gearbeitet.Die unter Nalimovs Leitung meditierenden Gruppen umfassten Men- schen aller Alters-, Bildungs-und Berufsgruppen, Künstlerinnen und Künstler sowie Kinder, Gesunde sowiePatienten auspsychiatrischen Kliniken.⁶¹ Die Er- gebnisse standen, so Nalimov, in erstaunlicher Analogie zu den Ergebnissen von StanislavGrofs Experimenten mit LSD und dessen Erfahrungen mit der tran- spersonalen Psychologie. Nalimov hielt die vonGrof geschilderten Phänomene für vergleichbar mit den beschriebenen Erlebnissen vongnostischen und mani- chäischen Christen sowieöstlichen wie westlichen Mystikern.⁶² Nalimov kam zu dem Schluss,dass auch kreative wissenschaftliche Arbeit eine Form der unbe- wussten tiefen Meditation sein könne. Anders als westliche Parapsychologen, wenn auch in beständigem Dialog mit deren Forschungen, führte Nalimov die Beobachtungenaus seinen Meditationsexperimenten mit russischen Denktradi- tionen zusammen – etwa mit Vladimir Vernadskijs kosmologischem Denken und der Vorstellung von „Biosphäre“ wie „Noosphäre“ als miteinander verbundene biologische und Bewusstseins-Sphären jenseits des menschlichen Organismus. Nalimov gelangtezuder Erkenntnis,dass das neue anthropozentrischePa- radigma⁶³ aufden Quellen der europäischen Kultur basierte („Wirsind die geis- tigen Nachfahren der hellenischen Welt“). Die Mathematik erlangtedabei in veränderter Komplexität wiederzentrale Bedeutung: „Neue Symbole werden jetzt nicht vomreligiösem Denken, nichtvon der Poesie, nicht vonder Bildenden

 Einige seiner Textezudiesem Thema hat Nalimov mit seiner Frau verfasst.  Interessant ist das Beispiel einer Musik-Meditationvon Patientinnenineiner geschlossenen psychiatrischen Klinik in Tbilisi unterder Leitung vonJ.G.Shoshina.Obwohl die Mädchen ihr ganzes Leben in der Klinik verbracht hatten, nur wenigeWortesprachen und nur ein und dieselbe einfache Form zeichnen konnten, fertigtensie nach der Musik-Meditation mit Claude Debussys „La Mer“ erstaunlich differenziertemehrfarbige Zeichnungenmit Meeresmotivenund Lebenwe- sen an, die sie nachweislich nie gesehen habenkonnten.Vgl. Nalimov:Realms of the Unconscious, f.  „Das Unbewußte scheint die Semantik zu bewahren, die vorlangerZeit eine gnostische In- terpretation des Christentums entstehen liess.“ In: Ebd., ,übers.v.BM. In der UdSSR seien Experimente mit LSD nur aufder Zellebene zulässiggewesen, weshalb die diesbezügliche For- schunginseinem Land mindestens  Jahre im Rückstand sei.  Aufdie Fragenach seiner wissenschaftlichen Tätigkeit antwortete Nalimov einmal: „Ichstürze ein Paradigma.“ Vgl. Manfred Bonitz, in: Nalimov:Spontaneität des Bewusstseins, . 168 BirgitMenzel

Kunst,sondern – vonder Mathematik geboren.“⁶⁴ Der amerikanische Wissen- schaftshistoriker und Herausgeber seiner Werke in Amerika, Robert Colodny, bezeichnete dasWerk Nalimovs daher als „Wahrscheinlichkeits-Metaphysik“.⁶⁵

5Forschungsaktivitätenzur Parapsychologie im gegenwärtigen Russland

Abschließend sei nochein Ausblick aufdie jüngste Forschungslandschaft auf dem Gebiet der Parapsychologie in Russland gegeben. Zwei Richtungen zeichnen sich ab.Seit dem Ende der mit staatlichen Mitteln institutionell geförderten For- schung gibteszum einen eine wucherndeZahl vonPublikationen und Theorien parapsychologischen Inhalts.Diese geben sich als akademisch ausund versuchen mithilfe vonVerschwörungstheorien eine alternative Geschichtsschreibungzu begründen. Ihre Vertreter setzen sich zum Ziel, die vermeintlich seitjeher aufdem eurasischen Kontinent führende Position des Russischenund Slawischenbzw. Arischen in ihr Recht zu setzen. Sie würde, so die Autoren, vonder vereinigten Konspiration westlicher Historiographie geleugnet.⁶⁶ Die Vertreter dieser neuen ‚Theorien’ sind meist keine Geisteswissenschaftler,sondern kommen ausnatur- wissenschaftlichen oder technischen Berufen. Manche vonihnen sind Publizisten oder Science-Fiction-Autoren. Sie vertreten dezidiert die Position, dass sowohl die alternative Historiographie als auch all ihre paranormalen Elemente die Angele- genheit der ‚harten’ Wissenschaften sein sollten. Aufder anderen Seite beginnt sich seitden 2000er Jahren im Rahmen der Geisteswissenschaften, ausgehendvon einer nicht-traditionellen Philosophie und Religionswissenschaft,ein akademisches Feld der Esoterik-und Bewusstseins- forschung zu formieren. Vonder in St.Petersburgansässigen „Assoziation zur Erforschung vonEsoterik und Mystik“ (ASEM) wurden zwischen2012 und 2015 vier Konferenzen zum Thema „Veränderte bzw.paranormale Bewusstseinszu- stände“ durchgeführt.⁶⁷ An diesen nahmen mehr als 120Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler ausRussland,der Ukraine, Kasachstan,Weißrussland, Polen

 Ebd., .Jenseits der eigentümlichen Lexik, Methode und des Darstellungsstils weisen viele der Thesen Nalimovserstaunliche Parallelen zu den aktuellenAusführungenvon Fritjof Capra und LuigiLuisi in ihrem  publizierten Buch „The Systems View of Life. AUnifying Vision“ auf.  Colodny: Foreword; Nalimov:Space,Time, and Life, ix.  Vgl. Laruelle: Conspiracy and AlternateHistory in Russian, –.  Vgl. Psichotechniki iizmenennye sostojanija soznanija vistorii religii- Pervaja meždun- arodnaija naučnajakonferencija, St.Peterburg .–...Sbornik statei, St.Petersburg . Parapsychologie im sowjetischen undpostsowjetischen Raum 169 und einigen westlichen Ländern teil. Die Beiträge wurden in Publikationen do- kumentiert.Neben Humanwissenschaftlern (Religionswissenschaft,Orientalistik, Musikwissenschaft,Linguistik)beteiligten sich auch einigeNaturwissenschaft- lerinnenund Naturwissenschaftler,darunter Mediziner,Biologen, Mathematiker. Außerdem waren Ingenieure und Vertreter der klinischen wie auch der nicht- traditionellen, transpersonalen Psychiatrie und Psychologie beteiligt; schließlich zudem Wissenschaftler,die die Arbeit der Kirlian-Photographie fortsetzen. Das Spektrum der Forschungsthemen ist relativbreit und interdisziplinär.Sostellte beispielsweise zuletzt eine Gruppe vonMedizinern, Sängern und Pädagogen ex- perimentelle Forschungen zu Heileffektenvon Oberton-Musik und anderen Klangphänomenen vor. Ergebnisse neurologischer Experimente mit transperso- naler Psychologie wurden dokumentiert.Neurologen, Psychologen und Kunst- historiker führtenempirische Forschungen über den Zusammenhang vonTran- cezuständen und kreativenProzessen durch.

6Fazit

Parapsychologische Forschung hat seit dem Anfang der Sowjetzeitbis heute durchgehend stattgefunden.Wellen der Förderung, des Verbotsund der Blockade lösten einander ab. Im Zerfalldes sowjetischen Systems brach der Konflikt zwi- schen den kontroversen Positionen innerhalb des staatlichen Apparats offen aus. Während der Sowjetzeit musste sich die parapsychologische Forschung im- mer als naturwissenschaftlich-technisch und praxisorientiert legitimieren, ein- schließlich militärisch-strategischer Anwendung. Ausgelöst durch die Faszination der politischen Führung liefendanninden 1980erund 1990er Jahren naturwis- senschaftlich-technische Forschungen mit psychologischen zusammen. Seit den frühen 2000er Jahren trat erneut eine Periode staatlich-institutioneller Blockade ein. In der Gegenwart zeigt sich eine ungebrochene Faszination gegenüber paranormalen Phänomenen in der breiten Bevölkerung.Darüber hinaus wird das Themaineiner Vielzahl para-akademischer Verschwörungstheorien mit natio- nalistischer Zielsetzung verbreitet.Zuletzt hat zudem eine neue, religionswis- senschaftlich fundierte Erforschungesoterischer und parapsychologischer Phä- nomene eingesetzt. Meine Ausführungen mögen gezeigt haben, dass wir immer noch weit davon entfernt sind,die Geschichte der Parapsychologie in Russland zu kennen und ihre Leistungangemesseneinzuschätzen. 170 BirgitMenzel

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1Introduction: The French exception

The institutionalisation of parapsychologyinFrance suffered from some para- doxes. Although the scholarlyinterest in this field was great at the turn of the 19th century,then again at the turn of the 20th century,its institutionalisation never reached the samelevel as in other countries,for instance with Hans Ben- der’schair in Freiburg. Still, parapsychologyhas areputation of anon-scientific and non-academic discipline. As Iwill show in this article, French parapsychol- ogyhas suffered from the orthodoxization of psychology, which developed adis- course placing parapsychologyasaheterodoxy.The hegemonyofpsychology over parapsychologymade it difficult to hear something else thanthis discourse of the victors.But the implementation of these boundaries is nevertheless of in- terest for the history of science in general, and of psychologyinparticular. This competition between psychologyand parapsychologyhas now been well documented by some historians.¹ The boom of animal magnetism and arti- ficial somnambulism in the pre-Revolutionary period in France, with Mesmer and Puységur among others, wasthe sourceofnumerous currents of psychody- namic research and therapy.² Subsequently,these currents wereexplicitlyreject- ed in official forums: The French Academies of Sciences and Medicine werereal- ly divided on the status of magnetism but finallybanned it as an object of study. On June 15,1842, animal magnetism was compared to the “squaring of the cir- cle”.Academics tried to kill the controversy by an official condemnation with no equivalent in North America or other parts of Europe.³ Instead of closing the controversy,this prohibition has frozen the opposition between an orthodoxy and aheterodoxy and, thus, is the root of this controversy until today. As we will see, psychologyand parapsychologyfirst shared the same insti- tutions, journals, and research objects, i.e. acommon undifferentiated matrix that Iwill call “psycho-parapsychology”.Someresearchers tried to circumvent

 See Plas: Naissanced’une sciencehumaine; Méheust: Somnambulisme et médiumnité; Brower:UnrulySpirits;Lachapelle: Investigating;Evrard: La légende de l’esprit.  See Méheust: Somnambulisme et médiumnité.  See Edelman: Forcepsychique, .

DOI 9783110466638-007 174 Renaud Evrard the academic prohibition by wayofsome epistemological handlings, by hypno- tism, psychophysiologyand psychical research. The historian Andreas Sommer notes that “the intersection between ‘official’ nascent modern psychologyand psychical research was, albeit relativelyshort-lived, nowhereasovert as in France”.⁴ But it is onlythrough an integrative or symmetrical approach that we can understand the historicalsignificanceofthis “strongalbeit clandestine historical continuity”⁵ between orthodoxand heterodoxpsychology. The French exception seems to lie bothinthe history of the interactions of parapsychologywith psychologyand in the wayinwhich the history of para-sci- ences was written. As sociologist Pierre Lagrangewrote, the history of para-sci- ences has asingular status in France:

There is, in France, in the field of history of science,aculturalexception. While the Anglo- Saxons are used to make no differencebetween the currentlyaccepted sciencesand those that were rejected during the centuries,likeastrologyoralchemy, between the history of normal sciences and that of ‘pseudo-sciences’ (which actuallyrefers mostlytoknowledge that preceded the appearance of experimental scienceinthe 17th century,i.e.occult philos- ophy), the Frenchseparated the two areas which,therefore, seem totallyunrelatedtoeach other.This phenomenonisfurther reinforced in Francebythe fact that the symmetrical his- tory of accepted and rejected sciences is almost excluded from academic publishers’ cata- logues to end up in esoteric publishing houses.⁶

There is akind of looping effect through which anywork on heterodoxy itself is doomed to marginalisation. The historian of science Dominique Pestre⁷ con- firmed thatthe French had had great difficulty to adapt themselvestothe prin- ciple of symmetry,which brokewith their epistemologicaltraditions. The “strong program” which made the Anglo-Saxon historians ignore the division between “true science” and “false science” had had virtuallynoecho in France. “The French academic community,” concluded Lagrange, “is then behindand even against the current of amovement that, in England and the United States, has profoundlyrevolutionised the history of science for over fifty years. The situation is changingslowly.”⁸ Keeping this differential treatment mayhavemaintained resistances on what para-scienceshavetoteach us. My article is about the boundary building between parapsychologyand aca- demia starting with the ideas of sociologist Thomas Gieryn on boundary-work. In

 Sommer:Crossing, .  Ibid., .  Lagrange: Uneethnographie de l’ufologie, – (translationbyR.E.).  See Pestre: Pour une histoire.  Lagrange: Uneethnographie de l’ufologie, . The Orthodoxization of Psychology in Franceatthe Turn of the 20th Century 175 his book “Cultural Boundaries of Science”,Gieryn defined this process as one conducted “for the purpose of drawingarhetoricalboundary between science and some less authoritative residual non-science”.⁹ Thiscommon practice of the denunciation of pseudo-sciencesisitself closelyscrutinised and therefore regarded with acertain critical distance. Gieryn distinguished threetypes of de- marcation in what he called “credibility contests”:expulsion,expansion, and protection of autonomy. Expulsion characterised the competition between rival authorities which both claim scientific status. In this context,boundary-work becomes ameans to enforcesocial control, punishing transgressions of the sym- bolic boundaries of legitimacy. Expansion is used when rival epistemic author- ities attempt to monopolise the jurisdictional control over adisputed ontological domain. Finally, boundary-work is mobilised to protect professional autonomy against external powers (legislators, corporatism etc.), which attempt to infringe or exploitthe epistemic authority of scientists for their own purposes. In sum, Gieryn introducedplasticity into aproblem that tendedtorigidify,since he de- scribed boundaries of science as being “ambiguous, flexible, historicallychang- ing,contextuallyvariable, internallyinconsistent,and sometimesdisputed”.¹⁰

2The rise and fall of psycho-parapsychology from 1874to1914 2.1 Psycho-parapsychological matrix in the 1870/1890s

There is an etymological ambiguity with the term “psychology” because it really means the “science of the soul”,ofthe psychê,and depends on how we under- stand it.The first use of the term “psychology” in French was in abook on ghosts and other miracles publishedin1588¹¹.Manyspiritists called themselvespsy- chologists.For instance, Allan Kardec’s¹² “Revue spirite” was subtitled “Journal d’études psychologiques” (“Journalofpsychological studies”). The “Scientific Society of Psychological Studies” (1878 – 1883) was indeed agroup of magnetis- ers and spiritists who werevery reluctant whenitcame to practicing science.¹³

 Gieryn: Cultural Boundaries, –.  Gieryn: Boundary-Work, .  See Taillepied: Psichologie.  HyppoliteLéon DenizardRivail (–), alias Allan Kardec, was aFrench educator whobecame the author of five very popular books that systematize “spiritism”.  See Edelman: Spiritesetneurologues, –. 176 Renaud Evrard

What mayberegarded, in retrospect,asausurpation, questions whytoday “the science of the soul” means ascientific and secular approach of behaviors, con- ducts and mental life. From 1874 to 1876,the physicianand botanist Timothée Puel (1812–1890) pub- lished the “Revuedepsychologie expérimentale” (“JournalofExperimentalPsy- chology”), basedonthe modelofAksakow’s “Psychische Studien”.Itwas the firstjournal of itskindatthattime, butitistotally overlooked by historians today. In fact, Puel circumvented theprohibition formulated by the “Academy of Medicine” andmainlydevoted hisjournal to adiscussion of psychicalresearch, next to hisworks on variousforms of sleep, somnambulism,and catalepsy.¹⁴ These ways of using the term psychical, psychological or experimental psy- chologywerevery problematic for some scientists. Thisiswhy the neurologist Jean-Martin Charcot (1825–1893) accepted the presidencyofthe first psycholog- ical society in France onlyifthe word “physiological” was added to its name¹⁵ – even when this short-livedsociety was modelled after the “Society for Psychical Research”,founded in Cambridge in 1882. It covered hypnosis and psychical re- search, two ways to bypassthe academicprohibition. There were alsostudies on altered statesofconsciousness induced by drugs,and some research on “ordina- ry” ,aswemay saynowadays.¹⁶ The “First International Congress of Physiological Psychology” in 1889 was organised by members of this society in Paris, such as Charles Richet, Thé- odule Ribot and Julian Ochorowicz.¹⁷ There was room for psychical researchers: Psychologyhad alarge intersection with parapsychology, both in terms of actors and interests, so thatwecould speak of an undifferentiatedpsycho-parapsycho- logical matrix. But this eclectic and integrative strategy was partlyunsuccessful because the attention giventohypnotism and related subjects was rejected, es- pecially in Germany, wherethis kind of congress was considered heterodox.¹⁸ The “Society of Physiological Psychology” declined dramaticallyafter the 1889 Con-

 See Evrard/Pratte: From Catalepsy to Psychical Research.  See Ochorowicz: Psychologia imedycyna, ;quoted by:Domanski: Julian Ochorowicz.  See Plas: Naissanced’une sciencehumaine.  Charles Richet (–)was aFrench physiologist,laureateofthe Physiology/Medicine Nobel Prize ,and apioneer in manydisciplines,including psychology and what he called “metapsychics”;Théodule Ribot (–)was aFrench psychologist and the first to teach psychology at the CollègedeFrance; Julian Ochorowicz(–)was aPolish polymath whocontributed to manydisciplines, including psychologyand parapsychology,especiallydur- ing his years in France.  See Sidgwick: The International Congress, .See also:Wundt: Hypnotisme et suggestion. The Orthodoxization of Psychology in Franceatthe Turn of the 20th Century 177 gress.Itseems that the emphasis put on the “marvellous” repelled Charcot and its supporters.¹⁹ Asimilar trend can be observedinthe other journals wherepsychical re- search wasdiscussed. During ashort period of approximately tenyears the “Revue de philosophie de la France et de l’étranger”,directed by Théodule Ribot,was the forum for all kindsofpsychology. It was therewhereRichet (1884) published apioneering article on the use of probabilities in the human sciences,applied in an experiment on ‘lucidity’.²⁰ It was there as well that the young Pierre Janet²¹,who later became one of the most famousFrench psychol- ogists, published his first experimental reports on “hypnosis at distance” with the somnambulist Léonie Leboulanger.²² Afterhis first reportthere was awave of works discussing phenomena such as telepathyorlucidity.²³ But the number of papers in this journal, papers which wereopen-minded in their discussion of psychical research, also declined after the 1889 Congress. It wasnot until 1891 and the founding of aspecialised journal by the physiolo- gist and psychologist Charles Richet and the ophthalmologist Xavier Dariex, the “Annales des sciences psychiques”,that these researches found an open forum again.²⁴ Richetconceivedthis journal as “afair balance between the cred- ulity of spiritist journals and the blind ignorance of the collections of official psychology”.²⁵ The “Annales” welcomed testimonies and experiments done by everyone and tried, initially, to avoid adiscussion of theories. Sofie Lachapelle²⁶ has acknowledgedthe journal’sdemocratic nature, navigating between popular science and scholarship. Nevertheless, the “Annales” developed the default of all journals devoted to psychical research:Onlyfew enthusiasts read them. The “Annales” did not address the samereadership as the “Revue philosophi- que” previouslyhad. The gapwidened and fostered the isolation of parapsycho- logical topics from mainstream psychology.

 See Wolf: Brain, Mind and Medicine, –.  See Richet: La suggestion mentale.  PierreJanet (–)was aFrenchpsychologist,philosopher and psychotherapist,spe- cialized in the field of dissociation and trauma memory.  See Janet: Notesur quelques phénomènes; Janet: Deuxièmenote.  See Alvarado/Evrard: Nineteenth Century.  See Alvarado/Evrard: The Psychic Sciences.  Richet: Traité de métapsychique, .  See Lachapelle: Investigating, –. 178 Renaud Evrard

2.2 The tables have turned

German psychology, and especiallyWilhelm Wundt’s(1832– 1920) “Leipzig Lab- oratory of ”,was amodel for French psychologists through its popularisation by Ribot.When Wundt developedhis strongcriticism of psycho-parapsychologysymbiosis in 1892, it wasnot without effects. His criti- cisms were not methodological but mainlyepistemological. Hypnosis and psy- chical research weretheoretical threats for the ordered view of the world that materialism provided. So Wundt accused parapsychologyor“wissenschaftlicher Okkultismus” (“scientific occultism”), the term for such research in Germany at that time, of being “step-children of science”,a“mystical psychology” and an “absolutelypathological way”.²⁷ The “Society for Psychical Research” and its sister-societies, such as the “Society of PhysiologicalPsychology”,weresome of the targets of his anathema.²⁸ Hypnosis and psychical researchwerecon- sidered psychological heterodoxies, because they were “epistemologicallyin- correct”²⁹ as the historian Bertrand Méheust wrote. In his ownway,Wundten- forced aboundary marking of human faculties in order to anticipate the future distinguishing of psychology, perhaps fearing that his ownapproach would become marginalised.³⁰ It was on this occasion that he withdrew altered states of consciousness of his research program to limit it to ordinary states.³¹ In France, Pierre Janet made asimilar turnaround. He did not discuss his own parapsychological experiments in his doctoral thesis³² and, following the advice by Charcot,kept distance from the marvellous.³³ To clear his imageas apioneer of parapsychology, he would even go as farastobecome the champion of scepticism, claiming for example that all mediums werepathological.³⁴ He used in particularacondescending historiographytorelegate magnetists and spiritists to the pre-. Someofhis arguments supported a growingdemarcation between psychologyand parapsychology. His brilliant aca- demic career is inseparable from his role as a “border guard” of psychology.³⁵

 Wundt: Hypnotisme et suggestion, , , .  See Sommer:Normalizing, .  Méheust: Epistémologiquement incorrect.  See Carroy/Schmidgen: Psychologies expérimentales, .  See Kohls/Benedikter: The Origins.  See Janet: L’automatisme psychologique.  See Plas: Naissanced’une sciencehumaine, .  See Le Maléfan/Evrard/Alvarado:Spiritist Delusions and Spiritism.  See Evrard/Sommer: PierreJanet. The Orthodoxization of Psychology in Franceatthe Turn of the 20th Century 179

Some historians spotted thatboth Wundt and Janet had had mystical expe- riences in their youth and later followed apersonal agenda, both in terms of ideologyand career.³⁶ These intellectual conflicts might have laid the founda- tions of atrue boundary-work that Méheust called the “geopolitics of psychism”, whereeveryone was required to takesides, through compromise and trans- actions.³⁷

2.3 The “Fourth International CongressofPsychology” in Paris(1900)

Janetwas the main organiser of the “FourthInternational Congress of Psychol- ogy”,again in Paris in 1900.The congress was very special because throughout the whole section devoted to “hypnotism and related issues” adozen heterodox talks weregiven by leaders of psychical, spiritist,occultist,and theosophical movements. This was in contrast to the threeprevious congresses which had not been as diverse. Although the speakers in the section on hypnotism tried to adapt theirspeeches to the context,they caused astrong reaction in the conference room.Manyattendees demanded the banishment of so-called “spiri- tism”,without giving anymethodological argument.³⁸ The instantaneous vote was not favourable to this banishment,but the following conferences were less tolerant.³⁹ Therefore, it appeared as an implicit rejection in official forums. Despite its limited openness to hypnotism and related issues, this fourth in- ternational congress made the establishment of an internal border inside psy- chologyobvious. The psychic miracles werenolonger the problem of psychology as awhole but onlyofasubsection of it,inadual process of emancipation and evacuation of this topic.

2.4 Paradoxesofthe “Institut généralpsychologique” (founded 1900)

Indeed, at the samecongress Ribot announced the launching of the “Institut psychique international”,soon renamed “Institut général psychologique” (IGP). Janetand Richet accepted to be the two heads of this new scholarlysoci-

 See Sommer:Crossing, –;Ellenberger: Aladécouverte de l’inconscient, .  See Méheust: Somnambulisme et médiumnité, , –.  See Delanne: Le CongrèsdePsychologie.  See Taves: ATale. 180 Renaud Evrard ety,which was fundedbyayoung Russian prince,Serge Youriévitch (1876 – 1969), who interpreted some of his experiencesasparanormal and wanted them to be studied scientifically.⁴⁰ The IGP receivedalotofsupport from elite scientists and soon became the major privatesociety for studying the mind.⁴¹ But the project of this institute was soon “rectified” by Janet – as Régine Plas⁴² noted – to become more “psychological”.Evidence of that is the immedi- ate replacement of the epithet “psychical” by “psychological” in the name of the organization and its bulletin. The members of the IGP came from different backgrounds.Psychologists wereinthe minority⁴³ among physicists, biologists,physicians,and psychical researchers – manyofthem holding prestigious positions in the academic sys- tem. Accordingtothe historian Matthew BradyBrower⁴⁴,they werethe ideolog- ical and institutionalheirsofClaude Bernard, Louis Pasteur and Jean-Martin Charcot.After ayear and ahalf,the IGP had more than four hundred members. Janetdistanced himself from the approach of IGP;hestated that the institu- tion would be too much in favorofthe popularemphasis on the empirical and speculative studies of the paranormal. They would be far outside his own psy- chopathological scope. Subtly, he diverted some resources from the IGP to cre- ate, first within the institution, a “Société de psychologie”,which became inde- pendent in 1904 and later wasrenamed into “French Society of Psychology”. This “Société de psychologie” was autonomous; its members werelimited to forty psychologists (withoutany foreign or psychical researchers) and amore hierarchical structure. The paradoxes of the birth of the IGP were criticised by proponents of psy- chical research:⁴⁵ several issued acall for the creation of agenuine society for psychical research.⁴⁶ But the IGP nevertheless conducted amasterlystudy of the medium Eusapia Palladino⁴⁷,among several other prudent studies.⁴⁸ It was done through asubdivision of the IGP,the “Groupe d’étude des phénomènes psychiques”.Wecan see that parapsychologywas integratedasone of the spe-

 See Youriévitch: Un grand projet français.  See Brower:Unruly Spirits, –.  Plas:Naissanced’une sciencehumaine, .  See Plas: Psychology and Psychical research, .  See Brower:Unruly Spirits, .  See De Vesme: L’Institut Psychologique International.  See Sage: Introduction; Geley:Comment faireprogresser.  Eusapia Palladino (–)was an Italian spiritualistphysical medium whomainlyde- voted her career to the experimental studyofher powers,and convincedmanyscientists,but was also caught manytimes in deceptive trickery.  See Courtier:Rapport. The Orthodoxization of Psychology in Franceatthe Turn of the 20th Century 181 cialty of this institute, in alargerunderstanding of the nature of the mind and its role in nature, adjacent to the studyofmind with animals, social groups,crim- inals, et cetera. Because of its openness and eclecticism,the IGP was disregarded by some psychologists who focused on the study of mental functions along the lines of physiology and psychopathology. The IGP was totallyneglectedbythe history of psychology; at best,its work was reduced to some “amateur” psychology.⁴⁹ It is as if, at thattime, two psychologies co-existed: One thatachievedits inte- gration in academic institutions and later became official psychology; the other being confined to the activity of this scholarlysociety.Onlythe latter tried to integrate psychical research with all the difficulties we have just seen.

2.5 Metapsychics: An autonomous discipline

The disappointment of the IGP made Richet drop his project of the integration of parapsychologyinto psychology. In 1905,hecoined the term “metapsychics” duringhis presidential address at the “Society for Psychical Research”.Richet had felt that the integration of what we called psycho-parapsychologywas dif- ficult,but at the international conferences in 1892and 1905 he asserted that psy- chical research was the future of psychology, the field in which psychology would make major discoveries about the nature of mind.⁵⁰ As psychologists seemed to turn away from this ambition, he was forced to createanautonomous discipline devoted to the exploration of the field. That same year,Richet publishedthe results (includingstereoscopic pic- tures) of an experimental studyofectoplasmic materialisations inside the villa Carmen in Algeria.⁵¹ Some journalists published false interviews of Richet stat- ing that he believed in ghosts.⁵² Some of his colleagues were solicited to judge the case on the basis of incompleteorfalse information, as the scientific com- munity was forced to take position against this “return of obscurantist supersti- tions”.Thisscandal completelydiscredited Richet and metapsychics.⁵³ It was a

 See Plas: Naissanced’une sciencehumaine, .  See Richet: L’avenir de la psychologie ( and ).  See Richet: De quelques phénomènes.  Amendingletterpublished by Richet in several journals,quoted in: Delanne:L’Enquête, .See also:Evrard: La légende de l’esprit.  See Le Maléfan:Lapsychopathologie. 182 Renaud Evrard critical period wherethe expertise of the gentleman savant gave waytoanother relationship between public and science.⁵⁴ One of the non-intended effects of the self-demarcation introduced by Richet was that this emancipation was coupled with an evacuation. Psychologists and physicians did not onlycriticise Richet but acted as if psychical research had not concernedpsychologists for decades.Historians often described Richet onlyasanadvocate of metapsychics, forgetting that he was first of all apioneer of French psychologyamid numerous scholars interested in the scientific ap- proach of psychic miracles.⁵⁵ In doing so, still todaythey reinforce the demarca- tion established by Richet which built an external frontier between psychology and metapsychics. This example shows thatboundary work could also be done by the ‘excluded’,marginalised science,i.e.both demarcations overlapped and made the border so intransigent.However,partlybecause of Richet’sscien- tific reputation and the good reputation of his supporters,the controversy con- tinued with apartial overlapbetween psychologyand metapsychics for the next two decades.⁵⁶ The rejection of metapsychics was still implicit and occurred primarilyinanon-official manner,through the press or behind the scenes of journals and organisations.

2.6 Boundary-work by HenriPiéron after the turn of the century

One of the chief architects of the radical demarcation between scientific psychol- ogyand so-called pseudo-scientificmetapsychics was Henri Piéron (1881–1964). It is not atrivial fact thatPiéron was also instrumental in the professionalisation and institutionalisation of French psychology.⁵⁷ Although initiallyhewas Janet’s secretary, he accompaniedthe “physiological shift” of “modern psychology” with agradual rejection of hypnosis,theories of thesubconsciousand metapsychics.⁵⁸ He worked hard to increase therecognition of psychology as alegitimatescience, in particular when he launched an investigationintothe N-rays⁵⁹,where he even- tually concludedthatthese pseudo-phenomena were theproductofacollective

 See Bensaude-Vincent: L’opinion publique.  See Hacking: Telepathy.  See Marmin: Métapsychique et psychologie, .  See Regards sur Henri Piéron.  See Dumas:Traité de psychologie.  N-rays wereahypothesizedform of radiation, described by Frenchphysicist René Blondlot in ,and initiallyconfirmed by others,but subsequentlyfound to be illusory. The Orthodoxization of Psychology in Franceatthe Turn of the 20th Century 183 suggestion.⁶⁰ He believed fundamentallyinthe social functionsofpsychology, amongthemthe struggle againstfalse beliefsand pseudo-sciences.⁶¹ From 1901 to 1924 Piéron conductedmuchresearchonthe normal explanations of paranor- malexperiencesorevents. Together with thepsychologistNicolas Vaschide (1874– 1907)heexplained propheticdreamsthroughparamnesia,⁶² telepathic hallucina- tionsthrough “intellectual harmony”.⁶³ He wasthenanactivememberofthe “So- ciétédepsychologie” inside theIGP.AfterWorld WarIhe collectedsomecollea- gues to organise committees of renowned scientists whostudied controversial phenomena, like extra-retinal vision or ectoplasmy.⁶⁴ As they didnot getany pos- itive results, they concludedsystematicallytofraud.These conclusionsfuelled the media, whichbecameveryhostile towardsmetapsychicsinthe “Roaring Twenties”,⁶⁵ as if they wanted to signifythatRichet’sscientificenterprisehad lost the “credibilitycontest”. This boundary-work of expansion was also very apparent in the journal “L’annéepsychologique”,ofwhich Piéron became director in 1912.In23issues of this yearlyjournal he established asection “Metapsychique”,whereheand his colleagues reviewed aselection of parapsychological studies in France and abroad. They focused mainlyonfrauds and alternative explanations.Although they sometimes encouraged these studies, usually they simply assertedthat the collected evidence could not be taken seriously.Despitethis critical attitude, it wasthe onlypsychological journal of the time that devoted such aregular at- tention to this border area.

3Post World WarI

3.1 The “Institut métapsychique international” (1919)

In 1919 the “Institut métapsychique international” (IMI)was founded as aprivate research foundation devoted to metapsychics.⁶⁶ This foundation was mainlythe project of Kardecian spiritists who wereconvincedthat their beliefs should be

 See Piéron: Grandeur et décadencedes rayons N.  See Parot: Psychology Experiments.  See Vaschide/Piéron: La psychologie du rêve.  See Le Maléfan:L’hallucination télépathique ou véridique; Le Maléfan: Leshallucinations tél- épathiques.  See Lapicque: Surune prétendue vision; Lapicque/Dumas/Piéron/Laugier: Rapport.  See Sudre: La lutte pour la métapsychique.  See Lachapelle: Attempting Science. 184 Renaud Evrard based on scientific evidence. The spiritists wereextremelydisappointed with the approach of the former IGP wherepsychical research finally occupied onlya marginal place compared to the initial project.They wanted to operate in the context of an autonomous institutethat did not depend on cooperation with aca- demic psychologists.⁶⁷ Richet joined the project of the IMI, but onlyasanhonorarypresident at the beginning.The first president wasRoccoSantoliquido (1854–1930), an Italian physician and politician who was introducedtospiritism through his family. The first director wasthe physician Gustave Geley(1868–1924), aformerspiritist who showed some skills for experimental research with mediums. The patron was Jean Meyer (1855–1931), awealthywine merchant who devoted part of his money to revive Kardecian spiritism. Due to his financial contributions,the IMIcould payone secretary,one director,and mediums from all over Europe. They had an entire building with awell-equipped laboratory,aconference room and alibrary.The institute immediatelyobtainedthe status of public util- ity,and with this recognition the IMIwas full of promises for futureyears. Itsbe- ginningswereinternationallywelcomed and werefollowed by numerous collab- orations with foreign researchers and subjects. In the 1920s, metapsychics flourished on both scientific and cultural levels. But its results, publishedinthe “Revue métapsychique”,weremainlydiscussed in the press (and not in academia). The public still had trouble distinguishing between spiritism and the scientific aspiration of metapsychics. With the death of its patron Jean Meyerin1931the IMI faced the end of its financial support.The institute never regained its balanced budget. The main protagonists wereobliged to create asister-association, the “Society of Friends of IMI”,tocollect some financial and human resources. This was achieved by de- veloping apopularapproach (through lectures,courses,experiments,and pop- ularisation) over their scholarlyapproach.⁶⁸ The IMIhas surviveduntil today, but with low dynamics in research and onlyasmall network. It is still the expert cen- tre for parapsychologyinFrance. But most of the (French) academics and profes- sional researchers who collaborate (want to)remain anonymous.

 See Archives of the “Institut métapsychique international” (IMI), Box ,File .  See Lachapelle: Investigating. The Orthodoxization of Psychology in Franceatthe Turn of the 20th Century 185

3.2 Professionalisationofparapsychologyand skepticism

At the peak of IMI, Eugène Osty (1874 – 1938), its second director,complained in 1927 about the heterogeneity of the speakers at the “Third International Congress of Psychical Research” in Paris. Santoloquido, who at that time was workingat the LeagueofNations at Geneva, decided to support Osty’sinstitutional am- bition.⁶⁹ He created the “Centre permanent de conférences et congrès internatio- naux de recherches psychiques” (1928). It was an attempt to professionalise the field of parapsychologythrough an improvement of the standards. The Center re- lied mainlyonacademics like the Swiss psychologists Carl G. Jung and Edouard Claparède rather than on expertsfrom the field. Osty alsoattempted to convince the German biologist and philosopher Hans Driesch to participate:

We cannot be perpetually condemned to contend with congresses where anyone can come and sayanything, the lack of scientific direction condemningittoincurablemediocrity, under the pretext of competition, schism or other myths.Ifwewant metapsychics to finally be accepted as asciencebythe scientific world, let us have the courage to create something that is rigorous scientific work. The Genevan creation has the ambition to be avery serious organisation attracting onlygenuine competencies.Itdoes not replicatewhatexists.Itdoes not wish in anyway that the present congresses be eliminated.⁷⁰

The Center met with resistanceand jealousies. Other researchers did not appre- ciate the competitor from the inside, this new internal boundary:Who was to de- cide – and accordingtowhich criteria – about one researcher being an amateur and another one being professional?Was it necessary to give this responsibility to an elite of researchers who werefar from being representatives of the various trends?Finally, the first international congress in the new format was canceled, and the Center was dissolvedafter the death of Santoliquido in 1930.This step to- wards (international) professionalisation was prematureand was finally made possibleonlyin1957 with the creation of the “Parapsychological Association” in the United StatesofAmerica.Such arecursive process of drawinginternal boundaries could be seen as asign of the field’smaturation. Anthropologist David Hess⁷¹ has shown that parapsychologists,skeptics,healers, etc. weresys- tematicallyusing the samerhetorical strategies in their internal demarcation processes, the samemodels and culturalvalues, despite all the differences dis-

 See Osty:Leprofesseur, – (translation by R.E.).  Letter to Hans Driesch (which, although it is not signed, followingits diction and handwrit- ing appears to be from Osty), July , .In: ArchivesIMI,Box ,File .  See Hess: Scienceinthe New Age. 186 Renaud Evrard playedbetween the groups.Thisprocess, by which each group redefines within itself what is true and what is false, what is orthodoxand heterodox, reflects ex- ternal demarcation processes. Also in 1930,some sceptics founded the “Union rationaliste”,the first group entirelydevoted to the criticism of pseudo-sciences.⁷² They receivedthe support of alot of mainstream scientists, includingPiéron and his close colleagues, and even Richet.Soon, the organisation’smembership was growing, with more than 2,000 members after twoyears. This new playeropenedupanew ‘professional’ dimension in the struggle against pseudo-sciences and is the ancestor of manysimilar groups founded after World WarII.⁷³ It helped to enhance the external boundary between scien- tific psychologyand metapsychics. The usual arguments of the sceptics were based on aconfusion of all “paranormal” domains: Metapsychics was put at the same level as astrology,chiromancy, hypnotism, and psychoanalysis.Only little research was done, mostlyonmarginal aspects like astrology or dowsing. Misinforming the public about the state of researchand discreditingtheirpropo- nents were(and are still) common practices. AccordingtoBertrand Méheust⁷⁴,these sceptical organisations acted like an intellectual police, which established asanitary cordon to protect the ortho- doxdisciplines and their institutions. It became more and more difficult for re- searchers in France to simultaneouslypursue an academic career and research border areas.This could be seen as astep forward towards the protection of the autonomyofpsychology, since this discipline wasthereforeanintegral part of the academic community that denounced pseudo-sciences.

4Post-World WarII

With the death of many of its famousproponents (Richet,Osty,Bergson) and the changeofintellectual interests, the field of metapsychics retreated to the back- ground. It is worth having alook at the severalnew arrangementsbetween sci- ence, French society,and the paranormal after1945.

 See Lagrange:Union rationaliste.  ForaGerman example :See Martin Schneider’scontribution in this volume.  See Méheust: Somnambulisme et médiumnité. The Orthodoxization of Psychology in Franceatthe Turn of the 20th Century 187

4.1 The “Psyché group”

Immediatelyafter World WarII, metapsychics became more and more ataboo science, too subversive to be discussed at an academic level. An example of that is the fate of the “Psyché group”,foundedin1946inParis by the psycho- analyst Maryse Choisy⁷⁵.The “Psyché group” developedasyncretism of Jungian and Freudian psychoanalysis,occultism and metapsychics. In April 1949,a group of Paris-based psychologystudents started arebellion against this “un- healthyand pseudo-scientificliteraturewhich causes an unfortunate confusion of psychological science and fraudulent practices”,⁷⁶ in ajournal which later be- came the “Bulletin de psychologie”.Choisy made alibel suit,but the students receivedthe support of theirprofessors,including Piéron. She lost her case and manyofher supporters.Inher memoirsshe described how this potentially fertile intellectual alliance with heterodoxy became such ataboo.⁷⁷

4.2 Fantastic realism: culturalreappropriation

Indeed, the exploration of boundary sciencesbecame amatter of marginalre- searchers.During the 1960sthe movement of “Fantastic realism” was launched through the publication of “Le Matin des magiciens” (1960)⁷⁸ and sustained in the journal “Planète” (1961–1968, 41 issues). It showed interest in the frontier areas of humanity(and the humanities): super-powers, forgottencivilisations, extraterrestrial civilisations, and heterodoxsciences (such as parapsychology), but alsofantastic literature, sexuality and eroticism, or social issues weresubject matters.The aim was to awaken the curiosity of the public rather than providing aclosed dogma. This eclecticism provided aunique forum for various kinds of researchers and topics. There was no methodological framework: justakind of “naturalistic journalism of marvelous things”,with its own aesthetics and very few ad- vertising.⁷⁹ The book and the journal had ahugeand quick success: Five hun- dred thousand copies of the book weresold in five years (and two million,

 Maryse Choisy (–)was an atypical journalist,prolific writer,and psychoanalyst, and ended her life tryingtocreate an allianceofall religions.  Quotein: Ohayon: Maryse Choisy et Psyché.  See Choisy:Sur le chemin de Dieu.  See Pauwels/Bergier:Lematin des magiciens.  See Renard: Le mouvement Planète;Cornut: La revue Planète. 188 Renaud Evrard until now); the journal “Planète” had acirculation of one hundred thousand in its best years, and manyreissues appeared. Though, the rise of fantastic realism sparked great controversy.People of the “Union rationaliste” claimed it was an intellectual imposture.⁸⁰ In addition to striking errors,the fantastic realistic literature contained fictional inventions mixed with verified information, which maximised the confusion. The critics suc- ceeded in labeling “Planète” and fantastic realism as being heterodoxand made it an unsuitable subjectfor serious (or academic) discussion. Again, the rejection of the subversive discourse of fantasticrealism had adefensive function, be- cause it basically attacked all forms of institutionalisation and dogmatism, espe- ciallyinthe sciences. As aresult, manyofthe researchers comingfrom these in- stitutions used pseudonyms, such as the biologist RémyChauvin (1913–2009) who playedakeyrole in anew episodeofthe interactions between psychology and parapsychology.

4.3 The “Groupe d’études et de recherches en parapsychologie”

Like many others, initiallyChauvin published his parapsychological research under apseudonym to avoid academic disqualification.⁸¹ But he also tried to at- tract students to this field of research. In fact,in1968 Chauvin movedfrom his position in Strasbourgtobecome aprofessor at the University of Nanterre(Paris X), in order to teach students with an interest in experimental parapsychology, which at thattime wasrevivedinthe United States by J. B. Rhine’s “Parapsychol- ogyLaboratory” at Duke University.This growinginterest in parapsychologyat universities emergedinthe context of May1968, the most important social move- ment in France in the second half of the 20th century.Launched by arevolt of Parisian students, the crisis was at once cultural, social and political.The move- ment started at the University of Nanterre, before spreadingtootheruniversities. Accordingtosociologist Jean-Bruno Renard,⁸² the fantasticrealism of the early 1960s somewhat prepared the culturalcontestation of May1968. And we may see one of its effects in the new parapsychological group developed during this transition period.

 See Galifret: Le crépuscule des magiciens.  See Evrard: Obituary.RémyChauvin.  See Renard: Le mouvement Planète. The Orthodoxization of Psychology in Franceatthe Turn of the 20th Century 189

Agroup of psychologystudents from the University of Nanterreasked for parapsychologycourses.They faced the opposition of their professors who rejected their request on the basisoffallacious arguments and an absoluteigno- rance of foreign research. After this rejection, the studentscreated atransdisci- plinary associationwith benevolent members: the “Groupe d’études et de re- cherches en parapsychologie” (GERP,1971). RémyChauvin was extremely importantinlaunching this group. It was rather an intellectual forum than an organisation devoted to experimental research.⁸³ From 1972 to 1975 Chauvin clan- destinely taught courses on “methodologies in parapsychology” at the IMI, in order to shape the minds of these students. But they followed their ownpaths and went far away from the Rhinean paradigm or academic parapsychology. Manyofthem later became lecturers or teachers at universities and high schools themselves, but their courses on parapsychological topics wereshort-livedand still marginal.

4.4 Varieties of organisations

All in all, after World WarIImanyparapsychological groups appeared and dis- appeared in France. None of the institutionalisation attemptswerepermanently successful. Most of these groups had aheterogeneous membership of both schol- ars and laypeople.They remained marginal, regardlessofthe quality of their work. Almost all of the groups failed to studyparapsychologyasawhole and focused mainlyonone kind of paranormal experience or one aspect of experi- mental research. Often they developed an alliance with related fields like psy- choanalysis,esotericism, occultism, psychotronics etc., which often led to confu- sions. In the 1970sthe GERP attempted to unite all these groups,which proved difficult because they weretoo looselystructured. Most people in the scene wereunpaid volunteerswho werepassionate about their subject but mainly treated it as ahobby.All groups had recurrent financial and institutional prob- lems. Therefore, they did not have the power to reverse the academic demarca- tion and make parapsychologyalegitimate science again.

 Evrard: Parapsychology in France. 190 Renaud Evrard

5Conclusion

The professional identity of the young academic discipline of psychologywas stronglyaffected by this geopolitics of psychism. Initiallymodern psychologists focused on mental phenomena inside the brain and not on other formsofcollec- tive,animal, or parapsychological manifestations of the mind, as did an alterna- tive group such as the IGP in the 1900s. Aboveall, the earlypsychologists stra- tegicallyrejected the belief systems that did not fit to the dominating materialist paradigm of their time, in favorofanacknowledgment of theirdiscipline. We can consider that the institutionalisation of psychologyismarked by this trend of “orthodoxization” which pushed psychical research to the margins. Originally, in the 1880s until the turn of the century, French psychologywas not distinct from parapsychologyand thereforeIcoined the term psycho-parapsy- chology. But the establishment of internal and external frontiers produced the divisionthat we now know.The creation of aheterodoxy wasagreat help to en- hance the recognition and professionalisation of modern psychology, as several historians have alreadysuggested.⁸⁴ But this ‘scarecrow function’⁸⁵ is not the onlyone playedbyparapsychology. We can distinguish six functions of hetero- doxy,from the most regressive (or conservative)tothe most progressive ones, de- pending on the wayitseems to have contributed to science. Additionally, these functionsare divided into a ‘negative’ and a ‘positive’ group, depending on whether one perceivesheterodoxcontributions to science as being indirect or di- rect.Whereas the negative functions are all based on the (widespread) assump- tion that parapsychologyis(indeed) apseudo-science, the positive function’s underlying messageisthatthe discipline acts (at least) as aproto-science.

5.1 Scarecrowfunction

Methodological pitfalls of parapsychologyservedasaninverted model for psychology.⁸⁶ The active criticism of the parapsychological scarecrow became

 Coon: Testingthe Limits;Marmin:Métapsychique et psychologie.  The Scarecrow (Dr.Jonathan Crane) is afictional supervillain, the type of amad scientist, appearinginAmerican comic books sincethe s, commonlyasanadversary of the super- heroBatman. As aprofessor of psychologyand psychiatry,heuses avariety of fear-enhancing drugs,toxins,and psychological warfaretactics to exploit the fears and phobias of his adversa- ries.  Marmin: Métapsychique et psychologie en France, –. The Orthodoxization of Psychology in Franceatthe Turn of the 20th Century 191 afoil for psychology. This effect is similar to the “straw man argument fallacy” based on the false representation of an opponent’sargument (parapsychology= scarecrow). This applies clearlytothe historiography written by Janetwho placed magnetists,spiritists, and psychical researchers in the pre-history of psy- chology, as akind of childhood disease or immaturity period of psychological science.⁸⁷

5.2 Function of controlgroup

Allan Crossman⁸⁸ recentlydiscussed parapsychologyasa“control group” for science. He recognised that parapsychologymay looklike alegitimate scientific enterprise and not always as an easy-to-dismiss pseudo-science. But,according to him, even if this discipline accumulates all the attributes of other established disciplines, follows the standardsofscientific practice, maintains aself-critical community,publishes in peer-review journals, and so forth – still this would not make it agenuine science. In the eyes of skeptics and advocates of ‘normal sci- ence’,this would onlyshow thatthe scientificsystem still has flaws, interstices that allow the most skilled and relentless pseudo-scientists to simulate scientific practice. Crossman implies that the positive results of parapsychologycannot be true because of theirsupposed “impossibility”,the fact thatthey are presented as such indicates the existenceofthese gaps to be filled. He invited conventional scientists to improvetheir procedures, to achieveaperfection whose validation will requirethe nullification of parapsychological results through the same pro- cedures.This is one of the reasons whyparapsychologyhas pushed to introduce the double-blind protocol, statistics, randomisation, expectancy and experi- menter effects, retrospective and prospective meta-analyses,⁸⁹ and recently, the valuation of the Bayesian approach against too permissive parametric statistical analyses et cetera. This function is slightlymore rewarding than the last.

 See Evrard/Sommer: PierreJanet.  See Crossman: Parapsychology.  See Watt:  Presidential Address. 192 Renaud Evrard

5.3 Function of ‘broom wagon’

In his doctoral thesis the historian Nicolas Marmin presented metapsychics as a “fruitful impasse”⁹⁰ from which psychologists did not return empty-handed. He supposed that metapsychics worked like abroom wagon in acycling race, in charge of recovering those who are toomuch behind the pack or forced to give up.⁹¹ AccordingtoMarmin, parapsychologyretrieves the “objects” that psy- chologydoes not want or cannot handle until it is able to do so. Forexample, “lucid dreams” were studied in aparapsychological framework before becoming afull-fledgedobject of psychologyinthe 1980s, with the physiologicalcorrela- tions of lucidity during dreams.⁹² Heterodoxy seems to be the marginal laborato- ry installed in the border areas,whererejected and prematureknowledge inter- mingle.

5.4 Function of subversion

Among its positive functions, heterodoxy would exist to challengeindividuals, to test the supposed acquiredknowledge,todestabilise the dogmas in order to encouragescientific progress.The goal is not necessarilytomake arevolution by overthrowing orthodoxsystems, but to avoid the freezingofabodyofknowl- edge.Inthe words of the Nobel Prize LaureateinPhysics Richard Feynman: “Sci- ence is the belief in the ignorance of experts.”⁹³ Thesubversive function of het- erodoxy supportsthe idea that the scientist has to learn from the profane, contrary to the ideologyofthe Great Divide.⁹⁴ This function is also basedon the self-correctingprocess at the hearth of science and on the belief in the su- premacyoffacts over theories.

 Marmin: La métapsychique.  The broom wagon (“voiture-balai”/“Besenwagen”)isthe name for the vehicle that follows a Cycle Road Racepickingupstragglers (or ‘sweeping’ them up) whoare unable to makeittothe finish of the race within the time permitted.  See LaBerge/Gackenbach: Lucid Dreaming.  Feynman: What is Science, .  See Lagrange:Une ethnographie de l’ufologie. The Orthodoxization of Psychology in Franceatthe Turn of the 20th Century 193

5.5 Function of touchstone

Louis Favre, apsychologist and parapsychologist from the IGP,showed that research in heterodoxareas is relevant for testingthe strengths and shortcom- ingsofavailable scientific methods of orthodoxfields. Being confronted with heterodoxy would be an “excellent training”,atouchstone, for the formation of scientificthought.⁹⁵ It would revealifagenuine scientific attitude is applied or if extra-scientific biases distort it.Favre observed that many establishedscien- tists failed to applyarigorouslyscientific perspective in these areas because of personal,economic or social prejudices.What is happeninginthis zone of tur- bulence reflects the psychological and social investment of orthodoxy.This func- tion helps to see what is reallybehind the usual rhetoric of openness,truthful- ness, and disinterested and dispassionate scientific practice.Itisnot uncommon that deeppersonal beliefs are hidden behind masks of scientism; so science is also the homeofmanyworldviews and ideologies.

5.6 Function of pathfinder

The most progressive functionofheterodoxy would not situate parapsychology as afield of knowledge as such but as the front line of the orthodoxdomain, or even the scout,the pathfinder,penetratingenemylines. Favre, again, rede- fined parapsychologyasthe scientific studyofall anomalies. This studyshould not focus onlyonnew revolutionary phenomena, but also on pathologies,illu- sions, frauds etc., which might explain these strangephenomena.⁹⁶ This study, now called “anomalistics”,must retain its subversive dynamic, its principle of innovation that leavesthe door open to exceptions, which should not be per- ceivedonlyasnuisances.This is the price to be paid for integrating the study of anomalies into the process of scientific discovery,despite the resistances and dogmatic trends of “normalscience”. “Anomalistic psychology”,⁹⁷ currently developing outside France, often has this pathfinder function.⁹⁸

 See Favre:Pourquoi il faut étudier les phénomènes psychiques.  See Favre:LaplacedelaMétapsychique.  See Mayer/Schetsche/Schmied-Knittel/Vaitl: An den Grenzen der Erkenntnis.  See Watt:  Presidential Address. 194 Renaud Evrard

5.7 Sixfunctionsofheterodoxy

Ultimately, these six functions of heterodoxy can be schematicallyopposed in pairs, depending on whether one considers the contributions of heterodoxy to orthodoxy to be ‘positive’ (direct) or ‘negative’ (indirect) and its functions to be more or less ‘progressive’ or ‘regressive’ for the further development of sci- ence. These functions deal with three fields (knowledge,practices,and domains) wherethe negative view createsastrongdemarcation or hierarchywhile the pos- itive view defends compatibility instead of demarcation.

Figure 1: Sixfunctions of heterodoxy

Thus, the function of “scarecrow” highlights orthodoxknowledge through its de- marcation from heterodoxy,while the function of “subversion” plays with the same demarcation to show the heuristicvalue of heterodoxknowledge.The func- tion of “control group” is based on the assumption of the pseudo-scientificna- ture of heterodoxy,while the functionof“touchstone” is basedonthe fact that nowherethe scientificpractice is better thanaresearcher’sscientific behaviour in aheterodoxfield.Finally, the function of “sweep vehicle” describes the neg- ative role of recycling abandoned phenomena, while the function of “pathfinder” praises this exploration of margins, beyond the known, because it can resultin the introduction of the jewels of anomalies, of new subjects in the canon of com- mon knowledge. At each level heterodoxy is considered either to be incompatible (negative contributions) or compatible (positive contributions) with orthodoxy.Each side mayrepresent what Lakatos called a positive heuristic (what to look for and by which methods) and a negativeheuristic (the areas whereone should not look and the methodsone should not use).⁹⁹ Dependingonthe chosenperspective, parapsychologycan be in one or the other position with respect to psychology.

 See Lakatos: Falsification. The Orthodoxization of Psychology in Franceatthe Turn of the 20th Century 195

However,with hindsight,these two heuristics appear to form aunique research program, that of apsycho-parapsychologyhaving the mind as its object of study. These six functions of heterodoxy must not cover all possibilities – parapsy- chologist Mario Varvoglis even described parapsychologyasan“epistemological transformer”¹⁰⁰ that can changethe very wayofdesigningthe rules of the scien- tific method, as with the inclusion of the “psi experimenter effect”–but they show the wide variety of approaches at these issues, respectingthe symmetry be- tween the regressive and progressive views on this topic.

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Júlia Gyimesi The Institutionalisation of Parapsychology in Hungaryinthe 20th Century

1Introduction

The aim of the here presented paper is to outline and interpret the evolution of psychical research, metapsychical research and parapsychologyinHungary, and to understand the historical, political and scientific influences that deter- mined the development and institutionalisation of the above-mentioneddisci- plines. In the second half of the 19th century,like in other European countries, spiritualism and thus-connected modern occultculturalphenomena caused re- markable stir in Hungary.Inthe 1870sthe growingnumber of spiritualistséances and mediums, the popularpractice of animal magnetism established institution- alised spiritualism and laterattracted attention to the necessity of scientifically oriented research in the field.However,spiritualism in Hungary wasmuch closer to religion thantoscience, thereforeinthe eyes of most of its representativesthe objective,systematic research of the nature and validity of spiritualistic occur- rences remained marginal. Nevertheless, therewereseveral efforts to establish scientificallyoriented spiritualisminHungary that proved to have far-reaching consequences. The objectiveofthe paper is to give adetailed overviewofthe processofinstitutionalisation of parapsychologyinHungary by outliningthe evolution of spiritism, scientifically oriented spiritualism, earlypsychical re- search and metapsychical research in Hungary.Afurther objectiveofthe paper is to highlight the specific culturaland political influences thatlimited the development of Hungarian parapsychology. Besides, aparticularfocus will be on those researchers, societies and effortsthat represented outstanding con- tributions to the international network of psychical research and earlyparapsy- chology.

2SpiritisminHungary from the 1870s on

When the first spiritualistic society,the “Budapest Association of Spiritual Inves- tigators” (“Szellemi Búvárok Pesti Egylete”), was founded in Hungary in 1872,the representativesofthe Association aimed at researching spiritualistic phenomena

DOI 9783110466638-008 202 Júlia Gyimesi in the framework of historical, psychological and natural sciences.¹ Similarto the representativesofspiritualistic movements in Europe and the United States, their primarypurpose wastoaugment the evidencesofthe resurrection of the human spirit after bodily death.However,the objectives of the “Budapest Asso- ciationofSpiritualInvestigators” were accompanied by strongly emphasised moral elements: they wereconvinced that the acceptance and investigation of spiritualistic occurrences would lead to the moral perfection of humanity.² Although the idea thatspiritualism willcontributetothe moral evolution of humanity and thus to the introduction of anew spiritual and humanistic worldview was rather typical of several branchesofWestern spiritualism,too,³ the much emphasised moralframework led to specific consequences in Hungary. Firstly, compared to German, English or Americanspiritualistic societies, the sci- entific experiments on spiritualistic phenomena wereless emphasised in the ac- tivities of the “Budapest Association of Spiritual Investigators”.Secondly, the aim of moral perfectioncould easilybelinked to religious contents and practi- ces.These contents in Hungarian spiritualistic circlesoriginatedprimarilyfrom the kind of spiritism described by Allan Kardec.⁴ The founders of the “Budapest Association of SpiritualInvestigators”–such as the medium Baroness Adelma Vay(1840 –1925), her husband, Baron Ödön Vay, and the physician Adolf Grünhut (1826–1906) – weredeeplyinfluenced by Kardec’sworks.⁵ The strong religious, Christian elements of Hungarian spiritualismhad far-reaching conse- quences;spiritualisminHungarywas soon identified as “evangelistic spiritism”.⁶

 NationalArchives of Hungary,IDnumber:  (K-, /, , ,n.a.).  See Grünhut: Essays;Pataky:Introduction; Vay: Spirit; Wolkenberg: The Past.  See Doyle: The History;Lachapelle: Investigating;Monroe: Laboratories;Owen: The Place.  Allan Kardec is the pseudonym of the French educator Hippolyte LéonDenizardRivail (–). He is the author of the “Spiritist Codification”,aset of books allegedlydictated by spirits to Kardec between  and .  See Grünhut: Essays;Pataky:Introduction.  Although in Hungarian everydaylanguagethe word spiritism referred to both spiritism and spiritualism, it was Adelma Vaywho – followingKardec’stheory – illuminated the true content of Hungarian spiritismquiteearly: it was aphilosophyemphasizingimmortality,reincarnation, the divine mission of Jesus and the unity between livingpeople and the world of spirits (see Vay: Aeons). The term ‘evangelistic spiritism’ refers to the claim that true spiritism is based on the gospel of Jesus Christ.The religious background of spiritists in Hungary was not emphasized in their activities (Adolf Grünhutwas Jewish, Adelma VayCatholic by origin); all of them fol- lowed the interpretations of the Gospel communicated through the trance-mediums of the Soci- ety (e.g. medium Eszter). As elsewhereinEurope, the Catholic Church attacked spiritism in Hun- gary, too. Even Adelma Vaywas assaulted: as aresult,she gave up Catholicism and joined the The Institutionalisation of Parapsychology in Hungaryinthe 20th Century 203

After twoGerman-languagejournals had been published by the Associa- tion – the “Reflexionenaus der Geisterwelt” (“Reflections from the World of Spi- rits”)which was published from 1873,followed by the “Reformierende Blätter” (“Reforming Papers”)in1878 – the Association started its popular Hungarian- languagejournal, the “HeavenlyLight” (“Égi Világosság”)in1898, and contin- ued to publish it uninterruptedlyuntil 1944.The editors of the journal – e.g. Adolf Grünhut⁷ or TituszTóvölgyi (1838–1918) – published mainlymediumistic messages based on the accounts of several well-known trance mediums. Reports on scientific experiments concerning spiritualistic phenomena wererather rare in the journal, although the editors oftenreferred to the results of Western spi- ritualismrevealedbyAlbertvon Schrenck-Notzing or Carl du Prel. Interestingly,from 1905 onwards the leadership of the Association was taken over by trance mediums. The Association wasgoverned by József Merényi (known as medium József), Andor Havas (the editor of “HeavenlyLight”)and Béla Rohay(known as medium Béla) until 1925.When Andor Havas died in 1925,Pál Pátkai (known as medium Pál) became the editor of the journal and the secretary of the Association until his death in 1942. In the 1940s asplit emergedinthe Association: the followers of medium Béla and the group of me- dium Eszter (Mrs. MihályBőhm nee Eszter Papp) separated.⁸ Medium Eszter proved to be adecisive figure of the Association; her mediumistic messages wereextremelypopular.The messages of the “Anonymous Spirit” who commu- nicated through medium Eszter werepublished in severalvolumes aiming at in- fluencingbothspiritists and sceptics:

Do not expect either scientific explicationsorreligious philosophies; do not wait for sunshine,but asmall pinking oil lamp, filled with the oil of the eternal light,givingenough light for the rambling, errant spirit to find the peaceofhis heart and amustard-seed of his faith in eternal life, which – if he develops and feeds it on his own will – will grow into a giant tree by the experience.⁹

Calvinist Church (Pataky). However,her Calvinist background was not specificallyemphasized in her spiritist activities.  Adolf Grünhut (–)was aHungarian physician and spiritistand – alongwith Adel- ma Vay – is called the foundingfather of Hungarian spiritism. Duringthe Hungarian Revolution and WarofIndependence in – he was serving with the armyasamilitary surgeon and used animal magnetism for his practice.Inspiredbyhis experiences with animal magnet- ism, he later turned to spiritism and founded the “Budapest Association of Spiritual Investiga- tors”.Hewas the editorofthe journals “Reflexionen ausder Geisterwelt”, “Reformierende Blätter” and “Égi Világosság”.  Pataky:Introduction.  Anonymous Spirit: Religion, . 204 Júlia Gyimesi

Pál Pátkai wroteanenthusiastic prefaceto“The Manifestoofthe Anonymous Spirit” of 1929 – afairlyclear expressionofthe moralising tendency in Hungar- ian spiritism:

This is anutriment for starvingand thirsty souls,for those whoare worryingabout their own fallibility,imperfectness and inclinations towards different kinds of sins.For those whowish to become abetterperson todaycompared to whothey were yesterday, and abet- terperson tomorrow compared to that whothey aretoday;for those whoare on their wayto the recognition that thereisonlyone true valueinthe world, one goal, one happiness:serv- ing the principle of Good, of Christ; anythingelse is onlyanepisode, an intermediatesta- tion for the purpose of gainingexperience leadingtothe recognition of this onlygoal.¹⁰

Pátkai’swords reveal very preciselythe basic endeavor of the “Budapest Asso- ciationofSpiritualInvestigators”:the moral perfection of humanityinaunified Christian faith. This moral, religious feature of the Association had far-reaching consequences regardingthe emergence and evolution of psychical research or parapsychologyinHungary,which will be shown hereinafter.Furthermore, sev- eral spiritists connected the original questions of survival and spirit communica- tion with ethical and psychological topics,thereforespiritualistic practices be- came less emphasised.Numerous self-development groups emergedduring the 1900s with the aim of moral and psychological perfection, using the ideological framework of evangelistic spiritism. This process was especiallyemphasised after 1949,when the minister of home affairs decided to dissolve the Association and confiscate its properties;thus spiritists wereforced to operate in secret. ¹¹ However,there wereother representatives of Hungarian spiritualismwho werenot entirelysatisfied with the Christian, ethical framework of evangelistic spiritism and thereforeinitiated asplit and urgedfor controlled, systematic ex- periments with spiritualistic occurrences.One of them was the retiredchief- chemist of Budapest,Elemér Chengery Pap.

3Elemér Chengery Papand the “Hungarian Metapsychical Scientific Society” in the 1930s

Elemér Chengery Pap was born in 1869inarather religious family. His father, KárolyChengery Pap, wasaclericalwriter and an evangelical reformed reverend in Budapest; he was also stronglyconnected to the “Budapest Association of Spi-

 Anonymous Spirit: Manifesto, .  See Pataky:Introduction. The Institutionalisation of Parapsychology in Hungaryinthe 20th Century 205 ritual Investigators”.Itwas he who, under the pseudonym Mátyás Balogh, first translated the “Kundgebungen des GeistesEmanuel” (“Emmánuelszellem nyi- latkozatai”; “The Manifesto of SpiritEmanuel”), awell-known spiritist volume, from the German into the Hungarian language.¹² Chengery Pap was introduced to the realm of psychical occurrences by his relativesin1897; he gotacquainted with Adolf Grünhut in 1898.¹³ Although he was awriting and speaking medium himself,¹⁴ his name became famous not because of his mediumistic performances but because of his experiments on mediumistic phenomena. He published several accounts of his experiments in “HeavenlyLight”,¹⁵ representing the so-called scientific research on medium- istic occurrences.Chengery Pap was not satisfiedwith the religious, moral framework of the “Budapest Association of Spiritual Investigators”,which in his opinion did not support scientific research. Hisaim was to conduct control- led, systematic research in the field of spiritualistic occurrences;helaterturned to metapsychical research, using the term ‘metapsychical’ after Charles Richet. Accordingtohis account,hevisited the metapsychical institutes of London, Mu- nich, Graz and Paris in the summer of 1928;these werehis first encounters with physical mediums, which proved to have far-reachingconsequences for his life.¹⁶ Chengery Pap’smost famousexperiments weredealingwith aform of physical mediumship: apport phenomena. One of his mediums, Lajos Pap (not arelative of his) had extraordinary capacities as an apport medium, which weredocumented by Chengery Pap in arather exhaustive way. His methodology was based on trying to follow the most objective wayofresearching spiritualistic occurrences, following the footsteps of metapsychical and psychical re- searchers.¹⁷ His experiments with apport phenomena achievedremarkable inter- national acclaim: well-known psychical researchers such as Theodore Besterman¹⁸ and Nándor Fodor¹⁹ investigated the genuineness of Lajos Pap’sper- formances.However,accordingtotheir verdict,none of the phenomenapro- duced by him could be considered supernatural; some of them werefraudulent, others werenot convincing enough.

 Manuscript Collection, NationalSzéchényi Library (Analekta ,Bu-Csek, /); see Forsboom: The Manifesto.  Ibid.  Chengery:From the Field.  E. g. Chengery:How did; Chengery:From the Occult; Chengery:Occult Physical.  Chengery:Towards.  Chengery:Levitation; Chengery:The Rules; Chengery:Towards.  Besterman: Report.  Fodor:The Lajos Pap. 206 Júlia Gyimesi

Chengery Pap was an important figure of the “Hungarian Metapsychical Sci- entific Society”,which was founded in 1932 for the purpose of investigatingspi- ritualistic, magnetic, and connected phenomena. The draft of the statutes was prepared by the lawyer and metapsychical researcher János Toronyi alreadyin 1925.²⁰ The aims of the Society weretoconduct experiments and publish theoret- ical studies, to collect data in the field, to organise meetingsand presentations, to publish journals and books on metapsychical research and to establish a library.²¹ Although in the earlyyears of the Society the latter goals wereonly partiallyreached, some Hungarian metapsychical researchers won remarkable fame in and beyond Hungary.The foundation of the Society achievedsignificant international acclaim: István Strém (a founding member of the Society) reported about the foundation of the Society in “Light”,apopularAmerican spiritualist journal. Celebrities like OliverLodge,Charles Richet and Nándor Fodor wel- comed the establishment of the Society.²² Several members of the Society had in- ternational experience in the field of metapsychical research; thanks to the grow- ing international reputation, János Toronyi represented the Society at the “International Congress for Psychical Research” in Oslo in 1935. One of the most prominent representativesofthe Society was VilmosTordai (1880–), originallyanofficerofthe Royal Ministry of Justice.Hestartedhistorical and practical investigations with spiritualistic phenomena alreadyinthe early 1900s. He was among the founding members of the “Hungarian Theosophical Society” (“Magyar Teozófiai Társulat”)in1907, and he retainedthis involvement in theosophylater on. In 1916 and 1917hewas the co-editor of the journal “The- osophy”,together with Alfréd Reisch.²³ However,his most importantworks are those written in the field of metapsychical research. He was the editor of aseries entitled “Spiritual Phenomena” (“Lelki tünemények”)inwhich he wroteenthu- siastic books on suggestion²⁴ or clairvoyance.²⁵ Furthermore, he gave remarkable accounts on Poltergeistphenomena in Hungary (in Kecskemét and Karcag) and thus was apioneer in the field of re- searchingtelekinetic phenomena.²⁶ AccordingtoTordai’sobservations in Kecs- kemét,amysterious conflagration and the movement of several different objects

 Chengery:Onthe Foundation, .  Ibid.  Hans Driesch, OliverLodge, Charles Richet and later Nándor Fodor became honourable members of the Society.  See Tordai: Otherworld.  Tordai: Suggestion.  Tordai: Is it Possible.  Tordai: Introduction. The Institutionalisation of Parapsychology in Hungaryinthe 20th Century 207 occurred connected to the presenceofa14-year-old boy.Asthe adolescent re- vealed, he had foreseen whereand when afire would break out.InKarcaga 15‐year-old girl was at the centre of the Poltergeistphenomena and was sup- posed to be responsible for them through her metapsychical power.According to her,itwas an invisibleblack rabbit that moved the objects. Based on his ob- servations of telekinetic phenomena, Tordai concluded the following:

Afterthis accountIthink it is not immodest to declare that the onlyacceptable explanation for the cases in Kecskemét and Karcag is the metapsychical explanation. The physiological disturbances emerginginadolescencetriggeredsomnambulistic-medial statesinthe chil- dren. In these states, telekinetic powers emerged, working in accordancewith yetunknown natural laws, mostlylike electricity;that is, psychical, telekinetic powers emergedinthem, settingthe houses on fire.²⁷

Tordai’sconclusion illuminates fairlyclearlythe basic objectivesofthe “Hungar- ian Metapsychical Scientific Society”:conducting systematicalresearch on spiri- tualistic and connected occurrences and placing the question of spiritualism into arational framework. Besides Chengery Pap, Tordai was one of the leading figures of the Society – that is whyhis casewith the famous Hungarian fraud medium László László significantlydamaged the reputation of Hungarian meta- psychical research.²⁸ However,inspite of the vehement and often ironic attacks,²⁹ the members of the Society did not give up seeking for evidences of metapsychical phenomena.

4Metapsychical research vs.evangelistic spiritism in the 1920s and 1930s

Although metapsychical research could have established institutionalised para- psychologyinHungary,evangelistic spiritism often and easilyovershadowed the efforts of metapsychical investigators.Eventhough they werecommitted to well- controlled methodologies, the religious tradition of evangelistic spiritism could unobtrusively influencethem.In1922, for instance, anew metapsychical scien- tific journal entitled “NewPathway” (“Új Ösvény”)was published, edited by the

 Ibid., .  See Rátai: The Adventures.  See Karinthy: Cotton Wool. 208 Júlia Gyimesi metapsychical researcher Ödön Nérei.³⁰ Accordingtothe editor’sstatement,the aim of the journal was the “revelation of truth”³¹ by an objectiveresearch of spi- ritism, mediumism, somnambulism,clairvoyanceand telepathy, as well as the presentation of ideas related to the problems of existenceand the immortality of the soul. However,the aim of objective research was soon overshadowed by religious spiritualistic accounts; neither scientific experiments nor critical inves- tigations were publishedinthe journal. In 1927,itceased to be published be- cause of financial reasons.The “Journal of Metapsychics” (“Metapsyhikai Fo- lyóirat”), which wasfounded in 1932, had asimilarlybrief history.The chief editor of the journal was János Toronyi, the headofthe “Hungarian Metapsych- ical Scientific Society”,while its publisher was Elemér Chengery Pap. The last issue was published in 1936;but the journalwas alreadyintermittentlypublish- ed in 1934. It is not by accident that the scientificallyoriented branches of spiritism and metapsychical research faced serious obstacles. Evangelistic spiritism creat- ed such astrongtradition thatitcould easilyexpel other branches of spiritual- ism. Itspower and popularity was expansivealreadyinthe late 1800s. In 1897 Baron János Mikos founded anew journal entitled “UncannyWorld” (“Rejtelmes Világ”), with the aim of establishing scientificspiritualism. However,hecould not competewith the growingpopularity of evangelistic spiritism, although his work could have laid the foundation of psychical research in Hungary:

We assert in advance for the purpose of informingthe layand the scientific public that our aim is not to servedogmatic spiritism, and nothingisfurther from us than to catchfollow- ers for that groupled by fanatic leaders who demand blind faith in their teachings.Onthe contrary,inthe UncannyWorld the reader will gettoknow aspiritismbased on critical common sense, which gets its main powerfromreligion and science, and its proud aim is to fulfil the as yetinsurmountablegap between religion and empirical sciencewith asu- perior,majestic and logical theory,and force the spirit of humanity to follow the waydes- ignated by the practical evidences of the theory.³²

Accordingtothe introduction by Mikos, the journal was meant to deal with the research of the phenomena of hypnotism, somnambulism,telepathyand clair- voyance – similar to the general aims of psychical researchers.Furthermore, as Mikos pinpointed, the journal was aimedprimarilyatsceptics, not spiritists.³³

 The founders of the journal, AlajosWajditsch and Béla Babós,wereemigrated Hungarians livinginCleveland, United States.  The subtitle of the journal was “Towards the Revelation of Truth”.  Mikos: Foreword, .  Ibid. The Institutionalisation of Parapsychology in Hungaryinthe 20th Century 209

However,inthe following years Mikos’soriginal aims tarnished, and the influ- ence of evangelistic spiritism was more and more detectible in the articles. The journal also had to cope with serious financial difficulties which led to its termination in 1900.During these years, “HeavenlyLight” was the onlyjournal which managed to preserveits popularity.However,while dealing with serious obstacles, it was still the “Metapsychical Scientific Society” that represented earlyparapsychologyinHungary. Interestingly,itwas the psychoanalysts,and especiallythe father of the “Bu- dapest School of Psychoanalysis”,Sándor Ferenczi (1873 – 1933), who mostly urgedfor well-controlled scientific research of the paranormal without anyreli- gious, spiritisticorethical commitments.³⁴ Ferenczi was deeplyinterested in spi- ritualismand the paranormal. Although his teacher Freud asked him several times not to publiclysupport the research on mediumism or telepathy, Ferenczi’s ideas on the possible functioningofthought-transference, his and experiments with mediumistic performances proved to have asignificant influ- ence on and even beyond psychoanalysis.³⁵ Ferenczi was involved in Hungarian spiritism alreadyinhis earlyyears in the late 1890s;³⁶ his first scientific publica- tion dealt with spiritism and the importance of genuine scientific investigation into mediumistic occurrences.Ferenczi was convincedthat the objectiveexplo- ration of spiritualistic phenomena would contributetothe understanding of the most important psychological questions, namelythoserelated to the uncon- scious, altered states of consciousness,hypnotism and suggestion.³⁷ Several spiritists and spiritualists were aware of Ferenczi’sendeavours in Hungary.When his article entitled “Spiritism” waspublished in the journal “Therapeutics” (“Gyógyászat”)in1899,adetailed appreciatory review was pub-

 The relationship between psychoanalysisand the so-called occulthas always been an attrac- tive but also controversial topic for the theoreticians and practitioners of psychoanalysis.Sig- mund Freudhimself was deeplyinterested in the possibilityofthought-transference, although his ambivalenceregarding the question created serious obstacles to the psychoanalytic research of the paranormal. Freudwas ready toacceptthe existenceofthoughttransference;hewas, however,worryingabout the scientific reputation of psychoanalysis and thereforeheld back the public embracement of telepathy. Interestingly,several of his disciples were significantlyin- volved in the question of the so-called occult,which proved to be rather intriguingfor Freud(see Devereux: Psychoanalysis;Fodor:Freud; Forrester: Psychoanalysis; Freud: Psychoanalysis, Dreams;Keeley:Subliminal; Gyimesi: Psychoanalysis;Gyimesi: Why ‘Spiritism’;Rabeyron/Ev- rard:Historical; Evrard/Massicotte/Rabeyron: Psychoanalysts,etc.).  See Bálint: Notes; Ferenczi:Spiritism; Ferenczi: The Clinical;Gyimesi: Sándor Ferenczi; Hol- lós:Psychopathologie; Rickman:Obituary,etc.  Ferenczi: My Friendship.  Ferenczi: Spiritism; Ferenczi: The Phenomena; Ferenczi: An Attempted; etc. 210 Júlia Gyimesi lished on it in “UncannyWorld”.³⁸ Furthermore, numerous representativesofsci- entificallyoriented spiritualism in Hungary welcomed the encounter between spiritualism and psychoanalysis.Eventhe editors of “New Pathway” supported the psychoanalytic research of spiritualistic occurrences.In1924Pál Óriás pub- lished an enthusiastic paper on the significance of psychoanalysis on the under- standing of mediumship in the journal:

If anysciencehas the legitimacytodiveinto this great obscurity,itcan onlybepsychoanal- ysis,which brought extremelysignificant,quasi revolutionary changesinthe field of sci- enceand psychological phenomena; it shed light on psychological mechanisms that wereentirelyunknownsofar.Freud, Breuer and Jung totallyreshapedpsychology and not onlysolvedproblems with their analytical method,but showed the onlygenuine wayofhealingneuroses.[…]Psychoanalysis recognised mediumism as aproblem waiting to be explored, but unfortunatelyittreats it onlyasasymptom of neurosis.[…]The method of psychoanalysisisable to give total solutions in this question, too, and we hope that it will give them soon.³⁹

Several other psychoanalytic papers were published in Hungarian spiritualistic or metapsychical journals in the 1930s.⁴⁰ Despitethe rational, reductive frame- work of psychoanalysis,the scientifically committed representativesofHungar- ian spiritualismwerereadytoreconcile spiritualistic research with psychoanal- ysis. Furthermore, Ferenczi was much more involved in spiritualistic practices than his publishedworks suggest.Although he himself was obviouslyneither re- ligious nor spiritualist,heconsidered spiritualistic phenomena to be psycholog- ical phenomena which must be discovered and understood. Thereforeheattend- ed several séances,made self-experiments with automatic writing,and on many occasions expressed his strongconviction that mediumistic phenomena must be investigated with the methods of natural science. He observedmediums whenever it was possible and developed very promisingtheories on the func- tioning and psychoanalytic significanceoftelepathy.⁴¹ Several spiritualists often treated him as an expert on the threshold of spiritualism and science. When one of the most famous mediums in Hungary,Mrs. Jelenek, died in 1912,itwas Ferenczi who was interviewed on spiritualism, as he had made ob- servations on the medium.⁴² When the well-known soothsaying medium Boriska

 Sincerus:Sober-Mindedness.  Óriás:Mediumism, .  E.g.Fodor:Onthe Separation; Wassilko-Serecki: The Appearance.  See Gyimesi: Why ‘Spiritism’?  Fényes: On the Occasion. The Institutionalisation of Parapsychology in Hungaryinthe 20th Century 211

Silbiger was chargedwith divination, among others, it was Ferenczi who was summonedtotestify that the medium did not deal with divination but graphology.⁴³ Ferenczi also pointed out to the absence of genuine scientificre- search on mediumistic phenomena in evangelistic spiritism.⁴⁴ In sum, he was atrue psychical researcher in acountry wherepsychical research had no real tra- dition and faced serious obstacles. However,his involvement in psychical re- search was not enough to facilitate its institutionalisation in Hungary. Nevertheless,there werescholars who, representing mainstream academic science in the early1900s, made valuable efforts to understand the psychologi- cal mechanisms of mediumisticperformances.⁴⁵ Aprominent figure of Hungari- an experimental psychology, Pál Ranschburg (1870 – 1945), conducted far-reach- ing experiments on animal magnetism. In his conclusionherejected the theory of magnetism; however he pointed out to the enormous significance of hypno- tism and suggestion in the emergenceofspiritualistic phenomena.⁴⁶ However, in general the leading figures of Hungarian academicpsychologywereagainst spiritism and metapsychical research, thereforetheir interest in spiritualistic and connected phenomena were limited to the aim of debunking spiritism.⁴⁷ Forthem, it was suggestion and hypnosis that usually explained spiritualistic and other debatable phenomena – the possibilityoffurther parapsychological explanations werethus ignored. Even the physician Ferenc Völgyesi (1895– 1967), who was deeplyinvolvedinthe experimental research of spiritualistic and related phenomena, narrowed the scope of his interpretations to hypnosis and suggestion after the László László incident.⁴⁸ In such ascientific environ- ment Ferenczi’sambition to establish true psychical research in Hungary signi- fied pioneering efforts. Unfortunately, Ferenczi’sdeath in 1933 prevented the for- mationofpsychoanalyticallyoriented psychical research in Hungary.

5Racialand political issues during the 1940s

The influenceofgrowinganti-Semitism and otherpolitical tendencies had far‐reachingconsequences for the evolution of earlyparapsychologyinHungary. The receptive, liberal, open-minded featuresofspiritistic ideologies weremuch

 Magyar OrszágosTudosító ...  Ferenczi: Spiritism; Ferenczi: Sombamulism; Ferenczi:Essays.  E. g. Reuter: Spiritism.  Décsi/Ranschburg: .  E. g. Donáth: Hystero-epilepsy.  Völgyesi: Everything. 212 Júlia Gyimesi less emphasised by the 1930s. The methodsofexclusion were oftenmarked by an emphasis on Christian features that was merged with astrong nationalism. In 1944,under János Toronyi’sleadership, Jews and freemasons were exclud- ed from the “Hungarian Metapsychical Scientific Society”.⁴⁹ The process had started back in 1941, when Toronyi proposed to open asession of the Society with ashort prayer.Thisproposal was refused by Vilmos Hennyey, the current chair of the session. This was followed by astormyreaction. One of the members, Domokos Holló later fulminated: “Icannot let the Society be led in afreemasonic and Jewish spirit!”⁵⁰ As aresult, Holló’smembership was terminated by Hen- nyey.After the incident Holló and his partners initiated the exclusion of Jews and freemasons in the Ministry of Home Affairs. According to the petition, Holló claimedthe following at the session:

Ihavebeen apprehensively watchingthe changesinthe membershipofthe Hungarian Met- apsychical Scientific Society for years and sawitbecomingthe seed-plot of freemasonic- Jewish spirit.Dr. Vilmos Hennyeywas amember of the dismissed freemasoniclodge and did all he could in order to compromise the belief in the immortal human soul; he slowly filled the society with Jews,freemasons and alienated theosophists; the precious Christian element was thus completelyovershadowed, and manyofusdropped away […]Sincethen the Societyhas been split in two,and these twogroups areconvincingexpressions of that differenceinworld-view that separate the members from one another.The representatives of the Jewish-freemasonic spirit and those whose basis is intransigentlynational and Chris- tian have separate sittings.⁵¹

As areaction, Hennyeycancelled the membershipofHolló and Jenő Hillebrand (1884–1950).⁵² The latter was awell-known archaeologistand alsoanenthusias- tic spiritist; he made remarkable observations with the famous medium Mária Irtzl from Óbuda.⁵³ According to Hillebrand, Mária Irtzl proved to be avery reli- able medium with outstanding mediumisticcapacities: telekinetic and apport phenomena, spirit drawingsand possession, and several materialisation phe- nomena occurred duringthe séances,which Hillebrand reported in detailed pro- tocols. However,his works bear witness to his deep emotional involvement in spiritism rather thantoobjective investigations. The lack of objectiveresearch was probablyconnected to the fact that Hillebrand represented astrongly reli- gious branch of spiritism for which spiritistic phenomenawerethe results of a

 NationalArchivesofHungary,IDnumber:  (K , /, , ,Ma_Nyu).  Ibid.  Ibid.  Ibid.  Hillebrand: Victorious. The Institutionalisation of Parapsychology in Hungary in the 20th Century 213 superior,divine intervention. He summarised the close relationship between spi- ritism and divine intervention in the case of Sister (sic!)Mária Irtzl in the follow- ing way:

Due to God’sspecial grace we observed several unprecedented spiritistic manifestations, which aman of mould could hardly have experienced. Unfortunately, Icannot publish some of these yet, because of asuperior spiritual restrain. But in those souls,which due to God’sextraordinary graceexperienced these manifestations, these unique miraculous occurrencesweresodeeplyengravedthat neither time nor the spirit of denial will be able to erase them! Let us bless the Lordfor this great mercy, with all his Saints,and all the lovely ‘domesticspirit sisters and brothers!’⁵⁴

The strong religious content of Hillebrand’swords easilyclarifies whythe mem- bers of the “Hungarian Metapsychical Scientific Society” insisted on starting the sessions with ashort prayer: their practice wasmuchcloser to spiritism than par- apsychology, and closer to religion thanscience.Itisvery likelythat in the 1930s and 1940s the religious,Christian content of spiritism often joined with anti- Semitism, identifying Jews not onlyasenemies of the nation but alsoasenemies of true spiritism. In 1941, when Domokos Holló laid acomplaint against the Jew- ish members of the Society,itwas Hillebrand’sprominent figure that made the case even more serious:

Iamlodginganinspectoral complaint to the Hungarian RoyalMinister of Home Affairs against the Judaized Societyalso because the Caucus – against the statutes of the Society – has cancelled the membership of Dr.Jenő Hillebrand, the pride of Hungarian science, afull and honorary member of several national and international scientific societies,the Director of the Hungarian NationalMuseum, because he along with me dared to protest against the long agooverrulingspirit of freemasonry in the Society. The reportedproblems obviouslyunderlie that the Hungarian Metapsychical Scientific Society cannot accomplish its objectivesunder the current circumstances because of the composition of its membership, since it has been split into two, due to the above-men- tioned incident,and the Christian-national element is in the minority now.Besides the ex- ponent representativesofthe Jewish spirit,thereare several other representativesofthe So- ciety whose citizenship is dubious and onlywant to use the Society as acover for the purpose of propagatingtheir destructive worldview.Anassemblyofthese elements under the aegis of the Society is undesirable.⁵⁵

 Ibid., –.  NationalArchivesofHungary,IDnumber:  (K , /, , ,Ma_Nyu). 214 Júlia Gyimesi

Hillebrand also added ashortnotice to the petition in which he supported Holló’sstatements.By1944,all Jews and freemasons wereexcluded from the Society.⁵⁶ In the 1940s asimilar process evolvedinthe “Metapsychical and Subsidizing Association of Dés”⁵⁷.The Society was foundedin1942, for the purpose of creat- ing aforum for the scientific investigators of the immortal soul, the as yetun- known phenomenaofnature;for the purpose of illuminating the problems of life, death, and human destiny;reconciling science and religion; conducting metapsychical and metaphysical experiments and comparetheirresultswith the resultsofscience. The further aims of the Association weretodevelop the benevolent,altruistic spirit by the embracement of the poor,orphans, the sick, the abandoned and the desperate, to evolve mercyand meekness through the protection of animals; and to demonstrate that the immortality of the soul im- plies responsibility for our acts. In this Association, metapsychical research was closelyconnected to humanitarian goals, which proved to be just as irritat- ing in the eyeofauthorities as being Jewish or popularising foreign ideologies.In 1944 it was dissolvedfor the reason of “its dangerous natureregardingwarfare, the public and state security.”⁵⁸ Accordingtothe petition of aHungarian Royal Police councilor:

The members of the Association weremostlyRomanians and Jews at the time of its foun- dation, with onlyafew Hungarians.Recently, after the deployment of the Jews⁵⁹,the Asso- ciation turned intothe meeting point of Romanian-minded people […]they arepracticing their own national propaganda that is against Hungarians at the same time. The Associa- tion also practices spiritism, conducts séances and thus increases the alreadyexaggerated anxiety among the population,which mayinfluence public security and order.⁶⁰

The above-mentioned examples highlight thatanti-Semitism, nationalism and Christianitywerestrongly interconnected in the spiritualistic and meta-psychical circles of the 1940s, having far-reachingconsequences for the development of scientificallyoriented spiritualism or earlyparapsychology. The emphasis on the religious, Christian elements of evangelistic spiritism became atool of the exclusion of Jews and ‘alien’ ideologies, but also aserious obstacle of objective, well-controlled experimenting with spiritualistic phenomena. The strongreli-

 Ibid.  TodayDés belongs to Romania; between  and  Hungary held NorthernTransylva- nia and Dés.  NationalArchivesofHungary,IDnumber:  (K , /, , ,Ma_Nyu).  In  the Jews of the town weresent to the ghetto of Dés and deported to Auschwitz.  NationalArchivesofHungary,IDnumber:  (K , /, , ,Ma_Nyu). The Institutionalisation of Parapsychology in Hungary in the 20th Century 215 gious contents of evangelistic spiritism foreclosed the possibility of posingques- tions, measuring or doubting.Thereforethe tradition of evangelistic spiritism not onlynarrowed the scope of researching the paranormal, but easilyservedthe po- litical tendencies of the 1940s. On the other hand,spiritism and metapsychical research also proved to be an alien, deviant ideologyinthe eyeofthose having the power.

6Further efforts towardsthe institutionalisation of metapsychical research during the 1930s and 1940s

Under the aegis of spiritism even the prosocial tendencies of spiritualism or metapsychics could easilybedeclared to be irritating and harmful. However,de- spite the general reluctance,in1936aninteresting petition was submitted to the Ministry of Home Affairs, in which agroup of spiritists applied for the govern- mental acknowledgment of the “Hungarian Spiritist Party”.⁶¹ The representatives of the proposed party aimed at spreadingthe divine mission of spiritism by founding aparty,thus enjoying the government’ssupport.Accordingtothe pe- tition, the main objective of the party was the practical realisation of the teach- ingsofChrist by following the TenCommandments. The leader of the party was supposedtobeJesus Christ himself: “Our main objective is practicing the eter- nal, divine rules – earthlyrules should not contradict them, because until these do not correspond, there willbenohappiness,notruth and no loveon Earth. Not quasi-peace, but eternal conflictand an infinite series of wars.”⁶² The petition was rejected by the MinisterofHome Affairs; accordingtothe min- isterial counselor Alfréd Sárkány, such aparty would harmthe interests of the legalised religious denominations.⁶³ It is remarkable that in 1944 the “Budapest Association of Spiritual Investi- gators” was reorganised under the name of “Hungarian Society for Psychical Research” (“Magyar PszichikaiKutató Társaság”). Thearticles of association of the “Hungarian Society for Psychical Research” werealmost entirelyidentical with those of the “Budapest Association of SpiritualInvestigators”;in1945 the Ministry of Home Affairsaccepted the request of the Society to continue

 NationalArchivesofHungary,IDnumber:  (K , //c, N/A, ,N/A).  Ibid.  Ibid. 216 Júlia Gyimesi functioning.⁶⁴ Nevertheless, the new denomination did not signify new ideolo- gies in the Association. Except for some isolated personal efforts, the “Hungarian Society for Psychical Research” did not introduce genuine psychical research in Hungary. However,in1941and 1942two promisingvolumes werepublished in the ser- ies of the so-called “Seminar of Psychical Research”,aiming at representing earlyparapsychological research. Interestingly,these volumes wereobviously not connected to the “Hungarian Society for Psychical Research” or the “Buda- pest Association of SpiritualInvestigators”.The headofthe “SeminarofPsychi- cal Research”,Kornél Szirmai, wastrulyagainst spiritism and sawhimself as a metapsychical researcher.Inthe first volume published by the “SeminarofPsy- chical Research”,entitled “Occultists – mediums, deniers – frauds”,hepresent- ed avehement attack on mediums and spiritism. His account was extremely emotional, aiming at debunking mediumism.⁶⁵ The second volume was written by Béla Petrovics and was mainlybased on an interview givenbySzirmai to Pet- rovics.Accordingtothe account by Petrovics,the “SeminarofPsychical Re- search” was foundedin1936when all the authorities of the “National Medium Examiner Committee” were delegated to Szirmai, who had been workingin the field for 30 years. Petrovics admits that they did not publish toomuch of their experiments: perhapsthis is whythe “National Medium Examiner Commit- tee” and the “Seminar of Psychical Research” did not gain remarkable fame. However,they analysed the phenomenaproduced by MáriaIrtzl from ameta- psychical point of view,asserting thatitwas not the spiritsofthe deceased but the extraordinary metapsychical capacities of the medium – such as her enormousteleplasm – that generated the unusual occurrences. If we are to be- lieveSzirmaiand Petrovics, they represented the third wave of metapsychical re- search in Hungary after the physician Elemér Tóvölgyi and Elemér Chengery Pap. The latter wasalso interviewed by Pertrovics in the volume, thus supportingthe metapsychical framework usedbySzirmai.⁶⁶

 NationalArchivesofHungary,IDnumber:  (XIX-B--h, N/A, , ,N/A).  Szirmai: Occultists.  Petrovics:Discovering. The Institutionalisation of Parapsychology in Hungaryinthe 20th Century 217

7ParapsychologyinHungaryafter World WarII⁶⁷

After 1949,when the Ministry of Home Affairs decided to dissolve the renamed “Budapest Association of Spiritual Investigators”,spiritists wereforced to prac- tice in secrecy.Asaresult, neither spiritism nor psychical research or parapsy- chologycould evolve for along time.Onlyin1964,when two books werepub- lished by the Soviet parapsychologist Leonid Vasiljev,ashift towardsthe institutionalisation of parapsychologycould start.Interestingly,these two books –“The mysterious phenomena of the human psyche” and “Telepathy” – werealmost immediatelytranslatedinto Hungarian. Although the framework of scientificmaterialism excluded not onlyspiritualistic but also wider parapsy- chological interpretationsinVasiljev’sworks,hegaveaconvincing summary of the scientificproof of the existenceoftelepathy, thus providing agood introduc- tion for those who wereinterested in parapsychologyinthis period. However,due to the political atmosphere of the 1960s and 1970s, academics werevery cautious about choosing research areas thatwerenot in congruence with the ideologyofcommunism. The fear of breakingthe written and unwritten laws of the communist regime created serious obstacles to the emergence of par- apsychology. Nonetheless, by the 1970sitturned out that the members of the Central Committeeofthe Communist Party werenot against parapsychology, in- deed they weresympathetic towardsthe issue. The real opponents of parapsy- chologyweresome powerful academics who sawthe limits of scientific psychol- ogyinthe theory of hypnosis, and they did not intend to further pursue the question. The members of the Central Committee did not want to fight these aca- demics, and thus parapsychologyremained neglected duringthese decades.⁶⁸ The onlyscholar dealing with parapsychological questions in this period was József Király, conducting mainlyhistorical research into spiritism, spiritual- ism and occultism.⁶⁹ Experiments wererather rare in his practice, and they usu- allyaimedatdebunking mediumistic practices.Itwas the physicist Zoltán Vassy who introduced genuine parapsychological research in Hungary in the 1980s. He started to work at the Eötvös Loránd University in Budapest in 1989,holding courses on parapsychology; he conducted his first parapsychological experiment

 The main theses of the followingchapterare based on interviews conducted by the author with György Egely, Tamás Paulinyi and Zoltán Vassy.The author gratefullyacknowledgestheir help and suggestions.  The author gratefullyacknowledgesZoltán Vassy’ssuggestions regarding the evolution of parapsychology duringthe communist regime.  Király: What is Spiritism, Experimenting. 218 Júlia Gyimesi in 1968. He alsoworked as avisitingresearcher at the “Psychophysical Research Laboratories”,Princeton, in 1987. During these years his main interest remained the psychological and physical nature of telepathyand the use of random num- ber generators in parapsychological experiments.⁷⁰ In the 1980s and especiallyafter the regime changeof1989 non-academic parapsychologyalso emerged. While homemade experiments wereproliferating, interestingly aTVseries entitled “Zero-type encounters” (“Nulladik Típusú Talál- kozások”), broadcastedinthe late 1980s and early1990s, turned out to be a meeting point of several experts and laymen who wereinterested in parapsy- chology. Theemcee of the program, the journalist János Déri, broughttogether manydifferent personalities with diverse interests, such as Carla Galli⁷¹ or Györ- gy Egely⁷².The main topics of the series wereparanormal phenomena, the ques- tion of survival after death and UFO phenomena. The program put the works of György Egelyonthe map;his vitality indicator, the so-called EgelyWheel, gave rise to several experiments, questions and doubts. In 1989 the “Hungarian Para-Research Scientific Society” (“Para-Kutatási Tu- dományosTársaság”)was founded with the contribution of Carla Galli, György Egelyand Tamás Paulinyi.Unfortunately, the Society did not meet the require- ments of scientific parapsychology; its original aims weresoon tarnished, and an administrative mistake led to its termination in the 1990s. The “AION Foundation”,which also aimedatparapsychological research, was much closer to mainstream science, since several of its members were out- standing figures of the Hungarian scientificlife. It was established in 1992for the purpose of investigating the as yetunknown capacities of the human psycheand presentingarational criticism of the pseudoscientific and mystical ideas of the psyche. The president of the Foundation was László Mérő,awell-known Hungar- ian mathematician; several prominent figures of Hungarian psychologywere present in the Foundation, such as Éva Bányai, Sándor IlyésorJózsef Király. Zol- tán Vassy and Tamás Paulinyi – the latter as amember of the advisory board –

 See Vassy:Method; Vassy:Theoretical; Vassy:Experimental; Vassy:The Scientific;Vassy:Ex- perimentalStudy; Vassy:Journey;Vassy:OnParanormal.  The publicist Carla Galli became known due to her contribution to the TV-series “Zero-type encounters” and the foundation of the Hungarian Para-Research Scientific Society.Today, she identifies herself as acoach, integratingpsychology and esotericism.  György Egely(*)isawell-known figure of Hungarian popular parapsychology,re- searchingthe field of UFO phenomenon, psychokinesisand several other paranormal phenom- ena. The Institutionalisation of Parapsychology in Hungaryinthe 20th Century 219 also contributed to the work of the Foundation.⁷³ The members of the Founda- tion aimedatworkingincollaboration with the so-called “Club of Para-Gutters” (“Parajfalók Klubja”), foundedin1996,which also intended to conduct scientific parapsychological experiments. Zoltán Vassy and Tamás Paulinyi wereamong the founding members of the Club, too.⁷⁴ However,neither the “Club of Para-Gut- ters” nor the “AION Foundation” could fulfill its goals in the long run. It was Tamás Paulinyi⁷⁵ whose efforts in the field of parapsychologyproved to be unbroken for alonger period. Alreadyin1989 Paulinyi established his own parapsychological laboratory whereheconducted mostlyESP experiments.⁷⁶ His work was recognised and supported by Zoltán Vassy;along with Charles Edwin Maythey publishedanessayonanomalous anticipatory skin conductance.⁷⁷ Today, Paulinyi’sactivities are closelyconnected to esotericism, parapsychology and literature;hehas been the head of the “Synthesis Free University”,aninde- pendent institution offering integrative alternative psychological and esoteric training for its students since 1997.

8Conclusion

In sum, in Hungary it was metapsychical research that primarilyrepresented earlyparapsychology. Although the investigators of metapsychics themselves shared manydifferent methodological and theoretical viewpoints, in general the framework of metapsychical researchers proved to be eligible to conduct con- trolled scientific experiments on mediumism and other debatable phenomena. However,itisobvious thatthe emergence of earlyparapsychologyand psychical research was hinderedfor several reasons.Firstly, the strongtradition of evan- gelistic spiritism narrowed the scope of scientific research. Secondly, the political events in Hungaryinthe 20th centurycreated serious obstacles to parapsycholog- ical investigations. Under such circumstances,the efforts of some prominent rep-

 http://web.archive.org/web//http://www.ps.elte.hu/~aion/aion.htm. Date of access: . . .  http://www.zotyo.hu/para/parajfal.htm. Dateofaccess: . . .  Tamás Paulinyi (*)isaHungarian writer,poet,publicist and psi-researcher.After work- ing as aceramist,in he devoted himself to parapsychological research, and especiallyto the experimental investigation of ESP.Duringthe shewas also involved in drugpreven- tion. Todayheisthe head of the “Synthesis Free University”.  See Paulinyi: Researching; Paulinyi: The Results.  ‘Anomalous anticipatory skin conductance’ is aretroactive influenceofsome futureevents that becomes manifest by the changesofthe skin conductanceofthe subjects.See May/Pauli- nyi/Vassy:Anomalous. 220 Júlia Gyimesi resentativesofmetapsychical research – such as Elemér Chengery Pap or Vilmos Tordai – to establish scientificresearch on the paranormal proved to be partic- ularlyimportant. It is regrettable that the above-mentionedresearchers were not able to coop- erate with the representativesofmainstream scientific psychology. The leading figures of Hungarian academic psychologywereusually against spiritism and metapsychical research, thereforetheir interest in spiritualistic and connected phenomena werelimited to the aim of debunking spiritism. However,the experi- ments conducted by Pál Ranschburg or Ferenc Völgyesi enriched psychologyin general and the theory of hypnosis in particular.Itwas the psychoanalyst Sándor Ferenczi alone who, also representing an assaulted field of contemporary sci- ence, forced the true encounter of science and spiritualismwithout anycommit- ments to spiritism, spiritualism or religion. The above-mentioned problems are obviouslythe reason whyparapsychol- ogyevolving in the 1980s alsohad to face serious difficulties.Although the scientificcommunity of this period was seemingly readytosupport the establish- ment of scientificparapsychology, their motivation was not sufficient for estab- lishing genuine, institutionalised parapsychological research in Hungary.Itis very likelythat the missing tradition of psychical research made the emergence of institutionalised parapsychologyinthe 1980s even more difficult.Despite the fact that the influenceofmetapsychical and psychical research was alreadypres- ent in the early1900s, the scientificallyoriented researchers of mediumisticphe- nomena had to struggle with financial and political problems all over the 20th century.Interestingly,also the influenceofSoviet parapsychologyproved to be marginal after WWII.However,the interest in the works of Vasiljev demonstrates the repressed need for parapsychological research duringthe communist regime. After the regime changeof1989 the efforts of the non-academic and aca- demic representatives of parapsychologyilluminated the possibilityofaninsti- tutionalised parapsychologyinthe context of which the investigation of the paranormal could have become asmall but significant part of Hungarian scien- tific life. It is regrettable thattheir effortswereonlypartiallysuccessful. Howev- er,the history of Hungarian parapsychologyofthe 1980s and 1990s points out to the prospect of afuture parapsychologywhich willhopefullybeabletointegrate the colorful traditions of metapsychical research, psychologyand contemporary science in Hungary. The Institutionalisation of Parapsychology in Hungaryinthe 20th Century 221

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VierblättrigesKleeblatt Lieschen fand’samRain. VorFreude es zu haben Sprang Lieschen übern Graben und brach ihr bestesBein. […] Der Storch bringt nicht die Kinder. Die Sieben bringt kein Glück. Undeinen Teufel gibt es nicht In unsrerRepublik. Bertolt Brecht: Aberglaube

1Einleitung

Dass alle im weitesten Sinne okkulten, esoterischen und alternativ-religiösen Themen für die DDR-Führung als ‚finsterer Aberglaube‘ galtenund im öffentlichen bzw.offiziellen Diskurs systematisch diskreditiert wurden, ist weitgehend be- kannt.Das eingangszitierte Gedicht Bertold Brechts (der sich bekannterma- ßen vorbehaltlos zum Kommunismus bekannte) liefert dafür ein gleichermaßen überspitztes wie beredtes Exempel. Doch wie sah die Wirklichkeit jenseits des amtlichenDiskurses aus? Kon- kret gefragt: Spielten Themen wie Gedankenübertragung, Wahrträume, Ahnun- gen, Spuk-, Geister-und Jenseitserscheinungen, Parapsychologie, Astrologie und Wahrsagepraktiken wirklich keine Rolle im Alltagsleben der DDR-Bürger? War entsprechenden Vorstellungen und Praktiken tatsächlichder Nährboden ent- zogen, wie es der offizielle, dem Szientismus und Atheismus verschriebene, Staatsdiskurs verlauten ließ, oder gabesnicht vielleicht doch – gleichsam im Schatten dieser amtlichen Feststellungen – eine Art ‚okkulten Untergrund‘?Und falls ja, unter welchen institutionellenRahmenbedingungenfand der entspre- chende Bereich in der DDR seinen Ausdruck? In unserem Beitrag wollen wir diesen Fragen in vier Schritten nachgehen. Dazu beleuchten wirzunächstaus theoretischer Perspektive die Wirklichkeits- ordnungder DDR und zeigen die Schwierigkeit der Integrierbarkeit okkulter Er- fahrungen und paranormaler Ereignisse in die herrschende Wissensordnung auf.

DOI 9783110466638-009 226 Ina Schmied-Knittel, AndreasAnton, Michael Schetsche

In einem zweiten Schritt konturieren wir die Konflikte zwischendem hegemo- nialen szientistisch-atheistischen Weltbild aufder einenund den abweichenden Anschauungenund Lebenspraktiken der Bevölkerungauf der anderen Seite an- hand exemplarischer Beispiele. Das Rahmenthemades hier vorliegenden Bandes aufgreifend, werden wir sodann diese Befunde, die eine deutliche Leerstelle der Parapsychologie hinsichtlich institutionalisierter Formen aufweisen, mit der Si- tuation in der UdSSR vergleichen. Undschließlich folgt,unter Beachtungder von den Herausgeberinnenaufgeworfenen Fragen, ein (vorläufiges)Fazit hinsichtlich des spezifischenVerhältnisses vonParapsychologie und Institutionalisierung in der DDR.

2Die Wirklichkeitsordnung der DDR

Paradigmatischer Ausgangspunkt unserer Überlegungen ist daswissenssoziolo- gische Verständnis vonPeter L. Berger und Thomas Luckmann hinsichtlichder „gesellschaftlichen Konstruktion der Wirklichkeit“ in modernen Gesellschaften.¹ DiesemVerständnis nach verfügt jede Kultur über eine ihr eigene Wissensord- nung,zuder eine (odermehrerekonkurrierende) Weltanschauung(en), eine Vielzahl vonWissensbeständen sowie vondiesen hervorgebrachte und kontrol- lierte Praxisformen der unterschiedlichsten Art gehören. Jenen Teil der Wissens- bestände,der sich aufdie Beschaffenheit der als ‚objektiv‘ oder ‚wirklich‘ ver- standenen Umwelt bezieht,kann man als ‚geltendes Wirklichkeitswissen‘ einer Kultur bezeichnen. DiesesWirklichkeitswissen sagt den Mitgliedern der betref- fenden Gesellschaft,inwas für einer Welt sie leben,wie sie darin als Einzelne ihren Platz finden und auch,welche Handlungsoptionen sie haben (und welche eben nicht). Die Gesamtheit des Wirklichkeitswissens und die es strukturierenden Grundregeln (soziologisch gesprochen: das ‚epistemische Regime‘ einer Gesell- schaft) werden dabei vonden verschiedensten kulturellen Instanzenabgesichert: Wissenschaft,Schulen, Massenmedien usw. Zugleich zirkuliert in jeder komplexen Gesellschaft immer auch ‚abwei- chendes‘ Wirklichkeitswissen. Solche so genannten ‚heterodoxenWissensbe- stände‘ befinden sich häufig in einem (gelegentlichen oder auch permanenten) Geltungskrieg mit der Orthodoxie. Während die Orthodoxie das als gültigund legitim angesehene Weltwissen enthält,finden sich in den Heterodoxien die ex- plizit zurückgewiesenen,verbotenen und illegitimen, zumindest jedoch in der einen oder anderen Weise fragwürdigenWissensbestände. Diese müssen jedoch

 Berger/Luckmann: Die gesellschaftliche Konstruktion. Institutionalisierung ausgeschlossen … 227 in der Orthodoxie bekannt,benannt und relationalzugeordnet sein,um überhaupt als ‚heterodox‘ angesprochen und entsprechend prozessiert werden zu können. Beide Schichten des Wirklichkeitswissens bilden mithin einendurch wechsel- seitigeBezugnahmen und partielle Durchdringungenmiteinander verbundenen Bereich mit den verschiedensten Konkurrenz-, Delegitimierungs- und Verschie- bungsprozessen zwischen den anerkannten und den nicht-hegemonialen Wis- sensbeständen.² Für die empirische Analyse des Verhältnisses zwischen der Orthodoxie und ihren Heterodoxien ist die DDR-Gesellschaft aufgrund ihrer strikten weltan- schaulichen Ausrichtung ein besonders geeignetes Beispiel. So heißt es in einem programmatischen Handbuch zum dialektischen Materialismus ausdem Jahre 1959: „Die einzigeWeltanschauung,die ‚in vollem Umfangwahr‘ ist,die ein in sich geschlossenes System darstellt,ist der dialektische Materialismus.“³ Dieses Zitat macht in prägnanter Weise deutlich, was für die geltende Wirklichkeits- ordnungder DDR charakteristisch war: In der Partei- und Staatsführung herrschte die Auffassung vor, dass mit dem Marxismus-Leninismus bzw. dem dialekti- schen Materialismus ein sämtliche Bereiche der Natur,der Gesellschaft und der Menschheitsgeschichte bestimmendes Ordnungsprinzip gefunden worden sei⁴ – eine Weltanschauungimklassischen Sinne, die einenAbsolutheits-bzw.Über- legenheitsanspruch gegenüber allen anderen Wirklichkeitsordnungen (insbe- sondere jener westlich-kapitalistischer Gesellschaften) für sich reklamierte. Eine der tragendenSäulendieser Wirklichkeitsordnungwar der Szientismus. Diese so genannte ‚wissenschaftliche Weltanschauung‘ legitimierte sich explizit über naturwissenschaftliche Erkenntnistheorie und Methodologie, wurde aber als Instrument einer umfassendenWeltdeutungund Welterklärungverstanden und entsprechend auch außerhalb des klassischen Zuständigkeitsbereichs der Naturwissenschaften bis in den trivialen Alltaghineinganz praktisch anzuwen- den versucht.Anders als andere Wissenschaftskonzeptevertrat der in der DDR propagierte Szientismus die Haltungder absoluten Unvereinbarkeit vonWissen- schaft und Religion. Religiöses Denken musste in der DDR zwar ‚übergangsweise‘ in engen Schranken akzeptiert werden, wurdeperspektivisch aber als zum ‚Ab- sterben verurteilt‘ angesehen.⁵ Durch die gezielteVermittlungder wissenschaft- lichen Weltanschauung,soein wichtiges programmatisches Ziel der DDR-Füh-

 Ausführlich in Schetsche: Theorie der Kryptodoxie, –.Vgl. auch Bourdieu: Eigenschaften vonFeldern.  Klaus/Kosing/Redlow:Wissenschaftliche Weltanschauung, f.  Vgl. Schmidt-Lux: Wissenschaft als Religion, .  Vgl. ebd., . 228 InaSchmied-Knittel, Andreas Anton, Michael Schetsche rung,werde es zu der Verdrängung von „Finsternis und Unwissenheit“, „Aber- glauben“ und letztlich zu einem gänzlichen Verschwinden „religiöser Ideologien“ kommen⁶ – gleichsam zu einer marxistisch-leninistischen Vollendungder Auf- klärung:eine wissenschaftlich-materialistische Wissensordnung ohne Hetero- doxien. Doch was unter dem Schlagwort „Durchherrschung“⁷ für den Geltungsan- spruchder SED-Führung charakteristisch war,stellte in der DDR nicht auto- matisch Alltagsrealität dar.ImGegenteil: Nicht selten stand die skizzierte offi- zielle Weltanschauung in einem eigentümlichen Verhältnis zur lebensweltlichen Wirklichkeit der Bevölkerung.Infastallen gesellschaftlichenBereichen gab es regelmäßig Tendenzen, die den klarenMachtansprüchen zuwiderliefen, Konflikte, Widerständigkeiten, individuelle und kulturelle Resistenzbereiche, kommunikative Nischen, Formen der Verweigerung,Scheinarrangementsoder informelle Netzwerke, die sich den Kontroll-und Strukturierungsversuchen der Machthaber entzogen – oder dies zumindest versuchten.⁸ Trotz Agitation, In- doktrination, Kontrolle und Repression hielten sich aufprivater Ebene ‚Abwei- chungen‘ unterschiedlichster Art,soll heißen: Der tendenziell aufsämtliche Le- bensbereiche der Bevölkerungangelegte Anspruchdes epistemischen Regimes blieb im Alltag begrenzter,als es die universalistisch formulierte Ambition des Machtapparatesnahe legte.⁹ Jene Ambivalenz zwischen dem politisch-ideologischen Wirklichkeitsan- spruchdes offiziellen Machtapparatesund einer inoffiziellen Ebene charakte- risiert schließlich die typische „Doppelkultur“ der DDR¹⁰ und damit ein Span- nungsverhältnis zwischenkonkurrierenden Wirklichkeitsinstanzen. Faktisch existierte eine Aufspaltung der DDR-Gesellschaft in eine offizielle politische Kultur und Wirklichkeitsordnungauf der einenund eine inoffizielle Sphäre diverser „Nischen“¹¹ aufder anderen Seite. Allerdings ist bei einem Verständnisder DDR als gespaltene Gesellschaft,in der eine Sphäre des Alltagsunabhängig neben der offiziellen politischen Kultur

 Neues Deutschland vom .., .Zitiert nach Schmidt-Lux: Wissenschaft als Religion, .  Kocka: Eine durchherrschteGesellschaft,  sowie Lüdtke: Helden der Arbeit, .  Vgl. Pollack: Konstitutive Widersprüchlichkeit.Vgl. auch die BeiträgeimSammelband von Bessel/Jessen: Grenzen der Diktatur.  Die zeithistorische DDR-Forschungder letzten  Jahrehat eine ganze Reihe entsprechender Studien zu ‚devianten‘ Alltagskulturen in der DDR hervorgebracht.Die Beispiele reichen von HipHop (Schmieding: Das ist unsereParty) bis Yoga (Tietke:Yogainder DDR). Vgl. auch die BeiträgeinVeen et al.: Lexikon Opposition und Widerstand in der SED-Diktatur.  So die These in Lemke: Ursachen des Umbruchs.  Gaus:WoDeutschlandliegt. Institutionalisierung ausgeschlossen … 229 existierte und in der das privateHandelnder Menschen für das Herrschaftssystem mehr oder weniger unsichtbarwar,Vorsicht geboten. Zwar zeigtebereits Günter Gaus’ Beobachtung der ‚real existierenden Nischen‘ in den 1980er Jahren, dass auch in der DDR ein Alltagsleben jenseits weltanschaulicher Vorgaben der Partei- und Staatsführung existierte, welchesindeutlichem Widerspruch zum propa- gierten Bild der offiziellen politischen Kultur stand. Keineswegsjedoch waren diese privaten Winkel gesellschaftspolitisch autonom und sie stellten auch keine vonder herrschenden Wirklichkeitsordnung unabhängigenFreiräume dar.Bei allen in den Nischen der Privatheit überlebensfähigen Heterodoxien blieb auch das Alltagslebeninder DDR stark aufdie ideologische Durchdringungsmacht der postulierten sozialistischen Wirklichkeit bezogen.¹² Hinter der scheinbar diametralen Entgegensetzung zweier Welten, der offi- ziellen Wirklichkeitsordnunghier und den verschiedenen (mal mehr,mal weniger privatistischen) Heterodoxien dort,verbarg sich letztlich wohl eher eine dialek- tische Verschränkungvon Herrschaft und Kontrolle, Anpassung und Distanzie- rung – und eine konfliktträchtigeMachtkonstellation, die sich am deutlichsten in der Konfrontation abweichender individueller Lebenswirklichkeiten mit den repressivenMechanismen der staatlichen Kontrollorgane erkennen lässt.Kon- spirativeUnterwanderungen, systematische Zersetzungsmaßnahmen und die so genannten operativenVorgänge dort,wodie geforderteAkzeptanz der sozialis- tischen Wirklichkeitsordnungnicht vollzogen wurde, zeigen, wie die vermeintli- che Abschottung der privaten Nischen gegenden Zugriff des epistemischen Re- gimes misslang, wenn dessenRahmenbedingungen ignoriert und Heterodoxien öffentlich wirksam zu werden drohten.¹³

3Zum Umgang mit dem Paranormalen in der DDR

Wielassen sich nun diese allgemeinen Überlegungen aufunserkonkretes Bei- spiel – das Paranormale – übertragen?Anders gefragt: Mit welchen Argumenten

 Vgl. hierzu auch Lindenberger: Diktatur der Grenzen sowie Kocka: DurchherrschteGesell- schaft.  Vgl. Bauer: Kontrolle und Repression. Ein aussagekräftiges Beispiel für jene ambivalente Nischenlogik ist die Situation der Kirche bzw. Religion in der DDR.Zwar garantiertedie Verfassung der DDR formal Glaubensfreiheit.Doch spätestens wenn die Aktivitätender Kirchen(mitglieder) über die ihnen zugestandene Ausübungdes Kultes hinaus gingen – etwa als Basis vonOpposi- tionsarbeit – hatten sie mit Repressionen zu rechnen. 230 InaSchmied-Knittel, AndreasAnton, Michael Schetsche wurde die Ablehnung vonParapsychologie, Okkultismusund verwandten The- men in der DDR konkret begründet?WelcheAkteureund Akteurinnen sowie In- stitutionen waren dafür zuständig?Aber auch:Lassen sich jenseits der offiziellen Weltanschauung nichtvielleicht doch gewisse Anzeichen für eine lebensweltliche Realitätdes Paranormalen – womöglich sogar in institutionalisierten Bahnen – feststellen? ZurBeantwortungdieser Fragen können wir aufeigene empirische Befunde zurückgreifen, namentlich aufInterviews mit Zeitzeugen, Archivakten und Do- kumente, die im Rahmenunseressoziologischen Forschungsprojekts „Im Schat- ten des Szientismus“ erhoben und ausgewertet werden. In diesemProjekt geht es, kurz gesagt,umden gesellschaftlichenDiskurs über das Paranormale in der DDR, d.h. um die Frage, wie die offizielle und wissenschaftliche Haltungzuden ent- sprechenden Themen ausfiel – aber auch um die Frage,welcheRolle paranormale Wissens- und Praxisformen in der Lebensweltder Bevölkerunggespielt haben und welche Folgen die Beschäftigung mit dem Paranormalen für Interessierte unter Umständen haben konnte.¹⁴ Werfen wir zunächsteinen Blick aufden offiziellen Diskurs,wie er in Büchern und Lexika, Zeitungs- und Zeitschriftenartikeln, Radio-und Fernsehsendungen, aber auch in Parteibeschlüssen oder Akten des Ministeriums für Staatssicherheit ablesbar ist. Ein erstes Beispiel stammt ausdem Bereich der Schulbücher.Exemplarisch sei hier ein Ausschnitt ausdem Lehrbuch Klasse 10 für Astronomie ausdem Jahr 1979 zum Thema ‚Astrologie‘ zitiert,indem sich in quasi idealtypischer Form das offizielle Argumentations- und Deutungsmuster findet:

Die Unwissenheit und den damit verbundenen Aberglauben des Volkes nutztedie herr- schende Klasse zur Stärkung ihrerMachtposition. Die sich entwickelnde Astronomie wi- derlegteinzunehmendem Maße die Behauptungender Astrologie durch exaktewissen- schaftliche Beweisführung. Trotzdem wirddie Astrologie auch heutenoch in der historisch überholten Ausbeutergesellschaft,z.B.von der herrschenden Klasse in der BRD,zur be- trügerischen Beeinflussungleichtgläubiger und abergläubischer Menschen genutzt.Inder DDR und anderen sozialistischenLändern wirddem Aberglauben durch die Verbreitung wissenschaftlicher Kenntnisse über Natur und Gesellschaft und durch die Erfahrung, dass es möglich ist,das Leben bewusst zu gestalten, der Boden entzogen.¹⁵

Auch in anderen staatlichen Medienorganen finden sich explizite Bezugnahmen aufunserThemengebiet.Ineinem Artikel ausdem SED-Zentralorgan „Einheit“

 Das Forschungsprojekt wirdfür drei Jahre vonder DFG finanziert; Hintergrundinformationen finden sich aufunserer Homepage www.okkulte-ddr.de.  Autorenkollektiv: Astronomie, . Institutionalisierung ausgeschlossen … 231 ausdem Jahre 1975 mit der Überschrift „Psi in der bürgerlichen Ideologie“ wird beispielsweise eine Verkettung zwischender „Verschärfung der allgemeinen Krise des Kapitalismus“ und dem „Kolportieren und Propagieren parapsychologischen Gedankenguts durch die Massenmedien kapitalistischer Länder“ hergestellt: „In der Tatbesteht ein engerZusammenhang zwischenzunehmenden Krisener- scheinungendes Kapitalismus und dem Aufblühen irrationalenMystizismus‘ in einer Vielfaltvon Spielarten.“¹⁶ Letztlich seien, so eine knappe Paraphrasierung, Parapsychologie, Spiritismus und Okkultismus neben Pornographie, Jesus-Kult und Hollywood ein Instrument imperialistischer Manipulation, das die wahren Verhältnisse verschleiere und den Interessen der Mächtigen diene. Die Ablehnung gegenüber grenzwissenschaftlichen Themen zeigt sich auch in diversen Zeitungsartikeln der (überschaubaren) Presselandschaft. ¹⁷ Bereits die Überschriften verdeutlichen die Stoßrichtungder Berichterstattung: „Moderner Aberglaube im Gewand der Wissenschaft.Parapsychologie – der neueste Schrei des Irrationalismus“ (1975),¹⁸ „Bürgerliche Ideologie im Zeichen der Krise – Wasist und will der Irrationalismus heute?“ (1981),¹⁹ „BRD: Hexen haben Hochkon- junktur“ (1988),²⁰ „In der BRD floriert das Geschäft mit Aberglauben“ (1985),²¹ usw. usf. Entsprechend einhellig sind auch die dazugehörigen Darstellungen. Esoterik, Aberglaube,Parapsychologie etc. werden systematisch diskreditiert und als weltanschaulich abweichend markiert.Der Logik des szientistischen Wissensre- gimes folgend, geschieht das Vorbringen entsprechender Argumente miteiner auffallend großen Einheitlichkeit,unter Rekurs aufein übereinstimmendes Be- gründungsmuster,wonach die Parapsychologie unwissenschaftlich sei, der wis- senschaftlichen Weltanschauung des Marxismus-Leninismus entgegenstünde, eine bourgeoise, revanchistische und politisch gefährliche Ideologie darstelle und zudem eine geistigeund personelle Nähezum Nationalsozialismus bzw.Fa- schismus aufweise. Man darf allerdings nichtdavon ausgehen, dass das skizzierte Muster einer zahlenmäßig großen Sprechergemeinschaft entstammte, das Gegenteil ist der Fall. Die wenigen (populär)wissenschaftlichen Werke, die verlegt wurden, stammen zumeistvon dem Rechtsmediziner Otto Prokop (1921–2009;bis 1987Direktor des

 Waltz: Psi in der bürgerlichen Ideologie, .  Wirdanken an dieser Stelle dem IGPP-Archivar UweSchellinger,auf dessen Recherchen im „Zeitgeschichtlichen Archiv“ in Berlin der untersuchteTextkorpus basiert.  Spickermann: ModernerAberglaube.  Ihme: Bürgerliche Ideologie.  Venus: Hexen habenHochkonjunktur.  Anonym: In der BRD floriert das Geschäft mit Aberglaube. 232 InaSchmied-Knittel, AndreasAnton, Michael Schetsche

„Instituts für Gerichtliche Medizin“ der Humboldt-Universität zu Berlin),dessen Beiträgevon herausragender Bedeutung für den Diskurs waren. Prokop hat sich jahrelangauf die Bekämpfung der experimentellen Methodender Parapsycho- logen und paramedizinischen Praktiken konzentriert und dazudiverse Veröf- fentlichungenverfasst. Insbesondere sein Band „Der moderne Okkultismus“²² galtfür Gegner der Parapsychologie als Standardwerk.Sogut wie jede offizielle Bezugnahme in DDR-Publikationen zu Themen ausdem Bereich des Paranor- malen rekurriert dann auch aufPublikationen, Gutachten und Stellungnahmen Prokops, die im Wesentlichendurch apologetische Einstellungenund undiffe- renzierteAblehnungen gegenall jenes geprägt sind,was sich unter Okkultismus, Parapsychologie und Grenzwissenschaftsubsumieren lässt.Vor allem Prokops Konzentration aufdie allgemeine Rolle des Okkultismus im Nationalsozialismus und die persönlicheVerstrickung des westdeutschen Parapsychologie-Professors Hans Bender (1907–1991),²³ der die (west‐)deutsche Parapsychologie nach dem Krieg jahrzehntelangrepräsentierte, spielen dabei eine Rolle.²⁴ Gleichwohl lassen sich auch qualitative Unterschiede feststellen – vorallem im zeitlichenVerlauf. Konkret können zwei Phasen identifiziert werden. Die erste kennzeichnet die Zeitspanne vonder Gründungder DDR bis Mitte/Ende der 1960er Jahre. In dieser Zeitfokussierte der Abwehrdiskurs zunächst aufdie Bekämpfung des ‚Aberglaubens‘ nach innen – also aufdie historischen Residuen abergläubi- scher,magischer und paramedizinischer Praktiken, die den Aufbauder jungen DDR und die Entwicklung des ‚sozialistischen Menschen‘ vermeintlich behin- derten. Als Exempel hierfür können die Abschaffung der Heilpraktikerausbildung sowie die Unterbindungder homöopathischen Fortbildungfür Ärzte gelten. Ver- gleichbareparamedizinische Praktiken waren zwar nicht grundsätzlich verboten, sie entsprachen aber nicht dem materialistischen Weltbild und man wollte sie aussterben lassen.²⁵ Die entsprechenden Diskussionen um Homöopathie, Volks- aberglauben und Ähnliches waren also seinerzeit zunächstwenigervon system- spezifischen Besonderheiten geprägt, sondern primär vomPragmatismus, Fort- schrittsglauben und dem Aufklärungsduktus der Nachkriegsära. Die zweitevon uns identifizierte Phase setzte gegenEnde der 1960er Jahre ein und ist durch die zunehmendeideologische Funktionalisierung des Para- Diskurses nach außen gekennzeichnet.Die Überwindung vonParapsychologie und Aberglauben in der sozialistischen Gesellschaft galtdabei als positivesDis-

 Prokop/Wimmer:Der moderne Okkultismus.  Für eine detaillierteUntersuchungüber Benders Wirken zur Zeit des NS-Regimessiehe Hausmann: Hans Bender.  Vgl. Mildenberger: OttoProkop.  Vgl. Nierade: Homöopathie. Institutionalisierung ausgeschlossen … 233 tinktionsmerkmal im schwelenden Systemkonflikt zwischen Ost und West (bzw. Sozialismus und Kapitalismus) – ganz im Sinne des oben zitierten Artikels ausder „Einheit“.ImGrunde genommen ging es vorallem darum, die DDR im Vergleich zur Bundesrepublik als ‚besseren‘,weil rationalerenund aufgeklärteren deutschen Staat zu konstituieren. DerWandelinder Hauptstoßrichtungdes Diskurseskanndamit zusammen- hängen,dassdie Bevölkerungder DDRimZugeeiner politischherbeigeführten, beschleunigten Säkularisierung²⁶ mehr undmehrdas InteresseanThemenkom- plexen mitTranszendenzbezugverlor. Eine mehr ergänzende alsalternative Hy- pothesewäre,dassdie ZahlsehrprofanerAlltagsproblemeinder ‚Mangelgesell- schaft‘ derBevölkerungnur wenig Raum undRessourcenfür spielerisches Experimentierenmit okkultistischenPraktiken gelassen hat. Schließlichkönntees aber auch sein,dassdie sozialisatorisch dichte AufklärungsarbeitimSinne des Szientismusinnerhalb vonnur zwei Jahrzehnten tatsächlichsoerfolgreich war, dass dieaus der ‚Vorzeit‘ derDDR erhaltenen okkulten Überzeugssystemeund Praxis- formen sich mehr undmehrzersetzten. Welchem dieser Faktoren auch immer die größereBedeutung zugeschrieben werden muss – Folgewar,dass die nach innen gerichteten Bekämpfungs-und Stigmatisierungsmaßnahmenzurückgefahren und der Gefahrendiskurs neu aus- gerichtet wurde. Die Änderung der Bekämpfungsperspektive hatte dabei eine doppelteFunktion: Erstens solltedas Übergreifen ‚okkulter Wellen‘ (wie etwa in den 1970er Jahren im Kontext der Fernsehauftrittevon Uri Geller) viaWestmedien aufdie Bevölkerung und damit eine Re-Etablierungdes Aberglaubens und all- tagsmagischer Praxisformen in der DDR verhindert werden. Und zweitens wollte man durch das Feld des (vermeintlich) um sich greifenden Okkultismus den Be- weis für den Revanchismus, die Irrationalität und Dekadenz spätkapitalistischer Gesellschaften wie die BRD erbringen. Ausder aufklärerischen Praxis gegenden Aberglaubenimeigenen Land wurdeeine ideologische Waffe im politischen Kampf der Systeme. Der Hang,das Paranormale als ‚DDR-untypisch‘ abzutun, prägteden offi- ziellen Diskurs noch aufandere Weise. Mindestens ebensoauffällig wie der weltanschaulicheDuktus der offiziellen Schriften in der DDR war auch ein stark eingeschränktesInformationsangebot: Sach- und Fachbücher, Fernseh- und Ra- diosendungen, öffentliche Vorträgeund sonstige, mit Publikumsorientierung verbundene Diskursfragmente zu Okkultismus und Parapsychologie waren grundsätzlich Mangelware. Ein aussagekräftiges Beispiel dafür liefert das Thema Nahtod, das seit den 1970er Jahren eine große wissenschaftliche und öffentliche

 Siehe etwa Wohlrab-Sahr/Karstein/Schmidt-Lux: ForcierteSäkularität. 234 InaSchmied-Knittel, AndreasAnton, Michael Schetsche

Bekanntheit in der Bundesrepublik (und anderen westlichen Staaten) erlangte. Gemeint sind die Berichte vonMenschen,die in Todesnähe schwebten, ‚zurück- geholt‘ wurden und anschließend außergewöhnliche Erlebnisse mit Licht-, Tun- nel- und Schwebeerfahrungen schilderten. RaymondMoodys „Leben nach dem Tode“ (erstmals1978inWestdeutschland erschienen) machte dabei ebenso die Runde wiedie thanatologischen Schriften der berühmten Sterbeforscherin Eli- sabeth Kübler-Ross. EntsprechendePublikationen, Fernsehbeiträgeoder Zeit- schriftenartikel erreichten (und erreichen bis heute) ein Millionenpublikum. In der DDR hingegen waren vergleichbare Veröffentlichungen nicht zu finden, die ge- nannten Bücher wurden nicht verlegt,verwandte Schriftenwaren nicht präsent. Doch war der offizielle Mangel in der DDR nur eine Seite der Medaille. Be- kanntermaßen besorgten sich die Menschenauf anderen WegenInformationen, sei es Literaturaus dem Westen, die teilweise mühsam abgetippt und unter der Hand verbreitet wurde, sei es, dass sie Einsichtindie Bestände der so genannten Giftschränke beantragten – und manche schrieben sogar an das Freiburger „In- stitut für Grenzgebiete der Psychologie und Psychohygiene“ (IGPP) und den westdeutschen Parapsychologen Hans Bender.Beispielhaft sei ausdem Archiv des IGPP folgende Zuschrift eines Herrn ausdem damaligen Bezirk Leipzig zitiert, datiertauf Dezember 1971:

Sehr geehrter Herr Professor,vor einigerZeit brachteder Deutschlandfunk vonIhnen eine 6‐teilige Vortragsserie, die sich mit den Problemen der Parapsychologie beschäftigte.Leider gabeszuden Sendezeiten sehr viele Unterbrechungen und Störungen, sodass mir vieles von den Inhalten der Vorträgeverloren gegangen ist.[…]Können Sie mir hier behilflich sein?Ich möchtegern über den heutigenStand der Parapsychologie unterrichtet sein. Hier bei uns ist einschlägige Literatur leider nicht erhältlich. […].²⁷

Die seinerzeit weitverbreitete Praxis, das stark eingeschränkteInformationsan- gebot über das Phänomen des „heimlichen Lesens“,²⁸ die Rezeptiondes ‚West- fernsehens‘ oder des Rundfunkszuunterlaufen, stützt jedenfalls unsere Vermu- tung,wonach die uns interessierenden Themen in der Lebenswelt der DDR- Bürgerinnen und Bürgertatsächlicheine gewisse Rolle spielten – und legt (ganz im Sinne der These der Doppelkultur)ein gewisses Akzeptanzproblem der offi- ziellen Meinung nahe.Nachunseren bisherigen Beobachtungen finden sich et- liche Hinweise, wonach ein Interesse an entsprechenden Themen sowie an ‚ok- kulten‘ Praktiken durchaus existierte.

 IGPP-Archiv: E//, ...Nochmals Dank an UweSchellingerfür die Unterstützung der Recherchen.  Lokatis/Sonntag:Heimliche Leser. Institutionalisierung ausgeschlossen … 235

Einen Beleg dafür liefern repräsentative Umfragedaten, beispielsweise zum bereits erwähnten ThemaNahtod. So gaben bei einergesamtdeutschen Bevöl- kerungsumfragegenauso viele Ost-wie Westdeutsche an, schon einmal ein To- desnäheerlebnis gehabt zu haben.²⁹ Zwarstammen jene empirischen Daten aus der Mitte der 1990erJahre – alsobereits ausder Zeit nach der ‚Wende‘–,aber alle ostdeutschen Nahtod-Erlebenden hatten ihre ErfahrungzuDDR-Zeiten ge- macht.Das heißt,obwohl das Phänomenöffentlich oder wissenschaftlich kaum bis gar nicht verhandelt wurde und womöglich in Teilen der DDR-Bevölkerung relativunbekannt war, hatte dies keinen Einfluss aufdas Vorkommen, respektive Nicht-Vorkommen solch individueller Grenzerfahrungen. Selbst die wiederkeh- rende Kernmotivik dieser Erfahrungen, etwa die typischen Tunnel-, Licht-und Schweberfahrungen, wurden relativhäufig auch vonden ostdeutschen Nachtod- Erlebenden berichtet.³⁰ Einen vergleichbarenHinweis liefern auch die Ergebnisse einer anderen Umfragestudie, bei der über 1.000 Personen zur Vorstellbarkeit paranormaler Phänomene und zum Vorliegen eigener Erfahrungen in diesem Bereich, etwa Wahrträume,Geistererscheinungen, außersinnlicheWahrnehmungen oder auch UFO-Sichtungen befragt wurden.³¹ Auch hier ergabder Vergleich zwischen den ost-und westdeutschen Befragten wenigerAbweichungen als im Vorfeld ange- nommen. So gaben seinerzeit ca. 50 Prozent der Westdeutschen an, eine (oder mehrere) solcher außergewöhnlichen Phänomene persönlich erlebt zu haben; bei den Ostdeutschen waren es mit 43 Prozent fast ebenso viele.³² Eine weitere Umfragedes „Allensbacher Institutsfür Demoskopie“ zeigt,dass unter den Ost- deutschenabergläubische Vorstellungen nicht wenigerverbreitet sind als in Westdeutschland, zumindest was die persönlicheBedeutung entsprechender Vorzeichen (Kleeblatt, schwarze Katze, Schornsteinfeger etc.) betrifft.³³ Im Archiv des IGPP finden sich zudem etliche persönliche Zuschriften vonAbsendern aus der DDR,die belegen, dass auch die Uri-Geller-Welle in den 1970er Jahrennicht vorder Grenze Halt machte. ViaWestfernsehen schauten eben auch die DDR- Bürgerdie entsprechenden Sendungenund ließen sich seinerzeit ebenso vonden

 Schmied/Knoblauch/Schnettler: Todesnäheerfahrungen, .  Ebd., –.  Schmied-Knittel/Schetsche: Psi-Report Deutschland.  Ebd., .Obwohl auch diese Studie erst einigeZeit nach der ‚Wende‘ entstand, kann die Gültigkeit der Befunde durchaus angenommenwerden,denn fast alle Befragtenbeziehen sich auf persönlicheErlebnissevor ,habenalso ihre außergewöhnlichen Erfahrungen zu DDR-Zeiten gemacht.  Institut für Demoskopie Allensbach: VonSchornsteinfegern. 236 InaSchmied-Knittel, AndreasAnton, Michael Schetsche populärenMassenexperimenten mit kaputten Uhren und verbogenen Besteck- teilen anstecken wie weite Teile der Bevölkerung in der Bundesrepublik. UnsereRecherchen zeigen darüberhinaus, dass auch gewisse ‚okkulte Praktiken‘–Hellsehen, Wahrsagen, Kartenlegen, Handlesen, Gläserrücken, al- ternative Heilverfahren und ähnliches – existierten bzw.dass es eine gewisse Nachfragenach diesen Themen gab. Beispiele dafür können hier nur angedeu- tet werden, etwa die öffentlichenAuftritte der selbstdeklarierten Wahrsagerin Mona Stein, die aufihrer aktuellen Homepage angibt,als „damals erste aner- kannteHellseherin der DDR“ praktiziert zu haben³⁴ (und dies im Interview,das wir mit ihr geführt haben, nachhaltig bestätigte). Eine andere Interviewpartnerin, Anne H., schilderte,wie sie sich als Jugendliche in den 1980er Jahren mit Freunden regelmäßig zum Gläserrücken traf. Ein weiteres Beispiel wäre Herr X. ausder Oberlausitz, der Zeitseines Lebens okkulte Literatur ausAntiquariaten zusam- mentrug und Erlebnisberichte überparanormale Erfahrungen in der Region sammelte. So lässt sich festhalten: Information und Austausch über paranormale Phä- nomene, okkulte Erfahrungen oder grenzwissenschaftliche Themen fanden fast ausschließlich im privaten, informellen Rahmen statt.Esgab zwar einigeöffent- liche Vorträge, etwa bei der Wissenschaftsorganisation „Urania“.Diesefolgten aber weitgehend der offiziellen,streng materialistischen Haltung,wie sie sich in der themenspezifischenDDR-Literatur und in den offiziellen Bezugnahmen fin- det,und dientenprimär der Agitation und Aufklärung der Bevölkerungüber den ideologisch schädlichen, wissenschaftlich unhaltbaren und ideologisch un- tragbaren ‚Aberglauben‘.Insgesamt,auch wenn unsere Ergebnisse noch vorläufig sind, lässt sich also durchaus voneinemgewissen ‚okkulten Untergrund‘ in der DDR sprechen, wobei die vorliegende Quellenlageaus verschiedenen Gründen nicht unproblematisch ist.Zum einen müssen die offiziellen Dokumenteaufgrund ihrer weltanschaulichen Prägung immer kritisch und sozusagen ‚gegenden Strich‘ gelesen werden, zum anderen finden sich ausden genannten Gründen kaum verwertbare schriftliche Quellen ausder Alltagskultur. Die Angst vorRepression, Überwachungund Kontrolle erklärt auch, wes- halb organisierte Zusammenschlüsse vonan‚Grenzgebieten‘ interessierten DDR- Bürgern eher selten waren – und auch nicht vonDauer.Einenexemplarischen Fall stelltder Dresdner „Stanislaw-Lem-Klub“ dar,mit dessenfrüheren Mitgliedern wir Interviews geführt haben. DieserKlub – 1969als „Interessengemeinschaft wis- senschaftlich-phantastische Literatur“ gegründet – befasste sich hobbymäßig mit der ‚wissenschaftlichen Phantastik‘ und ‚utopischen Literatur‘,wie das Science-

 http://www.monastein.info/, Zugriff am ... Institutionalisierung ausgeschlossen … 237

Fiction-Genre in der DDR genannt wurde, und hatte in den 1970er Jahren zahl- reiche Anhänger und Mitglieder. Diese richteten eine eigene Bibliothek ein, übersetzten bis dahininder DDR unveröffentlichteWerke und veranstalteten Vorträgeund Lesungen. Die Veranstaltungen drehten sich natürlich primär um phantastische Literatur,darüber hinaus oder zumindest am Rande aber auch um anomalistische Themen, etwa um die Fragenach außerirdischen Intelligenzen oder die Prä-Astronautik, seinerzeit insbesondere die Thesen Erich vonDänikens. Wiestark solche Gruppen und ihre Mitglieder unter politischer Beobachtung standen, zeigt das Beispiel des Klubs aufsehr plastische Weise. Als einer seiner Aktivisten durch unbequeme Fragen an der TU Dresden den Unmut der Partei- behörden aufsich zog,betrieben diese daraufhin seine Exmatrikulation und begründeten dies mit den vermeintlich anti-sozialistischen Tendenzen der im Klub verfasstenKurzgeschichten. In diesem Kontext geriet schließlich der Klub ab Herbst 1972 selbst ins Visier: Sämtliche Aktivitätenwurden bis aufWeiteres un- tersagt,viele Mitglieder zum Austritt genötigt,gegen einigevon ihnen wurden zusätzlich Partei- oder Disziplinarstrafen ausgesprochen.³⁵ Wirkönnen zum jetzigen Zeitpunkt unsererErhebungen und mangels ver- gleichbarer Fälle noch nicht definitivsagen, ob jene drastischen Sanktionen das übliche Vorgehen der staatlichen Kontrollinstanzen gegenüber interessierten Anhängern vonparanormalen Themen waren, und auch nicht,obdie entspre- chenden Vorgängejeweils gegenEinzelne – womöglich auch und gerade gegen politisch abweichende Personen – gerichtet warenoder gegendas Paranormale oder ‚die‘ Parapsychologie im Allgemeinen. Das geschilderte Beispiel steht aber durchausimKontext dessen,wasempirische Untersuchungen zu anderen Feldern abweichenden Verhaltens in der DDR – etwa zu religiösen oder subkulturellen Szenen – verdeutlichten: Beials solchen wahrgenommenen Abweichungen vom herrschenden Wirklichkeitsmodell wurden staatliche Instanzen und Kontrollor- gane in der Regel schnell aktivund setzen systematisch Überwachungs-, Ein- schüchterungs-und so genannte Zersetzungsmittelein.³⁶ Hinzu kam, dass Ver- einsformen und Gruppenbildunginsgesamt verdächtigwaren, sofern sie sich nicht in die Struktur staatlicherInstitutionen eingliederten, die beispielsweise unter dem Dach der Großbetriebe oder der Massenorganisationen fast immer auch ‚weltanschauliche Gemeinschaften‘ waren. Das freie Vereinsleben versuchte man vielmehr zu unterbinden oder es stand zumindest unter fortlaufender Beobach- tung.

 Krämer/Simon/Hutschenreuther:Der Stanislaw-Lem-Klub.  Vgl. z. B. Vollnhals:Das Ministerium für Staatssicherheit. 238 InaSchmied-Knittel, AndreasAnton, Michael Schetsche

Dass die Staatssicherheit Fakten zur Parapsychologie und zu verwandten Themenbereichen zusammentrug, wundertindiesem Kontext nicht.Die ent- sprechende Akte über Hans Benderkann diesbezüglich als Beispiel dienen und dokumentiert auch, wie die Staatssicherheit Prokops Bemühungen unterstützte, Benderund mit ihm der gesamten Parapsychologie eine geistigeNähe zum Na- tionalsozialismus nachzuweisen.³⁷ Unklar ist zum jetzigen Zeitpunkt, ob es im Zusammenhang mit dem Par- anormalen bzw.dessenBekämpfung eine eigene Infrastruktur beim Ministe- rium für Staatssicherheit (MfS) gab. Sicher,esexistieren einzelneAkten des MfS, in denen die uns interessierenden Themen eine Rolle spielen – Sachakten ebenso wie Personenakten. Diese geben jedoch wenigbis kaum Hinweise auforganisa- torische Sonderstrukturen oder personengebundene Zuständigkeiten in der Überwachung vonAnhängern des Paranormalen.Vieles weist daraufhin, dass die Hauptabteilung XX des MfS, die unter anderem für Kirchen, Religionsgemein- schaften und Sekten zuständig war oder die Abteilung ZAIG (Zentrale Auswer- tungs- und Informationsgruppe) sich auch mit paranormalen Glaubensinhalten beschäftigten und in unregelmäßigen Abständen etwa die entsprechende For- schungslandschaft und Publikationsorgane der Bundesrepublik beobachtetund ausgewertet haben (ein solches Dossier liegt uns vor).³⁸ Aufden ersten Blick eher wenigernaheliegend in diesem Zusammenhang ist das Interesse des MfS an entsprechenden Aktivitäten in der UdSSR.Der Staat- sicherheitblieben parapsychologische Forschungsaktivitäten in der Sowjetunion nicht verborgen, etwa Experimente und Veröffentlichungen zur Telepathie, Au- raphotographie und zu parapsychologischen Tests – auch und gerade im Kontext der Geheimdienste und des Militärs. Anders als in der DDR war die Beschäftigung mit dem Paranormalen dort keineswegskomplett ausgeschlossen; vielmehr fin- den sich zahlreiche wissenschaftliche Aufsätze und auch Bücher namhafter so- wjetischer Wissenschaftler,von denen aber kaum eines in der DDR erhältlich war oder garübersetzt wurde. Dies ist bemerkenswert,wennman die politisch-ideo- logische Vorreiterrolle des ‚großen Bruderstaates‘ bedenkt – und die Frageliegt aufder Hand,welches die Gründe für diese unterschiedliche Behandlungdes hier interessierendenThemenkomplexes in der UdSSR und in der DDR waren.

 Archivdes Bundesbeauftragten für die Unterlagendes Staatssicherheitsdienstesder ehema- ligen DDR (BStU), Archiv der Zentralstelle: MfS HA IX/,Nr. AV / Bd. , .  Archivdes BStU:MfS ZAIG, Nr. . Institutionalisierung ausgeschlossen … 239

4SozialistischeParapsychologie? UdSSR undDDR im Vergleich

Generell ist zunächstfestzuhalten, dass es in der UdSSR beinahe zu jeder Zeit in nennenswertem Ausmaß staatliche geförderteparapsychologische Forschung gab.³⁹ Bis Anfang der 1960er Jahre fand diese weitgehend im Modus der Ge- heimhaltung statt,was insofern nicht verwundert,als unter anderem untersucht wurde, inwieweit sich im Rahmen der Parapsychologie gewonnene Erkenntnisse militärisch, geheimdienstlich und politisch nutzenließen. Mit dem Ende der Stalin-Ära änderten sich nach und nach die Rahmenbedingungenfür die Wis- senschaft und das öffentlicheLeben in der UdSSR.Dies betraf auch die Para- psychologie: Nach einer Phase der Forschung im Modus der Geheimhaltung findet sich ab den 1960er Jahren eine ganze Reihe vonVeröffentlichungen, in denenüber Aspekteparanormaler Phänomene und deren Erforschung diskutiert wurde.⁴⁰ Einen Überblicküber diverse Publikationen zu grenzwissenschaftlichen Themen in der UdSSR bietet die Bibliographie vonNaumovund Kollegen (1981),⁴¹ in der über 700themenbezogene Titel aufgeführt sind.Zubetonen ist in diesem Zu- sammenhang,dass in entsprechenden Veröffentlichungen sowohl Befürworter als auch Kritiker parapsychologischer Forschung zu Wort kamen und es damit zu- mindest in Teilen einen kontroversen Diskurs (zumalöffentlich publiziert)zu Para-Themen gab. Auch in der Bevölkerung scheinen grenzwissenschaftlicheund paranormale Themen in der Zeit nach Stalin einen Bedeutungszuwachs erfahren zu haben. Birgit Menzel kennzeichnet die Phase nach der Stalin-Ära als eine bewusste Ab- wendungvom „atheistic cult of the rational“.⁴² Eine Frageaberbleibt offen: Wielässt es sich erklären, dass entgegen dem ebenso rationalistischen bzw.materialistischen Anspruch der Sowjetunion das Paranormale in seinen verschiedenen (auch institutionalisierten) Formen eine mehr oder minder konstanteErscheinung war,während das offizielle System in der DDR öffentliche Diskussionen zum Themaunterband, eine akademische parapsychologische Forschung dort geradezu undenkbar gewesen wäre? Martin Schneiderund Andreas Anton führen hierfür mehrere, miteinander in Wechselwirkung stehende Erklärungsfaktoren an, die Hinweise für den unter-

 Siehe hierzu auch den Beitrag vonBirgit Menzel in diesem Band.  Jene Entwicklung wurde nachgezeichnet durch einen der Autoren unseres Beitragsund kann ausführlich nachgelesen werden in Schneider/Anton: Politische Ideologie.  Naumov/Vilenskii/Shpilev:Parapsikhologiia bRossii.  Menzel: Occult and Esoteric Movements in Russia, . 240 InaSchmied-Knittel, Andreas Anton, Michael Schetsche schiedlichen Umgangmit dem Paranormalen in Wissenschaft und Lebenswelt der DDR und der UdSSR liefern können.⁴³ Dabei verweisen sie (1) aufdie säkulare Tradition Ostdeutschlands, dasschon frühvon Säkularisierungsprozessen ge- prägt war,während sich in Russland in der Zeit vor1917starke religiöse, okkulte und spirituelle Bewegungen finden.⁴⁴ Diese unterschiedlichen Tradierungen könnten auch den späteren Umgang mit paranormalen Themen geprägt haben. (2)ImGegensatz zur UdSSR war der öffentliche Diskurs zu Themen des Par- anormalen in der DDR vorallem dadurch gekennzeichnet,dass er keine Kon- troverse zuließ und einen eher verkündenden Charakteraufwies. In diesem Zusammenhang ist vorallem die Rolle einzelnerAkteure, wie die diskursivbe- deutsameEinmischung des Rechtsmediziners Otto Prokop, zu betonen. Bedenkt man den vonder Zahl der Publikationen her recht überschaubaren Umfangdes DDR-Diskurses zu paranormalen Themen, kann davonausgegangenwerden, dass die wenigen(zumeist vonProkop verfassten oder initiierten) Publikationen mit durchweg ablehnendem Duktus einenerheblichen Einfluss aufdie (negative) öffentliche Wahrnehmung der Parapsychologie und verwandter Themen ausdem Bereich des Paranormalen hatten. (3) Schließlich ist die antifaschistische Staatsräson der DDR ein weiterer Erklärungsfaktor.Wie angedeutet,wurde in den öffentlichenBezugnahmen im DDR-Diskurs zu paranormalen Themen immer wiederderen geistigeNähezunationalsozialistischem bzw.faschistischem Ge- dankengutkonstatiert.Inden Augen der DDR-Administration galten (zumindest) Teile der personellenSpitze des NS-Regimes als ‚Okkultisten‘–vorallem die Okkult-Affinität Heinrich Himmlers wurde in diesem Zusammenhang immer wiederbetont.Dadie Bekämpfungdes Faschismus und Nationalsozialismus zu den Grundsäulen der DDR-Staatsideologie zählte, wurde die Ablehnung der Pa- rapsychologie und ähnlicherThemengebiete gleichsam in den rhetorischen Kampf gegenden politischen Gegner eingebettet.⁴⁵ Dies sind freilich nur vorläufigeThesen, die darüberhinaus auch nur einen Teil der Unterschiede zwischen der DDR und der UdSSR in den Blick nehmen. Unbeantwortetbleibt beispielsweise die Fragenach der Leerstelle beim Transfer entsprechender Wissensbestände: Weshalb blieben die parapsychologischen Forschungen der UdSSR in der DDR weitgehend unbekannt und unkommentiert, warum gabeskaumÜbersetzungen entsprechender Fachartikel und anderer

 Schneider/Anton: Politische Ideologie, –.  Dazu auch Huhn: Glaube und Eigensinn.  Schneider/Anton: Politische Ideologie, . Institutionalisierung ausgeschlossen … 241

Veröffentlichungen?⁴⁶ Diese und weitere Fragen müssen vorerst unbeantwortet bleiben.

5Fazit: DasPara-Normale in der DDR – Institutionalisierung ausgeschlossen

Kommen wir zu unserem Fazit: Die ideelle Ordnung der DDR war nicht nur durch das bekanntepolitische, sondern eben auch durch ein spezifisches epis- temisches Regime gekennzeichnet.Ideelle Basis dieser Wissenskultur war der Marxismus-Leninismus als offizielle Weltanschauungder DDR,bestimmtdurch die zentralen Ideologeme Antifaschismus, dialektischer und historischer Mate- rialismus sowie Szientismus.Szientismus hieß dabei – plakativgesprochen – dass es ‚zwischenHimmel und Erde‘ eben genaunichts geben durfte. Entsprechend galt als besonders gefährlich all jenes Gedankengut, das auch nur im weitesten Sinne als Bestandteil solcher nicht-hegemonialen Denkweltenaufschien, Revanchis- mus, Okkultismus und Aberglauben eingeschlossen. Der Kampfgegen das Paranormale erklärt sich ausden besonderen An- strengungen zur Absicherung der offiziell geltenden Wirklichkeitsordnung.So- ziologisch betrachtet,können diese Ab-und Ausgrenzungspraktiken ganz ver- schiedene Gründe haben (wir haben dies bei der Diskussion der beiden Phasen des offiziellen Diskurses bereits angedeutet): 1. Realitätsbezogene Gründe: Insofern – ganz im Sinne der Doppelkultur- these – in der Lebensweltder DDR Überzeugungen und Praxisformen existierten, die im Widerspruch zur orthodoxenWirklichkeitsordnung standen, wurde dieser quasi ‚real existierende Okkultismus‘ auch vonoffizieller Seite (mit höchst kriti- schem Blick)wahrgenommen. 2. Herrschaftsstabilisierende Gründe: Geltungskriegeineinem Bereich der Wissensordnung können vonGlaubwürdigkeitskrisenineinem anderen Segment ablenken und die öffentliche Aufmerksamkeit vonzentralen ideologischen Pro- blemlagen fernhalten. Mit anderen Worten: Werlautüber vermeintlich okkulte

 Die Ausnahme bildet eine geringe Anzahl populärwissenschaftlicher Artikel über grenzwis- senschaftliche Themen im weitesten Sinne in der Zeitschrift „Sputnik“–bekanntermaßen das Forum für die deutsch-sowjetische Freundschaft mit Berichten ausallen Bereichen vonPolitik, Kultur,Wissenschaftund Gesellschaft.Die Rezeption und Kommentierungentsprechender Artikel über Hypnose (Bul: Fernhypnose), außerirdisches Leben (Naan: Ausserirdische Zvilisation), Te- lepathie (Gussew:Telepathie)oder Scheintote(Lissowenko: Nach Scheintod) blieb in Wissen- schaft und Öffentlichkeit allerdingsmehr als begrenzt. 242 InaSchmied-Knittel, Andreas Anton, Michael Schetsche

Gefahren räsoniert, kann belangvollere Unzulänglichkeitenimrealsozialistischen Alltagleichter unterschlagen. 3. Strategische Gründe: Szientismus und wissenschaftliche Weltanschauung dienten als Instrumentedes Systemkonflikts und Klassenkampfes,dessen Be- standteil die ideologische Auseinandersetzungmit dem ‚Aberglauben‘ (etwaals Abgrenzungsmerkmal gegenüber ‚westlicher Dekadenz‘)war.Spätestens in den 1970er Jahren geriet die Okkultismus-Debattezueiner weiteren Bühne, aufder der (Klassen‐)Kampf um die Wirklichkeit inszeniertwurde. Dies geschah oftmals theatralischer als wirkmächtig,wie z. B. in einer Folgeder Sendung „Der Schwarze Kanal“ ausdem Jahr 1989,inder das Pfingsttreffen der FDJzum Anlass genom- men wurde, über die verfahrene Situation der BRD-Jugend zu berichten. Diese, so der Beitrag, sei gespalten in revanchistische Neonazis aufder einenund okkult- gläubigeJugendliche,die vonPendeln und schwarzen Messen fasziniert sind, auf der anderen Seite. Karl-Eduard vonSchnitzler,der Moderator der Sendung, stellte einen unmittelbaren Zusammenhang zwischen diesen beiden Strömungenher, indem er fragte: „Ja,meine Zuschauerinnen und Zuschauer,hat das alles wirklich nichts miteinander zu tun: Okkultismus, Spiritismus, Neonazismus, Revanchis- mus?Fällt das nicht alles in die Rubrik: Manipulierung,Verführung, Ablenken von der Wirklichkeit?“⁴⁷ Wasbleibt festzuhalten?Eindeutig ist,dass unter den genannten Bedin- gungen in der DDR kein Platz für eine Institutionalisierung paranormaler Über- zeugungssysteme und Praxisformen war – weder in der offiziellen nochinder inoffiziellenKultur.Was hingegen institutionalisiert war,war die öffentliche Delegitimierung der Parapsychologie und verwandter Themen. Allerdings nicht vollständig:Sedimentiert im Volksglauben, eingebettet in persönlicheNeigungen, hervorgerufen durch diskursiveEreignisse wie etwa die Geller-Welle oder als nonkonformer Protest Einzelneroder selbstorganisierter Gruppen gegenideolo- gische Überfrachtung und szientistische Überformung existierte in der Lebenswelt der DDR-Bevölkerungdurchaus ein kleiner ‚okkulter Untergrund‘.Seinen Aus- prägungen sind wir aufder Spur.

6Bibliographie

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1Einleitung

Der folgende Beitrag bietet einen Überblicküber die Geschichte der „Parapsy- chologyFoundation“ und der „Parapsychological Association“,zwei für die In- ternationalisierung und Professionalisierung der Parapsychologie zentrale Insti- tutionen. Die wichtigsten Protagonistinnenund Protagonisten kommen dabei ebenso in den Blick wie Debatten innerhalb der community. Ausder Perspektive eines langjährigenMitglieds der „Parapsychological Association“ werden Ein- blicke in die historischen Entwicklungengegeben sowie wichtige Phasen und zentrale Diskussionen aufgezeigt.

2Die „ParapsychologyFoundation“

Einer der wichtigstenImpulsefür die internationale Forschungsförderungder Parapsychologie nach dem Zweiten Weltkrieg ging vonder am 14.Dezember 1951 in New York erfolgten Gründung der „ParapsychologyFoundation“ (PF) aus. Ihr erklärtes Ziel war es, die einschlägige Forschung im internationalen Rahmen zu fördern und zu vernetzen – sowohl durch die Vergabevon Forschungsmitteln und Unterstützung des wissenschaftlichen Nachwuchses als auch durch die Or- ganisation und Durchführung vonFachkonferenzen zu zentralen Themen der Grenzgebietsforschung.

2.1 Eileen Garrett als „Lady Bountiful of Parapsychology“

Initiiert wurde die „ParapsychologyFoundation“ durch Eileen Garrett (1893– 1970). Sie wargebürtigeIrin, die sich seit den 1920er JahreninEngland und später in den USAsowohl als parapsychisch (‚medial‘)begabte Versuchsperson und

DOI 9783110466638-010 246 EberhardBauer

Sensitive,als auch später als erfolgreiche Verlegerin und Autorin einenNamen gemacht hatte (vgl. Abb. 1).¹ Im „Biographical Dictionary of Parapsychology“ von 1964 werden die Stationen ihres Werdegangswie folgt resümiert:

Mrs. Garrett is one of the most active of contemporary mediums.Anatural sensitive in her earlyyouth, she developed her psychic capacities at first under the direction of James Hewat McKenzie at the British CollegeofPsychic Scienceinthe years 1924–28.McKenzie was a convinced spiritualist, however,and Mrs. Garrett found that her own approach to the meaningofpsi phenomena was rather that of objective inquiry.Inthe years that followed, therefore,she took part in experiments directed towardanunderstandingofsupernormal perception in which her own talents could be subjecttocontrolled scientific examination. ‘Ihaveagift,acapacity – adelusion, if youwill – called psychic,’ Mrs. Garrett wroteinher book of personal memoirs,Adventures in the Supernormal (1943). ‘Ihavebeen called many things,fromacharlatan to amiracle woman. Iam, at least,neither of these.’ […]The in- vestigations in which Mrs. Garrett has participated over the years,inGreatBritain, Europe and the United States, have covered nearlyevery major phase of parapsychology,and she has workedwith some of the best known researchers of moderntimes.Invited to the United States by the American Societyfor Psychical Research in 1931, Mrs.Garrett visited DukeUniversity at intervals (1932–38) for work under the guidanceofWilliam McDougall and J. B. Rhine. She took part in long-distancetelepathytests between San Diegoand Newfoundlandand San Diegoand New York and in research in automatic writingwith the late psychiatrist Dr.Anita Muehl (1931); in research in mental mediumship (1931) with Dr.HerewardCarrington;in mental mediumship with special attention to trance,with Dr.Adolph Meyer of Johns Hopkins University,Baltimore(1932); in investigation of spontaneous ,paranormal’ phenomena and a series of trance sittings with Dr.Alexis Carrel(1935,1936); numerous research projects concerning poltergeist phenomena, including the so-called hauntingofAsh Manor,England, with Dr.Nandor Fodor;investigation of trance mediumship under the auspices of Dr.Elwood Worcester of the Boston Society for Psychic Research (1935,1937);experiments in extra- sensory perception at the Parapsychology Laboratory at DukeUniversity (1942, 1943); aseries of experiments (1949) under the direction of Dr.John Hays Hammond, assisted by Dr.Henry K. Puharich; research in the natureofthe unconscious at various European centers (since 1952).²

Mitbeteiligt an der Gründungder „Parapsychological Foundation“ und ent- scheidenden Anteil an ihrer langfristigerFinanzierunghatte weiterhin die Mil- lionärin, Philanthropin und langjährige US-KongressabgeordneteFrances P. Bol-

 Zurumfangreichen Literatur über und vonEileen Garrett vgl. als Auswahl: Angoff: Eileen Garrett; Hastings:The ManyVoices; McMahon:Eileen J. Garrett.Eine vonCarlos S. Alvarado zusammengestellteAuswahlbibliographie findet sich in Garrett: Adventures in the Supernatural, –.Eine unveröffentlichteBiographie über Garrett wurde als Forschungsprojekt des Freiburger „Instituts für Grenzgebiete der Psychologie und Psychohygiene e.V. “ vonMartin Ebon, dem langjährigenSekretär der PF,verfasst.Vgl. Ebon: Psycho-CulturalAspects of Trance-Me- diumship.  [Ohne Verfasser]: Garrett,Eileen JeanetteVancho Lyttle, f. Internationalisierung undProfessionalisierung parapsychologischer Forschung 247 ton (1885–1977), die im politischen Establishment in Washington hervorragend vernetzt war.Sie war beispielsweise mit dem früheren US-Präsidenten Gerald Ford persönlich befreundet und fungierteu.a.als US-Delegiertebei den Verein- ten Nationen. Bolton hatte,sodie Angaben in ihrem Nachruf,³ EileenGarrett bereits im London der frühen 1930er Jahre kennengelernt und zeigtesich „deeply impressed“ vonihren medialen Fähigkeiten. Bolton hatteschon in diesen Jahren die EtablierungparapsychologischerForschung an der Duke University – ver- treten durch William McDougall (1871– 1938) und Joseph B. Rhine (1895–1980) – großzügig unterstützt.⁴

2.2 „International Conference of Parapsychological Studies“ in Utrecht 1953

Ein wichtiger Schritt zur internationalen Sichtbarkeit der „Parapsychological Foundation“ war die erste „International Conference of Parapsychological Stu- dies“,die vom30. Juli bis 5. August 1953ander Universität Utrecht stattfand und ausschließlichvon der PF finanziertwurde.⁵ Die Utrechter Konferenz gilt als Meilenstein in der Nachkriegsgeschichte der internationalen Parapsychologie, denn zum ersten Mal nach Ende des Zweiten Weltkrieges kamen 78 Delegierte aus 14 Ländern in Europa zusammen, um sich über den gegenwärtigen Stand der parapsychologischen Forschung auszutauschenund Perspektivenfür die weitere Entwicklungdes Gebieteszudiskutieren.⁶ Die Teilnehmerdeckten ein breites interdisziplinäres Spektrum ab und kamen ausPhysik, Chemie, Biologie, Psy- chologie, Soziologie,Medizin, Mathematik und den Ingenieurswissenschaften.⁷ Der bekannteSozialpsychologeGardner Murphy(1895–1978), selbst aktivan parapsychologischen Forschungsthemen interessiert,fungierteals Tagungsprä- sident.Während der Tagung wurden verschiedene Arbeitsgruppen gebildet,die

 Vgl. [Ohne Verfasser]: FrancesP.Bolton Dies, .  Vgl. Mauskopf/McVaugh: The Elusive Science, f.  Vgl. für das Folgende die detaillierte und materialreiche Darstellungder Vorgeschichte, des Verlaufes und der Auswirkungen dieser Konferenz bei Alvarado:DiscussingParapsychology at Utrecht, –.  ZurErinnerungandieses historische Ereignis fand  Jahrespäter, im Oktober ,eine Nachfolgekonferenz der „Parapsychology Foundation“ zum Thema „UtrechtII: Chartingthe FutureofParapsychology“ statt.Die Veranstaltungwurde vorbereitet vonWim Kramer vonder niederländischen „Johan Borgmanfonds Foundation“,die das Treffen finanzierte. Vgl. den gleichnamigenTagungsband Utrecht II.  Die Namenslisteder Teilnehmerinnen und Teilnehmer findet sich bei Alvarado:Discussing Parapsychology at Utrecht, . 248 EberhardBauer

Abb. 1: Eileen Garrettbei einem PendelversuchimFreiburger „Institut fürGrenzgebiete der Psychologie und Psychohygiene“,Fotovon Leif Geiges, 1953 (Quelle: Archiv des IGPP, Bestand 2/4) sich mit folgenden Themenschwerpunkten befassten: 1. Quantitativ-statistische Studien, 2. Psychotherapeutische und psychoanalytische Zugänge,3.Spontane Phänomene und Qualitative Forschung,4.Untersuchungen zur Persönlichkeits- struktur vonSensitiven.⁸ Unter den Teilnehmern ausDeutschland war Hans Bender(1907–1991), der wichtigste akademische Repräsentant der Parapsycho- logie im Nachkriegsdeutschland, der sich bereits an der Vorbereitungder Kon-

 Vgl. hierzu die Abstracts der Vorträgeinden „Proceedingsofthe First International Confe- rence“. Internationalisierung und Professionalisierung parapsychologischer Forschung 249 ferenz intensivbeteiligt hatte.⁹ Sein Beitrag widmete sich den Problemen der Auswertung „qualitativer“ ExperimenteamBeispiel der sogenannten ‚präkogni- tiven‘ Platzexperimente mit dem holländischen SensitivenGerard Croiset (1909 – 1980), ein Thema, das Benderinden 1950er Jahren intensivbeschäftigte.¹⁰ Wie- tereTeilnehmeraus Deutschland waren der Kunsthistoriker GustavHartlaub, der Psychologeund damaligeAssistent vonBender, Wolf-Dietrich Rasch, der Phy- siologeHans Schäfer sowieder Physiker Joseph Wüst.Die Philosophin Gerda Walther war krankheitsbedingt verhindert.

2.3 Ein „Fünf-Jahres-Plan“ fürparapsychologische Forschung

Das positive Echo aufdie Utrechter Konferenz seitens der Teilnehmerinnenund Teilnehmerveranlasste EileenGarrett zu dem Entschluss,einen Fünf-Jahres-Plan „of continuous support and interest in parapsychological researchbythe Para- psychologyFoundation“ zu entwickeln.¹¹ Das daraufhin eingerichteteFörde- rungsprogramm der „ParapsychologyFoundation“ war vonseinem Umfangher einzigartig und konzentrierte sich auffolgende Punkte:

1) The encouragement and support of researchprojects in various fields of consequenceto parapsychological studies.

2) The international exchange of informationonevents,methodological developments,re- searchundertaken, bibliographical data, etc.

3) The organization of conferences,consultations,formal and informal meetings designed to increase scholarlycollaboration and to encouragethe development of advancedprojects.

4) The development of awideninginterchangeofinformationbetween parapsychologists and other members of the scientific community whose work maybeofconsequencetopar- apsychology,orwhose area of inquiry might benefit from the work and findings of parapsy- chology.

 Vgl. Benders Korrespondenz mit der „ParapsychologyFoundation“ im Archivdes IGPP:Bestand E/,Nummer  [noch unverzeichnet]. Zu Benders Versuch, die Parapsychologie in jenen Jahrenander Universität Freiburgzuinstitutionalisieren,vgl. den Beitrag vonAnna Luxindiesem Band.  Vgl. Bender:Praekognition im qualitativenExperiment, –.Benders Assistent Wolf-Diet- rich Rasch stellteerste psychodiagnostische Befunde bei mutmaßlich parapsychisch begabten Probanden vor, die sich an das FreiburgerInstitut gewandthatten. Vgl. Rasch: Psychodiagnostic Examination of Sensitives, f.  Proceedingsofthe First International Conference, . 250 Eberhard Bauer

5) The publicationofbooks,monographs and other material designed to bring the results of parapsychological activities before an appropriateaudience; the support of publications in various parts of the world, devoted to such aims.¹²

Ziel der „ParapsychologyFoundation“ war es somit,die Arbeiten einzelnerWis- senschaftlerinnen und Wissenschaftler zu fördern und gleichzeitigderen wis- senschaftliche Arbeit aufdiesem Gebiet innerhalb akademischer Institutionen, Laboreund Vereinigungen zu unterstützen.¹³ In der konkreten Umsetzungumfassten die Aktivitäten der „Parapsychology Foundation“ die Einrichtung und Pflegeeiner umfangreichenForschungsbiblio- thek in dem damaligen ‚headquarter‘ der PF in New York City,weiterhin den As- pekt „Education in Parapsychology“,also ein breit gefächertes Stipendienpro- gramm für die Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses aufdiesem Gebiet. Die Stiftung unterstütztezudem Forschungsprojekte¹⁴ sowie die Herausgabe der Buchserie „The ParapsychologyMonographs“,inder zwischen1958 und 2004 19 Titel erschienensind. Nicht zuletzt verantwortete die PF die Publikation und redaktionelle Betreuungdes populärwissenschaftlichen Quartalsmagazins „To- morrow“,das von1952bis 1968 erschienund 1970 abgelöst wurde durch die sechsmaljährlich erscheinende Zeitschrift „ParapsychologyReview“.Diese er- schien bis 1990 und stellte in diesen Jahren ein wichtiges Kommunikationsforum innerhalb der internationalen parapsychologischen community dar. Besondere Erwähnung verdient zudem die Herausgabe der Fachzeitschrift „The International JournalofParapsychology“ (1959bis 1968), die einen festen Platz in der internen Fach- und Rezeptionsgeschichte der internationalen Para- psychologie einnahm. Hier erschienennicht nur die Ergebnisse parapsychologi- scher Forschung,sondern auch Artikel vonWissenschaftlern anderer Disziplinen, so vonPhysikern, Anthropologen oder Philosophen, deren Forschungsinteressen parapsychologische Themen tangierten.¹⁵

 Report on Five Years of Activities, .  Vgl. ebd.  Einzelheiten finden sich in den Tätigkeitsberichten der PF.Vgl. Report on Five Years of Acti- vities,sowie TenYears of Activities.Inihrem  Jahre umfassenden Rückblick aufdie Geschichte der PF weisenAlvarado et al. darauf hin, „that agood proportion of papers published in the main American journals [gemeint sind das Journal of Parapsychology und das Journal of the American Society for Psychical Research, EB] for the period – werefunded by the PF.“ Vgl. Al- varado et al.: Fifty Years of SupportingParapsychology, .  Vgl. Stevenson: Eileen J. Garrett – An Appreciation, .Die Forschungsarbeit des Freiburger IGPP ausden er Jahren war in dieser Zeitschrift mit zweiBeiträgen vertreten.Vgl.Strauch: Medical Aspects of „Mental“ Healing, –;Sannwald: On the Psychology of Spontaneous Paranormal Phenomena, –.Umdas Jahr  versuchtedie PF nochmals an diese Internationalisierung undProfessionalisierung parapsychologischer Forschung 251

Angesichts einer solch generösen Forschungsförderungdurch die PF ver- wundertesnicht,dass EileenGarrett v. a. in ihrer Eigenschaft als Mäzeninindie Geschichte der internationalen Parapsychologie eingegangenist.Soschrieb etwa Rhine, der über Jahrzehnte die anglo-amerikanische Parapsychologie dominier- te,¹⁶ in seinem Nachruf aufGarrett:

There has been nothingelse to compare with the generosity of this LadyBountiful of Para- psychology as she willingly poured out the financial aid needed by isolated workers in manycountries struggling to do somethinginornear the field of psi research.¹⁷

Ähnlich lautetedie Einschätzungdes Psychiaters Ian Stevenson (1918–2007):

No one in the entirehistory of psychical research has contributedtoitinasmanydifferent ways as she did and few have left so deep amark on its progress.[…]Ithink nearly every activeparapsychologist in the world [Hervorhebung, EB] has receivedsupport at one time or another from the Parapsychology Foundation.¹⁸

2.4 DasKonferenzprogramm der „Parapsychology Foundation“

Der Verdienstder „ParapsychologyFoundation“,beurteiltaus der Perspektive der internen Fachgeschichte, besteht in der Organisation und Finanzierungin- ternationaler Tagungen. Die im Anschluss publizierten „Proceedings“ bietenein

Tradition anzuknüpfen und die Zeitschrift in einem neuen, zeitgemäßen Format fortzuführen. Neu aufgenommenwurde z.B. die Sparte „Elektronika“,inder „new information forums such as CD- Roms,software, electronic games, electronic journals and magazines, and websitesofnote for our field“ behandelt werden sollten.Vgl. als Beispiel Zingrone:CD-Roms and Websites of Note, – .Trotzdieses ambitionierten Anliegens musstedie Zeitschrift nach zwei Jahrgängen, die knapp . Druckseiten umfassten, ihr Erscheinen auslogistischen und finanziellen Gründen ein- stellen.  Vgl. zu Rhine v. a. Mauskopf/McVaugh:The Elusive Science; sowie den Sammelband zu Ehren vonRhine vonRao: J. B. Rhine: On the Frontiers of Science. ZurRolle vonRhine als akademischer Führungs-und Integrationsfigurder Parapsychologie in den USAvgl. insbesondereMackenzie: Rhine’sPlace in the History of Parapsychology, – sowie den Beitrag vonAnna Luxin diesem Band.  Rhine: Eileen J. Garrett as IKnew Her, .  Stevenson: Eileen J. Garrett – An Appreciation, , .Stevensons eigene ‚unorthodoxe‘ Forschungsrichtung, die sich der vergleichenden Untersuchungvon “Rückerinnerungenan‚frü- hereLeben‘” bei Kindernund Jugendlichen in verschiedenen Kulturenwidmete, wurde in der Anfangsphase großzügigvon der PF unterstützt.Vgl. Bauer/Keil: Spontane Reinkarnationserfah- rungen, –. 252 EberhardBauer

Spiegelbild der interdisziplinären parapsychologischenForschung über fünfzig Jahre, wobei sie oftmals Forschungstrends vorwegnahmen oder anstießen. So wurden etwa im Anschluss an die Utrechter Konferenz allein in den 1950er Jahren acht Tagungen durchgeführt,deren thematisches Spektrum vonder unorthodoxen Heilung über spontane paranormale Phänomene bis hin zu Drogenerfahrungen im Kontext außergewöhnlicher Bewusstseinszustände reichte. In ähnlicherWeise hatte die PF zwischen 1961und 1965fünf weitere Konferenzen durchgeführt,die zum Beispiel mögliche psychophysiologische Korrelate mit parapsychischen Phänomenen oder Überschneidungenzwischen Religion und Psychologie the- matisierten. Tagungsortewaren etwa die Cambridge University, an der 1955 über paranormale Spontanphänomene verhandeltwurde, vorallem aber St.Paulde Vence im Süden Frankreichs in der Nähe vonNizza,wo die PF über Jahrzehnte eine idyllisch gelegene Tagungsstätteunterhielt, in der die meistenKonferenzen stattfanden. Einen Einblick in Qualität und Dynamik eines solchen interdiszi- plinären Treffens vermittelt der Konferenzbericht über „Psychophysiologische Korrelate bei paranormalen Vorgängen“ vonIngeStrauch (*1932), die als damalige Assistentindes FreiburgerIGPP an mehreren PF-Konferenzen teilgenommen hat.¹⁹ Mitte der 1960er Jahre kristallisierte sich ein neues Formatder Konferen- zen heraus. Die Veranstalter legten nun verstärkten Wert aufeine möglichst produktive Mischung zwischenExpertenvorträgen von ‚Insidern‘ zu Kernfragen der parapsychologischenForschung sowie der Teilnahme prominenter Vertreter ausanderen Disziplinen, die neue Perspektivenzudiesen Fragen beisteuern sollten. Zusätzlich wurden ausgewählteBeobachter eingeladen. Die Tagungs- vorträgewurden ebenso wie die Transkripte der anschließenden Diskussionen publiziert.Wer sich für die interne Entwicklungder Methoden, Ergebnisse und Probleme der interdisziplinären parapsychologischen Forschung im Querschnitt vonJahrzehnten interessiert,kann gerade durch das Studium dieser gedruckten „Proceedings“ einen lebendigenEinblick in die historischen, sozialen und insti- tutionellen Randbedingungeneiner „Grenzwissenschaft“ erlangen. EinigeKern- themender Veranstaltungenmöchte ich nennen, auch,umdie Bandbreiteder verhandelten Forschungen aufzuzeigen: „Psi Favorable StatesofConsciousness“ (1968), „ACentury of Psychical Research“ (1970), „Parapsychologyand Anthro- pology“ (1973), „Quantum Physics and Parapsychology“ (1974), „Education in Parapsychology“ (1975), „ThePhilosophyofParapsychology“ (1976), „Brain/Mind and Parapsychology“ (1978), „Concept and TheoriesinParapsychology“ (1980), „The Repeatability Problem in Parapsychology“ (1983), „Spontaneous Psi, Depth Psychology, and Parapsychology“ (1987), „Psi Research Methodology: ARe-

 Vgl. Strauch: Konferenzbericht, –. Internationalisierung undProfessionalisierung parapsychologischer Forschung 253

Examination“ (1988), „Psi and Clinical Practice“ (1989), „Womenand Parapsy- chology“ (1991).²⁰

2.5 Veränderungen in den 1990er Jahren unddie Einrichtung der „BIAL Foundation“

Ende der 1990er Jahre musste die PF ihre geschilderten Förderungsmöglichkei- ten aufgrund des Rückgangsvon Stiftungsmitteln drastischreduzieren. Als neue internationale Förderungsinstitution für parapsychologische Forschungsprojekte trat seit1994 die „BIAL Foundation“ in Erscheinung,ein internationales Phar- maunternehmen mit Sitz in PortoinPortugal.²¹ Der Akzentder Förderunglag nun aufpsychophysiologischen und neurowissenschaftlichen Korrelaten vonpar- anormalen und außergewöhnlichen psychophysischen Prozessen und Interak- tionen.Damit wurden auch Fragestellungen aufgegriffen, die bereitszur Agenda der „PF-Proceedings“ gehörthatten. Die Höhe der Forschungsgelder für Projekte dieser Artbewegtesich zwischen 5.000 und 50.000 Euro (Stand 2015).Zwischen 1994 und 2012 unterstützte die „BIAL Foundation“ insgesamt 1.491Forschungs- projekte, vondenen 237parapsychologische Themen, zumeist experimenteller und theoretischer Art,betrafen. Damit gehört diese Stiftung zur wichtigsten fun- ding agency der gegenwärtigen Parapsychologie im internationalen Rahmen.²²

3Die „Parapsychological Association“

Das unter historischen und wissenschaftssoziologischen Gesichtspunkten am deutlichstengreif-und beschreibbare „Gehäuse“ für wissenschaftliche Parapsy- chologie im 20.Jahrhundertstelltdie „Parapsychological Association“ (PA) dar.²³

 Eine vollständige und detaillierteAuflistungund Kurzbeschreibung dieser Konferenzen finden sich bei Alvarado et al.: Fifty Years of SupportingParapsychology, –.  Vgl. hierzu: www.fundacaobial.com.  Bisher sind zehn Tagungsbände unter dem Generalthema „Aquém eAlém do Cérebro/Behind and Beyond the Brain“ erschienen, deren Beiträgesowohl aufPortugiesisch wie Englischveröf- fentlicht wurden. Für weitere Angaben zur Geschichte des fund raising in der Parapsychologie allgemein sowie zum spezifischen Förderungsprogramm vonBIAL vgl. Parra: Bial Foundation’s contribution, –.  Siehe www.parapsych.org. Vgl. weiterhin: Cardeña/Palmer/Marcusson-Clavertz: Parapsy- chology.AHandbook;Irwin/Watt: An Introduction to Parapsychology;Radin: EntangledMinds; Schmidt: Experimentelle Parapsychologie. Über aktuelle Ereignisse ausder PA berichtet das Bulletin „Mindfield“,das seit  erscheint. 254 EberhardBauer

Sie ist die internationale und interdisziplinäreOrganisation der professionellen, das heißt in der Regel im akademischem Kontext tätigen Forscherinnenund Forscher aufparapsychologischemund ,anomalistischen‘ Gebiet.Die Autorinnen und Autoren der aktuell wichtigsten Forschungsliteratur zum Thema sind in der Regel full members der PA.²⁴

3.1 Die Gründung der „Parapsychological Association“ undihreMitglieder

Gegründet wurde die „Parapsychological Association“ als Fachverband am 19.Juni 1957 an der Duke University in North Carolina,USA. Initiator war Rhine,der damaligeDirektor des „ParapsychologyLaboratory“ an der Duke University,der den Vorschlag zur Gründungeiner wissenschaftlichen Gesellschaft anlässlich eines Workshopszur Parapsychologie machte. DieserUmstand erklärt,warum sieben Mitglieder des „Founding Council“ Mitarbeiterinnen und Mitarbeitervon Rhine waren. Die Absicht der Neugründungbestand darin,

to advance parapsychology as asciencebyservingasan internationalmeetingground for those actively engaged in research in this field. […]The Council that this organiza- tion will meet the needs of professional workers by facilitatingpersonal contacts and the communication of research findings.²⁵

Die BetonungeinerProfessionalisierung lag ganz aufder Linie vonRhine.Be- reits im gleichen Jahr hatte er zusammen mit seinem langjährigenMitarbeiter GaitherPratt (1910 –1979) einen wissenschaftlichen Leitfaden zur Parapsycho- logie verfasst,der den Untersuchungsgegenstandund die Forschungs- wie Aus- wertungsmethoden umriss und somit als collegetextbook dienen sollte. In erster Linie wardas Buch gerichtet an „professional groups connected with medicine and the psychological and social sciences and practices“.²⁶

 Vgl. auch Bauer: Parapsychologie für wen?  Annoucement of the Formation of the Parapsychological Association, f.  Rhine/Pratt: Parapsychology:Frontier Scienceofthe Mind, V. Eine vonHans Bender und IngeStrauch besorgte deutsche Übersetzung erschien .Vgl.Rhine/Pratt: Parapsychologie: Grenzwissenschaft der Psyche. Internationalisierung undProfessionalisierung parapsychologischer Forschung 255

Vonihrer Gründung an legte die PA großen Wert darauf, dass ihre Mitglieder professionelle Standards einhielten.²⁷ So heißt es in dem Gründungsdokument in Bezugauf die Qualifikation der Mitglieder:

Amember shall be aperson: (a) whoisorhas been engaged in the advancement of para- psychology as ascience; and (b)who has prepared apaperonsome aspect of parapsychol- ogywhich,inthe opinion of the Council,isofhighprofessional calibre, and which has been published in ascientific journal or which merits such publication; and (c) whohas adoctorate degree from auniversity of recognized standingorhas aprofessional affiliation with arecognized academic institution or research organization or whohas been nominat- ed by three members of the Council;[…].²⁸

Eine 1980 veröffentlichte Umfragemacht deutlich, auswelchenunterschiedlichen Disziplinen die PA-Mitgliederkamen. Die am häufigsten vertretenen Disziplinen unter den 203Mitgliedern wareninabnehmender Reihenfolge Psychologie (BehavioralSciences), Medizin (einschließlich Psychiatrie und Psychotherapie); Physik; Biologie; Philosophie; Ingenieurswissenschaften; Chemie,Soziologie, Ethnologie, Archäologie. 66 Prozent der Mitglieder konnten einen akademischen Abschluss (PhD) vorweisen.²⁹ 2014 zähltedie PA 343Mitglieder.Nach ihrem Status waren davon119 „Pro- fessional Members“,68„Associate Members“,99„Supporting Members“ sowie 57 „Student Members“.32Prozent der PA-Mitglieder warenweiblich. Die geogra- phische Verteilungder PA-Mitglieder ergabfolgendesBild: Nordamerikawar mit 188 Mitgliedern vertreten, Europa mit113 (davoninGroßbritannien und Ir- land 38), Südamerika mit20, Australienund Asien mit jeweils 10 Mitgliedern, Afrika und der Mittlere Osten mit jeweils einem Mitglied.³⁰ Die besonderen Pro-

 Die Mitgliedschaft in der PA ist bis heuteauf keine bestimmteDisziplin oder Profession be- schränkt.Die einzige Voraussetzungist ein Interesse am „scientific and scholarlyadvancement of parapsychology“.Wenn drei positive Voten von full members schriftlich vorliegen, entscheidet der Vorstand über die Aufnahme.  Annoucement of the Formation of the Parapsychologcal Association, .Der Biophysiker Robert McConnell, der erstePräsident der PA,vertrat  die Meinung: “at this time in the U.S.A., to be aprofessional parapsychologist,one should be amember of the Parapsychological Asso- ciation”.McConnell: Parapsychology, .  Die Angaben beziehen sich aufMcConnell/Clark: Training, Belief, and Mental Conflict.Wei- tere Umfrageergebnisse zu Einstellungenbei PA-Mitgliedern finden sich bei Schmeidler: Ansich- tenvon Parapsychologenüber Parapsychologie; Allison: Experimental Parapsychology as a Rejected Science.  Diese Angaben stammen ausIrwin: The Views of Parapsychologists, .Deutschland war  mit  Mitgliedern vertreten.Vgl. Bauer et al.: Betrayingthe Present by Distortingthe Past, . 256 EberhardBauer blemfelder der parapsychologischen Forschung,die sich ausder Sicht der Be- fragten ergaben, wie mangelnde Forschungsförderung, Karriere- oder Publikati- onsmöglichkeiten, wurden in einer weiteren Studie erfasst.³¹

3.2 Die Konferenzen der „Parapsychological Association“

Die erste Konferenz der „Parapsychological Association“ fand vom4.bis 6. Sep- tember 1958 am City CollegeinNew York statt (vgl. Abb. 2).Zudiesem Zeitpunkt zähltedie PA 58 Mitgliederund 55 „Associates“³².New York blieb auch Ta- gungsort der PA bis 1963(eine Ausnahme bildete das Jahr 1962, in dem das „ParapsychologyLaboratory“ Gastgeber war). Die PA war also in ihren formativen Jahren eine mehr oder weniger ‚inneramerikanische‘ Angelegenheit,dominiert vonRhine und dem vonihm vertretenen Ansatz der quantitativ-statistischen Forschung.³³ Dieser Ansatz war das Modell, an dem die parapsychologischen Forschungsanstrengungen in diesen Jahren auch in anderen Ländern gemessen wurden. Entsprechend aufmerksam wurden diese Aktivitäten andernorts verfolgt, beispielsweise in der „Zeitschrift für Parapsychologie und Grenzgebiete der Psy- chologie“.³⁴ 1964 wurde die 7. Jahreskonferenz der PA zum ersten Mal außerhalb der USAabgehalten. Die Veranstaltungfandauf Einladung der 1882gegründeten „Society for Psychical Research(SPR)“ und mit finanziellerUnterstützung der PF am Christ Church Collegeimenglischen Oxford statt.Sie gilt als „milestone in the

 Vgl. Irwin: The Major Problems Faced by Parapsychology Today.  Unter „Associate“ wurde eine Person verstanden, „(a) whoisengaged in the advancement of parapsychology as ascience; and (b)who has graduated fromaunversity of recognized standing or has aprofessional affiliation with arecognized academic institution or research organization or whohas been nominated by threemembers of the Council […]“.Zit.nach Annoucement of the Formation of the Parapsychological Association, .  Das vonRhine gegründete „Journal of Parapsychology“ bildetedas affiliated journal der PA,in dem über Jahrzehntehinweg die Ankündigungen der PA und die Abstracts der Vorträgeveröf- fentlicht wurden. Zwischen  und  wurden dort auch die Texteder jeweiligenPräsi- dentenansprachen und der „invited banquet addresses“ abgedruckt. Diese Rolle wurde später von den, vonwechselnden Herausgebern publizierten, „Proceedingsofthe Parapsychological Asso- ciation“ übernommen. Vgl. z.B. Proceedingsofthe Parapsychological Association, die vonRoll/ Pratt herausgegeben und von  bis  als Reihe „Research in Parapsychology“ fortgeführt wurden.  Vgl. z.B. Ebon: Bericht über den IX. Kongress der Parapsychological Association; Strauch: Vierter jährlicher Kongreß;Strauch: Bericht über den fünftenjährlichen Kongreß;Rose: Bericht über den VIII. Kongreß;Bauer:Bericht über den .Kongreß. Internationalisierung und Professionalisierung parapsychologischer Forschung 257 progress of the P.A.“,als Marker in der Entwicklung der PA hin zu einer inter- nationalenprofessionellen wissenschaftlichen Vereinigung.³⁵

Abb. 2: Programm der ersten Jahreskonferenz der „Parapsychological Association“,1958, Auszug (Quelle: Journal of Parapsychology 22/1958, 160f.)

3.3 Suche nach Legitimität: Die Aufnahme der „Parapsychological Association“ in die „American Association forthe Advancement of Science“ 1969

Am 30.Dezember 1969wurde die „Parapsychological Association“,deren Sat- zungsziele, wie oben ausgeführt,darin bestehen, den Fortschrittder Parapsy- chologie zu fördern, das Wissen um paranormale Phänomene zu verbreiten und die Ergebnisse dieser Forschung interdisziplinärzuverankern, in die „American Association for the Advancement of Science“ (AAAS) aufgenommen. Die AAAS

 Roll/Pratt: Editorial Introduction, .Zur Oxforder Konferenz, an der ein größeres Kontingent europäischer Forscher beteiligtwar,vgl. Vilhjálmsson: Bericht über den VII. Kongress. 258 EberhardBauer stelltden offiziellen Dachverband der amerikanischen Wissenschaften dar,dem zum Zeitpunktder Aufnahme der PA ca. 300 naturwissenschaftliche, medizini- sche und technische Vereinigungen angehörten. Insofernkönnteman in dieser Aufnahmeeine Art offizieller Anerkennungder Parapsychologie als wissen- schaftlicher Disziplin sehen, weshalbdiese Entwicklungenbereits die Aufmerk- samkeit vonWissenschaftssoziologenauf sich gezogen haben.³⁶ In einem detaillierten ‚Insider‘-Bericht schildert der Chemiker Douglas Dean, damals Sekretär der PA und 1967ihr Präsident,welche Hürden aufdem Wege zur Aufnahme der PA in die AAAS zu überwindenwaren.³⁷ Bereits kurz nach der Gründungder PA gabesseitens des PA-Councils erste Versuche, Mitglied der AAAS zu werden. Drei weitere Anläufe – 1963, 1967und 1968 – schlossen sich an; alle vier wurden abgelehnt,zumeist mit der Begründung, bei der Parapsychologie handle es sich um keine „anerkannte“ Wissenschaft oder ihr Charakter als Wissenschaft sei „fraglich“.1969wurde ein neuer Versuch unternommen. Dazu schrieb Dean:

Each of the 12 scientists on the AAAS Committee [dem der Antrag vorher vorgelegt werden mußte,EB] had been sent about 4.5pounds of materials: reprints of the best and most re- cent parapsychological research papers, copies of the PA constitution and bylaws,and ar- ticles in encyclopedias.³⁸

Dean konntezusätzlich eine Umfrageins Feld führen, ausder hervorging,dass unter den PA-Mitgliedern selbst Fellows der AAASwaren. Zudem zeigtedie Mit- gliederlisteder PA,dass zwei Drittel der Mitglieder promoviert waren. Beider entscheidenden Abstimmung am 30.Dezember 1969gab schließlich das Votum der bekannten Kulturanthropologin Margaret Mead (1901–1978), damals Direk- torin des „American Museum of Natural History“ in New York, den Ausschlag. Sie erklärte:

Forthe last 10 years, we have been arguingabout what constitutes scienceand and what societies use it.Weevenchangedthe bylaws about it.The PA uses sta- tistics and blinds,placebos,double blinds,and other standardscientific devices. The whole history of scientific advance is full of scientists investigatingphenomenathat the establish- ment did not believewerethere. Isubmit that we vote in favorofthis Association’swork.³⁹

 Vgl. v. a. die Darstellung bei McClenon: Deviant Science, –,ferner die wissensso- ziologischen Überlegungen bei Collins/Pinch:The Construction of the Paranormal,sowie Collins/ Pinch: Frames of Meaning. Eine vergleichende kulturanthropologische Perspektive aufdie PA als wissenschaftliche Organisation findet sich bei Hess:Scienceinthe New Age, –.  Vgl. den zweiteiligen Bericht vonDean: th Anniversary of the PA and AAAS.  Ebd., .  Zit. nach ebd, . Internationalisierung undProfessionalisierung parapsychologischer Forschung 259

Die Abstimmung unter den anwesenden AAAS-Mitgliedern ergabnun eine deutliche Mehrheit für die Aufnahme der PA:185 sprachen sich dafür aus, 35 dagegen. Im Zuge der Aufnahme in die AAAS konntedie PA ein dreistündigesSym- posiumzum Thema „Techniquesand Status of Modern Parapsychology“ aus- richten, welches im Dezember 1970 beim Treffen der AAASinChicagostattfand und in der Zeitschrift „Science“ angekündigt wurde.⁴⁰ Zwischen 1970 und 1993 fanden weitere neun Symposien zu parapsychologischen Forschungsthemen statt,die vonder PA organisiert und im Rahmen vonAAAS-Konferenzen prä- sentiert wurden. Diese Veranstaltungenstellten eine Gelegenheit dar,Metho- den, Ergebnisse, Theorien und Kontroversen der interdisziplinärenparapsycho- logischen Forschung einem breiten wissenschaftlichen ‚Mainstream-Publikum‘ zu präsentieren.⁴¹ Dassdamit auch kontroverse Diskussionen einhergingen, die zum Teil in Polemiken mündeten, zeigtesich 1979 beim AAAS-Symposium „The Role of Consciousness in the Physical World“,das vondem Physiker Robert G. Jahn (*1930) organisiert wurde.⁴² Zu den Teilnehmern der Tagung gehörten prominente Parapsychologen wieCharles Honorton (1946–1992) oder die Physiker Harold Puthoff, Russell Targ und Edwin May, die ihre Ergebnisse aufdem Gebiet der experimentellen Parapsychologie vorstellten und mögliche Implikationen für das Gebiet der Physik diskutierten.⁴³ Dabei stießen sie aufden scharfenWiderspruch des bekannten Physikers John A.Wheeler (1911–2008), der in seinem Beitrag jede Extrapolation physikalischer Modelle (etwa Quantum Interconnectedness)auf (para‐)psychologische Fragestellungen kategorischablehnte. Im Anschluss an diese Diskussionen publizierteWheeler in seinem Tagungsbeitrag die Forderung, der PA ihren Status als AAAS-Affiliate wieder abzuerkennen im Sinne von Drive the Pseudos Outofthe Workshop of Science.⁴⁴ Jahn wiederum distanzierte sich in seinem Schlußkommentar vonWheelers Kritik: „the case he [Wheeler,EB] pres- ented against psychic research was, in its generality and lack of accurate and relevant evidence, much less convincing.“⁴⁵ In ähnlicher Weise äußerte sich der

 Vgl. Dean: Techniques and Status of Modern Parapsychology.  Annalisa Ventola, Executive Directorder PA,hat PA-AAAS-Symposien anhand vonArchiv- unterlagenrekonstruiert.Über einige der Symposien liegen zudem Berichtevor,vgl. z.B. Kelly/ Mauskopf: TwoSymposia at the th NationalMeetingofthe AAAS, –.  Vgl. Jahn (Hg.): The Role of Consciousness in the Physical World.  Vgl. Puthoff et al.: Experimental Psi Research, –.  Vgl.Wheeler:Not Consciousness but the Distinction, –.Die beiden Anhänge „Drive the Pseudos Out“ und „WhereThere’sSmoke, There’sSmoke“ sind aufden Seiten  bis  ab- gedruckt.  Vgl. Jahn: Chairman’sSummary, . 260 EberhardBauer damaligePräsident der AAAS, Kenneth Boulding: „The scientific community has to be kept open. […]The evidence of parapsychologycan’tjustbedismissed out of hand. […]One has to subject their methodologytosomething.[…][Iam] in favorof keepingthem in.“⁴⁶ Trotz dieser Reaktionen fand Wheelers Vorwurf einer vermeintlichenUnse- riosität der Parapsychologie ein breites publizistisches Echo, nicht zuletzt, nachdemMartin Gardner (1914–2010), der bekannteKolumnist des „Scientific American“ und langjährigerKritiker der Parapsychologie, in einem Artikelunter dem Titel „Quantum Theory and Quack Theory“ für dessen maximale Verbreitung gesorgt hatte.⁴⁷ Allerdings verhinderte die vonWheelerausgelöste Kontroverse nicht,dass 1984 ein weiteres AAAS-Symposium zum Thema „The EdgesofSci- ence“ stattfand. Das Symposium hatte das Ziel, Grenzgebiete der Wissenschaft – edges of science – ausPro-und Contra-Positionen zu beleuchten,

where there is clear disagreement about whether thereare phenomena to be investigated, and whether the tools of sciencecan yield anything. The presentationsfocused on three topics that aresharplydebated at the edgesofscience: the existenceof,paranormal‘ phe- nomena involvingthe human mind in yetunexplained modes,the value of searches for ex- traterrestrial intelligence, and the existenceof‘UFOs’.⁴⁸

Parapsychologische Forschungsthemen wurden auch in dem AAAS-Symposium von1993über „Statistical, Methodological, and Substantive Aspects of Meta- Analysis“ diskutiert.⁴⁹

 Zit. nach Dean: th Anniversary of the PA and AAAS, .  Vgl. Gardner: „Quantum Theory and Quack Theory“,erstmals erschienenin„New York Review of Books“ vom .Mai ,wieder abgedruckt in Gardner:ScienceGood, Badand Bogus, – .Dort finden sich auch weitere Dokumenteüber den Fortgangdieser wissenschaftspolitischen Kontroverse, deren historischer Kontext dargestellt ist bei Bauer et al.:VomWiderstand gegendas Paranormale, –.  Zit. nach Herschman: AAAS Annual MeetingProgram, .  Das Symposium wurde  vonRobert Rosenthal und vonJessica Utts organisiert.Der Psy- chologe DarylJ.Bem beschrieb dort die Anwendungder Meta-Analyse aufdie Ergebnisse eines bestimmten Forschungsparadigmas der Parapsychologie, die sogenannten Ganzfeld-Telepathie- Experimente, insbesondereunter dem Gesichtspunkt der Wiederholbarkeit der Resultate. Diese Experimente ergaben ausseiner Sicht eine methodologisch erhärtete „replicable evidence“,um die Aufmerksamkeit der scientific community,insbesonderederjenigender akademischen Psy- chologie, aufdiese „Kommunikationsanomalie“ zu lenken. Vgl. Bem/Honorton:Does Psi Exist?Ineinem Kurzbericht über dieses Symposium merktedie Statistikerin Utts an: „The audi- enceconsisted mostlyofstatisticians and other methodologists whowere interested in meta- analysis. They wereable to see parapsychology presented in the context of mainstream science [Hervorhebung, EB].“ Utts:The  AAAS Symposium, .Die eminenteBedeutungder Meta-Analyse für die Parapsychologie wurde zusätzlichineinem Informationspapier der PA un- Internationalisierung und Professionalisierung parapsychologischer Forschung 261

2006 organisierteder Physiker Daniel P. Sheehan im RahmeneinerTagung der „PacificDivision“ der AAAS unter dem Titel „Frontiers of Time: Retrocausa- tion – Experiment and Theory“ einen weiteren Austausch zwischeninder PA angesiedelten Forschungsthemen und theoretischen Konzepten der Quanten- physik. „Regarding [psi phenomena]“,soschreibt Sheehan im Vorwort zum Sammelband dieser Tagung, „in the last three decades the quantity and qualityof evidence has become sufficientlyrobust to convince manyinformed scientists of its validity.“⁵⁰

3.4 Wachsender Einflussder europäischen Parapsychologie, die Gründung der Euro-PA(1979) unddie Einrichtung der „Koestler ParapsychologyUnit“ (1985)

In den folgenden Jahren wurde der europäische Einfluss aufdie PA immer deut- licher bemerkbar. Vonnun an fanden alle vier Jahre die Konferenzenaußerhalb der USAstatt,zumeist an profilierten Forschungseinrichtungen des Fachs. So organisiertebeispielsweise Hans Bender1968 die 11. PA-Convention an der Uni- versität Freiburg,⁵¹ was als Zeichen für die öffentliche Anerkennungder Para- psychologie gedeutet werden kann (vgl.Abb. 3). AlsBender ein Jahr später als erster Europäer zum PA-Präsidenten gewählt wurde, war dies nicht nur Ausdruck der kollegialen Wertschätzung,sondern auch einer breiteren internationalen Aufstellung der PA. Die 15.PA-Tagung wurde1972federführend vondem englischen Psychologen John Beloff (1920–2006) an der Universität Edinburgh ausgerichtet.⁵² Im Jahr 1976 war die Universität Utrecht Gastgeber.Hier war kurz zuvorein Lehrstuhl für Parapsychologie gegründet worden, den Martin Johnson (1930 –2011) innehatte,⁵³ nachdemdort bereits seit 1953eine Professur für Parapsychologie bestand.⁵⁴ 1980

terstrichen, das voneiner Gruppe amerikanischer PA-Mitglieder im gleichen Jahr formuliert wor- den war.Vgl. Krippner et al.: Demonstration Research and Meta-Analysis in Parapsychology, –.  Sheehan: Preface, viii. Eine Fortsetzungunterexpliziter Berücksichtigung parapsychologi- scher Forschungen, ebenfalls vonSheehan organisiert,fand  zum Thema „Quantum Re- trocausation: Theory and Experiment“ statt.Vgl. Sheehan: Quantum Retrocausation.  Vgl. das Referat vonLischke: Bericht über den XI. Kongress der Parapsychological Association .  Vgl. Grünzig: Bericht über den .Kongreß.  Vgl. Bauer et al.: Dreimal Parapsychologie .Zur Geschichte des Utrechter Labors vgl. Schouten: The End of the Parapsychology Laboratory.  Vgl. hierzu den Beitrag vonIngridKloosterman in diesem Band. 262 EberhardBauer

Abb. 3: 11. Jahreskonferenz der „Parapsychological Association“ an der Universität Freiburg 1968, Foto von Leif Geiges (Quelle: Archiv des IGPP,Bestand 2/4) richteteder PsychologeErlendur Haraldsson (*1931) an der Universität Reykjavik die 23.Jahrestagung der PA aus,⁵⁵ und schließlich fand 1982 anlässlich des 100- jährigen Bestehens der SPR und des 25-jährigen Jubiläumsder PA eine Doppel- konferenz in Cambridge statt – quasiein Jahrhundertkongress der ‚westlichen‘ Parapsychologie. DiesesEreignis bot Gelegenheit zum Rückblick aufdie Ge- schichte beider Gesellschaftenund aufdie Institutionalisierungder parapsy- chologischen Forschung,aber auch zur (selbst‐)kritischen Reflexion über das Erreichte.⁵⁶ Zu ergänzen ist hier ein Positionspapier der PA von1988, das eine Klärung vonBegriffen und Methoden anstrebte.⁵⁷ Bereits Mitte der 1970er Jahre hatte sich eine zunehmende Verdichtungder Kontakte und des Informationsaustausches unter den europäischen PA-Mitglie- dern abgezeichnet. Eine Schrittmacherfunktion übte Martin Johnson (1930 –2011) aus, Lehrstuhlinhaber für Parapsychologie an der Universität Utrecht.InFolge der Entwicklungengab er 1979 die Gründungder „European regional branch“ der PA bekannt.Diese verfolge die Absicht:

 Vgl. Timm: Bericht über den .Kongreß.  Vgl. Bauer et al.: Der Jahrhundertkongreß.  Vgl. Parapsychological Association: Terms and Methods in Parapsychology, –. Internationalisierung undProfessionalisierung parapsychologischer Forschung 263

[T]o arrangeregional colloquia or review-meetings at which Full Members and Members of the P.A., actively engagedinresearch, can discuss research projects under way, or research problems leadingtothe outline of an experiment. The meetingswould offer an excellent opportunity for exchange of ideas and for obtaininguseful criticism beforethe experiments have (actually) carried out.⁵⁸

Zwischen 1988 und 2007 fanden sieben Euro-PA-Tagungen statt: zwei im hol- ländischenVught (1988 und 1989), organisiert vonder KPU und einer hollän- dischen Forschungsgruppe. Fünf weitere, in den Jahren 1992, 1993, 1999,2003 und 2007,fanden zumeistinder Nähe vonParis unter der Federführung vonMario Varvoglis statt,dem Präsidenten des „Institut Métapsychique International“ in Paris. Diese Treffen hatten eineneher informellen Charakter (es nahmenjeweils 20 bis 25 Personen teil), erwiesen sich aber als umso diskussionsfreudiger.Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer waren zum größtenTeil ‚aktive‘ Forscher,die auch soziokulturelle und epistemische Differenzen in der Art und Weisethe- matisierten, wie parapsychologische Forschung vordem Hintergrund unter- schiedlicher europäischer Traditionenbetrieben wurde. Diskutiert wurde so z.B., inwieweit das aufRhine zurückgehende Modell einer behavioristisch-empiristi- schen Parapsychologie (‚Anglo-Saxon‘ parapsychology), die allein die englische Sprache als Kommunikationsmittel zulässt,zueiner Benachteiligung anderer Zugänge führt,die sich eher einer ‚lateinischen‘ Forschungstradition (‚Latin‘ pa- rapsychology)verpflichtet fühlten: „The criteria as to what constitutes valid and significant psi research, and, hence, as to who is and who isn’ta,good‘ para- psychologist,are not universallyagreed upon.“⁵⁹ Der vielleicht entscheidendste Impuls zur Stärkungder europäischen For- schungsbeiträgeimRahmen der PA-Konferenzen, aber auch zur akademischen Professionalisierung der Parapsychologie gegenEnde des 20.Jahrhunderts ins- gesamt,ging vonder 1985erfolgten Etablierung der „Koestler Parapsychology Unit“ (KPU) am Psychologischen Department der Universität Edinburgh in Schottland aus. DieKPU warals Stiftungsprofessur konzipiert,deren Mittel aufdie testamentarische Verfügung des bekannten Schriftstellers Arthur Koestler (1905– 1983) zurückgingen.⁶⁰ Inhaber der Stiftungsprofessur wurde der amerikanische

 Johnson: The European Regional Branch, –.  Varvoglis:,Anglo-Saxon‘ vs. ,Latin‘ Parapsychology, .Vgl. generell Delanoy:Improving Communication.  Zu Koestlers langjährigem Interesseander wissenschaftlichen Erforschungdes Paranormalen vgl. Koestler:Die Wurzeln des Zufalls;inder umfassenden Biographie vonCesarini: Arthur Ko- estler:The Homeless Mind, ,heißtesinBezug aufsein Testament: „Koestler and Cynthia [seine Frau,EB] left the better part of amillion pounds to promote research into the paranormal.This was acalculated affront to the scientific establishmentand ablow to those whohoped that his interest 264 EberhardBauer

PsychologeRobert L. Morris (1942–2004), der zu Beginn seiner akademischen Karriere in den USAzuerst vonder „ParapsychologyFoundation“ gefördert wor- den und schon in den 1970er Jahren aktivesMitglied der PA war.⁶¹ Eines der entscheidenden VerdiensteMorris’ bestand darin, im Laufe vonca. 20 Jahren die akademische Verankerungparapsychologischer Forschung an britischen Uni- versitätenerfolgreich vorangetrieben zu haben, insbesondere durch die syste- matische Heranziehung von ‚wissenschaftlichem Nachwuchs‘.⁶² Das vonMorris entwickelteKonzept einer „IntegrativenParapsychologie“,⁶³ welches wesentliche konzeptuelle, methodische und empirische Beiträgeauch zu einer anomalisti- schen Psychologie beisteuert,erwies sich als besonders ‚mainstreamtauglich‘.⁶⁴ Die Forschungen der KPU machten seit Mitte der 1980er Jahre einenwachsenden Anteil der Vorträgebei den PA-Konferenzen ausund trugensowesentlich zur Sichtbarkeit der europäischen Parapsychologie bei.⁶⁵

in psychical research was ephemeral[…].“ Weitere Einzelheiten zu Koestlers lebenslangemIn- teresse am Paranormalen finden sich bei Scammell: Koestler: –, –.  Detaillierte Angaben zu seiner Biographie finden sich in dem Nachruf vonHövelmann/ Schriever: Der leise Revolutionär.  Bob Morris „supervised  PhD students at Edinburgh,  of whomhavegone on to obtain permanentacademic positions in university departments, wherethey maygivecourses in para- psychology and continue their research in the area. […]Bob’stotal academic progenyisnow ,  of whom have gone on to obtain permanent academic positions.The numbersofst, nd and rd generation across the UK arecurrently , ,and ,respectively,givingatotal of .Ofthese,  have obtained permanentpositions based at  UK departments.“ Carr:The LegacyofBob Morris, .Weitere Angaben finden sich bei Delanoy:ParapsychologyinaUniversity Setting, –; Carr: The GrowthofUKAcademic Parapsychology;Watt: –:Celebrating  Years, – .Caroline Watt,eine langjährige Mitarbeiterin, hat nach dem überraschenden Todvon Morris  die Position eines senior lecturer inne und vertritt das Fach Parapsychologie in Forschung und Lehre.  wurde sie zur Nachfolgerin aufdem Koestler Chair ernannt.  Vgl. die programmatischen Artikelvon Morris:Parapsychologyinthe ’s, –;Morris: Parapsychology in the st Century, –.  Vgl. für diesen Zugangdas repräsentative Lehrbuch Holt et al.: AnomalisticPsychology;sowie Watt: Parapsychology’sContribution to Psychology, –.  Exemplarisch zeigt sich diese Entwicklunganden vielen europäischen Tagungsorten, wo die PA-Konferenzen nun stattfanden,so in Edinburgh,  in Heidelberg,  in Amsterdam,  in Brighton (zusammen mit der SPR veranstaltete Tagung),  in Freiburgi.Br.,  in Paris,  in Wien,  in Stockholm,  in Winchester (zusammen mit der SPR veran- staltet),  in Paris,  in Viterbo/Italien,  in Greenwich/London (zusammen mit der SPR veranstaltet). Dass die Tagung im Jahr  erneut in Freiburgstattfand, hingmit dem - jährigenJubiläum des IGPP zusammen.Vgl. Bauer: Hans Bender and the IGPP.Das IGPP war seit Mitteder er Jahre dank neuer Stiftungsmittel wesentlich breiter aufgestellt als zu Benders Zeiten. Das Institut konnte so Forschungsmittel in Millionenhöhe auch in externeForschungs- projekte investieren, einige vonihnen im Ausland. Vgl. hierzu die vonBauer et al. zusammen- Internationalisierung und Professionalisierung parapsychologischer Forschung 265

3.5 Die Präsidentenansprachen der „Parapsychological Association“

Die Hauptaufgabe der PA ist die Organisation und Durchführungeines Jahres- kongresses über alle Aspekteder interdisziplinären parapsychologischen (Psi‐) Forschung.⁶⁶ Einen Höhepunkt stellen die jährlichen Präsidentenansprachen der PA dar,die diesem breit gefächerten Themenspektrum Rechnung tragen. Die Liste am Ende dieses Beitragsenthält die Namen aller bisherigen PA-Präsidentenund Präsidentinnen von1957 bis 2015 mit Angabe ihrer jeweiligenVortragsthemen, ihrer Disziplin oder Profession sowie ihrer Nationalität.⁶⁷ Eine erste Auswertung dieser Daten zeigt: Vonihrer akademischen Ausbil- dungher waren etwa 90 Prozent der bisherigen Präsidentinnen und Präsidenten der PA Psychologinnen oder Psychologen, wobei die experimentelle und/oder klinisch-therapeutische Orientierung überwiegt. Alle anderen Disziplinen – Me- dizin (Psychiatrie), Biologie, Physik, Philosophie, Kulturanthropologie oder In- genieurswissenschaften – sind höchstens ein- bis zweimal vertreten. Ebenso eindeutig ist die Dominanz der männlichen Akteure(es gabneun Präsidentinnen) sowie des anglo-amerikanischen Sprach- und Kulturbereichs – Ausnahmen bil- deten hier Hans Bender (Deutschland), Etzel Cardeña (Mexiko), Martin Johnson (Schweden),Alejandro Parra (Argentinien), K. Ramakrishna Rao (Indien) und Mario Varvoglis (Frankreich), wobei auch diese – mit Ausnahme vonBender und Parra – in den USAwissenschaftlich ‚sozialisiert‘ worden sind. Die meisten PA-Präsidentenansprachen kreisten um methodologische, em- pirische oder konzeptuelle Fragen; einigegaben einen Überblick überein be- stimmtesForschungsthema, andere diskutierten die Beziehungen der Parapsy- chologie zu Nachbardisziplinen oder befasstensich mit dem Selbstverständnis des Faches. Dabei wurden Ausbildungsfragen, interne Kommunikationsprobleme und divergierende Perspektivendes Faches ebenso thematisiert⁶⁸ wie Akzep- tanzprobleme der Parapsychologie im historischen oder sozio-kulturellen Rah- men.

gestellte Dokumentation der seit  gefördertenForschungsprojekte:Bauer et al.: Kurzdar- stellungen.  Dieses Anliegen wirdauch im ,Call for Papers’ deutlich,indem es heißt: „Papers maybe clinical, experimental, historical, methodological, philosophical,ortheoretical, or mayreport field work or case studies of anyrelevant kind, and of sufficient interest to the [PA] community.“  Die Listebasiert aufAngaben bei Alvarado:Presidential Addresses.Sie wurde vonmir er- weitert und bis  aktualisiert.  Einen gutenÜberblick vermittelt Alvarado:ReflectionsonBeingaParapsychologist, – . 266 EberhardBauer

In dieser Hinsicht aufschlussreich war ein 2007 durchgeführtes PA-Panel unter dem Titel „Three Parapsychological Association Goals: A50th Anniversary Assessment“.Esgibteine Einschätzung „of three distinguished PA members“, Eberhard Bauer,Stanley Krippner,Edwin May – in Bezugauf die Frage, wie es mit den drei Gründungszielen der PA –„to advanceparapsychologyasascience, to disseminate knowledge of the field,and to integrate the findings“–50 Jahre nach ihrer Gründung bestelltist.⁶⁹ Auch wenn die meistenaktivenPA-Mitglieder darin übereinstimmen dürften, dass Parapsychologie ein interdisziplinäres For- schungsgebiet darstellt, so ist keineswegs geklärt,obsich die Beurteilungdes wissenschaftlichen Fortschritts eher an kultur-, sozial-oder an verhaltenswis- senschaftlichen Disziplinen orientierensollte. Sollen alsoz.B.die Psychologie oder eher die Naturwissenschaften, etwa Biologie oder Physik, Vorbild und Re- ferenz für die Parapsychologie sein?Die Antworten aufdiese Fragefielenunter- schiedlich aus.⁷⁰ Der PsychologeKrippner verwiesinseiner Antwort aufdas In- ternet mit seinen neuenKommunikations- und Informationsmöglichkeiten in Sachen Parapsychologie, gleichzeitighob er die Tatsachehervor,dass es nur „a handful of laboratories in the entire world“ gebe, „doing respectable research in psi phenomena“.⁷¹ Der Physiker Ed Maymachte in seiner Antwort geltend: „Ad- vances in our understanding of parapsychological phenomena will come only with more variancereduction and technological improvements. Our discipline has not yettaken advantage of all the technologythat is currentlyavailable.“⁷² Um die Reichweite dieser Forderungzuverstehen, ist der Hinweis wichtig,dass Mayvon 1975 bis 1995 im Dienste der US-Regierung ein relativhochdotiertesgeheimes „Psychic Spying Program“ betrieb. In diesem ging es um die praktische (‚tech- nologische‘)Anwendungparapsychischer(Hellseh‐)Fähigkeiten, des sog. remote viewing. Konkret wurden die Fähigkeiten vonausgewählten Probanden für Spio- nagezweckedes US-Militärs (Projekt „Star Gate“)untersucht.⁷³

 Vgl. Stanford: Introduction, .  Vgl. Bauer:Goal I: Advancement of Parapsychology as aScience, –;Bauer:Parapsy- chology – Quo Vadis?, –.  Krippner:Goal II: Dissemination of the Knowledge of Parapsychology, .  May: Goal III: The Integration of Parapsychology, –.  Für Einzelheiten vgl. May: Invited Article: Star Gate, –.Die Resultate dieses Projektes wurden (und werden) kontrovers diskutiert,vgl. zur Geschichte (mit z.T. amüsanten Details) Schnabel: RemoteViewers;sowie die aktuelle Bestandsaufnahme bei Mayetal.: ESP Wars,East and West. Internationalisierung und Professionalisierung parapsychologischer Forschung 267

4Fazit

Mit der „ParapsychologyFoundation“ und der „Parapsychological Association“ standen zwei international agierende Einrichtungen im Mittelpunkt des Bei- trags. In den 1950er Jahren gegründet,boten sie den Raum und die Ressourcen für wissenschaftlichen Austausch und trugendarüber hinaus zur Internationalisie- rung und Professionalisierung der parapsychologischen Forschung bei.Vorallem mit der PA schuf sich die parapsychologische community ihr eigenes interdiszi- plinäres Forum, das durch einen Grundbestand methodologischer Standards, Definition vonForschungsfragen, experimenteller (Labor‐)Paradigmen oder Ent- wicklungvon Modellvorstellungencharakterisiert wird.⁷⁴ Allerdings zeichnet sich unter PA-Mitgliedern kein Konsens in Bezugauf die Interpretation der unter- suchten Phänomene ab;hier findet man vielmehr ein weites Spektrum an diver- gierenden Einstellungen, was z.B. Fragen der Gewichtung bzw.Relevanz me- thodologischer Zugängeoder der (empirischen) EvidenzinBezugauf den epistemologischen und ontologischen Status paranormaler Phänomene angeht.⁷⁵ Auch vordiesem Hintergrund bleibt parapsychologische Forschung und die wechselhafteGeschichte ihrer Institutionalisierung immer ein Lackmustest für anthropologische, ideologische und sozio-kulturelle EntwicklungenimBereich der Wissenschaft – und damit ein Spiel mit offenem Ausgang.

5Anhang: Ansprachender Präsidenten der „ParapsychologicalAssociation“

JahrPräsident/in VortragsthemaDiszipl/ Land Profession

 Robert A. McConnellScaled MeasurementinPsi Research Biophysik USA

 Gertrude R. Schmeidler Exploringthe ParametersofResearch Psychologie USA Variables

 J. Gaither Pratt Taking Stock in Parapsychology Psychologie USA

 Vgl. die in Fußnote  zitierteaktuelle Forschungsliteratur zur Parapsychologie.  Vgl. die Interviews mit experimentell arbeitenden PA-Mitgliedern bei Coelho:Constructing Parapsychology;sowie einzelne Aussagenbei Irwin: The Major Problems FacedbyParapsycho- logy Today. 268 EberhardBauer

Fortsetzung

JahrPräsident/in VortragsthemaDiszipl/ Land Profession

 Karlis Osis ESPinthe Laboratory: Its Integration and Psychologie USA Activation

 Margaret Anderson The Relations of PsitoCreativity Psychologie USA

 CarrollB.NashPhysical and Metaphysical Parapsycho- Biologie USA logy

 William Roll The PsiField Psychologie USA

 K. Ramakrishna Rao The Bidirectionality of PsiPsychologie USA

 Montague Ullman ANocturnal Approach to PsiMedizin USA

 E. DouglasDean Parapsychology and Dr.Einstein Ingenieurs- USA wissenschaften

 Ian Stevenson The Substantiability of Spontaneous Medizin USA Cases

 Hans Bender New Developments in Poltergeist Rese- Psychologie GER arch

 Robert VandeCastle PsiAbilities in Primitive GroupsPsychologie USA

 Gertrude R. Schmeidler Parapsychologists’ Opinion About Para- Psychologie USA psychology

 John Beloff Belief and Doubt Psychologie UK

 RexG.StanfordConcept and PsiPsychologie USA

 Robert L. MorrisTacit Communication and Experimental Psychologie USA Theology

 Charles Honorton HasScience Developed the Competence Psychologie USA to Confront Claims of the Paranormal?

 Martin Johnson Problems, Challenges and Promises Psychologie NL

 Charles T. Tart Space, Time and Mind Psychologie USA

 K. Ramakrishna Rao Psi: Its PlaceinNature Psychologie USA

 John Palmer Parapsychology as aProbabilistic Psychologie USA Science: Facing the Implications

 Ian Stevenson CanWeDescribe the Mind? Medizin USA

 Irvin Child Parapsychology and Psychology Psychologie USA

 John Beloff Three Open Questions PA/SPR Psychologie UK Internationalisierung undProfessionalisierung parapsychologischer Forschung 269

Fortsetzung

JahrPräsident/in VortragsthemaDiszipl/ Land Profession

 Stanley Krippner ASystems Approach to PsiResearch Psychologie USA BasedonJungian Typology

 RheaE.WhiteThe Spontaneous, the Imaginal, and Psi: Bibliotheks- USA Foundations foraDepth Psychology wissenschaften

 Robert L. MorrisThe Social ContextofPsi Psychologie USA

 DebraH.Weiner Thoughtsonthe RoleofMeaning in Psi Psychologie USA Research

 RichardS.Broughton If YouWant to Know How it Works,First Psychologie USA Find Out What It’sFor

 Dean I. Radin The TaoofPsi Psychologie USA

 Hoyt EdgePsi,Self,and the New MentalismPhilosophie USA

 K. Ramakrishna Rao Heretical Psychology: On the Scope and Psychologie USA SubstanceofPsychicalResearch

 Stephen E. Braude Psiand the Nature of Abilities Philosophie USA

 John Palmer From SurvivaltoTranscendence: Reflec- Psychologie USA tions on PsiasAnomalous

 Dean I. Radin PsiHits and PsiMyths Psychologie USA

 Deborah L. Delanoy Unity and Divisions within the Parapsy- Psychologie UK chological Association

 Carlos S. Alvarado The PlaceofSpontaneous Cases in Psychologie USA Parapsychology

 RichardS.Broughton WhereWere YouWhen Parapsychology Psychologie USA Became aScience?

 EdwinC.May Titel unbekannt Physik USA

 EdwinC.May Titel unbekannt Physik USA

 Dean I. Radin What’sAhead Psychologie USA

 MarilynJ.Schlitz BoundlessMind: Coming of Agein Anthropologie USA Parapsychology

 Nancy L. Zingrone Controversy and the Problems of Psychologie USA Parapsychology

 Mario P. VarvoglisScientists, Shamans,and Sages: Gazing Psychologie FR Through Six Hats 270 EberhardBauer

Fortsetzung

JahrPräsident/in VortragsthemaDiszipl/ Land Profession

 Carlos S. Alvarado Reflections on Being aParapsychologist Psychologie USA

 Nancy L. Zingrone Complicating the Conversation: Rhetoric, Psychologie USA Substance, and Controversy in Parapsy- chology

 Caroline Watt Parapsychology’sContribution to Psy- Psychologie UK chology: AViewfromthe Frontline

 Dean I. Radin Entangled Minds Psychologie USA

 RexG.StanfordFinding Our Way: Some Thoughts on Psychologie USA Advancing Parapsychology as aScience

 RogerNelson Mind Matters:ANew Scientific Era Psychologie USA

 Etzel CardeñaThe Possible Future of Parapsychology Psychologie SWE With Some Help from Regression to the Hypnotic Past

 David LukeConnecting,Diverging and Reconnec- Psychologie UK ting. Putting the PsiBack intoPsychede- lic Research

 David LukeExperiential Reclamation and FirstPer- Psychologie UK son Parapsychology

 AlejandroParraWhatHaveWeLearned about Psi: Psychologie ARG Reflections on the Present State of Parapsychology

 AlejandroParraClinical Parapsychology and Its Contri- Psychologie ARG bution to PsiResearch or How CanYou Scope WithYour Fear of Psi

 James CarpenterFirst Sight: APsychological TheoryofPsi Psychologie USA

 James CarpenterPsi is not aPsychological Anomaly Psychologie USA Internationalisierung und Professionalisierung parapsychologischer Forschung 271

6Bibliographie

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Martin Schneider Soldaten der Aufklärung

Die „Deutsche Gesellschaft Schutz vorAberglauben“ undihr Kampf gegenParapsychologie undOkkultismus (1953–1963)

1Einleitung

ZurGeschichte vonSpiritismus,Okkultismus und Parapsychologie gehört un- abdingbar auch eine Berücksichtigungihrer Kritik. Selten war diese lauter als in den 1950er Jahren, dem Moment als die Parapsychologie in Deutschland end- gültigihren Weg ‚ins Gehäuse‘ gefunden hatte. Erahnenlässt dies ein Brief aus dem Jahr 1959, den Johannes Brunner (1890 –1960), der Vorsitzende der „Deut- schen Gesellschaft Schutz vorAberglauben“ (Degesa), an seinen Mitstreiter Ro- man Schüppert(1884–1965) schrieb:

Wasmich am meistenerbittert,ist die Tatsache, dass sich die Stellen, aufdie ich vorallem meine Hoffnunggesetzt hatte, in Schweigen hüllen. Auch der Bundesausschuß für ge- sundheitliche Volksbelehrung, der meine größteHoffnung war,läßt, nachdem er mir zwei belanglose Zwischenbescheide erteilthat,nichts mehr vonsich hören. Sieht er nicht,was hier aufdem Spiele steht?Oder will er es nicht sehen?Fast scheint mir das Letztere der Fall zu sein. Zurück ins Mittelalter!¹

Es ist nicht zu überhören, dass Brunnerdie vorangegangenen Geschehnisse als Niederlage betrachtete. Das Berliner Landgericht hatte durch seinUrteil vom 1. Oktober1958 eine Entscheidunggefällt,die ihn und die vonihm geführte Or- ganisation finanziell bedrohte. Das Urteil verbot diffamierende Aussagen wie sie Brunnerinden Monatenzuvor öffentlich getätigt hatte.Noch gravierender als die finanziellenund persönlichen Folgenwaren in den AugenBrunners die poten- tiellen gesellschaftlichen Konsequenzen des Urteils.Solltejenes nicht revidiert werden, so ließ er das Degesa-Mitglied Schüppert wissen, seiSchlimmsteszu befürchten:

Dann möge Deutschlandwieder aufmittelalterliche Kulturstufe zurücksinken und zu Teu- fels-und Hexenglauben zurückkehren. Schuld habendann nicht wir,sondern die Kreise der

 J. Brunner an R. Schüppert,Brief vom ..,in: GenerallandesarchivKarlsruhe (GLAK),  Zentrale b.

DOI 9783110466638-011 278 Martin Schneider

Wissenschaft,die uns in unserm schweren Kampfe, der nur dem Ansehen der Wissenschaft gegolten hat,soschnöde im Stich gelassen haben.²

Die apokalyptischen Worte Brunners bildeten den vorläufigen Höhepunkt einer Auseinandersetzung der Degesa mit ihrem „Feind Nr.1“,³dem FreiburgerWis- senschaftler Hans Bender(1907–1991), die seit einigen Jahren publizistisch, zu- letzt auch gerichtlich ausgetragen worden war.Die Degesa hatte in den ersten fünf Jahren ihres Bestehens seit 1953genau100 Mitgliederrekrutiert,von denen der Großteil Akademiker war, darunter auch prominenteIntellektuelle der Zeit wie Theodor W. Adorno. Einigeder Mitglieder – CarlPelz (um 1890 –1960), Wil- helm Gubisch (1890 –1972) oder Albert Stadthagen(um 1870 – 1956) – reisten durch das Nachkriegsdeutschland und hielten Vorträge,indenensie Bender kritisierten und pauschalisierend erklärten: „[a]lles, wasjemals unter Hellsehen gezeigt worden ist oder noch heute vorgeführt wird, war und ist ein bewußt durchgeführter Betrug!“⁴ Manche gingen in ihren Aussagen noch weiter und be- tonten den wissenschafts- und gar zivilisationsfeindlichen Charakter der Para- psychologie, die in ihren Augen eine Disziplin „im Kampfgegen die Vernunft“ war.⁵ Waswar der Auslöser dieses Protests gegendie (grenzwissenschaftlichen) Forschungen Benders?Mit welchen Mitteln und Strategienbekämpfteeine Or- ganisation wie die Degesa ‚das Okkulte‘?Welchen Einfluss hatten die Skeptiker als Gegner der wissenschaftlichen Beschäftigungmit okkulten Phänomenen auf den Institutionalisierungsprozess der jungenParapsychologie? Der vorliegende Beitrag will diesen Fragen am Beispiel der deutschen Skeptikerorganisation De- gesa nachgehen. Skeptikerorganisationen können nach Edgar Wunder generell als „soziale Vergemeinschaftungen vondisbelief-Systemen“⁶ verstandenwerden, d. h. als Kollektive vonAkteuren, deren gemeinsamesZiel die „Zurückdrängung von ‚paranormal belief systems‘“ ist.Indem der Beitrag den Fokus aufeine solche Organisation richtet,möchteerauf zwei Defizite der gegenwärtigen Forschung

 J. Brunner an R. Schüppert,Brief vom ..,in: Ebd.  „Wirerblicken deshalb in Prof. Bender unsern Feind Nr. ,gegen den wir unsern Kampf mit aller Leidenschaft und mit allem Fanatismus so lange fortführen, bis Bender es endlich unterläßt, Behauptungenaufzustellen, für die er keine Beweise bringenkann.“ J. BrunneranE.Tornier,Brief vom ..,in: Archivdes Instituts für Grenzgebieteder Psychologie und Psychohygiene e.V.(Archivdes IGPP), E/ .  Pelz: Hellseher, .  So die Wortedes Degesa-Vorstandsmitglieds Prof. RichardBock in einem Artikelaus dem Jahr .Bock: Parapsychologie, .  Wunder:Skeptiker, . Soldaten der Aufklärung 279 aufmerksam machen. In dieser werden Skeptiker meist nur als Randnotiz einer Historiographie zum Themenkomplex Parapsychologie/Spiritismus/Okkultismus erwähnt.Ein zweites Defizitbesteht darin, dass die wissenschaftshistorisch ori- entierten Arbeiten ihren Blick häufig aufKritikeraus den wissenschaftlichen Eliten beschränken.⁷ Dabei bleibt unterbelichtet,dass die Gegnerschaft zu Spi- ritismus und Parapsychologie mitunter den Charakter einer sozialen Bewegung hatte und auch in nicht-akademischen Bevölkerungsschichten vertreten war. Daher ist es lohnenswert,einen Perspektivwechsel vorzunehmen, Skeptiker ins Zentrum der historischen Betrachtung zu rücken und zu fragen, welchen Anteil sie an der prekären und wissenschaftlichen Institutionalisierung der Parapsy- chologie hatten. Ausder Perspektive einer post-strukturalistisch informierten Wissenschaftskritik reicht es nicht,die wissenschaftliche Marginalisierung des Okkulten lediglich durch die „,Herrschaft‘ der Normalitätsannahmendes All- tagslebens“⁸ zu erklären. Stattdessen gilt es, aufdie Relativität und Zeitgebun- denheit solcherNormalitätsannahmenhinzuweisen, und die Akteure, die am Diskurs über paranormale Themen beteiligt sind, zu untersuchen. Konkret ge- fragt:Kann der Einfluss vonSkeptikern bzw.Skeptiker-Organisationen aufden öffentlichenDiskurs überparapsychologische Themen als ein Grunddafür an- gesehen werden, dass die Disziplin sich nicht dauerhaft und vollständig etablieren konnte? Welche Rolle spielten Skeptiker bei der ‚Heterodoxierung des Paranor- malen‘?Solche Fragen stellen sich umso dringlicher angesichts der Tatsache, dass die Degesa als Skeptikerorganisation keineswegs ein singuläresnationales Phä- nomen war: Im Jahr 1949 hatte sich in Belgien eine Organisation gegründet,die ähnliche Interessen und Ziele verfolgte. Das „Comité Belgepour l’Investigation Scientifique des Phénomènes Réputés Paranormaux“ trat 1955 an die Degesa

 Exemplarisch: Taylor:William James;Treitel: Sciencefor the Soul; Wolffram: Stepchildren of Science; Hanegraaf: Rejected Knowledge;Sommer:Crossing the Boundaries.  Ohne Zweifel, so MonikaWohlrab-Sahr,würden vonSeiten der Wissenschaft und der Religion Grenzziehungenvorgenommen. Darüber hinaus gäbe es aber „auch in der Alltagsweltund der für sie notwendigenAlltagsrationalität einen Kontrahenten okkulter Überzeugungen und Praktiken, ohne dass diese Alltagsrationalität damit bereits ‚szientistisch‘ zu nennen wäre. So weit verbreitet okkulteVorstellungenauch sein mögen, wirdman wohl kaum behaupten können, dass Kontakte zu Totenund Geistern, Tischrücken und die Dokumentation anderer magischer Kräfte, Ufo- Sichtungenund anderes mehr mit alltäglichen Annahmen über Ursache und Wirkung und deren Quellen problemlos vereinbar sind. […]Esbedarf keinergezieltausgrenzenden, herrschaftsförmig verfassten ‚dominanten Kultur’ und entsprechender Repräsentanten, um das Okkultezum Ra- tionalen in Antithese zu bringen. Die ‚Herrschaft‘ der Normalitätsannahmen des Alltagslebens reicht dafür vollkommen aus.“ Wohlrab-Sahr:Entwicklungstendenzen, f. 280 Martin Schneider heran und bat um eine Zusammenarbeit.⁹ Noch vordem Krieg, im Jahr 1930,war in Frankreich eine Organisation mit dem Namen „Union Rationaliste“ ins Leben gerufen worden, die ebenfalls eine dezidiert kritische Haltungzuparanormalen Fragestellungeneinnahm. Eine der zentralen Veröffentlichungen stammte von Robert Imbert-Nergal ausdem Jahr 1959und trugden Titel: „Les sciencesoccultes ne sont pas des sciences“¹⁰ (Die okkulten Wissenschaften sindkeine Wissen- schaften). Im selben Jahrzehnt erschien in Amerika mit Martin Gardners „Fads and Fallacies in the Name of Science“ (Verirrungen und Täuschungen im Namen der Wissenschaft) ein Buch, das vielfach aufgelegt wurde und als Schlüsseldokument für die heutigeSkeptiker-Bewegung gilt.¹¹ Es zeigten sich alsoinsbesondere seit den 1940er und 1950er JahrenAnsätze einer europäischen Skeptiker-Bewegung – einer Bewegungmit gesellschaftlicher Relevanz, deren Ableger und Folgeorga- nisationen bis heute Bestand haben.¹² Die „Deutsche Gesellschaft Schutz vorAberglauben“,die von1953bis 1963 existierte, ist bislang nur im Hinblick aufeinenihrer öffentlichkeitswirksamsten Protagonisten, den Gerichtsmediziner und ParapsychologiekritikerOtto Prokop (1921‒2009) historisch behandeltworden.¹³ Einen Blick aufdie deutsche Skepti- ker-Szene der 1960erbis 1980er Jahre bietetzudem der ausZeitzeugenperspektive

 In Mitteilungsblatt Nr.  der Degesa vomHerbst  verwies man aufdie „seit November  bestehende Zusammenarbeit“ mit dem Verein und drucktedie Namen der belgischen Kollegen inklusive ihresInteressen- und Fachgebietesab. Das Mitteilungsblatt befindet sich in GLAK,  Zentrale .Zur Geschichtedes Comitéexistiert eine Veröffentlichungvon  (Dom- manget: Sciences Face au Defi du Paranormal).  Imbert-Nergal: Sciences occultes. Weitere Hinweise zur Geschichte der Skeptiker-Szene in Frankreich bei Lagrange/Voisenat: Ésotérisme Occidental.  Gardner: Fads and Fallacies.Zur Entstehungsgeschichteund Rezeption des Buches siehe Loxton: Skeptical Movement.  Auch fernabder Gegnerschaft zu Okkultismus und Parapsychologie hat die Skeptiker-Be- wegung – seit ihrerNeubegründung  – heuteRelevanz erlangt. Hingewiesensei aufdie v. a. in Amerikaöffentlich vorgetragene Opposition zum Kreationismus, aber auch den kritischen Standpunkt gegenüber allen postmodernen Strömungen. Eine Geschichtedes Phänomens Skeptiker,die sich ausschließlich als Erweiterung der Historiographie des Themenkomplexes Okkultismus versteht,greift somit zu kurz.  Mildenberger: OttoProkop;die hier vorgetragenen Ergebnisse verstehen sich als Erweiterung der Überlegungenvon Mildenberger: Medikale Subkulturen. Zu Prokop siehe die jüngst erschie- nene, tendenziell apologetische Biographie: Benecke: Seziert.Zueiner Erwähnungkommtdie Degesa außerdem noch in einem Buch vonOwenDavies über Magische Literatur und in Joachim Baumhauers Arbeit über den Volkskundler Johann Kruse (Davies:Grimoires; Baumhauer:Kruse). Problematisch ist die Tatsache, dass die Degesa in beiden Veröffentlichungennicht in ihrer Ei- genschaft als Skeptiker-Organisation benanntwird. IhreGegnerschaft zur Parapsychologie bei- spielsweise findet keine Erwähnung. Soldaten der Aufklärung 281 verfasste Aufsatz „VonScheinriesen“ vonEberhard Bauer,GerdHövelmann und Walter vonLucadou.¹⁴ Ansonsten scheint allgemein die Ansicht vorzuherrschen: „Until the mid-1970sskeptics and debunkers of paranormal claims weredis- organized.“¹⁵ Dass dies nicht der Fall war und die Skeptiker bereitsseit den 1950er Jahren schlagkräftig organisiert waren, zeigt der vorliegende Beitrag.ImFolgen- den sollen zunächst die gesellschaftlichenRahmenbedingungenbeleuchtet werden, die die Entstehungder Degesabegünstigten. Danach wird sie im Hinblick aufihre soziale Zusammensetzung und Aktivitäten untersucht.Welche Mittel und Öffentlichkeiten nutzte die Degesa im Kampfgegen das Okkulte? Wiehoch war ihre gesellschaftliche Reichweite? Einen Schwerpunkt des Aufsatzes bildet die Auseinandersetzung der Degesa mit dem Parapsychologen Hans Bender.

2Die 1950er Jahreals „Zeitalter des Irrationalen“¹⁶

Wirtschaftswunder,Wiederaufbau, Westbindung – meist sind dies die Begriffe, welche die 1950er Jahre im kollektivenGedächtnis charakterisieren und die den Kern des mitunter kritisierten, aber dennoch hegemonialen Topos der „Erfolgs- geschichte der Bundesrepublik“ bilden.¹⁷ Der Fortschritt der Zeit war für die Menschenerfahrbar durch grundlegende Neuerungen in vielen gesellschaftlichen Bereichen, zu denen auch Raumfahrt und Atomenergie zählten. Letzterewurde sogar namensgebend: „Atomzeitalter“ war ein häufig gebrauchter zeitgenössi- scher Begriff, der den positivenWandel und die Zukunftserwartungen dieser Jahre symbolisierte.Esgab jedoch Ereignisse, die diesem Fortschrittsnarrativder 1950er Jahre diametral entgegenstanden. Mitte der 1950er Jahre schien Deutschland nämlich voneiner „Hexenprozesswelle“¹⁸ regelrecht überrolltzuwerden. „Jähr- lich 70 Hexenprozesse“ überschrieben die „Düsseldorfer Nachrichten“ 1955 eine

 Bauer/Hövelmann/Lucadou: Scheinriesen.  Hier formuliert vonChris Carter,einem zeitgenössischen Kritiker der Skeptiker-Bewegung (Carter:House of Skeptics, ). ZurErklärung: Mitte der er Jahre wurde die amerikanische Skeptiker-Organisation CSICOP („Committee for the Scientific Investigation of Claims of the Paranormal“)gegründet,die den Gründungsimpuls für einigeweitere Skeptikerorganisationen weltweit gegeben hat,soauch für die  gegründetedeutsche GWUP („Gesellschaft zur wis- senschaftlichen Untersuchungvon Parawissenschaften“).  Kapitelüberschrift in Anlehnungandie deutsche Übersetzung vonJames Webbs ‚The Flight from Reason‘ formuliert.  Vgl. Herbert: Bundesrepublik, .  Baumhauer:Kruse, . 282 Martin Schneider dpa-Meldung, die ihrerseits aufeiner Meldung des „Deutschen Medizinischen Informationsdienstes“ beruhte und das Irrationale in Zahlen fasste.¹⁹ Das neu- gegründete „Institut für Demoskopie Allensbach“ fand heraus, dass acht Prozent aller Deutschen an Hexen glaubten.²⁰ Nicht nur journalistisch war das Echo groß: „Hexenwahn“, „Hexen unter uns“, „Hexenmacht und Hexenjagd“ lauteten die Titel einiger Beiträge, die sich kritisch mit diesem Zeitgeistphänomenaus- einandersetzen.²¹ Jenes Bild des irrationalen Nachkriegsdeutschlands, in dem der Hexenglaube wie eine Krankheit zu grassieren schien, drang bis nach Amerika.²² Beimanchen Protagonisten wurde angesichts dieser Nachrichten das Gefühl hervorgerufen, dass die zivilisatorischen Errungenschaftenkeineswegssicher, sondern vielmehr akut bedroht seien. Das teleologische Fortschrittsdenken der Zeit begünstigte und bedingtedie Angst voreinem Rückfall in ein irrationales Zeitalter.²³ Dass es sich bei den als Hexenprozessen bezeichnetenFällen keines- wegsumHexenprozesse im klassisch-frühneuzeitlichenSinne handelte – ange- klagt waren nicht Hexen, sondern Personen, die ihre Mitmenschen der Hexerei beschuldigten – war ein Umstand, der im Sensationsgewitter leicht untergehen konnte.²⁴ Viele Zeitgenossen, so auch die Protagonisten der Degesa, tendierten dazu, den Hexenglauben als ein Relikt ausvormoderner Zeit zu betrachten und auf diese Weisezuübersehen, dass das Phänomen vielfach im Zusammenhang mit den spezifischen Umständen der Nachkriegszeit stand: mit der sozialen Um- strukturierung in Folgeder gewaltigenMigrationsströme, mit den Veränderungen in der Arbeitsweltdurch Rationalisierung und Mechanisierung,mit der anhaltend angespannten wirtschaftliche Lageund der darausresultierenden sozialen In- stabilität.²⁵ Lokale Gemeinschaften waren mit der Integration Fremder oft über- fordert und besonders alleinstehende Frauen gerieten aufdiese Weise in den Verdacht der Hexerei.²⁶ Unter anderem waren die zahlreichen Hexenprozesse Anfang der 1950er Jahre Anlassfür die Gründung der Degesa. Dieseentstand im Sommer 1953inWest-

 Ebd., .Nachrichten über ‚Hexenprozesse‘ waren bereits seit den frühen er Jahren an der Tagesordnung. Bereits  hattebeispielsweise „Der Spiegel“ einen Artikelüber Hexereiin reißerischer Manier betitelt („Bis das Blut kommt“). Anonym: Hexerei.  Zitiert nach Mildenberger: Medikale Subkulturen, .  Vgl. u.a. Kruse: Hexen; Schäfer/Wendte: Hexenjagd;Schmidt: Dunkle Mächte; Auhofer: Hexenwahn.  Lukach: Witchcraft.OwenDavies nennt vier weitere solcher Artikel. Davies:Grimoires, .  „In social evolutionistic thinkingmagic (and witchcraft) preceded science and religion in time.“ Blécourt: Witchcraft, .  Schöck: Hexenglaube, .  Baumhauer:Kruse, –.  Pintschovius:Hexereivor Gericht, . Soldaten der Aufklärung 283

Berlin als Verein und erfreutesich in den darauffolgenden Jahreneines starken Zulaufs ausdem gesamten Bundesgebiet.Ziel der „Deutschen Gesellschaft Schutz vorAberglauben“ war es laut Satzung „wissenschaftliche Studien und For- schungsarbeiten aufdem Gebietder Parapsychologie zu betreiben und dabei vor allem unrichtigen und unwahren Behauptungen entgegenzutreten, die geeignet sind,volksschädigend zu wirken.“²⁷ Dasshinter dem Vorsatz „Forschungsarbeiten […]zubetreiben“,kein rein wissenschaftliches Interesse stand, sondern eine größeregesellschaftliche Agenda,wird in einem Brief des Degesa-GründersAlbert Stadthagenanseinen Mitstreiter,den Mannheimer Arzt Roman Schüppert, deutlich:

Leider stehen wir den kaum faßbaren Tatsachen gegenüber,dass im Atomzeitalter allein im Jahre 195360Hexenprozesse vordeutschen Gerichten abgerolltwerden mußten, die Gesamtzahl der in deutschen Zeitungenalljährlich erscheinenden Tages- und Wochen-Ho- roskope nach unseren […]Berechnungen weit über anderthalb Milliarden beträgt,das Ge- lichter der ‚Sterndeuter‘,der angeblichen ‚Hellseher‘,der ‚Krebs erzeugenden Reizstreifen‘ feststellenden Pendler &Rutengänger, der Fabrikantenvon praktisch absolut wertlosen, dafür indessen umso teureren Abschirmgeräten&Abschirmsalbengegen ‚Erdstrahlen‘,der Wahrsager, Kartenlegerinnen […], der vonkeinerlei medizinischen Sachkenntnissen ge- trübten ‚Wunder-Ärzte‘ usw. usw. eine noch niemals vorher bestandene Höchstkon- junkturerlebt.Diese Umstände veranlaßtenmich, voreinem knappen Jahr die vorge- nannteGesellschaft zu gründen, der heutebereits die erfahrenstenund bekanntesten Anti- Okkultisten aller Sparten angehören.²⁸

Die Degesa rekrutierte innerhalb vonetwas mehr als fünf Jahren 100 Mitglie- der.Diese stammten vorallem – aber nicht nur – ausden akademischen Be- rufsgruppen: Vertreten waren Beamte, Juristen und – mit etwa 20 Prozent – auf- fällig viele Mediziner.²⁹ Etwa 40 Prozent der Mitglieder waren promoviert oder habilitiert – ein Wert,der sich deutlich vonder Gesamtbevölkerungabhob. Auf- fällig war auch, dass der Gesellschaftselbstauf dem Höhepunkt ihrer Entwicklung keine Frauen angehörten. Blickt man aufdie führenden Protagonisten der Degesa, so reichten ihre Wurzeln bis ins frühe 20.Jahrhundertzurück. Die längste Karriere als ‚Anti-Ok- kultist‘ hatte der Gründer,der pensionierte Physiker Stadthagen. Er warbereits vor

 Die Satzungbefindet sich u.a. in der VereinsakteimLandesarchivBerlin (LArch Berlin). Akte: BRep. Nr. .  A. Stadthagen an R. Schüppert,Brief vom ..,in: GLAK,  Zentrale b, Her- vorhebungenimOriginal.  Die Akademikerquotelag bei konstant  Prozent,die Quote der Mediziner an der Gesamtzahl der Mitglieder betrugimmer zwischen  und  Prozent.Die Ausführungenindiesem Abschnitt basieren aufden Mitgliederlisten, die sich in Akte  Zentrale bimGLAK befinden. 284 Martin Schneider dem Ersten Weltkrieg als Kritiker in Erscheinung getreten.³⁰ Dass er schließlich eine Vereinsgründungals notwendigerachtete, begründete er mit den frappie- renden Gegensätzen des Zeitalters, der Dissonanz ausFortschritt und Rückstän- digkeit.Inder Tradition der Zauberkünstler der 1880er Jahre, die als Gegner von spiritistischen Medien aufgetreten warenund diese zu entlarven suchten, hatte StadthagenimFrühjahr 1954 in mehreren deutschenStädten Vorträgegehalten und dabei das Netz der Vereinsmitglieder erweitert.³¹ Dabei ging es ihm und seinen Mitstreitern laut Satzung um den Schutz der Bevölkerung vor „volks- schädigendem“ Okkultbetrug – nach modernem Verständnis ein Bestandteil von Gesundheitsprävention und Verbraucherschutz. Damit stand die Degesa in der Tradition der 1903 gegründeten „Deutschen Gesellschaft zur Bekämpfung des Kurpfuschertums“.³² Die Degesa war seit ihrer Gründung in mehrerestaatliche und privateVer- braucher-und Gesundheitsschutzvereinigungen eingebunden. Sie war Mitglied im Bundesausschuss für Gesundheitliche Volksbelehrung, einem neugegründe- ten Dachverband vonOrganisationen, die im Bereich der Gesundheitsförderung tätig waren,³³ außerdem beim Deutschen Grünen Kreuz sowieinder Bundesar- beitsgemeinschaft für Schadensverhütung.³⁴ In der Öffentlichkeit trat die Degesa vorallem durch einzelne Protagonisten in Erscheinung.Beim Versuch den Diskurs zu paranormalen Themen zu beeinflussen, erlangten einigevon ihnen eine be- achtliche Reichweite: Während sich die Publikationen vonHerbert Schäfer,³⁵ Otto Prokop oder Hans Pfleiderer vorallem an Juristen und Mediziner richteten, traten Carl Pelz oder Richard Bock mit Aufführungen,Vorträgen und Zeitungsartikeln in der ‚breiteren‘ Öffentlichkeit in Erscheinung.Unangefochten in seiner öffentlichen Wirkungwar der Zauberkünstler Wilhelm Gubisch (vgl.Abb. 1). Gubischs Auftritte konnteman in den 1950er Jahren sogar im neuen Medium Fernsehenbetrachten;³⁶

 Stadthagen: Gedankenlesen; Stadthagen: Rätsel des Spiritismus;Stadthagen: Mysterien des Hellsehens.Neben Stadthagen war Carl Pelz der ‚dienstälteste‘ Skeptiker: Der Polizeikommissar ausdem Memelland(Ostpreußen) betrieb – nach eigener Aussage – seit  „Forschungenauf dem Gebiet okkulter Betrügereien“ und dienteals Gutachter und Zeuge in den breit rezipierten Betrugsprozessen gegenElse Günther-Geffers (Insterburg, –)und Eric JanHanussen (Leitmeritz, –). Die Gesamtzahl seiner Vorträgebeziffert er auf .  Mitteilungsblatt Nr. ,Juni , .  Vgl. Mildenberger: Medikale Subkulturen, –.  Dieser wurde  in „Bundesvereinigung für Gesundheitserziehung“ umbenannt,und fir- miert seit  unterdem Namen „Bundesvereinigung für Gesundheit“.  VereinsakteimLArch Berlin, BRep.  Nr. .  Vgl. Schäfer:Okkulttäter.  Dokumentiert sind vier Termine: ein Auftritt im Jahr ,zweiAuftritte im Jahr  (..  und ..)und ein Auftritt im Jahr .Vgl. Archiv des IGPP,E/ . Soldaten der Aufklärung 285 mit seinen Vorträgen – in seiner aktivenZeit hielt er davonetwa 2.500 – erreichteer Menschenaus allen Bevölkerungsschichten.³⁷ Das vondem Trickkünstler vorge- führte Programm hatte oftmals den gewünschten Effekt:Dank Gubischs Auftritt wurde – wie ein Zeitungsartikel ausdem „Mannheimer Morgen“ berichtet –„allen Teilnehmern ersichtlich, dass es kein Hellsehen gibt.“³⁸

Abb. 1: Wilhelm Gubisch (1890–1972) (links) mit Assistent beim Versuch, Hellsehen als Trick zu entlarven, Foto:HelgaHeinersdorff, Dortmund (Quelle: Gubisch: Hellseher,Scharlatane, Dem- agogen, Abb. 10)

Auch der HamburgerVolksschullehrer Johann Krusewar Mitglied der Degesa und hatte ebenfalls maßgeblichen Einfluss aufdie Entstehungund öffentliche

 Gubisch begann seine Tätigkeit als Vortragsredner  und war kurze Zeit späteramHell- seherprozess vonLeitmeritz gegenJan Eric Hanussen zwischen  und  beteiligt.ImZuge seiner Karrieresprach er aufÄrztekongressen, in Volks- und Polizeihochschulen, mitunter auch an Universitäten. Die Angabe über die Gesamtanzahl seiner Vorträgegeht zurück aufseinen Sohn WolfgangGubisch. Auch wenn die Zahlmöglicherweise nach untenkorrigiert werden muss,kann man davonausgehen, dass Gubisch, der mitunter vorbis zu  Menschen sprach, (Schüppert:  Jahre, ), während seiner Laufbahn eine sechsstelligeZahlvon Menschen erreichte.Der von WolfgangGubisch verfassteLebenslauf vonWilhelm Gubischbefindet sich im Privatarchivvon EberhardBauer (IGPP), mit dem ich dankenswerterweise arbeiten konnte.  Bo: Eulenspiegeleien des Okkultismus.Dieser und ähnliche Zeitungsartikel befinden sich in: Archivdes IGPP,E/ . 286 Martin Schneider

Wirksamkeit des Vereins. Krusebeschäftigtesich seit den 1920er Jahren intensiv mit neuzeitlichem Hexenglauben und hatteein privates Archivaufgebaut.Damit schuf er die Voraussetzungenfür die Popularisierung des Themas in der Nach- kriegszeit.Sein Werk „Hexen unter uns. Magie und Zauberglauben in unsererZeit“ von1951machte die Angst voreinem ‚irrationalen Zeitalter‘ greifbar und spielteals ideologischer Wegbereiter der Degesaeine wesentliche Rolle.³⁹ Kruse wurde im Zuge der ‚Hexenprozesswelle‘ zum gefragten Experten und Ansprechpartner der Medien und bestimmte den Diskurs der 1950er Jahre wesentlich mit.⁴⁰ ZurIdentitätsstiftung und internen Kommunikation diente der Degesa eine Mitgliederzeitung – genannt „Mitteilungsblatt“–die im Laufe der 1950erJahre aufüber 30 Seiten heranwuchs und zwei bis drei Mal pro Jahr erschien.⁴¹ Die in der Zeitschriftenthaltene Rubrik „Ausder Welt des Okkultismus“ ist hervorzuheben, zeigt sie doch, welch weites Feld der Begriff abdeckte: Dieser wurde in einem pejorativenSinne verwendet und umfasste die gesamte Welt des Aberglaubens, zu der,nach Ansicht der Degesa, Parapsychologie, Astrologie und Radiästhesie ebenso gehörten wie Hexerei. Die Degesa beteiligtesich somitmaßgeblich daran, dass der zwar ambivalente, aber zu Beginn des 20.Jahrhunderts nochrelativ neutrale Begriff Okkultismus selbst zum Ausgrenzungsbegriff wurde. In der Zeitschriftwurde das Bild des „irrationalenZeitalters“ erzeugtund verbreitet. Todesfälle in Folgealternativmedizinischer Falschbehandlung,⁴² sozialer Aus- grenzungoder Todschlag als Resultat vonHexenglauben sollten die Gefahren des Okkulten verdeutlichen.⁴³ Die Ursache für irrationales Handeln, so die Ar-

 Kruse: Hexen.  ZurRolle Kruses in Bezugauf die mediale Berichterstattungzum Thema ‚Hexenglaube‘ vgl. Baumhauer:Kruse, –.  Alle Ausgaben des Mitteilungsblattes – mit Ausnahme vonAusgabe Nr.  – befindensich in Akte  Zentrale bdes GLAK. Mit AusgabeNr.  erfolgte die Umbenennungvon „Kurz- nachrichten“ in „Mitteilungsblatt“.Zur VereinfachungwirdimFolgenden jedoch durchgängigder Begriff „Mitteilungsblatt“ verwendet.  „Durch Aberglauben in den Tod. Die jährige Berliner Musikstudentin Renate N. wurde  auseinem Berliner Krankenhause nach Rippenfellentzündung entlassen – weigerte sich, einen Krankheitsherd an beiden Lungenwurzeln ärztlich behandeln zu lassen,daihre Mutter davon abriet.Mutterund Tochter traten einer Sektebei, die jede Krankheit als Erscheinungsform der menschlichen Sünde bezeichnete.[…]Mutter und Tochter […]zogen Behandlungdurch bezahlte Gesundbeter vormit dem Erfolg, dass der schließlich zu spät gerufene Arzt nicht mehr helfen konnte. Renateverstarb als Opfer menschlichen Irrglaubens.“ Meldung,die aufeinem Artikel in der „WestfälischenRundschau“ (..)basiert.Mitteilungsblatt Nr. ,Juni , .  „Einen besonders widerlichen Fall teiltedie Berliner Morgenpostv... mit.Danach wurde ein asthmatisches Kind in einem Dorf bei Eutin (Holstein) erst beräuchert,bis es fast erstickte. Dann wurde ein Schwein blutig geschlagen, das man für die ‚Hexe‘ gehalten hat.Als das alles nichts half, schlugen die Eltern, um die Hexereiauszutreiben, das Kind aufentsetzliche Weise bis Soldaten der Aufklärung 287 gumentation, lagdabei entweder in den Personen selbstbegründetoder diese waren,was noch häufiger als Ursache vonAberglauben angeführt wurde,verführt oder missbraucht worden. Die Degesa versuchte aufdiese Weise den öffentlichenDiskurs zu paranor- malen Themen zu beeinflussen. Zudem trat sie offensiv an Judikative und Exe- kutive heran, um „Okkultbetrug“,der in ihren Augen meist auseinem kommer- ziellen Interesse gespeist war,⁴⁴ zu verhindern oder anzuprangern. Sie initiierte Gerichtsprozesse gegen „Anstifter“ zum Aberglauben bzw.versuchte diese durch die Bereitstellungvon Informationsmaterial oder die Empfehlungvon Gutachtern in ihrem Sinne zu beeinflussen.⁴⁵ So bestritt sie zwischen 1953und 1957 bei- spielsweise einen Prozess gegendie „Phylaxwerke“,eine Firma, die Geräte her- stellte, die vorErdstrahlen schützen sollten. Der Prozess durchlief mehrereIn- stanzenund endete im Jahr 1957 vordem Bundesgerichtshof – mit einem Sieg für die Degesa.Weniger erfolgreich war das Vorgehen in einem Prozessumdas „6. und 7. Buch Mose“,eine der „magisch-medizinische[n] Schriften“,⁴⁶ die in den 1950er Jahren stark verbreitet waren. Neben medizinischen Ratschlägen enthielt das Buch eine Reihe vonAnleitungen, um „bösen Zauber“ abzuwenden.Die Skeptiker gaben der Publikation eine Mitschuld an den sich häufenden Hexenprozessen. Der Prozesswurde voneiner hohen Medienaufmerksamkeit begleitet.Nachdem die Angeklagten, die beiden Verleger des Buches, durch ein Urteil im Jahr 1956 zu- nächstschuldig befunden wurden, endete der erneute Urteilsspruch nach Revi- sion ein Jahr späterzur Unzufriedenheit der Degesa-Führungmit einem Frei- spruch.

es starb“. „Bäuerin Johanna Merkl ausdem Dorf Painten bei Hemau(Oberpfalz) wurde aufGrund eines vonder dortigenBevölkerungfalsch aufgefaßtenStammtisch-Scherzes zur ‚Hexe‘ erklärt, geächtet und derart behandelt,daß sie in ihrer Verzweiflungschließlich einen Selbstmordversuch unternahm. Anschließend zeigte sie einen ihrer Peiniger,den Nachbar-Bauern wegen Verleum- dung und Beleidigung an. Das Verfahren mußte eingestelltwerden, da dem Angezeigten nicht nachzuweisenwar,daß gerade er die Gerüchte-Lawine ins Rollen gebracht habe.Als die Klägerin das Gerichtsgebäude verließ, wurde sie ausdem Hintergrunde mit Steinen beworfen“ (beide Artikel zitiert im Mitteilungsblatt Nr. ,Juni , , ).  Siehe exemplarisch dazu folgendes Zitat ausdem Mitteilungsblatt: „Die Rettungvor &die Aufklärungüber den […]Betrugunseres Volkesgeht vorden – für uns geradezu lächerlichen – Attacken der Ratten, die um das Sinken ihres gewinnbringenden Geschäftsschiffes bangen.“ MitteilungsblattNr. ,Juni , .  Strafanzeige zu stellen, war das juristisch wenigeraufwendigeMittelimVergleich zu einem Klagegesuch.  Baumhauer:Kruse, . 288 Martin Schneider

3Den neuen Hexenverbrennungen den Weg geebnet: Die Auseinandersetzungen der Degesamit der Parapsychologie

Die langwierigsten und intensivsten Bemühungen im Kampf gegendas Irratio- nale galtendem FreiburgerParapsychologen Hans Bender.⁴⁷ Die Parapsychologie, so Johann Kruse in einem Brief an Roman SchüppertimJanuar 1959, nimmtim System des Aberglaubens eine herausgehobene Stellungein und ebnet „einen schnellenWeg für eine neue Zeit der Hexenverbrennungen“.⁴⁸ Auch Wilhelm Gubisch konstatierte in einemseiner TV-Auftritte 1956 mit Anspielung aufden amerikanischen Parapsychologen Joseph B. Rhine einen unmittelbarenZusam- menhang zwischen parapsychologischer Forschung und ‚Hexenwahn‘: „Jahr- hundertelang haben verantwortungsbewusste Menschen den Hexenglauben be- kämpft.Heuteerleben wir,dass der Hexenglauben voneinem amerikanischen Gelehrtengewissermaßen neu fundiert wird.“⁴⁹ Die Parapsychologie trage – so der Grundtenor bei Gubisch und Kruse – fundamental zur Förderungdes Aberglau- bens bei und schade damit der Bevölkerung. Diese grundlegende Ablehnung der Parapsychologie durch die Degesa, die bereits in ihrer Satzungvon 1953festgelegtwar,⁵⁰ bestimmte das Handeln der Protagonisten für ein Jahrzehnt und machte Bender zu ihrem größtenGegner. Dabei könnte man die Konfrontation Bender vs. Degesa durchausals Missver- ständnisinterpretieren, verfolgten beide Parteien doch ähnliche Ziele und waren, wie sie gleichlautend betonten, darum bemüht,den Schädendes Aberglaubens zu begegnen.⁵¹ Benderhatte seitBeginn seiner akademischen Karriere in den 1930er Jahren wiederholt aufdie psychohygienische Zielsetzung seiner Arbeit

 Zu Hans Bender vgl. auch den Beitrag vonAnna Luxsowie das Interview mit EberhardBauer in diesem Band.  J. Kruse an R. Schüppert,Brief vom ..,in: GLAK,  Zentrale  c. Kruse bezogsich aufeinen Artikel in der Hamburger „Welt am Sonntag“ vom ...  WörtlichesProtokoll der Sendung vom .. im Fernsehstudio Hamburg, in: Archivdes IGPP,E/ .  Siehe die bereits zitiertePassage ausder Satzung: Ziel sei es „Forschungenauf dem Gebiet der Parapsychologie zu betreiben und dabei vorallem unrichtigenund unwahren Behauptungen entgegenzutreten,die geeignet sind, volksschädigend zu wirken.“  Zu Recht fiel dem Autor eines Zeitungsartikels von  auf: „Ausgerechnet diesen Mann, den sie als willkommensten Bundesgenossen begrüßen müßte, nennt sie ihren Feind Nr. .“ Baum- gartner: Verzweiflungskampf der Materialisten, . Soldaten der Aufklärung 289 verwiesen.⁵² Als er seine Laufbahn nach Kriegsende in Freiburgfortsetzte, ver- folgte er diese Stoßrichtung weiter und berücksichtigtesie sogar in der Na- mensgebung des vonihm 1950 gegründeten Instituts für Grenzgebiete der Psy- chologie und Psychohygiene (IGPP). Die Kombinationvon Psychical Research und Psychohygiene entsprach Benders Vorstellung voneiner anwendungsorientierten Wissenschaft.Sie war darüberhinaus – wie Anna Luxbetont – auch „strategisch […]klug“,dadie Informations- und Beratungsarbeit des Institutsdie Notwen- digkeit einerparapsychologischenEinrichtung „jenseits vonder umstrittenen Fragenach der Existenz von ‚Psi‘“⁵³ rechtfertigte. Bendergeriet mit der Degesa in Konflikt – nicht obwohl er das Ziel Psychohygiene verfolgte, sondern gerade weil er dies tat.Denn ein integraler Bestandteil des Konzepteswar es, paranormale Phänomene im öffentlichen Diskurs zu normalisierenund zu enttabuisieren, was BenderinZusammenarbeit mit populärenMedien offensivanstrebte.⁵⁴ Die Feindschaftder Skeptiker kann daher auch als Nebenwirkungvon Benders Po- pularisierungsstrategie gedeutet werden. Der zentrale Konfliktpunkt zwischenDegesa und Benderwar jedoch die Deutungshoheit über das sogenannte Paranormale. Hier lag die unüberbrückbare Differenz zwischen den Parteien. Nach Überzeugung der Degesa existierte das Paranormale nicht.⁵⁵ Alle Bemühungen das Gegenteil zu beweisen, würden den Aberglaubenfördern. Dagegen konterteBender.Ererklärteden Ansatz der Skeptiker nicht nur für unwirksam, sondern gar kontraproduktiv: Es sei eine „nicht zu verantwortende Einseitigkeit,Tricks und Täuschungen als einzigeEr- klärung […]der in Fragestehenden Phänomene zu bezeichnen.“ Eine solche „die Öffentlichkeit irreführende Einstellungvergrößer[e] nur das Vakuum, in das der Aberglaube einströmt“–so seine in den 1950erJahren häufig gebrauchte For- mulierung.⁵⁶ Bender betonte, dass die Phänomene vorurteilsfrei untersucht wer- den müssten, was die Annahme ihrer Existenz einschlösse. Er setzte aufeine „positive Kritik“ des Aberglaubens.⁵⁷ Eine „negative Kritik“,wie sie die Degesa praktizierte, sei hingegenebensokontraproduktiv⁵⁸ wie eine einseitig verstandene

 Der Begriff Psychohygiene lehnt sich an den amerikanischen Terminus „mental health“ an und kannfreimit „seelischer Gesundheitsschutz“ übersetzt werden. Vgl. Lux: Vomspielenden Gelingen, .  Ebd., .  Vgl. ebd.  Nursehr wenige Mitglieder vertraten in dieser Frageeine offenereHaltung,z.B.Carl Graf v. Klinckowstroem, der späterauch ausder Degesa austrat.Vgl.Klinckowstroem: Fall Brunner.  H. Bender an die Schriftleitungder Zeitschrift Kosmos, ..,in: Archivdes IGPP,E/ .  Vgl. Bender:Parapsychologie und Rechtsordnung, ,sowie Bender:Editorial, .  Vgl. Bender:Parapsychologie und Rechtsordnung, . 290 Martin Schneider

Aufklärung,die, in seinen Augen, das Okkulte seit 200Jahren zu verdrängen suchte.⁵⁹

4Kampf der Gutachten: Der ProzessArthurOrlop zwischen 1955und 1959

Der Kampf um die Deutungshoheit über das Paranormale wurde nicht nur in den Medien ausgetragen, sondern auch vorGericht.Beide Kampfschauplätze waren jedoch gekoppelt. Während Wilhelm Gubisch, AlbertStadthagen und Carl Pelz durch Deutschland tourten und postulierten, dass Hellseher Betrügerseien, setzte Bender einen Kontrapunkt,indem er in den Jahren 1954/1955 mit dem holländischen Medium Gerard Croiset öffentlich auftrat und diesen Aussagen widersprach. Jene Auftritte, durch die Benderverstärkteiner breiten Öffentlichkeit bekannt wurde,⁶⁰ wurden vonden Skeptikernbis zum Ende des Jahrzehnts ve- hement kritisiert.⁶¹ Während die Auseinandersetzunginder Öffentlichkeit keinen klaren Sieger hervorbrachte, war der Gerichtssaal der Ort,andem es galt,ein eindeutiges Urteil zu fällen und Sieger bzw. Unterlegenen zu benennen. Dieim Gericht ausgetragene Debatte war ein Spiegelbild der öffentlichen Auseinander- setzungen. Nurvordergründig ging es um den konkret verhandelten Tatbestand – meist war dies Betrugoder das Erbringen bzw.Nichterbringen vonDienstleis- tungen.⁶² Wiesich bereits in den Prozessen zu Beginn des 20.Jahrhunderts gezeigt hatte, beispielsweise gegendas Medium Anna Rothe 1903,⁶³ schwang immer die übergeordneteFrage nach der Echtheit mediumistischer Phänomene mit. Zweimal begegneten sich Bender und die Degesa vorGericht.Besonders hervorheben möchte ich im Folgenden den Prozess gegenden Hellseher Arthur Orlop (1912–1984) in den Jahren 1955 bis 1959.⁶⁴ Orlop hatte gegendas Berufs-

 Beider Arbeitstagung des Bundeskriminalamtes Wiesbaden  machteBender aufjene Schattenseiten der Aufklärungaufmerksam und äußertegleichzeitighoffnungsvoll „dass der jahrhundertlange Verdrängungsprozeß gegenüber dem Okkulten, der mit der Zeit der Aufklärung begonnen hat,nun seinem Ende entgegensieht“.Ebd., .  Ein Live-Experiment wurde am .. in der ARD übertragen. Eine Woche später be- richtete „Die Zeit“ über die Versuche. Vgl. Anonym: Hellsehen, .  Siehe u.a. die Artikelserie vonCarl Pelz in der Zeitschrift „Kosmos“ in den Jahren /. Pelz: Croiset.  In einigen Gegenden Deutschlands war und ist ‚Wahrsagen‘ per Polizeiverordnung oder Ge- werbeordnung untersagt.  Vgl. ausführlich Treitel: Culture of Knowledge, –.  Der zweite Prozess erfolgte gegenWilli Endres  und . Soldaten der Aufklärung 291 verbot geklagt,das vonder Stadt Mannheim verhängt worden war.Bereits 1953 hatte sich das Landeskriminalamt in diesem Zusammenhang an Bender gewandt und ein Gutachten über Orlop angefordert,denn Bender hatte mit Orlop 1951 Versuche durchgeführt und sich ein Bild vondessen medialer Begabung gemacht. Das Gutachten Benders problematisierte auch die Aspektedes gewerblichen Hellsehens und spieltedabei aufdie Elusivität vonPsi an: Orlop habe „zweifellos medialeFähigkeiten“.Diese seien jedoch großen Schwankungenunterworfen. Besonders aufzukünftige Ereignisse bezogene Aussagen seien problematisch und sollten „daher besser überhaupt vermieden werden. […]DieseUnzuverlässigkeit [berge]Gefahren in sich.“⁶⁵ Im Prozessgegen Orlop vordem Verwaltungsgericht Karlsruhe schaltete sich die Degesa zunächst eigeninitiativ ein. Ihr Mannheimer Mitglied Dr.Hans Kuhbieräußerte sich dabei in einem mehr als 20-seitigen Brief nicht nur zu Orlop, sondern stellteauch Benders Kompetenz als Gutachter in Frage.⁶⁶ Dieser sei ungeeignet,dabefangen. „Sogen[anntes] Hellsehen […]ist wissenschaftlich unmöglich […]. Alle Behauptungen Abergläubischer überdie Möglichkeit irgendwelcher mystischer oder magischer aussersinnlicherErregun- genund Wahrnehmungen gehören ins Reich der Phantasie.“⁶⁷ Als Erweiterung der im Gerichtssaal geführten Debatte hatte zudem Wilhelm Gubisch zwei Beiträge mit dem Titel „Parapsychologie kontra Polizei“ in einer großen Gewerkschafts- zeitung veröffentlicht,indenenerBendervorwarf, die Polizeiarbeit zu behindern, indem er Hellseher akademisch protegiere.⁶⁸ Gubischs im Prozess beigesteuertes Gutachten glich dem seines Vereinskollegen Kuhbier,war im Gegensatz zu dessen Schreiben aber offiziell vomGericht angefordert worden – ein Umstand, den Gubisch wohl vorallem seinem Expertenstatus in Folgeseiner medialen Präsenz verdankte.⁶⁹ Die KlageOrlops wurde schließlich abgewiesen und das Berufsverbot damit bestätigt.⁷⁰ Während die Degesaüblicherweise darauffixiert war,die Un- wissenschaftlichkeit der Parapsychologie zu betonen, so machte sie Benderhier gleichzeitigdessen akademischen Status zum Vorwurf. Als Akademiker leide er an Realitätsferne und Praxisfremdheit und sei daher anfällig für Täuschungen im

 Gutachten vonHans Bender, ..,in: Archivdes IGPP,E/ .  ZumProzess existiert ein Aktenbestand im StadtarchivMannheim: StadtA MA – ISG, / –, , .Für unterstützende Hinweise danke ich UweSchellinger(IGPP).  Gutachten vonHans Kuhbier, ..,in: Archivdes IGPP,E/ .  Gubisch: Parapsychologie kontraPolizei.  Auszügeaus Gubischs Gutachten sind in Benders Stellungnahme vom .. zu finden. Enthaltenin: Archivdes IGPP,E/ .Bender sei „zu einer sachlichen Prüfungsogenannter okkulter Vorgänge nicht fähigund daher als Sachverständigernicht geeignet“.  Urteilsspruch vom ..,in: Archivdes IGPP,E/ . 292 Martin Schneider

Umgangmit Medien.⁷¹ Beide Strategien – der Vorwurf der Unwissenschaftlichkeit sowie der Praxisfremdheit – hatten dasselbe Ziel: DieDegesa beanspruchte, al- leinigeExpertin bei der Beurteilungmediumistischer Phänomene zu sein bzw. entsprechende Experten in diesen Fragen zu benennen. Parapsychologen sollten als Gutachter in Okkultprozessen ausgeschlossen werden.⁷² Entsprechend forderte der spätere Degesa-Vorsitzende Johannes Brunner,falls „Herr Bender wiederir- gendwoals ‚Sachverständiger‘ aufkreuz[e]“,dass der Verein sofort benachrichtigt werden solle, „damit [man] dagegen einschreiten könn[e].“⁷³

5PolitischeLegitimations-und Delegitimationsstrategien auf beiden Seiten

Die Diskussion zwischen Bender und der Degesa hatte auch eine politische Di- mension. Während die Auseinandersetzungen zwischen Szientisten und Okkul- tisten seitdem 19.Jahrhundert in Bezugauf die vorgebrachten Argumente von einer hohen Konstanz gekennzeichnet waren, schufen politische Argumentati- onsweisen eine zusätzliche Möglichkeit,sich in der gesellschaftlichenDebatte Gehör zu verschaffen. Der Skeptiker Gubisch beispielsweise versuchte Bender mehrfach politisch zu diskreditieren, indem er ihn in die Nähe des Nationalso- zialismus rückte. Dabei war er selbst in den Jahren 1933 bis 1945, teilweisein staatlichemAuftrag als ‚Aufklärungsredner‘ gegenden Okkultismusaktivgewe- sen.⁷⁴ Nach dem Krieg unternahm er eine politische Kehrtwende, die sein Schaffen sowohl in den Augen der DDR als auch der BRD ideologisch anschlussfähig machte. Sein Hauptwerk ausdem Jahr 1961 –„Hellseher,Scharlatane, Demago- gen?“–war,dem Untertitel zufolge,eine „Kritik an der Parapsychologie“.Darin parallelisierte Gubisch Parapsychologen und politische Demagogen.⁷⁵ Die Para-

 Bender,sohieß es im Mitteilungsblatt von ,fehlten die „jahrzehntelangen praktischen Erfahrungen“ (Mitteilungsblatt Nr. ,Dezember , ), die die Experten der Degesa auszeichnen würden. Deswegen sei er ungeeignet,die Tricks der Medienzudurchschauen.  Im Jahr  wurde diese Forderung durch ein Bundesgerichtshof-Urteil schließlich Rechtswirklichkeit.Vgl. Bender et al.: Bundesgerichtshof.  Mitteilungsblatt Nr. ,Juli , .  Dieser Verweis findet sich, unabhängig voneinander,u.a.bei Kurt Klein und Friedrich Baumgartner.Die Korrespondenzenbefinden sich im Archivdes IGPP,E/ sowie E / .  Es dränge „sich uns nach dem Vorangegangenen die Erkenntnis auf, daß der H[ellseher] auf der Bühne zum politischen DemagogeninParallele gesetzt werden darf.“ Gubisch: Kritik an der Parapsychologie, . Soldaten der Aufklärung 293 psychologen und ‚ihre‘ Medien, so Gubisch, zielten daraufab, die Masse kritik- unfähig zu machen. Sie bedienten sich hierbei Inszenierungsstrategien, die auch Adolf Hitler angewandthabe, indem sie Veranstaltungen abends, bei schwa- chem Licht durchführten, wenn Menschen, vomTag ermüdet,kritikunfähig sei- en.⁷⁶ Diese Argumentation Gubischs griff die seit Anfang der 1950er Jahre geführte gesellschaftliche Debatte um Totalitarismus auf.⁷⁷ Das politische Argument mo- ralisierte die Debatte um die Legitimation der Parapsychologie. Gubisch verband das politisch-moralische Argument mit Forderungenandie Rechtsprechung und „die Selbsterziehung zum vernünftigen, kritischen Denken, z. B. an ‚öffentlichen Volksbildungsinstitute[n]‘“.⁷⁸ Auch Benderargumentiertemitunter politisch. Dasserdie Angriffe seiner Gegner abfedern konnte, verdankteeru.a.der veränderten weltpolitischen Lage nach 1945: Im Zuge des Ost-West-Konflikts bekam der alte, an Okkultismus-Kritiker gerichteteMaterialismus-Vorwurf eine neue Wertigkeit und kann hier auch als Beispiel für die Gleichzeitigkeit vonRestauration und Neubeginn, die Axel Schildt als prägend für die 1950erJahre konstatiert hat,angeführt werden.⁷⁹ Bendernutzte das neuentstandene politische Potential des Materialismus-Vorwurfs im Konflikt mit der Degesa mehrfach. Die politische Angriffsfläche der Gegner war zudem dadurch vergrößert,dass einer der (wissenschaftlich) prominentestenProtago- nisten der Degesa, der Gerichtsmediziner Otto Prokop, 1957 einem Rufandie Charité nach Ostberlin gefolgt war.Fortan war es ein Leichtes zu behaupten, er – und die Organisation, in der er mitwirkte – stehe mit dem vonihm vertretenen „naturwissenschaftlichenMaterialismus […]ideologisch aufSeiten der Regierung der DDR.“⁸⁰ Besondersauf dem Höhepunkt der Auseinandersetzung1958/1959 nutzte Bender dieses Argument,umbeispielsweise eine Gegendarstellunginder viel gelesenenZeitschrift „Kosmos“ zu schreiben, in der er vonCarl Pelz in einer

 Ebd., f.  Dazu passteauch, dass Gubischinseinem LiteraturverzeichnisHanna Ahrendts  er- schienenesBuch „Elementeund Ursprünge totalitärer Herrschaft“ aufführte. Ebd., .  Ebd., .  Schildt: FünfzigerJahre, .  So die Worteder VerteidigerseiteimProzess um das Buch Mose, in dem Prokop als Sach- verständigerauftrat.Zitiert nach: Baumhauer:Kruse, .Prokop war der Degesa eng verbunden, offiziell aber kein Mitglied – ein Umstand, der vorallem strategischbegründet war:Er, wie auch die anderenMitglieder des gerichtsmedizinischen Instituts der Universität Bonn, an dem Prokop vorseiner Berufungnach Berlin tätig war,sollten vonder Degesa als Gutachter benannt werden können und deswegen den Eindruck der Unabhängigkeit erwecken. Dies geht auseinem Brief von Hugo WendteanJohann Kruse ausdem Jahr  hervor,der bei Baumhauer zitiert ist.Baum- hauer: Kruse, . 294 Martin Schneider

Artikelserie angegriffen worden war (vgl.Abb. 2).⁸¹ Das Phänomen Degesa habe, so Bender,einen ideologischenHintergrund: die Gegner ausihren Reihen seien durch die Person Otto Prokop „vomOsten ferngesteuert“.⁸² Öffentliche Zustim- mung erhielt Bender dabei im Herbst 1959durch einen Artikel überdie Degesaim „Weltecho am Sonntag“,der den Titel „Verzweiflungskampf der Materialisten“ trug:

Der „Materialismus [ist] […]das weltanschauliche Fundament einer Weltmacht,die nach absoluter Weltbeherrschungtrachtet und alle Kanäle der Propaganda für ihre Zwecke zu benützen sucht und zu benützen weiß. […]Indiesen grundlegenden Fragen hat sie ein großes Interessedaran, die westliche Mentalität vorbereitend zu bearbeiten und zu zersetzen. Es muß hier natürlich ganz dahingestelltsein, ob diese wertvolle Mithilfe der Degesa bei dieser Zersetzungsarbeit bewußtoder unbewußt, gewollt oder ungewollt ist.Jedenfalls aber müßtenjene Helfer der Degesa erstaunlich naivsein, wenn sie nicht innewürden, dass sie jenen destruktivenpolitischen Mächten damit höchst wertvolle Handlangerdienste leis- ten.“⁸³

Bender, dem selbst politischer Gegenwind ausder DDR in den 1970er und 1980er Jahren entgegenschlug,⁸⁴ setzte politische Argumente jedoch nicht nur zur Dele- gitimation des Gegners, sondern auch zur Legitimation der eigenen Disziplin ein – wenn auch in einem wesentlich geringeren Umfang. Einen Brief an einenBe- kannten 1955 beendete Bendersomit der Bemerkung, dass er es „für überaus wichtig [halte], die Parapsychologie im Kampf und in der Auseinandersetzung mit dem dialektischen Materialismus heranzuziehen.“⁸⁵ Damit folgte er einer Ansicht, die auch seinamerikanischer KollegeRhine vertrat.⁸⁶

 H. Bender an „Kosmos“,Brief vom ..,in: Archivdes IGPP,E/ .Bender kritisierte, dass die Zeitschrift indirekt Prokop (in Person vonPelz) „akademisch Protektion“ gebe. Prokop habe „voreinigerZeit vonHerrn Ulbricht wegenseiner VerdiensteimKampfe gegenden Aberglauben eine öffentlicheBelobigung“ erhalten. „Im materialistischen Weltbild darf es keine parapsychischen Phänomene geben. Ichfragemich, warum sich eine führende westdeutsche allgemeinverständliche naturwissenschaftliche Zeitschrift zum Sprachrohr solcher Auffassungen macht.“  Bender:Editorial, –.Hinweis hierauf schon bei Mildenberger: OttoProkop, .Bender schlugseinem Anwalt Frommvor,das Argument im Prozess heranzuziehen, um aufdiese Weise das Gutachten eines ostdeutschen Arztes zu kritisieren, „dessen politische Befangenheit im Sinne einer materialistischen Einstellung unschwernachzuweisensein wird.“ H. Bender an F. K. Fromm, Brief vom ..,in: Archivdes IGPP,E/ .Eshandeltsich um das Gutachten eines Bender unbekanntenDr. F. Irro.  Baumgartner:Verzweiflungskampf der Materialisten, .  In jener Zeit wurde mehrfach eine geistige Nähe vonNationalsozialismus,Okkultismus und Parapsychologie proklamiert.Vgl. Schneider/Anton: Ideologie vs. Forschung, –.  Brief H. Bender an K. Klein vom ..,in: Archivdes IGPP,E/ . Soldaten der Aufklärung 295

Die Parapsychologie als Wissenschaftmit politischem Auftrag,gar als poli- tische Waffe im Ost-West-Konflikt?Selbiges Argument war auch in Baumgart- ners „Verzweiflungskampf der Materialisten“ schon angeklungen.⁸⁷ Warumwarb Benderdann öffentlich nicht stärker mitdem politischen Auftrag seiner Disziplin? DiesesArgument hätte ihm bei den schwierigen Bemühungen, parapsychologi- sche Forschung zu institutionalisieren, als wertvolle Ressourcedienen können, mit der er sowohl in den Augen der Politik als auch der breiten Öffentlichkeit hätte punkten können. Möglicherweise wollte er die vergangenen und gegenwärtigen Leistungensowjetischer Parapsychologen, mit denenerinwissenschaftlichem Austausch stand, nichtdelegitimierenund durch eine solche Aussagederen Ar- beitssituation erschweren. Denkbar ist auch, dass Bender die Zeit des National- sozialismus als abschreckendes Beispiel dafür diente, dass man durch eine (zu starke) Politisierungder Wissenschaftspraxisleicht ins Abseitsgeratenkonnte, wenn die politischen Verhältnisse einmalumschlugen.

6Der Prozessvor dem Landgericht Berlin 1958/1959

Neben die publizistische trat seit 1957 auch die juristische Auseinandersetzung zwischenBender und den Akteuren der Skeptikerszene.⁸⁸ Auslöser für Benders

 Rhine äußerte  in dem vonihm herausgegebenen „Journal of Parapsychology“: „The Soviet system is attempting to build asociety on atheory of man as matter.Itisespeciallysi- gnificant,Ithink, that Western society,with all its various attacks upon the communist system, has not seriouslyassailed this basic premise. Is it not afact that until it utilizes the findings of pa- rapsychology it has little with which to attack the materialistic statephilosophyofthe U.S.S.R.?“ Rhine: Telepathy, .  Baumgartner:Verzweiflungskampfder Materialisten, . „Wenn man das sonderbare Gebaren der Degesa betrachtet,muss man sich fragen: […]Woher dieser fanatische Hass gegendie Pa- rapsychologie? Hier scheinen sich größere Gründe abzuzeichnen.Denn es kann keine Zweifel dafür geben, daß die wissenschaftlich gesicherten Faktender Parapsychologie das wirksamste Gegengift gegenallen Materialismus bedeuten. Wenn schon Schopenhauer in einer Arbeit über parapsychologische Phänomene ‚eine faktische und vollkommen sichereWiderlegungdes Ma- terialismus‘ bedeuten, so gilt das heutedurch ein enorm bereichertes Tatsachenmaterial in stark potenzierter Form. Der vondieser Seitewissenschaftlich eindeutigwiderlegte Materialismus ist aber das weltanschauliche Fundament einer Weltmacht,die nach absoluter Weltbeherrschung trachtetund alle Kanäle der Propaganda für ihreZwecke zu benützen sucht und zu benützen weiß.“  Anlass und Etappen des Konflikts sollen an dieser Stelle nachgezeichnetwerden, da die Darstellungbei Mildenbergerunvollständig, teilweise auch unrichtigist.Mildenberger: Medikale Subkulturen, f.; Mildenberger: OttoProkop, . 296 Martin Schneider

Abb. 2: „… aber wasist das Ganze? Ein Trick!“ Carl Pelz (um1890–1960) mit verbundenen Augen in der Rolle eines Telepathen, der unter den aufgestellten Zuschauern einen ihm unbe- kannten Briefschreiber herausfinden soll. Neben ihm ein junger Mann, der weiß, wer der Briefschreiber ist. Pelzund er sinddurch einen Holzstab miteinander verbunden. (Quelle: Pelz: Hellseher,Medien, Gespenster,57) Soldaten der Aufklärung 297 juristisches Vorgehen war nicht alleine der Versuch die öffentliche Meinung ge- genihn zu beeinflussen,⁸⁹ sondern der gezielteVersuch der Degesa, ihn in den Jahren 1958/1959bei führenden Vertretern der Wissenschaft und der Justiz zu diskreditieren. Begonnen hatte alles 1956 mit der öffentlichenBemerkung des Degesa-Mitglieds Prof. Hans Podach, Bender seiein „Hansdampf in allen okkulten Gassen.“⁹⁰ Benderwollte daraufhin gerichtlich gegenPodach vorgehen.⁹¹ Doch seine Klagewurde mit dem Hinweis, dass kein ausreichendes öffentliches Inter- esse bestünde, zurückgewiesen. Die Degesa sah sich daraufhin bestätigt,hoffte allerdings,dass BenderinBerufung gingeund der Fall damit noch mehr Öf- fentlichkeit erlange, „damit das Treiben dieses seltsamen Professors,der seine abergläubischen Wahnideen höher stelltals die Feststellungender exakten Wis- senschaft,einmalinaller Öffentlichkeit zur Sprache kommt.“⁹² Allerdings sah sich die Degesainihrem Kampf auf „einsamen Posten“,⁹³ denn am 24.September 1957 war der Prozessumdas Buch Mose in die zweiteRunde gegangenund hatte für die Verleger mit einem Freispruch geendet.⁹⁴ Auch das

 BeiMildenbergerwerdendie Ereignisse / in chronologisch falscher Reihenfolge dargestellt. Die Artikelserie vonPelz in der Zeitschrift „Kosmos“,die Mildenbergerals Auslöser für Benders juristisches Einschreiten nennt,erschien erst im Herbst ,also ein Jahr nach dem Urteil gegendie Degesa.  Der Hintergrund: Podachs Artikelinder renommierten Fachzeitschrift „Die Medizinische Welt“ stellteinersterLinie eine Kritik an der Astrologie dar.Podach nahm dabei jedoch das von Bender in den er JahrendurchgeführteAstrologie-Projekt,welches auch durch DFG-For- schungsgelder finanziert wurde, sowie ferner dessen öffentliches Auftretenmit Croiset zum An- lass, um ihn als einen „Hansdampf in allen okkulten Gassen“ zu bezeichnen(Podach: Wirver- merken hierzu, ).  H. Bender an Staatsanwaltschaft Stuttgart ..,in: Archiv des IGPP,E/ .  Mitteilungsblatt Nr. ,September , .  So Brunner in Reaktionauf einen Artikelinder DDR-Presse. In der „Berliner Zeitung“ hattees geheißen: „In Westdeutschland und Westberlin erhalten dagegenWahrsagerund Sterndeuter eine staatliche Lizenz. Es ist bezeichnend, daß im Wirtschaftswunderland ein privater Verein, „Deutsche Gesellschaft Schutz vorAberglauben“ genannt, aufeinsamemPosten einen Feldzugzur Aufklärungder Opferund zur Bekämpfungder Betrügerführt.“ Daraufhin Brunner: „Wirkönnen der Zeitunghier nur zustimmen. ‚Aufeinsamem Posten …‘ – nie ist ein wahreresWort gesprochen worden.“ Mitteilungsblatt Nr. ,März , .Der Zeitungsartikelist im Übrigenexemplarisch für den DDR-Diskurs zum Thema in den er und er Jahren. Vgl. Schneider/Anton: Ideologievs. Forschung, –,sowie der Beitrag vonIna Schmied-Knittel, Andreas Anton sowie Michael Schetsche in diesem Band.  Baumhauer:Kruse, .Dazu der Kommentar im Mitteilungsblatt: „Sollte es in der Revisi- onsinstanz erneut zu einem Freispruch kommen, weil sich wieder ein Professor findet,der in dem Inhalte des Buches ‚lediglichein altes Volks- und Brauchtum‘ findet,wirdman ernstlichdie Frage aufwerfen müssen, ob es überhaupt noch einen Sinn hat,gegen mittelalterlichen Wahnsinn 298 Martin Schneider

Urteil gegenden Hellseher Arthur Orlop stand noch aus. Ausder Furcht,von der Öffentlichkeit wie vonden zuständigen Instituten ungehört zu bleiben, ging die Degesa in die Offensive:Am30. Mai 1958 sandtesie ein Schreiben an alle Generalstaatsanwälteder Bundesrepublik und fordertesie dazu auf, Bender als Sachverständigen in ‚Okkultfragen‘ nicht mehr zu konsultieren, denn dieser sei „dem Aberglauben verfallen“.⁹⁵ AlsBeweis galt Benders Stellungnahme im „Fall- Regina-Karo-Dame“ von1957,indem Benderdie Möglichkeit einer telepathischen Beeinflussungins Spiel gebracht hatte, jedoch herauskam, dass es sich um Betrug handelte.⁹⁶ Gegen das polemische Schreiben der Degesa reichte Bender Klageein und es kam vordem Landgericht Berlin zur Verhandlung, bei der er persönlich auftrat.ImGerichtsverfahren ging es neben dem Vorwurf der Verleumdungauch um die Beurteilung der Parapsychologie: Nach Auffassung Benders existierten paranormale Phänomene ohne Zweifel und die Schwierigkeit liegenur in deren zuverlässiger Dokumentation. Dagegenkonterteder Degesa-Anwalt Wilfried Prothmann, dass für einenwissenschaftlichen Nachweis „[d]ie gleiche Ursache […]unter den gleichen Bedingungen die gleiche Wirkung“ haben müsse.⁹⁷ Bender jedoch könne keine wissenschaftlich stichhaltigen Beweise für seine Behaup- tungen liefern. Am 1. Oktober 1958 wurde das Urteil – formaljuristisch gesehen ein Vergleich – bekannt gegeben. Im Sinne der Anklageerfülltedas Rundschreiben den Tatbe- stand der „Ehrkränkungenund Verleumdungendes Klägers“.⁹⁸ Der Degesa wurde verboten, die diffamierenden Aussagen zu wiederholen. Bender verzichteteauf Schadensersatzansprüche, doch wurde die Degesa verpflichtet,die Kosten des Prozesses zu tragen und das Urteil allen Adressaten des Rundschreibens sowie den Mitgliedern des Vereins mitzuteilen. Dies stelltefür die Degesaeine klare Niederlage dar. Mit Blick aufdie aufgeworfenen naturwissenschaftlichenFragenbezüglich der Parapsychologie enthielt sich das Gericht.Indem Bemühen sein Ansehen wiederherzustellen,wandtesich Bendereigeninitiativaneinigestaatliche Stellen,

anzurennen, oder ob man nicht besser tut,mit gefalteten Händen zuzusehen, wie wir allmählich aufdie Kulturstufe des Mittelalters zurückgeführt werden.“ Mitteilungsblatt Nr. ,März , .  Schreiben der Degesa an die Generalstaatsanwälte, in: Archivdes IGPP,E/ .  Im Jahr  hatteder Magier Fritz Strobel vorPublikum ein Fernwirkungsexperiment durchgeführt.Auf dessen Veranlassung ausder Ferne hatteein Radiosprecher beim Bayerischen Rundfunk die Worte ‚Regina Karo Dame‘ ausgesprochen. Bender,als ExpertezuRategezogen, hatteöffentlichdie Möglichkeit einer telepathischen Beeinflussungerwogen. Es stelltesich jedoch heraus,dass zwischen dem Magier und dem Moderator eine Absprache getroffenworden war.Dies geht auseinem „Spiegel“-Artikel von  hervor.Anonym: Parapsychologie.  W. Prothmann an Landgericht Berlin. ..,in: Archivdes IGPP,E/ .  Urteil enthalten in: Archivdes IGPP,E/ . Soldaten der Aufklärung 299 denen der Rundbrief zugegangenwar.⁹⁹ Die Causa Degesa vs. Bender erlangte durch einen „Spiegel“-Artikel im Januar 1959auch bundesweit öffentliche Auf- merksamkeit.Der Artikel übernahm die kritische Haltungder Degesa und illus- triert,welch beachtliche Reichweiteihre Argumente hatten. Zwar ließ der Autor keinen Zweifel daran, dass die Organisation in ihrem „missionarischem Eifer“ über dasZiel hinaus geschossen und das Landgerichtsurteil zu Recht ergangen sei. Aber auch Bender, der „vonden alteingesessenen Wissenschaftlern nicht recht ernst genommen“¹⁰⁰ werde, erschien in einem ungünstigen Licht.Der zentrale Vorwurf der Degesa – die ‚Okkultgläubigkeit‘–habeder Fall „Regina-Karo-Dame“ bestätigt. Die „Aktion Generalstaatsanwalt“¹⁰¹,wie ein Degesa-Mitglied die Unterneh- mung nannte,rief bei den Vereinsmitgliedern gemischte Reaktionen hervor. Während einigevon ihnen, so Schüppert und Jakobsen, sie begrüßten,¹⁰² kriti- sierten Andere das Vorgehen.Natürlich geltees, „die Bender als Univ.-Professor anhaftende Autorität zu erschüttern“,¹⁰³ so etwa der Kieler Medizinprofessor Hans Pfleiderer.Das Rundschreiben allerdings sei „unklug“ gewesen. Der Degesa- Vorsitzende Brunner jedoch blieb unbeirrt und seine Aktionen radikalisiertensich in Folgedessenweiter.¹⁰⁴ Er war fest davonüberzeugt,dass sich das Landgericht Berlin geirrt habe und das Urteil in nächsthöhererInstanz aufgehoben werden würde.¹⁰⁵ Daherwandteersich an Schüppert, und entwickelte mit ihm ein wei-

 Siehe Benders Briefe an das Bundesinnenministerium vom .. sowie an das Baden- Württembergische Kultusministerium vom ...Beide Briefe in: Archivdes IGPP,E/ .  Dass Bender innerhalb der FreiburgerProfessorenschaft umstritten war,belegt ein Brief eines Mainzer Professors Conrad an Bender vom ..,in: Archivdes IGPP,E/ .Darin heißtes: „Ich wurde in der Tatvon FreiburgerCollegen erstaunt und befremdet gefragt, ob ich Ihre ‚Versuche‘ ernst nähme.“  H. Pfleiderer an R. Schüppert, ..,in: GLAK,  Zentrale .  W. Jakobsen, Bundeszentrale für Heimatdienst Bonn, an R. Schüppert, ..: „mit dem Rundschreiben eine verdienstvolle Tatgetan“;positive Reaktionen gabesauch von R. Schüppert und W. Hatlapa. GLAK,  Zentrale .  H. Pfleiderer an R. Schüppert, ..,in: GLAK,  Zentrale .  Die Radikalität Brunners muss vordem Hintergrund seiner Zugehörigkeit zum Monistenbund gesehen werden,jener Gruppe innerhalb der atheistisch-orientierten freigeistigenStrömung, die seit ihrerGründung um die Jahrhundertwende die szientistische Weltanschauungamoffensivsten vertrat und sich durch ihreradikale Opposition zur Kirche auszeichnete.Vgl. Brunner:Jesuitismus gegenAberglauben.  Einige Tage nach dem Urteil schrieb Brunner an Schüppert.Man fragt sich „wer nach Ansicht aller Kreise, denen Fortschritt und Kultur am Herzen liegt,auf die Anklagebank gehört: der,der das Volk mit dem Irrwahn vergiftet, oder der,der sich mit Empörungdagegenaufbäumt.“ J. Brunner an R. Schüppert, ..,in: GLAK,  Zentrale . 300 Martin Schneider teres Rundschreiben, das an öffentliche Stellen verschickt werden sollte, mit dem Ziel, positive Stellungnahmen für den weiteren Prozessverlauf zu erwirken.¹⁰⁶ Das Schreiben, das am 1. Dezember 1958 an alle gerichtsmedizinischen und psych- iatrischen Institute in der Bundesrepublik, an den „Bundesausschuss für ge- sundheitliche Volksbelehrung“ sowie an 30 Privatpersonen, v. a. Professoren, versandtwurde, ähnelteimDuktus dem ersten Rundschreiben. Es betonteden wissenschafts- und gar zivilisationsfeindlichen Charakterder Parapsychologie,¹⁰⁷ kritisiertedie Entscheidungdes LandgerichtsBerlin und warb um Stellungnah- men für einen weiteren Prozess, der „nötigenfalls vordem Bundesgerichtshof“ stattfinden würde. Bender erstatteteerneut Anzeige, woraufhin das Landgericht Berlin im Januar 1959eine Einstweilige Verfügung gegenSchüppert erließ und ähnliche Auflagen festlegte wie beimDegesa-Urteil vomOktober 1958.¹⁰⁸ Wäh- renddessen hattendie Prozesskosten die Vereinsfinanzen weit über ihre Grenzen belastet.Ein Spendenaufruf an alle „Mitglieder und Freunde […][der]Gesell- schaft“ konntedas Minus nicht ausgleichen.¹⁰⁹

7Das Ende der Degesa(1959 –1963)

In der Endphase der Degesa, spätestens seit Sommer 1958, ließ sich eine starke Verengung aufden Fall Bender konstatieren. Warder FreiburgerParapsychologe langeein Feind unter vielen gewesen, so rückte er in der Endphase der Degesa in den Mittelpunkt ihrer Aktivitäten. Dafür spricht auch der VorschlagSchüpperts, den Verein in „Vereinigunggegen die Parapsychologie“ umzubenennen, den er Degesa-Rechtsanwalt Heinz Bohne machte, der,nachdem Brunner schwerer- krankt war,den Vorsitz übernommen hatte.¹¹⁰ Prothmann und Schüppert eru- ierten zudem ein abermaligesjuristisches Vorgehen gegenBender, entschieden sich jedoch dagegen.¹¹¹ Vielmehr versuchte die Degesa, Bender noch einmal

 So die rückblickende Schilderung seiner Beweggründe an Degesa-AnwaltProthmann in seinem Brief vom ..,in: GLAK,  Zentrale  a.  Die in einem zukünftigenGerichtsprozess herbeizuführende „Entscheidungwirdnicht allein die DeutscheGesellschaft Schutz vorAberglauben angehen, sondern alle Stellen des Staates und der Wissenschaft,die ein Interesse daran haben, daß unser Volk nicht aufdie Kulturstufe des Mittelalters zurücksinkt.“ Das Rundschreiben befindet sich im Archivdes IGPP,E/ .  Vgl. Urteil Bender/Schüppert vom ..,in: Archivdes IGPP,E/ .  Vgl. Spendenaufruf vomApril ,in: GLAK,  Zentrale .Dass der Spendenaufruf nicht zum gewünschten Erfolgführte,geht ausdem Mitgliederschreiben im Juli  hervor.  Vgl. R. Schüppert an F. Bohne, ..,in: GLAK,  Zentrale a.  Vgl. Korrespondenz zwischen W. Prothmann und R. Schüppert im Februar ,in: GLAK,  Zentrale b. Soldaten der Aufklärung 301 publizistisch unter Druck zu setzen. Doch die Artikelserie vonCarl Pelz, die im Herbst 1959inder Zeitschrift „Kosmos“ erschien und in der es nochmals um Benders Zusammenarbeit mit dem niederländischen Hellseher Croiset ging,war – zumindest im Vergleich zu den Rundschreiben – deutlich gemäßigter.¹¹² Das Degesa-Vorstandsmitglied Prof. Richard Bock veröffentlichteimApril 1960 in der „Berliner IllustrierteZeitschrift“ noch einen Artikel mit dem Titel „Parapsycho- logie – Problem oder Unfug?“,der im Tonscharf war und die gängigenVorwürfe – Unwissenschaftlichkeit und Okkultgläubigkeit – mitder Anklageverband, dass aufdiese Weise Steuermittel verschwendet würden.¹¹³ Interessanterweise vermied es Bock, Benderexplizit zu nennen.Vielmehr richteteerseine Kritikgegen den amerikanischen Professor Joseph B. Rhine und die Parapsychologie generell, die vonihm als Disziplin „im Kampf gegendie Vernunft“ bezeichnet wurde. Bender hatte erwogen, gegenden Artikel vonPelz juristisch vorzugehen, entschied sich dann aber, „es bei einem Schlusswort […]bewenden zu lassen“,wie er seinem Anwalt Karl Friedrich Fromm mitteilte.¹¹⁴ Dieses formulierteerinden Winter- monaten 1959/1960 gleich mehrfach – im Editorial in der „Zeitschrift für Para- psychologie und Grenzgebiete der Psychologie“,¹¹⁵ in einemInterview in der „Welt am Sonntag“¹¹⁶ sowie im Rahmeneiner Reaktion aufPelz in der Zeitschrift „Kosmos“¹¹⁷ (ein weiterer Beitrag in der Zeitschrift „Ärztliche Praxis“ war bereits im Sommer erschienen)¹¹⁸.Auf diesem Wege versuchte Bender,seinePosition in verschiedenen Öffentlichkeiten darzulegen und die Kritik an seiner Person zu entkräften. Die Gründe für das Ende der Degesasind vielfältig.Die großen finanziellen Schwierigkeiten, mit denen die Organisation seit Herbst 1958 zu kämpfen hatte, waren sicherein Grund. Noch entscheidender jedoch war,dass zwei der feder- führenden Protagonisten, Brunner und Pelz, ausgesundheitlichen Gründen 1958 bzw.1959ausgeschieden waren und wenigspäter verstarben. Rechtsanwalt Bohne und der Arzneimittel-Großhändler Tede,die den neukonstituierten Vorstand bil- deten, informierten die Mitglieder über Brunners Ausscheidenund baten um

 Pelz: Croiset.Die Artikelserie war also nicht der Moment,andem Pelz – wie Mildenberger schreibt –„den Bogen[…]überspannte“,sondern eher ein nachgelagertes Moment.Mildenberger: OttoProkop, .  Vgl. Bock: Parapsychologie, .  H. Bender an F. K. Fromm, ..,in: Archivdes IGPP,E/ .  Bender:Editorial, –.  Das Interview erschien in der Ausgabevom ...Interview Bender: f, in: GLAK,  Zentrale  c.  Bender:Parapsychologie, Wissenschaft und Aufklärung, –.  W. Pfeiffer,Hauptschriftleitungder Zeitschrift „Ärztliche Praxis“,anH.Bender,Brief vom ..,in: Archivdes IGPP,E/ . 302 Martin Schneider

Spenden.¹¹⁹ Dabei wurde auch die Idee der Vereinsumbenennung in den Raum gestellt, schließlich aber nicht umgesetzt.Auch zu einerNeugründung des Vereins in Westdeutschland – Schüppertund ein weiteres Mitglied hattendarüber bera- ten – kam es nicht.¹²⁰ Benderbetrachtetedie Angelegenheitals vorerst beendetund schrieb im Januar 1961aneinen Bekannten: „Mittlerweile ist Pelz gestorben und der ideo- logische Berater der Berliner Gesellschaft Prof. Prokop hat eine Art ‚Burgfrieden‘ vorgeschlagen.“¹²¹ Es gabseitens der Degesa noch Überlegungenzur Umstruk- turierung des Vereins, in deren Zentrum die Gründungeines wissenschaftlichen Beirates stand,für den auch TheodorW.Adorno (als Sachverständiger in Astro- logie-Fragen) vorgesehen war.Mit Blick aufdie jüngsteVergangenheitmerkte Bohne gegenüber Schüppert,den er auch für jenen wissenschaftlichen Beirat gewinnen wollte,selbstkritisch an: Der ausbleibende Erfolghabe wohl überwie- gend damit zu tun, dass „wissenschaftliche Garanten und Fachleute fehlten – das wird jetzt anders sein, da […]einigeUniversitäts-ProfessorenZusagen für den Wissenschaftlichen Beirat gegeben haben.“¹²² Diese Planungen wurden jedoch nicht in die Tatumgesetzt.Der Verein, offiziell nie aufgelöst,verlor sich in Inak- tivität.EinigeLeute ausseinen Reihen, besonders Wilhelm Gubisch und Otto Prokop, setzten ihren Kampf gegendie Parapsychologie jenseits des Vereins noch langefort.

8Fazit

Auch wenn die Geschichte der Degesa nicht unbedingt eine Erfolgsgeschichte ist,sodarf die gesellschaftliche Bedeutung des Vereins nichtzugering einge- schätzt werden. Es ist zu beachten, dass sich mit der Degesaerstmalsder Wandel vomokkult-kritischen Diskurs zur organisierten Bewegung vollzog.Dass dies im Nachkriegsdeutschland geschah, war kein Zufall: es hingdamitzusammen, dass mit Hans Benderein Akteur aufden Plan trat,unter dem die Institutionalisierung des Okkulten in den 1950er Jahren – durch die Gründungdes IGPP wie durch eine Professur an der Universität Freiburg – einen ersten Höhepunkt erreichte. Bender war zudem ein überauserfolgreicher Popularisierer,von dessen öffentlicher Präsenz die Skeptiker sich provoziertfühlten. Wesentlich verstärkt wurde die

 Rundschreiben an die Mitglieder im Juli ,in: GLAK,  Zentrale  b.  Briefwechsel zwischen W. Jakobsen und R. Schüppert am .. und ..,in: GLAK,  Zentrale  b.  H. Bender an K. Melzer,Brief vom ..,in: Archivdes IGPP,E/ .  F. Bohne an R. Schüppert,Brief vom ..,in: GLAK,  Zentrale b. Soldaten der Aufklärung 303

Gegnerschaft zum Paranormalen durch die Hexenprozesse und durch ähnliche Ereignisse, die die Skeptiker davonüberzeugten, dass der Anbruch eines ‚irra- tionalen Zeitalters‘ drohte. Die mitunter ohnehin vorhandene Skepsis gegenüber der Disziplin Parapsy- chologie und ihrem ungewöhnlichen Untersuchungsgegenstand nährte die De- gesa kontinuierlich, bevor personelle und finanzielle Schwierigkeiten ihren Nie- dergang beförderten. In der scharf geführten Debatte, die im engeren Sinne nie wissenschaftlich war,nutzten beide Seitenpolitische Argumentationsweisen, um sich Gehör zu verschaffen und die gegnerische Position zu delegitimieren. Nahezu paradoxerscheint die Auseinandersetzung angesichts des Umstands, dass die Parteien grundsätzlich identische Ziele verfolgten. Beide warendarum bemüht, den Schädendes Aberglaubens zu begegnen. In der Fragedes Paranormalen waren die Positionenjedoch unvereinbar – Benders psychohygienische Maß- nahmen („positive Kritikdes Aberglaubens“)kontrastierten mit der Strategie der Degesa, die aufeinerkategorischen Verneinung des Paranormalen fußte. Auch wenn die Organisation ihrem selbst auferlegten wissenschaftlichen Anspruch nie gerecht wurde – die Verwissenschaftlichung des Okkulten, die sich mit der In- stitutionalisierung der Parapsychologie anbahnte, blieb somitohne Entspre- chung – so gelang es den führenden Protagonistendennoch sich durch Zei- tungsartikel, Buchpublikationen oder (Fernseh‐)Auftritte in der Fach- und besonders auch in der breiten Öffentlichkeit als Experten in Fragen des Aber- glaubens und des Paranormalen in Szene zu setzen. Sie entzogen so der jungen und umstrittenen Disziplin Parapsychologie teilweise die öffentliche Akzeptanz. Die Degesa bestimmte nicht nur den öffentlichenDiskurs,sondern schafftees auch Einfluss aufdie Rechtsprechung auszuübenwie die Prozesse gegendie „Phylaxwerke“,das „Buch Mose“ oder ArthurOrlop zeigen. Charakteristisch für die Degesa war,zusammenfassendbetrachtet,was Dagmar Unverhaubereits in ihrer Analysedes Hexenkritikers Johann Krusefestgehalten hat:indessenFrage, warum Menschen „noch heute“ abergläubische Vorstellungen hätten, offenbare sich gleichermaßen „seine Fortschrittsgläubigkeit zum einen und sein Unver- ständnisfür menschliche Komplexitätzum anderen.“¹²³

 Unverhau: Hexen unteruns, .KursivimOriginal. 304 Martin Schneider

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1Einleitung

Am 5. Juni des Jahres 1928 wurden aufder 1190 Meter hohen Weißtannenhöhe im Schwarzwald die Leichen vonzwei Frauen entdeckt.Die Cousinen Luise Gersbach (25Jahre alt) und IdaGersbach (35 Jahre alt) waren tagszuvor als ver- misst gemeldet worden, nachdem sie vonihrer Pfingstwanderung nicht nach Hause zurückgekehrt waren. Wiedie „FreiburgerZeitung“ an diesem Taginihrer Abendausgabe berichtete, waren die Frauen Opfer einesGewaltverbrechens ge- worden: Man hatte ihnen die Kehlen durchgeschnitten und ihnen in den Kopf geschossen. Zudem hatte man sich an ihnen sexuell vergangen.¹ Der grausige Doppelmord aufder Weißtannenhöhe sorgte in den kommenden Tagenund Wochen für großes Aufsehen in der ganzenRegion und darüberhinaus. Obwohl eine hohe Belohnung für sachdienlicheHinweise ausgesetzt worden war und über tausend Hinweise ausder Bevölkerung bei der Polizei eingegangenwaren, blieb die Suche nach dem Täter erfolglos.Auf Vorschlag der Angehörigen entschloss sich die Staatsanwaltschaft in Freiburgdaher, „neben den allgemeinen Fahn- dungsmaßnahmen zur Ermittlung des Täters [auch] Hellseher zuzuziehen.“² Doch schon vordieser Entscheidungdrei Wochen nach der Tatging bei den Ermitt- lungsbehörden eine Vielzahl vonAngeboten vonHellsehern und personalen Medien ein. Am 22. November1928führtenzwei Freiburger Kriminalbeamte auf der Weißtannenhöhe eine Ortsbegehung mit einem weiblichen Medium aus Freiburgdurch, und drei Monate später,am29. Februar 1929,wurde nocheinmal

 „LustmordimSchwarzwald“,in: FreiburgerZeitungvom ..,ZweitesAbendblatt. Vgl. auch weitere Artikel zum Fall in: FreiburgerZeitungvom ..,ZweitesBlatt („Der DoppelmordimSchwarzwald“)und vom ..,Drittes Blatt („Zu der Bluttat aufdem Thurner“).  Beschluss des ErstenStaatsanwalts II Freiburgvom ..,in: StaatsarchivFreiburg (StAF), A /–.

DOI 9783110466638-012 308 Uwe Schellinger ein Hellseher aufdie Weißtannenhöhe geführt.Doch beide konnten nicht zur Klärung des Falls beitragen.³ DieserVersuch, die okkulten Fähigkeiten vonMedien in die polizeiliche Ermittlungsarbeit zu integrieren, war kein Einzelfall. Im Gegenteil: Kaum ein Kriminalfall in den 1920er Jahren verging,ohne dass sich Hellseher oder Hellse- herinnen als Hilfe für die Polizei angebotenoder die Ermittler sie vonsich aus eingeschaltet hätten. Die Fragen, die sich an diese Form der „praktischenParapsychologie“ knüpfen, beschäftigen seit fast einem JahrhundertKriminalbeamte, Kriminal- wissenschaftler,Juristen und Psychologen gleichermaßen, zumal sie nicht sel- ten in Verbindungmit spektakulären Kriminalfällenstehen:⁴ Ob und wenn ja, unter welchen Bedingungenkönnen, sollen und dürfen Fähigkeiten wie Hellsehen oder Telepathie in der polizeilichen Ermittlungsarbeit zum Einsatz kommen?In der historischen Betrachtung des Themas „Hellseher als Helfer der Polizei“ stößt man sehr oft aufden heute kaum noch gebräuchlichenBegriff der „Kriminalte- lepathie“.Mit diesem vorallem in den 1920er Jahre verwendeten Terminus wird die Hinzuziehung vonpersonalen Medien⁵,von vermeintlichen Hellsehern oder von ‚Sensitiven‘ bei polizeilichen und privaten Ermittlungenintatsächlichen oder vermuteten Kriminal- bzw.Verbrechens-oder Vermisstenfällen bezeichnet.Der Begriff geht mit hoher Wahrscheinlichkeit aufdas „Institut für Kriminaltelepa- thischeForschung“ zurück,das 1921 für einigeMonate in Wien bestand.⁶ Trotz der vergleichsweise gutenQuellenlageist die Praxis und Problematik der Kriminaltelepathie für den deutschen Sprachraumbislang nur für die Weimarer Republik intensivererforscht worden.⁷ Die Vorgänge in der Zeitdes Nationalso- zialismus sowie die Nachkriegszeit,die Jahre der Bundesrepublik und der DDR sind bis aufeinigewenige Erkenntnisse weitgehend unbearbeitet.⁸ Die folgende Darstellungbeginnt mit den ersten ernsthaften Versuchen der Überprüfung einer solchen Praxis nach dem Ersten Weltkrieg und schließt mit den ersten umfas- senderen wissenschaftlichen Erhebungen dazu, die Ende der 1950er Jahre statt-

 Umfangreiche Quellen zu diesem Fall finden sich ebenda.Vgl. auch Middendorf:Mord aufder Weißtannenhöhe; Koreck: Hellseher als Helfer der Polizei?.  Vgl. als Überblick Schellinger: Kriminaltelepathie.  ZumBegriff des „personalen Mediums“ siehe Schüttpelz: Trancemedien/Personale Medien; Chéroux/Fischer:The Perfect Medium; ohne Verfasser:Medium.  Grundlegend Tartaruga: Kriminal-Telepathie.Bei Begriffen wie „Kriminaltelepathie“, „krimi- naltelepathisch“ oder „Kriminaltelepathen“ handeltessich um historische Zuschreibungenim Kontext kritischer Debatten; sie werden in diesem Beitrag dennoch meist ohne Anführungszei- chen verwendet.  Vgl. etwa Schellinger: Trancemedien; Wolf-Braun: Kriminaltelepathie; Wolffram: Crime.  Vgl. bislangSchetsche/Schellinger: Psychic detectives. „Kriminaltelepathen“ und „okkulteDetektive“ 309 fanden. Aufdiese Weise werden die bisherigen Forschungen chronologisch weiter geführt und dabei ein Zeitraumbeschrieben, in dem eine „okkulte Kriminalistik“⁹ an der Peripherie des kriminalwissenschaftlichen Horizonts sichtbarwurde. Seit Beginn der 1920er Jahre gibtesVerhandlungendarüber,obund wieokkulte Fähigkeiten offen oder verdeckt in die alltägliche Polizeiarbeit integriert werden können – und ob man dieserForm eines ‚praktischen Okkultismus‘ vielleicht sogar eineneigenen, anerkannten Status im Kanon der Ermittlungsmethoden einräumen könne, d. h. ob sich diese unorthodoxe Praxis in irgendeiner Form etablieren oder institutionalisieren ließe. In historischer Perspektive zeigt sich, dass diese Debatten kontinuierlich ebenso wiederkehrten wiedie Erprobungder einzelnenMedien und ihrer Fähigkeiten – ohne zu einem endgültigen Resultat zu kommen. Die Integrationsversuche der Kriminaltelepathie könnteman demnach als zeitgeschichtliche Fortsetzung der „kontinuierliche[n]Serie vonProben aufdie mögliche Institutionalisierbarkeit des Mediumismus“¹⁰ begreifen, die Erhard Schüttpelz und Ehler Voss für das 19.Jahrhundertanalysiert haben.¹¹ Zu erfragen ist allerdings,obindiesem längerfristigen Diskurs bestimmte Wegmarken und Wendungenoder einflussreiche Akteureund Institutionen festzustellen sind, wobei zunächstder deutschsprachigeRaumimFokus steht.

2Das erstekriminaltelepathische Experiment (Leipzig 1919)

Ein erstes ernsthaftes Experiment zur Verwendungvon hellseherischen Medien bei der Verbrechensaufklärung fand Ende Juli/Anfang August 1919 in Leipzigstatt. Den Versuch, der wegen seines spektakulären Ansatzessogar aufdie Titelseiten der überregionalen Presse gelangte, leitetePolizeirat Carl GustavErnst Engel- brecht,ein höherer Beamter der Leipziger Kriminalpolizei.¹² Leipzigist bekannt als eine der deutschen Großstädte, in denenmediumistische und okkultistische Praktiken seit dem letzten Drittel des 19.Jahrhunderts eine gewisse Tradition hatten. Auch nach dem Ersten Weltkrieg war die Stadtein bevorzugter Aktions- raum für Hellseher und Okkultisten. Es überrascht deswegen nicht,dass dieses

 Bachhiesl: Aberglaube, f.  Schüttpelz: Mediumismus, f.  Vgl. Schüttpelz/Voss: In jeder Beziehung.  Carl GustavErnst Engelbrecht wurde  in Dresden geboren.  wurde er als Polizeirat Bürgerder StadtLeipzig,zog jedoch offenbar schon  wieder ausLeipzig weg.Ineinem Artikel der „Berliner Illustrirten Zeitung“ wirderals „Chef der Leipziger Kriminalpolizei“ bezeichnet.Vgl. Ohne Verfasser:Telepathie und Kriminalpolizei, . 310 Uwe Schellinger erste Experiment dort durchgeführt wurde.¹³ Kommissar Engelbrecht wollte dabei in Eigeninitiativeerproben, ob man „neue Mittel und Methodenzur Aufdeckung vonschweren Verbrechen“ finden könne. Das Experiment wurde vonihm deshalb, „um des wissenschaftlichen Interesses […]willen“ organisiert.¹⁴ Er fingiertezu diesem Zweck das Szenario eines Raubmords und forderteden damals weithin bekannten Bühnen-TelepathenKaraIki auf, diesen inszenierten Fall zu lösen.¹⁵ An dem Versuch waren neben Engelbrecht,dem Telepathen und ausgewählten Pressevertretern zwei Staatsanwälte, ein Kriminalkommissar sowie ein Gerichts- psychiater beteiligt.Diese sollten mit ihrer Amtskompetenz für einen seriösen Ablauf des Experiments sorgen.Tatsächlich gelang es Kara Iki während einer Fahrt im Polizeiauto durch Leipzig, sowohl den fingierten Tatort,die fingierteLeiche, den fingierten Mörder,die Beute als auch die fingierte Tatwaffe zu entdecken. Während der gesamten Fahrt sprach keiner der Beteiligten mit dem Telepathen, es sollten keinerlei weiterführende Hinweise gegebenwerden (vgl. Abb. 1). Engelbrecht konstatiertedaher,dass Kara Iki die gestellte Aufgabe in allen Teilen richtig gelöst habe. Allerdings war er davonüberzeugt,dass er persönlich den Telepathen an die richtigen Orte geleitet habe, indem dieser seineGedanken gelesen habe. Diese Erkenntnis wurde zu Engelbrechts Hauptkritikpunkt: Denn bei einem „echten“ Verbrechen würden in der Regel diejenigen fehlen, die über den TathergangBescheid wissen; diese müssten ja meist vonden Ermittlern erst gefunden werden. Polizeirat Engelbrecht kam daher zu dem Schluss:

Nach alledem wirdman als das Ereignisdieser telepathischen Untersuchungenund Versuche feststellen müssen, dass die Telepathieals solche […]nicht geeignet ist,inder kriminalis- tischen und besonders kriminalpolizeilichen Praxis nutzbringend verwertet zu werden.¹⁶

Dieseserste Experiment zur Verbrechensentdeckungdurch Telepathie beinhal- tetebereits diejenigenElemente,die bei späteren Versuchen im Kontext der Kri- minaltelepathiewiederkehren sollten: Erstens das persönliche Interesse und die grundsätzlich offene Haltungeinesleitenden Polizeibeamten, zweitens die enorme Öffentlichkeitswirksamkeit aufgrund des ungewöhnlichen Charakters

 Zu Leipzig als Ort des Okkulten siehe Mürmel/Edenheiser:Geheime Kräfte; Tölle-Beruf/Ritter: Deviantes Leipzig.  Engelbrecht: Telepathie und Kriminalpolizei, , .  Das Wirken vonKara Iki wurde bislang noch nicht eingehender untersucht,seine Biographie liegt im Dunkeln.Vgl. Bemerkungenzuihm bei Moll: Hypnotismus, f.; Moll: Okkultismus und Psychologie, –.  Engelbrecht: Telepathie und Kriminalpolizei, .Das Experimentlässt sich nicht genau datieren. Ein größererPressebericht darüber erschien in: Berliner IllustrirteZeitung, Nr. , .., f. „Kriminaltelepathen“ und „okkulteDetektive“ 311

Abb. 1: Der Telepath Kara Ikibeim Leipziger Experiment,1919 (Quelle: Wulffen:Verbrechensentdeckung durch Telepathie, 49) solcher Versuche und drittens die sofort einsetzende Kritik an den Methodenund Ergebnissen, in der Regel ausden eigenen Reihen.Indiesem Fall erfolgte sie umgehendvon Engelbrechts BerlinerKollegen Bernhard Weiß. Der Stellvertre- tende Leiter der BerlinerKriminalpolizei gabinseiner Reaktion aufdas Experi- ment zu bedenken, bei kriminalistischen Methodendürfe es sich stets nur

um das Ergebnis einwandfreier Wissenschaft handeln. […]Auf bunten Varietébühnen, in eleganten Salons magdaher der Telepath seine kriminalistischen Fähigkeiten erweisen […], 312 Uwe Schellinger

in der nüchternen Welt der wirklichen Verbrecher wollen wir uns weiterhin lieber an die bewährteKriminalbeamtenschaft halten.¹⁷

3Das „Institutfür Kriminaltelepathische Forschung“ (Wien 1921)

Zwei Jahre nach dem LeipzigerExperiment operierte in Österreichs Hauptstadt Wien für einigeMonate unter Billigung der Justizbehörde ein „Institut für Kri- minaltelepathische Forschung“.Diese ungewöhnliche Einrichtung kann als ers- ter Versuch der systematischen Beschäftigungmit der Kriminaltelepathie ange- sehen werden. Die Einrichtung dieses Institutshat ihren Ursprungmit hoher Wahrscheinlichkeit in der Wiener Theater-und Varietéweltder sogenannten Konzerthaustelepathen. Die österreichische Metropole war im ersten Drittel des 20.Jahrhunderts ein Zentrum des modernen Okkultismus.Die Faszination für das Okkulte hatte hier alle Kreise und Schichten erfasst und der Okkultismus spielte auch als massenkulturelles Phänomen eine große Rolle. In den unsicherenJahren nach dem Kriegsende lieferte der Schmelztiegel Wien unzähligen Protagonisten des okkulten Milieus einen gedeihlichen Boden. In der Stadt wimmelteesnun von Telepathen, Hellsehern, Hypnotiseuren, vonunzähligen männlichen und voral- lem weiblichen Medien, die scharenweise Anhängerschaftund Publikum fanden. Das Wiener „Neue 8-Uhr-Blatt“ fordertedeshalb etwa im November1920, „diesem gantzen [sic!] Pack vonHypnotiseurenund Telepathen, die hier ihr Unwesen treiben […]das Handwerk zu legen.“¹⁸ Allzuviele zwielichtigeFiguren seien in der Stadt anzutreffen: „In Konzertsälen,Varietés,Gast-und Kaffeehäusern, auf ‚Jours‘ und in privaten Gesellschaftenist der ‚Telepath‘ der sich noch dazu mit allen möglichen Titeln […]aufwürzt,leidereine regelmäßigeErscheinung.“¹⁹ Für das Wiener Konzerthaus sind seit 1918 zahlreiche Veranstaltungenbe- legt,indenen Telepathenund Hellseher mit paranormalen Vorführungen auf- traten. Auch der schon ausLeipzigbekannteKaraIki wardort zu Gast.Zube- staunen waren zudem der noch weitaus berühmtereHanussensowieein Telepath

 Ebd. Dr.BernhardWeiß (–)war seit  Vizepolizeipräsident vonBerlin, wurde später vorallem als hartnäckigerGegner des Berliner Gauleiters Joseph Goebbels bekannt.  Ohne Verfasser:Das Attentat.Hilfreich für die Recherche in der Wiener Presse war das In- ternetangebot „ANNO – Austrian Newspapers Online“ der Österreichischen Nationalbibliothek.  Ebd. „Kriminaltelepathen“ und „okkulteDetektive“ 313 mit Künstlernamen Otto-Otto, dessenbürgerlicherName Schlesinger war.²⁰ Konzerthaus-Telepathenwie Hanussen, Kara-Iki oder Otto-Otto boten während ihrer stets ausverkauftenBühnen-SéancenspektakuläreHellseh-Nummern, dar- unter auch immer wieder – beispielsweise als Hanussens Spezialität – die „Te- lepathie im Kriminaldienste“.Die Programme betonten die Wissenschaftlichkeit der Demonstrationen, wozu man jeweils sogenannte Überwachungskommissio- nen bildete. Die Verbrechensaufklärung durch paranormales Wissen als Bühnenattraktion führt zu einem weiteren Protagonisten der okkulten Szene Wiens, dem angebli- chen „Doktor“ Leopold Thoma, einer bis heute undurchsichtig gebliebenen Fi- gur. Der 1886 in Rumänien geborene Thomahieß ursprünglich Leopold Tennen- baum und war jüdischer Herkunft.Seit 1909 war er in Wien gemeldet,woauch sein Vater als Arzt und KaiserlicherRat lebte. Spätestens seit 1912 nannte sich Ten- nenbaum „Leopold Thoma“.²¹ Beruflich war er vordem Krieg in verschiedenen Feldern tätig,unter anderem als Komponistund Leiter des Orchesters des Wiener Konzertvereins.Nachdem Ersten Weltkrieg präsentierte sich Thoma dann in ei- nem gänzlich anderen Wirkungsbereich, nämlich als Hypnotiseur und telepa- thisch begabtes Medium. WieHanussen und Otto-Otto wurdeThoma zu einem Okkult-Star der Wiener Unterhaltungslandschaft.Inseiner neuen Rolle agierteer offenbar so überzeugend, dass ihn das Wiener Landgericht gegenEnde des Jahres 1920 als ersten gerichtlichen Sachverständigen für Telepathie verpflichtete. Mo- tiviert durch das Interesse der Polizei gründete der Bühnen-Telepath Anfang 1921 mit Unterstützung eines vermögenden Wiener Verlegers eine Artprivates For- schungsinstitut,angeblich um die Phänomene Hellsehenund Telepathie expe- rimentell zu erforschen. In diesem, in seiner Zielrichtungsingulären „Institut für Kriminaltelepathische Forschung“ liefennun publikumswirksame Auftritte mit dem Anspruch wissenschaftlicher Erkenntnis parallel. Als weibliches Medium für die Arbeit des Institutsstellte sich die TochtereinesWiener Fleischhauers zur Verfügung,die den Künstlernamen Megalis trug. Am 3. Februar 1921 fand im Großen Saal des Wiener Konzerthauses ein erster großer Vortragsabend von

 Das Archivdes Wiener Konzerthauses verfügt über eine Reihe voninteressanten Veranstal- tungsplakaten zu den Vorführungenvon Hanussen und Otto-Otto ausden Jahren  und . Ichdanke Barbara Althuter vomArchivdes Wiener Konzerthauses für ihre Unterstützung.  ZurBiographie vonTennenbaum/Thoma siehe – allerdingsmit Fehlern und Lücken – Scherneck: Hellseher und Polizei, f. Vgl. zu ihm auch die kritische Einschätzungdes Wiener Zauberkünstlers Ottokar Fischer,in: Archivdes Instituts für Grenzgebieteder Psychologie und Psychohygiene e.V. (Archivdes IGPP), /–III, .. 314 Uwe Schellinger

Leopold Thoma mit dem Titel „Experimente der telepathischen Aufklärung von Verbrechen durch das hellsehende Medium“ statt.²² Neben Thoma und dem Medium Megalis hatte in dem Institut der bekannte Wiener Polizeikommissar und Schriftsteller Ubald Tartaruga eine wichtige Funktion. Tartaruga war wie Tennenbaum jüdischer Herkunft und hieß eigentlich Edmund Otto Ehrenfreund.Wieviele seiner Zeitgenossen war auch er brennend an den Fragen des Okkultismus interessiert.²³ Tartaruga,als Autor spektakulärer Kriminalgeschichten eine lokale Größe, erklärtesich bereit,bei einem weiteren öffentlichenExperimentalabend mitzuwirken. Dieser fand am 9. Mai 1921 im Wiener Konzerthaus statt.Als Medium trat Leopold Thomaselbstauf. Das Wiener Publikum strömte in Scharen zu der Veranstaltung wie der „Volks-Zeitung“ zu entnehmen war:

Der Große Konzerthaussaal ausverkauft und an den Kassen Hundertezuspät Gekommener, Enttäuschter,die gern einige hundert Kronen für einen Sitz angelegt hätten. […]Die Regie des Abends klappt vorzüglich, findet die Bewunderungdes gespannten, sensationslüsternen Laienpublikums und die Anerkennungder Wissenden, darunter hervorragende Vertreterder Wiener Kriminalistik.²⁴

Thoma absolvierte an dem Abend erfolgreich verschiedenste Telepathie-Experi- mente. Er fand im Saal unter dem Jubel des Publikums einen in drei Teile zer- rissenen Zettel, zwei Briefe, ein einzelnes Frauenhaar und präsentierte auch sonst allerlei Verblüffendes. Nach dem Erfolgdieser Veranstaltung entschloss sich Kommissar Tartaruga, die Institutsarbeit zu unterstützen. Seine Hauptaufgaben sah er in einer be- wussten Professionalisierung,einerintensivierten Öffentlichkeitsarbeit sowie im Ausbauder Kooperation mit den Polizeibehörden. Tartaruga schwebte die Etablierungeiner „exakt wissenschaftlich arbeitendenmetapsychischenAnstalt“ in der österreichischen Hauptstadt vor, wie er sie schon ausanderen Ländern

 Archivdes Wiener Konzerthauses, Veranstaltungsdatenbank unterhttp://konzerthaus.at/da tenbanksuche, Zugriff am ...Ich danke Erwin Barta (Archivdirektor des Wiener Kon- zerthauses) für seine Auskünfte. Vgl. auch die Veranstaltungsankündigung in der „Neuen Freien Presse“ vom ...Ein interessantesAnkündigungsplakat zu der Veranstaltunghat sich erhalten in den Sammlungen des MAK – Österreichisches Museum für angewandte Kunst/Ge- genwartskunst in Wien (Höhe:  cm, Breite:  cm, Design: Bernd Steiner,MAK-Inventarnum- mer: PI ).  Eine wissenschaftliche DarstellungzuLeben und Werk vonTartaruga/Ehrenfreund ist ein Desiderat.Vgl.bislang nur die ungenügende Arbeit vonEnne: Ubald Tartaruga (–).  Zitiert nach Tartaruga:Kriminal-Telepathie, .Vgl. auch den Bericht in der Wiener „Neuen Freien Presse“:Ohne Verfasser:[KriminaltelepathischeExperimente], . „Kriminaltelepathen“ und „okkulteDetektive“ 315 kannte.²⁵ Tatsächlich dauerte es nichtlange, bis das „Kriminaltelepathische In- stitut“ in aller Munde war,wozuvor allem Tartaruga durch wöchentliche Zei- tungskolumnen in der Wiener Lokalpresse beitrug. Im Institut begann man nun, mitMegalis ungeklärte Kriminalfälle ausder jüngsten Vergangenheit aufzuarbeiten, zumeistinGegenwart vonPolizeibeamten oder Juristen. In Trance solltesich das Medium zeitlich und räumlich in die Verbrechenssituation versetzen und wenn möglich den Tathergang schildern. Es solltealso rückwärtsgewandthellsehen, wofür Tartaruga den Begriff „Kriminal- Retroskopie“ prägte. Die Aussagen des Mediums wurden protokolliert und danach mit dem vorliegenden Wissensstand der Kriminalisten verglichen. Allein bis Mitte Juni 1921 wurden aufdiese Weise durch das Institut über 150 Fälle bearbeitet und dokumentiert.Vielfachhattensich betroffene Privatpersonen voller Hoffnungan das Institut gewandt,oft deshalb, weil die polizeilichen Ermittlungenbis dahin erfolglos geblieben waren. In seinen Veröffentlichungen zu diesen Forschungen plädierte Tartaruga für eine unvoreingenommeneErprobung der Kriminaltelepathieals Forschungs- richtung im Rahmen der polizeilichen Ermittlungsarbeit:

Für mich ist jeder Zweifel ausgeschlossen, dass echte[Telepathie, U.S.]und Beobach- tungstelepathie seit jeher hochwichtige Faktoren im kriminalistischen und forensischen Dienstegewesensind, dass wir es aber als Gebot der Zeit bezeichnen müssen, die diesfälligen Erfahrungenzusammeln, zu sichten, in ein logisches System zu bringenund darauseinen ‚Kriminaltelepathie‘ betitelten Zweig der Kriminalwissenschaft zu machen.²⁶

Der Wiener Polizeikommissar plädierte dafür, „die Telepathie […]indie Kriminal- wissenschaft systematisch einzufügen“.²⁷ Die Kritik blieb nicht aus. Diese bezog sich insbesondere aufdie Vermischung vonUnterhaltungund Wissenschaft im Rahmender durch das Institut organisiertenBühnenvorführungen. So monierte etwa der bekannte Wiener Psychiater Edmund Holub vorallem das Geschäfts- gebaren der Beteiligten. Dieses würde gegenalle Regeln der wissenschaftlichen Forschung,aberauch gegendie Regeln des wissenschaftlichen Anstands ver- stoßen:

DerartigeVersuche erfordern begreiflicherweise die Ruhe der Studierstube und den Aus- schlußjeglicher sensationsheischenden Öffentlichkeit.Keinesfalls aber verträgt es sich […] mit der Würde der Wissenschaft,mit solchen Experimentenreklamehaft aufdie ‚Bühne‘ zu

 Laut eigenen Angaben war Tartaruga u.a. Mitglied in der bereits  gegründeten „Society for Psychical Research“ in London sowie des „Institut Métapsychique International“ in Paris.  Tartaruga: TelepathieimDienste, .  Tartaruga: Kriminal-Telepathie, . 316 Uwe Schellinger

treten,und noch weniger, derartigenoch ganz ungeklärteund vielfach bestrittene Mög- lichkeitengegen Bezahlung in den Dienst eines gewinnbringenden Unternehmens zu stel- len.²⁸

Die Zusammenarbeit zwischen Thoma und Tartaruga endete schon nach weniger als zwei Monaten.Verantwortlich für das Scheitern waren zum einen die massiven Angriffe vonaußen, vorallem aber die zunehmenden internen Meinungsver- schiedenheiten über die eigene Strategie. Während Thoma weiterhin aufdie „sensationsheischende Öffentlichkeit“ setzte und Auftritte mit größtmöglichem Presseecho anvisierte,wollte Tartaruga in der „Ruhe der Studierstube“ agieren und wissenschaftliche Fragestellungeninden Mittelpunkt stellen.²⁹ Trotz der kurzen Existenz des Institutswaren in diesemZusammenhang wichtigeWeichen gestelltworden; die Praxisder Kriminaltelepathie hatte eine erste Institutionali- sierung erfahren und der Begriff wargeprägt worden. Dieser Prozess ging mit einer starken Popularisierung einher, so dass Praxis wie Begriff auch in der Öffent- lichkeit präsent waren.

4Die „Kriminaltelepathie“ in den 1920er Jahren

Die Hinzuziehung vonHellsehern und personalen Medien in die polizeiliche Er- mittlungsarbeit fand in den folgenden Jahren im deutschsprachigen Raum große Verbreitung, begleitet vonzahlreichen kritischenund warnenden Stimmen. Kaum ein spektakulärer Kriminalfall verlief nun ohne Rekurs aufden möglichen Nutzen hellseherischer Medien für die Ermittlungen. Vermehrt tauchten Frauen und Männer mit vermeintlich paranormalen Fähigkeiten auf, die Privatleuten und Ermittlungsbehörden ihre Dienste als Hellseher oder Telepathen anboten oder sogar eigene Auskunfts-bzw.Detektivbüros eröffneten. Hypnotiseurewie der BernburgerVolksschullehrer August Drost,Hellseher wie Curt Münch ausSachsen oder Savary ausHannover,Trance-Medien wieElsbeth Günther-Geffers, das Ge- schwisterpaar Marie Hessel und Luise Diedrich ausLeipzigoder natürlich auch Hermann Steinschneider alias Hanussen – und viele andere mehr – warenmit der Aufklärung vonunzähligen Verbrechensfällen befasst. Sie verfügten dadurch über einen erheblichen öffentlichenBekanntheitsgrad und beschäftigten mit ihren Aktionen die Presseredaktionen.³⁰

 Holub: Wissenschaft?. Edmund Holub ist später vorallem durch seine  einsetzenden Experimente mit dem Medium WillySchneider bekannt geworden.  Ebd.  Vgl. Schellinger: Trancemedien; Wolf-Braun: Kriminaltelepathie; Wolffram: Crime. „Kriminaltelepathen“ und „okkulteDetektive“ 317

Innerhalb der Polizeibehördenreagierteman überwiegend kritisch aufdiese Entwicklung. In Leipzigwurden deshalb eigene „Hellseher-Akten“ angelegt,um die Aktivitätender bekannteren Protagonistenkritisch zu überwachen. Beider BerlinerKriminalpolizeiwurde Anfang der 1920er Jahre eine eigene Abteilung eingerichtet,die damit beauftragt war,Kriminaltelepathie-Fälle zu sammeln und zu analysieren. Im 1927 gegründeten Polizei-Institut in Berlin-Charlottenburgkam es vermutlich ebenfalls zu entsprechenden Untersuchungen. Seit der Tätigkeit des Wiener Institutsund ersten bekannt gewordenen spektakulären Fällen zu Beginnder 1920er Jahre diskutierteman in Wissenschaft, Polizei und Justiz aufbreiter Front über den Wert und die Integrationsmöglichkeit der Kriminaltelepathie. Diese Debatten in den WeimarerJahren verliefen parallel zu den Professionalisierungsbemühungen des Polizeiapparats und der Erprobung und Einführung neuer kriminaltechnischerMethoden. Diese Entwicklungtrafin den 1920er Jahren aufeinen beträchtlichen Aufschwung des sogenannten Wis- senschaftlichen Okkultismus, der nunmehr eine ganze Reihe vonExperten ver- schiedenster Profession generierte. Nicht nur in der Tagespresse sowie im parapsychologischen Kontext,sondern auch in kriminologischen und polizeipraktischen Fachorganenkam es zu inten- sivenDebatten darüber, ob und in welcher Weise hellseherische oder telepathi- sche Fähigkeiten in der polizeilichen Ermittlungsarbeit eine Rolle spielen dürf- ten. Kritiker wie der Potsdamer LandgerichtspräsidentAlbert Hellwigwarnten eindringlich vorder „Gemeingefährlichkeit der Kriminaltelepathie“.³¹ Vertreter des wissenschaftlichen Okkultismus wie etwa der Tübinger Philosophie- und Psychologieprofessor Traugott Konstantin Oesterreich oder der BerlinerArzt Walther Kröner zeigten sich hingegen vonden Fähigkeiten der personalen Medien überzeugt,liefertenimmer wieder Gegendarstellungenund plädierten für die weitere Erprobungdes Verfahrens. 1925 wurde mit der Dissertation des Leipziger Mediziners Heinrich Hornungschließlich eine erste wissenschaftliche Qualifika- tionsarbeit zur Bedeutung medialer Aussagen für die Forensik vorgelegt, wobei der Autor zu eher negativenSchlussfolgerungen kam.³² Die intensive Auseinandersetzung mit der Kriminaltelepathie, die bis etwa 1929 reichte, lässt sich aufeine Art doppelten Verwissenschaftlichungsprozess in den Jahren nach dem Ersten Weltkrieg zurückführen. Dieser erfolgte zum einen

 Der Jurist Albert Hellwig (–)war in diesen Jahrender aktivste Autorzum Thema „Kriminaltelepathie“.Zwischen  und  erschienenzahlreiche seiner kritischen Beiträge in Fachzeitschriftenund Zeitungen. Vgl. Hellwig:Okkultismus und Strafrechtspflege; Hellwig: Okkultismus und Verbrechen.  Hornung: Forensische Bedeutung. Das Untersuchungsmaterial für diese Arbeit lieferten vor allem Experimente mit den LeipzigerHellseherinnenMarie Hesselund Luise Diedrich. 318 Uwe Schellinger innerhalb der Polizeiarbeit und der Kriminalistik und zum anderen im Kontext des Wissenschaftlichen Okkultismus.Von beiden Seiten vollzog sich ausprofessio- nellem Antrieb herauseine verstärkte Beschäftigungmit der Praxis, dem mögli- chen Nutzenund den Folgen der Kriminaltelepathie. Hinzu kam eine bemer- kenswert große, mentalitätsgeschichtlich zu begründende generelle Zuwendung der Bevölkerungzuokkulten Fragen in dieser Zeit.Andere Praxisfelder wie Astrologie, Wünschelrutenwesenund Graphologie hatten ebenfalls einen ver- stärkten Zulauf. Als weiterer Hintergrundfür die Hochkonjunktur der Kriminal- telepathie in diesen Jahren kann der erhebliche Anstieg der Kriminalitätsrate nach dem Ersten Weltkrieg,verstärkt im Zuge der bis 1923 reichenden Währungsinfla- tion, angeführt werden. Die merkliche Zunahme vonkriminellen Delikten traf auf einen dürftigausgestatteten Polizeiapparat.Der Rufnach zusätzlichenoder ef- fektiveren Ermittlungsmethoden befördertedie Idee, unter Umständen auch Hellseher und Medien zur Aufklärung hinzuziehen, gerade bei vonder Polizei ungelöstenFällen. Es lässt sich belegen, dass in den 1920er Jahren in vielen Fällen Polizei- bzw.Justizbeamte selbst die Mitwirkungvon personalen Medien anregten, begleitend beobachteten oder entsprechenden Hinweisen bereitwillignachgin- gen. Hierfür scheinen privateund individuelle Interessen, aber auch professio- nelle Dienstanweisungeneine Rolle gespielt zu haben. Andererseits provozierte die zunehmende Teilnahme vonKriminaltelepathen an der Klärung vonFällen vor allem die polizeilichen Leitungsebenen und schürte Kritik. In diesem kontroversen Spannungsfeld waren die öffentlichkeitswirksamen Prozesse gegenbekannte Kriminaltelepathen in der zweiten Hälfte der 1920er Jahre wichtigeSchrittmacher. Diese Gerichtsprozesse, in denen sich die Prot- agonisten gegenBetrugsvorwürfe wehren mussten, entwickelten sich zu öffent- lichen Foren, aufdenen – in Ausweitung der eigentlichen Verfahrensanlässe – generell überdie Existenz und den Status paranormaler Phänomene gestritten wurde. Der wissenschaftliche Diskurs wurdeauf diese Weise nicht mehr nur in kleinenZirkeln,sondern in der breiten Öffentlichkeit ausgetragen; teilweise wurden sogar parapsychologische Experimente im Gerichtssaal durchgeführt. Beispielhaft seien hier die Prozesse gegenHanussen 1929/1930inLeitmeritz,³³ gegenden seit 1922 als Kriminaltelepath agierenden August Drost ausBernburg

 Hanussen wurde im Prozess vondem ausWien bekannten Leopold Thoma unterstützt,der sich inzwischen als dessen Managerverdingthatte. ZumFall Hanussen vgl. Zimmermann: „Ge- richtshof getrautsich nicht zu entscheiden“.Esliegt noch immer keine befriedigende Hanussen- Biographie vor. Die meistenInformationen versammeln die beiden jeweils eher problematischen Monographien Kugel: Hanussen; Magida: Nazi Séance. „Kriminaltelepathen“ und „okkulte Detektive“ 319

1925³⁴ sowie gegendas Hellseher-Ehepaar Gern ausdem württembergischen Lautlingen 1924/1925³⁵ genannt.Größeres Aufsehen erregtezudem der 1927/28 geführte Prozess gegendie Kriminaltelepathin Elsbeth Günther-Geffers, das zu diesem Zeitpunkt republikweitwohl bekannteste weibliche Kriminalmedium (vgl. Abb. 2).Seit 1922 war sie in Ostpreußen als „Detektivin mitbesonderer Befähi- gung“ in Erscheinung getreten. Der gegensie angestrengte „Insterburger ‚Hexen‘- Prozeß“ wurde im Frühjahr 1928 als groß angelegter Schauprozess geführt und durch eine intensive Presseberichterstattung begleitet.ImVerlauf der Verhand- lung, bei der erneut zahlreiche Zeugenauftraten und mehrereGutachter ihre Stellungnahmen präsentierten, wurden im Gerichtssaal auch Experimente mit dem Trance-Medium veranstaltet.Günther-Geffers wurdeschließlich vonzwei Instanzenfreigesprochen, da man vorGericht nicht eindeutig feststellen konnte, ob sie sich fälschlicherweise als Hellseherin ausgab oder tatsächlichanihre Fä- higkeiten glaubte.³⁶ Sämtliche dieser Fälle lassen erkennen, dass sich die Herangehensweisen an die Kriminaltelepathie im Verlauf der WeimarerRepublik kaum veränderten, sondern es vielmehr zu einer permanenten Wiederholungähnlicher Abläufe, Fragen und Positionen kam. Die Debatten über die Kriminaltelepathiehatten zudem eine wesentliche Bedeutung für die Entstehungund Herausbildungeines speziellenExpertenwesens zu Okkultismus und Parapsychologie in den 1920er Jahren. Auch hier warendie großen Prozesse vonzentraler Bedeutung,daim juristischen Kontext Gutachter und Sachverständigegebraucht wurden. VorGe- richt tauchten stets die gleichen Protagonisten auf, die unterschiedliche Profes- sionen und Disziplinen sowieausgesprochen kontroverse Ansichten vertraten.³⁷ Die spezifische Gerichtssituation scheint dazugeführt zu haben, dass die Kon- trahenten ihre Argumente zuspitzten und die gegenseitigen Angriffe verschärften. Die Kriminaltelepathieals praktische Einsatzform paranormaler Fähigkeiten lie- ferte denjenigenArgumente, die forderten, man müsse die parapsychologische Forschung weiter intensivieren und systematisieren, um den Ansprüchen der

 Vgl. Brandt: Hellseher vonBernburg; Wolf-Braun: Kriminaltelepathie, –;Lauerwald: August Christian Drost.Vgl. als zeitgenössische Schriften Seeling: BernburgerHellseher-Prozeß, sowie ausführlich Hellwig:Okkultismus und Verbrechen, –.  ZumFall Gern vgl. Brieschke: „Ein so klägliches Bild“;Hellwig:Okkultismus und Verbrechen, –.  ZumFall Günter-Geffers vgl. Böhm: Prozess Else Günther-Geffers.Vgl. als zeitgenössische Schrift u. a. Zenz: Ist Hellsehen möglich?.  Zu nennen wären etwa Max Dessoir,Oskar Fischer,Albert Friedländer,Albert Hellwig,Walther Kröner,Albert Moll, Traugott Konstantin Oesterreich, OttoSeeling, Ubald Tartaruga,Leopold Thoma, Rudolf Tischner oder RichardWinterberg. 320 Uwe Schellinger

Abb. 2: Die Kriminaltelepathin Elsbeth Günther-GeffersimEinsatz bei Soldin in Brandenburg, etwa1925 (Quelle: Hellwig: Okkultismus und Verbrechen)

Wissenschaft,aber auch des Justizwesens gerecht zu werden. Der Diskurs um die Kriminaltelepathie hatte dadurch große Bedeutung für wissenschaftspolitische Strategieüberlegungender noch jungenund sich formierenden Disziplin Para- psychologie. Die Gerichte ihrerseits zeigten sich nicht bereit,der an sie vonKri- tikern wieBefürwortern der Kriminaltelepathie herangetragenen Klärung wis- senschaftlicher Streitfragennachzukommen. Sie gaben diese Fragen vielmehr bewusstandie Wissenschaft zurück – ihre Aufgabe war es, juristisch über die Fragedes Betrugstatbestandes zu entscheiden. Gleichwohl aber warendie Ge- richtssäle in Folgedieser Debatten eben nicht mehr nur Stätten der Rechtspre- chung,sondern vielmehr zu Orten wissenschaftlicherDebatten sowie vonkon- kreten Experimentengeworden. Im April 1929 sah sich das Preußische Ministerium des Innerndazu gezwungen, seinen Beamten per Erlass nunmehr endgültigzuuntersagen, „Hellseher,Telepathen u.dgl. zur Aufklärungstrafbarer Handlungenheranzu- ziehen,oder sich an Maßnahmen zu beteiligen, welcheeine Aufklärung vermittels parapsychischer Fähigkeiten bezwecken.“³⁸ Ein solches explizites Verbot ist nur ausdem Preußischen Innenministerium bekannt,dennoch orientieren sich die Behörden in anderen Teilen der Republik daran. Hintergrunddes Erlasses dürften

 Preußisches Ministerium des Innern: Verbot, . „Kriminaltelepathen“ und „okkulte Detektive“ 321 breit angelegteErhebungen der BerlinerPolizeibehörde gewesensein, die zum Ergebnisgeführt hatten, dass es sich bei der Kriminaltelepathie um eine „un- taugliche und unzulässigeErmittlungsmethode“ handele.³⁹ Der Einsatz der Kriminaltelepathiehatte in den Jahren zuvor offenbar eine solch große Verbreitunginnerhalb des Polizeiapparates erreicht,dass man eine solche Anweisungfür dringend erforderlich hielt.Der Ausschluss der Kriminal- telepathie erfolgte jedoch nicht konsequent.Vielmehr waren die Polizeibeamten dazu angehalten, „alle ihnen bekannten Tatspureninder geeigneten Weise nachzuprüfen und ihnen gegebenenfalls selbstständignachzugehen, auch wenn diese das Ergebnis eines vondritter Seite vorgenommenen parapsychologischen Experiments […]sind.“⁴⁰ In diesem Fall würden die Beamten allerdings „aufei- gene Verantwortung“ handeln.Soergab sich Ende der 1920er Jahre die paradoxe Situation,dass eine systematische Integration okkulter Fähigkeiten in die Auf- klärungsarbeit abgelehnt wurde, gleichwohl aber ein Spielraumgeschaffen wurde, um entsprechenden Hinweisennachzugehen.

5Polizei, Hellseher undTelepathen im Nationalsozialismus

Während des Nationalsozialismus spieltedie Praxis der Kriminaltelepathie in Deutschland kaum noch eine nennenswerteRolle. Der preußische Verbotserlass von1929hatte offenbar nachhaltigeWirkunggezeigt.Allerdings kann belegt werden, dass einzelne Akteureweiterhin zumindest bis 1941aktivwaren.⁴¹ Vonder „Aktion gegenGeheimlehren und sogenannte Geheimwissenschaften“,einer reichsweiten Razzia gegenOkkultisten und „Geheimwissenschaftler“ im Juni 1941, die später als „Sonderaktion Heß“ bekannt wurde, waren nahezu alle okkulten Praktiker und Praktikerinnen betroffen.⁴² Unter den zahlreichen, vonden Natio- nalsozialisten im Rahmen dieserAktion verhafteten und inhaftierten Astrologen und Hellsehern befanden sich auch Personen,die in den Jahren zuvor als „Hellseh-Detektive“ vonsich reden gemacht hatten.

 Vgl. Hagemann: Kriminaltelepathie.  Preußisches Ministerium des Innern: Verbot, .Das folgende Zitat aus: ebd.  So etwa die weithin bekannte LeipzigerHellseherin Marie Hessel (*), die trotz eines im Oktober  ausgesprochenen Verbots des sächsischen Innenministeriums bis mindestens  aktivwar.Vgl. Sächsisches StaatsarchivLeipzig(SStAL), PP-S und PP-S.  Den Hintergrund für diese Aktion lieferteder Flugdes Hitler-Stellvertreters Rudolf Heßnach Großbritannien am ...Vgl. hierzu Schellinger: „Sonderaktion Heß“. 322 Uwe Schellinger

Gleichwohl lässt sich ein spektakulärer Fall belegen, in dem auch die na- tionalsozialistische Kriminalpolizei gewilltwar,paranormale Praktiken und Fä- higkeiten gezielt anzuwenden. Es handeltesich um die Suche nach dem ver- schleppten italienischen Diktator Benito Mussolinisowie dessen spektakuläre Befreiungdurch deutsche Einsatzkräfte im September 1943. Am 25.Juli 1943war der „Duce“ aufAnweisungdes italienischen Königsgefangengesetzt und dar- aufhin an wechselnden Orten versteckt worden. Unmittelbar nach der Entführung versuchten die Nationalsozialisten im Rahmen der „Operation Eiche“ Mussolini ausfindig zu machen.⁴³ In diesemZusammenhang gabesseitens Gestapo und Kriminalpolizei Initiativen, den Aufenthaltsort Mussolinis mit Hilfe paranormaler Fähigkeiten in Erfahrung zu bringen. So solltezunächstder bekannte Astrologe Wilhelm Th.H. Wulff Verwertbares überden AufenthaltsortMussolinis in Erfah- rung bringen; zudemwurde Anfang August 1943ineinem Haus am Berliner Wannsee aufAnordnung vonHeinrich Himmler unter dem Tarnnamen „Unter- nehmen Mars“ eine Gruppe vonHellsehern zur Suche nach Mussolini zusam- mengezogen.⁴⁴ Im Zuge dieser Suche wurden auch solche ‚Geheimwissenschaftler‘ herangezogen, die zwei Jahre zuvor in Folgeder „Sonderaktion Heß“ drangsaliert, ausgeplündert und teilweise inhaftiert worden waren. Auch in den Konzentra- tionslagern Dachauund Sachsenhausen fahndeten Beamte der Kriminalpolizei nach medial begabten Personen. Unter diesen befand sich der sächsische Hell- seher Curt Münch, der nach seiner Verhaftung im Zuge der „Sonderaktion Heß“ im Oktober 1941nach Sachsenhausengebracht worden war.Münch war in den 1920er Jahren vorallem im regionalen Umfeld als Hellseher bekannt geworden und hatte zunächstinZwickau, dann in der Nähe vonChemnitzein eigenes Detektivbüro eröffnet.⁴⁵ Nach dem Machtantritt der Nationalsozialisten wurde er immer wieder argwöhnisch beobachtet und vonden Behörden bedrängt.Nach seiner Verhaftung war Münch vonOktober 1941bis Oktober1943imKonzentrationslager Sachsen- hauseninhaftiert.⁴⁶ Laut eigener Aussagewurde er am 1. August 1943zusammen mit anderen Hellsehern ausdem Lager nach Berlin gebracht,woerdurch den

 Literatur zur Befreiung Mussolinis liegt ausunterschiedlichen Perspektivenvor,nicht zuletzt ausdem Bereich einer unkritischen Militärhistoriographie. Seriöser wirken Annussek: Hitler’s Raid; Patricelli: LibertateilDuce!. Vgl. vorallem Schröder:Befreiung Mussolinis.  Darüber berichtete nach dem Krieg der Chef des SS-Auslandsgeheimdienstes Walter Schel- lenbergebenso wie dessen Mitarbeiter Wilhelm Höttl. Vgl. Schellenberg: Memoiren, ;Hagen: Geheime Front, ;Höttl: Einsatz für das Reich, .  Zu Curt Münch (–)vgl. Hänig: Hellseher in Westsachsen; Nissen: Hellseher Curt Münch.  Auskunft Gedenkstätte und Museum Sachsenhausen an UweSchellingervom .. anhand eines vonMünch ausgefüllten Fragebogens von  (vorhanden im Archivder Ge- denkstätte). „Kriminaltelepathen“ und „okkulteDetektive“ 323

Gebrauch eines Pendels den Aufenthaltsortdes „Duce“ herausfinden sollte. Münch äußerte nach dem Krieg die Ansicht,erhabe der NS-Polizei tatsächlich wichtigeHinweise zu MussolinisAufenthaltsortinden Abruzzen geliefert und diese Leistunghabezuseiner Entlassung ausdem Konzentrationslager beige- tragen.⁴⁷ ZumZeitpunktder Vernehmung Münchsdurch die Gestapo, Anfang August 1943, befand sich der gesuchte „Duce“ jedoch noch immer an seinem ersten Aufenthaltsort nach der Entführung,nämlich aufeinerder Ponza-Inseln. Daraufhin wurde er zunächstauf die Insel La Maddalenaund erst danach ins Gebirge verbracht.Benito Mussolini wurdeschließlich am 12.September 1943 durch ein deutschesFallschirmspringer-Kommandoaus dem Hotel „CampoIm- peratore“ am Gran Sasso befreit,woersich seitdem 28.August 1943befand. Die entscheidenden Hinweise über den Aufenthaltsort Mussolinis hatte man durch den Sicherheitsdienst der SS in Rom sowie durch den Kommandant einer deut- schen Seeflieger-Staffel erhalten. Angaben vonMünch dürften keine Rolle gespielt haben. Ein direkter Zusammenhang der verschiedenen überlieferten Angaben von Curt Münch und anderen Hellsehern oder vonder Wannsee-Gruppe zum Auf- finden Mussolinisund zum Gelingen der militärischen Befreiungsaktion lässt sich nicht belegen. Diese Aktionen der nationalsozialistischen Kriminalpolizei waren spontan und hektisch, ein systematisches Vorgehen lässt sich nicht feststellen. Voneiner längerfristigen Integration eines Hellsehers für die Polizeiarbeit wird hingegen ausdem mit dem nationalsozialistischen Deutschland befreundeten Ungarn be- richtet.Überein Jahrzehnt,von 1934 bis 1944,soll dort der Hellseher Johann Kele als „ständiger Mitarbeiterder Abteilungfür Lebensrettung im Präsidium der Ungarischen Staatspolizei“ angestelltund beizahlreichen Fällen mit Erfolg konsultiert worden sein.⁴⁸ Kele, der ausdem ungarischen Pécs (Fünfkirchen) stammte und eigentlich als Graphiker ausgebildet war,unterhieltseit1929eine florierende Praxis als „Lebensberater“ in Leipzig.⁴⁹ 1933 kehrte Kele wiedernach Ungarn zurück,woerschon bald vonder ungarischen Polizei in Dienstgenommen

 Dies berichtete Münch  im Verlauf eines Verhörs durch die DDR-Staatssicherheit.Vgl. hierzu Der Bundesbeauftragtefür die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstesder ehemaligen DeutschenDemokratischen Republik (BStU), Karl-Marx-Stadt, AOPBeiakte /a/I (Beobach- tungsvorgang /), Bl. – und Bl. .  Dies berichtete  der Budapester Hochschullehrer Ernst Häckel.Vgl. Häckel: Hellseher im Diensteder Polizei; Häckel: Johann Keles Medialität.Vgl. zur Personvon Johann Kele (– )auch SStAL, PP-S.  Vgl. Günther:Kele, .Günther bezeichnete Keles Arbeit als „Schicksalsberatung“ (ebd., ). 324 Uwe Schellinger wurde. In den folgenden Jahren machte Kele durch vermeintlich hellseherische, präkognitiveund telepathische Fähigkeiten aufsich aufmerksam.⁵⁰ Offiziellkam die Praxis der Kriminaltelepathie im Nationalsozialismus zum Erliegen. Dennoch wurden einzelne Protagonisten für bestimmteZweckewieder reaktiviert.Dies deutet aufden ambivalenten Umgangder nationalsozialistischen Stellen mit dem Okkultismus hin.⁵¹

6 „OkkulteDetektive“ in der Nachkriegszeit

In den Nachkriegsjahren lebtedie Praxis der Kriminaltelepathie in der Bun- desrepublik wieder auf, erneutäußerst kritisch beobachtet vonden Polizeibe- hörden und Kriminalbeamten.⁵² Im Verlauf der 1950er Jahre hatten Praktiken aus dem Umfeld des Okkultismus wiedereinen gesteigerten Zulauf, auch der Einsatz vonHellsehern für polizeiliche Zweckewurde nun wiederdiskutiert.⁵³ Unter an- derem tauchte der UngarJohann Kele wiederinDeutschland auf. Bis zu seinem Tod1957 im bayerischenEggenfelden sorgte er als angeblich „einziger polizei- amtlich anerkannter Hellseher der Welt“ für Schlagzeileninder Presse.⁵⁴ Der folgende Diskurs über die umstrittene Praxis der Kriminaltelepathie setzte die Debattender Weimarer Republik fort.Sowarnte als einer der ersten der pensionierte Kriminalbeamte Friedrich Kleinschmidt,ein profilierter Krimina- list und Fachautor,seineKollegen 1949 im Fachorgan „Kriminalistik“ vordem erneutenAufkommen dieses „Hellseherunfug[s]“ und davor, sich zur Aufklärung vonStraftaten aufdie Tätigkeit vonHellsehern einzulassen:⁵⁵ „Selbst wenn Me- dien telepathische Fähigkeiten haben sollten, kann man kriminalistischnicht viel damit anfangen.“⁵⁶ Wieschon viele Experten vorihm plädierte Kleinschmidt für

 Die Biographie und Wirkung vonJohann Kele sind in der deutschsprachigenForschungkaum bekannt.Esliegt eine Darstellungaus dem Jahr  in Ungarisch vor: Havasi:Kele. Ichdanke Júlia Gyimesi für diesen Literaturhinweis. Vgl. auch Körner:Janos Kele.  Vgl. hierzu Schellinger/Anton/Schetsche: Szientismus.  Es liegen bislangkaumErkenntnisse über ähnliche Praktiken in der DeutschenDemokrati- schen Republik (DDR) vor. Vgl. jedoch Informationen zum Fall Münch, in: BStU,Karl-Marx-Stadt, AOP, Akte /a(Überprüfungsvorgang /)sowie Beiakte /a/I (Beobachtungsvorgang /).  Vgl. Black: Miracles in the Shadow of the Economic Miracle.  Vgl. u. a. Ohne Verfasser:Kele möchteinIhreSeele schauen; Körner:Janos Kele.  Kleinschmidt: Wert des Okkultismus.Kleinschmidt hattebereits in den er Jahrendie Untersuchungen zur Kriminaltelepathie des Polizei-Instituts in Berlin-Charlottenburgverfolgt.  Ebd. „Kriminaltelepathen“ und „okkulte Detektive“ 325 weitere wissenschaftliche Forschungen. Bis dahin war für ihn eine Integration hellseherischer Fähigkeiten ein Ding der Unmöglichkeit. Auch die Parapsychologie beschäftigtesich Anfang der 1950er Jahre wieder mit der Kriminaltelepathie. Hier kam die Parapsychologin Gerda Walther,eine der damals bekanntesten Vertreterinnen der Disziplin, wenigüberraschend zu einer anderen Einschätzung als der Kriminalist Kleinschmidt.Inder neu ge- gründeten Zeitschrift „Neue Wissenschaft“ besprach die Parapsychologin 1951die Thematik und rekurrierte ebenfalls aufdie bekannten Fälle ausder Vorkriegszeit. Walther zeigtesich zudem motiviert durch den Diskurs in den Niederlanden, wo sich die Polizei „neuerdings mit erstaunlicher Unvoreingenommenheit“ diesem Problem zugewandt hätte.⁵⁷ AlsAutorität und Gesprächspartner der Polizei fun- gierte dort der ParapsychologeWilhelm Heinrich Carl Tenhaeff, der schon seit Ende der 1940er Jahre zum Thema forschte und zum damaligen ZeitpunktPri- vatdozent an der Universität Utrecht war.⁵⁸ Inspiriert durch Forschungsergebnisse TenhaeffsstellteGerda Walther die Prognoseauf, dass die „praktische und theoretische ‚Kriminalparapsychologie‘ eine große Zukunft [habe]“,falls man sie in der richtigen Weiseanwenden würde.⁵⁹ Neben den wiederneu aufgelegten gegensätzlichen Positionen überdie Kri- minaltelepathiewiesen die Debatten der 1950er Jahre einigeSpezifikaauf: Von Seiten der Befürworter wie beispielsweiseGerda Walther erfolgte eine stärkere internationale Orientierung,hier insbesondere am Diskurs in den Niederlanden. Dies zeigt sich unter anderem darin, dass es Tenhaeff ermöglicht wurde, seine Artikel auch in deutscher Sprache zu publizieren.⁶⁰ Zumanderen lassen sich personelle Kontinuitäten aufzeigen. Polizeibeamte, die bereits in der WeimarerRepublik und der NS-Zeit als Aufklärer gegenden Okkultismus aufgetreten waren, setzten ihr Engagement in den Nachkriegsjah- ren fort.Sobot seit1947der ehemaligeKriminalbeamte Bernhard Springer vor Polizisten ‚Aufklärungsvorträge‘ über die Themen Hellsehen und Telepathie an. Springer gaban, schon in der Vorkriegszeit als Sachverständiger gegenver-

 Walther: Aufklärung, .  Tenhaeff hatteseinerseits die deutsche Literatur der Vorkriegszeit genauestens rezipiert und dokumentiertenun weiterebemerkenswerteFälle. Vgl. Tenhaeff: Parapsychologische Verschijn- selen, –.ZuWilhelm H. C. Tenhaeff (–)siehe den Beitrag vonKloostermann in diesem Band.  Walther: Aufklärung, .  Vgl. Tenhaeff: Verwendung vonParagnosten für Polizeizwecke; Tenhaeff: Anwendungpa- ranormaler Fähigkeiten. 326 Uwe Schellinger meintlicheHellseher gewirkt zu haben.⁶¹ Mitdem früheren Kriminalbeamten Carl Pelz trat in dieser Zeit ein weiterer selbsternannter Aufklärer wieder in Erschei- nung und bot als „Sachverständiger aufdem Gebiete okkulter Betrügereien“ Vorträgevor Polizeibeamten an.⁶² Der Kriminalkommissar a.D.hatte nach seinen Aussagen in der Vorkriegszeit vorallem den Hellseher Hanussenbekämpft sowie die Aktivitäten vonElsbeth Günther-Geffers und der beiden Leipziger Hellsehe- rinnen Luise Diedrich und MarieHessel kritisch beobachtet.⁶³ Nachdem Pelz auch in der NS-Zeit den damaligen Stellen seine Dienste als Aufklärer gegendas Okkulte angeboten hatte,⁶⁴ warb er seit 1949 erneutfür seineVorträgeund bot diese den Polizeibehörden an. Zuletzt lassen sich Kontinuitäten im politischen Umgangmit der Kriminal- telepathie aufzeigen. Im Juni 1954 fasste das Innenministeriumvon Nordrhein- Westfalen den Entschluss,auf den preußischen Erlass ausdem Jahr 1929 zu- rückzugreifen und erneut zu verbieten, „zur Aufklärung strafbarer Handlungen übersinnliche Mittel“ heranzuziehen.⁶⁵ In einem ministeriellen Erlass vom14. Juni 1954 gabman den eigenen Beamten noch einmalunmissverständlich zu verste- hen:

Polizeiliche Maßnahmen, die für die Betroffenen schwere Folgen habenkönnen, dürfen nur mit Mitteln durchgeführt werden, die objektivnachprüfbarsind. Es ist daher unzulässig, zur Durchführungsolcher Maßnahmen, insbesonderezur Aufklärungstrafbarer Handlungen übersinnliche Mittel selbst anzuwenden oder sich solcher Personen (Hellseher,Wahrsager usw.)zubedienen, die angeblich im Besitz übersinnlicher Fähigkeiten sind.⁶⁶

Den Beamtenwurde weiterhin untersagt, „Bescheinigungen über angeblich ge- lungene übersinnliche Experimente oder Nachweise über angeblich übersinnliche Fähigkeiten auszustellen.“ Mit diesen Anordnungenblieb Nordrhein-Westfalen jedoch allein; es sindkeine ähnlichen Erlasse ausanderen Bundesländernbe- kannt.Das nordrhein-westfälische Innenministerium erwartetevon seinen Poli- zeibeamten zwar ausdrücklich Zurückhaltung in der Hinzuziehungparanorma-

 Beiden einzelnen Dienststellen stieß Springers Angebot nur aufwenigInteresse, vorallem auch wegen seiner hohen Honorarforderungen. Vgl. hierzu Bayerisches HauptstaatsarchivMün- chen, MInn .  Die Bezeichnungfindet sich ebd.  Ebd. sowie Pelz: Hellseher–Medien–Gespenster, –.ZuCarl Pelz (um –)vgl. Schneider: Soldaten der Aufklärung, f.; Archivdes IGPP,E/–.Siehe auch den Beitrag vonSchneider in diesem Band.  Vgl. hierzu BundesarchivBerlin, NS /.Vgl. auch Pelz: Das Hellsehen – ein Kriminalfall.  Wehner:Selbstbezichtiger, .Eine Untersuchungder genauen Hintergründe und Entste- hungsverlaufs dieses neuerlichen Erlasses ist ein Desiderat.  Ebd. „Kriminaltelepathen“ und „okkulte Detektive“ 327 ler Methoden,wollte jedoch keinesfalls die generelle wissenschaftliche Forschung zum Themaunterbinden. Experimente unter „Beiziehungwissenschaftlicher Sachverständiger“ wollte man mit dem Erlassnichtverbieten.⁶⁷

7Der ParapsychologeHansBender alsPartner der Polizei

Einen solchen anerkannten wissenschaftlichen Sachverständigen gabesneben den Niederlanden inzwischen auch in Deutschland.Mit dem FreiburgerPara- psychologen Hans Bender,der 1950 in Freiburgdas Institut für Grenzgebiete der Psychologie und Psychohygiene(IGPP)gegründet hatte,stand den Polizei- und Ermittlungsbehörden nun erstmalsein Experte und Gesprächspartnerauf Au- genhöhe gegenüber.⁶⁸ Bender hatte in Psychologie promoviert und Medizin stu- diert; zwischen1941und 1945war er Professor für Psychologie zunächstin Straßburgund seit 1954 in Freiburg. Als Professor und Experte für das Gebiet der Parapsychologie pflegte Bender eine gute und unkomplizierte Zusammenar- beit mit Staatsanwaltschaften und Polizeibehörden, die ihn wiederholt zu Rate zogen. Bender war im September 1945aus der Kriegsgefangenschaftinseine Heimatstadt Freiburgzurückgekehrt und erkanntefür sich sofort „neue akade- mische Möglichkeiten“.⁶⁹ Schon im Frühjahr 1946 warervom Badischen Ministerium des Innern als „Sachverständiger für das Gesamtgebiet des Okkultismusund verwandteGe- biete“ angefragtworden.⁷⁰ Bender zeigtesich erfreut darüber,dass nun „dem FachmannGelegenheitgegeben wird, in Zusammenarbeit mit dem Ministerium und den Polizeibehörden die Spreu vondem allerdings meist spärlich vorhan-

 Ebd.  Es liegen einigeArbeiten zu verschiedenenAspekten der wissenschaftlichen Biographie Hans Benders (–)vor,u.a.Bauer:Hans Bender; Hausmann: Hans Bender (–); Lux: Vomspielenden Gelingen; Wolf: Professor für Parapsychologie; Kaltenbrunn: Anfänge pa- rapsychologischer Institutionalisierung. Trotzder bedeutenden Rolle Benders für die Wissen- schaftsgeschichteder Parapsychologie steht eine gesamtbiographischeDarstellungnoch aus.Vgl. bislanglediglichdie populärwissenschaftliche Arbeit vonGruber: Suche im Grenzenlosen.Zu Bender siehe auch den Beitrag vonAnna Luxindiesem Band.  Schreiben vonHans Bender an Gerda Walther vom ..,in: Archivdes IGPP, /, Wissenschaftliche Korrespondenz .  Ebd. 328 Uwe Schellinger denen Weizen zu sondern.“⁷¹ Ende April 1946 wurden daraufhin die Landrats- ämter und PolizeidirektioneninFreiburgund Baden-Baden vomInnenministe- rium überdie Zusammenarbeit informiert.InFällen vonvermuteter „Gaukelei“, also Angeboten ausden Bereichen Astrologie, Pendeln,Wünschelrute sowie medialer Diagnostik sollten die Behörden sich an Professor Benderwenden, der sachbezogene Gutachten verfasste. Hans Bender als Vertreter einer nochjungen, nicht etabliertenDisziplin und zunächstselbst in ungesicherter Position be- trachtetediese Entwicklungals durchaus nützlich, da er sich durch diese „Kleingärtnerei“ nützliche Beziehungen zu den leitenden Stellen versprach.⁷² Angesichts des Kooperationswunsches der staatlichen Behörden sah er gute Möglichkeiten für die vonihm geplante Etablierungeiner „Forschungsstelle für parapsychologische Grenzgebiete“ in seiner Heimatstadt.⁷³ In Folgeder Zusammenarbeit Benders mit den Behörden erfuhr die Be- schäftigungmit der Kriminaltelepathie einen Professionalisierungsschub. Die vor allem in den Gerichtsprozessen der Weimarer Republik immer wiederaufgewor- fene Fragenach dem richtigen Experten war durch die Person Bender und des- sen akademischen Status nun gelöst.Nebender Gutachtertätigkeit wurde Bender auch direkt in kriminologische Untersuchungen einbezogen. Mitte 1952wurde er zum ersten Mal vonden Kriminalbehörden bei der Suche nach vermissten Per- sonen eingeschaltet,etwa im (bis heute ungelösten) Fall des seit 1950 ver- schwundenen MädchensMonika Gwinner ausLudwigsburg.⁷⁴ Bender arbeitete mit dem Hellseher Arthur Orlopzusammen, in den er anfänglich erhebliche Hoffnungensetzte, insbesondere im Hinblick aufdie Chance, Vermisstenfälle aufzuklären (vgl. Abb. 3).⁷⁵ Bendertrugzur Entskandalisierung des Themas bei und ließ die Öffentlich- keit selbstbewusst wissen, dass er aktivam„Problem der kriminalistischen Ver- wendung“ hellseherischer oder telepathischer Fähigkeiten arbeite – und dies „mit einer sehr bereitwilligen Unterstützung des Landeskriminalamts Baden“.⁷⁶

 Schreiben vonHans Bender an das Badische Ministerium des Innern vom ..,in: ebd.  Schreiben vonHans Bender an Wollrab vom ..,in: ebd.  Schreiben vonHans Bender an das Badische Ministerium des Innern vom ..,in: ebd. Die Einrichtung dieser Stelle erfolgte tatsächlich schon im Jahr .  Vgl. Archivdes IGPP,E/–.  Vgl. Archivdes IGPP,E/– und E/–.Der MannheimerArthur Orlop (– ), der vorallem in den er und er eine größere Bekanntheit als gefragter Hellseher erlangte,ist heutevöllig in Vergessenheit geraten.  Historisches Archivdes Südwestdeutschen Rundfunks,Stuttgart (SWR), W:Hellse- hern aufden Grund gesehen (Süddeutscher Rundfunk, Kurt Stenzel, ..). „Kriminaltelepathen“ und „okkulteDetektive“ 329

Abb. 3: Der Mannheimer Hellseher ArthurOrlop (1912–1984) (Quelle: Archivdes IGPP,E/23–1004)

8Die Hellseher undder MordfallGaggenau (1953/54)

Besonders intensivwurde die mögliche praktische Verwendbarkeit okkulterFä- higkeiten in der Polizeiarbeit vonHans Bender ein Jahr späterbei einem Aufsehen erregenden Mordfall durchexerziert und geprüft.⁷⁷ Seit dem 27.März 1953wurde die 24jährigeKrimhild Gerstner vermisst, die ausdem kleinenOrt Sulzbach bei GaggenauinMittelbaden stammte.Vieles sprach dafür,dass die junge Frau,die im 7. Monat schwanger war,einem Gewaltverbrechen zum Opfer gefallen war. Schon früh hatten die Ermittler ihren Geliebten als Täter in den Fokusgenommen. Viele Indiziensprachendafür,dass dieser die Tatbegangenhatte. Allerdings konnte es nicht zur Anklagekommen, da man nirgendwoeine Leiche fand und der Tat- verdächtigekeinerlei Aussagen machte. Um den in Untersuchungshaft sitzenden Verdächtigen, vondessen Schuld man überzeugt war,überführen zu können, schaltete die Staatsanwaltschaft Baden-Baden durch Oberstaatsanwalt Eßwein

 Vgl. hierzu Archivdes IGPP,E/– und E/–.Die offiziellen Akten der Staats- anwaltschaft zu dem Fall befindensich im StAF,F/–. . . .Ich danke Anja Steeger für entsprechende Hinweise. 330 Uwe Schellinger

Professor Bender ein, um ein konkretes „Experimentmit Hellsehern und Radi- ästheten“ durchzuführen.⁷⁸ Die Zeit drängte: Man benötigteimSommer 1953 dringend einen Beweis gegenden Tatverdächtigen, da man diesen ansonsten wiederauf freien Fußhätte setzen müssen. Zudem war der Fall der vermissten schwangeren Frau inzwischeninder Bevölkerung in aller Munde. Hans Bender kontaktierte deshalb verschiedene ihm bekannteRadiästheten und Hellseher. Unter anderem schickte er diesen ein Bild der Vermissten sowie eine Landkarte der Gegend um Gaggenauzuund stellte ihnen dazu vier Fragen: Lebt die Vermisste noch oder nicht?Falls sie totist,umwelche Zeit kam sie ums Leben und wodurch? Wieviel Zeit ist zur Tatverwendet worden?Wobefindet sich die Leiche und wo die vomOpfer mitgeführten Gegenstände? Benderfordertezudem Schriftproben des Tatverdächtigenfür eine graphologische Analysesowie Gegenstände des Tat- verdächtigen und der vermissten Krimhild Gerstner an. In der Folgekam es zu- nächstzuGesprächen vonHans Benderund dem Oberstaatsanwalt mitdem Hellseher OrlopinMannheim, der sich durchgängigdagegen aussprach, dass der Hauptverdächtige auch der Täter sei. Orlops Aussagen sollten sich späterjedoch als falsch herausstellen.⁷⁹ Weiterhin bat Bender eine Hellseherin ausWürzburg um Mithilfe, deren Hinweise ebenfalls in keiner Beziehung zur tatsächlichen Tat standen. Seit September 1953beschäftigtesich auch der weithin bekannte Radiästhet und Rutengeher Bernard Graf Matuschkamit dem Fall und suchte mitBender zusammen direkt vorOrt nach der Leiche. AufMatuschkas Hinweise hin wur- den vonder Staatsanwaltschaft sogar Grabungen in einem ehemaligen Bom- bentrichter durchgeführt,jedoch ebenfalls ohne Erfolg. Hinzugezogen wurdeauch Matuschkas Schwiegertochter, die Hellseherin Hela Zimmerman.⁸⁰ Diese lieferte verschiedene Hinweise, die ebenso detailliert wie falsch waren. Am 19.September 1953teilte schließlich auch der berühmte niederländische Hellseher Gérard Croiset Hans Bender seine Eindrücke anhand der vorgelegten Landkarteund Photographien mit.ImRückblick betrachtet handelteessich um vollkommen nutzloseHinweise. Im November 1953gelang es Bender,den schon erwähnten Ungar Johann Kele zu kontaktieren. Dieser teilte ihm zunächstauf schriftlichem Wegseineersten Einschätzungenmit.Mitte Dezember 1953kam Kele dann selbst nach Gaggenau, vorallem in der Absicht,von den Angehörigen vonOpfer und Täter telepathisch Informationen „abzuzapfen“ und Erkenntnisse ausderen

 Fallschilderungvon Hans Bender für die kontaktierten Hellseher,in: Archivdes IGPP,E/– .  Vgl. hierzu auch Archiv des IGPP,E/–.  Vgl. hierzu ebd., E/–Korrespondenz Alfredund Hela Zimmermann(–). „Kriminaltelepathen“ und „okkulteDetektive“ 331

Wohnungen zu erhalten.⁸¹ Schließlich wurde es auch Kele vonder Staatsan- waltschaft ermöglicht,den HauptverdächtigenimBaden-Badener Gefängnis persönlich zu befragen. Dabei kam Kele zu dem Schluss,dass es sich in der Sache um Selbstmord handelnmüsse. Schließlich bat Bender noch die bekannte Chi- rologin Ursula vonMangoldt um ein Charaktergutachten des Verdächtigenan- hand vonPhotographien vondessen Händen. Diese Zusammenarbeit mit verschiedenen Hellsehern und okkultenPrakti- kern und Praktikerinnen zog sich bis weit ins Jahr 1954 hin. Oberstaatsanwalt Eßwein terminierte noch ein persönliches Gespräch mit dem vielbeschäftigten Gérard Croiset und Bender kontaktierte – aufHinweis seines Kollegen Tenhaeff – mit dem Holländer P. J. Ch. Seeleneinen weiteren Hellseher.Der FreiburgerPa- rapsychologebetrieb im Auftrag der Staatsanwaltschaft demnach einen ver- gleichsweise hohen Aufwandbei der Durchführung dieses Versuchs. Der Fall Gaggenauzeigt erneut einigeAspekte, die im Zusammenhang mit der Kriminaltelepathie zum Tragen kommen: den aufden Ermittlungsbehörden lastenden Druck; das Interesse einer übergeordneten Person – in diesem Fall des Oberstaatsanwalts – und deren Bereitschaftzum Einsatz unorthodoxerErmitt- lungsmethoden; schließlich die Überzeugung der personalen Medien, mit ihren (in der Regel wirrenund uneindeutigen Aussagen) Bedeutendeszur Sache bei- zutragen. Das parapsychologische Experimentzum „Mordfall Gaggenau“ verlieffür die Polizeiarbeit letztlich ergebnislos:Nicht einer der Hellseher konnte der Polizei entscheidend weiterhelfen. Anfang Dezember 1954 hatten sich die Anstrengungen schließlich erübrigt.Der beschuldigteHauptverdächtige legte, durch die krimi- nalistische Ermittlungsarbeit in die Engegetrieben, ein umfassendes Geständnis ab und die Leiche der ermordeten Krimhild Gerstner konntegefunden werden. Hans Benderschritt umgehendzur Analyse und teilte mit: „Das völligeVer- sagen der Kriminalmedienindiesem Fall war für mich sehr aufschlussreich.“⁸² Seine Rückschlüsse publizierte der FreiburgerParapsychologe1954 zeitnah: „Dieses Experimenterwies sich […]als Fehlschlag“,stellte er fest.⁸³ Es zeigtesich, dass die Angaben vonKriminalmedien „bestenfalls eine Fährte weisen“;sie be- säßen aber „ohne Kontrolle durch das normale Erkenntnisvermögen […]keinen Wert.“ Die oft zu beobachtende unkritischeVerwendung solcher „okkulter De- tektive“ sei deswegen wahrscheinlich nicht nur nutzlos, sondern auch „gemein-

 Bericht vonKele, in: Archivdes IGPP,E/–.  ..:Hans Bender an Kriminalhauptkommissar Vaas,in: Archivdes IGPP,E/– .  Bender:Hellseher als Helfer der Polizei. 332 Uwe Schellinger gefährlich“,soBender. Die Angaben vonpersonalen Medien müssten vielmehr sorgfältig interpretiert werden:

In unzähligenLaboratoriumsversuchen ist nachgewiesen worden, dass Medien nicht un- terscheiden können, ob ihreEindrücke unbewusstePhantasien oder Kombinationen sind oder ob sie aufparanormale Quellen zurückgehen. Der Hellseher begreift nicht,erwirdvon Eindrücken überflutetund kann sie nicht vonsich ablösen,vergegenständlichenund kritisch kontrollieren.⁸⁴

Es bedürfe demzufolge einer professionellen Kontrollinstanz; und gewisswar Benderder Überzeugung, dass niemand sonst als er selbst der richtigeFachmann dafür sei. Als damals bekanntester deutscher Parapsychologenahm Benderso- mit zur Frageder Kriminaltelepathie eine äußerstvorsichtigeHaltung ein. Gleichwohl war er der Ansicht,dass die, wie er betonte, kontrollierte Zusam- menarbeit der Polizei mit bestimmten medial begabtenPersonen durchaus po- sitive Effekte haben könne.⁸⁵ Eine Institutionalisierung der Praxis, wie sie Bender vorschwebte, bezog sich demzufolge nichtauf die Gründungeineseigenen In- stituts für Kriminaltelepathiewie etwa in Wien 1921 geschehen, sondern Bender plädierte vielmehr für die Etablierungeiner kontinuierlichen wissenschaftlichen Praxis, das heißt für längerfristigeVersuchsreihen, die am besten in seinem FreiburgerInstitut durchgeführt werden sollten. Dieses schienihm prädestiniert, neben anderen parapsychologischen Themen auch die Kriminaltelepathiekon- tinuierlich zu erforschen:

Ichhalte es […]für möglich, dass sich auseiner langenZusammenarbeit mit ‚Hellsehern‘ unterwissenschaftlicher Kontrolle Erfahrungen mit dem Einsatz medialer Fähigkeiteninder Kriminalistik sammeln lassen.⁸⁶

Ein weiterer Aspekt in der Positionierung vonBenderist durchaus bemerkenswert und verändert die Perspektive.Denn Hans Bender schlussfolgertezudem:

 Ebd., ;(als Wiederabdruck)Bender:Hellseher als Kriminalmedien.  Als Beispiel hob Bender hier stets den vonseinem Kollegen Tenhaeff immer wieder unter- suchten Hellseher Gérard Croiset (–)hervor,dem er bemerkenswerteErfolge zuge- stehenwollte. Croiset,der „MozartofPsychic Sleuths“,hattesich vorallem aufdie Suche nach vermissten Personen spezialisiert.Vgl.Hoebens:Gérard Croiset.Als populärwissenschaftliche Darstellungvgl. Pollak: Croiset, the clairvoyant.  Bender:Hellseher als Helfer der Polizei, . „Kriminaltelepathen“ und „okkulte Detektive“ 333

Auch Hellsehen im engerenSinne der Parapsychologie kannbei medialen kriminalistischen Experimenten die Ermittlungsbeamtenindie Irre führen, aber dem Wissenschaftler überaus wichtigesMaterial liefern.⁸⁷

Ein „Irrtum in polizeilicher [Hinsicht]“ könne aufder anderen Seite „eine inter- essante Tatsache in parapsychologischer Hinsicht“ sein.⁸⁸ Sein niederländischer KollegeWilhelm Tenhaeff vertrat diesbezüglich die gleiche Auffassung:

Neben der relativgeringenZahlvon Fällen, in denen Paragnosten mit Erfolgfür polizeiliche und anderepraktische Fälle konsultiert wurden, stehenweit zahlreichereFälle, bei denen die Aussagender Paragnosten nur in parapsychologischer Hinsicht vonBedeutungwaren.⁸⁹

Beiden beiden führenden Parapsychologen fand somit geradezu eine Umkehrung der bisher üblichen Motivation statt: Es ging jetzt nicht mehr um die Frageder Integration okkulterPhänomene in die Polizeiarbeit oder um deren kriminalisti- sche Institutionalisierung.Die Parapsychologie solltenicht mehr lediglich als wissenschaftlicher Dienstleister für die Polizei auftreten. Vielmehr sollten nun in umgekehrter Weise die polizeiliche Praxis und ungeklärte Kriminalfälle das not- wendige qualitativeMaterial für parapsychologische Forschungenliefern, um die Verwissenschaftlichung der Parapsychologie voranzutreiben. Das Polizeiwesen galtnach diesem Verständnis gewissermaßen als idealer Dienstleister für die Parapsychologie. Hans Bender arbeitetenoch bis weit in die 1980er Jahre hinein im ge- schütztenRaumseines FreiburgerInstituts mit bekannten Hellsehern wie Gérard Croiset oder Cornelijs Heijligers zusammen, um Vermisstenfälleoder kriminelle Delikte aufzuklären.⁹⁰ Allerdings verfasste DeutschlandsrenommiertesterPara- psychologenach seinen Erfahrungen und Auswertungendes Mordfalls Gaggenau keinerlei Darstellungenzum Thema „Kriminalmediumismus“ mehr,hielt sich mit öffentlichenÄußerungen zur Verwertbarkeit vonmediumistischen Aussagen für die Polizeiarbeit explizit zurück und führte auch keine empirischenUntersu- chungen dazu durch.

 Ebd.  Ebd.  Tenhaeff: Über die Anwendung paranormaler Fähigkeiten, .  Vgl. Schetsche/Schellinger: Psychic detectives, f.; Archivdes IGPP,E/–,E/–  und E/–. 334 Uwe Schellinger

9EmpirischeForschungen

Solche Untersuchungen wurden erstmals1958 in systematischer Weise in Gang gesetzt.Esmag nicht überraschen, dass sie in den Niederlanden stattfanden. Der Kriminalbeamte Fillipus Brink führte im Rahmenseiner Dissertation eine groß- angelegte Fragebogenstudie durch. Er ging vonfolgenderGrundannahme aus, die letztlich wiederdenenfrüherer Debatten gleicht:

Weder in den Niederlanden noch irgendwoanders hat man ernsthaft feststellen können, daß Justiz oder Polizei ausder Hellseherei irgendeinen Nutzen gezogenhaben. Andererseits soll nicht bestritten werden, daß man diese in Kreisen der Polizeiund Justiz in Einzelfällen herangezogenhat.⁹¹

Um hier eine möglichst umfangreiche und verwertbare Datenmenge zur Verfü- gung zu haben, führte Brink verschiedene Befragungendurch. Zumeinen unter den Justizministerien aller 57 in der Internationalen Kriminalpolizeilichen Orga- nisation beteiligten Länder, sodann bei den Polizeidirektoren von14europäischen Großstädten und schließlich beizahlreichen niederländischenJustizbehörden und Polizeidienststellen. Brink testete zudem selbst über einen längeren Zeitraum vier bekannte Hellseherund Telepathen,indem er den Testpersonen Gegen- stände, Photographien und weitere Materialien ausKriminalfällenvorlegte.Über das Ergebnis seiner Untersuchungen äußerte sich Brink mehr als eindeutig: „Der objektive Wert der außersinnlichen Wahrnehmungen aufdem Gebiet der poli- zeilichen Ermittlungsarbeit ist gleich Null.“⁹² Dass Fillipus Brinkals Folgeseiner Forschungen eine Integration okkulter Fähigkeiten in die Polizeiarbeit vehement ablehnte, überrascht nicht.Seine Ergebnisse wurden 1960 an durchaus promi- nenter Stelle in der „Internationalen Kriminalpolizeilichen Revue“,dem offiziel- len Organ der Internationalen KriminalpolizeilichenOrganisation, veröffentlicht und erhielten aufdiese Weise höhere kriminalwissenschaftliche Weihen.⁹³

10 Abschließende Bemerkungen

Brinkserste Nachkriegsstudie stand wissenschaftsgeschichtlich nur am Anfang weiterer und zu durchaus unterschiedlichen Ergebnissen gelangendenStudien,

 Brink: Parapsychologie, .  Ebd., .  Schon  war die Veröffentlichungder Dissertation erfolgt: Brink: Einige aspecten. „Kriminaltelepathen“ und „okkulteDetektive“ 335 die sowohl im Kontext des Polizeiwesens⁹⁴ wie der Parapsychologie verfasst wurden.⁹⁵ Die permanente Erprobungund Erforschungder Institutionalisierbar- keit des Kriminal-Mediumismus setzt sich bis in die jüngsteZeit fort.⁹⁶ Dabei entsteht der Eindruck, dass sich die heutigen Argumentationsstrukturen und Herangehensweisen kaum vondenen des eingangserwähnten Falls des Doppel- mordes aufder Weißtannenhöhe im Juni 1928 unterscheiden. Es lässt sich eine Kreisbewegung wiederkehrender Versuchsansätze und ein sich permanent wie- derholendes und offenbar nie zum Abschluss kommendes diskursivesFeld fest- stellen, das in seiner Kontinuität zweifellos noch der Erklärung bedarf. Der vonder FreiburgerKriminalpolizei untersuchte Mord an den Lehrerin- nen Luise und Ida Gersbach aufder Weißtannenhöhe im Juni 1928 ist bis zum heutigen Tagunaufgeklärt geblieben.Damals mussten die FreiburgerBeamten ihre „Hellseher-Akten“ an das Polizeipräsidium in Berlin schicken. Dort hatte man eine republikweite Umfragegestartet,umzuprüfen, inwiefern die Tätigkeit der Kriminaltelepathen „zu einerStörungder öffentlichen Ordnung geführt hat.“⁹⁷ Der FreiburgerStaatsanwalt kommentierte im Februar 1929 dazu, zwar seidie Tätigkeit der eingesetzten Hellseher letztlich „ohne jeden Wert gewesen“,man könne aber auch nicht davonsprechen, dass sie sich „schädlich ausgewirkt hätte.“⁹⁸ Dass allein die Versicherung, entsprechendeokkulte Praktikenwürden letztlich keine Schädenverursachen, zu diesem Zeitpunkt und auch später in keinster Weiseausreichend waren, um eine Integration okkulter Fähigkeiten in die Polizeiarbeit zu ermöglichen, liegt aufder Hand. Zwarlieferten „Kriminalte- lepathen“ und „okkulte Detektive“ immer wieder verlockende Alternativenzuden herkömmlichen Ermittlungsmethoden. Eine nachhaltige Einbindungihres unor- thodoxenWissens in die polizeiliche Methodik blieb allerdings zu jeder Zeit un- realistisch: Mediumistischen Angaben mangelte es an der notwendigenGe- richtsverwertbarkeit,man hatte es nicht selten mitwenigvertrauenerweckenden Protagonisten und Protagonistinnen zu tun, und zuletzt erschien die eingeforderte Konsultation voninterpretierenden Instanzen als allzu kompliziert.Die Wider-

 Vordem Hintergrund einer Umfrage bei bayerischen Polizeistellen: Milke:Vermißt – was nun?, –.  Vgl. etwa Schouten: Hellseher.  Vgl. Dobranic: Hellseher;Pajarola: GewaltimVerhör;Benecke:Einsatz; Keller:Kriminalte- lepathie bei Vermissten und entführten Personen.  Vermerk Polizeipräsident Berlin (Abteilung IV) vom ..,in: StAF,A/-Nr. .Vgl. auch Hagemann: Kriminaltelepathie. Hintergrund der Berliner Erhebungwar ein Zensurverfahren zu dem Film „Die Hellseherin“ (), in dem die Kriminaltelepathin Elsbeth Günther-Geffers eine Hauptrolle spielte. Vgl. hierzu Schellinger: Trancemedien, –.  ..:Beschluss der Staatsanwaltschaft FreiburgIIzuseiner Sendung an Kriminal- polizeirat Gennat in Berlin, in: StAF,A/-Nr. . 336 Uwe Schellinger stände ausWissenschaft und Kriminalistik gegendie Nutzung paranormaler Fä- higkeiten bliebendemzufolge massivund stabil. Gleichwohl lässt sich feststellen, dass Formen einer ‚okkulten Kriminalistik‘ selbst in Zeiten vonoffiziellen Verboten nie vollständig zu unterbinden waren. Phasen ernsthafterer Versuche, diese Praxis als anerkannteKriminaltechnologie zu situieren (1920er und 1950erJahre), wechselten sich ab mit deneneiner dezidiertenAblehnung.Vollständig verklun- genist der Appell zu einer positivenIntegration paranormal erworbenen Wissens zur Unterstützung des akzeptierten kriminologischen Wissensnie.

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ZumVerhältnis vonWissenschaft und Okkultismus im Film

1Einleitung

Das Kino des 20.Jahrhunderts hatte an der wissenschaftlichenUntersuchung okkulterPhänomene kein gesteigertes Interesse. Obwohl Spukhaftes wie Horri- bles, Außergewöhnliches wie Außerirdisches vonBeginn an die Geschichte des bewegten Bildes geprägt haben, konntedie Parapsychologie als Wissenschaft weder im Film nochimFernsehen tiefe Spuren hinterlassen. Das Treiben halb- verwester Leichen geschieht bis heute weitgehend theorie- und sinnfrei, die Mord- und Metzellust erfolgt ohne nennenswerteBegründungenoder wissenschaftliche Verfahren. Zwargenießenanomalistische Phänomene in der Öffentlichkeit stets hohe Aufmerksamkeit,¹ was sich nichtzuletzt in der großen Popularität grenz- wissenschaftlicher ThemenkomplexeinSpielfilmen und Fernsehserien spiegelt,² doch die Darstellungihrer wissenschaftlichen Erforschung führt bislang ein Schattendasein. Eine Handvoll an Beispielen ragt dennoch ausder allgemeinen Indifferenz gegenüber ‚Parawissenschaftlichem‘ herausund regt zu interessanten Überlegungen darüberan, anhand welcher ästhetischenMotive und poetischen Traditioneninunserer Zeit die wissenschaftliche Beschäftigung mit irrationalen Erfahrungenbevorzugt diskursiviert wird. Das erste Beispiel ist eine britische Fernsehproduktion von1972, „The Stone Tape“.Eshandelt sich um eine hochkarätig besetzte Produktion der BBC,die bei dem englischenDramatiker und Drehbuchautor NigelKneale (1922–2006) als weihnachtliche GespenstergeschichteinAuftrag gegebenworden war.³

2Der Film „The Stone Tape“–Handlung

In der Eröffnungsszene sehen wir Jill Greely, eine Computerprogrammiererin, die in Taskerland House, einem heruntergekommenen Viktorianischen Herrensitz,

 Vgl. die Untersuchung vonMayer: Über Grenzen schreiben, –.  Vgl. Schetsche: Anomalien, –;Hill: Paranormal Media.  Vgl. hierzu und im folgenden Murray:Into the Unknown; Angelini: Kneale, Nigel; [Anonym]:The Stone Tape; Green: The Stone Tape.

DOI 9783110466638-013 342 Natascha Adamowsky vorfährt. Das alte Gemäuer wurde gerade vonihrem Arbeitgeber,der Firma Ryan Electrics, gekauft und renoviert,umdort die technische Entwicklungsabteilung unterzubringen. Wieein erstes ominöses Vorzeichen verschwimmt plötzlich alles vorJills Augen und sie wird beinahe vonden riesigen Ryan Electrics-Lastwagen gerammt,die ihr wie leuchtende Opfersteine plötzlich entgegenzukommen scheinen. Diese Stimmung des Unbehagens setzt sich mit der Ankunft des rest- lichen Forscherteams fort,deren aufgesetztes Macho-Kumpel-Gehabekaumver- holen aggressive Züge trägt.Ineinem bizarren Begrüßungsritual, welches aus unerfindlichen Gründen sacrificing the Martian heißt,wird einervon ihnen in einem grotesken Alien-Insekten-Kostüm ordentlich aufgemischt,was die Bühne für den Auftritt des Chefs bereitet,Peter Brock, der nun mit ruppigen Worten alle aufdie Wichtigkeit ihrer Top-secret-Mission einschwört.Esgeht darum, für Ryan Electrics ein neues digitales Aufnahmegerät zu entwickeln, das den analogen Modellen der japanischen Konkurrenz überlegen sein soll. Jills Computerfertig- keiten spielen in diesem Projekt eine zentrale Rolle, doch ärgerlicherweise ist der Raum, in dem die Computer untergebracht seinsollten, noch nicht fertig.Wie sie Roy Collinson, der Direktor des Hauses, aufklärt,hätten sich die Bauarbeiter geweigert,dort zu arbeiten. Der ehrgeizigeBrock stürmt daraufhin in den leeren Raum und reißtwutentbrannt die marode Vertäfelung vonden Wänden. Neben verwitterten Steinwänden kommt dabei auch eine alteTreppe zum Vorschein, die jedoch ins Nichts führt. Zu Brocks großem Ärgerstelltsich heraus, dass dieser Raum wesentlich älter ist als der Rest des Hauses und wahrscheinlich schon im 5. Jahrhundert angelegt wurde. Für englische Zuschauer ist damit unweigerlich ein assoziativerPfad in die mythischenZeitenMerlins und König Arthurs gelegt und gleichzeitigder Schauplatz voneiner renovierungsbedürftigen Bruchbude in ei- nen archäologischen Ausgrabungsort transformiert.Umkeinen Ärgermit dem Denkmalschutz zu bekommen, was den Zeitplan des ganzenProjektsgefährden würde, weist Brock Collinson an, den Raum abzusperren. Jill hört plötzlich hinter sich das Geräusch schneller Schritte und als sie sich umdreht,sieht sie kurz die Figureiner Frau,die die Stufen hinauf schwankt: „There is ashrill rasp in the air. Ahuman scream that has lost its humanity, denatured and dead“.⁴ Mit diesem Schrei stürzt die Frau (laut Kneales Drehbuch) vonder Treppeinden Tod. Die Gruppe einigt sich, aufden Schreck erst einmaleinen Trinken zu gehen und sucht den örtlichen Pub auf. Dort erfährt das Team, dass es sich bei der Er- scheinungumdas DienstmädchenLouisa Hanks handle,die sich im 19.Jahr- hundertauf der Treppe zu Tode gestürzt hätte. Sie sollten sich in Acht nehmen, erzählt man ihnen, das Taskerland House sei ein Spukhaus, in dem bis heute

 Zitiert nach Green: The Stone Tape, . Spooked, Haunted or just Paranormal? 343 etwas gefährlich Ungutes verborgensei.Diese Gelegenheit lassen sich die Medi- eningenieure selbstverständlich nicht entgehen. Brock beschließt,der seltsamen Erscheinung mit allen ihm zur Verfügung stehendenMess- und Aufzeichnungs- instrumenten aufden Grund zu gehen und rüstet den Raum als medientechni- sches Labor auf. Mit Richtmikrophonen, Tonbändern, Thermometern, Photoap- paraten und Kameras „bis an die Zähne bewaffnet“ hält das Team die ganze Nacht Wache. Mitzunehmender Kältejedoch – auch dies ein untrügliches Zeichen, dass sich Spukgestalten nähern – entgleitet den Beobachtern ihre technologisch ge- stützte empiristische Haltungund macht verzweifelten wie hysterischen Tönen Platz.Die gespenstischen Geräusche lassen sich einfach nicht mit Brocks Ferro- graph, einerTonbandmaschine, aufzeichnen; nur Jill kann die Frau sehen. Schließlich erleidet einer der anwesenden Dorfbewohner einen Nervenzu- sammenbruch und schluchzt,dassesindiesem Raum immer schon ‚Andere‘ gegeben habe, dass man in einer Zeitfallesitze, einerverlassenenAnti-Kirche der Untoten. Die einzige, die in dem ganzen Geschrei weiterhin aufihre Medi- enkompetenzen fokussiert bleibt,ist Jill. Dank ihrer Datenanalyse gelingt Brock der konzeptuelle Durchbruch. Die Geräusche und Erscheinungen sind nämlich mitnichten als Geister vonVerstorbenen zu deuten, sondern als Aufzeichnungs- schleifen kathartischer Momente, so Brock, die in den Steinen des frühmittelal- terlichen Gemäuers gespeichertseien. Der Raum selbst also sei ein stone tape,ein steinernes Aufzeichnungs- und Abspielmedium, das die biochemischen Rezep- toren des Gehirns direkt anspielenwürde. Sie hätten also nichts weiter entdeckt als die materiale Grundlageeiner revolutionären neuen Aufzeichnungstechno- logie, die Ryan Electrics zum Marktführer und sie alle reich und berühmt machen würde. Hysterischfeiert das Team Brocks Entdeckung! Dann jedoch muss Brock die Erfahrung so vieler seiner Vorgänger machen, dass es sich nämlich bei der Feststellbarkeit und Wiederholbarkeit paranorma- ler Experimenteumden äußerst flüchtigenGralaller parapsychologischenFor- schung handelt.Indem verzweifelten Versuch, das Phänomenunter Laborbe- dingungenzuwiederholen, veranstalten Brock und sein Team eine absurde Schallschlacht und bombardieren die Wände des Raums mit gigantischen Laut- sprechern,welche zunächstbedrohlich zurückgrollen, bis plötzlich absolute Stille herrscht.Inihrem blinden Eifer haben die Forscher das ‚Medium‘ überladen und das Band gelöscht.Trotz wiederholter Rettungsversuche bleiben die Schritte der unglücklichen Dienstmagdverschwunden. Damit ist der Traumvom wissen- schaftstechnischen Durchbruch ausgeträumt,Brocks ehrgeiziges Entwicklungs- projekt wird vonRyan Electrics eingestellt,das Team muss die Villa für eine andere Projektgruppe räumen. Allein Jill fährt fort,ihre Computerausdrucke zu analy- sieren und decodiert dabei die Worte pray, save und soul. Zudem legen die Daten die Vermutung nahe, dass die ‚Aufzeichnung‘ des Dienstmädchens eine wesent- 344 Natascha Adamowsky lich ältereAufnahme überlagert habe und dass das eigentliche Phänomen noch viel älter sei als angenommen, vielleicht siebentausendJahre oder mehr.Brock gerätaußer sich und wirft Jill vor, mit solchem Unsinn vonAnfang an das Projekt boykottiert zu haben. Kurz bevor alles eingepackt ist und das Team das Haus verlassen muss, geht Jill noch einmal in den Raum.Dortbegegnet sie einer furchteinflößenden, ge- staltlosen Macht und wird vondieser die alten Stufen hinauf getrieben, die nun zu einem vorzeitlichenOpferaltar führen. Mit einemfurchtbaren Schrei stürzt auch sie in den Tod. Beider Untersuchung vonJills Todweist Brock jede Schuld vonsich. Er zerstört all ihre Aufzeichnungen, um jeden Hinweis aufihre Entdeckung zu ver- nichten, und geht ein letztes Mal in den Raum. Zu seinem Entsetzen muss er feststellen, dass die Steinmauern eine neue Aufzeichnung gemacht haben: eine vonJill, wie sie seinen Namen schreit,während sie in den Todstürzt.

3Rezeptionund Kontextualisierungen

„The Stone Tape“ wurde am 25.Dezember 1972 aufBBC 2ausgestrahlt und er- reichte2,6 MillionenZuschauer.Der „Evening Standard“ lobte das Stück als „one of the best plays of the genre ever written“;⁵ das „BritishFilm Institute“ sprach von einer „brilliantly executed scientific ghost story“,⁶ und in Roger Fultons „Encyc- lopediaofTVScienceFiction“ wurde die Produktion als „arguablythe most creepy drama ever seen on television“ aufgeführt.⁷ Bis heute gilt der Film als Meilenstein britischer Fernsehgeschichte und inspirierende Vorlagevieler okkultistischer Horrorstreifen. Sein Einfluss reicht vonJohn Carpenters „Prince of Darkness“ (1987) bis zu Steven Spielbergs „Poltergeist“ (1982) oder MartyRoss’„Ghost Zone“ (2004).⁸ Trotz der Einfachheit seiner Spezialeffekte und der schlechten Video- farbqualität der 1970er Jahre wird der Film bis heute als „reallycreepyand very memorable“ rezipiert.Der Gegenwartsautor Grant Morrison spricht von „brilliant images that scared the hell out of me.“⁹ Das entscheidende ästhetische Element des Films liegt allerdings nicht in seiner visuellen Raffinesse, sondern aufder Tonspur.Sound und Musik tragen die Handlung, nicht allein weil es inhaltlich um die Aufzeichnungund das Abspielen

 Zitiert nach Abery:The Stone Tape, .  Angelini: Kneale, Nigel.  Fulton: Encyclopedia, .  PrinceofDarkness (); Poltergeist (); Ghost Zone ().  Zitiert nach Murray: Intothe Unknown, . Spooked, Haunted or just Paranormal? 345 vonGeräuschen geht,sondern weil mit dem Klang ein akustischer Tiefenraum eröffnet wird,inden die Protagonistennur mittels technischer Medien vordringen können. Die medialePraxis, Stimmenvon Toten aufTonbänderaufzunehmen, war in den frühen 1970er Jahrenrecht verbreitet.Das in Fachkreisen auch als electronic voice phenomenon,kurz EVP,bekannte Phänomen der sogenannten Tonband- stimmen war mit den Publikationen des Schweden Friedrich Jürgenson (1903– 1987), wie etwa „Sprechfunk mit Verstorbenen“ von1967, ¹ ⁰ allgemeinbekannt geworden.¹¹ Jürgenson war eigentlich Kunstmalerund Opernsänger, später dann Amateur-Archäologe und hatte in den späten 1950er Jahren damit begonnen, Vogelstimmen zu sammeln. Nach mehrmaligemAnhören meinte er,neben dem Vogelgesang auch Stimmenzuhören, welcheihn persönlich ansprachen und Dingeerzählten, vondenennur er selbstwissen konnte. Zunächstglaubte Jür- genson, es handele sich um die Botschaften vonAußerirdischen, doch nachdemer ein paar deutliche Worte vonseiner verstorbenen Mutter empfangen hatte,reifte in ihm die Überzeugung,esmit Stimmenaus dem Jenseits zu tun zu haben. Jürgenson war sehr daran gelegen, seine Entdeckung nicht nur mit anderen zu teilen, sondern auch wissenschaftlich untersuchen zu lassen. Unter anderem geschah dies am Freiburger „Institut für Grenzgebiete der Psychologie und Psy- chohygiene“ 1964 und 1970 unter der Leitung vonHans Bender. Die Existenz von Tonbandstimmen konnte zwar grundsätzlich bestätigt werden, doch reichten die Analyseverfahren nicht aus, um die Versuche aussichtsreich fortzuführen.¹² Mehr Erfolghatte der lettische Schriftsteller KonstantinRaudive (1909 –1974), der,von Jürgensons Arbeit angeregt,Mitte der 1960er Jahre mit eigenen Unter- suchungen begann. Zusammen mit dem englischen Parapsychologen Richard Sheargold gelang es Raudive mittels der sogenannten Mikrofonmethode im März 1971,ineinem abgeschirmten Labor der Firma „Belling &Lee“ in London, ver- schiedene Stimmfragmenteaufzunehmen, darunter auch Satzspurenvon Winston Churchill und Adolf Hitler.¹³ Raudive veröffentlichteseine Ergebnisse 1971 in dem Bestseller „Breakthrough“,¹⁴ allerdings konnten diese bis heute nicht wiederholt werden. Dessen ungeachtet und abgesehen vonallen Zweifeln an der Sache selbst ist doch festzuhalten, dass die Idee einernekromantischen Medientechnik zu Beginn der 1970er Jahre äußerstpopulärwar – und seither regelmäßig im Horror-

 Jürgenson: Sprechfunk mit Verstorbenen.  Zu Jürgenson vgl. auch vonHausswolff: Investigation Studio.  Vgl. ausführlich dazu Bender: Analyseaußergewöhnlicher Stimmphänomene, –.  Vgl. hierzu auch Dixon: Dead People, –.  Raudive:Breakthrough. 346 NataschaAdamowsky

Mystery-Genre auftaucht.¹⁵ Es besteht daher Grundzuder Annahme, dass sie auch Kneale, dem Drehbuchautor von „Stone Tape“,geläufig war,zumal die Verbindungvon Wissenschaft,avancierter Medientechnik,Übernatürlichem und menschlicher Schwäche schon immer eines seiner bevorzugten Terrains für dra- maturgische Gedankenspiele gewesen war.Sohatte er etwa bereits 1952indem Radiospiel „YouMust Listen“ Wissenschaft und parapsychologisches Gedan- kengutineinander verstrickt und die Geschichte eines Telekommunikations- ingenieurs entworfen, der aufeiner Telefonleitung die letzte Unterhaltungeiner Frau mit ihrem Liebhaber konserviert findet,bevor diese sich umbrachte. Auch findet sich in „The Stone Tape“ eine besondere Aufmerksamkeit für die Machtdes Klangs. Kneale legte das Drehbuch nicht nur als Text-bzw.Plotvorlagean, son- dern auch als eine ArtPartitur.Der Film bietetnicht nur ein Seh-, sondern auch ein Hörerlebnis,das die esoterischen Aktivitätenund parawissenschaftlichen Diskussionen der 1970er Jahre spiegelt.Vor allem überzeugt das vonDesmond Briscoe vom „BBC Radiophonic Workshop“ entwickelte, äußerst avancierte Soundkonzept,welches filmmusikalische Elemente und die Geräuschweltempi- rischer Maschinen mit beängstigendem Effekt ineinanderverwob. Vondiesem atonalen elektronischen Klangteppich ausgewinnt die Geschichte ihre Plausibi- lität.Zudieser gehört,dass Wissenschaft und Technik mitihrer strukturimma- nenten Maßlosigkeit und Überheblichkeit übernatürliche Kräfte entfesseln, die sie weder beherrschen noch verstehen können. So gibt uns die Tonspur des Films wie in einerdunklen Meditation zu verstehen, dass es noch weitaus dunklereMächte als ein paar arme verlorene Seelen dort draußen gibt,die nach wievor mit ihren archaischen, sub-sonischen Rhythmen in unserem Alltag wohnen. Oder,wie der Filmwissenschaftler Paul A. Green schreibt: „The mineral voices repeat their hoarse mantraofterror.“¹⁶ „The Stone Tape“ gilt als die beste Arbeit vonNigel Kneale. Kneale gehörte zu jenen Drehbuchautoren der ersten Stunde, die das spezielle Formatdes Fernsehens, jeneintime häusliche Seherfahrung voreinem kleinen Bildschirm, perfektverstanden. In „The Stone Tape“ platzierte Kneale die Handlung, the- matisch passend zu seinem Stoff, in einer Szenerie, die dramaturgisch zwischen Kammerspiel und Séance changiert und inszenatorisch das Labor zitiert.Die klaustrophobische Situationerinnert an Jean Paul SartresTheaterstück „Huis Clos“ („GeschlosseneGesellschaft“)von 1944,indem die verdammten Seelen dreier Verstorbener,zweier Frauen und einesMann, für alle Ewigkeit in einen

 Vgl.u.a.The Sixth Sense ();WhiteNoise – Schrei ausdem Jenseits ();WhiteNoise  – the Light ().  Zitiert nach Green: The Stone Tape, . Spooked, Haunted or just Paranormal? 347

Raum gesperrt sind.KnealesProtagonisten hingegen, zwei Männer, eine Frau, sind zwar nicht tot,doch der Schauplatz der Auseinandersetzungist dafür im- merhin ein Spukhaus. Es rahmt die divergierenden Erfahrungen vonJill, Brock und Collinson, die einer modernen Geistergeschichte entlang der üblichen Gender- Traditionenfolgen.Während Jill und Brock dabei als Antipoden auftreten, kommt Collinson die Rolle des Vermittlers zu, was ihn zur Identifikationsfigurfür das Publikum macht.Jill muss selbstredend die weibliche verständigungsorientierte Perspektive ausfüllen; als Wissenschaftlerin und Computerexpertin ist sie zwar eine glänzende Analystin, wassie eigentlich dem wissenschaftsrationalenTypus zuordnen würde, doch gleichzeitigkommt ihr die Rolle der SensitivenimTeam zu, die aufgrund ihrer speziellen medialen Wahrnehmung zunächst als Einzigedie Erscheinungen wahrnimmt und mit großer Anteilnahme aufden Toddes Dienstmädchensreagiert.Ihren intuitiven Schlussfolgerungen und emotionalen Reaktionen steht Brock als Abziehbild männlicherZuschreibungengegenüber: ein jähzorniges, ehrgeiziges, aggressives, eiskalt kalkulierendes Alpha-Männchen, das alle negativenEigenschaften wissenschaftstechnischer Neugier aufsich ver- eint.Während Jill in der Logik des Films erst zum Medium und dann zum Opfer wird, geht Brock den Wegvom ehrgeizigen Wissenschaftler riskanter Experimente über den gewissenlosen Verleugner,umdannals verzweifeltVerfluchter zu enden. Es ist nicht ganz klar, in welchemUmfangKneale tatsächlichparapsycho- logische Schriften rezipiert hat.Mit der ersten Ausstrahlungseines Stückes je- denfalls wurdedie Hypothese, dass Geistererscheinungen mediale Aufzeich- nungen ihrer Umgebung sind, unter Parapsychologen allgemein als „Stone-Tape- Theorie“,inAnlehnung an den Filmtitel, bekannt.¹⁷ Diese Theorie wird vorallem in Zusammenhang mit Konzeptenwie residual hauntings, d. h. ortsgebundenen Spukerscheinungen, und imprints, im Sinne paranormaler Spuren oder Finger- abdrücke, diskutiert und weitgehend als eine Form der Beschreibungdes Phä- nomens, nicht als seine Erklärunggehandhabt.Die Idee jedoch, dass bestimmten physischen Umwelten ein medientechnisches Vermögen eigen ist,geht nicht auf den Film, sondern aufdie Schriften des britischen ArchäologenThomas Charles Lethbridge (1901–1971)zurück. Lethbridge war ein namhafterArchäologeinCambridge,spezialisiert auf das frühe englische Mittelalter,bevor er sich im Ruhestandparapsychologischen Theorienzuwandte – und damitseinen wissenschaftlichen Rufruinierte.¹⁸ Die Möglichkeit medialer Archivier-und Projektionseigenschaften vonSteinen und anderen Gegenständen diskutierte er erstmalsausführlich 1961inseinem Buch

 Townsend: Recording Ghosts;Wood: Stone Tape Theory.  Vgl. u. a. Finneran: A „Divine“ Purpose? Legacy, –;Welbourn:T.C.Lethbridge. 348 Natascha Adamowsky

„Ghost and Ghoul“,das schnell zu einer Art Kultbuch in der „Earth-mysteries“- Bewegung wurde, die als Gegenkultur in den späten 1970er Jahren aufkam und an geomantische Traditionenanschloss.¹⁹ Grundlagevon LethbridgesArgumen- tation war die Annahme, dass der Geist jedes Menschen mit einem kollektiven Ahnengedächtnis verbunden sei,welches über die Jahrtausende weitervererbt worden sei.Nachdem er in seinem eigenen Haus in Branscombe im Südwesten Englandsverschiedene paranormale Erscheinungen studiert hatte, ging er davon aus, dass die Umwelt vonverschiedenen Kraftfeldern durchzogensei, die er fortan mit dem Pendel experimentell erforschte. Im Mai 1964 brachte die BBC eine kurze Dokumentation mit dem Titel „Ghost Hunting with T.C. Lethbridge“,die ihn bei Pendel-Experimenten in seinem Garten zeigte. Alles in allem kann man davon ausgehen,dass LethbridgesTheorienbis in die frühen 1970er Jahre hinein zir- kulierten. Es ist durchaus möglich, wenn sich dies auch nichteindeutig nach- weisen lässt,soist es doch eine verführerische Idee, dass Kneale diesenpara- psychologischenDiskursstrang explizit in seine Geschichte integrieren wollte. Dafür sprechen würden die vielen Berührungspunkte mit paranormalen Phäno- menen, die sich in seinen früheren Arbeitenfinden, sei es in dem Stück „The Creature“ von1955,indem ein Telepathie-begabter Yeti die Hauptrolle spielt,sei es in der legendären Quatermass-Reihe, in der Professor Bernard Quatermass von der „British Experimental Rocket Group“ immer wiedergegen die paranormalen Fähigkeiten Außerirdischer ankämpfen muss, um Erde und Menschheit zu retten. Interessant an diesem Vergleich vonKneales Arbeiten sind die jeweils un- terschiedlichen Darstellungenvon Wissenschaft.In„The Stone Tape“ erleben wir ein regelrechtes Duell zwischenmoderner Laborwissenschaft und vormodernen Aktivitäten. Die Auseinandersetzung spielt vordem Hintergrund jener kultur- wissenschaftlichen Erzählung, nach der trotz Aufklärung und wissenschafts- technischem Fortschritt in der Moderne äußerstwirkungsvoll Traditionen am Werk sind,die genealogisch nichts mit der Moderne zu tun haben.²⁰ In der Po- pulärkultur findet sich diese Einsicht in unvermindert beliebte Denk-und Sehn- suchtsfiguren transformiert,die man unter dem reißerischen Titel „Etwas hat überlebt“ zusammenfassen könnte. Ein Großteil dieser Erzählungenzeigt in quälender Ausführlichkeit die Protagonisten beim wissenschaftlichen Herum- dümpeln, während die popkulturell geprägten Zuschauer und Zuschauerinnen längst wissen, dass es höchste Zeit wäre,nicht-hegemoniales Wissen in Anschlag zu bringen und im Zweifelsfall schleunigst zu verschwinden. Anders gesagt: Die szenische Konfrontation vonWissenschaft mitParanormalem, Übersinnlichem

 Lethbridge:Ghost and Ghoul.  Vgl. Böhme: Fetischismus. Spooked, Hauntedorjust Paranormal? 349 oder auch Magischem wird im Horror-Genre oft als dramatisches Mittel genutzt, die Begrenztheit wissenschaftlicher Verfahren zu demonstrieren und damit das moderne Subjekt vomSockelseiner Selbstüberschätzung zu schubsen,direkt in die Arme der Mächte der Finsternis. Auch in „TheStone Tape“ ist das Scheitern von Wissenschaft ein Ergebnis der instrumentellen ‚Blindheit‘ der Experimentatoren, weil die Geistererscheinungenihren szientifischen Methoden und technischen Apparaturen nicht zugänglich sind.Das okkulte Phänomenkooperiert einfach nicht mitdem wissenschaftlichen Methodenkanon, es ist nicht feststellbar,wie- derholbar,manipulierbar,wodurch es für den wissenschaftlichen Experimental- aufbau ‚unsichtbar‘ bleibt.²¹ „The Stone Tape“ gehört zu den wenigenFilmen, in denen das Haunted House tatsächlichmit wissenschaftlichem Instrumentarium traktiertwird. In zwei ver- gleichbaren Klassikern, den Kinofilmen „The Haunting“ (1963, 1999) und der Fernsehserie „Rose Red“ (2002)²²,besteht die Untersuchung der paranormalen Phänomene im Wesentlichendarin, dass ein Wissenschaftler bzw.eine Wissen- schaftlerin mit einem Team ausparanormal begabtenAssistenten/Versuchsper- sonen das verrufene Haus erkundet und sich in den sich ständig wandelnden Räumen alsbald verirrt.Während in „The Haunting“ eine Reihe hässlicher Unfälle ihren Lauf nehmen, beginnen in „Rose Red“ Personen zu verschwinden und skelettierteGeister durch die Gängezurasen. In beiden Fällen hebt ein irrationaler Mordreigen an, der das Geschehen bis zum Morgengrauen bestimmen und die wenigenÜberlebenden des behausten Ungeheuers (oder der ungeheuerlichen Behausung) einzig mit der Gewissheit entlassen wird, dass es das Böse nach wie vorgibtinder Welt. In der Fragenach dem Grunddes Schreckens unterscheiden sich die mo- dernen Geisterhausgeschichten deutlich vonden populären Spukgeschichten des 19.Jahrhunderts. Standen letzterenoch in der Logik vonVerbrechen, Strafe und Erlösung und hüteten damitein Geheimnis, das dem wissenschaftlichen Fort- schrittsmotiv korrespondierte,verweigern sich die modernen Geisterhäuser jeg- lichem Wissensdrang.Wederlassen sich Gründe oder Erklärungen für das Ge- metzelerkennen, noch ist überhaupt klar,obdas Haus mordet oder seine Geister. Klar ist nur,dass jegliche Erkenntnisanstrengung des modernen Menschen hier ins Leere läuft und den Experten für das Paranormale stattdessen gnadenlos und ohne Vorwarnung der Krieg erklärt wurde. Die leerstehenden Gemäuer erweisen sich dabei als lebende Archive und Residuen archaischer Mächte,die jenen Teil

 Vgl. für diesen Zusammenhang ausführlich Adamowsky:Medientheoretische Überlegungen, –.  The Haunting(); The Haunting(); Rose Red (). 350 NataschaAdamowsky der Kultur repräsentieren, der einem magischen Denken entspringt. Dieses ‚Ver- drängte‘ mag wohl in Hausmauern und Grundstücksgrenzen gebannt sein,doch dafür werden alle wissenschaftlichen Welteroberungs- und Weltdeutungsversu- che bis in alle Ewigkeit an ihm abtropfen. Gleichzeitig sinddie grundlosbösen wie wahllos tötenden Geisterhäuser keine Manifestationen vormoderner Sinn- reste, sondern Visualisierungen genaudieser Moderne und ihrer vielfältigenBe- unruhigungen. „Etwas blickt uns an“,sofürchten wirschon langeinunserer Ding- fetischistischen Welt,und das, was den in fremdeWohnräume eindringenden Parapsychologen widerfährt,sind somitnichts anderes als die unheimlichen Kontingenzen und die monströse kulturtechnische LeereeinerverwahrlostenZeit. Sobaldjedoch Außerirdische ins Spiel kommen, verändert sich die Situation sofort und die Rollen werden neu verteilt.Wissenschaft und Technik werden nun als stärkste Waffe im Kampf um das Überleben der Menschheitgehandelt und meist voneiner kleinen Gruppe hochbegabter Wissenschaftler und Wissen- schaftlerinnen beherrscht.Sozumindest entwirft es Kneale in seiner berühmt- berüchtigten Quatermass-Trilogie, insbesondere im dritten Teil „Quatermass and the Pit“ von1958. Ausgangspunkt der Geschichte ist,dassStraßenarbeiter eine metallische Kapsel finden, bei der sich schnell herausstellt, dass es sich nicht um einen Blindgänger ausdem Zweiten Weltkrieg handelt, sondern um ein wesentlich älteres Relikt.Das Innere des Objekts ist zwar leer,doch an einer Wand finden Professor Quatermass und sein Team ein altes Symbol: ein Pentagramm, den sogenanntenDrudenfuß. In der dahinterliegendengeheimenKammer entdecken sie die Überresteeiniger Außerirdischer vomMars, die vermutlich vorfünf Mil- lionen Jahren aufder Erde ankamen. Quatermass stelltfest,dassdie Gegend um die Kapsel herum seit dem frühen Mittelalter im Rufsteht,Poltergeister und Teufelsgestalten zu beherbergen, was er als die Überresteder psychischen Pro- jektionen der Außerirdischen deutet.Dank seiner wunderbaren Erfindung, dem optischen Encephalogramm, gelingt es Quatermass – genauer,esgelingt seiner AssistentinBarbara, die sich als die medial Begabtesteunter den Forschern er- weist –,diese Projektionen abzurufen und aufzuzeichnen. Offenbarhaben die Marsianer damals einigeVorfahren der Menschen genetisch modifiziert und ihnen telepathische, telekinetische und andere psychische Kräfte verliehen. Leider je- doch starben die Marsianer aus, bevor ihr Werk vollendet war, und die Menschheit musste sich allein weiterentwickeln. Doch in einigen Menschen schlummern immer noch die paranormalen Fähigkeiten der Marsianer.Die nun geöffnete Kapsel wird all diese Mutanten aktivieren, damit sie sich zu einem großen kol- lektivenBewusstsein zusammenfinden und einen telekinetischen Massenmord an ihren medial minder begabten Mitmenschen begehen: eine Art große ethnische Säuberungsaktion. Spooked, Haunted or just Paranormal? 351

Quatermass und seinem Team gelingt es jedoch, die Menschheit zu retten. Natürlich kennen er und seinTeam die alten Legenden überDämonenund ihre Aversion gegenEisen und schaffenessoinletzter Minute, den Marsianischen Teufelsgeistzubesiegen. Im Vergleich mit „The Stone Tape“ (1972) fällt auf, dass man sich in „Qua- termass and the Pit“ (1958) noch problemlos sowohl szientifischer wie vormo- derner Wissensformen bedienen kann. Einerseits verfügenQuatermass und sein Team über einen genialen Medienapparat,der fünf MillionenJahre alteErinne- rung ausein paar toten Alien-Köpfenrekonstruieren kann, andererseits schwingt er wie ein großer Hexenjäger Eisenketten, um das Böse in dieser Welt zu ver- nichten. Während bei ihm paranormale Wissenschaft und magische Praxis Hand in Hand gehen, muss sich Teamleiter Brock in „The Stone Tape“ mit einem em- pirisch-instrumentellen Weltzugangbegnügen. Während für Brock das okkulte Phänomen selbstder Untersuchungsgegenstand ist,registriert Quatermass le- diglich spezielle Eigenschaften der Außerirdischen, die nur bei uns als paranor- mal gelten und den Fortgang der Geschichte erklären. Paranormale Forschung ist in diesem Science-fiction-Setting mit der gleichen Selbstverständlichkeit im wis- senschaftlichen Aufgebot,mit der aufdie Existenz vonAußerirdischen reagiert wird.Undnoch einmal anders gesagt: Sobaldeine Geschichte von extraterrestrials bevölkert ist,gibt es keine Form des Wissens mehr,die uns Menschen fremd oder gar illegitim wäre, und so haben auch zeitgenössische Raumfahrtmannschaften selbstverständlich medial begabte Berater und symbiotische Wesen an Bord. Sobaldman jedoch wie Peter Brock aufUnterstützungaus dem All verzichten muss, erweist sich die wissenschaftliche Herangehensweiseals hybrider Allein- deutungsanspruch. Magische, religiöse, somatische, nicht-hegemoniale Wis- senspraktiken fegen die albernenExperimentalroutinen und Messgeräte der un- selig Unkundigenvom Tisch und lassen sich durch kein Opfer und kein Blutbad versöhnen. In den filmischen Imaginationen eines Aufeinandertreffens vonmysteriösen Ereignissen und moderner parapsychologischer Forschung kommt fast nie die Frageauf, ob die verhandelten Phänomene echt seien oder nicht.Die vielfältigen körperlichen Deformationen der Protagonisten im Verlauf des Filmgeschehens haben eine derart unmittelbare Gewalt gesättigter Evidenz,dass die Idee einer Täuschung offenbar gar nicht aufkommen kann. Während die Geschichte der parapsychologischen Forschung vonBeginn an vondem Verdacht der Vortäu- schung paranormaler Fähigkeiten und der Fälschbarkeit vonTestergebnissen begleitet wurde, hat sich die Betrugsthematik für die filmische Umsetzung of- fensichtlich als denkbar ungeeignet erwiesen. Spannende Forschung scheint nicht zwangsläufig zu spannender Unterhaltung zu führen, was die deutsche 352 NataschaAdamowsky

Science-Fiction-Filmreihe „Das Blaue Palais“ (1974/1976)²³ auch eindrücklich vorführt.Infünf 90 minütigen Folgen kann man einer Gruppe internationaler Wissenschaftler bei ihren teils parapsychologischen Studien zuschauen, welche, wie im richtigen Forscherleben, meistzäh und uneindeutig verlaufen. Packende Handlungsverläufe und die gebannte Aufmerksamkeit der Zuschauerinnen und Zuschauer sind aufdiese Weise zweifellos nicht zu gewinnen. Wesentlich erfolg- reicher waren hingegen Filmhandlungen, die die parapsychologische Forschung wie in „The Fury“ (1978)²⁴ unter militärische Geheimhaltung gestellthaben oder die die Laborsituation als ein Experiment mit der Täuschung zu inszenieren wussten wie in „Columbo goes to the Guillotine“ (1989)²⁵.Die Episode der be- liebten Fernsehserie „Columbo“ beginnt damit,dass der vermeintlich parapsy- chologisch begabte Elliot Blake im Auftrag des amerikanischen Geheimdienstes vondem Zauberkünstler Max Dyson getestet wird. Während Blake in einer glä- sernen Isolierzelle sitzt,werden an unterschiedlichen Orten der Stadt drei Photos gemacht und in das Testlabor geschickt.Blake erhält Stift und Papier und soll zeichnen,was aufden Photos zu sehen ist.Wie sich späterherausstellt, kennen sich Blake und Dyson bereits:Die beiden saßen in einem afrikanischen Gefängnis, auswelchem Dyson jedoch fliehenkonnte, offenbar,indem er Blake verriet und dessenHaft so um weitere drei Jahre verlängerte. Blake besteht den Test,bzw. Dyson lässt Blake durch den Test kommen, wird jedoch trotzdem vonihm um- gebracht,und zwar mit seiner eigenen Trickguillotine. Der ermittelnde Columbo kommt Blake letztlich nur aufdie Schliche, indem er Dysons parapsychologisches Testdesign als Zauberkunststück nachstellt. Einen typischen Betrugsfilm nach dem Muster „parapsychologisches For- scherteam decktSchwindel auf!“könnteman nach der Eingangsbeschreibung von „Red Lights“ (2012)²⁶ erwarten. Doch schon nach wenigen, zweifellos amüsanten, Enttarnungenscharlatanischer Hellseher und poltergeisternder Teenagerbeginnt das Drehbuch mit den üblichen Rollenkonstellationen und ihren Attributenzu spielen. Die klassischen Figuren wie etwa Forscher,Medium und Betrügerwerden ambivalent gezeichnet und mit ihren Intentionen und Handlungsoptionen, Auf- klärung vs. Betrug, wissenschaftliche Rationalität vs. paranormales Geheimnis, durcheinander gewirbelt.Insbesondere was den gegenwärtigen Standparapsy- chologischer Forschung bzw.ihre fehlende AnerkennungimFeld etablierter Wissenschaften angeht,ist „Red Lights“ aufeine sehr originelle Art und Weise ‚realistisch‘.Sobetreibtdie Protagonistin und Psychologie-Professorin Margaret

 Das Blaue Palais (/).  The Fury ().  Columbo goes to the Guillotine ().  Red Lights (). Spooked, Haunted or just Paranormal? 353

Matheson parapsychologische Studien, die, obwohl sie vielfach zur Enttarnung betrügerischer Medien und Selbstdarsteller führen, bei ihren Kollegen nur Spott und Aggressionen hervorrufen.²⁷ Ihr jungerAssistent,Tom Buckley,hat sich vorgenommen, das berühmte Medium Simon Silver, dem bislang niemand aufdie Schliche kommen konnte, aufseine paranormalen Fähigkeiten hin zu testen. Im Verlauf des Films und zahlreicher mysteriöser Vorfälle gelingt es ihm, Silvertat- sächlich des Betrugs zu überführen und als Scharlatan zu entlarven. Gleichzei- tig stelltsich heraus, dass der wahre paranormal begabteProtagonist des Ge- schehens und Urheber aller Attacken durch Stromausfälle und herrenlose Flugobjekte Buckley selbstwar.Die ganze Zeit überging es ihm, unbewusst, wenigerumdie Erforschung parapsychologischer Phänomene, als darum, Men- schen wie sich selbstzufinden. ZumSchluss kann sich Buckley denn auch selbst annehmen, indem er erkennt,dass über ausgeprägteparanormale Qualitäten zu verfügenkeine Fähigkeit ist,sondern eine Gabe. Auseiner gewissen Perspektive lässt sich die Pointevon „Red Lights“ auch als Resümee der Darstellung okkulter Wissenschaft in 60 Jahren Film- und Fernsehgeschichte interpretieren: Paranormale Phänomene sind kein Feld, auf dem man mit wissenschaftlichen Methoden punkten kann. Der einzigeWeg, dem Okkulten zu begegnen – und dies zu überleben –,ist auseiner mediumistischen Perspektive herausals psychic. Dieser jedoch gehört nicht in die Disziplinar- anordnungdes Labors – Menschenversuche endenimmer in der Katastrophe –, sondern in die genuin massenmediale Ligader Superhelden und außergewöhn- lichen Gentleman.

4Nachtrag

Mit dem Beginn des 21.Jahrhunderts hat ein neuesFormatdie Fernsehlandschaft der westlichen Welt erobert: die paranormal reality television series. Innerhalb wenigerJahre hat sich dieses Seriengenre zur Heimstatt für alle Laienforscher des Okkulten, technikaffinenGeisterjägerund Mystery-Touristen entwickelt, die durch die Landereisen, um die neuesten Spukphänomene und Kornkreise zu besichtigen. In Serien wie „Ghost Hunters“ (seit 2006), „Ghosthunters“ (1996– 1997), „Most Haunted“ (2002–2010;seit 2013), „Psychic Detective“ (seit 2004) oder „Paranormal State“ (2007–2011) findet zwar keine ernsthafteparapsycho- logische Forschung statt,dafür aber eine bemerkenswerteEinebnung zwischen

 Ähnlichestrifft zu aufdie Wissenschaftlerin in „Rose Red“,Dr. JoyceReardon, deren Unter- suchungvon ihrem Vorgesetzten, Professor Carl Miller,heimlich hintertrieben wird. 354 NataschaAdamowsky

Erfahrungsberichten und ihrer fiktionalisierten Inszenierung.Okkulte Phänomene gewinnen hier einen Realitätsgehalt nicht durch empirische Beweise, sondern durch ein „Wahrsprechen des Anderen“ im Sinne MichelFoucaults.²⁸ Dabei steht der große Erfolgdieser Serien in einem eklatanten Missverhältnis zu ihrer unse- riösen, vermeintlich authentischen Inszenierung.Eine Vermutungwäre, dass der investigative,dokumentarische Gestus dem verbreiteten Bedürfnis nach einer diskursivenBearbeitung außergewöhnlicher Erfahrungen näher kommt, als die Angebotewissenschaftlicher Institutionen, in denen das Nicht-Erklärbare nicht vorkommt.

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6Filme

Columbo goes to the Guillotine (USA1989, Regie: Leo Pen). Das Blaue Palais (Deutschland 1974/1976, Regie: Rainer Erler). Ghost Zone (GB 2004, Regie: Marty Ross). Poltergeist (USA1982, Regie: Steven Spielberg/Tobe Hooper). PrinceofDarkness(USA1987,Regie: John Carpenter). RedLights (Spanien/USA2012, Regie: Rodrigo Cortés). RoseRed (USA2002, Regie: Craig R. Baxley). The Fury (USA1978, Regie: Brian de Palma). The Haunting (GB 1963, Regie: Robert Wise). The Haunting (USA1999, Regie:Jan de Bont). The Sixth Sense (USA1999, Regie: Night Shyamalan). The Stone Tape (GB 1972, Regie: Peter Sasdy). WhiteNoise – Schrei aus dem Jenseits (Kanada/GB/USA2005, Regie: Geoffrey Sax). WhiteNoise 2 – the Light (GB 2007,Regie: Patrick Lussier).

Bernd Wedemeyer-Kolwe „VomUntergrund des Abendlandes“ Der Göttinger Volkskundeprofessor Helmut Möller unddie deutsche Okkultismusforschung in der zweiten Hälfte des 20.Jahrhunderts. Eine biographische Annäherung

1Einleitung¹

Am 15.Februar2013 verstarb im Alter von86Jahren der Göttinger Volkskundler Professor Dr.Helmut Möller.Von 1954 bis zu seinem vorzeitigenRuhestand1988 lehrte und forschte er als Dozent und zuletzt als ordentlicher Professor am Se- minar für Volkskunde (heute Institut für Kulturanthropologie/Europäische Eth- nologie) der Göttinger Georg-August-Universität.HelmutMöller warein aner- kannter Spezialist für die Volkskunde des Spätmittelalters,der Frühneuzeit und der Aufklärung,und er war außerdem, wasnur sehr wenigenFachleuten bekannt war,ein ausgewiesener Experte für die Geschichte des neuzeitlichen Okkultis- mus.² Sein wissenschaftliches Erbe besteht auseinerumfangreichen Spezialbi- bliothek und einemwohl einzigartigen Privatarchiv, das die Wissenschaftsge- schichte und die universitäre Wissensproduktion zur Okkultismusforschung in der zweiten Hälfte des 20.Jahrhunderts in einer derart beispielhaften Weise ab- bildet,dass es heute zu einer wichtigen Fundgrube für die Erforschungder wis- senschaftsgeschichtlichen Beschäftigung mit okkultistischen Strömungen gezählt werden muss.³ Helmut Möllerwar einer der wenigen universitär verankerten Experten, die sich mit der Erforschung und der Wirkungsgeschichtedes Okkultismus befassten.⁴

 Der Beitrag war nicht Teil der Tagung „Okkultismus im Gehäuse“,sondernein Einzelvortrag, gehalten unterdem Titel „Okkultismusforschung. Prof. Dr.Helmut Möller und die Folgen“ am .. im Kolloquiumdes FreiburgerInstituts für Grenzgebiete der Psychologie und Psychohygiene.  Vgl. den Nachruf vonWedemeyer-Kolwe: Helmut Möller.  Die Universität Göttingenbzw.das UniversitätsarchivGöttingenzeigte keinerlei Interesseam Nachlass Helmut Möllers.Der Verfasser konnte schließlich die Erben Helmut Möllers davon überzeugen, das noch ungeordnete – und vonder Vernichtungbedrohte – PrivatarchivMöllers  an das Institut für Grenzgebieteder Psychologie und Psychohygiene e.V. (IGPP) abzugeben.  Über diesen Personenkreis – vonHans Bender selbst einmal abgesehen – gibt es bislang keine bzw. kaum biographische und wirkungsgeschichtliche Forschungsliteratur.Eine Vergleichsbio-

DOI 9783110466638-014 358 Bernd Wedemeyer-Kolwe

Vondaher versteht sich der folgende biographisch orientierte Beitrag als ein Baustein zur „Erforschung der Institutionalisierung der wissenschaftlichen Be- schäftigungmit dem Paranormalen“.⁵ Jedoch sind zwei methodische Einschrän- kungenzumachen: Zumeinen war der Verfasser als ehemaliger Absolvent und späterer Dozent am Institut für Volkskunde der Universität Göttingen zwar einer der ganz wenigenPersonen, die mitHelmutMöllerüber Jahrzehnte hinwegbis kurz vorseinem Todregelmäßig Kontakt hatten und ihn relativgut kannten; von daher kann er emotional als parteiisch, mindestens jedoch als befangen gelten. Und zum anderen konnte der Verfasserzwar gemeinsammit Eberhard Bauer vom IGPP im Haus der Familie den Nachlass Möller mit durchsehen, aber nichtsys- tematisch durchforsten, geschweige denn auswerten. Der folgende Versuch einer Wirkungsgeschichte vonHelmut Möllerund seinen Forschungen musste daher ohne Einblick in seinen Nachlass erfolgen; er begründet sich aufLiteratur-und Archivrecherchen, Gesprächen mit Zeitzeugenund eigenen teilnehmenden Be- obachtungen. Der Beitrag selbst stelltüberdieskeine in sich geschlossene Forscherbio- graphie dar,sondern ist eine biographische Annäherung.Denn es ließen sich zwar die üblichen Daten und Stationen vonMöllers Akademikerleben zusammentra- gen, aber lebens- und forschungshistorische Tiefbohrungen ergaben das er- staunliche Resultat,dass unterhalb der konventionellen Oberfläche nur sehr wenigüber ihn bekannt ist.Ein Grunddürfteneben seiner ohnehin sehr diskreten Persönlichkeit auch sein – in der damaligen Universitätslandschaft als äußerst unseriös geltender – Forschungsschwerpunkt Okkultismus gewesen sein. Helmut Möller war ein bürgerlicherUniversitätsprofessor,aber seineBerüh- rungspunkte zu den Kollegen beschränktensich aufdas Nötigste. Er veröffent- lichte über50Jahre hinweg,seinSchriftenverzeichnis ergibt jedoch nur die schmale Anzahl vonknapp20Publikationen, die meisten vonihnen an abgele- genen Stellen oder als Privatdruck veröffentlicht und kaum zu recherchieren.⁶ Helmut Möllerhat Jahrzehnte lang grundlegende Einführungslehrveranstal- tungen im Fach Volkskunde durchgeführt,den Zugangzuseinen Spezialkollo-

graphie dürfte der HamburgerVolkskundler und Germanist Heino Gehrts (–)aufwei- sen, der vonWilhelm Flitner  in Philosophie promoviert wurde,wenngleich er Privatforscher und nicht universitär verankert war.Sein Nachlass liegt unterder Signatur / im Archivdes IGPP.Für den Hinweis bedankeich mich bei UweSchellinger,IGPP.  Undals solcher ist er auch vonden Herausgeberinnendankenswerterweise in diesen Ta- gungsband mit aufgenommen worden.  Eine Bibliographie der Schriften Möllers sowie seine im Folgenden zitierten und erwähnten Publikationen finden sich in dem diesem Beitrag angehängten Schriftenverzeichnis Möllers und nicht in der allgemeinen Bibliographie des Artikels. „VomUntergrund des Abendlandes“ 359 quien gewährte er aber nur einer ausgesuchten kleinen Gruppe vonStudieren- den. Er betreute zudem eine nur kleine Zahl vonAbsolventen, aber selbst von diesen gewährte er nur wenigeneinen Einblick in seineeigentlichen For- schungsschwerpunkte. Und er stieß zwar viele unkonventionelle Themen an, et- liche Absolventen aber schriebenihre Arbeitenaus verschiedenen Motivendann bei anderen Dozenten oder Dozentinnen. DieFolge davonwar,dass sich Möller keine eigene ‚Schule‘ aufgebaut hat und er seine Forschungsthemen auch nur begrenzt weitergeben konnte. Vondaher ist er heute einer breiteren Forschung eher unbekannt.Sein indirekter Einfluss als ‚graueEminenz‘ jedoch ist,wie im Folgendengezeigt wird,inder einschlägigenLiteratur,inder wissenschaftshis- torischen Rezeption und bei vielen Fachkollegen dennoch deutlich zu spüren.

2Zur akademischen Biographie

Helmut Möller wurde am 18. August 1926 im hessischen BadHersfeld in eine klassische Lehrerfamilie hineingeboren. 1933 bis 1937 besuchte er die Volks- schule, dann absolvierte er die Oberschule für Jungen bis er im Juli 1944 vorder Abiturprüfung eingezogen wurdeund bis Kriegsende Soldat in mehreren Artil- lerieregimenternwar.Ergeriet nach Kriegsende 1945infranzösische Gefangen- schaft und wurdeimMärz 1946 entlassen. Danach nahm Möller an einem schu- lischen Ergänzungskurs teil und bestand im Dezember 1946 dasAbitur.⁷ Vom Sommersemester 1949 bis zum Wintersemester 1953/54 studierte Helmut Möller an der Universität Göttingen Deutsche Volkskunde, Soziologie, Philosophie und Deutsche Philologie. Sein volkskundlicher Lehrer warWill-Erich Peuckert,sein Lehrer der Soziologie Helmuth Plessner.Bei beiden promovierteMöller 1954 über den „Funktionalismus in der Volkskunde“,eine Arbeit,die ein unveröffentlichter Dissertationsdruck blieb, obwohl das Thema originell verarbeitetwar. Möller untersuchte darin die Möglichkeit der Anwendungdes vonBronislaw Malinowski in den 1920er Jahren begründeten Funktionalismus in der Völker- kunde aufdie volkskundliche Feldforschung.Die Studie betrat damit Neuland, wurde aber in der deutschen Volkskunde nicht rezipiert.Diese Konstellation – Neuland zu betreten, sich fachlich abseits zu positionierenund schlecht recher- chierbar zu sein – solltezueinemKennzeichen in Möllers wissenschaftlicher

 Lebenslauf Helmut Müller vom ..,in: UniversitätsarchivGöttingen(UAG), Perso- nalakte(PA)Helmut Möller,Universität-Kurator I, Blatt .Eine Anfragebeim BundesarchivBerlin (BArch Berlin) hat ergeben, dass Möller am .. mit der Nr.  in die NSDAP aufgenommenwurde, jedoch keine Parteiämter innehatte. NSDAP-Gaukartei, Möller,Helmut,in: BArch Berlin. 360 Bernd Wedemeyer-Kolwe

Laufbahn werden, nur unterbrochen durch die singuläre, wenngleich große Wirkmächtigkeit seiner vonPeuckert angestoßenen und geförderten, 1969pu- bliziertenHabilitationsschrift „Die kleinbürgerliche Familie im 18. Jahrhundert. Verhalten und Gruppenkultur“.Indieser legt Möller ein thematischbreites und mit einem dichten Quellenteppich unterlegtes Panorama kleinbürgerlichen Da- seins vom17. bis 19.Jahrhundert vor. In dieserArbeit zeichnete er sich als Fach- gelehrter der Aufklärung und ihren Folgen aus; das Buch gilt heute nochals Standardwerk. Nach seiner Dissertation 1954 wurde Möller mithilfeder Förderungvon Peuckert erst als wissenschaftliche Hilfskraft beschäftigt, 1957 dann als wissen- schaftlicher Assistent eingestelltund 1958 schließlich ins Beamtenverhältnis übernommen.⁸ 1962wurde Möllernach seiner Habilitation – das Buch erschien erst sieben Jahre später – in den Rang eines Privatdozenten erhoben. 1969erfolgte die Verleihungdes Titels „außerplanmäßiger Professor“ und später dann die Übernahme als ordentlicher Professor für Volkskunde, alles in Göttingen. 1988 ging Möllermit 62 Jahren in den vorgezogenen Ruhestand. Als zentraler Lehrer,wichtiger Förderer und bedeutsamer Stichwortgeber bis zu seinem Tod1969ist Will-Erich Peuckert für Helmut Möllervon ungeheurem Einfluss gewesen. Der 1895 im niederschlesischen Töppendorf geborene Peuckert war seit 1915 Volksschullehrer im schlesischen Isergebirge,bis er 1921 nach Breslauversetzt wurde, wo er von1922bis 1927 das Studium der Geschichte, Germanistik und Volkskunde absolvierte und mit einer Promotion überden frühneuzeitlichen Mystiker Abraham vonFranckenbergabschloss.1932habili- tierte er sich mit einer Arbeit über die verschiedenen frühneuzeitlichen Ausgaben der Volksbücher über die sybillinischen Weissagungen. Zeit seines Forscherlebens befasste er sich mit Volksüberlieferungen sowie mit frühneuzeitlicher Geheim- wissenschaft und ihrer Überlieferung,inklusive Rosenkreuzerliteratur,schwarzer und weißer Magie, Astrologie und entsprechenden biographischen Forschungen über Paracelsus, Staricius und andere Protagonisten der Zeit.⁹ Peuckert,der als außergewöhnlicher Individualist galt,schrecktedabei vorSelbstversuchen nicht zurück. Seine schon um 1930 sowienochum1960 vorgenommenen Selbstmedikationenmit „Hexensalbe“–die offenbar,wie andere Versuchspersonen bestätigen, mit Flugträumenund Halluzinationen einhergin- gen¹⁰ – sind legendär,und begründeneinenTeil seines bis heute noch beste-

 Peuckert an denUniversitäts-Kurator, Briefvom ..,in: UAG,PAHelmutMöller, Blatt .  Vgl. zu Peuckert vorallem Bönisch-Brednich/Brednich: Will-Erich Peuckert.  Vgl. dazu Richter: Hexensabbat,sowie Möller:Cantor, .Unter den Studenten Möllers kur- siertedas wohl unzutreffende Gerücht,Möller selbst habeebenfalls mit Hexensalbe experi- mentiert;dazu ließ sich aber kein Beleg finden. „VomUntergrund des Abendlandes“ 361 hendenBekanntheitsgrades nicht nur in der Wissenschaft.Dasich Peuckert in den frühen 1920er Jahren politisch bei den UnabhängigenSozialdemokraten (USPD) engagiert hatte, was ihm zusätzlich den Nimbus eines unbequemen Au- ßenseiters verlieh, wurde er nach 1933 ausseinen Ämtern entfernt und über- wintertebis 1945als Privatgelehrter. Nach 1945galt er als einer der wenigenpo- litisch unbelasteten Volkskundler.Daher wurde er im Sommer 1946 als Professor für Volkskunde nach Göttingen berufen, wo er bis zu seiner Emeritierung 1960 lehrte und forschte.Erpromovierte etliche Absolventen zum frühneuzeitlichen Hexenwesen, zum Aberglauben und zur Magia naturalis; zu seinem Lehrangebot gehörten entsprechende Veranstaltungenüber Astrologie, Hexenwesen, Magia naturalis,Aberglaube, Spukwesen und magische Texte der Frühen Neuzeit.¹¹ Will-Erich Peuckert hat seinen Schüler Helmut Möller thematisch (und wahrscheinlich auch persönlich) beeinflusst. UndMöllersetzte als Peuckerts thematischer Nachfolgerdessen Forschungsneigungen fort,weitete sie aus, ver- tiefte sie zum Teil deutlich und führtedamit die Tradition des Göttinger Instituts im Sinne Peuckerts bis zu seiner eigenen Emeritierung weiter.

3UniversitäreLehre

Seit den 1960erJahren war Möller mit der akademischen Lehre und mit der Be- treuung vonAbsolventen beschäftigt.Hier folgte er vonAnfang an einereigenen Choreographie:Bis zu seinem Ausscheiden1988 bot er in der Regel jedes Semester eine Vorlesung und zwei Seminare an. In seinen offenen, stets vormittags platziertenVorlesungen las er über allgemeine und unverfängliche Themen der historischen Volkskunde: so überAufklärung,Handwerk, Familie,Volksleben und Brauchtum.¹² Hin und wiederreferierteerüberabweichende Themen wie Magie in Vergangenheit und Gegenwart,Außenseiterund Unterprivilegierte in der Volks- kunde oder Geschichte der Magie im Abendland – möglicherweise mitdem Hintersinn, neue Interessierte für seineSeminare zu gewinnen. In seinen Übungenund Seminaren, die er abends in einem kleineren Semi- narraumabhielt,kamen okkulte oder zumindest alternative Themen zur Spra- che. Hier befasste er sich mit Seminarthemen, die bei Studierenden der 1970er und frühen 1980erJahre, die der damals gerade aufgekommenen neuen Alternativ- und Esoterikkultur nahe standen, mit Sicherheit Interesse weckten: Bruderschaft

 Zu diesem Abschnitt vgl. Bönisch-Brednich/Brednich:Will-Erich Peuckert,mit einer Listeder Promovenden Peuckerts im Anhang.  So und im Folgenden die Begrifflichkeiten in den entsprechenden Vorlesungsverzeichnissen. 362 Bernd Wedemeyer-Kolwe und Geheimbünde, Geschichte der völkischen Bewegung,Geschichte der Rauschmittel, Moderner Okkultismus, Prophezeiung und Propaganda, Okkultis- mus und Politik, Rosenkreuzer und Illuminaten, Hexen in alter und neuer Zeit, Utopiegeschichte und Lebensreformbewegung;letztereThemen von1976an–sie waren neben anderen Einflüssen auch der großen Monte Verità-Ausstellung von Harald Szeemann (1978)geschuldet,mit dem Möller in Kontakt stand und dessen Ausstellungermit seinem Seminarbesuchte.¹³ In seinen Kolloquien, die er von20bis 22 Uhr in seinem Arbeitszimmer abzuhalten pflegte, ging es dann gezielt nur noch um den „Untergrund des Abendlandes“ der letzten 150 Jahre – also um die Geschichte der esoterischen Gruppierungen und der okkulten Geheimbünde vonMadame Blavatskys „Theo- sophischer Gesellschaft“ über den „Hermetic Order of the Golden Dawn“ vonYeats und Crowley bis zu den aktuellen Ablegern, Nachfolgern und Konkurrenten des „Ordo Templi Orientis“ (O.T.O.) vonTheodor Reuß. Die Kolloquienselbst warenden Studierenden nur nach vorheriger Abspra- che und persönlicher Anmeldungzugänglich und es machte ihnen nichts aus, für die Veranstaltung keinenNachweisschein zu erhalten. Ohnehin pflegte Möller, wie er einmal bemerkte, schon in der ersten Stundeseiner Seminare die selbster- nannten Hexen und Kräutersammler auszusondern, und vondiesen gabesinden 1970er und frühen 1980erJahren unter den Studierenden gerade der Völker-und Volkskunde eine ganze Reihe.Soerinnert sich ein Absolvent:

Mir kam es damals schon wie ein Initiationsritus vor, wenn Möller die (stets auch schriftlich einzureichenden) Referate ihm noch unbekannter oder bereits bekannter,aber wenigge- schätzter Studenten – wenn die denn so unvorsichtigwaren, nach der erstenSitzungseiner Veranstaltung nicht fernzubleiben – fast schon genüsslich zerpflückte, dem Referenten gequältdas Wort abschnitt,das Thema selbst weiterführte und den armen Referenten vor versammelterStudentenschaft dadurch geradezu demütigte.¹⁴

Denn nachlässig vorbereitete Referate, die möglicherweise sogar mit Rückgrif- fen aufpseudowissenschaftliche Literatur ausgestattet waren, akzeptierte Möller nicht.Lauteines Zeitzeugenhabe er einmal einen Referenten kurzerhand „enterbt wg.Zitaten ausMichelets Hexe“.¹⁵

 Dies und das folgende nach einer Durchmusterungder gedruckten GöttingerVorlesungsver- zeichnissevon  bis .Vgl. zum MonteVerità als bedeutendes europäisches gegenge- sellschaftliches Zentrum immer noch Szeemann: Monte Verità; sowie zur Rezeptionsgeschichte der MonteVerità-Forschungzuletzt Schwab:Harald Szeemann.  Email vonDr. Ulrich Nußbeck, Potsdam, an den Verfasser vom ...  Email vonVolkerKnierim, Troisdorf, an den Verfasser vom ...Gemeint ist hier die Schrift „La Sorcière“ ()des französischenantiklerikal-aufklärerischen Historikers Jules „VomUntergrund des Abendlandes“ 363

Die Kolloquienumwehte eine gewisse elitär-hermetische Aura und sie be- saßen unter den Studierenden einen geradezu legendären Nimbus.Der Grund dafür bestand auch darin, dass die Absolventen in der Regel mit den Themen, der Literatur und Möllers Artdes Unterrichts überfordert waren, handelteessich doch um die Vermittlungabsoluten Spezialwissens,das erhebliches, selbstverständlich bei den Studierenden gar nicht vorhandenesVorwissen erforderte. Zudem lagen die damals noch spärliche Fachliteratur und auch etliche Quellen fast nur auf Englisch vor. Aber selbst wenn es Blavatskys „Geheimlehre“ und „Isisent- schleiert“ in einer zugänglichen deutschenÜbersetzung gab, so waren schon die deutschenAusgaben ohne detailliertes Vorwissen schwer verständlich genug. Auf der anderen Seite fiel es Möller, der sowohl Universalgelehrterinder allgemeinen Geistesgeschichte als auch belesener Fachmann eines Spezialfeldes war,mit Si- cherheitäußerstschwer,die komplexen Ingredienzien des Untergrundes des Abendlandes, die er dazu nochmit differenzierten Aspekten einer breiten Kultur- und Geistesgeschichte verknüpfte, Studierenden auch nur annähernd angemes- sen zu vermitteln. Helmut Möller benutzte indes seinWissen nicht als Selbstzweck oder als Selbstdarstellung. Dazu fand er viel zu sehr Vergnügenandessen selbstironischer Vermittlung, die er gern dazu verwendete,über allerlei vage Anspielungeneine Art okkulte Komplizenschaft mit seinem Gegenüber herzustellen, ohne dass man herausbekam, ob er seine Einwürfe ernst meinte oder nichtbzw.wie er generell zum Gegenstand seiner Forschung stand.Nicht nur sein Problem, sondern auch das seiner wenigenKollegen aufdiesem Gebiet,war es damals, sich in einem – universitär nicht anerkannten – Forschungsthema zwischen wissenschaftlicher Distanz und persönlicherNähe so angemessen zu bewegen, dass die eigene so- ziale und universitäre Position dabei gewahrt blieb; und hier griff er – wie andere auch – zur distanzwahrenden Allzweckwaffe des Akademikers,der Ironie. So traf er sich mit einerStudentin einmalextraineinem Park, um ihr ein Buch für ein Referat mit der Bemerkungzuüberreichen, dieses Buch dürfe man nicht in geschlossenen Räumen übergeben, wobei er sie zusätzlich warnte, mit dem Buch im selben Zimmer zu schlafen, da es zu gefährlich sei. Einmalwarnteereine wissenschaftliche Hilfskraft,die den Okkultbestand des Instituts ordnen sollte, davor, in die Bücher hineinzuschauen, denn das sei gefährlich und könne sie verstören.¹⁶ Ein anderes Mal verschreckteereinenKollegen mit der Bemerkung, er

Michelet (–), die bis heuteinmehrerenSprachen zahlreiche Auflagenerfährt und eine tendenziös-verklärende Interpretation der „Hexen“ bzw. der Hexenprozesse bietet und seit den er und er Jahren vonvielen, sich als „alternativ“ verstehenden Studierenden unkritisch rezipiert wurde. Vgl. dazu auch Wiedemann:Rassenmutter.  MündlicheMitteilungvon Dr.Mechthild Weß, Göttingen, an den Verfasser vom ... 364 Bernd Wedemeyer-Kolwe habe versucht,inZürich an einem Hexensabbat teilzunehmen, sich aber ausAngst davornicht in das betreffende Haus getraut.¹⁷ Typisch für Helmut Möller war seine Bemerkung über das 1988 erschienene Buch „Das Foucaultsche Pendel“ vonUmbertoEco, ein trotz seines gewaltigen publizistischen Erfolgesnur für ausgesprochen wenige Fachleute durchschau- barer Parforceritt durch die Geschichte der Geheimwissenschaften und ihrer Verschwörungstheorien: Möller meinte zwar,das Buch seiganz gut, bemerkte aber: „Zwei Fehler hat Ecodoch gemacht“,ohne jedoch sein Wissen darum preiszugeben.Typisch war auch, dass er in privaten Emails an Kollegen,wenn sich das Themaetwa um Geheimbünde rankte, gelegentlich nicht mit seinem Namen, sondern mit „FraFriesewegius“ unterzeichnete – er wohnteimFrieseweg. Es wardie verunsichernde Distanz und seine ironische Unberechenbarkeit, die dazu führte, dass nur wenige Absolventen bei HelmutMöllereine Ab- schlussarbeit ansteuertenund auch anfertigten bzw.anfertigen mussten, wobei die Letztgenannten in der Überzahl waren. Da 1979 der Göttinger Volkskunde- Ordinarius Rudolf Schenda das Institut in Richtung Schweiz verließ und Rolf Wilhelm Brednich ausFreiburgdessen Nachfolge in Göttingen erst ein paar Jahre später antreten konnte, durfteeine Zeitlang nur Helmut Möller Abschlussarbei- ten betreuen, was die Zahl seiner Absolventen zwischenzeitlich etwas ansteigen ließ. So fungierteerzwischen den späten1970ern und späten 1980erJahren als Erstgutachter für etwa ein Dutzend Personen. ZumVergleich: die Zahl der weib- lichen und männlichen Magistranden der Göttinger Volkskunde zwischen 1980 und den späten2000er Jahren lag bei mehr als 300 Prüflingen.¹⁸ Dissertationen hat Möllerals Erstgutachter nur eine betreut: über Handwerksforschung. Es gab jedoch unbestätigteGerüchte über eine damals zumindest geplante Dissertation über Aleister Crowley.¹⁹ Auch hier galten die Regeln der Möllerschen Ambivalenz. Es gabnur we- nigeStudierende, die ihre Arbeit bei ihm schrieben, einigeStudierende, die vor Möller kapitulierten und schließlich noch eine Reihe vonStudierenden, die mit

 So nach telefonischer Auskunft vonDr. Rein A. Zondergold, Göttingen, vom ... Zondergold war von  bis  an der Universität GöttingenLektor für niederländische Sprache und ist anerkannter Fachmann für Phantastische Literatur,ein Feld, das eine gewisse Nähe zu Möllers eigenen Themen aufweist.  Nach Recherchen im Archivdes GöttingerInstituts für Kulturanthropologie und Europäische Ethnologie (KA/EE) – das ehemalige,späterunbenannteSeminar für Volkskunde – ,Bestand ExamensarbeitenA–Z. Der unvollständige Bestand weist ca.  Magisterarbeiten ab ca.  bis zum Auslaufen des MA-Studiengangs  auf. Ich bedankemich bei Dr.Torsten Näser (Institut für KA/EE) für die Hilfe und Unterstützung bei der Einsichtnahme der Magisterarbeiten und In- stitutsunterlagen.  Telefonische Auskunft vonDr. Broder Heinrich Christiansen, Salzgitter,vom ... „VomUntergrund des Abendlandes“ 365 einem typischMöllerschen Thema bei einem anderen Dozenten ihren Abschluss machten. Zu den Letzteren zählten Absolventen mit Arbeiten wie „Nationalso- zialistische Sinnbildforschung“ oder „Quellenstudien zu Angst vorScheintod und Lebendigbegrabenwerden im 18. Jh.“.Zuden sehr seltenen Erstgenannten zähl- ten Kommilitonen mit Themen wie „Die Republik FreiesWendland“ (1981), „Ge- meinnützige Magazine der Spätaufklärung“ (1982) oder auch „Die deutschen Okkultgruppen 1875 – 1937“ (1980).²⁰ In der Regel, aber dies dürfteniemanden verwundern, der die alternative studentische Szene vondamals überblickt,tauchten bei Helmut Möllerdiejeni- genAbsolventen auf, die sich gelegentlich selbst im Labyrinth jener Seitenpfade aufhielten, die Möller historisch erforschte oder für die er sich interessierte, und die sich bisweilen auch darin verirren konnten.²¹ So gehörte ein Absolvent Möllers zur „Bewegung UndogmatischerFrühling“,die im Rahmen der „Sozialistischen Bündnisliste“ in den späten1970er Jahren den AStA der Göttinger Universität stellte. DieserAbsolvent – was erst 2001 bekannt wurde – hatte unter dem Pseudonym „Mescalero“ damals in der Göttinger AStA-Zeitung den sogenannten Buback-Nachruf mit der zum berüchtigten Zitat gewordenen Bemerkungder „klammheimlichen Freude“ verfasst.²² Ein anderer Studierender geriet aufgrund vonDrogenmit dem Gericht in Konflikt; Gerüchten zufolge habe Möller seinem Absolventen mittels eines entlastendenBriefesandie Behörden Beistand zu leisten versucht,indem er angeblich daraufhingewiesen haben soll, dass toxische Selbstversuche in der Volkskunde – siehePeuckert – zum klassischen For- schungskanon gehörten. Befragt man einstige Absolventen seiner Seminare, so schildern sie rückbli- ckend ähnliche Erfahrungen und Eindrücke: Hochachtung vorseiner wissen- schaftlichen Tiefe, Ehrfurcht vorseinem Hang zur Perfektion, die ihn gleichzeitig die aufSelbstdarstellung bedachten Kollegen verachten ließ, und Respekt vor seiner konservativenArt.Ein ehemaliger Absolvent fasste dies wie folgt zusam- men:

Möllers überragende fachliche Tiefe, methodische Akkuratesse und Weitedes Horizonteswar natürlich zugleich seine größte Schwäche. Beiihm gingimmer alles vonfachlich-inhaltli- chen Fragestellungen aus. Beherrschung formaler Methodiken, OrientierungimFach usw. wurde einfach vorausgesetzt,sogut wie nie thematisiert oder vermittelt.Die Auseinander-

 In der publizierten Version dieser Arbeit vonGlowka: Okkultgruppen, taucht allerdingskein Hinweis aufMöller als Prüfer und Betreuer der Magisterarbeit auf.  Einen guten,wenn auch oft zu ausufernden Überblick über die halb-und zwischenakade- misch-alternative Kultur jener Zeit vermittelt jetzt Reichardt:Authentizität.  Vgl. dazu Steinseifer:Terrorismus, . 366 Bernd Wedemeyer-Kolwe

setzungmit den Inhalten enthieltextrem seltenElementeeiner Perspektive über das Studium hinaus in das Berufsfeld […]. Die Kontakte, die er vermittelte,waren rein fachlicher Natur und trugenkaumoder gar nicht Frucht in Hinsicht aufKarriereoder auch nur Orientierung im Wissenschaftsbetrieb.Werkannte schon Ellic Howe, Fritz Bolle oder Frh. vonPöllnitz [sic!]²³ und wozu?[…]Fachlicher Inhaltund hohe Ansprüche an die Erschließung dieser Inhalte standen im Vordergrund. Demgemäß zogMöller als Lehrer vorallem die Naturen an, die in ihrenInteressen und/oder Herangehensweisenähnlich disponiert waren und die Auffassung vomPrimat der Inhalte teilten. Eine gewisse Forschheit benötigte man natürlich auch, sich überhaupt zu getrauen, bei ihm zu studieren. Im Resultat teilten die meisten seiner Schüler die oben genannteSchwäche des Desinteresses am Betrieb bzw. eine gewisse Hilflosigkeit davoroder gar Verachtungdafür.Alles in Allem keine gutenVoraussetzungenfür die gezielte Erarbeitungeiner Berufsfeld-Strategie.²⁴

Dies alles führtedazu,dassder studentische Kreis um Helmut Möller, dem bis aufwenige Ausnahmen nur Männer angehörten, in gewisserWeise bündischen Charakter besaß, zwar nicht in Form eines Stefan-George-Kreises mit Meister und Schülern, aber,soein Absolvent, „es war dennoch etwas Besonderes für das Selbstbewußtsein, zu seinem Kreis gehören zu dürfen“.Ein gewisses elitäres Selbstbild „ähnlich solcherKreise in Abgrenzung zum übrigen akademischen Betrieb am Institut schlich sich schon ein wenigein“.Möller habedurch sein Beharren aufinhaltliche Arbeit eine InselamRandder Möglichkeiten für sich und seine Studenten geschaffen und es „war wohl diese Ahnungvon Möglichkeiten, die nichtimprofanen Geldverdienen aufgingen, die ihn […]als Lehrer so attraktiv machten.“²⁵ „Ich habe auch bei Schenda studiert“,soerinnerte sich ein anderer Absolvent nach 40 Jahren, „aber vonAnfang an hat mich dieser Möllerangezogen, weil er anders war […]. Da scheint eine andere, eine alternative Form vonWis- senschaft und Wissenschaftsorganisation auf. Das glaube ich zu spüren, ich kann es nicht belegen.“²⁶ Und auch ein dritter Zeitzeuge meinte rückblickend:

Vondem wissenschaftlich so anspruchsvollen und menschlich unnahbaren Möller (den in den späten 70er und frühen 80ern der Rufumwehte, der Wissenschaftler des in hippieesken studentischen Kreisen extrem angesagten Okkultenund Grenzwissenschaftlichen zu sein) akzeptiertzuwerden, war für den thematikaffinen Studenten so etwas wie ein Ritterschlag, der den ein oder anderenvielleicht auch dazu verführte, sich selbst als Teil einer kleinen Elite

 Gemeint sind der englische Privatforscher,ehemalige Geheimdienstler und Okkultaspezialist Ellic Howe(–), der Schriftsteller,Zoologe und FreimaurerFritz Bolle (–) sowie der Historiker Prof. Dr.Götz vonPölnitz (–).  Email vonVolkerKnierim, Troisdorf, an den Verfasser vom ...  Email vonVolkerKnierim, Troisdorf, an den Verfasser vom ...  Brief vonKlaus Hülbrock, Weimar,anden Verfasser vom ... „VomUntergrund des Abendlandes“ 367

zu sehen, die mit dem Themenkanon der konventionellen Volkskunde nicht viel anfangen konnte und wollte.²⁷

4Wissenschaftliche Forschung undRezeption

Helmut Möller trat nur punktuell und diskret an die universitäre Öffentlichkeit. In Bezugauf seine Forschungsthemen und Publikationen schaffte er es, überdie Seltenheit seiner Aufsätze und Bücher,die komplexeRhetorik seiner Sätze und die schwierigeVerfügbarkeit seiner Veröffentlichungen, das übliche akademische Forum so unbemerkt wie möglich zu betreten. Überdies blieberauch bei seinen Recherchen stets diskret,forschte am liebsten in Privatbibliothekenund nahm stets inkognito an teilnehmenden Beobachtungen teil. Zudem lehnte er das seiner Meinung nach vorschnelle Veröffentlichen konsequent ab. Dies alles führtedazu, dass er nur sehr wenig publizierte, und das wenige danninhaltlich geballt prä- sentierte. Thematisch interessierte Helmut Möller das, was er in Anspielungauf Spengler einmal den „Untergrund des Abendlandes“ genannt hat.Ererforschte diejenigen geistesgeschichtlich-naturwissenschaftlichen Strömungender Frü- hen Neuzeit,die in der Moderne ausverschiedenen Gründen zu deren Unter- strömungenwerden sollten und die er damals – wie es viele Forscher taten – als Gegenbewegungen zu den Anforderungenund Zumutungen der industriellen Moderne auffasste.²⁸ Dabei konzentrierteersich aufdie Schnittstellen zwischen inoffiziellerund offizieller Kultur; Schnittstellen, die in der Gesellschaft kaum wahrgenommen wurden und daher vonbesonders rezeptiverWirkmächtigkeit sind bzw.sein können. Unter anderem befasste sich Möller intensivmit der Be- deutung,Wirkungund Rezeption vonGeheimgesellschaften, Okkultgruppen und esoterischen Zirkeln ab dem ausgehenden 19.Jahrhundert, nicht ohne als exzel- lenter Kenner der Frühneuzeit mit ihren ausRechtfertigungstaktiken postulierten, in der Regel aber imaginierten Kontinuitätslinien zu historischen Geheimgesell- schaften vomSpätmittelalter bis zur Aufklärung gründlich aufzuräumen. Dazu gehörten die Theosophie ebensowie die Buddhismusrezeption, die Freimaurer- logen ebensowie die Winkellogen, die apolitischen Sexual-Okkultgruppen ebenso wie die völkischenRunenphantasten, die literarisch beeinflussten Esoterikzirkel des 19.Jahrhunderts ebenso wie ihre modernen geschäftstüchtigen, sich auf

 Email vonDr. Ulrich Nußbeck, Potsdam, an den Verfasser vom ...  So etwa bei der frühen Fidus-Studie vonFrecot/Geist/Kerbs: Fidus,bei Frecot: Lebensre- formbewegung; oder auch bei Szeemann: Monte Verità. 368 Bernd Wedemeyer-Kolwe

Esoterikmessen tummelnden Nachfolger, die damaligezivilisationskritische Le- bensreformbewegungebenso wie ihre gegenwärtige bürgerliche Alternativbewe- gung.²⁹ Möllers Haltungwar die einesseriösen Aufklärers,der über die ahistorische Haltungderer,die er erforschteund derjenigen, die jenen glaubten, den Kopf schüttelte.Ammeistenjedoch frappierten ihn die Interessenlosigkeit und die mit einem gewissen Dünkel gefütterteDistanz der damaligen Geschichtswissenschaft gegenüber dem Okkultismus als Forschungsthema.Inseiner Reuß-Biographie resümiert Helmut Möller die damaligeSituationresignativ:

Wasbleibt,ist die Tatsache einer sich [im Okkultismus,B.W.-K.] manifestierendenErbschaft, die als historische nicht danach fragt,obsie einem genehm ist oder nicht,weil sie unter dem Niveau der „Geistesgeschichte“ liegt – und wir als Hinterbliebene und Betroffene. Diese Erbschaft zur Kenntnis zu nehmen, sich ernsthaft mit ihr zu beschäftigen, bedeutet noch keine Diagnose – geschweigeTherapie –,aber es wäreein Versuch, der die Chancen ver- ringern könnte, daß [sic!] sich bei der nächsten Manifestation des Okkultismus die jeweils letzteAufklärungkompromittiert.³⁰

Möller erforschte seineThemen zu einer Zeit,inder es nur sehr wenigSekun- därliteratur,eine geringeZahl erschlossenerQuellen und nur wenige aus- tauschinteressierte Fachkollegen gab. So blieb Möller nichts anderes übrig als solitäre gründliche und geduldige Forschung.Erunterzogjedes Dokument einer Quellenkritik,versicherte sich jeder nur zugänglichen Kontrollquelle und besorgte sich jede erreichbareSekundärliteratur,die damals fast ausschließlich in engli- scher Sprache erhältlich war.Sein Perfektionsdrang verschob bzw.verhinderte dabei so manchesMal eine Publikation. Er behauptetedann, ohne ein bestimmtes fehlendes Dokument könne er seinen Text nicht abschließen.³¹ Heuteist das, was Möller vorwiegend im Alleingang erforschte, Gegenstandzahlreicher wissen- schaftlicher und populärwissenschaftlicher Bücher geworden. Und Möller musste feststellen, dass seineakribische und an abgelegener Stelle publizierteForschung vielfach ausgeblendet wurde oder nur am Rande Erwähnung fand.

 Vgl. zum damaligenforschungsgeschichtlichen Gesamtzusammenhangdie frühen Arbeiten vonSchnurbein: Neuheidentum; Puschner/Schmitz/Ulbricht: Handbuch; sowie Schnurbein/Ul- bricht: Völkische Religion. Zumindest Stefanie vonSchnurbein, heuteProfessorin für Neuere Skandinavische Literaturenander Humboldt-Universität in Berlin, die damals in Göttingenlebte, hatteseinerzeit aufgrundihrer Forschungsthemen Kontakt zu Möller.  Möller/Howe: Merlin Peregrinus, .  MündlicheMitteilungvon Prof. em. Dr.WolfgangBrückner (*), Würzburg, einem volks- kundlichen Weggefährten Möllers,vom ...InMöllers Nachlass finden sich einigeun- veröffentlichteTexte. „VomUntergrund des Abendlandes“ 369

Dass so manche Forschung nicht oder nur bedingt aufMöller zurückgriff, hatte auch damit zu tun, dass seine Arbeiten in der Regel zu gründlich waren, um ihnen nochetwas Essentielleshinzufügenzukönnen. So schrieb der langjährige Herausgeber der Zeitschrift „Gnostika“,der kenntnisreicheund gutinformierte Hans Thomas Hakl,³² über seinen Versuch, einen Aufsatz überden Esoterik-Rei- seschriftsteller und Okkultisten Franz Sättler zu verfassen:

Damit kommen wir schon zur bis heutebei weitem wichtigsten Forschungsarbeit über das Leben Franz Sättlers,inder auch erstmals die wichtigsten biographischen Eckpunkteauf- scheinen. Ich spreche vomüberaus gründlichrecherchierten Beitrag Prof. Dr.Helmut Möl- lers,der unterdem Titel ‚Licht ausdem Osten: Franz Sättlers wundersame Reise nach Nuristân‘ in der Festschrift zum 80.Geburtstagdes englischen Okkultforschers und Druck- experten Ellic Howeerschien. Helmut Möller hat nun alle möglichen biographischen Re- cherchen durchgeführt,bei den verschiedenstenÄmtern, Staatsstellen und Universitäten Erkundigungen eingeholtund nach alten Zeitungsartikeln geforscht.Jede neue Beschäfti- gung mit Franz Sättler – und auch die meinige – fußtsomit notwendigerweise aufseiner wertvollen Arbeit und seinen bibliographischen Angaben.³³

Auch der Freiburger Jurist Dr.Albrecht Goetz vonOlenhusen, ein langjähriger Freund und Forscherkollegevon Helmut Möller, vertrat die gleichen Ansicht: „Möller hat zu Sättler das immer noch maßgebliche Werk verfasst. Hakl hat nicht sonderlich viel hinzufügenkönnen.“³⁴ Im Folgenden soll an einigen Beispielen der typisch Möllersche Stil ver- deutlicht werden. Das erste Beispiel zitiert den Beginn der Privatpublikation „Jahrhundertfeier.Vom Untergrund des Abendlandes“ von1975, einer Vorstudie zu Möllers Theodor-Reuß-Biographie „Merlin Peregrinus“:

Mit dem Jahr 1875 läßt William Butler Yeats – Adept des Hermetic Order of the Golden Dawn, Magier,Nobelpreisträger und Senator – in seinem Spätwerk ‚AVision‘³⁵ eine neue Phase der 2000 Jahrewährenden Drehungdes Großen Weltenrades beginnen. Mag es aufdie be-

 Der österreichische Privatforscher und promovierteJurist Hans Thomas Hakl (*)hat sich aufdie Geschichteder kulturellenUnterströmungen spezialisiert. Zu seinem wichtigsten Werk zählteine Arbeit über die Geschichteder Eranos-Tagungen in Ascona (vgl.Hakl: Eranos).Von  bis  war er Herausgeber und Redakteur der Zeitschrift „Gnostika. Zeitschrift für komple- mentäres Denken, Wissenschaft,Esoterik, Lebenswelt“.  Hakl: Franz Sättler,bezieht sich hier aufden Aufsatz vonHelmut Möller:Franz Sättler.Die erwähnteFestschrift für Howeist ein Privatdruck und im Buchhandel nicht erhältlich.  Brief vonDr. Albrecht Goetz vonOlenhusen, Freiburgi.Br.,anden Verfasser vom ...  Möller lag damals nur die englische Ausgabevon „AVision“ vor. Die deutsche, mit wissen- schaftlichen Kommentaren versehene Übersetzung des schon  publizierten Buches,das die Yeats-Forschung, auch aufgrund des „okkulten“ Hintergrundes,als „untypisch“ für einen No- belpreisträger empfand, erschien erst .Vgl. Yeats:Vision. 370 Bernd Wedemeyer-Kolwe

trächtlichen Kommunikationsschwierigkeitender nichtmenschlichen Intelligenzen zurück- zuführen sein, die sich seiner jungen Frau als Medium bedienten – zunächst ihre Informa- tionen durch automatisches Schreiben lieferten, dann Mrs.Yeats im Schlaf künden ließen –, magYeats trotz jahrelanger Beschäftigung an dieser Stelle die Botschaften nicht korrekt interpretiert haben oder doch vonden tückischen ‚frustrators‘ abgelenkt worden sein: Dieses Datum seiner esoterischen Geschichtsbetrachtungfindet jedenfalls in Spenglers Periodi- sierung, die er im nachhineinkennenlernteund aufderenEntsprechung er so großesGewicht legte, keine Stütze.³⁶

Das zweiteBeispiel referiert den Anfang seines Aufsatzes „Das Weltliche Kloster. Topos und gelebte Utopie“,den Möller1988 einerFestschrift für seinen Hamburger Kollegen Gerhard Lutz zur Verfügung stellte:

Voneiner ‚Abbey Thelema‘ dürften in den 50er Jahrennur sehr wenige Hamburgergehört haben,vondenen allenfalls ein Teil mit dem Namen etwas anfangenkonnte, und doch belegt der Hinweis nicht nur die Vorstellungeines ‚weltlichen Klosters‘ noch in unserer jüngeren Vergangenheit,sondern deutetauf einen Traditionsstrangvoraus, der schon bald nach dem letzten Krieg in dem Herausgeber des kurzlebigenArchivs ‚Merlin‘ des HamburgerAxel Springer-Verlages einen Fürsprecher gefunden hatte, den wir dann kurz vorseinem Todselbst zur Schweizer AbteiThelema pilgern sehen.³⁷

Das dritte Beispiel gibt den Beginn des unpublizierten, 1989 verfassten und bis 1991 mehrfach korrigierten Aufsatzmanuskriptes „Runen-Magie. Odin, Marby und die Folgen“ wieder:

Lagardes Forderungeiner ‚Germanisierung des Christentums‘ wurde im ausgehenden 19.und beginnenden 20.Jahrhundert vonverschiedenenAutoren aufgegriffen, vondenen allenfalls noch Houston Stewart Chamberlainund seine ‚Grundlagendes 19.Jahrhunderts‘ (1899) bekannt ist,während der Name des damals vielgelesenen und vonEugen Diederichs her- ausgebrachten Arthur Bonus heutekaumgeläufig ist,von anderenDeutsch-Theologenzu schweigen. Das Thema war auch dem zeitgenössischenLexikon ‚Religion in Geschichteund Gegenwart‘ immerhineinen fast vierspaltigen Artikel wert,der mit der Zuversichtschloß, ‚Nietzsche werde recht behalten, daß die Deutschendas unwiderleglichste Christentum haben‘.Der Verfasser verweist neben einer Reihe vonKünstlern noch aufzweiTheologen, die sich eher außerhalb der Fachgrenzen einen Ruferwarben: ‚In eigentümlicher Weise (sei nämlich) die G(ermanisierung)des Christentums vonH.Lhotzky und Johannes Müller fortgeführt (worden).‘³⁸

 Möller/Howe: Jahrhundertfeier, .  Möller:Kloster, .Gemeint ist der einflussreiche Biologe,Lebensreformer und EsoterikerDr. Herbert Fritsche (–). Vgl. zu Fritsche Wedemeyer-Kolwe: Zwischenreich; sowie die nichtwissenschaftlicheBiographie des Fritsche-Epigonen Zachmann:Fritsche.  Möller:Runen-Magie, .Der Orientalist und antisemitische KulturpessimistPauldeLagarde (–)geriet erst ab den späten er Jahren in den Fokusder Wissenschaft.Eine La- „VomUntergrund des Abendlandes“ 371

Diese drei Beispiele mögen genügen, den verschachtelten, ironisch-distanzierten Möllerschen Stil, seinen thematischen Bezugsrahmen und seine komplexen historischen Verweissysteme zu illustrieren. Die Rezeption seiner Schriften fällt dementsprechend unterschiedlich aus: Wissenschaftler wieHelmut Zander, der seit Jahrzehnten zur Theosophie und Anthroposophie forscht und aufgrund der angeblich fehlenden Seriosität des Themas langeZeit ausTeilen des Wis- senschaftsbetriebs ausgegrenzt worden war,³⁹ nennen die Reuß-Biographie von Möller eine „Pionierarbeit“.Dagegen mag eine selbstentlarvend-unbeabsichtigte Bemerkung des selbsternannten Chronisten des Reuß-Ordens O.T.O.,des Schweizer Journalisten Peter-R.König,auf dessenMangel an Rezeptionsfähigkeit vonMöllers Büchernhindeuten, wenn er 1995 notiert: „Eine wirklich lesbare und lesenswerteBiographie Reuss’ steht immer noch aus.“⁴⁰ Gemäß der damaligen Distanz der universitären Wissenschaften zur Okkul- tismusforschung konzentrierten sich die wissenschaftlichen Kontakte Möllers aufwenige – als Außenseiter geltende – Fachkollegen oder aufPrivatforscher mit akademischem Hintergrund.Sogehörten zu seinen langjährigenund engeren Kontakten der englische Privatforscher Ellic Howe(1910 –1991), der Kunsthisto- riker und Documenta-Macher Harald Szeemann (1933 – 2005), der Schweizer Historiker Dr.Armin Mohler (1920–2003), der Jurist Dr.Albrecht Goetz vonOle- nhusen(*1935), der Historiker Prof. Dr.Ulrich Linse⁴¹ (*1939), der Gießener Volkswirt und PsychologeProf. Adolf Hemberger(1929–1992),der Göttinger Li- teraturwissenschaftler und platonische Freund der Schriftstellerin und Psycho- analytikerin Lou Andreas-Salomé, Ernst Pfeiffer⁴² (1893–1986) und der hannov- ersche Pfarrer EkkehardHieronimus (1926–1998). Zudem hatte Möllerauch

garde-Biographie liegt mittlerweile vor(vgl. Sieg:Lagarde). Ähnliches gilt für den evangelischen Pfarrerund Vertreter eines deutschen Christentums Arthur Bonus (–).Vgl. zum Umfeld Lächele: Germanisierung;sowie Haury:Müller-Elmaufür den „Elmauer“ DeutschchristenJo- hannes Müller (–). Der protestantische Theologe Heinrich Lhotzky (–)war in dem Maße noch nicht Gegenstand der Forschung.  Zander: Anthroposophie, Band ,  und f.; sowie Wedemeyer-Kolwe: Rezension Zander.  König:Ein Leben, .  Nach telefonischerMitteilungvon Ulrich Linse, München, an den Verfasser vom ... In der Bibliothekvon Helmut Möller befandensich mehrere Bücher vonUlrich Linse. In einem von ihnen lagenkurze schriftlicheMitteilungen vonUlrich Linse an Helmut Möller.Vgl. auch den Beitrag vonLinse in diesem Band sowie zur Bedeutungvon Linse dessen Festschrift von Baumgartner/Wedemeyer-Kolwe: Aufbrüche.  So nach telefonischer Auskunft vonDr. Rein A. Zondergold, Göttingen,vom ...Laut Zondergold pflegteMöller im engeren Kreis gern über Pfeiffers privateSchrullen zu berichten. 372 Bernd Wedemeyer-Kolwe immer wiederKontakt mit Hans Bender (1907–1991)und Eberhard Bauer (*1944) vomFreiburgerIGPP. Sein engster Freund,soweit man das überhaupt sagen kann, warsicherlich Ellic Howe, Absolvent der Universität Oxford, ausgebildeter Druckermit dem Spezialgebiet deutsche Typographien, im Zweiten Weltkrieg Mitglied des Ge- heimdienstteams für psychologische Kriegsführungvon Sefton Delmer und im Auftrag der britischen Regierung als Meisterfälscher zuständig für Herstellung und Verbreitungvon schwarzer politischerPropaganda gegenden Nationalso- zialismus. Ellic Howewar Autor zahlreicher historischer Untersuchungen zum Druck-und Verlagswesen, zum Nationalsozialismus,zur schwarzen Propaganda, zum Okkultismus,zur Astrologie und zur Freimaurerei.⁴³ Über die letztgenannten Themen lernten sich Möllerund Howekennen und verfasstengemeinsam Studien über den „Untergrunddes Abendlandes“ (und verbrachten dafür zahlreiche Ur- laubs- und Studienreisen u. a. an den LagoMaggiore miteinander). Den bekannten Documenta-Macher und ‚geistigen Gastarbeiter‘ Harald Szeemann lernte Möller über dessengroße Monte Verità-Ausstellung in den späten 1970er Jahren kennen.Inden historischen Dunstkreis um die Schriftsteller, Lebensreformer,Aussteiger, Theosophen und Ausdrucktänzer aufdem Monte Verità gehörte auch TheodorReuß. Aber auch hier zeigt sich die typischeMöl- lerscheAmivalenz. Im Katalog zur Ausstellungist Möller nicht mit einem Aufsatz vertreten, obwohl er in Fußnoten anderer Beiträgeerwähnt wird. So weit bekannt ist,hatte Szeemann ihn um einenText gebeten, aber Möllerhatte dies mit seinem typischen Hinweis abgelehnt, er sei noch ganz am Anfang seiner Forschung. Armin Mohler,dessenpolitische Richtung Möllernicht teilte,kannteerüber dessenfrühe Handbücher zur „konservativenRevolution“,die auch die völkischen Propheten und Phantasten, überdie Möller gearbeitet hatte,behandelte.⁴⁴ Den Pfarrer und Privatforscher EkkehardHieronimus kannteerüber dessen Forschung zu dem völkischenAriosophenJörgLanz vonLiebenfels.⁴⁵ Angeblich versuchte Hieronimus vergeblich, bei dem zaudernden Möller darüber zu promovieren. Den umstrittenen Adolf Hemberger, der neben seinem ‚offiziellen‘ Leben als Univer- sitätsprofessor noch eine inoffizielle Seite als Chronist,Forscher und teilneh- mender Beobachter vonGeheimgesellschaftenund Okkultgruppen hatte, musste

 Vgl. zu Howes Leben und Werk insgesamt Goetz vonOlenhusen: Wege und Abwege;sowie Howe: Schwarze Propaganda. Vgl. zu Delmer dessen Autobiographie Delmer:Die Deutschen; sowie die Delmer-Biographie vonBayer: Hitler.  Vgl. Mohler:Revolution. Das Handbucherlebtemehrere(erweiterte) Auflagenbis .In Möllers Bibliothekbefanden sich etliche vonMohler verfassteWerkemit handschriftlicher Widmung.  Vgl. Hieronimus: Lanz vonLiebenfels. „VomUntergrund des Abendlandes“ 373 er schon deshalb privat kontaktieren, weil Hemberger, der damals DFG-Gelder für seine Okkultforschungenerhalten hatte, seine hektographierten Bücher nur im Eigenverlagund in geringer Stückzahl herausgab,was sie heute als bibliophile Raritäten antiquarisch ausgesprochen teuer machen.⁴⁶ Insgesamt hielt sich Möl- ler,was sein Kollegenumfeld anging, notgedrungen in einemakademischen Paralleluniversum auf. Seine Kontaktpersonen hattenzwar genauwie er zumeist einen akademischen Hintergrund und eine offizielle beruflich anerkannteSeite, sie befassten sich aber alle mit damals akademisch keineswegsakzeptierten Forschungsthemen,was sie zu Außenseitern der gebildeten Welt werden ließ, und dadurch eben auch Studierenden des FachesVolkskunde für deren spätere Be- rufswegetatsächlichkaumnützlich sein konnten. Helmut Möller betriebmit seinem an Peuckert geschulten Selbstverständnis auch Feldforschung, d.h. er nahm, abgesehen vonder Befragung vonZeitzeugen für sein Reuß-Buch,z.T. – ausVorsicht vorunliebsamen Kontakten – inkognito Verbindungmit der damaligen okkulten Welt und ihren Protagonisten auf. Die Überlieferung dazu ist spärlich gesät,ein paar Hinweise müssen genügen. So besuchte Möller im Rahmen seiner O.T.O.-Forschungen mehrmals das weltliche Kloster Abtei Thelema im Stein bei Appenzell in der Schweiz, eine gemeinsame Institutionsgründung eines O.T.O.-Nachfolgers mit anderen Okkultgruppen, eine „Art Ordenskonglomerat“,soMöller,das sich „zur Zeit meines ersten Besuches (1973)“ als ein „nicht alltägliches geistiges Zentrum […]ohne Mauern mit sonn- täglicher gnostisch-katholischer Messe“ präsentierteund „einen Logen-Raum nebst Freimaurer-Museum, eine Kapelle, ferner Bibliothek und Druckerei, Labor und Tonstudio, Gymnastik-und Therapieräume“ aufwies.⁴⁷ Natürlich hatte Möllerauch zu Oskar Schlag (1907–1990) Kontakt,dem Schweizer Medium, Schriftsteller,Psychotherapeuten und Okkultasammler – dessen26.000 Bände umfassende Sammlunglagert heute in der Zentralbibliothek Zürich. Schlag gehörte von1930anzum Kreis um Carl GustavJungund Eugen Bleuler.Etwa zur selben Zeit war Schlag der Sprecher eines sich angeblich ma- nifestierenden Wesens namens A., dessen Lehren protokolliert und später als „Lehren des A.“ in zahlreichen Bänden u. a. vonAntoine Faivre und Erhart Kahle, beide mit Möller bekannt,herausgegeben wurden. Helmut Möller hatte den

 Vgl. Hemberger: Organisationsformen. Seit  sind im Eigenverlag etliche Bände und Zu- satzbände mit wechselnden Titeln und Untertiteln erschienen.  Vgl. Möller:Kloster, f. 374 Bernd Wedemeyer-Kolwe

Herausgeberkreis anfangsnoch begleitet,sich aber schnell darauszurückgezo- gen, so dass er offiziell in diesem Umfeld niemals auftauchte.⁴⁸ Beieinem seiner vielen AufenthalteinAscona am Lago Maggiore – für Möller nicht nur Urlaubsort und Forschungsstätte, sondern auch, so ein Absolvent „vielleicht Möllers eigentlicher Ort,mehr als Göttingen und die Uni“⁴⁹ –,nahm Möller 1973 inkognito an einem „Kurs für Runen-Yoga“ bei dem damaligen „Großmeister“ Karl Spiesbergerteil, der ein Epigone der Vorkriegs-Runenokkul- tisten Friedrich Marby und Sigfried Kummer war.SeinenTonbandmitschnitt tippte Möller späterabund fügte ihn in ein bislang unpubliziertes Manuskriptein,⁵⁰ aus dem hier kurz zitiert wird:

20 Interessentenstellten sich ein, warteten[…]auf den Runenmeister: Deutschschweizer, ins Tessin ausgewichene Deutsche oder Urlauber,alles Personen, die bereit waren, 120Franken für die Einweihung in die ‚für jedermann durchführbare Praxis zur Erhaltung der Gesundheit und zur geistigenEntfaltung‘ zu investieren […]. Meine Nachbarin war die Directriceeines Hotels,ein sportlich-asconeskerBeauentpupptesich als örtlicherBoutiquenbesitzer,ein etwas mickrigerHerrals Dr.med. ausBerlin, weiter demaskierten sich ein früherer Fabrikant […], im Tessin Ruhe suchend, eine ältliche Immigrantin ausdem ehemaligenKönigsberger Universitätsmilieu, und neben zwei, drei Anhängerinnen des Kursleiters […]einigeetwas verklemmteTeilnehmer […], und an der Stirnseitedes Raumes voreinem schweren Ei- chentisch agierend Karl Spiesberger,ganzHerr der Runen und der Situation.⁵¹

Trotz seines diskreten Vorgehens konnte es bei Möllers Feldforschung und seinen Themen nicht ausbleiben, dass Personenanihn herantraten, denenerlieber ausgewichenwäre. So hatte er anscheinend Kontakte zu O.T.O.-Mitgliedern, die er als aufdringlich empfand und gegenderenManipulationsversuche, die es laut Zeitzeugenoffenbar gegeben hat,ersich nicht recht zur Wehr setzen konnte. Auch der O.T.O.-Chronist Peter-R.KönigbedrängteMöller wohl wiederholt,zumindest brieflich. König ist bekannt dafür,dass er seine Bücherzur Okkultismusgeschichte mit zahllosen Faksimiles ohne Herkunfts- und Quellennachweis und damit ohne wissenschaftliche Belegstellen abgedrucktund viele Materialien gegenden Willen der Besitzer publiziert hat;ein eigenes wissenschaftsethisches Problem.⁵² König pflegt dazu noch aufseiner Homepagejedwede Kontakte und Meinungen überihn und ihm gegenüber – auch negative – öffentlich zu machen. So veröffentlichteer

 Laut einer Email sowie eines Briefes vonDr. Albrecht Goetz vonOlenhusen,Freiburgi.Br., an den Verfasser vom .. sowie vom ...Vgl.auch Schlag: Lehren;sowie Faivre: Esoterik.  Email vonKlaus Hülbrock, Weimar,anden Verfasser vom ...  Weitere Zitate ausdem unpublizierten Manuskript bei Wedemeyer-Kolwe: Runengymnastik.  Möller:Runen-Magie, f.  Vgl. Zander: Anthroposophie,Band , . „VomUntergrund des Abendlandes“ 375 ein kritisches, undatiertes Schreiben Möllers, in dem dieser aufKönigsbriefliche Penetranz Bezugnahm:

Es muessteIhnen doch klar sein, dass die Art und Weise, WIE das sicherlich interessante Material vonIhnen praesentiert wird, wissenschaftlich zu wuenschen uebriglaesst.Ich habe jahrelang Ihre nach Form und Inhalt – gelinde gesagt – eigenwilligenBriefe beantwortet.Da anscheinend Winkemit dem Zaunpfahl wirkungslos blieben, komme ich wohljetzt nicht mehr umhin, Ihnen im Klartext mitzuteilen, dass ich keine Briefe mehr beantworten werde und Sie ersuchen muss,weitere Kontaktversuche zu unterlassen.⁵³

Derartige Vorfälle dürften mit dazu beigetragen haben, dass sich Möller – vor allem nach seiner Pensionierung – zurückzog und entsprechende Kontakte nur noch indirekt pflegte. Diese extreme Diskretion hielt er bis an sein Lebensende durch,nur unterbrochen vonder Forschung an seinem letzten, 2003 erschienenen Buch, einer Biographie über den damals schillernden, heute gleichwohl unbe- kannten Barock-Juristen und -schriftsteller Johann Staricius; ein Thema, das Möller schon in den 1960er Jahren beschäftigte und mit dem vorihm auch Peu- ckert befasst war und das als eine Art Erbschaftsauftrag zu verstehen seinkönnte. Selbstverständlich ließ er auch dieses Buch als Manuskript drucken, ohne Verlag, ohne ISBN-Nummer und ohne offizielle Vertriebsmöglichkeit.Gleichwohl fand es eine gelehrte Leserschaft nicht nur in Deutschland.⁵⁴

5Fazit

Helmut Möllerwar ein Meister des Indirekten, der Andeutung.Eine Eigenschaft, die ihn schwer fassbar machte und seine tatsächliche Bedeutung verschleierte. Trotz seiner eher abgewandten Artwar er für die wenigenStudenten, die er hatte, vonungeheuremEinfluss.Inder Wissenschaft war er mitseinen Okkultismus- themenzueinerZeiteine graueEminenz, in der eine andere wissenschaftliche Haltungdazu garnichtmöglich war,ohne massivanSeriosität und Reputation zu verlieren. Diese Zurückhaltung,zuder noch seinschreibhemmender Perfek- tionsdrang kam, verband sich mit seiner diskreten ironischen Art.Eine Wir- kungsgeschichte über Möller zu verfassen – was nichts anderes hieße als eine Rezeptionsgeschichte der wissenschaftlichen Okkultismusforschung im 20.Jahr- hundertzuschreiben – dürftedaher wegender persönlichenEigenschaften Möllers äußerst problematisch sein.

 http://homepage.hispeed.ch/O.T.O./oto.htm, Zugriff am ...  Vgl. die Rezension des Buches vonWolfgang Brückner. 376 Bernd Wedemeyer-Kolwe

Wiesah sich Möller selbst,was waren seine Motive,sich dem „Untergrund“ wissenschaftlich zuzuwenden?Zwargehören Volksaufklärung und Volksfröm- migkeit zum traditionellen Kanon der Volkskunde und in Peuckert hatte Möller einen der einflussreichsten Lehrer des Faches, aber kann das Möllers fachliche Hinwendungzum ‚Okkulten‘ erklären?Eswäre verlockend, aber doch reine Spekulation, zu behaupten, er befasse sich mit schwerfassbaren Personen eines außenseiterischen Untergrundes, weil er,der doch zumindest rein äußerlich den klassischen Bildungsbürgeralten Schlages repräsentierte, sich in irgendeinem Winkel seines Selbst mit historischen Außenseiternverbundenfühlte. Über Reuß schrieb er:

Werwar dieser TheodorReuß oder wie er sich selbst gerade nannte? […]Ein Scharlatan?Ein abenteuernder Winkelmaurer? Ein Illuminat voneignenGnaden?[…]Oder nur einer von Millionen Statisten und Chargenauf dem Welttheater,der seine gelegentlichen Auftritte als Hauptrollen mißverstand?⁵⁵

Das sind bei aller ironischen Empathie doch auch abgrenzende Worte.Vielleicht kommt der letzte Satz seiner letzten Veröffentlichung,seiner Staricius-Biographie, einer Einschätzung der eigenen Rolle im ‚Welttheater‘ näher:

Es sind nur Bruchstücke, die sich nicht zu einer Biographie zusammenfügenlassen, die uns aber verdeutlichen mögen, wie wenigwir tatsächlich über Personen der dritten, vierten Reihe jener Zeit wissen – vondenen zu schweigen, die man seit jeher dem ‚Volkskundler‘ überlassen hat –,und wenn ein paar neue dazugekommen sind, dann sollten sie uns daran erinnern, wie wenigwir vondem wissen,was wir wissen könnten.⁵⁶

6Schriftenverzeichnis Helmut Möller

Untersuchungen zumFunktionalismus in der Volkskunde (Diss. masch.), Göttingen 1954. Untersuchungen zumFunktionalismus in der Volkskunde, in: Folk-Liv,XIV–XX/1955/56. Untersuchungen zumFunktionalismus in der Volkskunde, Hartford, USA, 1959, Microcards. Christian Friedrich Sintenis. Ein vergessener AutoramAusgang der „Hausväter-Zeit“,in: Zeitschrift fürdeutsche Philologie 78/1959, 164–180. Hersfelder Volksbücher?,in: Zeitschrift fürdeutsche Philologie 79/1960, 410–421. Aus den Anfängen der Volkskunde als Wissenschaft. Volkskunde, Statistik, Völkerkunde 1787, in: Zeitschrift fürVolkskunde 60/1964, 218–233. Gemeinschaft, Folk Society unddas Problem der „kleinen Gemeinde“.WillErich Peuckert zum 70. Geburtstag, in: Folk-Liv,1964/65, 135–145.

 Möller/Howe: Merlin Peregrinus, .  Möller:Staricius, . „VomUntergrund des Abendlandes“ 377

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EberhardBauer Suche nach Ordnung undLust an der Anarchie

Antwortenauf Fragen vonAnnaLux undEhler Voss

Eberhard Bauer,geboren 1944,arbeitetseit 1970 am Freiburger „Institut für Grenzgebiete der Psychologie und Psychohygiene e.V.“ (IGPP). Das IGPP wurde 1950 vondem Psychologen und Arzt Hans Bender mitdem Ziel gegründet,die Kerngebiete der Parapsychologie, also Telepathie, Hellsehen, Präkognition und Psychokinese, empirisch und theoretisch zu erforschen. Zudem unterhältdas Institut seit seiner Gründungein Informations- und Beratungsprogramm für Menschen, die über außergewöhnliche (paranormale) Erfahrungenberichten. Hans Bender hatte in Freiburgvon 1954 bis zu seiner Emeritierung 1975 zudem eine Professur für Grenzgebiete der Psychologie inne, die unter seinem Nachfolger Johannes Mischo bis 1998 existierte. Eberhard Bauer,von Beruf Diplompsycho- loge, war sowohl bei Benderals auch bei Mischo Assistent.Erist heute im IGPP Forschungskoordinator für die Bereiche „Information, Beratung und Dokumen- tation“ sowie „Kulturhistorische und wissenschaftshistorische Studien“ unter Einschluss des Archivs und der Bibliothek. Außerdem gehört Eberhard Bauer zum Vorstand des Instituts. Zu seinen Forschungsinteressen und Arbeitsgebieten zählen Entwicklung, Methoden, Theorienund Kontroversen der interdisziplinä- ren Parapsychologie, wobei ein besonderer Akzent aufder (deutschsprachigen) Kultur-und Wissenschaftsgeschichte vonSpiritismus, Okkultismus und pa- ranormalen Phänomenen vom19. Jahrhundert bis zur Gegenwart liegt.Erist seit 1980 zusammen mitWalter vonLucadou Herausgeberder „Zeitschrift für Para- psychologie und Grenzgebiete der Psychologie“ und seit 2002 gemeinsam mit Michael SchetscheHerausgeber der IGPP-Schriftenreihe „Grenzüberschreitun- gen“.2013 verlieh ihm die „Parapsychological Association“,ein internationaler Zusammenschluss vonForscherinnen und Forschern aufparapsychologischem Gebiet,ihren Outstanding Career Award „for his distinguishedcontributions and dedication to the science of parapsychology“. Durch seinemehr als 40-jährigeArbeit am Institut und seine regelmäßige TeilnahmeamDiskurs überdie Entwicklungender Parapsychologie erweist sich Eberhard Bauer als ein zentraler Verwalter des vonBender inspirierten Erbes. Grund genug, nicht nur über das Erbe selbst,sondern auch über ihn zu sprechen – seinen biografischen Werdegang,seine Tätigkeit an IGPP und Universität,die Bedeutung vonÖffentlichkeit und Medienfür seineArbeit sowie über die Evidenz

DOI 9783110466638-015 382 Eberhard Bauer vonsogenannten Psi-Phänomenen. Das Interview führten Anna Luxund Ehler Voss am 14.November 2012 im IGPP in Freiburgi.Br.

1 „Motiviertdurch eine intellektuelle Neugierde“–Anfänge

AL: Können Sie uns zunächsterzählen, wie Sie nachFreiburg und ans IGPP gekommen sind?

EB: Das tue ich gerne, denn das ist natürlich eine interessante Frage: Wiekommt man zu diesem Thema? Warum bleibt man dabei? Welcheeigenen Erfahrungen hat man gemacht und welche eigenen Erkenntnisse gewonnen?Also das, was eben die ganze biografische Substanz ausmacht.Der eigentlicheGrund für den Wechsel nach Freiburgwar zunächst nicht der Kontakt zu Bender,sondern eine gewisse Unzufriedenheit mit den Studieninhalten in Tübingen, wo ich Philoso- phie und Geschichte studiert habe. Mich hat zunehmend die empirische Wis- senschaft interessiert,zudem gabesdie Motivation, Psychiaterzuwerden. Ich begann dannein Medizinstudium in Freiburg, motiviert unter anderem durch eine sehr intensive Lektürevon Karl Jaspers.Während des Studiums kamich auch auf die Vorlesungen vonHans Bender. Soweit ich mich zurückerinnere,während eines Präparierkurses: Also man hat eine Leiche seziert und sprach darüber,was es sonst an interessantenThemen gibt, und da hieß es immer,zudem Herrn Bender müsse man doch mal hingehen. Ichbin dannmal mit in eine Vorlesung gegangen, die Bender routinemäßig hielt – eine Einführung in die Parapsychologie für Hörer aller Fakultäten. Ich habe dann relativschnell festgestellt, dass dieses Thema und die Vorlesungen von Benderander Universität Freiburgdamals ein Knüller waren. Da ging man hin wie zu Martin Heideggeroder den anderen Cracks. Als ich damals – im Herbst 1966 – dazu kam, hatteBender mit den Vorlesungen schon begonnen und war gerade dabei, Hans Driesch vorzustellen. Er hat kurz geschildert,welche Themen bei Drieschverhandelt werden, und das fand ich unmittelbar spannend,gerade eben im Hinblick aufdie Frage, die sich durchzieht: Wieist das Verhältnis vondem Mentalen zu dem Physischen? Im Anschluss hat sich immer ein Kreis vonInteressiertenumBendergebil- det und darausergab sich dann der Gesprächskontakt mit ihm. Und er sagte: „Ja, besuchen Sie mich doch mal im Institut.“ Und zu einem späteren Zeitpunkt meinte er: „Also, wenn Sie so an dem Themainteressiert sind – wir haben hier immer Praktika für Studierende und da können Sie gerne mal ein Stück weit mitarbeiten.“ Suche nachOrdnung undLust an der Anarchie 383

Wenn Sie so wollen, kam ich dazu, motiviert durch eine intellektuelle Neugierde, die curiositas. Und dannfiel mir damals interessanterweise auch wiederein, dass ich schon in Tübingen dieses Thema irgendwie im Auge hatte, unter anderem durch die „Zeitschrift für Parapsychologie und Grenzgebiete der Psychologie“ und die Zeitschrift „Neue Wissenschaft“,die ich durchaus mit großem Interesse ge- lesen hatte. Und mir war noch in Tübingen dieses bereits 1957 erschienene Bändchen „Telepathie, Hellsehen, Präkognition“ vondem Physiker und Natur- philosophen AntonNeuhäusler in die Hände gefallen, das ich übrigens jedem nur empfehlen kann – erstens wegen der gewissen Nüchternheit der Darstellungund zweitens wegen der methodologischen Reflexion. Neuhäusler kannte Bender übrigens, wie ich spätererfahren habe, schon ausden fünfziger Jahren, als Benderbegann, mit dem holländischen Hellseher Gerard Croiset zusammenzuarbeiten. Bender hatte mit ihm eine bestimmte ex- perimentelle Technik entwickelt, die Platzexperimente. Benderwar durch seinen Freund, Wilhelm Heinrich Carl Tenhaeff, dem ersten Inhaber eines Lehrstuhls für Parapsychologie in Utrecht,auf Croiset aufmerksam geworden. Tenhaeff hatte schon erste Experimente mit Herrn Croiset durchgeführt und dann auch Hans Benderdazu eingeladen. Diese Platzexperimente waren ein Prototyp für dasje- nige,was wir als Präkognition bezeichnen, alsodie Frage, ob es möglich ist,gegen den Strom der Zeit an Informationen zu kommen, die zu diesem Zeitpunktnoch nicht realisiert sind.Sie müssen sich das so vorstellen: Croiset bekam vomEx- perimentator einen Bestuhlungsplan übereinen Hörsaal, aufdem sich etwa 40, 50 Plätze befanden, die durchnummeriert waren. Croiset hatte dann die Aufgabe, sich aufeinen zufällig ausgewählten Sitz ‚mental‘ einzustellen und vorherzusa- gen,wer in vierzehn Tagen, einem Monat aufdiesem Sitz zu sitzen käme. Naja,und Croiset versuchte dann ganz bestimmte Details vondieser Zielperson zu be- schreiben. Er sagte zum Beispiel so etwas wie: „Ich sehe eine junge Frau,sie ist Anfang dreißig, trägt ein blaues Kleid, hat ihr Haar in einerbestimmten Weise aufgesteckt,trägt zwei Ohrenanhänger“,und so weiter. Das methodische Problem war natürlich – und das besteht bei allen diesen paragnostischen Aussagen bis heute: Wiepräzise sind die Aussagen?Also, wie weit sind sie durch fishing,alsodurch allgemeineAussagen zustande gekommen? Das ist ein Grundproblem der Psychical Research seit mehr als hundert Jahren. Es gilt dann, mittels Kontrollgruppen und durch bestimmtestatistische Methoden herauszufinden, inwieweit sich diese Aussagen signifikant vonder Wahrschein- lichkeitserwartung unterscheiden. Und Anton Neuhäuslerhatte dieses Thema damals mitreflektiert.Erwar offensichtlich vonder Genauigkeit mancherCroiset- Aussagen beeindruckt,denn Croiset hatte offenbar auch Aussagen gemacht,die spezifisch aufNeuhäuslers damaligeLebenssituation zutrafen. Er wurde neu- gierig,weil er ein Evidenzgefühl hatte.Das ist ja ein Dauerthema in diesem Be- 384 Eberhard Bauer reich. Und es beantwortet auch ein bisschen die Frage, warum jemand an diesem Themadranbleibt und wie Neuhäusler sagte: „Ja ich kenne alle Argumente, auch die Contra-Argumente, aber ich bin trotzdem neugierig,herauszufinden, was da dran ist.“ All seineÜberlegungen zu Pro und Contrafinden sich in dem kleinen Büchlein, das ich genannt habe. Das ist also mein Hintergrund. Das ist das, was mir einfällt, wenn ich darüber nachdenke, wie icheigentlich zu diesem Thema gekommen bin. Es war wohl eine Art unbewusstes Priming,das mich zu diesem Thema hingeführt hatte und in Freiburgdann reaktiviert wurde, als ichindie Vorlesung vonHerrn Bender ging. Es gabalso durchaus eine gewisse Vorbereitung, aber immer sehr stark durch ein naturwissenschaftlich-medizinisches Interesse motiviert.Und durch konzeptuelle Fragen der Psychologie, bei der es letztlich immer um die Fragenach der „Reichweiteder menschlichenSeele“ geht. Benderhatte dann relativschnell gesehen, dass mich die epistemologischen Fragestellungenandem Fach besonders interessierten. Und er sagte zu mir: „Ja gut, dann lies doch mal diesenMax Dessoir, ‚VomJenseits der Seele‘“.Das Buch erschien damals gerade in der siebten Auflage. BeiDessoir ging es hauptsäch- lich um den physikalischen Mediumismus und ich habe dasBuch im Sommer- semester 1967wirklich durchgearbeitet und auch eine Rezension geschrieben. Eigentlich wollte ich ein Doppelstudiummachen,Medizin und Psychologie. Doch ich konzentriertemich dann ausprivaten Gründen aufPsychologie. Und als ich mit dem Psychologiestudium fertig war,gehörte ich schon zur Arbeitsgruppe von Bender.

AL: Gehenwir noch einmal einen Schritt zurück. Sie wurden1944 in Pforzheim geboren. Aus welchen Verhältnissen kommen Sie?

EB: Ichkomme ausdem Nordschwarzwald. Aufgewachsen bin ich im Oberen Enztal in der Nähe vonBad Wildbad. Zu meinerHerkunft ist festzuhalten: Ich bin vaterlos aufgewachsen, das ist vielleicht auch nochmal wichtig.Ich habezwei ältere Brüder,aber mein Vater, Jahrgang1904,gehörte zu dieser Generation, die irgendwie im Krieg verschollen ist.Sein Schicksal warviele, viele Jahre ungeklärt. Meine Mutter warsozusagenKriegerwitwe, eine ziemlich strenge Frau,die selbst eigentlich Lehrerin werden wollte. Und ihren eigenen Wunsch projiziertesie dann aufuns – so dass meine beiden älteren Brüder und ich alle akademische Berufe gewählt haben. Pforzheim wurde Ende Februar 1945sogut wie vollständig zerstört.Aus den Erzählungenmeiner Mutter kenne ich die roteFeuerwand,die am nördlichen Himmel zu sehen war.Das heißt,meine ersten Kindheitserinnerungen waren sehr stark durch diese Nachkriegserfahrungen bestimmt und das,wasindiesen ganzen Suche nachOrdnung und Lust an der Anarchie 385

Biographien unterschwelligeine große Rolle spielt: Als Kind realisiert man ir- gendwann, dass da irgendetwasUnaussprechliches passiert ist. Die Franzosen hatteneine ziemlich rigide Besatzungspolitik. Und nicht weit vonWildbad liegt Freudenstadt,und als die französischen Armeen den Rhein überquertenund ihre Panzerspitzeninden Schwarzwald vorschoben, wurde Freudenstadt zwei oder drei Tage lang geplündert,mit Massenvergewaltigungen und so weiter.Das war sozusagenein Trauma, was damals in diesen Ortschaften eine ganz große Rolle spielte. Und das dauertenatürlich viele Jahre, bis man das historisch aufdie Reihe brachte. Die ganzen Traumatadieser Soldatengeneration waren nichts Ausgesprochenes und haben das ganze Aufwachsen in diesen Nachkriegsjahren bestimmt.Und die Lehrer,die wir hatten, daswaren natürlich alles mehr oder wenigerEx-Nazis. Ein anderes wichtigesbiografisches Moment ist,dass wir – mein Vater war Förster – in einemForstamt aufgewachsen sind. So gehört es auch zu meinen Kindheitserfahrungen, dass sich immer die Grünröckebei uns versammelten mit ihren Ritualen und mich als kleinenBub dannetwa zu Treibjagden mitge- nommen haben, sich also um den Nachwuchs meines Vaters etwas gekümmert haben. Mein Vater hat mich Weihnachten 1944 wohl zum letzten Mal gesehen und ist dann wieder zurück an die Front.Erwar in Westpreußen stationiert und gehörte zu einer Gruppe vonSoldaten, die wohl vonpolnischen Partisanen zusammen- getrieben und erschossen wurden. Nach vielen Jahren, erst Mitte der 1970er Jahre, meldete sich unvermutet eine Augenzeugin. Das war für meine Mutter ein emo- tionaler Schock. Denn mein Vatergaltals vermisst und meine Mutter hat immer daraufgewartet,dass er vielleicht doch nach Hause kommt.Das wardann etwas, was ich schon sehr bewusst wahrnahm. Ichglaube auch,dass meine Mutter den Verlust nie verarbeitet hat.Aber da gabesjahunderttausend ähnliche Fälle. In dieserKonstellation wurde ich früh selbstständig,meine Mutter ist bald wiederarbeiten gegangen. Ein typisches Nachkriegsschicksal mit diesen ganzen Verdrängungsleistungender westdeutschenBevölkerungund der Frage, was das alles bedeutet,v.a.imHinblick aufdie eigene Sozialisation. Das wareine Kon- stellation, die mich im reiferen AlterTag für Tagbeschäftigt.

AL: Spielte damalsReligion für Sie eine Rolle?

EB: Religion spieltefür meine Mutter eher eine formelle Rolle. Ich bin eigentlich relativagnostisch aufgewachsen, mir wurde keine religiöse Sozialisation zuteil. Ichwar zwar römisch-katholisch getauft genauwie meine Brüder auch, aber das war kein Verhaltensmuster oder so etwas. Ein interessantes Moment war je- doch, dass es relativselten war,dass jemand in diesem Teil des protestantischen 386 EberhardBauer

Württembergkatholisch war,d.h.man merkte schon, dass mannicht zur Mehrheit gehörte. Später im Gymnasium hatten wir einen katholischen Religionslehrer,der in seinem Bereich auch gegendie Nazis gewesen war.Und das war danndas, was wir diskutierten:Wasesbedeutete, gegeneine Mehrheitsmeinung zu sein. Das war so ein Thema. Aber die Religion selbst hat mich nicht nachhaltigbeeinflusst,auch nicht in Bezugauf die Untersuchung der paranormalen Phänomene.

EV:Gab es in jener Zeit,inder die Fragenach Vermissten sehr präsentwar, in Ihrem Umfeld keine Versuche,Kontakt mit den Verstorbenen aufzu- nehmen?

EB: Nicht im Geringsten. Das hab ich erst viel später mitbekommen, was dies- bezüglich in der Nachkriegszeit los war,was Benderjadamals auch als Impuls für die Gründung des Institutsangab. Ich erinnere mich auch nicht,dass in meinen frühen Jahren das Themades – ich sag es mal in Anführungszeichen – „Okkulten“ oder „Übersinnlichen“ irgendwie in mein Leben getreten ist.Das war eher sozusagenkonstelliert durch diese, sagen wir,philosophische, erkenntnis- theoretische Frage, wieich es schon beschrieben habe. Allerdings fällt mirein, meine Großmutter mütterlicherseits, bei der war ich ab und zu in den Sommerferien untergebracht,die sagtedann viele, viele Jahre später mal in irgendeinem Zusammenhang,sie hätte dieses Gefühl, dass sie immer wüsste, ob ihre Söhne noch leben.Sie hatte mehrereSöhne, die alle im Krieg waren. Und sie sagte, beimeinem Vaterhabesie ab einem bestimmten Zeitpunkt gespürt,dass er nicht mehr am Lebensei.Das war so nach vielen Jahren etwas, was mir heute als telepathische Verbindungamehesten einleuchten würde. Aber das war kein Thema, was in diesen Jahrenfür mich eine Rolle gespielt hat.

2 „Die Erfahrung, wasesbedeutet, allmählich zu dieser Community zu gehören“– Arbeit am IGPP

AL: Kommen wir aufdie Zeit Mitte der 1960er Jahre zurück, als Sie nach Freiburg gewechseltsind. Wie war die Stimmung dortzudieser Zeitauch hinsichtlich der politischenSituation?

EB: Im Rahmender Psychologie in Freiburgspieltedie Diskussion um die ‚kriti- sche Psychologie‘ vonHolzkamp eine wichtigeRolle, auch die Frageumdie Psychoanalyse im Rahmen des Positivismusstreit,Adornoresp. Habermas vs. Suche nachOrdnung und Lust an der Anarchie 387

Popper. Es gaberste kritische Arbeiten über die Entwicklungder Militärpsycho- logie, dann eine stark experimentell-naturwissenschaftliche Richtung,vertreten durch Jochen Fahrenbergund eine Gruppe, die marxistisch orientiertwar,die ‚Reichianer‘ etc. Dieganzen Diskussionen und unterschiedlichen Ansätze spie- gelten sich auch in meinerSozialisation als Psychologiestudent.Anden zahllosen Go-Ins und Sit-Ins haben wir jüngeren Psychologen lebhaft teilgenommen. Es ging da auch um die Frage, welchepolitische Rolle die Psychologie hat,und um die Rolle der Psychologie im Dritten Reich. Hans Bender stand übrigens den studentischen Themen der 1968er immer sehr tolerant gegenüber.Und vonden Studentenwurde er als relativunorthodox akzeptiert,weil sie sahen, dass er nicht das ganze ‚bürgerliche‘ Psychologieideal vertrat,sondern auch unorthodoxe,unkonventionelle Themen. So gaberetwa ein Seminarüber Utopien, und dort ging es dann um „1984“ oder Aldous Huxleys „BraveNew World“ oder um die sozialistischen Utopien.

EV:Wie wurde denn Benders Rolle im Dritten Reich gesehen?Erwar 1941 ja als Professor für Psychologie an die Reichsuniversität Straßburg berufen worden undbekam nach Kriegsende undals vertriebener Hochschullehrer erst 1954 in Freiburg eine reguläre Professur.

EB: Nun, Benders StraßburgerZeit war damals noch nicht historisch aufgear- beitet.Erst später ist dazudie Arbeit vonFrank-Rutger Hausmann erschienen. Das Themawurde mit Benderdurchaus diskutiert,aber nicht in irgendeiner Weiseals gesonderte Fragestellungherausgearbeitet.Bender hat mir gegenüber die Straß- burgerJahre diskutiert,eswar nicht so, dass er das verschwiegen hätte. Aber nach meiner Wahrnehmung setzte die ideologiekritische Aufarbeitung der damaligen akademischen Psychologie erst in den späten 1970er Jahren ein – v. a. mit der bahnbrechenden Dissertation vonUlfried Geuter überdie Psychologie im Dritten Reich von1984,für die er auch mit Bender ein Interview geführt hatte. WasBenderüber die StraßburgerZeit damals sagte, entsprach mehr oder wenigerdem, was auch Hausmann herausfand.Als jungerHochschullehrer war Benderimsogenannten Dritten Reich ein typischer Mitläufer.Was ihn wohl da- mals hauptsächlich beschäftigte, war die Fragenach Möglichkeiten, innerhalb dieses ideologischenRahmenstrotzdem Grenzgebietsforschung durchführen zu können. 388 Eberhard Bauer

AL: Kommen wir wieder zu Ihnen zurück. Waswaren denn Ihre Aufgaben im IGPP?

EB: Ich habe im IGPP zuerst ein studentisches Praktikum gemacht und dann als wissenschaftliche Hilfskraft bei Bendergearbeitet.1972wurde ich Mitarbeiter im IGPP.Bender kanntemeine historischen und philologischen Interessen und bot mir an, ihm bei der Herausgabe der „roten Zeitschrift“¹ zu helfen. Das bedeutete, Manuskripte zu lektorieren und alles, was mit der Edition zu tun hat,auch mitder Druckerei zu verhandeln – eine handfeste Einführung in die Arbeit eines Re- dakteurs.Ich habedamals auch erste eigene Aufsätze geschrieben und mich dafür in die Themen eingearbeitet, from scratch sozusagen. Und ich hatte Kontakt mit den Autoren – da habe icheiniges an Lehrgeld bezahlt,bis ichdie Autoren alle kannte, all die geschichtlichen Zusammenhänge, die großen Namen wieSchrenck- Notzing und FannyMoser.Inder Zeit habe ich alles vonder Pike aufgelernt. Da wir damals eine winzigeGruppe, zwei, drei Leute mitunter waren, gehörte es auch dazu,dassman ans Telefon ging,wenn es klingelte – und das tat’shäufig – und dann war manmit dem ganzen Spektrumvon klinischen Fällen konfrontiert … Oder die Briefe – tausende vonBriefen kamen ins IGPP über die Jahre, die be- antwortet werden mussten. Ein weiterer Bereich, in dem ich gearbeitet habe und der auch Bender wichtig war,war die Öffentlichkeitsarbeit.Ersagte zu mir: „Da gehstDuhin und hältst einen Vortrag!“ Das waren ausgezeichnete Gelegenheiten, um die Themen der Parapsychologie in ganz unterschiedlichen Kontexten vorzustellen. Ich sprach vor den katholischen und evangelischen Akademien ebenso wie vorSkeptikergrup- pen oder vorSchülern. Spannend waren die verschiedenen Reaktionen. Irgend- wann bekam ich ein Gefühl dafür,welche Themen wieauf welche Leutewirken, welche weltanschaulichen Intentionen hinter ihren Fragen stehen und was sie wirklich bewegt. So wuchsen mir die Aufgaben zu, die ich zum Teil noch heute mache – die Edition der Zeitschrift,die Beratungsarbeit,die Arbeit am PsychologischenIn- stitut (also Seminare halten), Feldforschung, Spukuntersuchungen … Hinzu ka- men die Kontakte zur internationalen Szene, der Besuch vonKonferenzen, die erste Fahrtnach England zur SPR,² nach Utrecht reisen³ – die Erfahrung,was es bedeutet,allmählich zu dieser Community zu gehören.

 Gemeint ist hier die  vonHans Bender gegründete „Zeitschrift für Parapsychologie und Grenzgebieteder Psychologie“.  „Societyfor Psychical Research“,  in London gegründet. Suche nach Ordnung undLust an der Anarchie 389

Bendergab einem die Chance, all diese Dingewirklich kennenzulernen und zu erlernen. All das gehörte zu meinerSozialisation, und dazu, was es eben heißt, aufden Grenzgebieten aktivzusein.

AL: Sie sagten, das IGPP bestand auseinerwinzigen Gruppe.Wer gehörte denn in den 1970er Jahren noch zum Team?

EB: Das Team damals war sehrüberschaubar.1970gab es die Professorenstelle für Bender, dem eine wissenschaftliche Mitarbeiterstelle und eine Halbtags-Se- kretärin zur Verfügung standen. Durch die Mittel ausder Fanny-Moser-Stiftung wurde zudem Lotte Böhringer,die rechteHand Benders, als Geschäftsführerin des IGPP bezahlt.Und wenn dann noch Mittel übrig waren, wurde ab und zu eine studentische Hilfskraft beschäftigt. 1979 kam – bezahlt ausSondermitteln – zu- sätzlich der Physiker Walter vonLucadou an den Lehrstuhl in der Belfortstraße, den Herr Mischo 1975 vonHerrn Bendernach dessen Emeritierung übernommen hatte. In dieser Zeitgab es verstärkt Diskussionen mit Naturwissenschaftlern, die sich an den damals aktuellenThemen entzündeten. Vorallem an UriGeller. Dessen Phänomene warenjaein großes öffentliches Thema, und wir am Institut haben uns auch mit dem psychokinetischenMetallbiegen auseinandergesetzt:Es kam reiches Material ins Institut,z.B.Zuschriften vonPersonen an die BILD- Zeitung,die im Anschluss an Gellers TV-Auftritte vonverbogenen Löffeln und anderen Phänomenen berichteten.Wirhaben Umfragen unter ihnen durchgeführt und auch selbstStudien mit metal benders oder ‚Mini-Gellers‘ bzw. ‚Gellerinis‘,wie sie auch genannt wurden, gemacht.Indieser Phase hatten wir sehrintensive Gespräche mit Physikern, aber auch Auseinandersetzungen mit Zauberkünstlern.

AL: Haben Sie damals auch einmal überlegt,etwas anderes zu machen?

EB: Es gabAbwerbungsversuche in Richtung Klinische Psychologie, Pädagogi- sche Psychologie. Aber theoretisch wusste ich schon, dass die Parapsychologie ein Themaist,bei dem manentweder mit ganzem Herzen dabei ist oder das man sonst lieber lässt.Aber letztendlich war die Entscheidungdann doch ein Klärungs- prozess, der sich durch die Dissonanzen ergabund durch die Frage, was das Themabei einem erzeugt. Da warenkognitive und emotionale Dissonanzen auszuhaltenund zu bewältigen – einmaldurch die Gespräche mit Bender selbst, aber auch mit meinem Kollegen Walter vonLucadou.Wirsind etwa gleich alt und

 In Utrecht bestand seit  eine Professur für Parapsychologie unterWilhelm H.C. Tenhaeff. Siehe auch den Beitrag vonIngrid Kloosterman in diesem Band. 390 Eberhard Bauer eng befreundet,und wirhatten früh begonnen, die Dingeauf unsere eigene Weise zu durchdenken und zu diskutieren. Daraussind einigeAufsätze entstanden, etwa für Band XV des Kindler-Lexikons „Die Psychologie des 20.Jahrhunderts“,das 1979 erschienenist und zu einem beträchtlichen Teil der Parapsychologie und anderen psychologischenGrenzfragen gewidmetist.Das war eine sehrintensive Phase, in der wir uns auch mit der empirischen Seite dieser Fälle beschäftigt haben oder erkenntnistheoretisch brisante Artikel oder kompliziertestatistische Modelle diskutierten, etwa die des Mathematikers Ulrich Krengel, die 1978 in unserer Zeitschrifterschienen sind. Mit Walter habe ich zudem die „Wissenschaftliche Gesellschaft zur Förderung der Parapsychologie“ (WGFP) gegründet,daesbis dahin in Deutschland keine Fachgesellschaft gab, wie etwa die „Society for Psychical Research“ (SPR) in England.Indiesem Rahmen haben wir dann viele Workshopsu.a.mit Psycho- logen und anderen interessiertenWissenschaftlern durchgeführt.All das waren Versuche, die Themen zu stabilisieren und zu verstetigen. Das war überhaupt eine zentrale Frage:Wiekönnen wir ein unorthodoxesGebiet aufDauer etablieren, so dass eine Akkumulation vonWissen zustande kommen kann und nicht jede Forschung vonNull beginnen muss. Und dabei stand immer die FrageimRaum, wer dabei bleibt – v. a. auch in Hinblick auffinanzielle Randbedingungen. Denn wenn Sie zum Beispiel eine Familie haben, ist das ein Problem, das nicht gerade so leicht zu lösen ist.All diese Probleme hatte ich am eigenen Leib erfahren und einfach gesehen, dass man dafür einstehen muss,und mich dann entschlossen, das war ja Ihre Frage: Ich bleibe dem eingeschlagenen Wegtreu. Und by the way,das war nicht immer einfach. Da gabesschon Krisenzustände, das ist mit der heutigen Situation nicht zu ver- gleichen. Wirhaben hier jetzt dank der Initiative vonHans Benderund sonst niemandem eine relativstabile Institution durch diese Einwerbungder Holler- Mittel. Die, die heute hier ihre Gehälter beziehen, waren diesbezüglich nie in ir- gendeiner Weise vorbesondere Herausforderungengestelltund nehmen dann vielleicht doch manches allmählich sehr selbstverständlich, was zumindest da- mals überhaupt nichtsowar. Naja, wie auch immer,Benderwar damals aufjeden Fall in Personalunion sowohl Direktor des IGPP als auch Professor für Psychologie und ihre Grenzgebiete an der FreiburgerUni. Wiebereits erwähnt,1975wurde Bender emeritiert und Johannes Mischo sein Nachfolger. Ichbin dann mit Mischo ans Psychologische Institut gewechseltund hatte mit Bender vereinbart,dass ich regelmäßig in die Eichhaldeans Institut kommewegen der Zeitschrift etc. Ichbliebdem IGPP als Institution alsoquasi immer verpflichtet und warregelmäßig dort.Aber das war natürlich auch problematisch – Sie kennen ja die Dynamik vonInstitutionen. Suche nachOrdnung und Lust an der Anarchie 391

AL: Können Sie das nochetwas ausführen?Wie war denn die Situation nach der Emeritierung vonBenderund der Berufung vonMischo?Bender blieb ja gleichzeitigDirektor des IGPP.

EB: Das war keineswegseinfach. Es gabdas Psychologische Institut in der Bel- fortstraße und das IGPP aufder Eichhalde. Es gabzwei Professoren und daher eine ganz spezifische Dynamik, denn Benderhatte jahrzehntelangdie Parapsy- chologie allein vertreten. Das warnichteinfach für Mischo, der früher Assistent vonBender gewesen war und nun sein Lehrstuhlnachfolger. Er musste noch sein eigenes Profil finden. Für mich war das immer ein ganz schöner Spagat.Mischo musste damals an der Uni in erster Linie, zu ca. 70 Prozent,normal-psychologi- sche Themen anbieten. Wirhaben uns danndaraufgeeinigt,dass ichinden Se- minaren die Grenzgebiete vertreteund Bender ab und zu einspringt – was er natürlich gerne tat.Ende der 1980er Jahre – Bender wurde198780Jahre alt – gab es eine Zeit,inder überhaupt nicht klar war,wie es mit dem IGPP weitergeht – auch mit Mischo als Benders Nachfolger. Mischo warein ganz anderer Persönlich- keitstyp und hatte nicht Benders Charisma. Da ging es schon um die Frage: Wie kann man das Institut aufDauer stellen?Wer bleibt,wenndie Finanzierungris- kant und unsicher ist?Das ist generell ein großes Problem: Für die Leute, die sich mit Parapsychologie beschäftigen, sind die Themen sehr wichtig.Aber manmuss eben auch eine Familie versorgenoder karrieretechnisch schauen, wie es wei- tergeht.Das waren sehr schwereZeiten für das Institut.Eshatte zu diesem Zeit- punkt schon 30,40Jahre Geschichte – da sträubt sich alles dagegen, das vordie Hunde gehen zu lassen. Es gabein wichtiges Kontinuitätselement – die Existenz unsererBibliothek, die seit 1973 vonder Deutschen Forschungsgemeinschaft als Spezialbibliothek gefördert wird und heute Teil der Universitätsbibliothek Freiburgist.Auf diese Weise gabesimmer eine gewisse Verankerung. Aber so eine Büchersammlung allein nützt natürlich wenig, wenn sie nicht forschungsmäßig genutzt wird.

EV:Die Situation änderte sich dann schlagartig Anfang der 1990er Jahre kurz nach Benders Toddurch eine Stiftung vonAsta Holler.

EB: Erste Kontakte zu Asta Holler gabesbereits Mitte der 1970er Jahre, als einzelne Geldbeträgedas Institut erreichten. Heidrun Edelmann hat das in ihrer Holler- Biographie jüngst beschrieben.⁴ Bender hatte Frau Holler als Folgevon Gellers

 Edelmann,Heidrun:Vermögen als Vermächtnis. Leben und Werk der Stifter Christian und Asta Holler,München . 392 Eberhard Bauer

TV‐Auftritten kennengelernt.Sie hatte sich brieflich an Bendergewandt, nachdem sie eine Fernsehsendungmit Bender verfolgt hatte, in der es um die Untersu- chungswürdigkeit der vonGeller gezeigten Phänomene und die Parapsychologie allgemein ging.Benderwar zunächstnoch zurückhaltend, denn es hatteimmer wiedermal jemandengegeben, der dem Institut finanzielle Unterstützung in Aussicht stellte – woraus dann aber nie etwas wurde. In der Folgezeit stifteteFrau Holler regelmäßig mal 5.000 oder 10.000 Mark, und da merkte Bender, dass da wirklich eine Intention dahintersteht.Ich persönlich war bis zuletztzögerlich,die Option wirklich in die Kalkulation einzuplanen – bis wir ein Jahr nach dem Tod Benders, also 1992(Asta Holler war 1989 gestorben) tatsächlich Post vonder MünchnerHoller-Stiftung bekamen. Keiner vonuns konnterealistisch abschät- zen, um was für ein immens großes Vermögen es sich handelte. Das merkten wir erst,als im Sommer 1992die ersten Summen kamen – die erste Million… Hollers waren eben sehr vermögende Industrielle. Nunhatten wir innerhalb kürzesterZeit acht,zehn, zwölf MillionenMark zur Verfügung.Das war gar nicht einfach, denn die Grenzgebiete sind ja ein überschaubares Gebiet.Gleichzeitig musste das Geld ganz regulär ausgegeben und formal korrekt investiert werden. Es wurdealsodie Mitgliederversammlungdes IGPP einberufen – das war eine Institution, die bislang kaum etwas zu beraten hatte, man traf sich bisher nur einmalimJahr.Jetzt hatte diese Versammlungeine ganz neue Verantwortung: die Verwaltungder Mittel, die Diskussion um die Forschungsschwerpunkte, die Frage, wo wir investieren wollen, wo ausbauen etc. Und so wuchs das Institut innerhalb vonwenigen, zwei, drei Jahren deutlich. Die Zahl der Mitarbeiter stieg, denn wir mussten ja das Geld ausgeben. Wasfür ein Zustand, nicht wahr! Ichhabe 1995 eine Amerikareise gemacht und mirdort parapsychologisch aktive Laboratorienangesehen und den Kollegen gesagt:Schickt uns Anträge, schickt uns Anträge! Und es wurden auch viele, viele Projektefinanziert.Indieser Phase, in der wir viele externe Projektegefördert haben, entstand auch das „Bender Institute of “ (BION) in Gießen, das sich zum Ziel gesetzt hatte, strukturelle und funktionelle Veränderungen der Gehirntätigkeit mit Hilfe der Magnet-Resonanz-Tomographie (MRT)zuuntersuchen, wobei ein For- schungsschwerpunkt aufveränderten Bewusstseinszuständen, z. B. dem Erleben in Trance lag.Dieses Großprojekt,initiiert durch unseren heutigen Institutsdi- rektor Dieter Vaitl, war nicht zuletzt eine Möglichkeit,die Mittel satzungsgemäß und zeitnah auszugeben, was auch eine Forderungdes Finanzamtes war. Der Expansionsphase folgte eine Neustrukturierungsphase Mitte der 1990erJahre und die Differenzierung des Institutsinunterschiedliche Abteilungen, eine Veräste- lunginverschiedene Disziplinen. Suche nachOrdnung undLust an der Anarchie 393

AL: An anderer Stelle haben Sie den Geldregenals Glücksfall beschrieben, doch deuten sich in IhrenAusführungen auch Probleme an. Welche nega- tivenEffekte brachte diese Konstellation denn mit sich?

EB: Wenn man es drastischausdrückenmöchte: Wenn es so einengroßen Mist- haufen gibt,kommen schnell die Fliegen dazu. Mitanderen Worten: Beiden geförderten Projektenwaren auch Themen darunter,die sich nicht unmittelbarmit den Grenzgebieten befassen. Weiterhin macht es natürlich einen Unterschied,ob ein Mensch etwas tut,weil er dazuintrinsisch motiviert ist,oder ob er motiviert ist, weil er zufällig einen Jobsucht und dann eher neutral oder extrinsisch motiviert ist.Esmacht eben einen Unterschied, ob Sie aufder Suchenach einem Jobsind, egal was, oder ob Sie eben eine, sagen wir,innere Berufung haben, diese Themen zu bearbeiten. Das konnteman natürlich nicht ausreichend berücksichtigen, wenn man damals sehr schnell Leute einstellen musste. Und das wurde für einige dann zum Problem, als sie merkten, worauf sie sich eingelassen haben, wasesfür Kontroversen gibt, wasesheißt, Stigmatisierungzuerfahren, und welche Aus- wirkungenesauch für die eigene Identität hat,wennman bei einer Party gefragt wird: „An welchem Inschtitut arbeitescht du denn da?Sucht ihr da irgendwie Geischter?“ Es erforderteinFolge natürlich Klärungsprozesse am Institut,wenn man plötzlich mit 30 Leuten zu tun hat,die ihre jeweils eigene Agenda und ihre Lebensentwürfe mitbringen und zum Teil nur zufällig im IGPP gelandet sind. Vorder Stiftung war das anders.Daging es nicht um karrieretechnische Fragen, sondern um die Ontologie und das Erkenntnisinteresse, um die Frage,was die Phänomene bedeuten. Vielleicht ging es auch um eine gewisse Lust an der Anarchie, wenn man Fragen behandelte, bei denenmanche Menschenputerrot anlaufen, wenn sie nur das Wort hören. Es ist eben ein Unterschied, ob man über den Diskurs über das Paranormale schreibt,also ausder zweiten Reihe beschreibt, was andere denken, glauben und fühlen, oder ob Sie an der Fragenach der On- tologie, dem Wirklichkeitscharakter der Phänomene interessiert sind.

EV:Und das ist das, was Sie interessiert.

EB: Ja. To put it mildly. Ja,natürlich.

EV:Und wenn Sie über die Lust an der Anarchie sprechen, dann sprechen Sie auch über sich.

EB: Aber natürlich. Jaja, klar. 394 Eberhard Bauer

EV:Noch einmal zur Holler-Stiftung:1983 schrieben Sie in dem Aufsatz „Parapsychologie für wen?“: „Solange es der wissenschaftlich orientierten Parapsychologie nicht gelingt,sozusagen ausoffiziell sauberen Quellen fi- nanziertzuwerden, solange bleibt sie zu einem erheblichen Teil aufdie finanzielle Unterstützung vonder anderen Seite angewiesen, vonder Seite der reichen Witwe, die sich für das jenseitigeÜberleben ihres Ehemanns interessiert, vonder Seite des reichen Sonderlings oder Philanthropen mit Sympathien für die Underdog-Parapsychologie. So lange bleibt der Para- psychologie aber auch das Schisma zwischenden Wissenschaftlern hier und den Amateuren dorterhalten.“ Zehn Jahre später wurdedie Situation des IGPP durch die Holler-Stiftung aufdieser „anderen Seite“ zementiert. Eine Möglichkeit,die Parapsychologie langfristig in den universitären Rahmen zu überführen, wäre ja zum Beispiel die Einrichtung einer Stiftungsprofes- sur gewesen. Gab es darüber Diskussionen?Und wenn ja, warum wurde die Idee nicht umgesetzt?

EB: Es gabdurchaus die Idee,eine Art Stiftungsprofessur einzurichten. Zumal die Professur für Grenzgebiete der Psychologie nach der Emeritierung vonMischo 1998 in eine Professur für Pädagogische Psychologie umgewandelt wurde. Aber die Universität war dazu aufGrund der Verpflichtungen, die sie damiteingegangen wäre, nicht bereit.Und uns ging es ja um Kontinuität! So sind wir vonder Idee wiederabgerückt.Zudem – Stichwort Anarchie – ich bin gar nicht sicher,obdie akademische Anbindungwirklich ein Heilsversprechen für die Etablierungvon Wissen ist.Denn es gibtinder Academia eben auch sehr rigide Vorurteilsstruk- turen, die nicht unbedingt dem Erkenntnisfortschrittdienen. So bedeutetedie Holler-Stiftung natürlich auch Autonomie. Auch haben wir uns gesagt: Wirhaben jetzt so viel intellektuelle Potenz am Institut – da brauchen wir den Lehrstuhl nicht mehr unbedingt.Wir wollen eher versuchen, die Diskurse in die verschiedenen Disziplinen hineinzutragen. So haben wir etwa in meinem Bereich das Programm der klinisch-psychotherapeu- tischen Beratung aufgelegt und Themen der clinical parapsychology im Rahmen vonWorkshops wie „Beratung und Hilfe für Menschen mit außergewöhnlichen Erfahrungen“ als zertifizierte Fortbildungsseminare für Psychologische und Ärztliche Psychotherapeuten und Psychotherapeutinnen anbieten können. Wir haben versucht,unsere Aufsätze in Publikationen für Psychotherapeuten unter- zubringen, und konnten Netzwerkebilden. Kollegen wie Michael Schetsche sind ja auch an der Unitätig und bringendie Themen aufdiese Weise dort ein. Noch ein anderer wichtiger Punkt ist die bereits erwähnte frühere Spezialbibliothek des IGPP,heute Sondersammelgebiet der DFG mit 60.000 Monographien und Teil der FreiburgerUniversitätsbibliothek. Es hat natürlich ein eigenes Gewicht,wenn Suche nachOrdnung und Lust an der Anarchie 395

Historiker,Kultur-und Sozialwissenschaftler die Bestände hier nutzen – vonder UFO-Forschung bis zur Nahtoderfahrung.Gestern etwa war der EthnologeHans- Peter Duerr bei uns, der an einem 1.000-seitigen Buch überNahtoderfahrungen arbeitet.Insofernhat meine damals pessimistische Einschätzung,umauf das angeführte Zitat zurückzukommen, durchaus eine positive Wendunggenommen.

3 „Wenn es etwas gibt, wassich auf diesem Gebiet wiederholt, sind es die gleichen doofen Fragen“–Öffentlichkeiten

EV:Seit 15 bis 20 Jahren gibt es eine zunehmendeBeschäftigungmit „ok- kulten“ Themen in den Kulturwissenschaften und in Kunstausstellungen. Wie beurteilen Sie diese Entwicklung?

EB: Die einzelnendisziplinären Perspektivenauf das Gebietsind natürlich spannend. Es geht ja immer darum, was für ein Erkenntnisinteresse man hat, und da bin ich ganz offen. Man sieht ja auch an Ihrem Forschungsverbund,⁵ wie man die Dingeauf ganz neue Weise betrachten kann. Das hilft,eine gewisse Betriebsblindheit,die man eventuell selber entwickelthat,aufzulockern oder auch Zusammenhängezusehen, die manals Praktiker im Feld vielleicht so nicht sieht. Die spannendeFrage,die uns auch sehr,sehr beschäftigt, ist,wie es mit der weiteren sozialen Akzeptanz dieser Themen weitergeht,also auch in den ver- schiedenenwissenschaftlichen Communities. Im IGPP haben wir den Vorteil, dass wir LeuteimInstitut haben, die diese Dingeaktivbetreiben können – sei es Harald Atmanspacher als Physiker oder Michael Schetsche als Soziologe.Die bringen ihre Kontakte mit,und aufdiese Weise können wirauch in diese Communities und intellektuellen Diskurse mit hinein wirken. Uns interessiert,wie weit mandie Diskurse ein Stück weit lenken und auch Dingevorgeben kann.

 DFG-Paketgruppe „Gesellschaftliche Innovation durch ‚nicht-hegemoniale’ Wissensproduk- tion. ‚Okkulte‘ Phänomene zwischen Mediengeschichte, Kulturtransfer und Wissenschaft,  bis “. 396 EberhardBauer

EV:Was halten Sie denn vonder neuerenkulturwissenschaftlichen For- schung?

EB: Wasmich v. a. stört,ist zum Teil die Bravheit der Texte. Das hängt wahr- scheinlich auch vomwissenschaftlichen Temperament ab, nicht wahr.Aber die- ses ganze Referieren ausder zweiten Reihe finde ich sehr ermüdend. Ich würdemir mehr mutigePositionierungwünschen. ZumBeispiel Heather Wolffram mit ihrem Buch „Stepchildren of Science“ über die Anfängeder deutschen Parapsychologie. Sie warfür ihre Arbeit an dem Buch eine Zeitlang bei uns. Sie ist ja auch eine sehr nette Frau und die Arbeit hat große Verdienste, weil sie zum ersten Mal dieses Themafür den angloamerikanischen Raum zusammenfasst.Aber insgesamt ist mir das etwas zu brav,zukonventionell. Ichhabe immer versucht,sie einzuladen, um den Diskurs des Institutes kennenzulernen und um ihr zu zeigen,was wir sonst so machen,weilwir ja viele spannende Themen hier bearbeiten. Aber ich hatte den Eindruck, sie wollte sich nicht wirklich daraufeinlassen. Sie hat sich eben nur für die archivalische Sache interessiert und nicht für die aktuelle Forschungsarbeit hier.

AL: Undwie stehen Sie zu den Erfolgen der vielen Kunstausstellungen zum Paranormalen?

EB: Die Ausstellungsmacher haben natürlich ihre eigene Agenda und die braucht sich nicht unbedingt mit der des Instituts zu decken. Aber nichtsdestotrotz: Durch diese ganzen musealen Aufarbeitungen – das kann man ja gar nichtmehr alles überblicken – bleibt dasThema lebendig.Und dann hängt es natürlich immer von der Fantasie der Protagonistenund Besucher ab, wieweit sie das Thema nur museal behandeln oder eben auch eine gewisse anarchische Note darin sehen. Bei manchen Künstlern ist das so, und ich glaube, es gibt da mitunter viel unbefan- genere Zugängezudiesen Themen, als wenn ich, sagenwir,mit einem theoreti- schen Physiker darüber rede.Dies konnteman schon beider Ausstellung über „Okkultismusund Avantgarde“ in der Schirn Kunsthalle Frankfurt 1995 sehen, bei der Andreas Fischer und ich auch vertreten waren. Veit Loers,der das Thema aufbereitet hat,ist ein erfahrener Ausstellungsmacher und hat das wirklich gut gemacht.Und in den darauffolgendenJahren habeich zu meinemErstaunen gemerkt,wie plötzlich dieses Thema einschlug, wie das diffundierteund wie dieser riesigeKatalogband selbst zum Rezeptionsobjekt wurde. Das kamsicher auch dadurch zustande, dass wir hier am Institut immer mehr Ressourcen hatten. Suche nachOrdnung und Lust an der Anarchie 397

AL: Jenseits vonwissenschaftlichen Communities und der Zusammenarbeit im Rahmen vonAusstellungen macht das IGPP weitere Öffentlichkeitsar- beit.Unter anderem bieten Sie Führungen an. Vonwem werden diese denn v. a. angefragt?

EB: Das sind meistens Studierende vonUniversitäten oder Fachhochschulen. Und auch viele Schulen, da hat sich eigentlich in den ganzen Jahrzehnten nichts ge- ändert.Das Thema ist nach wie vorpopulär. Manchmal machen wir auch einen Tagder offenen Tür.Außerdem veranstalten wir regelmäßig öffentliche Kollo- quien. Das gehört alles zum Öffentlichkeitsangebot des Instituts. Und dann gibt es natürlich noch die Daueranfragen der Massenmedien, die zähle ich schon gar nicht mehr.

AL: Wie gestalten Sie denn den Kontaktzuden Massenmedien?Reagieren Sie aufAnfragen, haben Sie kontinuierliche Kontakte?

EB: Insgesamt ist das ein zweischneidiges Thema. Seitdem wir das Kolloquium veranstalten, verschicke ich den Kolloquiumsplan, sobald ich merke, dass sich jemand für unsere Themen interessiert.Ansonsten mache ichkeine aktive Öf- fentlichkeitsarbeit.Ich warte eher ab,was an Anfragen kommt,und dann wähle ich aus, wo ich investiere. Ich gebe immer eine Grundinformation raus und merke dann relativschnell, ob sich der weitereKontakt lohnt.Damit sag ich Ihnen nichts Neues: Wenn RTL oder andere Privatsender kommen, ist das hoffnungslos. Denn es geht immer um mehr oder wenigerdie beiden gleichen Themen: Die wollen zum einen irgendwie Psiinaction haben, also: „Können Sie mich nicht zu einer Spukuntersuchung mitnehmen?“,mit Kameraund so weiter.Und wenn ich dann erkläre: „Wissen Sie, unsere Spukfälle, die sind eben doch viel komplizierter“ und es dann etwas komplexer wird,dann steigendie Leute aus. Zumanderen wollen viele Journalisten in irgendeiner Weise Dokumentarmaterial ausunserenBera- tungsfällen. Aber,und dassteht auch überall: Wirsind als Psychologen natürlich an die Schweigepflicht gebunden. Ichbin aber durchaus bereit,ein Live-Interview zu geben. Auch deshalb, damit manhinterher nicht wiederentscheidende Sätze rausschneidet.Und dann ist das ja auch immer so, dass die einem zum Teil stundenlang die Bude auf den Kopf stellen und am Ende kommen zwei Minuten Filmbeitrag raus. In Hinblick aufden Aufwand ist das oft nicht tragbar.Das heißt,zuIhrer Frage, ichversuche solche Anfragen immer passgenauzubeantworten. Und am liebsten sind mir Radiointerviews – sehr probat auch,wenn man mitden Zuhörerinnen und Zu- hörern direkt sprechen kann und dafür mal eine Stunde Zeit hat,etwa in Bera- 398 Eberhard Bauer tersendungen. Da kann man dann aufdas Beratungsangebothier in Freiburg verweisen. Wovonich in den letzten Jahren immer mehr abgekommen bin, ist,an Talkshows teilzunehmen. Das ist in der Regel unerträglich. Man kann in der Regel kaum noch ein paar Sätze sagen, ohne dass sie einem sagen, Sie dürfen jetzt aber kein Fremdwort mehr benützen und solche Dinge. Dass das möglich ist,dass ich nicht mehr in Talkshows gehe, das muss ich selbstkritisch sagen, hängt natürlich auch damitzusammen, dass ich jetzt nicht mehr wie zu früheren Zeitenauf das Honorarangewiesen bin. Das heißt: Ich kann es mir leisten, solche Angebote einfach kaltlächelnd abzulehnen.

EV:Zum ZDF-NACHTSTUDIO mit dem Thema „Im Schatten der Moderne. Die Rückkehr des Okkulten“ sind Sie dannaber vorKurzem doch gegangen.

EB: Ja also, ich meine, bei dem Moderator war nun Hopfen und Malz verloren, da hatte ich mir eigentlich noch etwas anderes erwartet.Aber gut, die Leute haben vielleicht zwölf Stunden Zeit,sich vorzubereiten, und sind dann in Gedanken schon wiederbei der nächsten Sendung. Aber ich bin schon zufrieden, wenn man die Möglichkeit hat,wenigstens ein paar Minuten mal etwas zusammenhängend zu erklären. Also insofern war diese Talkshow schon das Optimum. In Bezugauf das, was möglich war,war das etwa eine Drei Minus, würde ichmal sagen. Auch die SWR2-Studiosladen mich ab und zu ein. Die haben so Dauerthe- men, Lebensberatungsthemen wie Amulette, Horoskop, Magie usw.Die Mode- ratoren sind meist nette Zyniker.Die sagen, sie produzieren das aufTasche, weil das Thema immer wieder mal spannend ist.Dann wird das nach zwei Jahren noch einmalwiederholt und kein Mensch merkt das. Das finde ich aber okay.

AL: Im Rahmen IhrerArbeitmit dem IGPP sind Sie ja mittlerweile seit über 40 Jahren in Kontaktmit den Medien. Nehmen Sie denn einen Wandel in der journalistischenBerichterstattung wahr?

EB: Nein.

AL: Überhaupt keine Veränderungen?

EB: Nein. Nein. Suche nach Ordnung undLust an der Anarchie 399

AL: Also Sie …

EB: Nein. Nein. Nein. Wenn es etwas gibt, was sich aufdiesem Gebiet wiederholt, sind es die gleichen doofenFragen, um es einmal drastisch zu sagen. Also, das ist wirklich immer das Gleiche!Das ist auch das Dauerthema meiner Früh- stücksgespräche mit Walter vonLucadou. In Hinblick aufdie öffentliche Rezep- tion der Parapsychologie gibtesirgendwie keinen Fortschritt.Essind die gleichen, immer so ironisch vorgetragenen drei Fragen: „Herr Bauer (oder werauch immer), was haben Sie erlebt?“, „Gibt es die Dingewirklich?“, „HabenSie schon einmal Angst gehabt?“ Der Wunsch besteht seitens der Medien natürlich darin, spektakuläreFälle zu bekommen. Womit wir aber in der Praxismeist zu tun haben, ist für viele uninteressant,außer es ist eine ausgesprochene Beratersendung.Womit wir es hier im IGPP zumeist zu tun haben, sind belastete Menschen, zum Teil ganz arme Teufel. Unser Dauerthema in der Beratung ist: Welche Rolle spielen die pa- ranormalen Phänomene im Kontext dieser Lebensgeschichten.Und so etwas muss man dann wirklich geduldigexplorieren können.

AL: Welche Veränderungen gibt es in Ihrer ArbeitimZugeder Verbreitung des Internets?

EB: Vorallem hat dies Folgen für die Beratungsarbeit.Seit etwa zehn, fünfzehn Jahren merken wir,dass bei den Anfragen die klassischen Spontanberichte, die sogenannten Alltagswunder,also jede Art ‚Außergewöhnlicher Erfahrungen‘ (AgE), Déjà vu usw.zurückgehen. Das heißt: Sie sind zwar nach wie vorvorhan- den, finden aber ihre eigenen Foren. Im Internet gibt es tausende Forenwie „paranormal.de“, „gespensterweb.de“ usw.,wo Leuteihre Erfahrungen berichten. Als Folgedessenkriegen wir hier im Institut immer mehr,sagen wir,die belas- teten oder klinischen Fälle. Die sind nach wie vorspannend,aberdas sozusagen leichtere Material, das hat überwiegend andere Kommunikationskanäle gefun- den. Man merktmittlerweile auch an den Anfragen, dass wir nur noch ein Rädchen unter vielen sind.Viele Leutetragenihre Fragen und Probleme an dutzende von Institutionen heran. Denn heute finden sie zu jeder der klassischen AgE-Formen – Nahtoderfahrung,Spukerscheinung,Geistererscheinungen, Wahrträume,Re- inkarnationserfahrung usw. – hunderte vonWebseiten. Und manche sind wirklich sehr gutinformiert.Das merken wirdann bei den Beratungsanfragen. Wenn sich Leuteandas Institut wenden, haben die meist schon sehr viele Vorinformationen, und wir müssen uns überlegen, was wir denenüberhaupt noch Neues sagen können. Wirkonkurrierenheute mit einer kaum zu überblickenden Anzahl von 400 EberhardBauer

Internetadressen, die ‚übersinnliche‘ oder ‚esoterische‘ Beratung und Information anbieten, und haben kein Alleinstellungsmerkmal mehr wie zu Benders Zeiten. Damals war Bender der Parapsychologieprofessor.Esgab nur drei Programme im Fernsehen und Herr Bender war ein Liebling der Massenmedien. Es gabdamals bis in die 1970er niemanden, der in der Bundesrepublik das Thema öffentlich so bespieltewie er.Und wenn er einen Auftritt im Fernsehen gehabt hat,kamen hier am Institut ganze Briefstöße an. Durch ihn war das Thema einfach mit unserem Institut verbunden. Das hat sich jetzt völlig verändert und fordert vonuns ein ganz neues Vorgehen. Zumal sich auch die Art der Kommunikation geändert hat.Bei uns müssen die Leuteinerster Linie noch anrufen oder E-Mails schicken, aber wir überlegen gerade, ein webbasiertes Beratungsangebot zu machen. Das ist wirklich eine spannende Frage, wohin das alles noch führt.

AL: Sie haben in diesem Zusammenhanggerade Hans Bender erwähnt, der eng mit den Medien zusammengearbeitet hat.Sie haben diesenSpagat zwischenWissenschaft und medialer Öffentlichkeit einmal als „Drahtseil- akt“ bezeichnet.Wosehen Sie denn die Unterschiede zwischenIhrer Me- dienarbeit undder vonBender,zwischenheute unddamals?

EB: Bender hat den Kontakt zu den Massenmedien schon Anfang der 1950er Jahre gesucht und die Kooperation mit ihnen bewusst forciert.Nicht nur zum Fern- sehen, er hat auch viele Zeitungsartikel geschrieben. Damit hat er das gemacht, was auch viele Kollegen und Kolleginnen der Grenzgebietsforschung gemacht haben, etwa Traugott Konstantin Oesterreich schon in den 1920er/30er Jahren, dann J.B. Rhine oder Wilhelm Tenhaeff usw.Das waren alles Leute, die mit Journalisten kooperiert haben.Wohl auch, um eine gewisse Kontrolle über die Art der Berichterstattungzuhaben. Benderhat die Dingezudemstrategisch gesehen. Das heißt,erhat bei öffentlichen Auftritten die Zuhörer,Leser oder Zuschauer dazu aufgefordert, ihre Erfahrungenmit dem Paranormalen an dasInstitutzuschicken. So konnteerneues Material gewinnen,das dann am Institut unter verschiedenen Gesichtspunkten ausgewertet wurde. In meiner Wahrnehmung war Benders Popularität in den 1970er Jahren auf dem Höhepunkt.Das war im Übrigen vonKollegen nicht immer gerne gesehen, wenn Freiburgund die FreiburgerUniversität mit ihm assoziiert wurden. Aber ab den frühen 1980ern ging das bergab. Die Themen ‚Psi‘ und ‚Parapsychologie‘ wurden allmählich verdünnt und ragten in andere Themen hinein. Das war stark durch die aufkommende Esoterikwelle bedingt; das ‚New-Age-Syndrom‘ trat auf, und da ist dann das Thema ‚Psi‘ irgendwie mitgelaufen. Suche nachOrdnung undLust an der Anarchie 401

EV:Noch einmal zum Verhältnis vonParapsychologie, Universität undÖf- fentlichkeit: Besonders in der Öffentlichkeit dient der Verweis aufakade- mische Titel ja oft als Autoritätsargument.WelcheBedeutung hatte das damals am IGPP – sollten die Mitarbeiter des Instituts möglichst akademi- sche Titel anstreben, um der Parapsychologie mehr Seriosität zu verleihen?

EB: Nein, so eine Diskussion gabeseigentlich nicht.Benderhat natürlich durchausWert aufein abgeschlossenes Studiumgelegt,denn damit hängt ja auch eine gewisse Respektabilität zusammen und diese ist im Allgemeinen mit Titeln verknüpft,zuRecht oder zu Unrecht natürlich, da kann man sich sicher strei- ten. Benderhätte es schon gerne gesehen, dass ichpromoviere, aber bei mir ging es eher um die persönliche,intrinsische Motivation. Undals ich sah, wie sich das IGPP entwickelt, hatte das nie eine höhere Priorität für mich. Später,als viel Geld da war,spielten Titel eher eine Rolle in Bezugauf die Karriereleiter. Aber während dieser Anfangsjahre am IGPP ging es für mich eher darum, dem Thema gegenüber eine Position zu bekommen, die einem persönlich glaubwürdigerscheint und mit der man – promoviert oder nichtpromoviert – der Öffentlichkeit gegenübertreten kann.

4 „Abundleofsticks“–Evidenzen

EV:Sie versuchen ja, die Linie vonHans Bender weiterzuführen …

EB: Ja klar,natürlich, daswar mir immer wichtig.

EV:Sehen Sie auch Unterschiede zu Bender?

EB: Ja gut, ichmeine wir sind unterschiedliche Persönlichkeiten und haben vermutlich etwas andere Interessen. Ichbin vielleicht eher an kulturhistorischen Themen interessiert,was bei Benderwenigerder Fall war.Und ichdenke, auch was die Fragenach manchenEvidenzen betrifft,die würde Bendersicherinanderer Form beantworten als ich. Er hatte da in vielen Bereichen wenigerZweifel. Die Fragedes Überlebens nach dem Tode zum Beispiel, da warBender offener, während ichdas jetzt nichtsospannend finde. Ich bin der Meinung,dass Indizien für eine postmortale Existenz schwierig zu finden sind. Das Überleben nach dem Tode ist für mich jedenfalls kein besonders erstrebenswertes Ziel, zumindest,was meine existenzielle Verfasstheit anbetrifft. Also, das ist sicher eine Differenz zu Bender. 402 EberhardBauer

Allerdings variierteBenders Meinung da auch immer bzw.hat er Dingean- ders akzentuiert und Evidenzen unterschiedlich vorgegeben, auch je nachdem mit welchem Publikum er es zu tun hatte: Wenn er voneinem sehr stark glaubens- bereiten Publikum umgeben war,hat er eher versucht,zudämpfen. Anders vor einem Publikum, das sehrimMaterialismus verankert war.ImÜbrigen habeich immer etwas mehr als Benderden Kontakt gerade zu solchen Communities ge- sucht,die die Dingeauf andere Weise reflektieren, zu Skeptikern zum Beispiel. Das war mir – im Hinblick aufeine konstruktive Haltung – immer wichtig.Mir war früh klar,dass das die Forschung auch befeuern und weiterbringen kann. Benderhielt das eher für unnötig,weilerinvielen Bereichen vielleicht auch eine Evidenz hatte, die für ihn nichtweiter diskutabel war.Ich findeaber: Wasdie Parapsychologie betrifft,daist jede Evidenz diskussionsfähig. Ichsehebisher keine final answers, sondern das ist ein offener empirischerund theoretischer Prozess. Und ich ver- suche, diesen auch zu formulieren. Auch wenn es meiner Meinung nach Fort- schritte gibt.Die Frageist nur: Ist das Glas halb voll oder halb leer?

EV:Sie haben gerade auch die Auseinandersetzungmit den Skeptikern angesprochen. Skeptiker stellen die Legitimität der Parapsychologie ja zum Teil sehr aggressivinFrage.Dennochhaben Sie in die Festschrift für Hans Bender 1983 einenBeitragdes Skeptikers Piet Hein Hoebens aufgenommen. Wie hat Bender denn daraufreagiert?

EB: Oh, ja, hm … mixed blessing … gut, er hat das letztlich akzeptiert.Aber das war ihm natürlich auch ein Dorn im Fleisch. Piet Hein Hoebens war wirklich ein entschiedener Skeptiker,und dass ich ihn in diese Festschrift mit aufgenommen habe, hat mir zum Teil viel Ärgergebracht.Aber manche sagten auch,esist gut, dass solche Gesichtspunkte mit in den Diskurs aufgenommen werden, und das war natürlich meine Absicht.Zumal es eine gescheite Kritikist,die sehr stark von Imre Lakatos herkommt,darüber kann man dann gutdiskutieren. Ichhabeauch mit Benderdarüber diskutiert,warum es gutist,zusagen, dass wir für skeptische Argumente offen sind und uns nicht in einem abgeschotteten System befinden. Man muss einen Pluralismus der Ansätze und Meinungen zulassen und manche Gesichtspunkte der Skeptiker tragen durchaus zur Schärfung bei. Warum denn nicht?Lass uns dasdiskutieren – wenn das ein Stück weit noch eine Rationalität hat,kann das nur hilfreich sein.

EV:Ich fand interessant,dass die Beiträgevon Ihnen und Piet Hein Hoebens letztlich aufdas gleiche Argument hinauslaufen. Sie beide kritisieren das jeweils andere Lagerals vorurteilsbeladen, erkennen aber gleichzeitigauch an, dass dieser Vorwurf in Bezug aufdas eigene Lagervielfachberechtigt Suche nach Ordnung undLust an der Anarchie 403 ist.Daraufhin plädierenSie beide dafür,die Dinge vorurteilsfrei und er- gebnisoffen zu untersuchen. Ein Unterschied zwischenden beiden Posi- tionen, also zwischeninIhremSinne echtem Skeptizismus und echter Pa- rapsychologie lässt sich eigentlich nicht mehr ausmachen.Vielmehr geht es im Grundenur um die Frage, werdie besseren Skeptiker sind.

EB: Ja,das sehen Sie durchaus richtig.Das war auch genaudie Absicht,warum ich mit Hoebens über mehrereJahre so eine Art Pakt geschlossen hatte.Weil es uns auch um eine interne Kritik ging.Vieles vondem,was da bis heute unter dem Label Parapsychologie läuft,würde ich nie und nimmer unterschreiben. Und deshalb diese rhetorische und wiederkehrende Frage: Whoisaparapsychologist? Es geht immer um diese Identitätsfrage. DieParapsychologie selbst hat eine sehr große interne kritischeTradition – das sollte man in der Diskussion mit den Skeptikern nicht vergessen. Zudem ist das auch eine ganz kluge Strategie, was die Integration der Para- psychologie in den akademischen Rahmenbetrifft.Sowie es BobMorris in Edinburgh gemacht hat und heute seine ehemaligen Schüler Richard Wiseman oder Peter Lamont,beides professionelle Zauberkünstler.Sie sagen, auch die Untersuchung vonBetrugund Täuschung,die aufdiesem Gebiet passierenkann, sind genuinesForschungsgebiet der Parapsychologie. BeiBenderlief das unter dem Thema Psychohygiene.

EV:Und wie sieht es heute mit dem Dialog mit Skeptikern aus?

EB: Also ich findedie heutigeDiskussion mit einigen der ‚offiziellen‘ Skeptiker nicht sonderlich zielführend, denn das sind ziemlich geschlossene rhetorische Figuren, die da zu hören sind.Diese „Gesellschaft zur wissenschaftlichen Un- tersuchungvon Parawissenschaften“,kurz GWUP,finde ich zum Beispiel nicht sehr attraktiv. Ichhabe ab und zu Kontakte mit manchen und – in aller Fairness – es gibtdadurchaus unterschiedliche Leute. Aber das, was vonden offiziellen Wortführern kommt,findeich nicht sehr dialogfördernd. Im Gegensatz zu Piet Hein Hoebens,der auch wirklich in die Themen eingestiegen ist und sich teilweise auch voneiner ganz bestimmten Form der Argumentation unter Skeptikern dis- tanziert hat.

EV:Sie betonen in Ihren Publikationen immer wieder die Heterogenität der Parapsychologie und der Diskussionen in Bezug aufdie Existenz der Psi- Phänomene. Gleichzeitig,sagen Sie, stellen Sie Fortschritte in der para- psychologischen Forschungfest.Ineinem Aufsatz von1991 etwa schreiben Sie, dass Sie den Eindruck haben, dass die parapsychologischeForschung 404 EberhardBauer eine ganze Reihe vonPsi-Anomalien anführen kann, die – jetzt zitiere ich Sie –„im Feuer der Kontroversen mittlerweile so ausgehärtet sind, dass sie eine echte Challenge für jeden Normalwissenschaftler darstellen sollten. Die wissenschaftlich vernünftigeFrage lautet also nicht mehr: ,Gibt es den Faktor Psi?’,sondern: ,Durch welches Modell können solche Anomalien, die zweifelsfrei existieren, am Besten erklärtwerden?’“ Zu den „ausgehärteten Psi-Anomalien“ zählenSie Telepathie und Psychokinesesowie den Einfluss vonpositivenoder negativenEinstellungen aufden Erfolgvon Experimen- ten. Wie beurteilen Sie diese Aussagenheute?

EB: Das hat sich bestätigt.Eshaben sich mittlerweile noch neue, im Feuer der Kritik erhärtete Anomalien gezeigt. Das ist meine feste Überzeugung, soweit ich die Literaturkenne. Heutewürde ich hinzufügen, dass es mittlerweile einen Modellansatz gibt,der manche vondiesen Inkonsistenten, die ich auch damals genannt habe, ein Stück plausibler macht.Jemand, der da echte Pionierarbeit geleistet hat und dessenexperimentelle Arbeit ich ausnächsterNähebegleitet habe, ist Walter vonLucadou. Seine PK-Experimente, zuerst am damaligen Mi- scho-Lehrstuhl konzipiert und durchgeführt und später am Parapsychologischen Labor der Universität Utrecht vonihm repliziert,gaben Hinweise darauf, dass es nicht-zufällige Korrelationen zwischen der Dispositioneines Beobachters und dem physikalischen Output eines Zufallsgenerators (random number generator) gibt.Umdas technisch zu formulieren: Es scheint experimentelle Evidenzfür nicht-lokale Effekte in Makro-Systemen zu geben. Unter anderem kann man das an Publikationen festmachen, die Anfang der 2000er Jahre erschienen – ich meine die Entstehungder generalized quantum theory,der verallgemeinertenQuanten- theorie, formuliert vonAtmanspacher,Römer und Walach.⁶ Dabei hat man es formal nicht mehr mit einer physikalischen Theoriezutun, sondern mit einer Strukturtheorie. Quantenähnliche Struktur heißt,dass es zum Beispiel einen Unterschied macht,inwelcher zeitlichen AbfolgeVariablen präsentiert oder ge- messen werden, d.h. wie Sie Fragebögen konstruieren usw.Esgeht praktisch um die technische Frage, ob die vonder Psychologie beschriebenen Prozesse eine quantenähnliche Struktur haben. Konkret: Beider Auswertung der vonuns mit Hilfe eines Dokumentationssystems erhobenen Beratungsfälle zeigen sich be- stimmte wiederkehrende AgE-Formen und Muster.Der KollegeWolfgangFach

 Atmanspacher,Harald/Römer,Hartmann/Walach, Harald: Weak Quantum Theory:Comple- mentarity and Entanglement in Physicsand Beyond, in: Foundations of Physics , /, – ;Walach, Harald/Stillfried, Nikolaus von(Hg.), GeneralizingQuantum Theory – Approaches and Applications (Special Issue), Axiomathes , /, –. Suche nach Ordnung undLust an der Anarchie 405 schreibt gerade seine Dissertation dazu. Es findet sich darin eine ganze Reihe von stabilen Strukturen. Ichstehe also völlig zu diesenAussagen und bin auch der Meinung,wer sich mit der Forschungsliteratur auseinandersetzt,solltenach meiner Überzeugung zu ähnlichenrational begründbaren Aussagen kommen. Ein Buch, das ich dem nicht weiter Initiierten sehr empfehlen kann, ist „Entangled Minds“ vonDean Radin ausdem Jahr 2006.Das Buch ist eine sehr gute Bilanz der modernen ex- perimentellen Evidenzen. Spannend ist für mich, inwieweit die Grenzgebietsforschung in manchen Punkten eine Schrittmacherfunktion haben kann. Ichdenke da zum Beispiel an den Begriff der ‚Synchronizität‘ zur Beschreibungsinnvoller Zufälle, der in den letzten Jahren zunehmend respektabelwurde, nachdemdie ganzen Briefe und sogenanntennicht-physikalischen Vorträgevon WolfgangPauli bekannt wurden. Und seine Träume. Ichhabeden Eindruck gewonnen, dass durch diesen ‚Pauli- Jung-Dialog‘ eine kleine Community vonPhysikern eine gewisse Aufmerksamkeit für solche ‚anomalen‘ psychophysischen Zusammenhängeerzeugen konnte.

EV:Was genauhat Sie vonder Existenz vonAnomalien überzeugt? Es gibt da ja verschiedene Möglichkeiten: die Lektüre vonBerichten, die Beschäf- tigungmit statistischen Untersuchungen oder anderen Experimenten, die eigene TeilnahmeanExperimenten, eigene Erfahrungen mit sinnvollen Zufällen und so weiter.

EB: Beimir sind die Evidenzerlebnissewirklich plural.Dazu gehört zum einen eine relativintensive Beschäftigung mitdem historischen Material. ZumBeispiel mit den Medien Eusapia Palladino, D.D. Home oder Rudi Schneider.Natürlich gibt es diesbezüglich auch Berichte über Betrugund Täuschung,das ist ein eigener Diskurs. Nevertheless,bei manchen, etwa bei Schneider,sind meiner Meinung nach ganz klar historische Anomalienregistriert worden. Das ist ein Aspekt,der mich früh zum Nachdenken gebracht hat. Das zweiteist natürlich die persönlicheErfahrung: Ichhabezum einen im Rahmen meiner Beratungs- und Informationsarbeit mit tausenden Menschen geredet.Zum anderen habeich eigene Untersuchungen durchgeführt,haupt- sächlich die Falluntersuchungen vonSpukphänomenen. Und ich habe an Expe- rimenten teilgenommen.Eine Evidenz ist,was ich bei diesem psychokinetischen Metallbiegenerlebt habe. In den 1970er Jahren haben wir längere Zeit mit dem Schweizer ‚Metallbieger‘ Silvio M. experimentiert.Bei einem Experiment, das der MünchnerExperimentalphysiker Hans-Dieter Betz in Silvios Wohnung 406 EberhardBauer durchgeführt hat,war ich anwesend.⁷ DieAufgabe bestand darin, dass Silvio einen mit Keramik isolierten Kohleschichtwiderstand sozusagenmental ‚beeinflussen‘ sollte. Als er diesen Widerstand mit Daumen und Zeigefinger anfasste, wurden signifikante Ausschlägeregistriert,die gleichzeitigvon einem Ohmmeterund einem Streifenschreiber aufgezeichnet wurden. Diese Ausschlägetraten weder bei uns noch bei Kontrollläufen der Apparatur auf. Das ist so eine Art ‚qualitative‘ Evidenz,die ichnach wie voreinfach überzeugend finde. Das heißt: Ichunter- scheide Stufen der Evidenz. Da gibtesnicht eine einzigeEvidenz, sondern es kommt alles zusammen. Sie kennen dieses alteerkenntnistheoretische Prinzip, nicht wahr: Abundle of sticks. Also, einen Stick können Sie immer zerbrechen, aber wenn Sie alles zusammennehmen, dann ist das eine Art konvergierende Operation. Das hat mich eben zu der Überzeugung geführt,dass – populärge- sagt – an der Parapsychologie was dran ist.Und dass die ganzen Jahrzehnte der Forschung nicht vertane Zeitwaren, wenn manesetwas pathetisch formuliert.

AL: Und Sie hatten keinen Grund,anden Ergebnissen der Experimente zu zweifeln?

EB: An diesemSilvio-Experiment habe ich persönlich keinen Zweifel gehabt.Das Experiment mit dem Ohmschen Widerstand fand ich so klar kontrolliert – gerade im Hinblick darauf, Ambiguitäten auszuschalten. Beiden statistischen Experi- menten ist das eine andere Frage, die fand ichnie so evident.Aber es geht ja immer um die Frage, was sozusagenauch ad oculos überzeugt.

AL: Ein anderes Beispiel für Evidenz haben Sie zuletzt in einemautobio- grafischen Aufsatz thematisiert.Eshandeltsich dabei um Erfahrungen, die Sie bei Spuk-Untersuchungen gemacht haben. Etwa bei einemsogenannten Wasserspuk 1972, den Sie zusammen mit Hans Bender untersucht haben. Monatelang waren zum Teil massive Wasserlachen und -flecken im Haus der Familie K. in einemDorf in der Nähe vonKassel erschienen. Keiner der Experten (Techniker,Geologen, Hydrologen)konntedie Ursache finden.Im Dorf kursiertenGerüchte vongeologischen Verschiebungen, Geistern und Dämonen. In Ihrem Aufsatz schreiben Sie, wie viel Sie ausdem Fall gelernt haben – über den enormen psychologischen und sozialen Gehaltdieser Phänomene, über die Folgen für die betroffenenPersonen sowie über die Notwendigkeit,Menschen zu beraten, die mit dieser ‚verborgenen Realität‘

 Betz, Hans-Dieter: UnerklärteBeeinflussungeines elektrischen Schaltkreises durch Silvio, in: Zeitschrift für Parapsychologie und Grenzgebieteder Psychologie /, –. Suche nachOrdnung undLust an der Anarchie 407 meist ganz unerwartet konfrontiertsind.Wenn Menschen heute zu Ihnen in die Beratung kommen und vonSpuk berichten, wie gehen Sie damit um?

EB: Sagen wir so: Spukphänomene sind ein systemisches Phänomen. Sie pas- sieren in sozialen Systemen und es gibt Menschen, die sogenannte ‚Spukagenten‘ oder ‚Spukauslöser‘ sind. Der Spuk braucht zu seiner Entfaltungbzw.seiner Ar- tikulation eine soziale Dynamik. Spuk braucht ein Theater.Damuss immer etwas inszeniert werden. Und deshalb sprechen wir in unserer Terminologie von ‚Ex- ternalisierung‘.Die Aufgabe des Beraters besteht nun darin, dem Betreffenden oder den Betreffenden – meistens ist es eine Familie oder ein soziales System – klarzumachen, dass diese Phänomene nicht mit irgendeiner spirit agency zu tun haben, sondern mit ihnen selbst.Spuk ist eine rätselhafte Form der Konfliktbe- wältigung.Während bei vielen Menschen Konflikte zu einer psychosomatischen Erkrankungführen, können diese sich bei anderen unter bestimmten Disposi- tionen auch spukartigäußern. Dabeisind die Konflikte meist ganz alltäglicher Art: Schulschwierigkeiten, Probleme mit dem Partner.Esist in Anlehnung an Sigmund Freud das alltägliche Elend,was sich in diesen spukartigen Eruptionen, Mani- festationen zeigt. Die Evidenz dieser Erklärung zeigt sich in der Regel darin, dass die Spuk- phänomene dann schlagartig aufhören, wenn Sie die entsprechende Person aus dem System herausnehmen, wie etwa in dem vonIhnen angeführten Fall die 13‐jährigeTochter der Familie, die wir damals als Spukauslöserin ausgemacht hatten. Das heißt,das System bricht dann zusammen. Das ist eine Beobachtung, die hat bereits der Münchner Arzt und ParapsychologeSchrenck-Notzing in den 1920er Jahren gemacht: Pubertät oder Adoleszenz ist immer eine Störungim System. Auch die frühen psychoanalytischenDeutungen, etwa vonC.G.Jung, haben sich damit beschäftigt,dass diese Phänomene mit Menschen, mitEmo- tionen zu tun haben. Für mich ist das eine unbezweifelbare Tatsache.

EV:Dennoch haben solche Ergebnisse nie zu einer Anerkennung der Pa- rapsychologie durch die etablierten Wissenschaftsdisziplinen geführt.

EB:Jagut,dawürde ichjetzt einergigantischen Selbstüberschätzung unterlie- gen, wenn icherwartenwürde,dassdiese fürmichevident gewordenen empiri- schenBefunde vonjedermann geteiltwürden. Dashängt wiederum damit zu- sammen,wie sich eine Erkenntnis zusammensetztund wieWissenweitervermittelt wird.Das isteineviel, viel komplexere Frage. Hier ging es zunächst um dieErar- beitungeines eigenen Standpunktes undden Versuch, einigermaßen rationalzu begründen,warum ichdavon überzeugtbin,dasswir einenKernvon Anomalien haben. 408 EberhardBauer

Eine andere Frageist die nach der Wissenssoziologie und danach, welche Dynamik es gibt – siehe die Arbeiten der SoziologenCollins und Pinch, Michael Schetsche et al. Das heißt: Wergilt als verantwortlich für die Weitergabevon Wissen?Wann wird ein Thema als sozial akzeptabel angesehen?Dakommen wir in die boundarydisputes hineinund zur Frage: Werübernimmt diese Ergebnisse? In welcher Form werden sie publiziert?Wann wird es Lehrbuchwissen etc.? Das sind ja alles solche ‚weichen‘ Kriterien, an denen man sehen kann, wie sich eine bestimmte Entdeckung fortsetzt oder wie weit sie akzeptiert wird.Vor50Jahren hat Thomas Kuhn das in „The Structure of Scientific Revolutions“ beschrieben.Indem Buch unternimmt er ja den Versuch, die Faktoren ausfindig zu machen, die eine Anomalie normalisieren. Mein Standpunktist, dass dieParapsychologie oder Grenzgebietsforschung immerdannguteChancen hat, jenseits derindividuellen Evidenzenakzeptiertzu werden,wenneseinegewisse theoretische Anschlussfähigkeit gibt.Und da denke ich – damit binich nichtalleine –,dasssolcheModelle wiedie sogenannte weak quantum theory,die bestimmteDinge ausder Physik in einenanderen Zusam- menhangtransponiert, geeignet sind.Und es wäre sicher hilfreich, wenndie Nor- malpsychologie oder dieakademische Psychologie mehr Hinweise darauf bekäme, dass manche psychischenodermentalen Funktionen eben einerQuantenstruktur gehorchen. Dasist natürlichein ganz schwierigesThema,weildie heutigenPsy- chologen immernochsehraneinem klassischenNewton’schenWeltbildorientiert sind.Das hängtauchmit derAusbildungzusammen. Ich könnte mirauchvor- stellen, dass Befunde derParapsychologie auch in andere Communities einsickern, aber dasist einBohrenharterBretter.Daher findeich Verstetigung derForschung besonderswichtig,d.h.dassdieses Institut weiterexistiert alsein Hort dieses Wissens, vielleicht könnte mansogar sagen, dieses verdrängtenWissens.

EV:Wenn Sie davonausgehen,dass die Parapsychologie Fortschritte macht und es genaudas ist,was Sie in erster Linieinteressiert: Warum formulie- ren Sie das in der Öffentlichkeit nicht deutlicher?Soweit ich es bisher wahrgenommen habe, sind Sie diesbezüglich eher zurückhaltend und ver- suchen, das Thema v. a. kulturhistorisch zu fokussieren.

EB: Also, sagenwir so, die Frageist natürlich, in welcherFunktion ich in der Öffentlichkeit auftrete. Manche Sachen sage ich durchaus. Aber ich bin natürlich vorsichtig,weilich michauf ein Gebietwage, das mitMinen versehen ist.Man muss sich davorhüten, über Themen zu reden, die man nur ungenügend gut überschaut.Ich kann etwas über unserBeratungsgeschäftsagen, was das für Menschensind, die zu uns kommen, welche Phänomene sie berichten und so weiter.Aber wenn es zum Beispiel um solche Modelle geht,die zum Teil phy- Suche nach Ordnungund Lust an der Anarchie 409 sikalisch inspiriert sind, da gibt es kompetentereLeute, wie zum Beispieldie Kollegen Hartmann Römer oder Walter vonLucadou, die selbst ausder Physik stammen und mit größerer Kompetenz auftreten können. Das ist für mich auch eine Frageder wissenschaftlichen Anständigkeit.Den Inhalt kann ich zwar sehr wohl referieren, muss aber gucken, wie ich michder Öffentlichkeit gegenüber verhalte. Und ich verhaltemich dann hauptsächlich als Psychologe, der die Be- ratungs- oder Informationsarbeit hier am Institut mitkoordiniert.Und der auch etwas über die Rezeption dieser Befunde im Kontext der letzten 100,150 Jahre sagen kann. Ichversuche da eine ArtMetaperspektive zu entwickeln im Hinblick aufdie boundaryconditions,die damit einhergehen. Das ist eher meine Rolle. Vielleicht kommtdaher auch meine Zurückhaltung in diesem Punkt.Zudem hat man ja in der Öffentlichkeit meist sehr wenigZeit und das macht es umso schwieriger,diese Dinge,wie heißt es, ‚sauber‘ zu kommunizieren. Denn man trifft ja meistes aufdiesen One-Level-Materialismus,d.h.auf die Frage: Gibt es diese Dingeoder gibtessie nicht?Diese Frageaufzuweichen und zu fragen:Wasmeinen Sie denn jetzt eigentlich mit Ihrer Frage, das können Sie nie in einer Fernseh- diskussion, also in fünf Minuten sagen.

AL: Wirhaben in diesemGespräch immer vonParapsychologie gesprochen. Sie hingegen verwenden an anderer Stelle oft auch verschiedene andere Begriffezur Bezeichnung Ihres Forschungsfeldes.Wie ist denn Ihr Verhältnis zu dem Begriff?

EB: Ichfinde, der Begriff ‚Parapsychologie‘ ist mittlerweile verdorben. Ebenso problematisch wie der Begriff ‚Psi‘.Ich versuche es daher oft mit dem Begriff ‚Grenzgebietsforschung‘,weil der eine gewisse Neutralität beinhaltet.Mit dem Begriff ‚Anomalistik‘ gibt es jetzt den Versuch, einenOberbegriff und ein Konzept zu formulieren, das nicht nur paranormale Phänomene im technischen Sinne einschließt, sondern auch die UFO-Phänomene und so weiter,d.h.Anomalien, unkonventionelle Beobachtungen oder Phänomene in einem breiteren Sinne. In meinen Schriftenverwende ich mitunter auch den Begriff anomalistic psychology, also ‚anomalistische Psychologie‘,weil er aufder einen Seite den Begriff ‚An- omalie‘ enthält und, was mir wichtig ist,die Psychologie als Mutterwissenschaft mit einführt.DieserBegriff genießt auch akademisch,v. a. in England, mittlerweile eine breite Resonanz. Ob er sich weiter durchsetzt – ob alsodie ganzenDepar- tements,die sich seitEnde der 1980erJahre in England gegründet haben, in ir- gendeiner WeiseBestand haben werden, wird sich zeigen. Also, ausrein sozio- logischer Sicht sieht es dort im Moment so aus, dass mittlerweile 40,50Leutemit einem PhD in Psychologie tätig sind, die die Psychologie zusammen mit ihren 410 EberhardBauer anomalen Bestandteilen vertreten. Das scheint mir momentan ein probates Modell mit Zukunftsperspektivenzusein.⁸

AL und EV:Herzlichen Dank für das Gespräch.

 Der biographische Kontext dieses Interviews wirdergänzt durch das Kapitel vonBauer,Eber- hard:Onthe Magic Hill, in: Men and of Parapsychology,Personal Reflections, hg.v.Rosemarie Pilkington,San Antonio/New York , –. Autorinnen undAutoren

Prof.Dr. Natascha Adamowsky ist Professorin für Medienkulturwissenschaft an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburgund Direktorin des Institutsfür Medien- kulturwissenschaft.Ihre Forschungsschwerpunktesind Medienästhetik und Wissenskultur,practice as research/theory as practice (Epistemologie der Parti- zipation) und Mediengeschichte. AusgewähltePublikationen: Das Wunder in der Moderne.Eine andere Kulturgeschichte des Fliegens, Paderborn 2010;Die Ver- nunft ist mir nochnicht begegnet.Zum konstitutivenVerhältnis vonSpiel und Erkenntnis,Bielefeld 2005;Spielfigureninvirtuellen Welten, Frankfurt a.M. 2000.

AndreasAnton,M.A., studierte Soziologie, Geschichte und Kognitionswissen- schaft an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburgund promoviert derzeit im DFG‐Projekt „Im Schatten des Szientismus – ZumUmgangmit heterodoxen Wissensbeständen, Erfahrungen und Praktiken in der DDR“ (im Rahmen des „Instituts für Grenzgebiete der Psychologie und Psychohygiene e.V.“ (IGPP)). Seine Forschungsschwerpunktesind soziologische und historische Fragestellungenim Bereich der Parapsychologie und Anomalistik;heterodoxe Wissensbestände, Er- fahrungen und gesellschaftliche Deutungsmuster außergewöhnlicher Erfahrun- gen; sozial-und kulturwissenschaftliche Aspekteder SETI-Forschung.Ausge- wähltePublikationen: zus. mit Michael Schetsche: Konspirative Wirklichkeit.Zur Wissenssoziologie vonVerschwörungstheorien, in: INDES. Zeitschrift für Politik und Gesellschaft 4/2015,33–42;zus. mit UweSchellinger/Michael Schetsche: Pragmatic Occultism in the Military History of the Third Reich, in: Revisiting the „Nazi Occult“.Histories,Realities, Legacies, hg.v.Monica Black/Eric Kurlander, New York 2015,157–180.

EberhardBauer ist Psychologeund gehörtzum Vorstanddes „Institutsfür Grenzgebiete der Psychologie und Psychohygiene e.V.“ (IGPP)inFreiburgim Breisgau. Er koordiniert die Bereiche „Beratung und Information“ sowie „Histo- rische Studien/Archivund Bibliothek“ und ist Mitherausgeber der „Zeitschrift für Parapsychologie und Grenzgebiete der Psychologie“.Seine Forschungsschwer- punkte sind Kultur-und Wissenschaftsgeschichte vonSpiritismus, Okkultismus und paranormalen Phänomenen vom19. Jahrhundert bis zur Gegenwart.Ausge- wähltePublikationen: Psi und Psyche: Neue Forschungen zur Parapsychologie, Stuttgart 1974;zus. mit Walter vonLucadou (Hg.): Spektrum der Parapsychologie, Freiburgi.Br. 1983; zus. mit JürgenJahnke et al. (Hg.): Psychologiegeschichte. Beziehungen zu Philosophie und Grenzgebieten, München/Wien 1998;zus. mit

DOI 9783110466638-015 412 Autorinnen undAutoren

Michael Schetsche (Hg.): AlltäglicheWunder.Erfahrungen mit dem Übersinnli- chen, Würzburg2 2011.

Dr.Renaud Evrard is aclinical psychologist and Associate Professor at the Uni- versityofLorraine (INTERPSYLaboratory,EA4432).In2012,heobtained aPhD in psychologyatthe University of Rouen/France with athesis on „Clinical Dif- ferential Practice with Exceptional Experiences“ (published in French in 2014: „Folie et Paranormal: vers une cliniquedes expériencesexceptionnelles“). In 2016,hepublished ahistory of parapsychologyinFrance: „La légende de l’esprit: enquête sur 150 ans de parapsychologie“ (Paris: Édition Trajectoire).

Dr.Júlia Gyimesi is an assistant professor at the Teacher Training Centre of the Károli Gáspár University of the Reformed Church in Hungary.She receivedher PhDdegree in Theoretical Psychoanalysis from the University of Pécs in 2011. She is the author of amonograph published in Hungarian under the title „Pszichoanlízis és spiritizmus“ (Psychoanalysis and Spiritiualism, 2011), and publishedseveral articles on the history and psychoanalytical context of psychical research and earlyparapsychologyinHungary. Selected publications: Sándor Ferenczi and the ProblemofTelepathy, in: History of the Human Sciences 25/2012, 131–148; Why ‚Spiritism‘?, in: The International Journal of Psychoanalysis 97,2/ 2016,357–383.

Dr.IngridKloosterman has finished her PhDonthe history of parapsychology in the Netherlandsinearly2016.The book will be published in Dutch in 2017 as ‘Science from Beyond: The history of Dutch parapsychologyinthe twentieth century’.Currentlyshe is workingasalecturer at the department of interdisci- plinary social sciences at Utrecht University. She is interested in the history of the social sciences in general and the history of psychologyinparticular.Selected publications: Psychical research and parapsychologyinterpreted: suggestions from the international historiographyofpsychical research and parapsychology for investigating its history in the Netherlands, in: History of the Human Sciences 25,2/2012,2–22.

Prof.Dr. Ulrich Linse ist Historiker und warbis zu seiner Emeritierung 2004 Professor für Neuere Geschichte/Zeitgeschichte an der Hochschule für ange- wandteWissenschaften München. Seine Forschungsschwerpunkte sind „alter- native“ Bewegungen vomKaiserreich bis zur Bundesrepublik. AusgewähltePu- blikationen: Geisterseher und Wunderwirker.Heilsuche im Industriezeitalter, Frankfurt a.M. 1996;Mit Trancemedien und Fotoapparat der Seele aufder Spur. Die Hypnose-Experimente der Münchner „Psychologischen Gesellschaft“,in: Autorinnen undAutoren 413

Trancemedien und NeueMedien um 1900.Ein anderer Blick aufdie Moderne, hg. vonMarcus Hahn/Erhard Schüttpelz, Bielefeld 2009,97–144.

Dr.Anna Lux ist Historikerin und wissenschaftliche Mitarbeiterin im DFG-Projekt „Parapsychologie im Schnittpunkt vonwissenschaftlicher Disziplinbildung, ge- sellschaftlicher Nachfrageund medialer Öffentlichkeit (1945–1975)“ an der Al- bert-Ludwigs-Universität.Ihre Forschungsschwerpunktesind Universitäts- und Wissenschaftsgeschichte, Geschichte der Parapsychologie, Mediengeschichte. AusgewähltePublikationen: Räume des Möglichen. Germanistik und Politik in Leipzig,Berlin und Jena (1918–1961), Stuttgart 2014; „Vomspielenden Gelingen“. Der ParapsychologeHans Bender(1907–1991) und die medialeÖffentlichkeit,in: Historische Anthropologie 21,3/2013,343 – 366;zus. mit Sylvia Paletschek: Ok- kultismusinder Moderne:Zwischen Wissenschaft,Religion und Unterhaltung, in: Historische Anthropologie 21,3/2013,315–325; zus. mit UweSchellinger/Günther Klugermann (Hg.): Okkultes Freiburg. Ereignisse,Personen, Schauplätze, Kassel 2015.

Prof.Dr. Birgit Menzel ist Professorin für Slawistik an der Universität Mainz. Ihre Forschungsschwerpunkte sind russische Literatur und Kultur des 20.und 21.Jahrhunderts, insbesondere Literaturkritik der Perestroika, spät-und post- sowjetische Populärliteratur,interkulturelle Beziehungen, Translationswissen- schaft.Ihr aktuelles Forschungsprojekt steht unter dem Titel „CitizenDiplomacy. The Soviet-AmericanExchangeProgram to End the ColdWar (ca. 1980 bis zur Gegenwart)“.AusgewähltePublikation: zus. mit Michael Hagemeister/Bernice Glatzer Rosenthal (Hg.): The New AgeofRussia Occultand Esoteric Dimensions, München/Berlin 2012.

Prof.Dr. Sylvia Paletschek ist Professorin für Neuere und Neueste Geschichte an der Universität Freiburg. Sie ist Leiterin des DFG-Projekts „Parapsychologie im Schnittpunkt vonwissenschaftlicher Disziplinbildung,gesellschaftlicher Nachfrageund medialer Öffentlichkeit (1945–1975)“.Ihre Forschungsschwer- punkte sind Universitäts- und Wissenschaftsgeschichte, Frauen- und Geschlech- tergeschichte und Geschichtskultur.AusgewähltePublikationen: Stand und Per- spektivender neueren Universitätsgeschichte, in: Zeitschrift für Geschichte der Naturwissenschaften, Technik und Medizin (NTM) 19/2011,169 – 189;Popular Historiographiesinthe 19th and 20th Century,Oxford 2011;zus. mit Anna Lux (Hg.): Okkultismus in der Moderne (= Historische Anthropologie 21,3), Köln 2013.

Uwe Schellinger,M.A., studierte Geschichtswissenschaft und Theologie in Frei- burgi.Br.und ist wissenschaftlicher Mitarbeiter und Archivaram„Institut für 414 Autorinnen undAutoren

Grenzgebiete der Psychologie und Psychohygiene e.V.“ (IGPP)inFreiburgim Breisgau. Seine Forschungsschwerpunktesind Geschichte der Parapsychologie im 19.und 20.Jahrhundert,jüdische Regionalgeschichte (Baden), Fußballge- schichte, Archivierungspraxis in nichtstaatlichen Organisationen (Verbände, Vereine). AusgewähltePublikationen: Kaum zu fassen: Die spezifische Proble- matik der historischen Überlieferung paranormaler Erfahrungen im 20.Jahrhun- dert,in: Zeitschriftfür Anomalistik 11,1/2/3/2011, 166–196;Die ‚Sonderaktion Heß‘ im Juni 1941: Beschlagnahmung und Verwertungvon Buchbeständen der „Ge- heimlehren“ und „Geheimwissenschaften“,in: NS-Raubgut in Museen, Biblio- theken und Archiven, hg.v.Regine Dehnel, Frankfurt a.M. 2012,317– 341; zus. mit Andreas Anton/Michael Schetsche: Pragmatic Occultism in the Military History of the ThirdReich, in: Revisiting the „Nazi Occult“.Histories, Realities, Legacies, hg.v.Monica Black/Eric Kurlander,New York 2015,157–180.

Prof.Dr. Michael Schetsche,Politologe und Soziologe, ist Forschungskoordinator am „Institut für Grenzgebiete der Psychologie und Psychohygiene e.V. “ (IGPP) sowie außerplanmäßiger Professor an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg. Seine Forschungsschwerpunktesind Wissens- und Mediensoziologie, Sexualso- ziologie, Anomalistik, qualitative Forschungsmethoden, Futurologie und Exo- Soziologie. AusgewähltePublikationen: zus. mit Renate-Berenike Schmidt (Hg.): Fremdkontrolle. Ängste – Mythen – Praktiken, Wiesbaden 2015;zus. mit Gerhard Mayer/Ina Schmied-Knittel/Dieter Vaitl (Hg.): An den Grenzen der Erkenntnis. Handbuch der wissenschaftlichen Anomalistik, Stuttgart 2015;zus. mit Renate- BerenikeSchmidt (Hg.): Rausch – Trance – Ekstase. ZurKultur psychischer Ausnahmezustände, Bielefeld 2016.

Dr.Ina Schmied-Knittel,Soziologin und Politologin, ist wissenschaftliche Mitar- beiterin am „Institut für Grenzgebiete der Psychologie und Psychohygiene e.V.“ (IGPP).Ihre ForschungsschwerpunktesindReligionssoziologie,Kultursoziologie, Diskursanalyse. AusgewähltePublikation: zus. mit Gerhard Mayer/Michael Schetsche/Dieter Vaitl (Hg.): An den Grenzen der Erkenntnis.Handbuch der wissenschaftlichen Anomalistik, Stuttgart 2015.

Martin Schneider studierte Anglistik und Geschichte an der Universität Mann- heim, der Albert-Ludwigs-Universität Freiburgund der University of Sussex und ist derzeit Referendar im Schuldienst des LandesBerlin. Seine Forschungsschwer- punkte sind wissenschaftshistorische und wissenschaftssoziologische Fragestel- lungenimBereich Parapsychologie und Anomalistik, insbesondere organisierte Gegnerschaft zu Parapsychologie und Grenzwissenschaften sowie Skeptiker (‐bewegungen). AusgewähltePublikation: zus. mit Andreas Anton: Politische Autorinnen undAutoren 415

Ideologie vs. parapsychologische Forschung.Zum Spannungsverhältnis von Marxismus-Leninismus und Parapsychologie am Beispiel vonDDR und UdSSR,in: Zeitschriftfür Anomalistik 14,2/3/2014,159–223.

Prof.Dr. Elizabeth Valentine is Emeritus Professor of PsychologyatRoyal Holloway, University of London and Honorary Senior Research AssociateatUni- versityCollegeLondon. She was afoundermemberand subsequentlychair of the History and PhilosophyofPsychologySection of the „British Psychological Society“ and the foundingeditor of its periodical, „History &Philosophy of Psy- chology“.Her chief researchinterest is in the development of institutional psy- chologyinLondon at the beginning of the 20th century.Selected publications: (ed.): Relations between Psychical Research and AcademicPsychologyinEurope, the USAand Japan. History of the Human Sciences, 25,2/2012; Spooks and spoofs: Relations between psychical research and academic psychologyinBritain in the inter-war period, in: History of the HumanSciences,25,2/2012,67–90;Philosophy and History of Psychology. Selected works of Elizabeth Valentine.World Library of Psychologists Series, London/New York 2014.

Dr.Ehler Voss,Ethnologe, ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Medienwissen- schaftlichen Seminarder Universität Siegen und forscht zu den transatlantischen Interferenzendes Mediumismus vom19. Jahrhundert bis heute. Ausgewählte Publikationen: zus. mit Erhard Schüttpelz: Fragile Balance.Human Mediums and TechnicalMedia in OliverLodge’sPresidential Address of 1891, in: commu- nication+14/2015,Art.4;Asprout of doubt.The debate on the medium’sagency in Mediumism, Media Studies, and Anthropology, in: Religion, Tradition and the PopularinAsia and Europe, hg.v.Judith Schlehe/Evamaria Müller,Bielefeld 2014, 205–224; California Dreamin’.Die Erfindungdes Neoschamanismus als mediu- mistische Probe des 20.Jahrhunderts, in: Historische Anthropologie 21,3/2013, 367–386.

Prof.Dr. Dr.Bernd Wedemeyer-Kolwe ist Volkskundler und Sporthistoriker so- wie Wissenschaftlicher Leiter des „Niedersächsischen Institutsfür Sportge- schichte e.V.(NISH)“ in Hannover, zudem außerplanmäßiger Professor an der Universität Göttingen (Institut für Kulturanthropologie/Europäische Ethnologie). Seine Forschungsschwerpunktesind Sportgeschichte, Geschichte der Lebensre- form, Geschichte der völkischen Bewegung,Okkultismusgeschichte. Ausgewählte Publikationen: Der Athletenvater Theodor Siebert (1866–1961). Eine Biographie zwischenKörperkultur,Lebensreform und Esoterik, Göttingen 1999; „Der Neue Mensch“.Körperkultur im Kaiserreich und in der Weimarer Republik,Würzburg 416 Autorinnen und Autoren

2004;Vom „Versehrtenturnen“ zum Deutschen Behindertensportverbrand (DBS). Eine Geschichte des deutschen Behindertensports, Hildesheim 2011. Namens-und Ortsregister

Adorno, Theodor W. 278, 302, 386 Berlin 11, 51,53, 61, 120,140,231, 277, Aigner,Eduard41 283, 286, 293, 295, 297–302, 311f, Akimov,Anatolij Evgenij 159f. 317,321f.,324, 335, 359, 368, 374 Aksakow,Alexander 10, 176 Bernard, Claude 180 Alvarado, Carlos S. 246, 250, 269f. Bernburg316, 318f. Amsterdam 75, 79–81, 264 Bernheim, Hippolyte50 Anderson, Margaret 268 Besterman, Theodore205 Andreas-Salomé, Lou 371 Betz, Hans-Dieter 405f. Ascona369, 374 Bierman, Dick 86f.,89 Atmanspacher,Harald 395, 404 Blackmore, Susan 144 Aub,Ludwig 41f. Blavatsky,HelenaPetrovna 362f. Auschwitz 214 Blenner-Hassett, Sylvia 135 Australien 255 Bleuler,Eugen 373 Austria (see Österreich) Bloomfield, Tony 144 Aveling, Francis 142 Bock, Richard278, 284, 301 Bohne, Heinz 300–302 Babós, Béla 208 Böhringer,Lotte107,389 Bad Hersfeld 359 Boissonnas,Frédéric 60 Bad Wildbad384 Bolle, Fritz 366 Baden-Baden 328f.,331 Bolton, Frances P. 19, 247 Baku163 Bongard, Michail 156 Bányai, Éva218 Bonitz, Manfred 164f.,167 Barčenko, Aleksandr 151f. Bonn 104–106, 120f.,293, 299 Barrett, William 136 Bonus, Arthur 370f. Basel 24, 106, 109 Boulding, Kenneth 260 Bauer,Eberhard266, 281, 285, 288, 358, Bourdieu, Pierre4,15, 119–122 372, 38–410 Brasilien 12, 30 Baumgartner,Friedrich 292, 295 Braude, Stephen E. 144, 269 Bayreuth 58 Braunau 63 Bechterev,Vladimir 151f. Brecht, Bertold 225 „Béla“ 203 Brednich, Rolf Wilhelm 360f.,364 Belgien 279f. Breslau 360 Beloff,John 8, 16, 97,136, 143, 146, 261, Breuer,Josef 57,210 268 Brežnev,Leonid 157 Bender,Hans 2, 8, 11, 15, 19, 21, 24, 26f., Brink,Fillipus 334 75, 93–96, 104–127,173, 232, 234, Briscoe,Desmond 346 238, 248f.,254, 261, 264f.,268, 278, Broughton, Richard S. 269 281, 288–295, 297–303, 327–333, Brown, William 140 345, 357,372, 381–384, 386–392, Brunner,Johannes 277f.,289, 292, 297, 400–403, 406 299–301 Bergson, Henri 186 Budapest 201–205, 209, 215–217,323 Beridze-Stachovskij,A.158 Bürcklein, Friedrich von55 Beringer,Kurt124 Burt, Cyril 142 418 Namens- undOrtsregister

Cambridge135f.,143f.,146, 176, 262, 347 Deutschland/BRD/Germany 8, 10,13, 19– Capra, Fritjof 168 21, 23–25, 38, 52f.,58f., 61, 65f.,73, Cardeña, Etzel 253, 265, 270 75, 80–82, 87,93f., 96, 104, 107,109, Carington, Whately 143 125, 127,136f.,146, 154, 162, 165f.,176, Carl Theodor,Herzog vonBayern55 178, 185f.,202f.,205, 230–235, 240– Carlson, Chester 102 242, 248f.,254f.,265, 277f.,280–284, Carpenter,James 270 290,292, 294, 297,300,302, 307–309, Carpenter,John 344 316, 321–325, 327f.,332f.,351,357, Castle, Robert vande268 359, 363, 365, 369–372, 374–377,381, Chamberlain, Houston Stewart 370 385, 390f.,396, 416 Charcot, Jean-Martin 50, 176–178, 180 Diederichs,Eugen 370 Chauvin, Remy 17,188f. Diedrich, Luise 316f.,326 Chemnitz 322 Dietz, Paul 80f.,87, 89 Chemnitz, Mathilde von41 Dietze, Constantin von125 ChengeryPap,Elemér 17,204–208, 216, Dirac, Paul 159 220 Dresden 237,309 ChengeryPap,Károly204–207 Driesch, Hans 11, 26, 94, 104, 118, 185, Chicago259 206, 382 Child, Irvin 268 Drogalina, Žanna164, 167 Choisy,Maryse187 Drost, August 316, 318f. Chruščev,Nikita 154 Dublin 136 Churchill, Winston345 Dubrovskij,Arsenij 152 Ciolkovskij, Konstantin 150 Duerr,Hans-Peter 395 Claparède, Edouard185 Duke, James B. 123 Colodny,Robert168 Duncan,Helen 141 Copenhagen 140 Dunlap, Jack W. 99 Croiset, Gérard 83, 85, 106, 249, 290,297, Durham,NC15, 26, 28, 75, 94, 96, 102, 301, 330–333, 383 113f.,116, 120,123–125, 127f. Crookes,William 76 Durov,Vladimir 151 Crossman, Allan 191 Dwire, HenryR.100 Crowley,Aleister 362, 364 Czynski, Czeslaw 52f. Edens, ArthurHollis 100 Edge, Hoyte260, 269 Dam, Abraham van 79 Edinburgh16, 29, 95, 136, 144, 261, 263f., Däniken, Erich von 237 403 Dariex, Xavier 177 Eeden, Frederik van 76f.,87f. Davitašvili, Džuna157,159 Egely, György 217f. DDR 8f., 16–18, 150,225–230,232–242, Eibenschütz, Camilla 61 292–294, 297,308, 323f. Eichthal, Irene von40 Dean, E. Douglas258, 268 Encausse, Gérard 52f. Delanoy,Deborah L. 146, 264, 269 Endres, Willi 290 Delmer,Sefton 372 Engelbrecht, Carl GustavErnst 309–311 Demičev,Petr154 England 10,13, 20, 55, 73, 85, 102, 134, 136, Derby145 140f.,144, 154, 159, 161, 165, 174, 202. Déri, János 218 245f., 253, 256, 261, 263, 342, 345, Dés 214 347f.,363, 366–369, 371, 388, 390, Dessoir,Max 11, 46, 118, 319, 384 409 Namens- und Ortsregister 419

Esmarch, Friedrich von55 Garrett, Eileen 19, 245–251 „Eszter“ 202f. Gaus, Günter 228f. „EvaC.“ 50, 65 Gehrts, Heino 358 Eysenck, Hans 136 Geley,Gustave 180,184 Geller,Uri 18, 111, 146, 233, 235, 242, 389, Fach, Wolfgang404 391f. Fahrenberg, Jochen 387 Geneva185 Faivre, Antoine 373f. George, Stefan 366 Favre, Louis 193 Georgien 157f. Fedorov, Nikolaj 150 Gerding, Hans 86 Ferenczi, Sándor 17,209–211, 220 Germany (see Deutschland) Few,William Preston 100,103, 123f. Gersbach, Ida und Luise 307,335 Feynman, Richard192 Gerstner, Krimhild 329–331 Fischer,Andreas96, 396 Gießen 104, 371, 392 Fischer,Henri 40,82, 308 Ginzburg, Vitalij 160 Fischer,Oskar 319 Glasgow 163 Fischer,Ottokar 313 Godik, Ėduard157 Flitner,Wilhelm 358 Goebbels, Joseph 312 Flower,Robert Lee 100 Goldney,Mollie 143 Flügel, John Carl 140,142 Göttingen 21, 357–362, 363f.,368, 371, Fodor,Nándor 139, 205f.,209f.,246 374 Ford, Gerald 247 Graz205 Foucault, Michel 354 Great Britain (see Großbritannien) France(see Frankreich) Green, Celia 136 Frankfurt 396 Green, Paul A. 346 Frankreich/France8,11f., 17f.,27, 58, 73, Groeneweg, Leendert 78f. 76, 106, 137,146, 173–178, 180,182– Grof, Stanislav 166f. 184, 186, 188–190, 193, 202, 252, 265, Großbritannien/Great Britain 8, 14, 16, 23, 280,359, 362, 385 29, 76f.,95, 133–136, 139–146, 246, Freeman, John A. 101 255, 264, 321, 341, 344, 347f.,372 Freiburg 1, 8, 15, 21–24, 26–28, 41, 75, Grunewald, Fritz 140 93–96, 104–109, 111–114, 116f.,119– Grünhut, Adolf 202f.,205 121, 123–128, 173, 234, 246, 248–250, Gubisch, Wilhelm 278, 284f.,288, 290– 252, 261f.,264, 278, 288f.,299f.,302, 293, 302 307,327f.,331–333, 335, 345, 357,364, Guipet, Magdeleine 57,60f. 369, 372, 374, 381f.,384, 386f.,390f., Gulat-Wellenburg, Walter von41 394, 398, 400 Günther-Geffers, Elsbeth 284, 316, 319f., Fremery, Henri de 77 326, 335 Freud, Sigmund 6, 17,57, 187,209f.,407 Gurney,Edmund 135f. Freudenstadt 385 Gurštejn,Tovij 151 Friedländer,Albert319 Gurtovoj, Georgij 151, 153, 156 Fritsche, Herbert 370 Gutenbrunner, Siegfried 126 Fromm, Karl Friedrich 294, 301 Gwinner,Monika328 Fulton,Roger344 Habermas,Jürgen 386 Galli, Carla 218 Häckel, Ernst 323 Gardner,Martin 260,280 Hamburg107,285, 288, 358, 370 420 Namens- undOrtsregister

Hannover 166, 316 Jahn, RobertG.259 Hanussen, Eric Jan 115, 284f.,312f.,316, Jakobsen, Walter 299, 302 318, 326 Janet, Pierre104,177–180,182, 191 Haraldsson, Erlendur262 Jansen, Floris77f. Hartlaub,Gustav 106, 249 Japan 12, 342 Havas,Andor 203 Jaspers,Karl 382 Haynes, Renée 140 Jastrow,Joseph 145 Heidegger,Martin 382 Johnson, Martin 84–86, 261–263, 265, Heidelberg 106, 120,264 268 Heijligers,Cornelijs333 „József“ 203 Heiß, Robert106, 108f.,121, 124, 126f. Jung, Carl Gustav 6, 166, 185, 187,210, Hellwig, Albert 317,319f. 269, 373, 405, 407 Helsinki 152 Jürgenson, Friedrich24, 345 Hemberger,Adolf 371–373 Hennyey,Vilmos 212 Kahle, Erhart 373 Heß, Rudolf 23, 105f.,321f. Kahn, Ludwig 26 Hessel, Marie 316f.,321, 326 Kalifornien/California 99, 149, 162, 166 Heymans, Gerard 78–80,87–89 Kalmykien163 Hieronimus, Ekkehard 371f. Kamčatka163 Hillebrand, Jenő 212–214 Kanada 154 Hiltmann, Hildegard 109 Kandinskij, Vassilij 164 Himmler,Heinrich 240,322 „Kara Iki“ 310–313 Hitler,Adolf 65, 293, 321f.,345,372 Karcag 206f. Hoebens, Piet Hein 332, 402f. Kardec, Allan 175, 202 Hoffmann, Wolfgang125f. Karlsruhe 277,291 Holler,Asta390–392, 394 Kasachstan 165, 168 Holló, Domokos 209, 212–214 Kassel 406 Holub,Edmund 315f. Kaulbach, FriedrichAugust von57 Holzkamp,Klaus 386 Kažinskij, Bernard151,153 Home, Daniel Dunglas 133, 405 Kecskemét 206f. Honorton, Charles 259f.,268 Kele, Johann 323f.,330f. Hornung, Heinrich 317 Keller,Albertvon 40,54–65 Höttl, Wilhelm 322 Kernbach, Serge151,154, 157f.,161 Howe, Ellic 366, 368–372, 376 Kiel 299 Hungary(see Ungarn) Kiev 156 Huxley,Aldous 387 King, CecilHarmsworth 136 Huxley,Julian 139 Király,József 217f. Kirlian, Semen undValentina156, 169 Ilyés, Sándor 218 Kistemaker,Jaap 84 Imbert-Nergal, Robert280 Klein, Kurt 292, 294 Indien 30, 152, 166, 265 Kleinschmidt, Friedrich 324f. Inglis, Brian 8, 137,144 Klinckowstroem,Carl Grafvon 289 Insterburg 284, 319 Kneale, Nigel 20, 341f.,344, 346–348, Irtzl, Mária 212f.,216 350 Italien/Italia 180,184, 264, 322 Kobzarev,Jurij 157 Koestler,Arthur144–146, 263f. Koestler,Cynthia 144, 263 Namens- und Ortsregister 421

Kolmogorov,Andrej 165 Liverpool 145 Köln 121 Lodge, Oliver 48, 99, 206 Komi-Halbinsel 164 Loers, Veit 39f.,396 König, Peter-R. 371, 374f. London 10,22, 38, 139f.,143, 155, 205, Königsberg374 247,264, 315, 345,388 Korotkov, Konstantin 156 Lucadou, Waltervon 111f.,381, 389, 399, Kracauer,Siegfried 65 404, 409 Krall, Karl 49 Ludwigsburg328 Krasnodar 156 Luke, David 270 Krengel,Ulrich 390 Lutz, Gerhard370 Krippner,Stanley 102, 149, 154, 261, 266, 269 Mace, Alec C. 142 Kröner,Walther 317,319 Magnin, Émile 60 Kruse, Johann 280,285–288, 293, 303 Mainz 299 Kübler-Ross, Elisabeth 234 Mangoldt, Ursula von 331 Kuhbier,Hans 291 Mann, Thomas 47,51, 63–66 Kuhn, Thomas S. 408 Mannheim 40,283, 285, 291, 328–330 Kulagina,Nina 154 Marby, Friedrich370, 374 Kulebakin, Viktor151 Marmin, Nicolas 182, 190,192 Kulešova, Roza154, 156 Maso, Ilja 87 Kullu 152 Matuschka,BernardGraf330 Kulmbach 58 Matzinger, Lina 54, 56, 59f. Kummer,Sigfried 374 Max, Gabriel von40, 43, 55, 58f.,61, 64 May,Edwin158, 160f.,219, 259, 266, 269 La Maddalena323 McConnell, RobertA.255, 267 Lagarde, Paul de 370f. McDougall, William 96, 100,120,124, 140, LagoMaggiore372, 374 246f. „Lajos Pap“ 205 McKenzie, James Hewatt und Barbara 139, Lakatos, Imre 194, 402 246 Lamont, Peter 403 Mead, Margaret 258 Lang, Fritz 65 Meerloo, Joost 84 „László László“ 206, 211 „Megalis“ 313–315 Lausanne 120 Meng, Heinrich 106, 110 Lazarev,Petr151, 153, 156 Mérő,László218 Leboulanger,Léonie 177 Mesmer,Franz Anton 173 Leiden 80 Messing, Wolf 153, 156 Leipzig 26, 94, 104, 165, 178, 234, 309– Meyer,Jean184 312, 316f.,321, 323, 326 Michelet, Jules 362f. Leitmeritz 284f.,318 Mikos, János 208f. Leningrad (siehe St. Petersburg) Mirza, Dmitrij 153 Lethbridge, Thomas Charles 347f. Mischo, Johannes 109f.,112–114, 381, Levy,Walter J. 102f. 389–391, 394 Lhotzky,Heinrich 370f. „Miss Fay“ 76 Liebenfels, JörgLanz von372 Mohler,Armin 371f. Liégeois, Jules 52 Moll,Albert319 Linschoten, Johannes 84 Möller,Helmut 21, 357–376 Linse, Ulrich 371 MonteCarlo 12 422 Namens- undOrtsregister

MonteVerità362, 367,372 Óriás, Pál 210 Moody,Raymond 234 Orlop, Arthur290f.,298, 303, 328–330 Morris, RobertL.16, 95, 144, 264, 268f., Osis, Karlis 268 403 Oslo 206 Morrison, Grant 344 Österreich/Austria 141, 144, 312 Moser,Fanny 28, 107,126, 388f. Osty,Eugène 140, 185f. Moses, William Stainton134, 136 „Otto-Otto“ 313 Moskau 150f.,153f.,156, 159f.,162, 165 Oxford135f., 144, 256f., 372 „Mrs.Edmund Thompson“ 77 „Mrs.Jelenek“ 210 „Pál“ 203f. Müller,Johannes 370f. Palladino, Eusapia 180,405 Münch, Curt 316, 322–324 Palmer,John 253, 268f. München/Munich 14, 37–41, 43, 49–55, Paris 11, 27,50, 52, 60, 120,139f.,176, 57,60f., 63f.,66, 105–107,140,205, 179, 185, 187f.,205, 263f.,315 326, 371, 391, 405, 407 Parra, Alejandro265, 270 Murphy,Gardner 94, 247 Pasteur,Louis180 Mussolini, Benito322f. Pauli, Wolfgang 405 Myers,Frederic W. H. 55, 135–137 Paulinyi,Tamás217–219 Pavlita,Robert 158 Nalimov,Vasilij V. 16, 151, 161, 164–168 Pécs323 Nancy 50, 52 Pelz, Carl 278, 284, 290,293f.,296f., Nash, Carroll B. 268 301f.,326 Naumov, Ėduard155f.,239 Pennsylvania 120,166 Nelson, Roger 270 Perrott,Frank Duerdin 135 Nérei, Ödön 208 Petrograd (siehe St. Petersburg) Netherlands(see Niederlande) Petrov,Boris156 Neuhäusler,Anton 383f. Petrovics, Béla 216 New York 23, 94, 97,102, 139, 245f., 250, Peuckert, Will-Erich 359–361, 365, 373, 256, 258, 260,410 375f. Niederlande/Netherlands 8, 14f.,23, 71, Pfeiffer,Ernst 371 74 – 81, 85–89, 95, 137,325, 327,334 Pfleiderer,Hans 284, 299 Nikitina,Nina 152 Pforzheim 384 Nizza252 Piéron, Henri 182f.,186f. Noakes, Richard74 Pitsch, Friedrich125f. Nordrhein-Westfalen 326 Plessner,Helmuth 359 Norwegen157 Podach, Hans 297 Novosibirsk 156,160 Poe, EdgarAllan 115 Polen/Poland 22, 40,48, 53, 153, 156, 168, Oberlausitz 236 176, 385 Óbuda 212 Pöllnitz, Götz von 366 Ochorowicz, Julian 176 Popper,Karl 387 Oesterreich, Traugott Konstantin 94, 104, Porto253 317,319, 400 Portugal 253 Ohio 120 Praag, Henri van85f. Olejnuk, Elena163 Prag 12 Olenhusen, Albrecht Goetz von 369, 371f., Pratt, J. Gaither 94, 97,117,176, 254, 256f., 374 267 Namens- undOrtsregister 423

Prel, Carl du 38f.,51f., 54, 60, 203 Rubini, Eugene de 79 Preyer,Wilhelm 53 Rumänien 313 Price, Harry135, 137,139–143, 146f. Russland/Russia (siehe auch Sowjetunion) Prokop, Otto231f.,238, 240,280,284, 9, 16, 28, 137,150–152, 154f.,159–162, 293–295, 301f. 164–169, 180, 239f. Prothmann, Wilfried 298, 300 Puel, Timothée 176 Šachnovič,Marianna152 Puthoff, Harold 259 Šachnovič,Michail 152, 155 Putin, Vladimir 161 Sachsen 316, 321f. Putthoff,Harold 158 Sachsenhausen 322 Puységur, Armand Marie Jacques de Chaste- Šam, Nikolaj 162 net de 173 Samojlov,G.A.155 San Francisco 159 Radin, Dean I. 253, 269f.,405 Santoliquido, Rocco 184f. Ranschburg, Pál 211, 220 Sárkány,Alfréd 215 Rao, K. Ramakrishna103, 251, 265, 268f. Sartre, JeanPaul 346 Rasch, Wolf-Dietrich 249 Sättler,Franz 369 Ratnikov,Boris162f. „Savary“ 316 Raudive, Konstantin 345 Savin, Aleksej 162f. Reiner,Hans 126 Savin, Anton 163 Reisch, Alfréd206 Schäfer,Hans 106, 249 Rejdák, Zdeněk12, 155 Schäfer,Herbert 284 Renard, Jean-Bruno 187f. Schellenberg, Walter 322 Reuß, Theodor 362, 368f.,371–373, 376 Schenda, Rudolf 364, 366 Rhine, Joseph Banks11, 15, 19, 27,72f., Schetsche, Michael 115, 381, 394f.,408 94–104, 106–108, 112–115, 117–125, Schlag, Oskar 373f.,376 127,143f.,188f.,246f.,251,254, 256, Schlaginweit, Felix61 263, 288, 294f.,301, 400 Schlitz, MarilynJ.269 Rhine, Louisa28, 95, 103 Schmeidler,Gertrude R. 255, 267f. Ribot, Théodule 176–179 Schmidt, Stefan 87 Richet, Charles 11, 176f.,179, 181–184, Schneider,Rudi141, 405 186, 205f. Schneider,Willy 47,63, 316 Riemerschmid, Richard60 Schnitzler,Karl-Eduardvon 242 Riga159 Schopenhauer,Arthur295 Rodin, Auguste60 Schottelius, Max 26 Roerich, Nikolai 152 Schottland/Scottland 5, 105, 133, 139–141, Rogers,EdmundDawson 134 263 Roll, William 268 Schouten, Sybo 85f.,261, 335 Rom 251, 323 Schrenck-Notzing, Albertvon 14, 37–66, Römer, Hartmann 404, 409 105, 140,203, 388, 407 Rosenhagen, Hans 55–59, 61 Schüppert,Roman 277f.,283, 285, 288, Ross, Marty 344 299f.,302 Rothacker,Erich 104, 120 Schweden/Sweden 24, 84, 86, 265, 345 Rothe, Anna290 Schweiz 159, 364, 370f.,373, 405 Rotterdam 75 Seelen, P. J. Ch.331 Roy,Rustum 166 Seeling, Otto319 Rubel, Victor 158, 160f.,163 Seidl,Gabriel von43, 57 424 Namens- undOrtsregister

Shackleton, Basil143 Tellenbach, Gerd109 Sheargold, Richard345 Tenhaeff,Wilhelm Heinrich Carl 8, 11, 15, Sheehan, Daniel P. 261 26f.,29, 75–85, 87–89, 95, 325, 331– Shoshina, J. G. 167 333, 383, 389, 400 Sidgwick, Eleanor 146 Thoma, Leopold 313f.,316, 318f. Sidgwick, Henry55, 136 Thomae, Hans 121 Siegle, Gabriele 39 Tibet 152 Silbiger,Boriska 210 Tischner,Rudolf 41, 107,319 „Silvio M.“ 405f. Tomczyk, Stanislawa 40 Smirnov,Michail 156 Tordai, Vilmos 206f.,220 Soal, Samuel 102f.,141, 143, 146 Toronyi, János 206, 208, 212 Sophie vonNeapel-Sizilien 55 Tóvölgyi,Titusz 203, 216 Sorokin,Pitirim 164 Truzzi, Marcello 13 Sowjetunion/Sowjet Union (siehe auch Russ- Tschechoslowakei12, 155, 157f. land) 9, 12, 14, 16, 18, 20, 23, 26, Tschetschenien 163 149f.,152, 154–160, 162, 165–167,169, Tübingen 26, 94, 104, 317,382f. 217,220, 226, 238–241, 295 Turlygin, Sergej 151, 153 Spengler,Oswald 367,370 Spielberg,Steven 344 Ukraine 168 Spiesberger,Karl 374 Ulbricht, Walter 294, 368 Spirkin, Aleksandr 157 Ullman, Montague 268 Springer,Bernhard325f. Undeutsch,Udo 121 St. Paul de Vence252 Ungarn/Hungary 17,139, 144, 201–220, St. Petersburg/Petrograd/Leningrad 151f., 323f.,330 156, 165, 168 Unterpurbach, Anna Barbara Wendel von58 Stadthagen,Albert278, 283f.,290 USA/Amerika13, 26, 73, 81, 94, 98f.,106, Stalin, Josef 152f.,161, 239 115, 118, 122, 137,140,144, 146, 154, Stanford, RexG.268, 270 158, 160, 165f.,168, 173, 185, 190,202, Statton, GeorgM.99 206, 246f.,250f.,255–258, 260f.,263, Stein, Mona236 265f.,280–282, 288f.,294, 301, 352, Stepanov,Ivan152 392, 396 Stevenson, Ian 102, 251, 268 Utrecht 15, 26, 28, 75, 81–85, 87,247,249, Stewart, Gloria 143 252, 261, 383, 388f. Straßburg/Strasbourg105, 188, 327,387 Strauch, Inge108f.,252, 254 Varvoglis, Mario 195, 263, 265, 269 Strém, István 206 Vaschide, Nicolas 183 Strobel, Fritz 298 Vasiljev,Leonid 217,220 Stuttgart 297,328 Vassy, Zoltán 217–219 Sudre, René 140 Vay, Alma202f. Sulzbach bei Gaggenau 329 Vay, Ödön 202f. Szeemann, Harald 362, 367,371f. Vilenskaja,Larissa 28, 156, 159 Szirmai, Kornél 216 Völgyesi, Ferenc 211, 220 Voll, Reinhold162 Targ,Russell158f.,259 Tart, Charles T. 268 Wajditsch, Alajos208 Tartaruga, Ubald 314, 319 Walach, Harald 404 Tbilisi 157,167 Wallace, Alfred Russell 133 Namens- und Ortsregister 425

Walther,Gerda 28, 106f.,249, 325, 327 Wiseman, Richard 403 Warrick, Frederic Walmsley 135 Wulff, WilhelmTh. H. 322 Washington 247 Wundt,Wilhelm 176, 178f. Watt, Caroline 264, 270 Württemberg 112, 386 Weiner,DebraH.269 Würzburg330, 368 Weiß, Bernhard311f. Wüst, Joseph 249 Weißrussland 168 Wendte, Hugo282, 293 Yeats, William Butler 362, 369f. Wescott, Roger W. 13 Youriévitch, Serge 180 Wheeler,John A. 259f. White, RheaE.102, 269 Ziemssen, Hugovon 50 Wien 54, 264, 308, 312–315, 317f.,332 Zimmermann, Hela 330 Wiene, Robert 65 Zingrone, Nancy L. 251, 269f. Wiesbaden 290 Zürich 58, 108, 364, 373 Winterberg, Richard319 Zwickau 322 Winther,Christian 140

Institutionen- undBegriffsregister

Aberglaube 18f.,106, 225, 228, 230–233, British College of Psychic Science 134, 139, 236, 241f.,286f.,289, 294, 298f.,309, 142, 246 361 British National Association of Spiritualists Abteilung 1003 162f. 134, 136 AION Foundation 218f. Budapest Association of Spiritual Investiga- Allunionsinstitutfür Experimentelle Medizin tors 201–203, 205, 215–217 (VIĖM) 156 American Association forthe Advancement of CambridgeUniversity 145, 252 Science (AAAS) 23, 87,100, 257–261 catholic (see katholisch) American Psychological Association 98, 121 Central Association of Spiritualists 134 American Society forPsychical Research Centrefor the Study of Anomalous Proces- (ASPR) 118, 246, 250 ses 145 Anomalie/anomaly 6, 13, 145f.,152, 193f., Centrepermanent de conférences et congrès 219f.,237,254, 264, 269, 270, 341, internationaux de recherches psychi- 404f. ques 185 Anomalistik/anomalistic 13, 407–410 christlich/christian 17,27, 77,139, 202, Anomalous ExperienceResearchUnit 145 204,212–214 Anomalous Psychology Research Group 145 clairvoyance(see Hellsehen) Anomalous Psychology Research Unit 145 Club of Para-Gutters 219 Antisemitismus/antisemitism 17,211, 213f., Cognitive Science Laboratoryofthe Science 370 Applications International Co.159 Assoziation zurErforschung von Esoterik und CollegeofPsychic Studies 134 Mystik (ASEM) 168 CollegeofWooster 120 Astrologie/astrology5f.,105f.,115, 118, Comitébelge pourl’investigation scientifique 125, 127,152, 160, 174, 186, 225, 230, des phénomènes réputés paranor- 286, 297,302, 318, 321f.,328, 360f., maux 279 372 Committee for Skeptical InquiryofClaims of the Paranormal (CSICOP) 24, 281 Basler Psi-Verein 24 communism (see Kommunismus) Bender InstituteofNeuroimaging(BION) controversial (see kontrovers) 392 Council for PsychicalResearch, Universityof Betrug/fraud 46, 48f.,55, 65, 97,102, 117, London 135, 141 141, 143, 146f.,183, 187,193, 205, 207, 216, 230,278, 284, 287,290,297f., Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) 1, 318, 320, 326, 351–353, 403, 405 9, 23, 27,108f.,127,230, 297,373, 391, BIAL Foundation 253 394f. Blenner-Hassett Trust forPsychicalRese- Deutsche Gesellschaft Schutz vorAberglau- arch 135 ben (Degesa)19, 24, 277–295, 297– Boundary-Work 15, 17,72, 118, 133, 174f., 303 179, 182f. Deutsche Gesellschaft zurBekämpfung des British Association forthe Advancement of Kurpfuschertums 284 Science 136, 144 Disziplin/discipline 3–6, 9, 13f.,17, 19, 22, British Broadcasting Corporation (BBC) 20, 25, 27–29, 38, 71–75, 79f.,82–84, 141, 341, 344, 346, 348, 87–89, 94f.,103, 109, 118–120,128, 428 Institutionen- undBegriffsregister

149, 156, 164, 173, 176, 181, 186, 190f., Geheimdienst 16, 20, 151f., 154, 159, 161f., 201, 250,252, 255, 258, 265f.,278f., 238f.,322, 352, 366, 372, 294f.,301, 303, 319f.,325, 328, 392, Geister/ghosts 10, 13, 44, 56, 65, 111, 115, 394 175, 181, 225, 279, 343f.,349, 353, 406 Disziplinbildung 3, 14, 17,25, 29 Gesellschaft fürExperimentalpsychologie Dublin University136 39 DukeUniversity 15, 26f.,75, 94–97,99– Gesellschaft fürpsychologische Untersuchun- 103, 117,121, 123, 127,140,188, 246f., gen 38 254 Gesellschaft zurwissenschaftlichen Untersu- chung vonParawissenschaften (GWUP) Electronicvoice phenomenon (see Tonband- 281, 403 stimmen) ghost (see Geister) EötvösLoránd University217 Goldsmiths’ University of London 145 epistemisch/epistemic 2f., 6, 13, 17f.,25, Grenzgebiete15, 23, 28, 93f.,104,107– 29f.,73, 94, 114, 117,128, 175, 226, 109, 111–113, 116, 118f.,127,236, 256, 228f.,241, 263 260,301, 328, 381, 383, 388–394, 406 Erfahrung/experience14, 18, 21, 46, 60, Grenzwissenschaft 7, 15, 39, 95, 105, 128, 76f.,80, 82, 108f.,115, 124, 136, 139, 231f.,236, 239, 241, 252, 254, 278, 341, 145, 152, 166f.,179f.,183, 189, 203f., 366 206, 225, 230, 235f.,292, 315, 322, Groupe d’étude des phénomènes psychi- 332f.,341, 343, 347,354, 365, 381f., ques 180 386, 388, 394, 399f.,405f. Groupe d’études et de recherches en para- Esoterik/esotericism 5, 9, 18, 24, 53, 105, psychologie (GERP) 188f. 111, 150–152,, 165, 168f.,174,189, 218f.,225, 231, 346, 361f.,367–370, HarvardUniversity96, 120,124 400 haunting (see Spuk) experience(see Erfahrung) hegemonial 17,29, 89, 95, 173, 226, 281 Extra SensoryPerception (ESP) 72, 97–99, Hellsehen/clairvoyance2,20, 26, 97,104, 118, 121, 143, 153f.,161–163, 219, 246, 106, 109, 115, 117,121, 143, 206, 208, 268 236, 266, 278, 283, 285, 290–292, 298, 301, 307–309, 312–335, 352, 381, 383 Fédération des Organismes de Recherche en Hermetic Order of the Golden Dawn 362, Parapsychologie et Psychotronique 12 369 Finanzierung/financing 15f.,21f., 27,30, heterodox4,17, 173f.,176, 178f.,186– 77,83, 88, 100, 112f.,127,135f.,140, 188, 190,192–195, 226f.,229, 279, 411 142, 146f.,152, 158–161, 184, 189, 209, Humboldt-Universität zu Berlin 232, 368 230, 246f.,251,256, 297,300, 391f., Hungarian Metapsychical Scientific Society 394 204,206–208, 212f. Forschungsgemeinschaft fürpsychologische Hungarian Para-ResearchScientific Society Grenzgebiete106 218 Foundation forResearch on the Nature of Hungarian Society for PsychicalResearch Man (FRNM) 101–103 215f. fraud (see Betrug) Hungarian Spiritist Party215 Freimaurer/freemason 84, 212f.,214, Hungarian TheosophicalSociety 206 366f.,372f. Hypnose/hypnosis 38, 51 – 53, 56f.,60f., French Academies of Sciences and Medici- 63, 65, 76, 165, 176–178, 182, 211, 217, ne 173 220, 241 Institutionen- und Begriffsregister 429

Hypnotismus/hypnotism 50f.,53, 66, 137, 247–251, 253f.,257,261, 267,325, 334, 140,174,176, 178f.,186, 208f.,211, 310 352, 381, 388 International Association forPsychotronicRe- Ideologie/ideology 9, 77f.,149, 152f.,165, search12 179f.,192f.,204,211, 214–217,228f., International Institutefor Psychical Rese- 231f.,236, 238–242, 267,286, 292– arch 134, 139 294, 297,302, 387 irrational64, 150,160, 231, 281f.,286, immortality 202, 208, 214 303, 341, 349 Institut fürAutomatik und Elektromagnetik 156 Jenseits 24, 43f.,115, 166–168, 225, 229f., Institut fürDemoskopie Allensbach 116, 289, 302, 345f., 384, 397,408 235, 282 Institut fürGrenzgebieteder Psychologie und katholisch/catholic 202, 373, 385f.,388 Psychohygiene (IGPP) 21, 26f.,96, King’sCollege London 144 106–113, 118, 123, 125–27,231, 234f., Kirlian-Photographie 156, 169 246, 248, 250, 252, 264, 278, 285, 289, Koestler Foundation 144 291, 302, 313, 327,345,357f.,372, Koestler Parapsychology Unit (KPU) 16, 381f.,386, 388–395, 397–399, 401 135f.,143–145, 261, 263f. Institut fürKriminaltelepathische Forschung Kommission zumKampf gegen Obskurantis- 308, 312f. mus undPseudowissenschaft 160 Institut fürPsychoneurologie undGehirnfor- Kommission zurPrüfung sogenannter okkul- schung 151 ter Phänomene 41 Institut fürTheoretische Kybernetik 162 Kommunismus/communism 17f.,150,154, Institut général psychologique(IGP) 179– 157,217,220,225, 228, 295 181, 183f.,190,193 kontrovers/controversial 9, 13, 20, 40,43, Institut métapsychique international(IMI) 77,84, 86, 89, 98, 100–112, 128, 144, 11, 23, 139f.,142, 183–185, 189, 263, 159, 162, 169, 173, 182f.,188, 209, 315 239f.,259f.,269f.,318f.,381, 393, 404 Institutefor Experimental Metaphysics 134, Kriminaltelepathie 20, 308–310,312, 315– 139 321, 324–326, 328, 331f.,335 InstituteofPsychophysical Research 135f. Kybernetik 6, 154, 164 Institutionalisierung/institutionalisation 1–3, 7, 10,13–18, 20–30, 37,71–74, Labor/laboratory 14f.,21, 25f.,28, 30, 37, 76, 78–84, 86–90, 94–97,104 – 108, 45, 47,49, 77f.,80f., 85f.,88f., 94–97, 111–114, 116f.,121f.,125, 127f.,133, 99–102, 113f.,116, 124, 127,140–142, 145, 153, 173, 182, 188–190,201, 207, 146f.,153, 155–157,162, 178, 184, 188, 211, 215, 217,220,225f.,230, 239, 192, 219, 246, 250, 254, 256, 261, 267f., 241f.,249, 262, 267,278f, 295, 302f., 343, 345f., 353, 373, 404 309, 316, 327,332f.,358 Labor füroptische Psychophysiologie 156 Integration 3, 5, 14–18, 21–23, 26, 28, Labor fürseltene Metalle 165 93f.,96, 98, 100, 104, 109, 112, 114, laboratory(see Labor) 117f.,120,123, 127f.,181, 266, 268, Lebensreform 370,372 282, 321, 323, 325, 333–336, 403 Levitation 10, 46, 54, 205 international 1, 3, 10–12, 16, 18f.,22f., 25, Liverpool Hope University 145 71, 73f.,81, 83, 85, 94, 101, 107,122, London Dialectical Society 133 125, 136, 146, 151, 155–157,160, 164f., London Spiritualist Alliance134, 139, 142 176, 179–181, 185, 201, 205f.,213, 245, 430 Institutionen- undBegriffsregister

Magie/magic 6, 9, 37,49, 53, 64, 232f., Militär/military12, 16, 20, 26, 29, 39, 77, 279, 280,282, 286f.,291, 298, 349– 100, 150f.,154, 156, 160–163, 169, 203, 351, 360f.,369f.,374,398 238f.,266, 322f.,352, 387, Magnetiseur/magnetiser 51f.,60, 78f.,82, Moderne 1, 7, 9, 14, 20, 37–41, 43, 51,56, 175 58, 61, 64, 66, 97,107,114f.,226, 231f., Magnetismus/magnetism 78, 173, 201, 284, 312, 347–351, 362, 367,398, 405 203, 211 Moskauer Labor fürBiophysik 156 Marginalisierung/marginalisation 6, 15, 17, Münchner Kreis 14, 37,54 27,71, 75f.,81, 84, 87–90,114, 174, Mystik/mysticism 11, 39, 51, 61, 76, 150, 178, 182, 184, 186f.,189, 192, 201, 220, 152, 154, 165–168, 178f.,218, 231, 291, 279 360 Martinisten-Orden 53 Marxismus/marxism 18, 58, 150,152f., Nahtoderfahrung 13, 115, 395, 399 227f.,231, 241, 387 National LaboratoryofPsychical Research Materialisation 10,45, 47–50, 56, 62, 64, 135, 140,143 181, 212 National MediumExaminer Committee 216 Materialismus/materialism18, 30, 39, 124, Nationalsozialismus 5, 20, 105, 124f.,153, 139, 178, 217,227,241, 293–295, 402, 231f.,238, 240,292, 294f.,308, 321– 409 326, 365, 372, 385f. Mathematik/mathematics 85, 117,143, 151, Netzwerk/network 25, 106, 121, 128, 184, 153, 157,164–169, 247 201, 228, 394 Medien/media 9f., 14, 18, 21, 25f.,28, 37– New Age 9, 111, 116, 185, 258 40,44, 46–51, 54–56, 59, 66, 79, 83, NewnhamCollege146 85, 97,106f.,115, 118, 146, 183, 284, nicht-hegemonial/non-hegemonial 4, 6, 9, 286, 289f.,292f.,296, 307–309, 312, 95, 227,241, 348, 351, 395 316–318, 324, 326, 331f.,341, 345, 353, 381, 398–400,405 occult (see okkult) Meditation 165–167,346 Öffentlichkeit/public 4, 16, 21, 24, 51,75f., Medium40–43, 46–49, 54–56, 59f.,62– 80–82, 84–90,97, 99f.,106, 111f., 64, 66, 76f.,79, 82, 133f.,139, 141, 145, 122, 126, 134, 140–142, 147,182, 184, 163, 178, 180,184, 201–203, 205, 207, 186f.,208f.,214, 241, 281, 284, 289f., 210–212, 216, 246, 284, 290,307f., 295, 297f.,301, 303, 315f.,318, 341, 313–316, 319, 343, 347,352f.,370, 373 367,381, 395, 400f.,408f. Mediumismus/mediumism19f., 39–41, 46, okkult/occult 1f., 7, 9 – 12, 18–22, 26, 37, 48, 55f.,61, 64, 66, 139f.,203, 205, 40,58f., 64, 76, 107,109, 114–116, 119, 208–212, 216f.,219f.,290,292, 309, 151, 174, 201, 205, 209, 225, 230,233f., 333, 335, 353, 384, 236, 249–242, 278–281, 284, 286, Medizin 21, 29, 39, 42, 52, 105, 108, 124, 290f.,297,302f.,307–310,312f.,318, 126, 162, 166, 169, 232, 247,255, 265, 321, 324, 326, 329, 331, 333–336, 341, 268, 283f.,327,384 349, 351, 353f.,361–363, 366, 369, Mesmerismus 5–7, 10 373, 376, 386, 395, 398 Metaphysik 11, 168 Okkultismus/occultism 1f., 6f., 9–11, 18f., Metapsychic 176, 181–187,192, 208, 215, 23, 26, 39, 41, 56, 105–107,127,146, 219 149, 151, 154, 160, 178, 187,189, 217, Metapsychicaland Subsidizing Association of 230–233, 241f.,277,279f.,285f.,292– Dés 214 294, 309f.,312, 314, 317–320,324f., MetapsychicalScientific Society 209 327,341, 357f.,362, 368, 372, 381, 396 Institutionen- undBegriffsregister 431

Ordo Templi Orientis(O.T.O.)53, 362, 371, 234–236, 239, 246, 248, 250, 252, 373f., 257f.,260f.,266f.,278–280,282, Orthodoxie/orthodoxy 4, 15, 82, 89, 103, 289f.,292, 294f.,298, 312f.,318, 333, 144, 146, 150,173f.,186, 192–194, 341, 343–345,347–349, 351, 353f., 226f.,241 381f.,386, 389, 392f.,395, 399, 403, 406–409 paranormal 1f., 4, 6–11, 15f.,18–22, 24– Philosophie/philosophy 21, 39, 71, 104, 27,29f., 37f.,47, 71f.,74, 76, 80,82, 120,124, 126, 133, 150,156, 164, 168, 85, 89, 94, 96, 115, 117f.,120,122, 174, 177,202f.,252, 255, 265, 269, 295, 136f.,144f.,150–152, 154, 156, 162– 317,358f. 164, 168, 180, 183, 186, 189, 209, 215, Physik/physics 3, 85, 99, 111, 118, 136, 151, 218, 220, 225, 229f.,232f.,235–242, 157,159f.,164, 192, 247,249, 252, 255, 246, 250, 252f.,257f.,260,263f., 259, 261, 265f.,269, 283, 383, 389, 267f.,278–281, 284, 287,289f.,298, 395f.,404, 408f. 303, 307,312f.,316, 318f.,322, 332f., PirogovInstitut fürLuft-und Raumfahrtmedi- 336, 341, 347–353, 358, 381, 386, 393, zin 156 396, 399f.,409 Poltergeist (see Spuk) Parapsychological Association (PA) 19, 23, Präkognition/precognition 2, 97,117,143, 26f.,87, 100, 119, 144, 185, 245, 253– 381, 383 269, 381 Professionalisierung/professionalisation 17, Parapsychologie/parapsychology 1–30, 23, 100, 182, 185, 190,245, 254, 263, 38–40,44–46, 50, 52, 64–66, 71–76, 267,314 79–90, 94–103, 106, 109–128, 134, Pseudowissenschaft/pseudo-science4–7, 137f.,140–145, 149–169, 173–176, 17,22, 64, 71f.,133, 159f.,174 f.,182f., 178, 180f.,184f.,187–195, 201, 204, 186f.,190f.,194, 218, 362 207,209, 211, 213f.,217–220, 230– Psi4,9,24, 27,102, 110,112, 116f.,119, 234, 237–240,242, 245–270, 277– 154, 159, 163, 195, 219, 231, 235, 246, 280,283, 286, 288f.,291–295, 298, 251–253, 259–261, 263, 265–270, 289, 300–303, 308, 317–319, 321, 325, 291, 382, 397,400,403f.,409 327f.,331–335, 341, 346–348, 351– Psyché group 187 353, 381–383, 388–392, 394, 396, PsychicalResearch 7f., 10f.,27, 72–78, 399–403, 406–410 80,88, 94, 97,102, 118, 124, 133–146, Parapsychologische Arbeitsgruppe Basel24 174, 176–178, 180–182, 184f.,190, Parapsychology Foundation (PF) 23, 26, 81, 201, 204,206, 208, 211, 216f.,219f., 83, 100, 245–247,249–253, 256, 264, 251f., 264, 269, 289, 383 267 Psychoanalyse/psychoanalysis 5f., 155, Parapsychology Laboratory(PL) 15, 26, 164, 186f.,189, 209f.,386 85f.,89, 94–102, 111, 113f.,116, 124, Psychohygiene 20, 106f.,289, 403 127,188, 246, 254, 256 Psychokinese/psychokinesis2,28, 75, 101, Pendel 242, 323, 328, 348, 364 111, 117f.,145, 160, 218, 381, 389, 404f. Phänomen/phenomena1f.,4,7,9–11, 15, Psychologie/psychology3,6–8, 13, 15–17, 19–22, 24–26, 29, 40f.,43f., 46–49, 21, 23, 27–29, 38f.,46, 48, 56, 60, 63, 51,54, 56, 62, 64, 76f.,93f., 96f.,99, 73–75, 79–86, 89, 93f.,96–114, 118– 109, 115, 118–120,122, 134–137,139– 121, 124, 126f.,133, 136, 140, 143–147, 141, 144–146, 150–154, 156f.,159, 162, 155f.,164, 166f.,169, 173–183, 186– 164, 166f.,169, 177,182f.,190,193f., 194, 210f.,217f.,220, 247,252, 255f., 201–203, 205–212, 214, 216–220, 260,264, 266–270, 301, 310,327,352, 432 Institutionen- undBegriffsregister

381, 383f.,386–390,394, 404, 406, Skeptiker/sceptic 14, 24, 111, 136, 141, 144, 408f. 152, 178, 186, 203, 208, 278–281, 284, Psychologische Gesellschaft zu München 287,289f.,292, 302f.,402f. 38 Société de psychologie 180,183 Psychology of Paranormal Phenomena Society forPsychical Research (SPR) 10, 16, Group 145 22f.,25, 38, 77–88, 96, 98f.,112, 115, Psychophysical Research Laboratories 218 134–137,139–144, 146, 176, 178, 180f., Psychophysik 48, 161 256, 262, 264, 268, 315, 388, 390 Psychotronik/psychotronic 12, 155, 157,161, Society forPsychical Research and Animal 189 Magnetism 78 public (see Öffentlichkeit) Society of Physiological Psychology 176, 178 Quantenphysik 157,159, 164, 260f.,404, Somnambulismus/somnambulism38, 42, 408 51,66, 173, 176, 179, 186, 208 soul (see Seele) Raumfahrt281 Spiritismus/spiritism/spiritualism 9f., 16f., Reichsuniversität Straßburg 387 38f.,43–46, 49, 53, 77f.,80, 134, 139, Religion 4–6, 9f., 13f.,16f., 25, 40,43f., 146, 175, 178f.,184, 201–204,207– 46, 49, 72, 80,111, 116, 120,123f.,150, 217,219f.,231, 242, 277,279, 284, 381 152, 160, 164, 166–169, 187,201–205, Spiritualität 24, 58, 85, 87,111, 164, 166, 207–210,212–215, 220,225, 227–229, 220, 240, 237f.,240,252, 279, 282, 351, 368, Spuk/poltergeist/haunting2,106, 109, 115, 370, 385f. 137,139, 206f.,225, 246, 347,349, RemoteViewing 146, 158, 266 406f. Rockefeller Foundation 23 StanfordResearchInstitute (SRI) 158 Rosenkreuzer 362 Stanislaw-Lem-Klub236f. Runen 370, 374 Suggestion 44, 50–53, 61, 65, 136, 176– 178, 183, 206, 209, 211, 217 Säkularisierung 9, 16, 18, 150,233 supernatural(see übersinnlich) sceptic (see Skeptiker) survival 134f.,137,204,218, 269 science (see Wissenschaft) SynthesisFreeUniversity 219 Science-Fiction 155, 168, 237,352 Szientismus 18, 106, 225–227,230f.,233, Scientific community 2–4, 7, 73, 78, 181, 241f.,279, 292, 299 220, 249, 260 Scientific Society of Psychological Studies Technische Universität Dresden 237 175 Telekinese 40, 46, 48, 156 Séance10, 43–45, 47,54–56, 58, 76f.,79, Telepathie/telepathy2,12, 20, 39, 75, 78– 88, 118, 140f.,201, 210,212, 214, 313, 80,97, 109, 115, 117,137,140,143, 151, 318, 346 156, 177,182f.,208–210,217f.,238, Seele/soul9,38f., 82, 115, 124, 175f.,204, 241, 246, 260, 295f.,298, 308–317, 208, 212–214, 279, 324, 343, 384 320f.,324f.,328, 330,334, 348, 350, Sekte 160, 238, 286 381, 383, 386, 404 Sektion für organische Materie physischer Theosophie/theosophy 53, 106, 152, 179, Felder 156 206, 212, 367,371f., Seminar of Psychical Research 216 Theosophische Gesellschaft 362 Sensitive153f.,156, 159, 162, 246, 248f., Tonbandstimmen/Electronicvoicephenome- 308, 347 non 20, 24, 345 Institutionen- undBegriffsregister 433

Trance37, 40,44, 47,56, 59, 66, 139, 165, Verschwörungstheorie 160, 168f.,364 202f.,246, 315f.,319, 392 Verwissenschaftlichung 26, 118, 303, 333 Traum 60,64, 154, 343 Vision58, 65, 168, 183, 369 Trinity College,Cambridge135 Trinity College,Oxford135 Wahrsagen 115, 236, 290 Wahrträume115, 225, 235, 399 übersinnlich/supernatural8,38, 71–73, WalterFranklin PrinceFellowships 98 75–80,86, 89, 155, 160, 205, 246, 348, Weltanschauung 28, 124, 227f.,230f., 386 241f.,299 Union rationaliste 186, 188, 280 William McDougall Research Fund 98 Universität Freiburg 15, 23, 93f.,96, 104, Wirklichkeit 18, 44, 64, 104, 115f.,166, 106, 108f.,112, 124, 126, 249, 261f., 225f.,228f.,242 302, 382, 390,400 Wirklichkeitsordnung18, 225–229, 241 Universität Nanterre27 Wissenschaft/science 1–7, 10f, 12–21, 23– Universität Reykjavik 262 30, 37–48, 49–53, 55, 59f.,62–66, Universität Tübingen 39 71–90,93–95, 97–99, 101, 103f., Universität Utrecht 26, 95, 247,261f.,325, 106f.,109, 111f.,115–122, 125f.,133f., 404 136f.,139–144, 146f.,150–162, 164– UniversityCollegeLondon 143f. 169, 173–178, 180–195, 201–214, 217– UniversityofChicago 120 220, 226–228, 230f.,233, 235f.,238– UniversityofCoventry145 242, 245f., 249f.,253–255, 257–261, UniversityofEdinburgh 135, 143–145 263–270, 278–283, 289, 291, 293, 295, UniversityofHertfordshire 145 297–303, 308, 310f.,313–318, 320, UniversityofHumanistic Studies 87–90 325, 327,332f.,336, 341, 344–354, UniversityofLeiden 80 357–361, 363, 365–371, 374–376, UniversityofLondon 142f.,145f. 381–383, 388–390,394–397,400, UniversityofNanterre 188f. 403f.,408f. UniversityofNorthampton 145 Wissenschaftliche Gesellschaft zurFörderung UniversityofRochester 99 der Parapsychologie (WGFP) 112, 390 Urania. Gesellschaft zurVerbreitung wissen- Wunder 13, 41, 44, 46, 48, 278, 283 schaftlicher Kenntnisse236 Wünschelrute115, 125, 318, 328 Utopie, utopisch 370, 387 Utrecht University80–86, 88 Yoga 155, 228, 374

Vent (MNTC) 160 Zener-Karten 73, 97 Verein für Transkommunikations-Forschung Zentrum fürnichttraditionelle Technologie 24 (GKNT)159