Die 90Er Jahre Sind in Österreich Einerseits Durch Eine Klare
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1 Vorbemerkung: Die 90er Jahre sind in Österreich einerseits durch eine klare Neuorientierung innerhalb der Kunst, andererseits auch durch starke politische Veränderungen im In- und Ausland gekennzeichnet. Durch die Ostöffnung und den darauf folgenden, deutlichen gesellschaftlichen Rechtsruck, eine rigide Quotenregelung innerhalb der Ausländerzuwanderungspolitik und die Eingliederung Österreichs in die EU, mit den dazugehörigen Sparmaßnahmen von Seiten des Staates, kommt es auch zu einer verstärkten Politisierung des künstlerischen Feldes. Gleichzeitig lässt sich die bildende Kunst immer weniger auf ihre traditionellen Formen reduzieren. Viele Arbeiten folgen einem veränderten, erweiterten Kunstbegriff und bewegen sich in Cross-over Bereichen, dabei stellen Theorie, Vermittlung, Reflexion und Kritik einen wesentlichen Teil der neuen Kunstproduktion dar. Mit dem von Bundesminister Rudolf Scholten entwickelten Kuratorenmodell unternimmt man staatlicherseits einen weltweit nahezu einzigartigen Versuch, unmittelbar auf diese Entwicklungen reagieren zu können. Die auf zwei Jahre bestellten Kuratorenpaare waren in ihren Entscheidungen unabhängig und konnten direkt, ohne bürokratische Hürden, mit einem Gesamtjahresbudget von 15 Millionen Schilling neue Akzente setzen. Als Schlagworte fielen in diesem Zusammenhang auch die Slogans: „Weg von der Kameralistik“, „Mehr Kunstmanagement“, „Qualitätsförderung“ und „Strukturelle Belebung“. Die Kunstkuratoren waren ausschließlich Personen, die sich jahrelang innerhalb des Kulturbetriebs bewegt hatten und folglich über dessen Defizite Bescheid wussten und auf Grund dieser Erfahrungen ihre Ideen zur Beseitigung dieser verwirklichen konnten. Nach den jeweils männlich und weiblich besetzten Kuratorenpaaren, Robert Fleck/Cathrin Pichler und Markus Brüderlin/Stella Rollig, wurde – Ende 1996 – Wolfgang Zinggl, gemeinsam mit Lioba Reddeker, vom damaligen Zukunftsminister Rudolf Scholten zum vorläufig letzten Bundeskuratorenpaar bestellt. 1997 wird das Bundesministerium für Unterricht, Kunst und Verkehr grundlegend umstrukturiert, die Kunst fällt jetzt in den Bereich des Bundeskanzleramts und erhält einen eigenen Staatssekretär: Peter Wittmann. 2 Spätestens seit der Kuratorentätigkeit von Stella Rollig und Markus Brüderlin ließen sich die unterschiedlichen Herangehensweisen an die Kuratorentätigkeit beobachten. Mit der Bestellung von Wolfgang Zinggl und Lioba Reddeker bestätigte Rudolf Scholten die Ausrichtung Stella Rolligs, die besonderen Wert auf die Stärkung eines erweiterten Kunstbegriffs und des Diskurses gelegt hatte. Während man den beiden ersten Kuratoren Fleck und Pichler, die vertraglich noch keine Möglichkeit hatten, eine eigene räumlich gebundene Basis zu gründen und sich eigene Assistenten zu nehmen, noch vorhielt, mit einem „Bauchladen“ herumzulaufen, übernahmen alle nachfolgenden Kuratoren mit den von ihnen gegründeten Institutionen, Kunstraum, Depot und basis, auch die Funktion einer fixen „Servicestelle“ für Künstler wahr. Die vorliegende Arbeit versucht – vor dem Hintergrund der politischen Entwicklungen und der österreichischen Kunstförderung der 90er Jahre – verschiedene Aspekte der Neuorientierung innerhalb des künstlerischen Feldes und deren Förderungsmöglichkeiten aufzudecken und zu finden. 3 1 Zur Situation der staatlichen Kunstförderung und der bildenden Kunst in den 90er Jahren : 1.1 Anmerkungen zum Beginn der Bundeskuratorentätigkeit 1990 läuft eine neue Legislaturperiode an. Gleichzeitig beginnt auch die Tätigkeit des neuen Bundesministers für Unterricht und Kunst, Dr. Rudolf Scholten. Bereits im Vorwort seines „ersten Kunstberichts“ aus dem Jahr 19901 setzte Rudolf Scholten erste Signale in Richtung zusätzlicher Aktivitäten im Bereich der Kunstförderung: Wenn ich dennoch diesen Kunstbericht in meiner Eigenschaft als der für die Kunstförderung nunmehr verantwortliche Minister einleite, so geschieht dies in dem Bewusstsein, dass in der Kulturpolitik Kontinuität ebenso wichtig ist wie Innovation, das Wissen um das bisher Geleistete und Erreichte und die Beibehaltung erfolgreicher kulturpolitischer Maßnahmen ebenso notwendig, wie die Einführung von Neuem, die Anpassung an geänderte Umstände und neue gesellschaftspolitische Konstellationen.2 Schon im folgenden Jahr weist Minister Scholten auf das neu geschaffene Kuratorenmodell hin: So wurde im vergangenen Jahr neben den Beiräten und Jurys, die als Beiratgremien in Kunstfragen dienen, zum ersten Mal im Bereich bildender Kunst das sogenannte Kuratorenmodell realisiert. Kuratoren erhalten eigenverantwortlich ein gewisses Budget3 und organisieren in diesem Rahmen Veranstaltungen, Ausstellungen, Projekte im In- und Ausland, wobei der Akzent auf dem Ungewöhnlichen und Zukunftsweisenden liegt. Im Unterschied von Beiräten sind Kuratoren nicht von Jurysitzungen und Beiräten abhängig, sie können schnell und unbürokratisch entscheiden, tragen aber auch Verantwortung für ihre eigenen Projekte.4 Die administratorische Verwaltung des Kuratorenmodells lag vorerst im Zuständigkeitsbereich der Sektion für Unterricht und wurde erst 1995 an die Sektion für Kunstangelegenheiten übertragen. 1997 wird das Bundesministerium 1, Anmerkung: De facto umfasst dieser Kunstbericht noch die Amtsperiode seiner Vorgängerin Dr. Hilde Hawlicek 2 Bundesministerium für Unterricht und Kunst, „Kunstbericht 1990“, Vorwort des Bundesministers Dr. Rudolf Scholten, Wien, 1991, S I 3 Anmerkung: 15 Millionen Schilling, pro Person/pro Jahr 4 Bundesministerium für Unterricht und Kunst, „Kunstbericht 1991“, Vorwort des Bundesministers Dr. Rudolf Scholten, Wien, 1991, S. I 4 aufgeteilt, damit geht die gesamte Kunstsektion in den Verantwortungsbereich des Bundeskanzleramts über. 1.2 Der Aufbau und die Organisation der Kunstförderung des Bundes in Österreich am Beispiel des Jahres 1990 Bis auf den modellhaften Versuch des Bundeskuratorenmodells hat sich die Struktur der staatlichen Kunstförderung von Seiten des Bundes, trotz deutlich wachsender Kritik, bis heute nicht verändert. Folglich spiegelt eine genauere Analyse dieser am Beispiel des Jahres 1990 grundsätzlich auch die heutige Situation wider. In den meisten Ländern, aber auch in der Bundesverwaltung, folgen zahlreiche Entscheidungen den Empfehlungen von Beiräten oder Jurys. Diese Beiräte haben unterschiedliche Größe, unterschiedliche Geschäftsordnungen und unterschiedliche Bestellungs- und Vorlagefristen. Jedes Jahr legt das Land Österreich in Form von Kunstberichten im Bereich des Bundes und teilweise auch der Länder (Wien, Niederösterreich, Oberösterreich, Burgenland und Tirol) Rechenschaft über die Ausgaben im Kunstbereich ab. Da die einzelnen Länder, der Bund und vor allem die Gemeinden, die zumeist keine Berichte publizieren, nicht zu einer Absprache oder einer gemeinsamen Offenlegung ihrer Ausgaben gezwungen sind, lässt sich keine genaue Angabe zu den tatsächlich aufgebrachten Mitteln machen.5 Im Jahr 1990 stand der Kunstförderung von Seiten des Bundesministeriums für Unterricht und Kuns laut Kunstbericht ein Gesamtbudget von 605,576.000.– öS6 zur Verfügung. Dieses Budget wurde auf 7 Unterabteilungen aufgeteilt: 1. Abteilung 41, Bildende Künste u. Ausstellungen (Inland), Künstlerhilfefonds 2. Abteilung 42, Musik und darstellende Kunst 3. Abteilung 43, Fotowesen, ÖFF 4. Abteilung 44, Filmwesen 5. Abteilung 45 Literatur 6, Abteilung 46, Jugendliteratur 7. Abteilung 47, Bildende Künste u. Ausstellungen (Ausland) 1991 wurden die Abteilungen noch um die Abteilung 48, Kulturinitiativen/Kulturentwicklungen, erweitert, die aus der Abteilung 47 5 Anmerkung: 1998 oder 1999 rund 22 Milliarden Schilling Gesamtausgaben, Quelle Weißbuch, Wien 1999, S125 6 Anmerkung: Im Vergleich dazu: Budget der Folgejahre, 1991: 765,407,000.- öS, 1992: 877,000,000.- öS 5 ausgegliedert und ergänzt wurde. Das Kuratorenmodell scheint, wie bereits in Kapitel 1.1 erwähnt, im Kunstbericht 1991 und in den Folgeberichten -1995 nicht auf, da es bis dahin im Bereich Unterricht eingebunden war. Für den Bereich der bildenden Künste, ohne Berücksichtigung der Grenzbereiche Fotografie und Film, belief sich 1990 die Summe der Aufwendungen in der Abteilung 41, bildende Kunst mit den Kategorien Personenförderung (4,366.419.– öS), Staatsstipendien, Preise und Kunstankäufe (6,643.189.– öS), Galerienförderung (735.000.- öS), Artothek (735.000.– öS) und den zusätzlichen Fördermaßnahmen wie z.B. Künstlerhilfefonds, Karenzgeld und Ausgaben für die Kommission auf insgesamt 42,008.987.– öS. Diese Ausgaben, die gewissermaßen das vielberüchtigte „Gießkannenprinzip“ finanzieren, blieben anteilsmäßig auch in den Folgejahren gleich. Für die Abteilung IV/7 , bildende Kunst und Kulturpolitische Grundsatzabteilungen mit den Bereichen Inländische Vereine, Großprojekte, Kooperationen, Auslandsprojekte, Ausstellungen, Institutionen, Galerien, Einzelförderung für Künstler (Projekte, Transport, Kataloge..), Biennalen, Triennalen, Kunst am Bau, Preise, Auslandsstipendien und Ateliers belief sich die Summe auf 31,401.267.– öS.7 Insgesamt beliefen sich die Ausgaben für den Bereich bildende Künste auf 73,410. 254.– öS, also auf rund 12% des gesamten Kunstbudgets.8 Die zusätzlich zu diesem Budget aufgebrachten 15,000.000.– öS für das Kuratorenmodell waren also im direkten Vergleich mit dieser Summe oder zu den Einzelförderungen sehr beachtlich. Die einzelnen Abteilungen und deren Unterabteilungen setzen sich aus mehrköpfig besetzten Vorstandsmitgliedern, diversen Beiräten (bildende Künste: 3), untergeordneten Beiräten aus den einzelnen Bundesländern (bildende Künste: 9), Kommissionen