dossier MIIMENIM,•=1

Das allgemeine Wahlrecht

Revision des Art. 52 der Verfassung (19.19) Eine der wichtigsten und folgenschwersten Neue- allem eine beratende Funktion und "l'assentiment rungen, die die Verfassungsrevision von 1919 mit des etats requis que pour les Ibis pánales, les sich brachte, war die Einfuhrung des allgemeinen lois fiscales, la liste civile et le budget" (Pierre Wahlrechts. Im folgenden Beitrag soil auf die par- Majerus, l'Etat luxembourgeois, 1977, lamentarischen Diskussionen fiber die Revision p. 25). Durch ein kOniglich-grot3herzogliches Regle- des Art. 52 eingegangen werden, die beweisen, ment vom 20. Marz 1848 kam es zu eincr Revision dalf3 die Rechtspartei sich fur das Wahlrecht der der Verfassung von 1841 im Sinne der liberalen Re- Frauen und Arbeiter stark machte, weil sie sich volutionen, die sich Okra]] in Europa abspiclten: das davon einen Erdrutsch zu ihren Gunsten ver- neue Grundgesetz verankerte die Gewaltentrennung, sprach. Die Retizenzen der Opposition erklaren die aktive Teilnahme des Parlaments an der Gesetz- sich aus den gleichen Grfinden. gebung sowie die Verantwortlichkeit der Regierung vor der Volksvertretung. Desweiteren fiihrte sie ein Die erste Verfassung, die Luxemburg nach dem Lon- Einkammersystem ein, legte sich aber nicht auf eine doner Vertrag von 1839 erhielt, wurde dem Land neue Fix icrung der zur Wahlberechtigung notwendi- 1841 von dem niederlandischen Konig Wilhelm II. gen SteuerhOhe fest. Diese wurde durch das Wahlge- gewahrt. Die Volksvertretung, die darin vorgesehen setz vom 23. July 1848 auf 10 Francs dircktc Steuern war, war eine SLindeversammlung, die durch Kanto- fixiert. Diese Verfassung ist ein erstes Zcugnis der nalkollegien gewahlt wurde, deren Mitglieder neuen nationalen Eigenstiindigkeit, da in sic die Un- (Wahlmânner) durch Urwahler bestimmt wurden, abhangigkeit und die Unteilbarkeit des G roBherzog- die wenigstens 25 Jahre alt waren und 20 Florins turns eingeschrieben wurden. Steuern zahlten. Diese St.andeversammlung hatte vor Zu Beginn der 50cr Jahre des 19. Jh. kam es in ganz Europa zur Reaktion gegen die liberalen Vcrfassun- gen des Jahres 1848, und in diesem Sinne ernannte KOnig-GroBherzog Wilhelm III. 1853 eine neue Re- gierung, die der Kammer drei Jahre spi.iter eine Ver- fassungsreform vorlegte, die das Parlament mit einem Marauensvotum quittierte. Am 27. Novem- ber 1856 lOste Wilhelm III. das Parlament auf und setzte die Verfassung von 1848 au ger Kraft. Das neue Carlo Schmitz Grundgesetz war ein betriichtlicher Ri.ickschri tt und

22 forum nr 112 dossier 11601011111111n111101. enthielt erneut das Prinzip der monarchischen Auto- A Messieurs les membres ritat. Presse- und Versammlungsfreiheit wurden ein- de la Chambre des Deputes, geschrankt, die Volksvertretung wieder zur Stande- Luxembourg. versammlung und der Wahlzensus angehoben. Die Au commencement du mois de mars Verscharfung des Zensuswahlrechts und die Wieder- dernier, la Chambre des Deputes a vote Petition einfahrung eines Zweistufenwahlsystems konnten la revision de Ia Constitution. Tous les dennoch den Sieg der Opposition nicht verhindern. partis politiques reclament le suffrage einiger Im Zuge dieser Entwicklung sahen sich einige Mini- universel. Luxemburger ster genOtigt abzudanken. Considerant qu'un sentiment de justice egalitaire srest manifesto par lA chez nos Frauen an die 1868 erhielt Luxembourg, dessen Neutralitat durch legislateurs en faveur de ceux . qui, pour Abgeordneten- den Londoner Vertrag des vorigen Jahres garantiert des raisons censita4s, se voyalent prives war, eine neue Verfassung, die sich stark an diejeni- du droit de vote, el qu'il serait indique kammer d'elargir l loi electorale dans le sens ge' von 1848 anlehnte. Samtliche Zwange, die durch propre terme ,,suffrage universel"; en cvmsszziommra5M die ZugehOrigkeit zum Deutschen Bund entstanden ne pas excluant du suffrage la moitie de waren, wurden hinfallig. Das Parlament erhielt la population luxembouigeoise ; wieder den Namen "Chambre des Deputes", und als Considerant que les femmes sont te- Wahlzensus wurde eine Spanne zwischen 10 und 30 nues A se soumettre aux lois du pays et Francs festgelegt. "De 1901 a 1909 le cens electoral en respecter les autorites, sous peine etait uniformement fixe a 10 francs (d'oa le nom de d'amende et meme d'emprisonnement, 'Zehnfrankenmanner' pour les electeurs)" (Pierre qu'elles ont A payer leur part d'impOts, en un mot : qu'elles doivent vivre selon Majerus, o.c. FuBnote, S.29). Diese Verfassung sollte l'esprit de noire code civil et penal; bis 1919 in Kraft bleiben, als die grot3e Verfassungs- Considerant . quc nos jeunes filles re- revision als wichtige konstitutionelle Neuerungen coivent, — tout comme les garcons, — das Prinzip der Volkssouveranitat und das allgemei- l'enseignement obligatoire de nos ecoles ne Wahlrecht verankerte. primaires superieures ; .que les unes con- tinuent leurs etudes dans les lycees et Im folgenden soli sich allein auf den Artikel 52 be- pensionnats, .et que les autres, entrant schrankt werden, der die Bedingungen zum Wahl- dans la vie active, sont occupees utile- ment soit comme employees de bureau recht festhalt. Die Diskussion urn eine Verfassungs- ou de commerce, soit comme aides dans revision hatte schon vor dem Ersten Weltkrieg be- les menages, dans les fermes, dans les gonnen, und 1912 hielt Dr. Michel Welter (Soz.) in usines et l'exploitation de chemins de einem sehr urnfangreichen Bericht fest, daB das Zen- ler, soit comme educatrices de la jeunesse; suswahlrecht eine ruckstandige und reaktionare Ein- Considerant que les exigences de la richtung sei, die nicht mehr im Verhaltnis zu den mo- vie actuelle reclament de chaque femme, dernen Zielsetzungen stehe (La Revision de la Con- — depuis les plus humbles jusqu'aux plus stitution, Rapport de la Commission speciale privilegides, du travail, du devouement, nomme'e le 12 juillet 1912, S. 143). Far ihn sind die de l'initiative, et que partout on peut sukzessiven Herabsetzungen des Wahlzensus ein vdir la femme A la hauteur de sa tAche, Beweis dafar, daB auch in Luxemburg die Einfiih- aussi bien que l'homme ; Considerant que dans les conditions rung des Wahlrechtes far alle nur mehr eine Frage rien ne justifie l'exclusion de Ia femme der Zeit sei und daB es zutiefst ungerecht (souverai- du droit de vote, (sinon la pitoyable nement injuste) sei, daB die arbeitende Bevolkerung, routine) die wesentlich zum Reichtum unseres Landes beitra- les femmes luxemboui geoises ge, von den politischen Rechten ausgeschlossen sei. privées de leurs droits civils et politiques, "Le Grand-Duche de Luxembourg jouit depuis plus indignees de se voir toujours classees de 30 ans de l'instruction obligatoire et la population parmi les idiots et les repris de justice, est des plus eclairee; ii semble inexplicable que le s'adressent a Messieurs les membres de pays de Luxembourg, dont on vante tarn le caractère la Chambre des Deputes dans le ferme dómocratique soit a peu pros le seul pays de l'Europe espoir qu'ils voudront bien, apres avoir oil le peuple forme une masse de parias politiques" examine la question, accueillir favorable- ment leurs revendications logiques et (Rapport Welter, S. 144). justes, et leur conferer le droit de vote. Die Regierungskrisen und die Ereignisse des 1. Welt- rauen 2ligemburgC Untergeidmet fleif3ig dips krieges sollten diese Diskussionen zeitweilig unter- Oefud) ! Terlanget bie ftenf*nred)te nud) fur i1c! linterfd)riften merben im 2aitfe biefer Vocfn brechen, denn das Problem der Lebensmittelbeschaf- gefammelt bia gum 15. .uni von grau 31?onge fung und der Allgegenwart der deutschen Truppen naft:Seruai6, qongregationOirde, 2gemburg ; schienen der Bevôlkerung wichtiger als politisch- arau Zifferbingen ; arau 3eanne philosophische Uberlegungen. Im Sommer 1918 eude, (E-fc unb own 1tbgeorbneun 3. Rrier, wurde eine verfassunggebende Versammlung ettembure. gewahlt, in der die Rechtspartei die meisten Sitze (23), wenn auch nicht die absolute Mehrheit errang. Union, die aber nur knapp drei Monate aberlebte. Mit 12 Sitze entfielen auf die Sozialisten, 10 auf die Li- einer kleinen parlamentarischen Mehrheit mutate beralen und 5 auf die Volkspartei, der damit eine Emile Reuter sich der Krise des Winters 1918-19 Schlasselposition zufiel. Emile Reuter bildete auf stellen (vgl. Beitrag Michel Pauly). Dennoch konnte Grund der Wahlresultate und anbetracht der schwie- am 8. Mai 1919 die neue Verfassung gestimmt rigen nationalen Lage eine Regierung der nationalen

Juni 1989 23 dossier a er tb e bes..galifetto Von Mud) t es folitit abt ob 'dun t tbon,at= C tat int 2anbe tin -werben ober i must ere' 'mite

is no. ett in fa en vier 001bealtrea Ifiv b 1* vatet ettt4 beta rte lanben in bet %etgan eft etiten bes ts, ba 2.,attbesvertals ant, be eltgions a es %tuff ttm ap an 6: it unb eure beicr,lbers aber ez (Sure ,Stinber! werden, durch die Luxemburg das allgemeine Wahl- die Hauptbedrohung fur die Freiheit eines Volkes sei, recht erhielt. der ebenfalls far die Besetzung des Landes verant- wortlich sei. Wenn nicht mehr, so doch ein kluger Der Art. 52 war aber schon vorher auf alien Banken Schachzug, um den Sozialisten einen Teil ihrer heftig diskutiert worden. Am 20. Februar reicht lerschaft abzujagen. Joseph eine Motion in der Kammer ein, die die Regierung auffordert, der Revision der Art. 52 Die Abgeordneten der verschiedenen Banke sind (Wahlrecht) und 75 (Diaten fur Abgeordnete) sich aber immer wieder einig, daB eine Verfassungs- Vorrang einzuraumen. Auf den Einwand der Libera- reform so wichtig sei, daB sic die Einstimmigkcit des len, die Rechtspartei wolle nur die Einfuhrung des Parlamentes braucht. Am 12.11.1918 werden diverse aligemeinen Wahlrechtes, ohne die dafur notwendi- Anderungsvorschlagc des Abgeordneten Xavier gen sozialen und schulischen Reformen in die Wege Brasseur (Soz.) diskutiert, der vorschlagt, das Alter zu leiten, antwortet Emile Reuter, eine Diskussion fur die aktive Wahl auf 21 und far das passive Wahl- solcher Reformen wfirde die Einfuhrung des alige- recht auf 25 Jahre festzulegen. "Les droits de suffra- meinen Wahlrechts nur unnotig verzOgern. Fur seine ge et d'eligibilite pourront etre accordés aux femmes. Partei sei es vorrangig, dieses Prinzip konstitutionell Les restrictions et les modalités en seront reglees par zu verankern, und dann erst sollten Detailfragen dis- la loi" (CCR 12.11.1918,p. 22). Nach diesem Antrag, kutiert werden. In der Sitzung vom 6. Marz 1918 der ubrigens von der parlamentari schen Kommission kommt es zu einem heftigen Wortgefecht, als Pierre geteilt wird, wiirde das Frauenwahlrecht also nicht in Dupong Michel Welter vorwirft, in seinem Bericht die Verfassung eingeschrieben werden. Brasseur von 1912 hinter seiner personlichen Meinung zu- schl5gt beim Art. 75 eine Difit von 3.000.- plus We- riickgestanden zu haben. Sei er auch innerlich ein gekosten vor, die die Kommission auf 4.000.- plus Verfechter des aligemeinen Wahlrechtes gewesen, Wegekosten festsetzen will. so hatte er doch spater mit den WOlfen gegen dieses Prinzip geheult und sei lediglich zur SchluBfolgerung In seinem Bericht vom 24. Januar 1919 halt Rappor- gekommen, er kOnne keine ziehen. (CCR 6.3.1918, teur Auguste Thorn (Rechtspartei) fest, daB fur das S. 1533). Auch die Liberalen mfissen sich von Prinzip des allgemeinen Wahlrechtes nunmehr Ein- Dupong vorwerfen lassen, die Einfuhrung des allge- stimmigkeit bestehe, daB aber das Proportionalsy- meinen Wahlrechts verzOgern zu wollen, wonach stem und das Frauenwahlrecht noch diskutiert sich der Redner gegen das Gutachten des Staatsrates werden mfiBten. Michel Welter hatte 1912 in seinem wendet. "Dans le rapport du Conseil d'Etat ii est Bericht festgehalten: "On concoit encore lc systeme declare sans broncher que la revision aurait pour effet de la representation proportionnelle la ou les partis de renforcer le parti de droite de la Chambre et les sont bicn tranches, separes, mais dans un pays motifs invoques par le Conseil d'Etat contre la revi- commc le Luxembourg, la representation proportion- sion actuelle de la Constitution sont reproduits en nelle semble chose impossible.... Nous sommes con- essence dans cette phrase qu'une consultation du vaincu que le systeme majoritaire, rationnel, simple, corps electoral a l'heure actuelle aurait pour effet de clair, qui a fait ses preuves, qui n'a pas d'inconve- renforcer la droite de la Chambre. Dans ces circonst- nients serieux, ne doit pas etre sacrifie a un systeme ances je comprends que le parti liberal alt des appre- qui semble fait pour jeter la perturbation et la divi- hensions de se jeter a l'heure actuelle dans la mêlée sion dans le corps electoral, sans d'autres besoins que dlectorale, et qu'il recule devant une revision des art. de donner en apparence a la minorite une representa- 52 et 75 de la Consitution" (CCR, 6.3.1918, p. 1534). tion sur laquelle elle dolt renoncer avec le systeme Die Liberalen seien ebenfalls gegen eine Reform des majoritaire" (Rapport Welter, S. 143). Art. 75, weil "la classe ouvriere envoie dans les der- Einerseits, so Thorn, wird beffirchtet, daB eine Ver- niers temps quelques membres a la Chambre et en ankerung des Proporzsystemes in der Verfassung zu chasse quelqus membres du parti liberal" (ibidem S. 1535). Sogar die Rechtspartei mache sich also fur das rasch kdme, um die zahlreichen, dadurch entstehen- den organisatorischen Probleme rechtzeitig zu be- Wahlrecht der Arbeiter stark und behauptet sogar waltigen, andererseits ist dieses Wahlsystem der durch Dupong, daB der internationale Kapitalismus

24 forum nr 112 dossier einzige gerechte Wahl modus und die notwendige Er- senschaft Ober die intellektuellen Kapazitten der gAnzung des allgemeinen Wahlrechtes schlechthin. Frau herrschen (Unfahigkeit, abstrakte Oberlegun- "Je n'hesite pas a dire que cette reforme est le corn- gen zu fiihren, 10% weniger Gehirnmasse als der plement fatal et indispensable du suffrage universel, Mann) und hebt dann schlieBlich die Besonderheit qui sans elle est un veritable leurre, sacrifiant imme- der Frau hervor, die ihr eine bestimmte soziale Rolle diatement la moitie moms un des suffrages en les zuweist: "Elle a le gouvernement du foyer domesti- condamnant d'avance a la sterilite eta l'inefficacite que, tandis que l'homme travaile, produit, s'occupe (CCR, 24.1.1919, S. 997). Thorn ist gegen den Vor- des relations du dehors, la femme administre, conser- schlag des Staatsrates, die Listenwahi ohne Proporz- ve, prend soin des enfants et se consacre au gouver- wahlrecht in der Verfassung zu verankern, denn nement interieur. Cette grande fonction est-elle dieses Verfahren wiirde die Ungerechtigkeiten des compatible avec l'exercice des droits politiques?" Majorzsystems nur verscharfen. Auch gibt sich der (CCR, 28.1.1919, S. 1039-40). Er wirft Staatsmini- Berichterstatter der Zentralsektion als Verfechter des ster Reuter vor, sich voreilig fur das Frauenwahlrecht Frauenwahlrechtes, da es ungerecht sei, daB die eingesetzt zu haben, das nach Ansichten des libera- Frauen nur Verpflichtungen und keine Rechte flatten, len Abgeordneten eine so tiefgreifende Reform 1st, und daB die politische Emanzipation der Frauen eine daB man noch 8 oder 10 Jahre lang soziale und poli- positive Auswirkung auf das politische Leben des tische Analysen und Studien vor ihrer Verwirkli- ganzen Landes hate. Was den Art. 75 betrifft, ist die chung machen soilte. Brasseur zitiert zwei Beispiele Zentralsektion der Meinung, die Mlle der DiAten von jungen ("innocentes") Madchen, die in Arztpra- dem Gesetzgeber zu iiberlassen. xen und bei Privatleuten Unterschriftslisten ftir das Frauenwahlrecht vorlegten unter dem Vorwand, es Am 28. Januar wird dieser Bericht Gegenstand einer sei eine Petition fur die nationale Unabhangigkeit. umfangreichen und animierten Debatte. Der soziali- Der Abgeordnete wirft den Vertretem der Rechtspar- stische Abgeordnete Thilmany fordert das Herabset- tei vor, das Petitionsrecht zu pervertieren und die zen des Wahlalters auf 20 Jahre, woftir er Gelachter jungen Madchen fur politische Zwecke zu miBbrau- von seiten der Rechtspartei erntet. Jean Schaack chen. "Cela dit, je terminerai en disant que les raisons (Soz.) wirft ein: "Wenn eine GroBherzogin zu 18 qui determinent mes amis et moi a nous prononcer Jahren volljahrig wird, dann wird ein Arbeiter, der zu contre le suffrage des femmes, sont tout a leur 12 Jahren anfangt zu arbeiten, doch das Stimmrecht honneur. C'est par respect pour les femmes, c'est par zu 20 Jahren ausfiben kOnnen" (CCR 28.1.1919, S. respect pour leur dignite et le role social qui leur est 1021). Thilmany pladiert auch fur das Einschreiben devolu, que nous n'entendons pas les faire descendre des Frauenwahlrechtes in die Verfassung und erklart dans l'arene politique et le convier a partager les sich mit dem Prinzip der Proporzwahl einverstanden, amertumes, les dósillusions et les Apres luttes de la will aber Prazisionen, da es "32 verschiedene vie politique" (CCR, 28.01.1919, S. 1044). Systeme gAbe" (ibidem). Staatsminister Emile Reuter teilt der Kammer mit, daB die Regierung mit der Festsetzung des Wahlalters auf 21 Jahre einver- standen sei, ebenso mit der Verankerung der Verhalt- niswahl in der Verfassung. Der Staatsrat sei mit einem Wahlgesetzprojekt der Regierung befaBt, das der Kammer bald vorlage. Fur ihn ist fur ein kleines Land ein einziger Wahlbezirk die ideale Losung, wenn auch die Distrikskommissare vier Wahlbezir- ke vorgeschlagen flatten ("Non, non!" a droite.). Der Staatsminister ist auch bereit, das Frauenwahl- recht in die Verfassung einschreiben zu lassen, wenn die Mehrheit der Kammer dam it einverstanden ist. Im Namen der Liberalen grei ft Robert Brasseur noch einmal die Probleme auf, die die Organisation einer Verhaltniswahl mit sich bringen und pladiert daftir, dieses Prinzip "a titre facultatif" in das Grundgesetz einzutragen, aber nicht "a titre obligatoire". Es solle dem zuktinftigen Gesetzgeber i'iberlassen bleiben, sich fur Majorz- oder Proporzwahl zu entscheiden. Er spricht sich im Namen seiner Parteifreunde ganz eindeutig gegen das Frauenwahlrecht aus. In England habe diese Diskussion ein Jahrhundert lang gedauert und sei oft mit Gewalt gefiihrt worden, habe aber schlieBlich den Feministinnen bei den letzten Wahlen nur sehr maBige Erfolge eingebracht. Auch in Frankreich stehe das Thema schon langer zur Debatte, ohne daB es zu konkreten Ergebnissen ge- kommen sei. (Das Frauenwahlrecht wird in Frank- reich erst 1945 eingefiihrt.) Brasseur wirft die groBen Unstimmigkeiten auf, die in Philosophic und Wis- juni 1989 25 dossier Der Abgeordnete der Rechtspartei Schiltz unter- rungsvorschlag, far das aktive Wahlrecht genage es, streicht, daB seine Partei schon iiber 80.000 Unter- "etre luxembourgeois, homme ou femme, de naissan- schriften gesammelt habe, und daB fur seine Partei ce ou naturalise", wird mit 34 gegen 11 Stimmcn an- das Wahlrecht far die Frauen eine langst itherfallige genommen, ebenso wie das Wahlalter endgiil Lig auf MaBnahme ist, da die Frauen in der Arbeitswelt 21 Jahre festgelegt wird (31. Januar 1919). Der Ab- genau die gleichen Pflichten und Aufgaben haben geordnete Boever stimmt als einziger gegen das wie ihre mannlichen Kollegen. Freirniitig gibt er zu, passive Wahlrecht far die Frauen. Noch immer nicht daB die Bedenken der Liberalen "der Liberalismus geklart ist die Frage der Verhaltniswahl, die aber am kOnnte infolge der religiosen Uberzeugungen der 1. April mit 35 Stimmen gebilligt wird. Nach dem Frauen an Boden verlieren", far die Rechtspartei ein Gutachten des Staatsrates, der das Prinzip der Ver- Grund sind, das Frauenwahlrecht "erst recht" zu haltniswahl dem Gesetzgeber aberlassen will, wiinschcn (CCR 28.01.1919, S. 1048). Der Einsatz kommt es in der parlamentarischen Sitzung vom 8. der Rechtspartei far das Frauenwahlrecht ist unter Mai 1919 zu der zweiten Abstimmung des Art. 52, anderem auch unter dieser Optik zu erklaren. dessen definitiver Text mit 36 gegen 11 Stimmcn an- genommen wird und folgenden Wortlaut hat: Tagelang noch ziehen sich die Diskussionen iiber die Revision des Artikels 52 hin. Verteidiger und Gegner "Les deputes sont elus sur la base du suffrage univer- der Proporzwahl und des Frauenwahlrechtes liefern sel pur et simple, au scrutin de lisle, suivant les re- sich erbitterte Wortgefechte. Die Gegner des Pro- gles de la representation proportionnelle, porzsystems verlangen die neue Legislative noch conformement au principe du plus petit quotient elec- nach dem herkommlichen Majorzsystem wahlen zu toral et suivant les regles a determiner par la loi. Le lassen und ihr dann die Ausarbeitung der Verhaltnis- pays est divise en quatre circonscriptions electo- wahl zu aberlassen. Die endlosen Diskussionen iiber rales: le Sud (Esch, ), le Centre (Luxem- dieses Prinzip warden die Einfiihrung des allgemei- bourg-ville, Luxembourg-campagne et ), le nen Wahlrechtes nur verzOgern, und die Verhaltnis- Nord (, , , et Vian- wahlwarde die politische Landschaft und EntschluB- den) et l' Est (, et ). fahigkeit nur verwassern. Der sozialistische Abge- ordnete Housse: "De plus, cette representation Pour etre electeur, faut: proportionnelle, qu'est-ce qu'elle inaugure? Elle 1. etre Luxembourgeois ou Luxembourgeoise; inaugure le regne des clubs électoraux. Sous le pre- 2. jouir des droits civils et politiques: texte de rendre les discussions plus libres, sous pre- 3. etre age de 21 ans accomplis; texte d'eviter, d'ekarter des discussions sur les inter- ets de clocher, elle introduit une tyrannie qui peut etre 4. etre domicilie dans le Grand-Duche. pire que toutes celles qui sont possibles sous le I! faut en outre reunir a ces quatre qualites celles de- regime actuel, c'est la tyrannie des clubs electoraux. terminees par la loi. Aucune condition de cens ne La oil la proportionnelle n'est pas atablie, le depute pourra etre exigee. Pour etre eligible, ilfaut etre age doit rester en contact avec ses electeurs, ii doit tacher de 25 ans accomplis, et remplir, pour le surplus, les de faire valoir leurs preferences, leurs desiderata. trois autres conditions enumerees ci-dessus. Avec la representation proportionnelle, cela n'existe plus. Le depute verra sa reelection garantie a tout Aucune autre condition d' eligibilite ne pourra etre jamais s'il arrive a contenter les puissants de son requise. Les electeurs pourront etre appeles a se pro- groupe, resp. ceux qui dirigent le club electoral dont noncer par la vole du referendum dans les cas et sous il fait partie" (Interruptions a gauche). (CCR, les conditions a determiner par la loi." 29.01.1919, S. 1074). Und weiter: "Un millionaire véreux voudrait-il sieger a la Chambre? II n' aura qu'a Im Art. 75 wurde far die Abgeordneten eine Entscha- constituer une lisle de compëres, le couvrant de leur digung festgelegt, die 4.000 Franken nicht aber- apparente honnetete et n'e Aut-il que sa propre voix, schreiten darf. si les precautions sont bien prises, il se substituera au lendemain de l'election a l'unique elu que la propor- Die konstitutionelle Gleichstellung von Mann und tionnelle aura donne a sa liste. La proportionnelle fa- Frau als WahlerInnen wird aber durch das Wahlge- vorise la corruption electorale" (ibidem, S. 1077). Fur setz vom 16. August 1919 wieder relativiert. Verhei- Housse ware eine Abstimmung des Artikels 52 erst ratete Frauen, die zusam men mit ihrem Mann in die sinnvoll, wenn das Wahlgesetz bekannt sei. Die Kammer gewahlt werden, massen zu seinen Gunsten Rechtspartei tritt als groBe Verteidigerin der Verhalt- auf ihr Mandat verzichten. Erst 1973 wird diese Dis- niswahl auf, und oft gleitet die Diskussion in kriminierung aufgehoben. Seit diesem Zeitpunkt einen Disput Klerikalismus-Antiklerikalismus muB im Falle der Wahl von zwei mitcinander verhei- ab. rateten Kandidaten der jangere zuracktreten. In der Sitzung vom 30. Januar 1919 kommt ein Die erste Luxemburger Frau, die auf Grund des Anderungsantrag der sozialistischen Abgeord- neuen Wahlrechtes in die Kammer einzieht, ist die neten Thilmany, Jos. Thorn, Krier und Jacques sozialistische Abgeordnete und Lehrerin Marguerite Schack zur Diskussion, die das Frauenwahl- Thomas-Clement aus Limpertsberg, die mit 7589 recht in die Verfassung einschreiben lassen Stimmen gewahlt wird. Die einzige Kandidatin dcr wollen und den Satz "les droits de suffrage et Rechtspartei, Katherine Schleimer-Kill aus Esch d'eligibilite pourront etre accordes aux konnte rund 10.000 Stimmen auf sich vereinigen, femmes" gerne gestrichen sahen. Ihr Ande- was aber auf Grund der Spiclrcgeln der Verhaltnis- wahl nicht fur ein Mandat ausreichte. sbb

26 orum nr 112