Thüringer Landtag Plenarprotokoll 6/110 6. Wahlperiode 22.02.2018

110. Sitzung

Donnerstag, den 22.02.2018

Erfurt, Plenarsaal

Thüringer Gesetz zur freiwilli- 9404, gen Neugliederung kreisange- höriger Gemeinden im Jahr 2018 und zur Änderung des Thüringer Gesetzes über die kommunale Doppik Gesetzentwurf der Landesregie- rung - Drucksache 6/5308 - ERSTE BERATUNG Die beantragte Überweisung des Gesetzentwurfs an den Haushalts- und Finanzausschuss wird abgelehnt.

Der Gesetzentwurf wird an den Innen- und Kommunalausschuss überwiesen.

Maier, Minister für Inneres und Kommunales 9404, Henke, AfD 9406, 9420, Adams, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 9407, 9418, Scheerschmidt, SPD 9408, 9419, Holbe, CDU 9409, 9415, Kuschel, DIE LINKE 9412, 9415, 9415, 9416, Mohring, CDU 9416, 9422, 9423, 9423, Ramelow, Ministerpräsident 9420, 9423, 9398 Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 110. Sitzung - 22.02.2018

Thüringer Gesetz zum Klima- 9424, schutz und zur Anpassung an die Folgen des Klimawandels (Thüringer Klimagesetz – ThürKlimG –) Gesetzentwurf der Landesregie- rung - Drucksache 6/4919 - ERSTE BERATUNG Der Gesetzentwurf wird an den Ausschuss für Umwelt, Energie und Naturschutz – federführend –, an den Ausschuss für Wirtschaft und Wissenschaft sowie an den Ausschuss für Infrastruktur, Landwirt- schaft und Forsten überwiesen.

Die beantragte Überweisung des Gesetzentwurfs an den Innen- und Kommunalausschuss wird abgelehnt.

Siegesmund, Ministerin für Umwelt, Energie und Naturschutz 9424, 9440, Mühlbauer, SPD 9426, Gruhner, CDU 9427, 9429, 9438, 9440, 9440, Harzer, DIE LINKE 9430, 9440, Kießling, AfD 9433, Kobelt, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 9434, 9437, Möller, AfD 9437, 9438,

Drittes Gesetz zur Änderung 9441, des Thüringer UVP-Gesetzes Gesetzentwurf der Landesregie- rung - Drucksache 6/4920 - ERSTE BERATUNG Der Gesetzentwurf wird an den Ausschuss für Umwelt, Energie und Naturschutz überwiesen.

Siegesmund, Ministerin für Umwelt, Energie und Naturschutz 9441, Kießling, AfD 9442, Kummer, DIE LINKE 9443,

Thüringer Gesetz zu dem Ein- 9443, undzwanzigsten Rundfunkän- derungsstaatsvertrag Gesetzentwurf der Landesregie- rung - Drucksache 6/5307 - ERSTE und ZWEITE BERATUNG Die ERSTE BERATUNG findet statt.

Der Gesetzentwurf wird in ZWEITER BERATUNG und in der Schlussabstimmung jeweils angenommen.

Krückels, Staatssekretär 9443, Wucherpfennig, CDU 9445, Blechschmidt, DIE LINKE 9445, Höcke, AfD 9446, Dr. Pidde, SPD 9448, Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 110. Sitzung - 22.02.2018 9399

Henfling, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 9449,

Fragestunde 9450, a) Die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Kuschel (DIE LINKE) 9450, Veränderung der Zuständigkeit der Sparkassen bei Gemeindeneugliederung - Drucksache 6/5292 - wird von Ministerin Taubert beantwortet. Zusatzfragen. Blechschmidt, DIE LINKE 9451, Taubert, Finanzministerin 9451, 9452, 9452, 9452, Bühl, CDU 9451, Kuschel, DIE LINKE 9452, 9452, b) Die Mündliche Anfrage der Abgeordneten Henfling (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) 9452, Komplexe rechtsextremistische Veranstaltungen mit Festival-Charakter - Drucksache 6/5315 - wird von Staatssekretär Götze beantwortet. Henfling, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 9452, Götze, Staatssekretär 9453, c) Die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Bühl (CDU) 9453, Neueinstellung von Lehrern im Ilm-Kreis - Drucksache 6/5320 - wird von Minister Holter beantwortet. Zusatzfragen. Minister Holter sagt dem Fra- gesteller Abgeordneten Bühl die Nachreichung der Beantwortung seiner zwei Zu- satzfragen zu. Zur ersten Zusatzfrage wird in Verbindung mit der Antwort zu Frage 3 die Übergabe einer tabellarischen Aufschlüsselung nach Schularten zugesagt. Bühl, CDU 9453, 9454, 9455, Holter, Minister für Bildung, Jugend und Sport 9454, 9455, 9455, 9455, 9455, Tischner, CDU 9455, Prof. Dr. Voigt, CDU 9455, d) Die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Prof. Dr. Voigt (CDU) 9455, Novellierung des Thüringer Vergabegesetzes - Drucksache 6/5322 - wird von Staatssekretärin Kerst beantwortet. Zusatzfragen. Staatssekretärin Kerst sagt dem Fragesteller Abgeordneten Prof. Dr. Voigt die Nachreichung der Beant- wortung seiner Zusatzfrage zu. Prof. Dr. Voigt, CDU 9455, 9456, 9457, 9457, Kerst, Staatssekretärin 9456, 9457, 9457, 9457, e) Die Mündliche Anfrage der Abgeordneten Floßmann (CDU) 9457, Neueinstellung von Lehrerinnen und Lehrern im Landkreis Hildburghausen - Drucksache 6/5323 - 9400 Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 110. Sitzung - 22.02.2018

wird von Minister Holter beantwortet. Zusatzfragen. Minister Holter sagt der Fra- gestellerin Abgeordneten Floßmann die Nachreichung der Beantwortung ihrer Zu- satzfrage zu. Floßmann, CDU 9457, 9458, 9458, Holter, Minister für Bildung, Jugend und Sport 9457, 9458, 9458, 9458, Wolf, DIE LINKE 9458, Tischner, CDU 9458, f) Die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Worm (CDU) 9459, Vorkaufsrecht für Grundstücke, die dem Hochwasserschutz dienen sollen - Drucksache 6/5325 - wird von Ministerin Siegesmund beantwortet. Zusatzfrage. Worm, CDU 9459, 9460, Siegesmund, Ministerin für Umwelt, Energie und Naturschutz 9459, 9460, g) Die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Walk (CDU) 9460, Bedarfszuweisung bei freiwilligen Aufgaben - Drucksache 6/5326 - wird von Staatssekretär Götze beantwortet. Walk, CDU 9460, Götze, Staatssekretär 9461, h) Die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Tischner (CDU) 9461, Gewerbegebiete - Drucksache 6/5327 - wird von Staatssekretärin Kerst beantwortet. Zusatzfragen. Staatssekretärin Kerst sagt dem Fragesteller Abgeordneten Tischner die Nachreichung der Beantwortung seiner Zusatzfrage zu. Tischner, CDU 9461, 9462, Kerst, Staatssekretärin 9462, 9462,

Grundsätzliche, über den Ein- 9462, zelfall hinausgehende Ausle- gung einer Vorschrift der Ge- schäftsordnung gemäß § 122 GO Beschluss des Thüringer Land- tags zu dem Antrag der Fraktio- nen DIE LINKE, der SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Drucksachen 6/3809/3874 - dazu: Beschlussempfehlung des Ausschusses für Migration, Justiz und Verbraucher- schutz - Drucksache 6/5328 - Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 110. Sitzung - 22.02.2018 9401

Der Antrag, den Ausschuss für Migration, Justiz und Verbraucher- schutz als den nach § 122 GO zuständigen Ausschuss mit der Klä- rung der im Beschluss in Drucksache 6/3874 festgelegten Ausle- gungsfragen erneut zu befassen, wird abgelehnt.

Die Beschlussempfehlung wird in namentlicher Abstimmung bei 80 abgegebenen Stimmen mit 44 Jastimmen, 35 Neinstimmen und 1 Enthaltung angenommen (Anlage 1).

Helmerich, SPD 9462, Scherer, CDU 9463, 9472, 9472, Blechschmidt, DIE LINKE 9464, 9473, Rothe-Beinlich, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 9466, 9471, Marx, SPD 9467, 9471, Carius, CDU 9469, 9469, Mohring, CDU 9474,

Verbesserung der Altersfest- 9474, stellung bei unbegleiteten min- derjährigen Ausländern (UMA) Antrag der Fraktion der AfD - Drucksache 6/4939 - dazu: Einheitliche Standards zur Altersfeststellung absi- chern, AnKER-Einrich- tungen schaffen Alternativantrag der Frak- tion der CDU - Drucksache 6/5338 - Minister Holter erstattet einen Sofortbericht zu Nummer I des An- trags. Die Erfüllung des Berichtsersuchens wird festgestellt.

Die Nummer II des Antrags wird abgelehnt.

Der Alternativantrag wird in namentlicher Abstimmung bei 78 abge- gebenen Stimmen mit 28 Jastimmen, 50 Neinstimmen abgelehnt (Anlage 2).

Herold, AfD 9474, 9483, 9484, 9484, 9485, 9486, Holter, Minister für Bildung, Jugend und Sport 9475, 9477, Berninger, DIE LINKE 9477, 9478, 9491, Herrgott, CDU 9478, 9487, Dr. Hartung, SPD 9480, 9486, 9487, 9489, 9490, Rothe-Beinlich, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 9482, Möller, AfD 9488, 9490, 9490, 9490, 9490, Harzer, DIE LINKE 9491, Primas, CDU 9492,

Verwendung von Zuführungen 9492, aus dem früheren Vermögen der Parteien und Massenorga- nisationen der DDR 9402 Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 110. Sitzung - 22.02.2018

Antrag der Fraktion der CDU - Drucksache 6/4944 - dazu: Mittel aus den Vermögen der DDR-Parteien und Massenorganisationen für Investitionen in die Zukunft unserer Thüringer Heimat verwenden Alternativantrag der Frak- tion der AfD - Drucksache 6/5339 - dazu: Verwendung von Zuwei- sungen aus dem Vermö- gen der Parteien und Mas- senorganisationen der ehemaligen DDR (PMO- Vermögen) Alternativantrag der Frak- tionen DIE LINKE, der SPD und BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN - Drucksache 6/5340 - Der Antrag in Drucksache 6/4944 wird abgelehnt.

Der Alternativantrag in Drucksache 6/5339 wird abgelehnt.

Der Alternativantrag in Drucksache 6/5340 wird angenommen.

Wirkner, CDU 9492, 9493, 9495, 9501, Rothe-Beinlich, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 9493, Möller, AfD 9497, Dr. Pidde, SPD 9499, Taubert, Finanzministerin 9499, 9501,

Thüringer Polizei 4.0 – Mit Digi- 9502, talisierung und Modernisie- rung fit für die Zukunft Antrag der Fraktionen DIE LIN- KE, der SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Drucksache 6/4951 - Neufas- sung - Die beantragte Überweisung des Antrags an den Innen- und Kom- munalausschuss wird abgelehnt.

Der Antrag wird angenommen.

Dittes, DIE LINKE 9502, 9511, 9512, Walk, CDU 9503, Marx, SPD 9507, Henke, AfD 9508, Adams, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 9510, Maier, Minister für Inneres und Kommunales 9515, Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 110. Sitzung - 22.02.2018 9403

Anwesenheit der Abgeordneten: Fraktion der CDU:

Bühl, Carius, Floßmann, Geibert, Grob, Gruhner, Herrgott, Holbe, Holzapfel, Kellner, Kowalleck, Lehmann, Lieberknecht, Liebetrau, Malsch, Meißner, Mohring, Primas, Rosin, Scherer, Schulze, Thamm, Tischner, Prof. Dr. Voigt, Walk, Walsmann, Wirkner, Worm, Wucherpfennig, Zippel

Fraktion DIE LINKE:

Berninger, Blechschmidt, Dittes, Engel, Hande, Harzer, Hausold, Huster, Jung, Kalich, König-Preuss, Korschewsky, Kräuter, Kubitzki, Kummer, Kuschel, Leukefeld, Lukasch, Dr. Lukin, Mitteldorf, Müller, Schaft, Dr. Scheringer-Wright, Skibbe, Stange, Wolf

Fraktion der SPD:

Becker, Dr. Hartung, Helmerich, Hey, Lehmann, Marx, Mühlbauer, Pelke, Dr. Pidde, Scheerschmidt, Taubert, Warnecke

Fraktion der AfD:

Henke, Herold, Höcke, Kießling, Möller, Rietschel, Rudy

Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN:

Adams, Henfling, Kobelt, Müller, Pfefferlein, Rothe-Beinlich fraktionslos:

Krumpe, Reinholz

Anwesenheit der Mitglieder der Landesregierung: Ministerpräsident Ramelow, die Minister Taubert, Holter, Keller, Maier, Siegesmund, Werner 9404 Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 110. Sitzung - 22.02.2018

Beginn: 9.03 Uhr Dann rufe ich damit als ersten Tagesordnungspunkt für heute Tagesordnungspunkt 6 auf Präsident Carius: Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich grüße Thüringer Gesetz zur freiwilli- einige Bürgermeister auf der Besuchertribüne. gen Neugliederung kreisange- Herzlich willkommen! höriger Gemeinden im Jahr 2018 und zur Änderung des (Beifall im Hause) Thüringer Gesetzes über die Alle und nicht nur der Kollege Kuschel klatschen kommunale Doppik laut, halten wir für das Protokoll fest. Gesetzentwurf der Landesregie- rung Ich heiße Sie alle herzlich willkommen zu unserer - Drucksache 6/5308 - heutigen Plenarsitzung. ERSTE BERATUNG Für die Plenarsitzung hat Herr Abgeordneter Gruh- Ich glaube, dass der Innenminister das Wort zur ner als Schriftführer neben mir Platz genommen. Begründung wünscht und auch bekommt. Bitte Frau Abgeordnete Müller führt die Redeliste. schön. Für die heutige Sitzung haben sich eine Reihe von Kollegen entschuldigt: Abgeordneter Fiedler, Abge- Maier, Minister für Inneres und Kommunales: ordneter Gentele, Frau Abgeordnete Hennig-Well- sow, Frau Abgeordnete Dr. Martin-Gehl, Frau Ab- Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen geordnete Muhsal und Frau Abgeordnete Tasch. und Herren Abgeordnete, sehr geehrte Gäste, der vorliegende Gesetzentwurf ist der nächste Schritt Zur Tagesordnung darf ich eine ganze Reihe von zur Umsetzung der Gemeindegebietsreform in Thü- Hinweisen geben: ringen. Bei der Feststellung sind wir übereingekommen, im (Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE Anschluss an die erste Beratung des Tagesord- GRÜNEN) nungspunkts 5 die zweite Beratung durchzuführen, sofern keine Ausschussüberweisung beschlossen Wir setzen dabei konsequent auf drei Prinzipien: wird, und die Tagesordnungspunkte 8 und 16 ge- 1. Freiwilligkeit, 2. finanzielle Unterstützung für die meinsam zu beraten. Fusionswilligen und 3. Kommunikation und Zusam- menarbeit auf Augenhöhe. Gerade Letzteres ist Zu TOP 8 gibt es einen Antrag der Fraktionen Die meines Erachtens von ausschlaggebender Bedeu- Linke, der SPD und Bündnis 90/Die Grünen in der tung. Die Vorgehensweise, dass der Staatssekretär Drucksache 6/4820, der als Neufassung verteilt und ich in zahlreichen Gesprächen vor Ort die je- wurde. weils individuelle Situation mit den kommunalen Zu Tagesordnungspunkt 9, Antrag der Fraktion der Entscheidungsträgern beraten haben, war ein Ge- AfD in Drucksache 6/4939, gibt es einen Alternativ- winn für beide Seiten. Ich muss Ihnen sagen, dass antrag der CDU-Fraktion in der Drucksache 6/5338. ich heute mehr denn je überzeugt bin, dass die Ge- meindegebietsreform gut und richtig ist. Zu TOP 10, Antrag der Fraktion der CDU in der Drucksache 6/4944, gibt es einen Alternativantrag (Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE der AfD-Fraktion in der Drucksache 6/5339 und GRÜNEN) einen weiteren Alternativantrag der Koalitionsfrak- Fast überall habe ich gehört, wie beschwerlich es tionen in der Drucksache 6/5340. geworden ist, qualifiziertes Personal für die Verwal- Zu TOP 11, Antrag der Fraktionen Die Linke, der tung zu bekommen. Mir wurde konkret geschildert, SPD und Bündnis 90/Die Grünen in Drucksa- was es für die Kommunen bedeutet, dass die Be- che 6/4951, wurde eine Neufassung des Antrags völkerung schrumpft und der Altersdurchschnitt im- verteilt. mer weiter ansteigt. Ich habe geschildert bekom- men, wie schwierig es gerade für kleine Kommunen Zu TOP 13, Antrag der CDU-Fraktion in Drucksa- sein kann, zum Beispiel den Bauhof am Laufen zu che 6/5311, wurde ein Alternativantrag der Koali- halten oder aber die Eigenanteile für dringend erfor- tionsfraktionen in der Drucksache 6/5341 verteilt. derliche Investitionen aufzubringen. Zu TOP 16, Antrag der CDU-Fraktion in Drucksa- Im Gegenzug konnten wir in den Gesprächen dazu che 6/5314, gibt es einen Alternativantrag der AfD- beitragen, Informationsdefizite abzubauen und Un- Fraktion in der Drucksache 6/5337. sicherheiten zu beseitigen. Ich bin deshalb froh, Weitere Wünsche zur Tagesordnung? Das kann ich dass nach den Rückschlägen im vergangenen Jahr nicht erkennen. die Reform wieder Fahrt aufnimmt und ich Ihnen heute das erste Gemeindeneugliederungsgesetz mit immerhin fast 60 beteiligten Kommunen vorstel- Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 110. Sitzung - 22.02.2018 9405

(Minister Maier) len kann. Und – so viel kann ich heute schon sagen Rahmen für ihre freiwilligen Neugliederungsbestre- – es deutet sich an, dass das bereits in Arbeit be- bungen zu gewährleisten. findliche zweite Gemeindeneugliederungsgesetz ei- Mit dem gerade genannten Beschluss haben Sie, ne weitere Welle von Fusionen auslösen wird. verehrte Damen und Herren Abgeordnete, diese An dieser Stelle möchte ich ausdrücklich meinem Grundlage geschaffen. Eine flächendeckende Ge- Staatssekretär Uwe Höhn danken, der unermüdlich bietsreform muss stets auf einem Leitbild und auf Gespräche mit der kommunalen Familie führt Leitlinien beruhen, mit denen die Ziele der Reform und die Maßnahmen zu ihrer Umsetzung festgelegt (Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE werden. Leitbild und Leitlinien bilden den Rahmen, GRÜNEN) der für jede einzelne kommunale Neugliederung zu und damit einen hohen Anteil an diesem Gesetz konkretisieren ist. Dieser Rahmen wird mit dem vor- hat. Darüber hinaus danke ich den Mitarbeiterinnen liegenden Gesetzentwurf ausgefüllt. Das Leitbild und Mitarbeitern meines Hauses für ihren herausra- und die Leitlinien der Reform – so wie sie in das genden Einsatz. Gleiches gilt auch für die Regie- ehemalige Vorschaltgesetz eingeflossen sind und rungsfraktionen und hier den kommunalpolitischen vom Thüringer Verfassungsgerichtshof bestätigt Sprechern, aber auch – das sage ich ganz aus- wurden –, werden hier unter Berücksichtigung der drücklich – Dank an die CDU-Fraktion, die die frei- gerichtlichen Hinweise im Wesentlichen beibehal- willigen Fusionen ebenfalls unterstützt und damit ten. die Rahmenbedingungen für unsere kommunale Die Schaffung leistungs- und verwaltungsstarker Familie im Konsens und nicht im Streit mitent- Gebietskörperschaften, die dauerhaft in der Lage wickelt. Ich begrüße dies ausdrücklich. Nicht ver- sind, die ihnen obliegenden Aufgaben sachgerecht, gessen will ich die kommunalen Spitzenverbände, bürgernah, rechtssicher und eigenverantwortlich die den Prozess ebenfalls positiv begleiten und wahrzunehmen, ist nach wie vor das oberste Ziel wertvolle Hinweise für das Gelingen geben. der Gemeindegebietsreform in Thüringen. Die Ge- Meine sehr geehrten Damen und Herren, es bietskörperschaften sollen ein dauerhaft tragfähiges herrscht ein neuer Geist der Zusammenarbeit und Fundament für die demokratische Mitwirkung der das freut mich sehr. Bürgerinnen und Bürger bilden. Wir sagen damit al- so ausdrücklich nicht, dass die heutigen Strukturen (Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE eine schlechte Arbeit leisten, sondern wir wollen si- GRÜNEN) cherstellen, dass ihre gute Arbeit auch zukünftig Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich will noch gewährleistet werden kann. Zentralörtliche nun näher auf das Gesetz selbst eingehen. Strukturen sollen dabei gestärkt werden. Die künfti- ge Gemeindestruktur soll die Belange der im Lan- Artikel 1 des Gesetzentwurfs umfasst die Vorschlä- desentwicklungsprogramm Thüringen 2025 festge- ge der Landesregierung zur freiwilligen Neugliede- legten Ober- und Mittelzentren in ihrer Stadt-Um- rung kreisangehöriger Gemeinden im Jahr 2018. Er land-Beziehung mit den unmittelbar angrenzenden gibt den ausdrücklichen Willen der Gemeinden wie- Gemeinden im besonderen Maße berücksichtigen. der und ist somit Ausdruck der kommunalen Selbst- Die Leitlinien, die zum Erreichen dieser Ziele die- verwaltung. Es werden insgesamt 13 Neugliede- nen, sind insbesondere die künftig geltende Min- rungsmaßnahmen vorgeschlagen. Betroffen sind desteinwohnerzahl von 6.000 Einwohnern bezogen die Landkreise , , , auf 2035, die vorrangige Bildung von Einheits- und Hildburghausen, Ilm-Kreis, Nordhausen, Saalfeld- Landgemeinden, die Stärkung der Zentralen Orte Rudolstadt, Schmalkalden-Meiningen, Sömmerda, sowie die Möglichkeit der kreisübergreifenden Ge- Sonneberg und der . Von den in die- meindeneugliederung. sem Gesetzentwurf vorgesehenen Neugliederungs- maßnahmen sind insgesamt 58 Gemeinden betrof- Die Begründung des Gesetzes stellt – wie bereits fen. Für 242.000 Bürgerinnen und Bürger unseres das Leitbild „Zukunftsfähiges Thüringen“ und der Landes machen wir damit den Weg frei für moder- Eckpunktebeschluss vom Dezember des letzten ne Verwaltungsstrukturen. Jahres – noch einmal klar, dass neben diesen Ziel- setzungen weitere Aspekte wie etwa die Identität, Sehr geehrte Damen und Herren, der Gesetzent- Ortsnähe, Erreichbarkeit, landsmannschaftliche, wurf konkretisiert in der allgemeinen Begründung historische, traditionelle und religiöse Gemeinsam- ausführlich den von Ihnen gefassten Beschluss keiten für jede konkrete Neugliederung eine Rolle vom 13. Dezember letzten Jahres über die Eck- spielen. Damit besteht für die mit diesem Gesetz punkte des Leitbildes und der Leitlinien für die Neu- neu zu gliedernden Gemeinden Klarheit über die gliederungen der Gemeinden in Thüringen unter Kriterien, die ihrer Neugliederung zugrunde gelegt Berücksichtigung des Urteils des Verfassungsge- werden. richtshofs vom 9. Juni 2017. Nach dem Urteil des Verfassungsgerichtshofs bedurfte es neuer Grund- Mit den Neugliederungsmaßnahmen werden die lagen, um den Gemeinden einen verlässlichen Voraussetzungen dafür geschaffen, dass die betei- 9406 Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 110. Sitzung - 22.02.2018

(Minister Maier) ligten Städte und Gemeinden ihre Leistungs- und Vizepräsidentin Jung: Verwaltungskraft sichern und weiter verbessern Ich eröffne die Beratung und zunächst hat Abgeord- können. Gleichzeitig wird es damit möglich, die bür- neter Henke für die Fraktion der AfD das Wort. gerschaftliche Mitwirkung an der gemeindlichen Selbstverwaltung und das kommunalpolitische En- gagement vor Ort weiter zu gewährleisten und zu Abgeordneter Henke, AfD: stärken. Es liegt nunmehr an Ihnen, die antragstel- Vielen Dank, Frau Präsidentin. Werte Abgeordnete, lenden Gemeinden in ihrem Streben nach zukunfts- werte Gäste, auch wir von der AfD befürworten fähigen Strukturen zu unterstützen. Die Akteure vor grundsätzlich freiwillige Neugliederungen zur Ort werden dann gefragt sein, die vorgeschlagenen Schaffung von leistungs- und verwaltungsstarken Neugliederungen zum Erfolg zu führen. Gemeinden, die in der Lage sind, ihre kommunalen Meine sehr geehrten Damen und Herren, Artikel 2 Aufgaben dauerhaft in geordneter Hauswirtschaft des Gesetzentwurfs beinhaltet die haushaltsrechtli- eigenständig und sachgerecht wahrzunehmen. chen Regelungen für gemeindliche Neugliederun- Was wir aber ablehnen, ist die Gebietsreform durch gen und Regelungen zur Änderung des Thüringer die Hintertür, die lediglich nach außen als freiwillig Gesetzes über die kommunale Doppik. dargestellt und in Wirklichkeit von den Gemeinden erkauft wird. Denn diese Landesregierung hat den Lassen Sie mich noch ein Wort zur finanziellen Un- Gemeinden bereits seit Jahren diejenigen Finanz- terstützung der neugliederungswilligen Kommunen mittel vorenthalten, die sie so dringend benötigt hät- sagen. Für die freiwillige Neugliederung sind Prämi- ten, um ihre Aufgaben angemessen erfüllen zu kön- en und Strukturbeihilfen in Höhe von 155 Millionen nen. Gleichzeitig hat die rot-rot-grüne Landesregie- Euro vorgesehen. Die Neugliederungsprämie be- rung aber permanent immer mehr Aufgaben an die trägt bei der Bildung einer Einheits- und Landge- Kommunen und Gemeinden delegiert. Namentlich meinde 200 Euro pro Einwohner der Gemeinde, die sei hier zum Beispiel die Verpflegung und Unter- den Antrag auf Bildung einer freiwilligen Gemeinde- bringung der angeblichen Flüchtlinge zu nennen. neugliederung gestellt hat. Außerdem sollen für Ge- Zur Krönung hat es diese Landesregierung auch meinden Zuweisungen zum Abbau deutlich über- noch fertiggebracht, diejenigen Finanzmittel, die durchschnittlicher Verschuldung von mindestens vom Bund vorgesehen waren, um die Gemeinden 65 Millionen Euro zur Verfügung gestellt werden. bei der Flüchtlingsbetreuung zu unterstützen, kur- Zur weiteren Entlastung der neugegliederten Ge- zerhand für sich zu behalten und nicht an die Ge- meinden wird zusätzlich eine Kompensation von meinden weiterzureichen. Nachteilen beim Hauptansatz durch die unterjähri- ge Neugliederung gewährt. Nicht zuletzt werden die (Zwischenruf Abg. Kuschel, DIE LINKE: Das Rückzahlungsforderungen aus rückzahlbaren Be- ist eine Lüge!) darfszuweisungen erlassen, die durch die Beschei- Sie können gern etwas dazu sagen. – Auf diese de bis zum 31. Dezember 2017 festgesetzt wurden. Weise hat Rot-Rot-Grün die Kommunen und Ge- Meine sehr geehrten Damen und Herren, der vorlie- meinden bereits seit Jahren finanziell ausbluten las- gende Gesetzentwurf ist der erste Schritt zur Schaf- sen und systematisch an die Erschöpfungsgrenze fung einer flächendeckenden Gemeindegebietsre- getrieben. Genau diese Notsituation ist aber der ei- form in Thüringen auf freiwilliger Basis. Alle weite- gentliche Grund, warum die Kommunen und Ge- ren Neugliederungsanträge werden für eine Auf- meinden nun dazu bereit sind, so schnell wie mög- nahme in das Gesetz zur freiwilligen Neugliederung lich gemeinsam zu fusionieren. im Jahr 2019 geprüft. Dabei können jedoch nur sol- (Zwischenruf Abg. Korschewsky, DIE LINKE: che sicher dem gesetzgeberischen Prozess zuge- Völliger Blödsinn!) führt werden, wenn ihre Anträge bis zum 31. März 2018 vorliegen. Dieses Verhalten der Landesregierung ist zutiefst verwerflich und kann in meinen Augen nur noch als Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich möch- Erpressung bezeichnet werden. te Sie bitten, diesen Kurs der freiwilligen Gemein- deneugliederung auf Augenhöhe weiterhin zu un- An dieser Stelle möchte ich noch etwas über die terstützen und das Gesetz zur freiwilligen Neuglie- geplante Änderung des Thüringer Gesetzes über derung kreisangehöriger Gemeinden im Jahr 2018 die kommunale Doppik sagen. Nach meinem Dafür- auf den Weg zu bringen. Ich danke für Ihre Auf- halten ist die neu einzuführende Regelung des merksamkeit. § 40a keineswegs praktikabel. Denn nach dieser Vorschrift dürfen neu gegliederte doppisch buchen- (Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE de Gemeinden, die Rechtsnachfolger einer kameral GRÜNEN) buchenden Gemeinde sind, in den ersten beiden vollständigen Haushaltsjahren die nicht zahlungs- wirksamen Erträge und Aufwendungen bei der Auf- stellung des Haushalts außer Acht lassen. Die Be- urteilung des Haushaltsausgleichs bezieht sich Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 110. Sitzung - 22.02.2018 9407

(Abg. Henke) dann ausschließlich auf den Finanzhaushalt. Bei Abgeordneter Adams, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- der Aufstellung der endgültigen Jahresabschlüsse NEN: fallen die nicht zahlungswirksamen Erträge und Sehr geehrte Frau Präsidentin, verehrte Kollegen, Aufwendungen entsprechend der erfassten Vermö- liebe Gäste hier im Thüringer Landtag, wenn es ein genswerte tatsächlich an und fließen in das Jahres- Problem zu lösen gibt, dann geht die schlaue Thü- ergebnis und damit auch in die Ergebnisvorträge ringerin zu ihrer Nachbarin und spricht mit ihr, Kin- der Folgejahre ein. Damit ist der formelle Haus- der gehen zu ihren Eltern und fragen und bitten um haltsausgleich dann zwar erreicht, dies hat jedoch Hilfe, Sportfreunde fragen im Verein nach, wer hel- keine Auswirkungen auf die Vorträge der Folgejah- fen kann, und Gemeinden tun sich zusammen. Mit re. Bei der Aufstellung weiterer Haushalte muss diesem Gesetz werden fast eine Viertelmillion Thü- dann entsprechend ausglichen werden. Nach mei- ringerinnen und Thüringer enger zusammenrücken. nem Dafürhalten sollte daher bereits bei der Auf- Aus 49 Gemeinden werden 13 Zentren, in denen stellung der ersten doppischen Haushaltssatzung man gemeinsam die Probleme löst. Ich glaube, die- der neuen Gemeinde ein Haushaltsausgleich ent- se Einführung kann schon zeigen, dass dieses Ge- sprechend der Regelung des § 18 Abs. 1 des Thü- setz meiner Meinung nach die uneingeschränkte ringer Gesetzes über die kommunale Doppik ange- Zustimmung des Thüringer Landtags erhalten soll- strebt werden. te. Schließlich will ich noch ganz kurz auf Artikel 3 die- Gemeinsam geht vieles besser, das hat im Übrigen ses Gesetzes, die Regelung zum Inkrafttreten, zu auch die Anhörung zu einem anderen Gesetz am sprechen kommen. Hiernach ist vorgesehen, dass Donnerstag der letzten Woche im Innenausschuss dieses Gesetz bereits zum 01.07.2018 in Kraft tre- gezeigt, als der Gemeinde- und Städtebund sehr ten soll. Aufgrund der einzuhaltenden haushalts- deutlich gesagt hat: Wenn zum Beispiel in einer VG rechtlichen Vorgaben ist ein Inkrafttreten jedoch nur eine Gemeinde rausgeht und 1.000 Leute fehlen, zum jeweiligen Jahreswechsel möglich. Ferner ist dann gibt es ein Problem. Richtig! Richtig, wir brau- auch die praktische Umsetzung dieses Gesetzes chen hinreichend große Einheiten, und wenn sie zu schon aus rein zeitlichen Gründen bis zu dem vor- klein werden, gibt es ein Problem. Es mag auch un- gesehenen Termin nicht möglich. Denn insbeson- ter speziellen Voraussetzungen, mit speziellen wirt- dere bei der Eingliederung einer kameral buchen- schaftlichen Möglichkeiten Gemeinden geben, die den Gemeinde in eine doppisch buchende Gemein- sehr klein erfolgreich sein können. Aber in der Re- de ist im Vorfeld eine umfassende Bestandsaufnah- gel ist es vernünftig, wenn man ein großes Problem me sämtlicher Vermögenswerte für Schulden not- zu lösen hat, ob es verwaltungsmäßig ist, ob es fi- wendig. nanziell ist, ist es schlau, zusammenzugehen. Die- Außerdem ist zu berücksichtigen, dass die fusionie- se 49 Kommunen gehen den schlauen Weg und sie renden Gemeinden in den meisten Fällen Pro- haben damit unsere Unterstützung, meine sehr ver- grammlösungen verschiedener Softwareanbieter ehrten Damen und Herren. benutzen. Hierdurch wird aber eine erhebliche Da- (Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE tenmigration erforderlich, die ebenfalls umfängliche GRÜNEN) Vorarbeit erfordert und die nicht von heute auf mor- gen möglich ist, sondern einige Zeit in Anspruch Ich freue mich auch ganz besonders, dass ich an- nimmt. Vor diesem Hintergrund ist der Zeitplan der hand einer Gemeinde vielleicht noch mal einen klei- Landesregierung ähnlich wie bei den Haushaltsbe- nen Blick darauf werfen kann, wie viele Konflikte es ratungen völlig unrealistisch. zu lösen gibt. Im letzten Jahr nahm der Bürgermeis- ter der Gemeinde Neuhaus-Schierschnitz, Herr Wie man sieht, hat dieses Gesetz noch einige Meusel, Kontakt zu uns auf. Wenn er da ist, einen Schwachstellen und muss noch einmal gründlich herzlichen Gruß! – Ja, jetzt erkenne ich es gegen überarbeitet werden. Da hier auch in nicht unerheb- das Licht, sehr schön. – Es gibt dabei viele Proble- lichem Maße finanzpolitische Themen tangiert wer- me zu lösen. Mehrere Gemeinden sagen – Juden- den, plädieren wir dafür, dass dieser Gesetzentwurf bach, Föritz –: „Wir wollen zusammengehen.“ Das an den Haushalts- und Finanzausschuss zur weite- muss abgewogen werden gegen den Wunsch, ge- ren Beratung überwiesen wird. Vielen Dank. gen die Position der Stadt Sonneberg, die sagt: „Na (Beifall AfD) ja, die sind so dicht dran, die haben so viel mit uns zu tun, da wollen wir schon eher, dass wir das ge- meinsam machen“, was ja auch vernünftig sein Vizepräsidentin Jung: kann. Dennoch, für uns ist die Freiwilligkeit und der Als nächster Redner hat Abgeordneter Adams, freie dokumentierte Wille der Gemeinden, zusam- Bündnis 90/Die Grünen, das Wort. menzugehen und sich eben nicht einer großen Stadt anzuschließen, ein wichtiges Indiz dafür, dass das der richtige Weg sein soll, weil die freie Selbst- bestimmung der Kommunen ein hohes Gut ist. 9408 Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 110. Sitzung - 22.02.2018

(Abg. Adams) (Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- mehr am aktiven Erwerbsleben teilnimmt, nimmt NEN) drastisch zu, und der Anteil derjenigen, die am Er- werbsleben teilnehmen, sinkt. Nicht nur die Ein- Diese widerstrebenden Positionen zum Beispiel der wohnerzahlen werden geringer, sondern auch der Stadt Sonneberg, die Herr Dr. Voigt auch bei uns in Anteil derjenigen Einwohner in den Gemeinden, die der Fraktion vorgetragen hat, und die Position der am Arbeitsleben teilnehmen, sinkt. Was resultiert Gemeinden, die gemeinsam gehen wollen, werden daraus? Die Leistungen im Sozialbereich werden tragend sein für das, was wir jetzt im Innenaus- verstärkt nachgefragt, dort kommen Aufgaben auf schuss machen müssen, nämlich uns jede Position die Kommunen zu. Auf der anderen Seite sinken ordentlich anzusehen, darüber zu diskutieren und natürlich Gebühren, Einkommen, ganz logisch: am Ende diese widerstrebenden Positionen in Wenn weniger Leute am Arbeitsleben teilnehmen, einen Einklang, in eine Balance zu bringen, auszu- dann sinkt automatisch auch der Anteil der Kommu- gleichen. Wir müssen das gegeneinander abwägen nen beispielsweise an der Einkommensteuer. Wir und müssen diese Positionen zu einer Lösung füh- haben zunehmend mit Abwanderung zu kämpfen, ren. Das wird der große Auftrag sein, den jetzt die aber wir haben auch eine steigende Zahl von Bür- Abgeordneten im Prinzip aller Fraktionen lösen gern mit Migrationshintergrund. Hier werden Stadt, müssen, indem wir uns genau mit den Örtlichkeiten, Land, Politik, Bürger, aber vor allem die öffentliche genau mit den finanziellen, verwaltungsmäßigen Verwaltung in der Zukunft enorme Herausforderun- Voraussetzungen der einzelnen Kommunen ausei- gen haben. nandersetzen, um dann die klugen und richtigen Entscheidungen zu treffen. Wir wollen das in einer Aber auch die Entwicklung des Personalbestands offenen Debatte machen und freuen uns auf die muss man betrachten. In den kommenden Jahren Debatte im Innenausschuss zu diesem Gesetz. Vie- wird sich das Personal deutlich verringern, weil wir len Dank. eine enorme Zahl an Altersabgängen haben. Dem- gegenüber steht aber eine potenziell viel geringer (Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE werdende Zahl an Auszubildenden und Anwärtern. GRÜNEN) Auch hier macht es sich erforderlich, ganz einfach Verwaltungen zu verschlanken. Dazu kommt diese Vizepräsidentin Jung: Zweistufigkeit, dass die Verwaltungsgemeinschaf- Als nächste Rednerin hat sich Abgeordnete ten überwiegend nur die Aufgaben im übertragenen Scheerschmidt, Fraktion der SPD, zu Wort gemel- Wirkungskreis für ihre Mitgliedsgemeinden über- det. nehmen. Die Aufgaben im eigenen Wirkungskreis kann man nur bedingt wahrnehmen. Eine Verbes- serung der Leistungskraft gerade in den Aufgaben Abgeordnete Scheerschmidt, SPD: im eigenen Wirkungsbereich ist also für die Verwal- Sehr geehrte Frau Vorsitzende, sehr geehrte Abge- tungsgemeinschaften und erfüllenden Gemeinden ordnete, werte Gäste auf der Tribüne und am Live- kaum möglich. Die Verwaltungen werden zuneh- stream, aktuell existieren in Thüringen 843 kreisan- mend gefordert, um überhaupt im internationalen gehörige Gemeinden mit weniger als 1.000 Einwoh- Wettbewerb noch mithalten zu können. Beispiels- nern. Hiervon werden 601 Mitgliedsgemeinden von weise bei der Entwicklung von Wirtschaftsgebieten insgesamt 69 Verwaltungsgemeinschaften verwal- und bei der Investorensuche sind einfach starke tet, 98 Gemeinden haben eine erfüllende Gemein- Verwaltungen notwendig. VGs werden umlagefi- de. Das heißt, in 699 Gemeinden von 843 leben ge- nanziert, das heißt, es ist schwierig, dort überhaupt rade mal 25 Prozent der Bevölkerung Thüringens. Personal im quantitativen und qualitativen Umfang Im Vergleich zu den anderen Flächenländern nimmt bereitzustellen. Thüringen hier in Bezug auf die durchschnittliche (Beifall SPD) Einwohnerzahl je Gemeinde einen der letzten Plät- ze ein. Es ist absehbar, dass gerade diese kleinen Das Engagement der Verwaltungsgemeinschaften Gemeinden ihre Herausforderungen der Zukunft und erfüllenden Gemeinden will ich hier in keiner nicht mehr stemmen können, weil sich ganz einfach Weise in den Hintergrund stellen. Dort wird eine die Rahmenbedingungen geändert haben. Wahnsinnsarbeit gemacht, weil dort ganz einfach ein enorm hohes Verwaltungsaufkommen vorliegt. Ich möchte nur auf ein paar Punkte eingehen, der Eine einzelne Kommune mit 6.000 Einwohnern Innenminister hat das Gesetz hinlänglich erläutert. schreibt einen Haushaltsplan; eine gleich starke Was sind die Rahmenbedingungen? Da haben wir Verwaltungsgemeinschaft mit nur zehn oder elf Mit- als Erstes die Einwohnerzahlen. Die Einwohnerzah- gliedsgemeinden schreibt zwölf Pläne. Der Verwal- len ändern sich drastisch. Trotz leicht steigender tungsaufwand ist enorm und die Verwaltungen in Geburten und Zuwanderung ist die Bevölkerungs- den Verwaltungsgemeinschaften kommen ganz entwicklung in Thüringen stetig rückläufig. Das sind einfach an ihre Grenzen. die Zahlen. Aber auch die Altersstruktur ändert sich drastisch. Der Anteil der Bevölkerung, der nicht Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 110. Sitzung - 22.02.2018 9409

(Abg. Scheerschmidt) Wir begrüßen, dass es jetzt endlich zu diesem Ge- (Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE setzentwurf kommt, denn es ist alternativlos. Wir GRÜNEN) müssen den Gemeinden, die erkannt haben, dass sie sich umstrukturieren müssen, dass sie andere Präsident Carius: Wege gehen müssen, schnellstens Rechtssicher- heit geben. Ich finde es unredlich und ich finde es Danke schön. Als Nächste hat Abgeordnete Holbe unfair gerade diesen kleinen Gemeindeparlamen- für die CDU-Fraktion das Wort. ten gegenüber, denn es sind überwiegend kleine Gemeinden. Die Gemeinderäte dort müssen eine Abgeordnete Holbe, CDU: Entscheidung für ihre Gemeinde treffen und es ist Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und unredlich, wenn man in der Presse täglich von Herren Kollegen, werte Gäste auf der Tribüne, ins- Abenteuerlichkeit und Wildwestmanier liest. Das besondere die Bürgermeister, die heute hergekom- hilft nicht, dort eine objektive Entscheidung zu tref- men sind, begrüße ich recht herzlich, aber auch fen. die, die uns heute am Livestream verfolgen! (Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE Gut gedacht und gut gemacht sieht anders aus. Die GRÜNEN) altbewährte Devise ist wie so oft nicht die Richt- Man muss den Gemeinden die größtmöglichen In- schnur für die Handlungsweise der rot-rot-grünen formationen geben, wo die Entwicklung hingeht; es Regierung. Sie merken es nicht nur bei der verfehl- sind Tatsachen, die Bevölkerungsentwicklung und ten Bildungspolitik in unserem Land, sondern auch auch die Personalentwicklung. Das muss man den beim Thema „Gebietsreform“. Nun ist dieses The- kleinen Gemeinden sagen. Und dann muss man sie ma „Gebietsreform“ wahrlich kein einfaches. frei entscheiden lassen, nicht irgendetwas einsug- (Zwischenruf Abg. Dittes, DIE LINKE: Sie gerieren. Sie müssen unabhängig und objektiv für vergaßen noch Innen-, Umwelt- und Landes- ihre Gemeinde die beste Lösung finden. Und wer politik!) nicht möchte – es ist freiwillig –, der soll in seiner Gemeindestruktur bleiben. Aber ich finde es unred- Umso mehr Sorgfalt und vor allem umso mehr lich, jeden Tag Ängste und irgendwelche Dinge zu Weitsicht sind vonnöten. suggerieren und (Beifall CDU) (Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE Der Innenminister hat es klar benannt. Meine Frak- GRÜNEN) tion, die CDU-Fraktion, hat in der Vergangenheit gerade diesen kleinen Gemeinderäten eine objekti- und auch jetzt immer freiwillige Zusammenschlüsse ve Entscheidung einfach nicht zu ermöglichen. gefördert, unterstützt und auch in der letzten Legis- laturperiode immerhin 298 Kommunen zusammen- Wir haben es gehört, auch der Gemeinde- und geschlossen, neu gegliedert und strukturiert. Städtebund hat in einer anderen Anhörung gesagt, er ist froh, dass dieses Gesetz jetzt endlich vorliegt. (Beifall CDU) Ich bin auch froh und beantrage namens meiner (Zwischenruf Abg. Kuschel, DIE LINKE: Mit Fraktion die Überweisung an den Innenausschuss, erheblichen Fehlentwicklungen!) damit wir dort die Dinge noch klären können, die noch zu klären sind, noch anhören können. Aber diese Neugliederungen sind immer auf der Grundlage der geltenden Rechtsvorschriften ge- Es werden auch noch zwei Fusionen hinzukom- schlossen worden. Das ist in diesem Fall die Thü- men. Ich bin froh und ich bin sicher: Auch mit dem ringer Kommunalordnung. Doch davon weicht Rot- zweiten Gesetz werden wir eine ganze Reihe von Rot-Grün ab. Ich werde im Späteren noch mal aus- Gemeinden noch mit auf den Weg nehmen können, führlich darauf eingehen, wenn es um Zusam- denn der Bedarf ist riesengroß. Ich bin froh, dass menschlüsse gerade in dem Fall geht, wenn Ver- viele Gemeinden erkannt haben, dass wir uns ganz waltungsgemeinschaften durch Austritte von Ge- einfach den Schwierigkeiten und den Tatsachen meinden betroffen sind. Nach dem Gerichtsurteil dieser Zeit stellen müssen. Seit 1990 ist eine ganze des Verfassungsgerichtshofs über das Vorschaltge- Menge Zeit vergangen und wir müssen ganz ein- setz zur Durchführung der Gebietsreform in Thürin- fach den Rahmenbedingungen ins Auge schauen gen vom 9. Juni 2017, das Schwerpunktprojekt der und das muss man ehrlich und fair nach außen rot-rot-grünen Regierung, wurde die Sache hier ge- transportieren und nicht angsteinflößend von ir- stoppt, wurden nun verstärkt Anstrengungen unter- gendwelchen Dingen reden, die da jetzt passieren. nommen, um diese Gebietsreform auf andere Wei- Im Endeffekt sind es die kleinen Gemeindeparla- se umzusetzen. mente, die entscheiden, und die sollen – ich sage es noch einmal – objektiv entscheiden. Deswegen (Zwischenruf Abg. Adams, BÜNDNIS 90/DIE wünsche ich mir größtmögliche Transparenz und GRÜNEN: Zum Beispiel freiwillig!) viele Gespräche. Danke schön. 9410 Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 110. Sitzung - 22.02.2018

(Abg. Holbe) Der Innenminister hat es auch klar benannt: Geld (Zwischenruf Abg. Kuschel, DIE LINKE: Zu und Freiwilligkeit. Das Zauberwort heißt Freiwillig- Recht!) keit, aber es ist nach allen Seiten offen, was sich Nach unserer Meinung gibt es 25 Anträge, 13 sind nach unserer Auffassung widerspricht, da hier gera- jetzt im Gesetzentwurf. Sie hatten gerade angedeu- de über die letzten Jahre und Jahrzehnte gewach- tet, es kommen noch zwei. Mal sehen, ob die dabei sene Strukturen leichtfertig zerstört werden. Natür- ist, die ich mir herausgesucht habe, denn wir haben lich muss es auch Geld geben. Das ist immer ein mit dem Gesetzentwurf auch Zuschriften des Ge- Anreiz. Die Neugliederungsprämie, die sogenannte meinde- und Städtebundes, von Mitgliedsgemein- Hochzeitsprämie, wurde nicht umsonst von den erhalten – darunter sehr ausführliche Be- 100 Euro auf 200 Euro pro Einwohner erhöht. schlussfassungen der Kommunen Verwaltungsge- Wir haben als Gesetzgeber das Gesamtbudget von meinschaft Gramme-Aue und Verwaltungsgemein- 155 Millionen Euro im Haushalt beschlossen. Es schaft An der Marke. Hier liegen alle Beschlüsse gibt aber einen Änderungsantrag, der uns gerade zur Fusion von den Gemeinden vor. Es ist auch die im Innenausschuss vorliegt, wonach noch einmal Stellungnahme des Landkreises, der Rechtsauf- eine Aufstockung um 62 Millionen Euro erfolgen sichtsbehörde, beigefügt. Auch diese ist positiv. soll, sodass letztendlich 217 Millionen Euro hier zur Nun wundere ich mich, dass man diesen Antrag Verfügung stehen. Aber es ist alles noch im Ge- nicht aufgenommen hat. Erst habe ich gedacht, es setzgebungsverfahren. Kommunen, die sich bis könnte sein, weil sie genau in der Mitte liegen, ein zum 31.03. freiwillig zusammenschließen, um diese ländlicher Bereich zwischen Sömmerda, Erfurt, Prämien zu nutzen, müssen sich natürlich freiwillig Weimar. Da wachsen natürlich die Begehrlichkeiten zusammenschließen. zu den Zentralen Orten. (Zwischenruf Abg. Kuschel, DIE LINKE: (Zwischenruf Abg. Kuschel, DIE LINKE: Gut Einen Antrag stellen!) erkannt! Sehr gut!) Sie brauchen schon eine gehörige Portion Gottver- Auf der anderen Seite habe ich gerade von Herrn trauen – vor allem wenn sie aus einer Verwaltungs- Adams gehört, dass man bei der Gemeinde Föritz- gemeinschaft austreten, tal, auch einem freiwilligen Zusammenschluss, nicht unbedingt auf das Oberzentrum Sonneberg (Beifall CDU) abgestellt hat. denn hier müssen diese Gemeinden auf ein Verfah- (Zwischenruf Abg. Kuschel, DIE LINKE: Kein ren vertrauen, das gerade im Gesetzgebungsver- Oberzentrum!) fahren ist, und sie müssen auf das Wort des eigens für die inzwischen gescheiterte Gebietsreform ein- Wie auch immer – ein Zentraler Ort, ich kenne mich gesetzten Staatssekretärs vertrauen. Selbst der nicht so gut in Südthüringen aus, das muss ich zu- Geschäftsführer des Gemeinde- und Städtebundes, geben. Es ist auch in Ordnung, wenn das so ent- Ralf Rusch, hat in der Anhörung zum Gesetz zur schieden wird, aber dann erwarte ich doch gleichen Weiterentwicklung der Gemeinden Konkretisierun- Maßstab auch im Bereich Sömmerda. Es bleibt ab- gen angemahnt. zuwarten, ob diese Fusion letztendlich auch den Landtag erreichen wird – ob in Nachbesserung (Beifall CDU) oder vielleicht sogar in der zweiten Tranche. Konkretisierungen sind im Hinblick auf die „Hoch- Aber eins ist auch ganz klar: Staatssekretär Höhn zeitsprämie“ da, aber sie fehlen in jedem Fall bei hat erst in seiner Beratung mit Bürgermeistern die- den Strukturbeihilfen und bei den Entschuldungshil- ser Gemeinden geäußert, dass hier alle rechtlichen fen. Hier hoffe ich, dass noch im Gesetz nachge- Voraussetzungen vorliegen. Dann erschließt es bessert wird, sonst bleibt alles offen. sich für unsere Fraktion nicht, wieso diese Antrag- Mit Datum vom 14.02. liegt uns nun der Gesetzent- stellung nicht dabei ist. wurf zur Neugliederung vor. Bei einigen Fusionen, (Beifall CDU) deren Anträge bereits Anfang des Jahres 2016 gestellt worden sind, bin ich schon verwundert, Es gibt Neugliederungen im Gesetzentwurf, die wir dass diese nicht 2017 bearbeitet wurden, sondern durchaus kritisch sehen. Ich will ein Beispiel he- uns erst heute vorliegen. rausgreifen, und zwar den Zusammenschluss der Stadt Leinefelde-Worbis und der Gemeinde Hun- (Zwischenruf Abg. Kuschel, DIE LINKE: Zu- deshagen. Hundeshagen ist Mitglied der VG Lin- erst sagen Sie, es geht zu schnell und dann denberg im Eichsfeld. Nach der derzeitigen Rechts- … Das ist doch wohl die Höhe!) lage – nachzulesen in § 46 Abs. 1 Satz 2 der Thü- Andererseits wundert es mich, dass eine Reihe von ringer Kommunalordnung – ist ein Austritt nur mit Anträgen in die derzeit vorliegende Fassung des doppelter Mehrheit der Mitgliedsgemeinden der Gesetzentwurfs erst gar nicht aufgenommen wor- Verwaltungsgemeinschaft möglich. Das heißt, die den ist. Mehrheit der Mitgliedsgemeinden, in der die Mehr- Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 110. Sitzung - 22.02.2018 9411

(Abg. Holbe) heit der Einwohner wohnt, muss entsprechend gaben, die nicht mehr zu erfüllen sind. Und, ich ha- übereinstimmende Beschlüsse gefasst haben. Die- be extra nachgesehen, es gibt keinen Beschluss ses Formerfordernis hat der Gesetzgeber wohl- der Gemeinschaftsversammlung mit der doppelten weislich nach einer sehr intensiven Diskussion ein- Mehrheit zu diesem Austritt. Nun hat die Rechtsauf- geführt, um zum einen die Verwaltungsgemein- sichtsbehörde des Eichsfeldkreises die Rechtmä- schaften in ihrem Bestand zu schützen ßigkeit der Beschlüsse zur Eingliederung bestätigt. Wie kann das gehen? Vorauseilender Gehorsam? (Beifall CDU) Es gilt ja immer noch der § 46 Abs. 1 Satz 2. Set- und zum anderen der Gemeinde einen Austritt un- zen die Rechtsaufsichten diesen schon außer ter bestimmten Voraussetzungen auch zu ermögli- Kraft? Ja, im Grunde können einem die Mitarbeiter chen. Diese Regelung wiederum soll leichtfertiges der Kommunalaufsicht schon irgendwo leid tun. Ja, Wechseln von Gemeinden von einer zur anderen sie befinden sich echt in einem Dilemma. Aber Gebietsstruktur verhindern. auch das spielt für Rot-Rot-Grün keine Rolle. (Beifall CDU) (Beifall CDU) Immerhin sind die Verwaltungsgemeinschaften (Zwischenruf Abg. Kuschel, DIE LINKE: Sie rechtliche Institute, die sich seit einem Vierteljahr- klingen sehr verzweifelt!) hundert in unserem Land überwiegend bewährt ha- Der Geschäftsführer des Gemeinde- und Städte- ben. bundes hatte im Rahmen der letzten Anhörung, Ge- (Zwischenruf Abg. Adams, BÜNDNIS 90/DIE setz zur Weiterentwicklung der Gemeinden, in un- GRÜNEN: Die einen sagen so, die anderen serem Innen- und Kommunalausschuss einen sehr sagen so!) schönen Vergleich gebracht und ich möchte Ihnen den nicht vorenthalten. Er drückt das so richtig aus Die Landesregierung sieht dies aber anders und sie und man kann es sich auch vorstellen. Man fährt legt nicht einmal wert – das wurde uns im Innen- auf einer Straße, die eine Geschwindigkeitsbegren- und Kommunalausschuss bestätigt – auf das Vo- zung von 30 Kilometer pro Stunde hat. Nun hat der tum der Mitglieder bei diesen Entscheidungen; die Stadtrat entschieden, diese Begrenzung in den Beschlüsse sind nicht zwingend notwendig. Wir nächsten Monaten aufzuheben, und sind der Meinung, dass hier Tür und Tor für Wild- wuchs im kommunalen Bereich geöffnet werden. (Zwischenruf Abg. Kuschel, DIE LINKE: Darf der Stadtrat gar nicht! Übertragener Wir- (Beifall CDU, AfD) kungskreis, keine Zuständigkeit!) Wie kann man den Austritt von einigen Gemeinden/ man wird dort auf 50 Kilometer pro Stunde letztend- einer Gemeinde gestatten und sich nicht um das lich anheben und dort ein Schild aufstellen. Restgebilde kümmern?! (Zwischenruf Abg. Mohring, CDU: Hör zu!) (Beifall CDU) Meinen Sie, das wird die Ordnungsbehörde oder (Zwischenruf Abg. Kalich, DIE LINKE: Das die Bußgeldstelle beeindrucken, wenn der Fahrer sind Erkenntnisprozesse!) zu schnell fährt, er hält die 50 ein? Also die Strafen Sinngemäße Aussage des Innenministers: Dann werden auf dem Fuße folgen, weil die rechtliche wird eine geeignete Kommune zur Erfüllenden Ge- Grundlage eindeutig ist, und genauso verhält es meinde der Rest-VG. Im Fall Hundeshagen ist es sich hier mit der doppelten Mehrheit bei den Austrit- hier noch nicht so dramatisch, weil der Fortbestand ten. der VG nicht gefährdet ist (Beifall CDU) (Zwischenruf Abg. Kuschel, DIE LINKE: Nun sagen Sie, es kommt ja alles irgendwie zusam- Eben! Warum machen Sie dann hier so ein men. Das eine Gesetz – Weiterentwicklung der Ge- Drama?) meinden – werden wir hier sicherlich im April oder – ich weiß das schon –, dennoch wird die Verwal- Mai beschließen, das vorliegende Gesetz nach An- tungsgemeinschaft erheblich geschwächt. Wenn ei- hörung sicherlich im Juni; alles kommt zusammen. ne Kommune mit 1.155 Einwohnern aus einer Ver- Aber es stellt sich hier eine entscheidende Frage: waltungsgemeinschaft austritt, dann bleibt das doch Kann durch die beabsichtigte Änderung des § 46 nicht folgenlos. Abs. 1 Satz 2 Thüringer Kommunalordnung ein vor diesem Zeitpunkt gefasster Beschluss, welcher (Beifall CDU) nicht den bis dato geltenden Voraussetzungen der Zwangsläufig wird diese Verwaltungsgemeinschaft Vorschrift entspricht, geheilt werden? Wir werden geschwächt. Für die verbleibenden Gemeinden er- das in jedem Fall im Auge behalten, haben dazu höhen sich die Umlagen der Verwaltung und das auch schon, um das zu erörtern, einen Antrag an wiederum reduziert die Spielräume im kommunalen die Landtagsverwaltung gestellt. Es gibt also jede Bereich. Meistens sind es dann die freiwilligen Auf- Menge Fragen, die noch in diesem Gesetzentwurf 9412 Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 110. Sitzung - 22.02.2018

(Abg. Holbe) stecken. Für uns ist es wichtig, dass man jetzt nicht ben nur eines: Das ist ein Entscheidungsproblem anfängt, die Rosinen aus den Verwaltungsgemein- und das gehen wir als Rot-Rot-Grün heute an. Wer schaften herauszupicken, und am Ende einen hätte das noch vor einigen Monaten gedacht? Da- Flickenteppich im Rahmen dieser Freiwilligkeits- mals dachten viele, insbesondere die Kritiker, dass phase übrig lässt – das darf nicht sein. Dazu ist mir hier gar nichts mehr stattfindet. – genau wie meinen Kollegen von der CDU-Frak- Wie notwendig das gerade in Bezug auf die Verwal- tion – die Entwicklung im kommunalen Bereich in tungsgemeinschaften ist, will ich an zwei Meldun- Thüringen einfach zu wichtig. gen von heute deutlich machen. Der Bürgermeister (Beifall CDU) von Neustadt sagt, er würde gern einen Antrag auf Bedarfszuweisung stellen, aber die einzige Mitar- Ich beantrage im Namen meiner Fraktion die Wei- beiterin in der Kämmerei der VG Langer Berg ist terbehandlung und Überweisung an den Innen- und seit Wochen krank. Deshalb kann kein Antrag Kommunalausschuss. Danke schön. gestellt werden – alle Achtung. (Beifall CDU) Die Gemeinschaftsversammlung – auch eine Verwaltungsgemeinschaft im Ilm-Kreis Präsident Carius: – hat gestern die Anhebung der Kindertagesstätten- Vielen Dank, Frau Abgeordnete Holbe. Als Nächs- gebühren um 20 Prozent beschlossen; dort haben ter hat Abgeordneter Kuschel für die Fraktion Die die Mitgliedsgemeinden über eine Zweckvereinba- Linke das Wort. rung die Kindertagesstätten an die VG übertragen. Gleichzeitig hat in der gleichen Versammlung die Mehrzahl der Bürgermeister gesagt, ihre VG ist fi- Abgeordneter Kuschel, DIE LINKE: nanziell gut aufgestellt. Das stimmt, aber den Preis Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und bezahlen die Bürgerinnen und Bürger und in dem Herren, sehr geehrte Bürgermeister! Herrn Rusch Fall sogar die Eltern – und das muss abgewogen hatte ich auch gesehen, er ist zumindest im Haus – werden. Das heißt, so eine Reform hat immer also herzlich willkommen, Sie wurden ja schon von Chancen und Risiken. Wir reden gar nicht die Risi- den Vorrednern begrüßt. Es ist heute ein guter Tag ken weg, aber wir müssen uns als Gesetzgeber da- für Thüringen, für die Kommunen, für die Bürgerin- mit auseinandersetzen, wie wir Chancen und Risi- nen und Bürger und die Wirtschaft, weil die Ge- ken abwägen. bietsreform eine weitere Etappe in Angriff nimmt. Der Vorwurf heute an die beteiligten Kommunen, Insofern werden all die, die immer laut schreien die jetzt im Gesetz stehen, sie hätten sich von uns „Die Reform ist gescheitert“, heute wieder eines kaufen lassen, ist ungeheuerlich. So billig lassen Besseren belehrt, meine sehr geehrten Damen und sich Kommunen nicht einkaufen, dass sie für Herren. 200 Euro pro Einwohner sozusagen an die Struk- (Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE turveränderung gehen. GRÜNEN) (Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE (Zwischenruf Abg. Malsch, CDU: Da müssen GRÜNEN) Sie schon selbst lachen!) Da gibt es andere Ursachen: weil die Kommunen Die Reform ist gut und richtig – das hat der Innen- erkannt haben, dass insbesondere mit Blick auf die minister hier noch mal eindrucksvoll dargelegt. Leistungsfähigkeit der Verwaltung gehandelt wer- Wenn wir den Zeitplan betrachten, haben wir sechs den muss. Das ist die eigentliche Ursache und das Monate Verzögerung zu den ursprünglichen Plä- ist die Herausforderung. Darauf werde ich noch mal nen. Aber es sind auch nur sechs Monate – gemes- eingehen, wenn ich auf die Verwaltungsgemein- sen an den Widerständen, die insbesondere von schaften abstelle. der CDU organisiert wurden, ist das immer noch ein Zum Vorwurf, Rot-Rot-Grün hätte vorliegende An- erstaunliches Ergebnis. Ich habe Verständnis, dass träge schneller bearbeiten können: Wenn wir ge- die betroffenen Kommunen bedauern, dass es die- nauso herangegangen wären wie die CDU – näm- se sechsmonatige Verzögerung gibt, aber es ist lich Augen zu und durch, wir machen jede Gemein- auch nicht so, dass damit der Zeitplan der Reform deneugliederung, unabhängig davon, welche raum- völlig aus dem Ruder gelaufen ist. Von daher neh- ordnerischen und landesplanerischen Verwerfun- men wir heute die nächste Hürde. gen entstehen –, dann wäre es schneller gegan- Heute wurden wieder Argumente ausgetauscht, ob gen. Mit dem müssen wir uns jetzt auseinanderset- die Reform erforderlich ist oder nicht. Das zeigt, zen. Deswegen haben wir gesagt: Wir brauchen zu- dass wir bei der Debatte in den letzten Jahren kei- erst ein Leitbild – das ist im Dezember 2015 durch ne neuen Erkenntnisse gewonnen haben, was die die Landesregierung bestätigt worden – und gehen Notwendigkeit der Reform betrifft. Seit 2004/2005 Schritt für Schritt vorwärts. Die gleiche Fraktion ist der Reformbedarf mehr als überdeutlich. Wir ha- sagt: Jetzt sind wir wieder zu schnell, denn wir Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 110. Sitzung - 22.02.2018 9413

(Abg. Kuschel) müssten erst die Kommunalordnung ändern und Meine Damen und Herren, es wurde gesagt, es dürften kein paralleles Verfahren machen. Ja, was sind zu wenige Fälle, zu wenig Resonanz. 60 Ge- wollen Sie denn? Ich weiß, was Sie wollen. Sie wol- meinden ist schon mal ein Aufschlag. Ich habe hier len dieses Land in eine Winterstarre versetzen, kei- schon mal bei einer Debatte zum Vorschaltgesetz nerlei Veränderungen und damit die Zukunftschan- eine Prognose getroffen und gesagt: Wenn wir es cen dieses Landes riskieren. Das ist unverantwort- geschickt anstellen, die Kommunen die Abwägung lich. Das können die hier drüben machen, aber Sie machen, die Chancen eher im Mittelpunkt der Aus- sind doch konstruktive Opposition, sehr geehrte einandersetzung sehen und nicht zu sehr in den Ri- CDU, siken, werden wir bis zu 70 Prozent der kreisange- hörigen Gemeinden neu gliedern können. Ich bleibe (Beifall DIE LINKE) bei dieser Prognose, dass wir da nahe herankom- und müssten deshalb anders herangehen. Es gibt men. Die Aktivitäten über das ganze Land hinweg ja Ansätze. Das heißt, schneller wäre es nur mög- zeugen davon, das ist vernünftig. Und dann werden lich gewesen, wenn wir tatsächlich wie die CDU al- wir ein Problem bekommen, was die Landkreise be- les einfach durchgewunken hätten. trifft. Im Ilm-Kreis wird die Debatte geführt. Wenn alle Reformen umgesetzt werden, haben wir noch (Zwischenruf Abg. Holbe, CDU: Das hat nie- sechs Gemeinden und davon zwei große Städte, mand behauptet!) die 80 Prozent der Bevölkerung des Landkreises Im Übrigen, sagen Sie mal, bei Gehren und Penne- stellen, und damit eine hohe Abhängigkeit des witz: Wie sollten wir das denn ohne Lösung für die Landkreises von zwei Kommunen. Ich weiß nicht, Verwaltungsgemeinschaft, die Sie einfordern, lö- welchen Sinn das dann noch macht und ob da nicht sen? Dort hat die Verwaltungsgemeinschaft übri- neue Konflikte entstehen. Ich glaube, wir bekom- gens die Auflösung beschlossen, das ist klar. Aber men im Ergebnis der Gebietsreform auf gemeindli- wir konnten das gar nicht eher lösen, bis wir eine cher Ebene auch wieder eine Debatte, welche ver- Lösung für Herschdorf und Neustadt gefunden hat- nünftige Struktur auf Landkreisebene wir brauchen. ten. Das ist so. Das heißt, Sie machen Druck an ei- Meine Damen und Herren, die CDU setzt auf Frei- ner Stelle und nehmen wieder Verwerfungen billi- willigkeit. Das machen wir auch. Aber die CDU gend in Kauf. Das kann doch aber nicht die Lösung muss hier mal einen Widerspruch erklären. Sie sein. Wir wollen tatsächlich dieses Land so aufstel- sagt: Strukturen, die im Ergebnis der Freiwilligkeit len, dass die Strukturen dann auch 20 Jahre Be- entstehen, funktionieren super. Wieso sollen dann stand haben. Das ist bei Ihnen nicht der Fall. nicht die gleichen Strukturen, die möglicherweise Im Übrigen darf ich Sie daran erinnern: Sie waren durch den Gesetzgeber auch mal gegen den Willen es, die 2011 im Dezember im Rahmen eines Ent- eines Beteiligten entstehen, diese Leistungsfähig- schließungsantrags hier im Landtag gemeinsam mit keit nicht aufweisen? dem damaligen Koalitionspartner zu Recht ein Eck- (Zwischenruf Abg. Bühl, CDU: Weil die Men- punktepapier für künftige Reformen beschlossen schen vor Ort da nicht mitmachen!) haben. Darin steht: Verwaltungsgemeinschaften sind ein Auslaufmodell. Der politische Irrtum ist mir Den Widerspruch konnte mir bisher keiner erklären. ja nicht fremd. Aber bei Ihnen geht es im Sekun- Die gesetzlichen Grundlagen sind die gleichen, die dentakt, dass Sie Ihre Meinung ändern. 2014 hat Strukturen sind die gleichen, es funktioniert natür- die damalige amtierende Ministerpräsidentin Chris- lich genauso, meine Damen und Herren. tine Lieberknecht der SPD ein Angebot gemacht (Zwischenruf Abg. Bühl, CDU: Sie missach- und gesagt: Wenn sie die Koalition fortsetzt, wird ten den Willen der Menschen!) innerhalb von wenigen Wochen und Monaten dem Landtag ein Gesetzentwurf zur Abschaffung der Sie wollen – wie gesagt – nur eine andere Debatte Verwaltungsgemeinschaften zugeleitet. Eine ver- führen. Was die Gemeindestruktur betrifft, hat die nünftige Sache. Vertreterin der SPD hier schon die Struktur aufge- zeigt. Ich will Ihnen hier die Struktur am anderen (Zwischenruf Abg. Mohring, CDU: Hat sie Ende noch hinzufügen. Wir haben nur noch 68 Ge- nicht gesagt! Sie sagen nicht die Wahrheit!) meinden mit mehr als 5.000 Einwohnern – nur noch Von daher müssen Sie heute hier erläutern, warum 68! Von daher zeigen schon diese Zahlen, wo der Erkenntnisse, die Sie vor kurzer Zeit hatten, jetzt Reformbedarf ist. nicht mehr stimmen, außer Sie sagen, es geht aus- Wir können zur Kenntnis nehmen – und das hätte schließlich gegen Rot-Rot-Grün. Da ist Ihnen jedes auch keiner erwartet –, dass die Wirtschaft, der Mittel recht, auch das Mittel, dass auf der kommu- Landesrechnungshof, die Gewerkschaften die Re- nalen Ebene weiterhin Strukturen bestehen, die form fordern und an der Seite der Landesregierung eben nicht durchgängig Leistungsfähigkeit erzeu- stehen. Von daher geht es dort um Detailfragen. gen. Aber im Grunde genommen wird dort die Notwen- digkeit der Reform überhaupt nicht mehr angezwei- 9414 Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 110. Sitzung - 22.02.2018

(Abg. Kuschel) felt. Es gibt nur einen tatsächlichen Zweifler im de- die VG. Das heißt, es muss eine ständige Ausei- mokratischen Spektrum – und das ist die CDU. nandersetzung zwischen Bürgermeistern und VG- Vorsitzendem stattfinden. Dort, wo die Leute sich (Zwischenruf Abg. Mohring, CDU: Und das einigermaßen verstehen, geht das. Aber wir haben Volk!) viele Beispiele, wo es nicht funktioniert, wo sich die Meine Damen und Herren, zur Verwaltungsgemein- VG-Vorsitzenden als Aufsicht über den Bürgermeis- schaft. Wir haben uns lange in der Abwägung damit ter und nicht als Dienstleister verstehen. beschäftigt: Kann man die Verwaltungsgemein- (Zwischenruf Abg. Bühl, CDU: Sie haben schaft weiterentwickeln? Die Konstruktionsfehler, sich als VG-Vorsitzender beworben, Sie woll- die dort offensichtlich sind – und da teile ich auch ten doch auch VG-Vorsitzender sein!) die Hinweise der Vorredner: das ist überhaupt kein Vorwurf an die dort Aktiven, sondern das sind struk- Es stehen dort Transaktionskosten an – ich habe turelle Probleme, die wir als Gesetzgeber zu ver- das mal durch zwei Studenten der Fachhochschule antworten haben –, damit haben wir uns beschäf- Nordhausen ermitteln lassen –: 17 Prozent der all- tigt. Die Verbandsgemeinde wäre ein solches Ins- gemeinen Verwaltungskosten einer Verwaltungsge- trument gewesen. Aber auch dort wurden mehr Be- meinschaft entfallen nur auf diesen Kommunikati- denken geäußert, als die Chancen gesehen. Des- onsprozess zwischen den Bürgermeistern und der halb haben wir uns entschlossen, das nicht weiter VG, weil es dauernd Konflikte gibt, unterschiedliche zu verfolgen. Auffassungen, wie ist ein Beschluss auszulegen, wie ist er zu vollziehen. Das habe ich natürlich bei Ich will Ihnen mal die Probleme der Verwaltungsge- einer Einheits- und Landgemeinde nicht, weil dort meinschaften stichpunktartig benennen, auch für der Bürgermeister, der für den Vollzug der Be- die Öffentlichkeit, da kann das nachvollzogen wer- schlüsse zuständig ist, gleichzeitig der Behördenlei- den, dass das eben nicht reformierbar ist – nicht in ter ist. Das muss doch selbst für Sie einsehbar jedem Fall, einiges geht schon. Da ist die Rolle des sein. VG-Vorsitzenden. Unstrittig, wir durchbrechen dort das Gewaltenteilungsgebot unserer Demokratie, 13 Satzungen hat im Durchschnitt jede Gemeinde. weil der VG-Vorsitzende sowohl politisch agieren Die müssen gepflegt und fortgeschrieben werden, kann als auch alle Instrumente des Vollzugs in der manche jährlich – wie die Haushaltssatzung, die Hand hat und sogar Stimmen in der VG-Versamm- muss sogar bewirtschaftet werden –, manche na- lung. Er ist nicht einmal direkt gewählt, sondern nur türlich nur in größeren Abständen. Das bindet Ver- indirekt. Also die Rolle des VG-Vorsitzenden hätte waltungsressourcen, die nicht für andere Dinge zur man heilen können. Da hätte man einen Laufbahn- Verfügung stehen. Auch klar! beamten damit betraut oder so, das hätte man ge- Und das Letzte: Die Finanzkraft wird zersplittert, gebenenfalls heilen können. weil jede Gemeinde ihren eigenen Haushalt hat. Wir haben die Finanzierung über eine steuerkraft- Das sehen wir jetzt zum Beispiel bei der neuen In- unabhängige Umlage. Das führt dazu, dass die fi- vestitionspauschale – 11,51 Euro pro Einwohner, nanziellen Situationen der Kommunen innerhalb ei- das heißt, in zwei Dritteln der Gemeinden kommt ner VG weiter auseinandergehen. Anstatt das zu weniger als 10.000 Euro an. Mir tut das immer leid. harmonisieren, geht es weiter auseinander, weil die Wenn das größere Strukturen wären, könnten die Leistungsstärkeren einen viel geringeren Beitrag Mittel konzentriert werden. Wir haben doch die Bei- aus dem Steueraufkommen an die VG abtreten spiele, dass Einheitsgemeinden schon 1994 ent- müssen als die Finanzschwachen. Ich habe das im- standen sind: Ilmtal – um Stadtilm haben sich da- mer an dem Beispiel der VG Großbreitenbach deut- mals 21 Gemeinden zusammengetan, die gehen lich gemacht – die Zahlen stimmen jetzt nicht mehr jetzt nach Stadtilm. Gehen Sie durch die Dörfer und ganz exakt, weil sie aus dem Jahr 2014 sind. Die die erzählen: Jawohl, wir haben die Mittel konzen- Stadt Großbreitenbach mit einer Steuerkraft von triert. Einen Ortsteil nach dem anderen konnten wir 2.000 Euro pro Einwohner – VG-Umlage 120 Euro machen, weil wir Finanzkraft bündeln konnten. Und – bezahlt also 6 Prozent ihres Steueraufkommens das wollen wir künftig allen gewähren. als VG-Umlage. Bei der Gemeinde Böhlen mit Meine sehr geehrten Damen und Herren, jetzt noch 72 Euro pro Einwohner hat das Steueraufkommen mal zur Auseinandersetzung zu § 46 Abs. 1 Satz 2 nicht einmal gereicht, um die VG-Umlage zu bezah- ThürKO. Für die Öffentlichkeit will ich es mal vorle- len. Das kann doch nicht gerecht sein. Diese sen. Rechtsnormen können interpretiert werden, Gleichmacherei wurde übrigens immer den Linken aber diese eigentlich nicht, denn sie formuliert so vorgeworfen. Aber wir haben es erkannt und haben klar, dass die Befürchtungen, die Sie äußern, ins gesagt: Das geht nicht! Leere laufen. Dort steht nämlich drin: „Verwaltungs- Das Nächste: Wir haben den Bürgermeister, der gemeinschaften können durch Gesetz gebildet, ge- verantwortlich ist für Beschlussvorbereitungen und ändert, erweitert und aufgelöst werden, sofern den Vollzug der Beschlüsse. Der hat aber gar kei- Gründe des öffentlichen Wohls nicht entgegenste- nen Zugriff auf die Vollzugspotenziale, die hat nur hen.“ Das heißt, die Kompetenz für VG-Änderun- Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 110. Sitzung - 22.02.2018 9415

(Abg. Kuschel) gen, -Auflösungen usw. liegt bei uns und es gibt kann das nicht beeinflussen, ich bin nicht einen Maßstab: „öffentliches Wohl“. Jetzt kommt Dienstherr dieses Menschen. 2012 gab es dort ein der Satz 2, auf den Sie sich immer beziehen: „Von Bürgerbegehren, neue Strukturen zu schaffen. Die den beteiligten Gemeinden kann ein entsprechen- gleichen Leute, die jetzt die große VG bilden wol- der Antrag an das […] zuständige Ministerium len, haben damals das Bürgerbegehren ins Leere gestellt werden.“ Das hebt aber nicht die Regelung laufen lassen – der Präsident war als Kommunalpo- des Satzes 1 auf. Das heißt, es ist nur eine Ergän- litiker und Landtagsabgeordneter mit beteiligt. Da zung. Gemeinden können das Verfahren auf den fragen sich die Leute vor Ort: Was ist denn da los? Weg bringen, aber wir sind immer frei, die Struktu- Es ist klar: Das ist jetzt eine reine Abwehrfusion ge- ren von Verwaltungsgemeinschaften zu verändern, gen die Pläne von Rot-Rot-Grün und nichts ande- wenn wir der Überzeugung sind, dass das im Inte- res. Das erzeugt keine Leistungsfähigkeit vor Ort resse des öffentlichen Wohls notwendig ist, nichts und überhaupt nichts. Deshalb hat die Landesregie- weiter. rung zu Recht diesen Antrag nicht berücksichtigt. (Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Präsident Carius: Ich weiß nicht, woher Sie derartige Fehlinterpreta- Gestatten Sie eine Anfrage der Abgeordneten Hol- tionen nehmen und damit Leute verunsichern, weil be? natürlich die ehrenamtlichen Bürgermeister und Ge- meinderäte nicht die Möglichkeiten haben wie wir, Abgeordneter Kuschel, DIE LINKE: das rechtlich interpretieren und prüfen zu lassen. Selbstverständlich. Um es noch mal zusammenzufassen: Die Gemein- den können Anträge stellen und natürlich werden im Gesetzgebungsverfahren auch die Verwaltungs- Präsident Carius: gemeinschaften angehört. Aber das, was Sie kon- Bitte. struieren, dass angeblich dort ein Vetorecht besteht, ist jetzt schon nicht gegeben. Und nur zur Abgeordnete Holbe, CDU: Klarstellung nehmen wir es aus dem Gesetz heraus, weil Sie es immer fehlinterpretieren und da- Herr Kuschel, Sie haben doch gerade lang und mit Leute verunsichern. Sie tun damit diesem Land breit ausgeführt, welche Synergieeffekte entstehen, tatsächlich nicht mal ansatzweise einen Gefallen. wenn sich Verwaltungen zusammenschließen, dass Personal qualifizierter eingesetzt werden kann. Oft Dann wurde gesagt, wir machen Wildwuchs und sind es ja bei Ihnen auch Verwaltungsgemeinschaf- lassen irgendwie weiße Flecken zurück. Zeigen Sie ten, die einfach nur eine Einheitsgemeinde werden. das im Gesetz, zeigen Sie im Gesetz, wo wir ir- Da sehe ich diese Effekte nicht – gleiches Kon- gendwo einen weißen Fleck zurücklassen! Nir- strukt, gleiches Personal. gends lassen wir das zurück. (Zwischenruf Abg. Harzer, DIE LINKE: Nein! (Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- Das ist ein deutlicher Unterschied!) NEN) Hier in diesem Fall will ich ausdrücklich noch mal Ich komme zu den zwei Beispielen, die Sie hier be- nachfragen: In welcher Vorschrift steht denn ge- nannt haben, wo Sie gefragt haben, warum wir das schrieben, dass ein Zusammenschluss dieser bei- jetzt nicht aufnehmen: Gramme-Aue und An der den VGs nicht möglich ist? Welche Gesetzlichkeit Marke, zwei Verwaltungsgemeinschaften, die für legen Sie zugrunde? sich genommen nicht einen Punkt des Eckpunkte- papiers – und dort hat der Landtag sich mit demo- kratischer Mehrheit positioniert – erfüllen. Kein Zen- Abgeordneter Kuschel, DIE LINKE: traler Ort, beide sind, wenn sie sich zusammentun § 46 Abs. 1 Satz 1 ThürKO. Die machen Gebrauch – die Einwohnerzahl spielt bei VG keine Rolle, das von Satz 2 – sie können einen Antrag stellen –, da haben Sie 2007 oder 2008 rausgenommen, Sie wa- steht aber nicht, dass sie einen Anspruch auf Um- ren das –, und beide Verwaltungsgemeinschaften setzung des Antrags haben, sondern in Satz 1 liegen im Einzugsbereichs des Oberzentrums Erfurt steht: Durch Gesetz wird eine Verwaltungsgemein- und des Mittelzentrums Sömmerda. Es liegt also schaft neu strukturiert und da ist das Kriterium des keine Voraussetzung vor und trotzdem wird das ge- öffentlichen Interesses. Der Landtag hat in einer macht. Ich bedaure es, dass ein oberster Landes- demokratischen Entscheidung das öffentliche Inte- bediensteter, nämlich der Präsident des Landes- resse im Eckpunktepapier zum Leitbild unter Be- amts für Vermessung und Geoinformation, der rücksichtigung des Urteils des Verfassungsgerichts ehrenamtlicher Bürgermeister in Schloßvippach ist, im Dezember 2017 bestätigt. Das müssen Sie ak- Gemeinden dort in eine falsche Richtung schickt. zeptieren. Das müssen Sie akzeptieren, dass der Das kann nicht funktionieren. Ich erwarte von ei- Landtag sich politisch dazu geäußert hat, was öf- nem Landesbediensteten mehr Verantwortung. Ich fentliches Interesse ist. Und die beiden Verwal- 9416 Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 110. Sitzung - 22.02.2018

(Abg. Kuschel) tungsgemeinschaften erfüllen das nicht. Was dort hat, dass das, was Sie vorgelegt haben, verfas- los ist: Die haben jetzt zum dritten Mal die Stelle ei- sungswidrig ist. nes Mitarbeiters in der Bauverwaltung ausgeschrie- (Beifall CDU) ben, die Verwaltungsgemeinschaft An der Marke. Herr Präsident kennt den VG-Vorsitzenden, der (Unruhe DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE gleichzeitig CDU-Vorsitzender der Kreistagsfraktion GRÜNEN) ist. Das wurde also zum dritten Mal ausgeschrieben Das, was Sie vorgelegt haben, ist verfassungswid- – das ist eine E5-Stelle. Ich habe gestaunt, was die rig. da von denen verlangen, das würde ich keinem Be- schäftigten oder Beamten in der E12 oder A12 zu- (Zwischenruf Abg. Dittes, DIE LINKE: Nein!) trauen. Der soll Bauleitplanung machen, der soll die Es fällt Ihnen schwer, das zu verstehen, aber das Stellungnahme der Gemeinden bei Bauvorhaben – war klare Rechtsprechung des Thüringer Verfas- Bauordnungsbehörde ist der Landkreis – usw. sungsgerichtshofs. durchsetzen, Straßenausbaubeiträge soll der ma- chen. Die finden keinen! (Zwischenruf Abg. Harzer, DIE LINKE: Eine Lüge!) Präsident Carius: (Zwischenruf Abg. Dittes, DIE LINKE: Ein Herr Kuschel, können wir uns vielleicht über die Lügner!) Leistungsfähigkeit der VG am Rande des Plenums (Unruhe DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE noch mal besprechen? Allerdings ist Ihre Redezeit GRÜNEN) jetzt um. Die Redezeit ist ausgeschöpft. Was Sie zur Gebietsreform vorgelegt haben, war Abgeordneter Kuschel, DIE LINKE: verfassungswidrig. Schade! Danke. Was war das Ziel Ihrer Gebietsreform? Was war das Ziel? Die Hälfte der Landkreise abzuschaffen, (Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE mehrere Hundert Gemeinden ihrer Selbstständig- GRÜNEN) keit zu berauben und die Existenz der Verwaltungs- gemeinschaften zu beenden – das war Ihr Ziel. Da- Präsident Carius: mit sind Sie als Gesetzgeber und linke Mehrheits- fraktion hier im Landtag gescheitert. Ich habe eine weitere Wortmeldung, Abgeordneter Mohring möchte sprechen. (Beifall CDU) Auf dem Weg dahin haben Sie mehrere Hürden Abgeordneter Mohring, CDU: aufgebaut, wie Sie sich Thüringen vorstellen, was Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und die Landkreisgrößen betrifft, was die Gemeindegrö- Herren, ich wollte noch einmal nach vorne gehen, ßen betrifft und was auch das existenzielle Ende weil die Einordnung zum Stand zur Gebietsreform der Verwaltungsgemeinschaften betrifft. All diese in Thüringen, so wie sie jetzt der Abgeordnete Ku- Maßstäbe, die Sie aufgestellt haben, finden jetzt, schel zuletzt gemacht hat, eine sehr subjektive, ein- wenn der neue Staatssekretär – meine frühere linke seitige Betrachtungsweise ist. befreundete Herzkammer – durch das Land zieht, keine Anwendung mehr. Heutzutage passiert Fol- (Beifall CDU) gendes: Wenn der Staatssekretär aus dem Innen- ministerium auftritt, verspricht er denen, die vor Ort Ein Stück hatte ich das Gefühl, dass der Antrag zur Veränderung wollen, freiwillig all das, was er früher Freigabe von Cannabis und seine Einordnung ein als Politiker hier im Landtag abgelehnt hat; all das Stück Einblick über den kausalen Zusammenhang wird jetzt versprochen. geben. Deswegen will ich das noch mal ordnen. (Beifall CDU) Rot-Rot-Grün ist diese Wahlperiode angetreten und hat gesagt: Wir wollen eine Gebietsreform in Thü- Und es findet seine Krönung in der von Gudrun ringen durchsetzen, hat Gesetzentwürfe vorgelegt, Holbe angesprochenen Änderung der Thüringer Leitbilder verabschiedet, Vorschaltgesetze ge- Kommunalordnung, beim § 46, was die Zukunft der macht. Dann sind die Menschen in diesem Land Verwaltungsgemeinschaften betrifft. auf die Straße gegangen; über 140.000 haben ge- gen diese Gebietsreform unterschrieben, mehrere (Zwischenruf Abg. Kuschel, DIE LINKE: Wir Landkreise haben geklagt, wir haben geklagt und müssten es eigentlich nicht ändern!) wir haben am Ende vor dem Verfassungsgericht Das, was Sie machen, ist ganz entscheidend für die gewonnen, weil das Verfassungsgericht festgestellt Betrachtungen zur Gebietsreform. Sie wollten die Verwaltungsgemeinschaften per Gesetz abschaf- Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 110. Sitzung - 22.02.2018 9417

(Abg. Mohring) fen. Das ist Ihnen misslungen. Und weil Ihnen das kraftfähigste, vielleicht der Zentrale Ort, den Antrag misslungen ist, versuchen Sie jetzt über die ver- stellen, dass er aus dieser VG raus will. meintliche, pseudohafte Behauptung von Freiwillig- (Zwischenruf Abg. Harzer, DIE LINKE: Na, keit, die Zerstörung der kommunalen Gemeinschaft wenn die das wollen! Das ist Selbstbestim- vor Ort und Eingriffe in die kommunale Selbstver- mung!) waltung mit der Änderung des Gesetzes genau das zwangsweise durchzusetzen, bei dem Sie vorher Nein, eben nicht! gescheitert sind. Und damit sagen Sie, jetzt geht es nur noch nach (Beifall CDU) Gemeinwohl. Dann ist ganz entlarvend, was der Abgeordnete Kuschel hier eben ganz zum Schluss Wissen Sie, woran das liegt? Weil wir bisher in der seiner Rede gesagt hat: Dann entscheiden wir mit Kommunalordnung eine Sicherheit eingebaut hat- Mehrheit, ob das Gemeinwohl gilt oder nicht. Das ten, die immer noch gilt. Sie verstoßen gegen die- ist skandalös! ses geltende Recht, indem Sie Gesetze vorlegen, (Beifall CDU) die sagen, das, was da drinsteht, wenden wir nicht mehr an, denn wir wollen es einfach anders ma- (Zwischenruf Abg. Kuschel, DIE LINKE: chen. Und das zerstört das Vertrauen in den Nein, das steht in der Verfassung! Das ist Rechtsstaat, das zerstört das Vertrauen an die Ord- Verfassungsrecht!) nung und das, Nein, eben nicht. Verfassungsrecht ist, sich am Ge- (Zwischenruf Abg. Dittes, DIE LINKE: Das meinwohl zu orientieren, aber Sie haben gesagt, Vertrauen in die Politik zerstören solche Lü- Sie entscheiden das mit Mehrheit, ob Gemeinwohl gen, Herr Mohring!) da ist was der Gesetzgeber in Gesetzen festgelegt hat, (Zwischenruf Abg. Kuschel, DIE LINKE: Im- die veröffentlicht sind. Wenn Sie sie als Gesetzge- mer!) ber in der Mehrheit nicht mehr anwenden, dann oder nicht, und das ist das Entscheidende. missachten Sie unser Demokratieprinzip. Daran will ich einfach mal appellieren. Sie missachten das, Und was Sie vorhaben, ist Folgendes. Sie verstoßen dagegen. Sie verstoßen gegen gel- (Unruhe DIE LINKE) tendes Recht in diesem Land. Ja, zu Recht müssen Sie aufschreien, weil das ein (Beifall CDU) ganz gefährlicher Punkt in Ihrem Gesetzentwurf ist. (Zwischenruf Abg. Adams, BÜNDNIS 90/DIE Möglicherweise sehen wir uns woanders wieder GRÜNEN: Und Sie erzählen Unfug!) und besprechen die Fragen noch konkreter. Offen- sichtlich muss man Ihnen oft nachhelfen bei den Jetzt sagen Sie, wir schaffen diese doppelte Mehr- Fragen, wie Verfassungsrecht in diesem Land an- heit für Veränderungen von Verwaltungsgemein- zuwenden ist und wie Gesetze in diesem Land an- schaften ab. Was heißt diese doppelte Mehrheit? zuwenden sind. Das heißt, die Mehrheit der Gemeinden mit der Mehrheit der Einwohner muss zustimmen, wenn Aber das Entscheidende ist, und darauf kommt es sich die Verwaltungsgemeinschaft verändert, dass an, man muss sich mal eine Sekunde vorstellen, vielleicht jemand austritt, dass vielleicht der Antrag Sie würden damit durchdringen. Dann haben wir besteht, was dazuzutun, überhaupt die Strukturver- überall in Thüringen zerstückelte Verwaltungsge- änderung in der Verwaltungsgemeinschaft vorzu- meinschaften, nicht mehr leistungsfähige Verwal- nehmen. tungsgemeinschaften, das, was Gudrun Holbe sagt, steigende Umlagen für die Verwaltungsgemein- (Zwischenruf Abg. Kalich, DIE LINKE: Selbst schaften, sinkende freiwillige Leistungskraft und das ist falsch!) möglicherweise auch dauerhaft nicht mehr erreich- Jetzt sagen Sie, das schaffen wir ab, die doppelte bare leistungsfähige Strukturen in den Verwaltungs- Mehrheit, dass also die vor Ort in der Gemein- gemeinschaften. Und dann am Ende des Weges, schaft, die sich entwickelt hat, sich gemeinsam Ge- wenn Sie damit durchkommen würden, wollen Sie danken machen, wie die Veränderung aussehen genau das erreichen, womit Sie vorher beim Ver- kann. fassungsgerichtshof gescheitert sind, nämlich das existenzielle Ende der Verwaltungsgemeinschaften (Zwischenruf Abg. Dittes, DIE LINKE: Es wird festzulegen. Dagegen werden wir uns mit aller Kraft doch damit nicht abgeschafft!) stellen. Das schaffen Sie ab, weil Sie sagen: Jetzt kann ei- (Beifall CDU) ne einzelne Gemeinde, vielleicht die kleinste, viel- leicht die leistungsstärkste, vielleicht die umlage- 9418 Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 110. Sitzung - 22.02.2018

Präsident Carius: Nun komme ich zum Koalitionsvertrag zurück. Der Koalitionsvertrag, den Sie für sich ummünzen – Vielen Dank. Ich habe jetzt noch zwei Wortmeldun- subjektiv, das dürfen Sie –, aber ich lade alle ein, gen. Zunächst Herr Adams für die Fraktion Bündnis einmal objektivierbar nachzulesen, was in diesem 90/Die Grünen. Herr Ministerpräsident, Sie gestat- Buch steht. Ja, wir wollten eine Gebietsreform, die ten auch, dass Frau Scheerschmidt noch vor Ihnen Thüringen nützt. Wir haben dafür geworben. Es ist spricht? Herr Adams, bitte. mir wichtig, dass Sie auf der Seite 75 lesen können: „Grundsatz dieses Prozesses ist die Beteiligung der Abgeordneter Adams, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- Bürgerinnen und Bürger.“ NEN: (Heiterkeit CDU) Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kollegen hier im Thürin- Ja, die CDU wieder auf Klassenfahrt beim Lachen, ger Landtag, liebe Gäste, wie weit muss man ne- wie die Pennäler. Wir haben das im Bürgergutach- ben der Kappe sein, wenn man hier nach vorn geht, ten angeboten. uns sagt, ein Kollege hat eben etwas Subjektives (Unruhe CDU) ausgedrückt und ich sage Ihnen mal, wie es objek- tiv ist? Wir haben das in Regionalkonferenzen angeboten. Da sind Sie mit Pappe gekommen und haben (Zwischenruf Abg. Dittes, DIE LINKE: Das Papplärm gemacht. Wir haben das auch angebo- war objektiv aber auch alles falsch!) ten, indem wir darauf gehört haben, was die Men- Meine sehr verehrten Damen und Herren, hier in schen sagen. diesem Landtag spricht jeder für sich, für seine Herr Kellner, was ich verstehe und was Sie verste- Fraktion, und das ist natürlich immer subjektiv, Herr hen, mag Zweierlei sein, aber ich sage Ihnen, was Kollege Mohring, ich gehört habe. Ich habe gesehen, dass sich ein (Zwischenruf Abg. Mohring, CDU: Warum Verein gegründet hat, der gesagt hat, wir wollen beleidigen Sie mich?) diese Gebietsreform nicht. Ich habe verstanden, gesehen und gehört, dass ein Ministerpräsident und wir sollten nicht anfangen, uns dieses Recht, nicht oben gestanden hat, sondern gesagt hat: Das subjektiv unsere Meinung zu sagen, ist in Ordnung, ich möchte mit euch reden. (Unruhe CDU) (Zwischenruf Abg. Schulze, CDU: Erst nach abzusprechen und den anderen zu diskreditieren, dem Urteil des Verfassungsgerichts!) so wie Sie es eben gemacht haben und in infamer Die Einladung des Ministerpräsidenten, darüber zu Art und Weise eben mit Kollege Kuschel gemacht sprechen, stand über viele Monate. Er hat gesagt: haben. Es ist alles offen, wir können darüber reden. Wir al- Jetzt will ich Ihnen etwas sagen. Subjektiv ist alles, le wissen, weil es stattgefunden hat, dass Kollegen was ich hier auch sagen werde, aber es gibt Sach- der CDU in den Verein gegangen sind und gesagt verhalte, die sind objektivierbar. Ich glaube, darüber haben: Das macht ihr aber nicht. Deshalb gab es sollten wir Einigkeit haben. Objektivierbar ist auch das Gespräch nicht. Vielleicht gab es das auch der Wille der rot-rot-grünen Koalition, weil er für alle nicht, weil einige gesagt haben, wir möchten dieses Menschen, die es wissen möchten, in diesem Buch Gespräch nicht führen. Das ist alles in Ordnung und aufgeschrieben ist. Das ist der Koalitionsvertrag. darf so sein. Man darf es nur nicht anders behaup- Sie laufen durch das Land, weil Sie das politisch ten, wenn man redlich sein will, Herr Kollege brauchen, um etwas größer zu scheinen, und sa- Mohring. gen, das größte Projekt von Rot-Rot-Grün … (Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- (Zwischenruf Abg. Mohring, CDU: Mit deiner NEN) Minifraktion willst du von Größe reden oder Diese Gespräche sind offen da gewesen. Dann was?) kam eine Klage dazu, die Sie gewonnen haben. Herr Mohring, es ist landläufig bekannt und mir sehr Herr Mohring und liebe Gäste hier im Thüringer deutlich aufgefallen, dass Ihnen die Größe Ihrer Landtag, das Vorschaltgesetz ist an dem formalen Fraktion nicht ausreichend ist und Sie größer schei- Fehler gescheitert, dass ein Protokoll bei der Be- nen möchten. Ich schließe mich den Worten des schlussfassung nicht vorgelegen hat. Das hat das Herrn Staatskanzleiministers an. Man muss nicht Gericht entschieden. Diese formelle Nichtzulässig- nur Ministerpräsident werden wollen, man müsste keit hat das Gericht festgestellt und die materielle es auch können. Das ist mein Ratschlag für Sie. Prüfung überhaupt nicht mehr bis zum Ende durch- geführt, sondern nur noch Hinweise gegeben. (Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 110. Sitzung - 22.02.2018 9419

(Abg. Adams) Formell – das reicht – ist dieses Gesetz gescheitert. kann. Das ist redlich und das ist auch in Ordnung Herr Mohring, wenn Sie redlich sein wollen, hören und das ist das, was wir im Augenblick machen. Sie auf, den Menschen etwas anderes zu erzählen. (Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE (Zwischenruf Abg. Mohring, CDU: Verfas- GRÜNEN) sungswidrig! Es ist verfassungswidrig!) Meine sehr verehrten Damen und Herren, die CDU Wir werden es sehen. Es ist verfassungswidrig aus spricht den Kommunen Selbstverwaltung nur inso- formellen Gründen, richtig. fern zu, wie es Ihnen in ihr parteipolitisches Kalkül passt. Da machen wir nicht mit. Vielen Dank. (Zwischenruf Abg. Bühl, CDU: Es ist verfas- sungswidrig, das ändert nichts!) (Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Es gibt formelle Verfassungswidrigkeiten und eine materielle Verfassungswidrigkeit. Ich glaube, Sie hatten uns darlegen wollen, dass Sie das auch ir- Präsident Carius: gendwie gelernt und verstanden haben. Vielen Dank, Herr Abgeordneter Adams. Als Meine sehr verehrten Damen und Herren, das Ge- Nächste hat Abgeordnete Scheerschmidt für die setz ist formell gescheitert. Es ist formell verfas- SPD-Fraktion das Wort. sungswidrig. Darüber gibt es überhaupt keinen Zweifel. Dass es materiell möglicherweise vom Ge- Abgeordnete Scheerschmidt, SPD: richt nicht gerügt worden wäre, werden wir sehen, Sehr geehrter Herr Vorsitzender, sehr geehrte Da- wenn das heute hier schon viel mitdiskutierte Ge- men und Herren! Ja, man muss sich mal entschei- setz zur Fortentwicklung der Thüringer Gemeinden den, was man will. Jetzt will die CDU die Verwal- im Thüringer Landtag beschlossen ist. Dann wer- tungsgemeinschaften auf Biegen und Brechen den wir sehen, ob dagegen – das war der wesentli- schützen. Wir waren es doch nicht, die die Mindest- che Kern des Vorschaltgesetzes – jemand Klage größen für die Verwaltungsgemeinschaften aus erhebt. Dann wird das Gericht entscheiden, dann dem Gesetz genommen haben. Ich glaube, es wa- werden wir das alles sehen. Aber so lange müssen ren die Kollegen der CDU. Sie zur Wahrung der Redlichkeit aufhören, den Menschen zu erzählen, dass der Wille zur Gebiets- (Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) reform verfassungswidrig gewesen wäre. Ich habe diesen Satz hier im Dezember schon mal Meine sehr verehrten Damen und Herren, die CDU formuliert. Dieser Satz „Die Verwaltungsgemein- – das nehme ich den Kollegen ehrlich ab – hat im- schaften sollen nicht mehr weiterentwickelt wer- mer der Selbstverwaltung der Gemeinden das hohe den.“ stammt auch aus dem Jahr 2011 und nicht Wort geredet. Es war immer die Selbstverwaltung, von Rot-Rot-Grün. Kollege Adams hat es schon ge- die unbedingt gewährleistet werden musste. Ich fra- sagt: Selbstverwaltung nur wie es der CDU in den ge Sie: Wie gewährleisten Sie diese kommunale Kram passt, nur für die Gemeinden, die sich nicht Selbstverwaltung denn, nachdem eine Kommune weiterentwickeln wollen, die sich nicht umorientie- einmal in eine VG gegangen ist und nie wieder he- ren. Für die Gemeinden, die sagen, wir wollen rauskommt, weil die anderen sagen, wir möchten einen anderen Weg beschreiten, gilt dieses Recht das nicht? Wie manifestiert sich da die kommunale der Selbstverwaltung nicht. Selbstverwaltung? Das ist eine sehr gute Frage, die (Zwischenruf aus dem Hause) wir immer wieder gestellt haben. Deshalb öffnen wir die Tür wieder, um den Gemeinden die Möglichkeit Da kommt der Zwischenruf, man soll den Willen der zu geben zu sagen: Nach vielen Jahren sehen wir Menschen achten. Der Wille der Kommunen, die unsere Entwicklung hier nicht. Was soll daran sich freiwillig auf den Weg machen, ist wohl nicht falsch sein? Was soll da der kommunalen Selbst- zu achten, nur der Wille der anderen Kommunen ist verwaltung widersprechen? Deshalb ist auch das zu achten? Demokratie gilt nur so, wie es in den Beispiel, das Herr Rusch gebracht hat – er hat ja Kram passt, nämlich für die, die sich einfach nicht selbst tief in sich hineingeschmunzelt, als wir ihn auf den Weg machen wollen. Aber ich muss mich darauf angesprochen haben –: „Weil eine Kommu- doch mal entscheiden! Zwangsfusionen wollen Sie ne sagt, dort darfst du demnächst 50 fahren, fahre nicht, aber auf der anderen Seite Zwangsverwal- ich heute schon mal 50“, vollkommen falsch. tung in den Verwaltungsgemeinschaften. Ich habe es vorhin gesagt, was damals gut war – wir sind (Zwischenruf Abg. Holbe, CDU: Nein, das jetzt fast drei Jahrzehnte weiter, man muss umden- trifft genau zu!) ken. Das Beispiel wäre richtig, wenn er sagen würde: (Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE Die wollen heute das Schild, dass ich da 50 fahren GRÜNEN) kann, um 10.00 Uhr aufstellen, ich fahre schon mal hin, damit ich als Erster mit 50 dort langfahren 9420 Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 110. Sitzung - 22.02.2018

(Abg. Scheerschmidt) Wir haben hier mehrfach die Rahmenbedingungen gebracht wird, will ich mal schildern, was das für erläutert, die Bevölkerungsentwicklung. Man kann unsere Verwaltungsgemeinschaft Heideland-Elster- sich doch vor dem nicht verstellen. Die Kommunen, tal-Schkölen bedeutet. Wir haben eine Gemeinde, die nicht möchten, sollen in ihren Strukturen blei- die dort austreten will – eine einzige. Wir haben ei- ben. Aber was Sie fordern, dass alle zwanghaft in ne funktionierende Verwaltungsgemeinschaft, die den jetzigen Strukturen gehalten werden, geht ein- sich 2012 freiwillig mit der Stadt Schkölen zusam- fach nicht. Frau Holbe, Rosinen picken will keiner. mengeschlossen hat. Wir haben eine funktionieren- Nein, das will keiner. Es gibt ein Leitbild und es gibt de Verwaltungsgemeinschaft, die wirtschaftlich die Leitlinien. Deswegen sind einige Fusionen nicht stark ist, die auch gesund daherkommt. Jetzt genehmigt, weil es keine Rosinenpickerei und keine kommt die Gemeinde Crossen: Wir wollen übertre- Abwehrfusionen und keinen Wildwuchs oder Aben- ten nach Bad Köstritz. Da kommen natürlich mehre- teuerlichkeit gibt, wie Sie das ständig schildern. re Sachen dazu, über Kreisgrenzen hinweg und Nein, es wird sehr wohl abgewogen im gemeindli- vieles andere. Jetzt muss man wissen: Die Ge- chen Interesse. Dazu brauchen wir keine Änderung meinde Crossen ist Sitz der Verwaltungsgemein- der ThürKO. Das steht jetzt schon im Gesetz, in schaft. Wir als Crossener haben sehr viel Geld in § 46. Ich schätze Sie als Kommunalpolitikerin, aber die Hand genommen, um das Verwaltungsgemein- hören Sie auf, durch die Lande zu marschieren und schaftsgebäude neu aufzubauen. die kleinen Gemeindeparlamente zu verunsichern! (Zwischenruf Abg. Kuschel, DIE LINKE: Das Hören Sie auf mit Ihrer Taktik, Herr Mohring, steht jetzt aber gar nicht im Gesetz!) (Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE Die VG hat sich dort eingemietet. Jetzt geht Cros- GRÜNEN) sen raus. Was passiert mit der Verwaltungsgemein- immer gleich zu drohen: „wir gehen vor Gericht und schaft? Hier treffen alle Punkte zu, die Herr Rusch ihr fallt wieder hinten runter!“ als Kritik genannt hat. Jetzt kommen wir zu den weißen Flecken. Klar gibt es die weißen Flecken, (Unruhe CDU) da gibt es aber auch unterschiedliche Werte. Wir Nein, das werden wir nicht tun. Es sind freiwillige haben eine reiche Gemeinde, Stahlwerk Crossen, Gemeindefusionen und Selbstverwaltung gilt auch wir haben auch ein paar arme, dazu gehören für diese Kommunen und auch Demokratie. Sie Schkölen und angeschlossene Gemeinden. Was müssen sich mal entscheiden: Wollen Sie das eine passiert mit denen? Um die reichen mache ich mir oder wollen Sie das andere? Damals wollten Sie keine Sorgen, die kriegen sofort einen Abnehmer. die VGs nicht mehr, da haben Sie sogar die Min- Aber was passiert mit den armen? Und das ist nicht destgrößen abgeschafft. Jetzt wollen Sie sie wieder geklärt. Deswegen halte ich diesen Plan für Irrsinn. schützen. Das liegt wahrscheinlich immer daran, Vielen Dank. auf welcher Seite Sie gerade hier in diesem Hohen (Beifall AfD) Haus sitzen. (Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE Präsident Carius: GRÜNEN) Danke schön. Jetzt habe ich vonseiten der Abge- Nicht mit uns, nicht mit Rot-Rot-Grün. Es wird end- ordneten keine weiteren Wortmeldungen. Herr Mi- lich Zeit. Es ist alternativlos, an diesen starren nisterpräsident Ramelow hat für die Landesregie- Strukturen festzuhalten. rung das Wort. (Unruhe CDU) Ramelow, Ministerpräsident: Auch das müssten Sie mal begreifen. Danke schön. Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich glau- (Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE be, die inhaltliche Begründung, warum die Thürin- GRÜNEN) ger Verwaltung in Gänze sich genauso verändern muss, wie sich die Thüringer Wirtschaft permanent Präsident Carius: im Veränderungsprozess befindet, ist gestern bei Ich habe noch eine weitere Wortmeldung von ei- den Handwerkern hinlänglich diskutiert worden und nem Abgeordneten. Herr Abgeordneter Henke, Sie wird bei jeder Vollversammlung der Industrie- und haben das Wort. Handelskammer diskutiert: (Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE Abgeordneter Henke, AfD: GRÜNEN) Vielen Dank, Herr Präsident. Werte Abgeordnete, die Frage, dass wir uns mit den Fachkräften wech- jetzt hat es mich doch noch mal nach vorn getrie- selseitig nichts Gutes tun, wenn sich Wirtschaft und ben. Verwaltungsgemeinschaften – wenn wir die- öffentliche Verwaltung kannibalisieren und wir vor ses Gesetz so beschließen, wie es heute hier ein- der größten Verrentungswelle im öffentlichen Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 110. Sitzung - 22.02.2018 9421

(Ministerpräsident Ramelow) Dienst stehen, vor dem ein Bundesland jemals Und Sie werden zitiert, Herr Mohring, das kann stand, also Herausforderungen, die die Zukunft man auch noch nachlesen, nicht nur zitiert, Sie ge- markieren. ben ein Interview und sagen: Die Kreisreform kann nach der nächsten Landräteamtszeit umgesetzt Ich habe an vielen Stellen immer wieder gesagt, werden. – Nicht in dieser Zeit, Sie widersprechen dass meine Vorgängerin Christine Lieberknecht mit damals Ihrem Koalitionspartner, nämlich dem Vize- ihrer Jenaer Rede sehr zutreffend die richtige For- ministerpräsidenten Christoph Matschie, weil Sie mulierung gefunden hat, die sie damals in ihrer Je- sagen, das wird es mit uns nicht geben, nämlich mit naer Rede ausformuliert hat. Ich habe damals ge- der CDU-Fraktion. sagt, dass viele Wahrheiten in dieser Jenaer Rede drin sind. Auch als Oppositionsführer habe ich da- (Unruhe CDU) mals gesagt: Diese Herausforderungen stehen. Man darf Sie gar nicht erinnern an all das Ge- Nichts daran hat sich geändert. Es gab damals eine schwätz, Herr Mohring, das Sie in den Jahren im- CDU-SPD-Landesregierung, die eine Funktional-, mer wieder mit einer einzigen Zielstellung gemacht Verwaltungs- und Gebietsreform auf den Weg brin- haben, gen wollte, wobei die Interpretation der SPD des Koalitionsvertrags eine andere war als die der (Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE CDU. Und wir alle waren Zuschauer des Dramas, GRÜNEN) als dann Christine Lieberknecht versucht hat, eine immer wieder diese Reformen zu blockieren. Das Kommission zu berufen, die auf der Basis arbeitet, Einzige, was Sie können, ist Nein sagen, Kontra die vorher der Landtag in der Enquetekommission, geben und dann die Menschen verunsichern, tief die durch Dieter Althaus oder in der Zeit von Dieter verunsichern, ohne Ihnen eine Zukunftsorientierung Althaus einberufen wurde, und alle Fragen schon zu geben. thematisiert hatte, was verändert werden müsste und wie der Veränderungsprozess organisiert sein (Zwischenruf Abg. Mohring, CDU: Sagen Sie müsste. Also der Landtag hat sich in einer Enquete- mal, was Sie wollen!) kommission damit beschäftigt. Dort haben die Kam- Herr Mohring, das ist so billig und so arm. mern, und zwar die Industrie- und Handelskammer und die Handwerkskammer, Beiträge geliefert, die (Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE dem entsprechen, was heute noch gilt, und warum GRÜNEN) die Wirtschaft immer wieder gesagt hat: Es wird (Zwischenruf Abg. Mohring, CDU: Das wollen Zeit, dass die Landesregierungen – und zwar egal Sie! Sagen Sie mal, was Sie wollen!) welches Parteibuch sie haben – endlich handeln. An diesen Fragen, sehr geehrter Herr Mohring, Wissen Sie, Sie können politisch gern meine Partei müssen Sie sich messen lassen. bekämpfen, das können Sie tun, das finde ich in Ordnung, das gehört zur Demokratie. Aber was Sie (Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE nicht tun sollten, Sie sollten die Zukunft dieses Lan- GRÜNEN) des nicht in Geiselhaft nehmen für Ihre parteipoliti- Denn man kann unschwer sein Handy nehmen und schen Spielchen, die Sie seit Jahren in Thüringen die Pressemeldungen aufrufen, die Sie selber pro- praktizieren. duziert haben. 2012 werden Sie dann zitiert, Sie (Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE hätten einen Schreianfall gehabt und aus der GRÜNEN) Staatskanzlei würde man übles Zeug von Ihnen schreiben oder schreiben lassen. Das waren Frau Und gemessen an Ihren eigenen Ausführungen, an Walsmann als Staatskanzleiministerin und Herr Ihrem eigenen Interview könnten wir die Kreisge- Zimmermann als Regierungssprecher. Das kann bietsreform mit Ihrer Hilfe umsetzen, wenn Sie sich man unschwer nachlesen, ist alles noch im Netz mal ernst nehmen würden. Deswegen habe ich vorhanden. Zwei Jahre später, als es einen Konflikt mehrfach versucht, Ihnen klarzumachen: Wir sind gab, als nämlich Christine Lieberknecht versucht bereit, mit Ihnen ins Gespräch zu gehen. Und Sie hat, über eine Expertenkommission ein Ergebnis zu haben immer gesagt, es muss alles auf null gestellt produzieren, auf dessen Basis dann die Koalition werden. Danach haben Sie geklagt. Jetzt haben arbeiten wollte, war es Ihre Fraktion, die das als Sie schon wieder mit der Klage gedroht. Das ist Ihr „blaues Wunder“ – ich erinnere mich an Kollegen gutes Recht. Fiedler, der das „blaue Wunder“ in die blaue Tonne (Zwischenruf Abg. Mohring, CDU: Nein!) hat werfen wollen --- Das ist die Art und Weise, wie die Koalition CDU-SPD mit dem Thema umgegan- Sie haben eben hier am Pult gestanden und ge- gen ist, bei dem alle Menschen in diesem Land er- droht. Entschuldigen Sie, Sie verstehen offenkundig wartet haben, dass es endlich eine neue Entwick- nicht, was Sie reden, oder es kommt bei Ihnen im lung gibt, wie wir Verwaltungen neu strukturieren. Kopf nicht an. Danach hat Christine Lieberknecht eine Minister- runde einberufen, die das dann umsetzen sollte. 9422 Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 110. Sitzung - 22.02.2018

(Ministerpräsident Ramelow) (Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE (Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) GRÜNEN) (Zwischenruf Abg. Mohring, CDU) damit sie die Aufgaben des Zweckverbands Sport auch stemmen kann, damit wir die Gelder, die wir Ich habe sehr wohl zugehört. Ich höre die Drohun- dort einsetzen, auch gut verbauen können und da- gen von Herrn Mohring und jedes Mal danach geht mit ganzjähriger Tourismus für die ganze Region er zum Verfassungsgericht und stellt sich dann hin entsteht. Deswegen weiß ich, dass es im Moment und sagt, nicht jedem gefällt, und ich weiß auch, wenn ich (Unruhe CDU) das heikle Thema anspreche, dass dann diese neue Stadt in einen Kreis eingegliedert werden ich weiß, wogegen ich bin, aber kein Mensch in die- müsste – und ich sage: muss –, aber dazu muss sem Land hört, wofür Sie eigentlich sind und worauf man sie vorher leistungsfähig machen. Diesen Dis- man sich bei Ihnen eigentlich verlassen kann, wenn kussionsprozess wollen wir von hier aus nicht top- es um den komplizierten Weg des Umbaus unserer down organisieren, sondern wir wollen ihn von un- Verwaltung geht. Da haben Tausende von Men- ten wachsen lassen. Deswegen steht es in keinem schen Ängste, nämlich die Bediensteten. Diese Gesetzentwurf als Gesetzentwurf der parlamenta- Ängste nehme ich ernst. Da haben auch Tausende rischen Mehrheit, sondern es wächst gerade von von Menschen Ängste, wie es mit ihrer Gemeinde unten. Die eigentlich entscheidende Frage ist hin- weitergeht. Auch das habe ich gelernt sehr ernst zu terher, ob die Region des Rennsteigs am Ende nehmen. Aber die Legende, Herr Mohring, dass über Jahrzehnte hinweg stärker ist und damit zu ei- das Gesetz verfassungswidrig gewesen sei, diese nem leistungsfähigen Tourismusmagnet für Thürin- Legende lasse ich Ihnen einfach nicht durchgehen. gen wird. Dann haben wir die richtigen Weichen (Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE gestellt. Und so gesehen ist heute ein guter Tag für GRÜNEN) Thüringen, dass wir den Teil der Freiwilligkeit auf den Weg bringen und uns nicht beirren lassen von Das Gesetz ist inhaltlich überhaupt nicht verfas- den Fallstricken, lieber Herr Mohring, die Sie stän- sungswidrig. Es war formal verfassungswidrig und dig auslegen, und den widersprüchlichen Äußerun- das hat das Verfassungsgericht ganz eindeutig gen, die Sie seit fast einem Jahrzehnt zu diesem ausgeführt. Es hat danach einen mehrseitigen Be- Thema machen. Das Einzige, Herr Mohring, was gründungsannex geliefert, warum sehr viele der ich Ihnen attestieren kann, ist Zukunftsverweige- Fragen, die wir bearbeitet haben, richtig sind. Wir rung. Schade! hätten also, wenn ich das Urteil nehme, auch das gleiche Gesetz wieder einbringen können und hät- (Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE ten den Durchlauf, bitte schön, hier im Parlament GRÜNEN) so gemacht, dass der Ansatz der formalen Verfas- sungswidrigkeit nicht mehr gegeben war. Trotzdem Präsident Carius: habe ich entschieden, dass wir diesen Weg nicht mehr gehen, dass es bei all den Emotionen, die er- Danke schön. Es gibt noch eine Wortmeldung. Herr zeugt worden sind, keinen Sinn macht, weiter in Abgeordneter Mohring, bitte. diesem Krieg der Emotionen zuzulassen, dass die tiefe Verunsicherung der Menschen dazu führt, Abgeordneter Mohring, CDU: dass am Ende überhaupt keine Zukunft erreicht Herr Ministerpräsident, meine sehr verehrten Da- wird. Und man kann das an vielen Stellen deutlich men und Herren, wir haben gerade schön erleben machen, wo Sie auf jeder Barrikade mit dabei wa- können, wie sich derjenige, der die Regierung führt, ren, ohne dass Sie gesagt haben, wofür Sie eigent- der Vorschläge machen soll, was mit diesem Land lich sind. Ich weiß nur, wogegen Sie sind. passiert, sage und schreibe zehn Minuten damit Für mich ist der Maßstab der Dinge die Zukunftsfe- aufhält zu erzählen, was in der Vergangenheit ge- stigkeit unseres Landes. Wir haben entschieden, wesen ist und wie er es betrachtet hat. dass wir den Weg der Freiwilligkeit gehen wollen. (Zwischenruf Abg. Korschewsky, DIE LINKE: Ich bin froh, dass im Moment auch die Frage von So ein Blödsinn, was du erzählst!) Wartburgkreis und Eisenach und der Rückeinkrei- sung auf freiwilliger Basis endlich in der richtigen Ich finde: Das ist zu wenig, das ist zu dünn. Das be- Richtung diskutiert wird, nachdem auch das alles schreibt die Bilanz Ihrer Regierung in den letzten instrumentell genutzt worden ist. Und ich bin froh, vier Jahren: Sie sind mit Kommunalisierung ge- dass es längst eine Diskussion gibt – was auch scheitert, Sie sind mit der Verwaltungsreform im nicht jedem gefällt –, ob sich Suhl, Schmiedefeld, Land gescheitert, Sie sind mit der Gebietsreform in Gehlberg und Oberhof zu einer neuen Gemeinde diesem Land gescheitert, Sie sind mit Personalent- gliedern und ob diese neue Gemeinde anschlie- wicklung in diesem Land gescheitert. Sie haben ßend so leistungsfähig gemacht wird, damit sie das nichts auf die Reihe gebracht, Sportzentrum Oberhof tragen kann, Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 110. Sitzung - 22.02.2018 9423

(Abg. Mohring) (Beifall CDU) Das Urteil besagt: Das Gesetz zur Durchführung der Gebietsreform ist nichtig. Das hat der Verfas- nichts geschafft, was die Zukunftsfähigkeit dieses sungsgerichtshof entschieden – nichtig! Landes organisiert. (Beifall CDU) (Unruhe DIE LINKE) Sie haben die Rücklagenkonten leergeräumt, 1 Mil- Präsident Carius: liarde Euro Rücklagen leergeräumt. Die können wir jetzt wieder auffüllen, weil die Finanzministerin klu- Herr Ministerpräsident Ramelow, bitte, Sie haben gerweise entschieden hat zu tilgen und auch zu- das Wort. rückzuführen, und weil sie den Jahresab- schluss 2017 nach Ihrer Haushaltsbeschlussfas- Ramelow, Ministerpräsident: sung vorgelegt hat. Herr Mohring, den Spaß will ich mir am Ende doch (Unruhe DIE LINKE) noch machen. Es war schön, Ihnen eben zuzuhö- ren. Sie sagen, die Landesregierung hätte keine Das ist die Wahrheit. Sie hat vor Ihrer Geldausga- Vorschläge und es wäre von mir in zehn Minuten begier rechtzeitig die Schotten dicht gemacht. Gut, kein einziger Vorschlag gemacht worden. Ich bin dass diese Finanzministerin an dieser Stelle aufge- nur vorgegangen, um noch mal klarzustellen, was passt hat. Sie hier für eine Show abgezogen haben. (Beifall CDU) (Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- (Heiterkeit DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/ NEN) DIE GRÜNEN) Ehrlich gesagt, dass Sie, lieber Herr Mohring, nicht Wissen Sie, Herr Ministerpräsident, eines sollten mal bemerken: Sie gehen zu einem Tagesord- Sie als Regierungschef wissen: Es gibt keine halbe nungspunkt vor, zu dem wir ein Gesetz vorlegen, Verfassungswidrigkeit. und sagen dann, wir hätten nichts vorgelegt. Wo sind Sie eigentlich?! Sind Sie im falschen Raum, (Zwischenruf Abg. Adams, BÜNDNIS 90/DIE oder sind Sie noch bei gestern, bei Cannabis? GRÜNEN: Es gibt aber eine materielle – eine materielle und eine formale!) (Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Entweder ist ein Gesetz mit der Verfassung verein- bar oder es ist nicht mit der Verfassung vereinbar. (Unruhe CDU; Abg. Reinholz, fraktionslos) Dazwischen gibt es nichts, auch wenn das ein lin- ker Ministerpräsident denkt. Entweder gilt das Ge- Präsident Carius: setz oder es gilt nicht – halbe Gesetze gibt es nicht und die gelten bei der Verfassung auch nicht halb Jetzt bitte ich Sie alle, sich zu beruhigen, auch oder ganz. Ihre Verfassungswidrigkeit bei der Ge- Herrn Kowalleck – bitte! bietsreform ist festgestellt. Wir schließen jetzt die Beratung und kommen zur Abstimmung. Beantragt wurde, den Gesetzentwurf Präsident Carius: zu überweisen. Ich darf auch um etwas Zurückhal- tung auf der Regierungsbank bitten. Der Gesetzent- Herr Abgeordneter Mohring, Ihre Redezeit ist aus- wurf soll an den Haushalts- und Finanzausschuss geschöpft. überwiesen werden. Das ist beantragt worden. Wer das wünscht, den bitte ich jetzt um das Handzei- Abgeordneter Mohring, CDU: chen. Das sind die Stimmen der AfD-Fraktion. Dan- Pressemitteilung des Thüringer Verfassungsge- ke schön. Gegenstimmen? Die Stimmen der Koali- richts: „Abstrakte Normenkontrolle der CDU-Frak- tionsfraktionen. Enthaltungen? Die Stimmen der tion zum Vorschaltgesetz erfolgreich“. CDU-Fraktion. Damit ist diese Ausschussüberwei- sung mit Mehrheit abgelehnt. (Unruhe DIE LINKE) Es wurde beantragt, den Gesetzentwurf an den In- nen- und Kommunalausschuss zu überweisen. Wer Präsident Carius: dafür ist, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. Herr Abgeordneter Mohring. Das sind alle Fraktionen. Es gibt keine Gegenstim- men, Enthaltungen auch nicht. Damit ist der Ge- Abgeordneter Mohring, CDU: setzentwurf einstimmig an den Innen- und Kommu- nalausschuss überwiesen. Und einen Satz noch: Ich schließe damit den Tagesordnungspunkt 6 und (Zwischenruf Abg. Harzer, DIE LINKE: Nein!) rufe auf den Tagesordnungspunkt 3 9424 Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 110. Sitzung - 22.02.2018

(Präsident Carius)

Thüringer Gesetz zum Klima- (Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- schutz und zur Anpassung an NEN) die Folgen des Klimawandels Dieser Erfolgsmeldung setze ich aber die vor eini- (Thüringer Klimagesetz – gen Tagen veröffentlichte Studie einer Forscher- ThürKlimG –) gruppe aus den USA, aus Colorado, entgegen. Da- Gesetzentwurf der Landesregie- zu ist zu berichten, dass der Meeresspiegel bis zum rung Jahr 2100 deutlich schneller steigt als ursprünglich - Drucksache 6/4919 - angenommen, dass wir inzwischen im globalen ERSTE BERATUNG Vergleich eine Erwärmung von über 1,3 Grad welt- weit haben, die Gletscherschmelzen verursacht. Ich gehe davon aus, dass die Ministerin das Wort Wir haben es in Thüringen auch mit einer Erwär- zur Begründung wünscht. Frau Ministerin Sieges- mung, mehr Extremwetterereignissen, trockeneren mund, Sie haben das Wort. Sommern, deutlich weniger Niederschlägen, mehr Stürmen und anderen, beispielsweise Hochwasser- Siegesmund, Ministerin für Umwelt, Energie ereignissen zu tun und sind mitten im Klimawandel. und Naturschutz: Der Klimaforscher Prof. Schellnhuber hat also völlig Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und recht, wenn er sagt, die globale Erwärmung ist die Herren Abgeordneten, liebe Gäste auf der Tribüne, größte längerfristige Bedrohung unserer modernen vor allen Dingen, wenn ich ins Rund blicke: Dies ist Zivilisation. Das ist in vielen Ecken und Enden die- ein Gesetzentwurf, der sich auch mit Rückblick auf ser Welt zu erkennen, aber natürlich auch bei uns. den eben abgeschlossenen Tagesordnungspunkt Da knüpfe ich sehr gern an Prof. Klaus Töpfer an, um die Zukunftsfähigkeit des Landes dreht. Es geht der vergangene Woche auf unserer Erneuerbare- um Klimaschutz und die Vorlage eines Klimage- Energien-Konferenz gesprochen hat: „Was alle an- setzes für das Land Thüringen. Denn da sitzt die geht“, sagte er, „das können auch nur alle lösen.“ Generation, die es betrifft zur Frage, wie unsere Le- Damit ist auch die Frage berechtigt: Was leistet bensqualität im Land aussehen wird. Thüringen, um beim Thema „Klimaschutz“ deutlich voranzugehen? Meine sehr geehrten Damen und Herren, das Jahr 2018 begann mit einem Rekord. Ich wage zu be- Unser Klimarat in Thüringen warnt eindeutig, was haupten, die meisten von Ihnen haben diesen Re- gesundheitliche Beeinträchtigungen betrifft. Das ist kord verschlafen. Dieser Rekord fand morgens um das eine, dass gerade ältere Menschen in den 6.00 Uhr am 01.01.18 statt und die Erneuerbaren durchschnittlich heißeren Sommern der letzten Jah- haben in dieser Zeit am 01.01., morgens gegen re gesundheitlich beeinträchtigt sind. Die Forstbe- 6.00 Uhr, 95 Prozent des gesamten Strombedarfs reiche betreffend nehmen wir den Waldumbau so der Bundesrepublik abgedeckt. Das war ein einma- vor, dass es, was den Klimawandel betrifft, entspre- liges Ereignis, mag jetzt der eine oder andere von chende Vorsorgemaßnahmen gibt. Die Landwirt- Ihnen denken, und in Spitzenzeiten mag das mög- schaft wird sich auf trockenere Sommer einstellen lich und auch interessant sein. Derjenige und dieje- müssen. Viele Bereiche sind davon betroffen. Des- nige, die das denken, haben auch recht, aber an wegen lohnt es sich, darüber zu reden: Wie berei- dieser Stelle ist dieses Ereignis auch ein Beispiel ten wir uns vor? dafür, was eigentlich seit der Einführung des Erneu- Ich will aber noch einmal einen globalen Blick wer- erbare-Energien-Gesetzes im Jahr 2000 geschafft fen. Wenn wir wissen, dass sich gerade auch die worden ist. Niemand oder wenige Menschen haben Bundesrepublik in Paris 2015 dazu bekannt hat, Kli- damals gedacht, dass 18 Jahre danach so eine maschutzziele zu erfüllen, und wir in Bonn – ich war Möglichkeit besteht, fast 100 Prozent Erneuerbare bei der Weltklimakonferenz vergangenes Jahr im im Stromnetz zu haben. Damit meine ich Strom aus November in Bonn dabei – dies auch noch einmal Wind, Sonne, Wasserkraft und Biomasse. bekräftigt haben, dann nützen nicht nur warme Wenn man sich die Zahlen noch einmal anschaut: Worte, sondern da muss man auch handeln. Das Im Jahr 2007 bestand unser Strommix unter ande- ist unsere Aufgabe, übrigens auch in Thüringen. rem aus 21 Prozent Atomkraft, 46 Prozent Kohle Mit Blick auf den Bund – ich sage das so offen – sowie 13 Prozent Erneuerbaren. Und nur zehn Jah- hätte ich mir schon gewünscht, dass wir gerade re später, nämlich 2017, sind wir bei 11 Prozent beim Kohleausstieg, bei einer CO2-Steuer oder an- Atomstrom – der Atomausstieg ist richtig, unum- deren Themen deutlicher zeigen, was für eine Vor- kehrbar, aber noch sind es 11 Prozent –, 36 Pro- reiterrolle wir gehen wollen. Wenn selbst der Bun- zent Kohle – da sind wir schon beim CO2-Problem desverband der Energiewirtschaft mit Blick auf die – und 33 Prozent Erneuerbaren. Innerhalb von deutsche Energiepolitik derzeit davon spricht, dass zehn Jahren eine Verdreifachung des Anteils der es mutloses Mikromanagement ist, meine sehr ge- Erneuerbaren, das ist der richtige Weg, meine sehr ehrten Damen und Herren, dann ist doch klar – und geehrten Damen und Herren. das war auch der Geist der Weltklimakonferenz in Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 110. Sitzung - 22.02.2018 9425

(Ministerin Siegesmund) Bonn –, dass es umso mehr auf die Regionen an- Erneuerbare bis 2040 in Thüringen sind möglich. kommt, die ihren Beitrag leisten. Mit Regionen mei- Übrigens ist auch gestern wieder beim parlamenta- ne ich die Kommunen, die Gemeinden, die Städte, rischen Abend der Handwerkskammer klar gewor- die Unternehmen, die Landkreise und natürlich den, dass es da auch um regionale Wertschöpfung auch die Länder. Da reiht sich Thüringen beispiels- geht. Wer baut denn die Solarmodule auf die Dä- weise ganz gut ein in ein Abkommen gemeinsam cher der Thüringer? Das ist natürlich das Hand- mit Kalifornien und vielen anderen Regionen der werk. Welt unter dem Titel „Under2 MOU“. Wir als Region (Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) wollen das Ziel „2 Grad“ verstetigen und dazu unse- ren Beitrag leisten. Wer kümmert sich darum, dass das Ganze gewar- tet wird? Das ist das Handwerk. Das meine ich mit Wir wollen einerseits die Verringerung der Treib- regionaler Wertschöpfung, die wir stärken sollten. hausgasemissionen vorantreiben. Wir wollen eine Ja, bis 2040 haben wir ein ambitioniertes Ziel, aber Klimaschutzstrategie auf den Weg bringen. Wir wol- es ist möglich. Es ist möglich, wenn wir den Drei- len ein klimaverträgliches Energiesystem. Wir wol- klang, den wir bislang haben, auch konsequent ver- len nachhaltige Mobilität stärken. Wir wollen kom- folgen. Der heißt: Energie sparen, Effizienz steigern munalen Klimaschutz stärken, einen klimaneutralen und Erneuerbare ausbauen. Wenn wir diesen Weg Gebäudebestand. Wir wollen bei den öffentlichen konsequent gehen, wenn wir ein Mehr an Energie- Stellen Vorbild sein. Und wir wollen die Anpassung effizienz gerade im Bereich Sektorkopplung Wär- an den Klimawandel vorantreiben. Das sind die me, Verkehr und Strom auf den Weg bringen – und acht Punkte, die im Klimagesetz stehen. Lassen das ist unser erklärtes Ziel, aus der Stromwende ei- Sie mich zu den einzelnen acht Punkten kurz aus- ne echte Energiewende zu machen, indem man die führen. drei Sektoren verbindet –, dann ist das denkbar. Punkt 1 – Treibhausgasminderung –: Erstmalig le- Ja, dazu gehört auch ein Flächenziel, was wir im gen wir in Thüringen konkrete Ziele zur Verringe- Klimagesetz festschreiben, für den Ausbau von rung des Treibhausgasausstoßes im Vergleich zum Windenergie von 1 Prozent. Das will ich auch mal Jahr 1990 fest. Bis zum Jahr 2030 sollen die Emis- sagen: Herr Gruhner, wenn Sie sich vor jedes po- sionen um 60 bis 70 Prozent sinken, bis zum Jahr tenzielle Windrad stellen und verhindern wollen, 2040 um 70 bis 80 Prozent, bis zum Jahr 2050 um dass wir in Thüringen den Windenergieausbau mit 80 bis 95 Prozent. Handlungsleitend ist die jeweils Augenmaß – wie Sie zu Recht sagen – im Übrigen maximale Emissionsreduktion, das heißt, Sie kön- vorantreiben, dann erklären Sie mal den Leuten, nen das Ganze auch runterbrechen auf die Formel wie, wenn es um große Gleichstromtrassen geht, 70-80-95 bis zum Jahr 2050. die dezentrale Energiewende vorangebracht wer- Da komme ich zum zweiten Punkt: Wie kommen den kann. Sie müssen sich an der Stelle auch mal wir denn dahin? Wenn man sich die Energieversor- langsam entscheiden, was Sie wollen: dezentrale gung in Thüringen anschaut, sieht man, dass es Energiewende oder den Leuten ein X für ein U vor- tiefhängende Früchte nicht gibt, sondern dass wir machen, denn der Strom muss ja irgendwoher eine Klimastrategie brauchen – das ist Punkt 2 des kommen. Klimagesetzes –, die auch den Weg dahin be- (Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE schreibt. Wir haben im vergangenen Jahr einen GRÜNEN) breiten Dialogprozess gestartet, viele Workshops durchgeführt, speziell mit Kommunen für die ver- Wir bieten nicht Populismus, sondern Förderpro- schiedenen Themenfelder der Energieversorgung, gramme, wie zum Beispiel „Solar Invest“. Wir bieten der Wirtschaft, des Verkehrs, der Gebäude, der pri- beste Beratung für die Kommunen, da kann man vaten Haushalte. Die 53 Maßnahmenvorschläge, auf uns zählen. die daraus erwachsen sind, liegen der Thüringer Punkt 4 im Klimagesetz – nachhaltige Mobilität –: Landesregierung als erste Klimastrategie vor. Nicht nur Sie erwarten mit Spannung das heutige Wenn Sie so wollen, ist das Klimagesetz mit seinen Urteil, wir natürlich auch. Aber die Frage, die natür- Zielen der Buchdeckel der Ziele, die wir für Thürin- lich zu stellen ist, ist: Wie kriegen wir das denn hin, gen erreichen wollen, und die Klimastrategie füllt dass wir im Bereich Verkehr tatsächlich die Emis- auf den einzelnen Seiten den Weg dahin, damit das sionen senken? Es ist übrigens nicht die Energie- Ganze auch entsprechend umgesetzt werden kann. wirtschaft, die nicht liefert. Der BDEW hat kürzlich Von Anfang an – das zeigt die Diskussion zur Kli- Statistiken veröffentlicht. Die Energiewirtschaft mastrategie ganz besonders – setzen wir dabei auf senkt deutlich ihre Emissionen. Es ist der Bereich Teilhabe und Akzeptanz. Einen so breiten Diskus- Verkehr, der nach wie vor die größten Potenziale sionsprozess zu einer solchen Strategie hat es bis- bietet. Wir haben dazu als Landesregierung natür- lang in dieser Form nicht gegeben. lich auch entsprechende Programme auf den Weg Punkt 3 des Klimagesetzes – Aufbau eines klima- gebracht, Stichwort „E-Busse“ für die Kommunen, verträglichen Energiesystems –: Ja, 100 Prozent Stichwort „Ausbau der Elektromobilität“ mit dem La- 9426 Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 110. Sitzung - 22.02.2018

(Ministerin Siegesmund) desäulennetz, übrigens mit allen regionalen Ener- wort „Klima im Wandel“ durch, um zu sensibilisie- gieversorgern in Thüringen. Das ist bundesweit ein- ren. Und die Kommunen kommen und wollen sich malig. Alle Stadtwerke hinter einer Ausbaustrategie beraten und unterstützen lassen. Genau das ist der versammelt setzen das Ganze um. Aber wir müs- Weg, den wir gehen wollen. sen die nächsten Schritte gehen und deswegen Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich finde, wird die Landesregierung auch im Mai einen Mas- dass sich Thüringen mit diesem Klimagesetz nicht terplan „Elektromobilität“ vorlegen und beim Be- nur in einer guten Reihe mit anderen Bundeslän- reich Verkehr auch nicht locker lassen. Kluge Mobi- dern sehen lassen kann – als da wären Baden- lität ist das Gebot der Stunde, die wollen wir unter- Württemberg, Hessen, Nordrhein-Westfalen, stützen und da gibt es viele klimafreundliche Alter- Schleswig-Holstein, Bremen, Hamburg und Ber- nativen, die Mobilität alltagstauglich und verbrau- lin –, sondern dass es an der Zeit ist, sich gemein- cherfreundlich gestalten. sam mit den Verbänden vorzubereiten – und den Punkt 5 – kommunaler Klimaschutz und öffentliche Weg sind wir in den letzten Monaten gegangen –, Fernwärmeversorgung –: Es geht eben darum, un- vorzusorgen und an dieser Stelle auch für kommen- sere Partner, nämlich die Gemeinden und Landkrei- de Generationen einen Beitrag zu leisten, der sicht- se, mitzunehmen auf diesem Weg, auf dem Weg bar ist, der zeigt, das Thüringen lebenswert bleibt des Erreichens der Klimaschutzziele. Nordhausen, und vor allen Dingen, dass wir uns der globalen der Ilm-Kreis oder Bad Tennstedt gehen da übri- Verantwortung stellen, unseren eigenen Beitrag zu gens wie viele andere Kommunen und Landkreise leisten. Ich freue mich auf die mit Sicherheit jetzt mit gutem Beispiel voran. Sie erstellen bereits Wär- anstehende, muntere Debatte. Vielen Dank. meanalysen, Wärmepläne, Klimaschutzkonzepte. (Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE Das ist der richtige Weg. Wir helfen beim Priorisie- GRÜNEN) ren, wenn es darum geht: Wo investiert die Ge- meinde als Nächstes? Ist es eher die Sanierung des Schwimmbades, weil die Energieeffizienz-Ge- Präsident Carius: winne am höchsten sind, oder ist es die LED-Be- leuchtung im Ort? Da helfen unsere Konzepte übri- Diese darf ich jetzt eröffnen und als Erste hat Frau gens auch, bares Geld sparen, und das ist der Abgeordnete Mühlbauer für die SPD-Fraktion das Weg, den wir gemeinsam mit den Kommunen ge- Wort. hen wollen. Gleichzeitig unterstützen wir mit „GREEN invest“ Unternehmen, mit „Klima Invest“ Abgeordnete Mühlbauer, SPD: die Kommunen. Das heißt: Wir reden nicht nur und Sehr geehrter Herr Präsident, werte Damen und fordern Dinge ein, sondern wir bieten auch gleich- Herren, werte Zuhörer im Raum und an anderen zeitig die Förderinstrumente, sodass unsere Ange- Medien! Vielen Dank, Frau Ministerin, für diese Ein- bote angenommen werden können, und unterstüt- bringung. Vielen Dank für die engagierte Erarbei- zen damit die Kommunen, übrigens genauso wie tung dieses sehr wichtigen Themas. Ein Klimage- die Gebäudeeigentümer – das ist Punkt 6. setz in Thüringen ist längst überfällig. Gerade zu Punkt 7 – Vorbildfunktion öffentlicher Stellen und Zeiten dieses Klimawandels, zu Zeiten, wo wir täg- klimaneutrale Landesverwaltung –: Ich finde, es lich mit Hochwasser oder anderen Katastrophen zu wäre zu wenig, allen etwas abzuverlangen, wo man tun haben, denke ich, ist es eine Aufgabe, die uns nicht selber auch liefert. Deswegen will die Landes- lange überfällig ansteht, sie hier in diesem Raum zu verwaltung bis 2030 klimaneutral sein und ihren diskutieren – diskutieren mit allen Beteiligten, die Beitrag leisten. Dazu haben wir uns auf den Weg wir in Thüringen haben. Wir haben engagierte Zie- gemacht. le, wir haben konkrete Ziele, wir wollen die Treib- hausgase minimieren, wir wollen 100 Prozent des Punkt 8 – Anpassung an die Folgen des Klimawan- Energiebedarfs aus Erneuerbaren stemmen. Wir dels –: Ich sagte es zu Beginn, wir sind mittendrin haben Vorreiterprojekte im lokalen Klimaschutz, sie im Klimawandel. Und eben weil die Kommunen sich wurden gerade erwähnt. Ich darf hier noch mal auf vorbereiten müssen auf das nächste Starkregener- den Ilm-Kreis eingehen, weil wir da aktiv an runden eignis, auf das nächste Hochwasser, sind wir in der Tischen mit beteiligt sind, mit den Unternehmen Pflicht, hier beispielsweise vorsorgenden Hochwas- aus dem Industriegebiet, die auf uns zukommen serschutz oder Hitzevorsorge zu unterstützen, zu fi- und sagen: Lasst uns neue Wege gehen, lasst uns nanzieren. Das werden wir tun. Übrigens werden Abwärme gewinnen, diese Energien weiterverwen- wir uns auch die Bausünden der Neunziger an den. Wir haben den Gebäudebestand, wo schon manchem Ort anschauen müssen, wo nicht mal ein viel passiert ist, wo wir aber, denke ich, noch Luft Bächlein fließt, aber so versiegelt wurde, dass trotz- nach oben haben und neue Modelle gehen werden. dem beim ersten Starkregen die Keller, die in die Bis 2050 einen klimaneutralen Gebäudebestand zu Senke gebaut worden sind, vollstehen. Das ist die erreichen, ist durchaus ein realistisches Ziel. Aufgabe der Landesregierung. Dafür führen wir im Augenblick Regionalkonferenzen unter dem Stich- Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 110. Sitzung - 22.02.2018 9427

(Abg. Mühlbauer) Wir haben hier eine Zukunftsaufgabe, eine Frage, 2050, wo auch sehr umfänglich und sehr intensiv die die nächste Generation betreffen wird, die wir die Frage des Klimaschutzes, wie es der Name heute beantworten müssen. Aus diesem Grund sagt, in den Blick genommen wird. Deswegen, sind freue ich mich auf diese Diskussion in ganz vielen wir der Überzeugung, ist ein eigenes Thüringer Ge- Bereichen, denn es ist eine Querschnittsaufgabe. setz an dieser Stelle so nicht notwendig. Es ist eine Aufgabe, die in allen Bereichen, von der Ich will eines sagen: Sie argumentieren, dass jetzt Mobilität über den Gebäudebereich, über das die Regionen – egal wo auf der Welt – einen be- Handwerk, das sich neuen Aufgaben stellen muss sonderen Beitrag leisten, weil verschiedene natio- und stellen wird, diskutiert werden muss. Aus die- nalstaatliche Regierungen den Beitrag nicht leisten sem Grund ist es heute ein schöner und guter Tag wollen, den das Pariser Abkommen eigentlich von und ich kann es hier in dem Bereich auch kurz ma- allen verlangt. Nun will ich Ihnen recht geben, dass chen: Ich freue mich auf eine lebendige Diskussion. das für die Vereinigten Staaten durchaus zutrifft. Ich freue mich, dass wir dieses Klimagesetz heute Natürlich macht es Sinn, dass beispielsweise der hier haben. Ich freue mich auch, in die Diskussion Bundesstaat Kalifornien hier deutlich vorangeht, unsere Klimaschutzstrategie mit einbringen zu dür- weil man im Weißen Haus offensichtlich der Mei- fen, und beantrage Überweisung an die Ausschüs- nung ist, dass Klimaschutz keine Aufgabe wäre. se für Wirtschaft und Wissenschaft, für Infrastruktur Korrekt, sind wir völlig einer Meinung. Nur will ich und Landwirtschaft und natürlich federführend für Ihnen auch sagen: Wenn man dann im gleichen Umwelt, Energie und Naturschutz. Ich denke, da Atemzug argumentiert, man müsse das so auch in gehört es hin, fachlich mit den Beteiligten und mit Deutschland machen, dann impliziert das ja – und den Bürgern für ein zukunftsfähiges Thüringen, für im Übrigen auch das, was jetzt im Entwurf des Koa- die Antworten der nächsten Generation. Danke litionsvertrags ausgearbeitet ist –, dass die Bundes- schön. regierung den Klimaschutz eben nicht in den Blick (Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE nimmt. Ich finde, das, was Sie hier behaupten, GRÜNEN) stimmt so nicht. Wir haben zahlreiche Maßnahmen, bei denen Deutschland – im Übrigen auch im euro- päischen Vergleich – deutlich vorangeht. Deswe- Vizepräsidentin Jung: gen will ich Ihnen einfach sagen: Erwecken Sie Als nächster Redner hat Abgeordneter Gruhner, nicht immer den Eindruck, Sie und Ihre Partei oder Fraktion der CDU, das Wort. gar Sie mit Ihrem Gesetz wären die Einzigen, die den Klimaschutz in diesem Land voranbringen. Sie haben gerade selbst verschiedene Erfolge aufge- Abgeordneter Gruhner, CDU: zählt und ich glaube, die Erfolge, die Sie zu Recht Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! aufgezählt haben, sind auch von denen gemacht, Kollegin Mühlbauer, ich versuche gleich mal einen die Sie indirekt kritisieren. Deswegen will ich Ihnen Beitrag zu einer lebendigen Debatte zu leisten, nur sagen: Ihre Argumentation, dass Sie jetzt in denn in der Tat ist eine lebendige Debatte um die- Thüringen etwas machen müssten, weil es andere ses Gesetz mehr als notwendig. im Bund versäumen, geht völlig fehl, sie ist falsch, sie erweckt einen völlig falschen Eindruck. Das will Ich will vielleicht zunächst erst mal in drei Spiegel- ich an dieser Stelle noch mal sagen. strichen das zusammenfassen, was uns die Um- weltministerin heute hier vorgelegt hat. Man kann Zweitens: Warum braucht es dieses Gesetz nicht? das Gesetz mit drei Punkten charakterisieren: 1. Der zweite Grund ist, weil es Bürokratie und Mehr- mehr Bürokratie; 2. wenig Effekt fürs Klima und 3. belastungen bedeutet, Mehrbelastungen für Kom- grünes Schaufenstergesetz. So kann man das rela- munen, Mehrbelastungen für die Wirtschaft. Sie ha- tiv simpel zusammenfassen, ben davon nicht gesprochen, als Sie Ihren Gesetz- entwurf hier noch mal dargestellt haben, aber ich (Beifall CDU) will schon noch mal daran erinnern, dass Sie Ener- gie-, Gewerbe-, Industrie- und Landwirtschaftsun- was Sie heute hier vorlegen. Deswegen will ich ternehmen verpflichten wollen, Energiedaten an auch gleich zu Beginn eines sehr klar sagen: Wir Landkreise und Gemeinden zu übermitteln. Das sind der festen Überzeugung, dass es dieses Ge- wird – und das hat auch die Thüringer Wirtschaft setz überhaupt nicht braucht. Und warum braucht bereits in der Diskussion deutlich gemacht, bevor es dieses Gesetz nicht? Drei Gründe: Erstens ha- Sie das Gesetz hier eingebracht haben – zu deutli- ben wir – und es wird Sie nicht überraschen, dass chem Bürokratieaufbau führen. Wenn man es dann ich das anführe – bereits zahlreiche Instrumente mal ins Verhältnis setzt: Am Ende hat das doch kei- des Bundes und der Europäischen Union zum Kli- nen Effekt für das Klima, aber es hat einen Effekt maschutz. Ich erinnere nur mal daran, dass wir das dafür, dass die Thüringer Wirtschaft wieder mehr Aktionsprogramm Klimaschutz 2020 haben, da sind belastet wird. allein über 100 Maßnahmen für alle Sektoren aus- gearbeitet. Es gibt den nationalen Klimaschutzplan 9428 Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 110. Sitzung - 22.02.2018

(Abg. Gruhner) Und ein Zweites: Sie wollen Bürger verpflichten, Es passt ganz wunderbar, hören Sie einfach zu, dass sie sich zu Mindestanteilen an erneuerbaren dann werden Sie es merken. Energien bei ihrer Wärme- und Kälteversorgung be- (Zwischenruf Abg. Adams, BÜNDNIS 90/DIE kennen und verpflichten. Sie schreiben dann zwar GRÜNEN: Die Zwischenrufe bedingen, dass ins Gesetz, ja, das wäre alles abhängig von den ich zuhöre!) wirtschaftlichen Verhältnissen. Aber was heißt das denn? Legen Sie dann fest, was die wirtschaftli- Ja, schön, dann freut mich das. chen Verhältnisse sind? Das ist nun wirklich reich- Ich will dennoch ganz klar sagen: Ihr Gesetz ver- lich abstrus. Deswegen muss man auch hier sagen: sucht durch die Hintertür, Gängelung und Belas- Mehrbelastungen nicht nur für die Wirtschaft, son- tung für Wirtschaft und Kommunen einzuführen, die dern auch für die Bürger. Sie gängeln, Sie üben man so noch gar nicht schwarz auf weiß lesen Zwang aus. Deswegen, sagen wir, braucht es die- kann. Ich habe einzelne Beispiele ausgeführt, aber ses Gesetz nicht. was hinzukommt, ist, dass Sie in Ihrem Gesetz Der dritte Grund, warum es dieses Gesetzes hier mehrere Rechtsverordnungen verankern, die Sie nicht braucht, vor allem nicht in dieser Form, ist: dann noch auf den Weg bringen wollen. Sie veran- Wir sind der festen Überzeugung, dass das, was kern die integrierte Energie- und Klimaschutzstrate- Sie hier vorgelegt haben, auch keinen substanziel- gie, ein integriertes Maßnahmenprogramm für Kli- len Effekt für das Klima haben wird. Sie belasten, maanpassung. Da kann man über alle Dinge reden. ohne dass es positive Effekte für das Klima bringt. (Zwischenruf Abg. Harzer, DIE LINKE: Des- Deswegen, sind wir der Überzeugung, ist dieses wegen heißt es auch „Klimagesetz“!) Gesetz nicht notwendig. Nur, wenn wir ins Gesetz jetzt reinschreiben, dass Ich will eines sagen, weil ich mir die Reden schon Sie die Ermächtigung für diese und jene Rechtsver- wieder gut vorstellen kann, die jetzt im Anschluss ordnung haben, dann ist mit der Verabschiedung kommen werden: Selbstverständlich stehen wir dieses Gesetzes überhaupt nicht transparent, wel- zum Klimaschutz. Deswegen habe ich auch ausge- che Belastungen, welche Mehrbelastungen auf führt, was die Bundesregierung unter Führung der Wirtschaft, Bürger und Kommunen zukommen. Union in den vergangenen Jahren hier geleistet hat. Deswegen ist Ihr Gesetz am Ende auch nicht, wie Aber eines ist auch klar: Wir sind uns einig im Ziel, es vielleicht der BUND charakterisiert, „harmlos“ aber wir sind uns nicht einig in der Frage, wie wir und „ein zahnloser Tiger“ – es hätte noch schlim- dahin kommen. Wir meinen eben, bei der Frage, mer kommen können, in der Tat –, aber wir müssen wie wir dahin kommen, geht es mehr um die Frage gehörig aufpassen, dass Sie nicht durch die Hinter- von Anreizen und da geht es vor allem darum, dass tür dann per Rechtsverordnung Gängelung und wir sinnvolle Maßnahmen auf den Weg bringen, so Zwang in noch höherem Maße ausüben, wie es das wie es die Bundesregierung im Klimaschutzpro- Gesetz ohnehin schon vorsieht. Deswegen ist an gramm 2050 auch macht. dieser Stelle Obacht geboten. Nun muss man eines zumindest positiv konstatie- Wir haben immer gesagt: Statt dieses Gesetzes ren – man muss ja auch immer mal die positiven können wir uns vorstellen, dass wir über den Klima- Dinge in den Blick führen –, das Gute ist ja: Sie schutzplan reden, wie es beispielsweise die sind mit dem, was Sie eigentlich wollten, erneut schwarz-grüne Regierung in Hessen gemacht hat. grandios gescheitert wie schon bei so vielen Din- Denn entscheidend ist doch eines, entscheidend ist gen. Sie sind an der öffentlichen Debatte geschei- doch nicht, dass wir hier grüne Schaufensterge- tert, weil da Gott sein Dank schon viel Druck ausge- setze auf den Weg bringen, sondern entscheidend übt wurde. Sie sind aber auch erneut an Ihren Koa- ist, dass wir sehr konkret Maßnahmen umsetzen. litionspartnern gescheitert, insbesondere am sozial- Dazu sind wir in der Tat bereit. Ich sage Ihnen aber demokratischen Koalitionspartner, die natürlich auch – und das ist wieder ein Grund, warum es die- auch deutlich gemacht haben, der Wirtschaftsminis- ses Gesetz nicht braucht –: Vieles, was da drinsteht ter, dass das, was Sie hier ursprünglich vorhatten, – ich nenne mal nur so ein paar Sachen: Unterstüt- eine Katastrophe für die Wirtschaft gewesen wäre. zung der Erschließung der Potenziale der erneuer- Dass Sie offensichtlich gescheitert sind, belegt ja, baren Energien, Unterstützung von Energieeinspa- dass der BUND beispielsweise sagt: De facto ist es rung, Entwicklung des Verkehrssektors in Richtung ein zahnloser Tiger, den Sie hier vorlegen. Deswe- nachhaltige Mobilität, Klimaneutralität der Landes- gen muss man das schon mal positiv konstatieren, verwaltung –, all das können Sie ohnehin machen. denn noch – auch wenn einige vom zahnlosen Ti- Machen Sie es doch einfach! Da brauchen Sie kein ger reden – ist das alles gar nicht so harmlos, wie Gesetz verabschieden, wo Sie dann noch ein paar es daherkommt, denn am Ende ist Ihr Gesetz … Belastungen für Kommunen und Wirtschaft und (Zwischenruf Abg. Adams, BÜNDNIS 90/DIE Gängelungen mit reinfummeln, sondern machen GRÜNEN: Jetzt passt es nicht mehr!) Sie das, was Sie an positiven Maßnahmen auf den Weg bringen wollen. Da brauchen Sie kein Gesetz. Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 110. Sitzung - 22.02.2018 9429

(Abg. Gruhner) All das, was Sie hier proklamieren, könnten Sie auf (Zwischenruf Abg. Adams, BÜNDNIS 90/DIE den Weg bringen. Deswegen kann ich nur erneut GRÜNEN: Okay!) sagen: Dieses Gesetz ist überflüssig. Ich weiß na- man könne sich nicht gegen jedes Windrad stellen türlich, dass es dazu dient, dass Sie sich dann auf und gleichzeitig sagen, man möchte keine Strom- Grünen-Parteitagen und sonst wo hinstellen kön- trassen. Also wenn ich mich an die Debatte auch nen und groß die Trophäe eines grünen Klimage- auf Bundesebene erinnere, als es um das EEG setzes präsentieren. Aber am Ende ist doch das ging, als es um die Novelle des EEG ging, dann nicht entscheidend. Am Ende ist entscheidend, war es Ihre Partei, die gesagt hat: Wir wollen keine dass wir konkrete Maßnahmen machen und nicht Deckelungsregelung beim Ausbau der Erneuerba- nur grüne Schaufenstergesetze hier verabschieden. ren. Es war Ihre Partei, die gesagt hat: Wir wollen Lassen Sie mich noch mal etwas zum 100-Prozent- den Erhalt der festen Einspeisevergütung. All das Ziel sagen, das Sie auch in Ihrem Gesetz hier noch würde doch, wenn wir das weiterführen würden, da- mal festschreiben. 100 Prozent Erneuerbare im zu führen, dass wir ohne Ende weiterhin einen Jahr 2040, da will ich nur zumindest mal, was die maßlosen Zubau an Erneuerbaren und insbesonde- Frage dessen betrifft, ob das realistisch ist, zwei re an Windenergie hätten. Das würde eben auch Zahlen mit einführen. Aktuell stehen nach dem Thü- dazu führen, dass wir im Bereich des Stromtrassen- ringer Landesamt für Statistik – das sind die Zahlen baus dann über eine größere Intensität reden müs- von 2016 – einem jährlichen Primärenergiebedarf sen. Deswegen, finde ich, geht Ihr Argument fehl, von 68,5 Terrawattstunden im Freistaat 4,6 Terra- wenn Sie uns vorwerfen, man könne nicht gegen wattstunden an Stromerzeugung und geschätzte eine gerechte Last beim Ausbau der Stromnetze 1,2 Terrawattstunden an Wärmeerzeugung aus er- sein und sich gleichzeitig entgegenstellen, wenn neuerbaren Quellen gegenüber. Das sind 9 Prozent ohne Maß und Mitte Windenergie ausgebaut wird. Anteil am gesamten Primärenergiebedarf. Inwieweit Man kann das schon zusammenbringen. Wir wollen dann die 100 Prozent im Jahr 2040 realistisch sind, Maß und Mitte beim Ausbau der erneuerbaren da mache ich mal ein großes Fragezeichen. Ich bin Energien und beharren aber gleichzeitig darauf, ja immer dafür, dass man sich ehrgeizige Ziele dass Thüringen beim Ausbau der Stromnetze nicht setzt, nur sollten sie realistisch sein und, ich glau- der Lastesel der Nation ist. Das passt sehr wohl zu- be, das, was Sie uns hier ins Gesetz reinschreiben, sammen und das werden wir von Ihnen auch nicht das ist vom heutigen Standpunkt her schon mal durch irgendwelche komischen Argumentationen nicht zu erreichen. hier infrage stellen lassen. Lassen Sie mich noch mal eine grundsätzliche Be- (Zwischenruf Abg. Harzer, DIE LINKE: Dann merkung machen, weil Sie das auch noch mal aus- tun Sie doch was dagegen!) geführt haben, mit Blick auf das Thema „Windener- Offensichtlich können Sie nicht zuhören, wenn Sie gie“ usw. Ich will zunächst einmal eines sagen, und jetzt so dazwischenreden. das war auch durchaus eine Debatte in der letzten Woche: Wenn man ernsthaft Klimaschutz will, wenn (Zwischenruf Abg. Harzer, DIE LINKE: Sie man ernsthaft Energiewende umsetzen will, dann tun doch nichts!) ist es unabdingbar, dass man in dieser Gesellschaft auch einen Konsens darüber organisiert. Und Kon- (Zwischenruf Abg. Tischner, CDU: Sie sind sens organisiert man gemeinhin – egal, um wel- doch in der Regierung!) chen politischen Bereich es geht – dann, wenn man (Unruhe DIE LINKE) Akzeptanz schafft. Deswegen will ich Ihnen noch mal grundsätzlich sa- (Zwischenruf Siegesmund, Ministerin für Um- gen … welt, Energie und Naturschutz: Richtig!)

Ich finde, dieses Gesetz ist erneut ein Beispiel, wo Vizepräsidentin Jung: Sie einen Beitrag leisten, dass diese Akzeptanz bröckelt. Weil Sie selbst das Thema „Windkraft“ an- Meine Damen und Herren, Abgeordneter Gruhner gesprochen haben, sage ich Ihnen auch: Auch das hat jetzt das Rederecht. ist ein Beispiel, wo Sie einen Beitrag leisten, dass die Akzeptanz für Klimaschutz und Erfolg der Ener- Abgeordneter Gruhner, CDU: giewende in diesem Land bröckelt. Nun haben Sie Kollege Harzer, ich glaube, es tut Ihrem Blutdruck süffisant vorhin gesagt, wir müssten uns mal ent- durchaus gut, wenn Sie in aller Gelassenheit die scheiden, man könne nicht gegen Windenergie in Debatte verfolgen und wir dann hier vorn am Pult diesem Land sein – wir sind auch nicht gegen die Debatte führen und nicht so. Windenergie in diesem Land, wir sind für Windener- gie mit Augenmaß –, Lassen Sie es mich noch einmal abschließend sa- gen: Wenn man den Erfolg von Klimaschutz und (Zwischenruf Siegesmund, Ministerin für Um- Energiewende will, wie Sie es hier auch wieder welt, Energie und Naturschutz: Und wo?) 9430 Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 110. Sitzung - 22.02.2018

(Abg. Gruhner) ganz blumig ausgeführt haben, dann muss man für wollen keine Photovoltaik, denn das belastet ja die Akzeptanz sorgen. Wir sind der festen Überzeu- Bürger über die Kosten. Was wollen Sie denn? gung, dass es gerade eine Landesregierung mit Sie wollen CO reduzieren, aber sagen nicht, wie grüner Beteiligung ist, die das Klima für den Klima- 2 das denn geht. Ich empfehle Ihnen da mal etwas schutz verschlechtert. Das ist auch das Signal des zum Lesen. Es gibt eine Studie vom WWF „Modell Tages, das ist das Signal, dass Sie mit Ihrem Ge- Deutschland Klimaschutz bis 2050: Vom Ziel her setz aussenden. Vielen Dank. denken!“ Vielleicht sollten Sie sich dies einfach ein- (Beifall CDU) mal vornehmen, Herr Gruhner. Vielleicht sollten Sie das einmal lesen, dort sind nämlich detaillierte poli- Vizepräsidentin Jung: tische Maßnahmen und Instrumente bis 2030 auf- gelistet, die heute ergriffen werden müssen, und Als nächster Redner hat Abgeordneter Harzer, zwar deswegen heute, weil zwei Drittel der Klima- Fraktion Die Linke, das Wort. schutzziele mit langfristigen investiven Maßnahmen verbunden sind. Wenn wir 2050 die Ziele erreichen Abgeordneter Harzer, DIE LINKE: wollen, müssen wir heute schon die Weichen stel- len und deswegen ist es auch wichtig, dass wir ein Sehr geehrte Frau Präsidentin, werte Kolleginnen Klimagesetz hier im Thüringer Landtag beraten und und Kollegen, man stellt immer wieder fest: Wir beschließen. Klimagesetz deswegen, weil es nicht denken scheinbar das Gleiche, aber über unter- nur um Klimaschutz geht, sondern auch um Klima- schiedliche Geschichten. Den Ausführungen des folgenanpassung. Und gerade Klimafolgenanpas- Herrn Gruhner ist wieder mal zu entnehmen, dass sung ist ein Thema, womit wir uns befassen müs- die CDU immer noch nicht verstanden hat, um was sen. es hier eigentlich geht. Wenn über Kosten geredet wird, die wir Dritten mit diesem Gesetz auferlegen, Wenn ich über langfristige Investitionen rede, dann dann weiß Herr Gruhner immer noch nicht, über können wir den SuedLink gleich noch einmal the- welche Kosten wir reden, wenn wir nichts tun, und matisieren, den Sie angeblich verhindern wollen. dass diese durch die Folgen des Klimawandels um Ich weiß nur noch nicht wie, denn es gibt keine Ge- ein Vielfaches höher sein werden als die Kosten, setzesinitiative im Bundestag, auch nicht von Herrn über die wir hier reden. Hauptmann, Ihrem Kollegen aus der Jungen Union, der groß im Wahlkampf verkündet hat, er lasse den (Beifall DIE LINKE) SuedLink platzen. Wo ist denn das Gesetz zur Än- Ein Stefan Gruhner redet hier über mehr Bürokra- derung des Bundesbedarfsplangesetzes, damit der tie, über die Belanglosigkeit eines Gesetzes und SuedLink nicht kommt? über ein grünes Schaufenstergesetz. Also ich bin (Zwischenruf Abg. Gruhner, CDU: Es gibt nicht grün und ich bin für dieses Gesetz. Ich denke, doch noch gar keine!) es hat auch nichts damit zu tun, ob das grün, rot, gelb, schwarz oder sonst wie ist, sondern es hat Der SuedLink ist doch eine langfristige Entschei- damit zu tun, dass wir einfach was für unser Leben dung. Vor allem ist auch die Ursache eine langfristi- tun müssen, dass wir etwas für unsere Nachfahren ge Entscheidung, weil man 2003 unter Führung der tun müssen, dass wir etwas für diesen Planeten tun CDU in Hamburg entschieden hat, ein Gaskraft- müssen, damit wir auch diesen Planeten lebens- werk durch ein Kohlekraftwerk zu ersetzen, das vor wert halten und damit wir die Ziele, die die Bundes- zwei Jahren in Betrieb gegangen ist. 2015 ist es in regierung unter Führung Ihrer Kanzlerin, lieber Herr Betrieb gegangen – 2 Gigawatt! Es versorgt Ham- Gruhner, von Paris 2015 bestätigt hat, im Jahr 2016 burg mit Strom und deswegen können in Hamburg auch umsetzen können. Dazu brauchen wir ge- 2 Gigawatt Windstrom nicht abgenommen werden meinsame Anstrengungen, dazu brauchen wir ge- und müssen über den SuedLink in den Süden meinsame Ziele. transportiert werden. So einfach ist langfristige In- vestition zu betrachten und darüber sollten wir mal Ich hoffe und wünsche mir, dass die CDU bei den reden. Diskussionen im Ausschuss für Umwelt und Ener- gie – wir beantragen die Überweisung federführend (Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- in diesen Ausschuss – nicht so rückwärtsgewandt NEN) diskutiert wie heute, sondern vorwärtsgewandt und Und wenn wir über Klimafolgenanpassung reden, im Sinne dieser Geschichten. Mir kommt es fast so dann fangen wir an und reden zum Beispiel mal vor wie vorhin, der MP hat es zu Ihrem Fraktions- über die deutsche Esche, die in Bayern vor 15, vorsitzenden gesagt: Der sagt immer nur Nein, 20 Jahren im Zuge des Waldumbaus mal großflä- Nein, Nein. Ich höre aber nie: Ja, wie will ich es. chig angebaut worden ist. Jetzt kommt da aus Süd- Das habe ich bei Ihnen auch wieder nicht gehört, ostasien so ein kleiner Pilz daher, der Eschen … Sie haben nicht gesagt, wie Sie Klimaschutz in Thüringen wollen. Sie wollen keine Windräder, Sie (Zwischenruf Abg. Kummer, DIE LINKE: Triebsterben!) Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 110. Sitzung - 22.02.2018 9431

(Abg. Harzer) Ja, irgend so ein Pilz aus Asien kommt hierher im Die durchschnittliche Oberflächentemperatur in Zuge des Klimawandels. Seit 2008/2009 ist der in Thüringen ist nachweisbar seit Beginn des Deutschland vorhanden und führt zum Sterben die- 20. Jahrhunderts um 1,3 Grad auf 8,5 Grad Celsius ser Eschen. angestiegen. Das ist nachweisbar. Die Zahlen sind vorhanden, die Zahlen sind nicht von mir erfunden. (Heiterkeit CDU) Wir hatten 2014, 2015 und 2016 die wärmsten Jah- 90 Prozent der Eschenbestände sind teilweise be- re seit 1881 in Thüringen, das muss man auch mal fallen, in Bayern, in Sachsen und in Sachsen-An- sagen. Schauen wir uns nur mal den Winter an! halt und es kommt auch nach Thüringen und führt Man muss ja fast froh sein, dass – wie die Bild-Zei- zum Sterben dieser Eschen. Die Eschen, die man tung geschrieben hat – die „Russlandpeitsche“ aufgezogen hat, die man angepflanzt und gesät kommt und uns mit Frost überzieht, sodass wir end- hat, um Waldumbau zu betreiben. Dieser Klima- lich mal kaltes Wetter haben im Winter. wandel stellt uns vor ganz neue Herausforderungen (Zwischenruf Abg. Möller, AfD: Das ist der und darüber müssen wir nämlich nachdenken. Wir Klimawandel, dass es so kalt ist!) müssen darüber nachdenken, wie wir den von Men- schen verursachten Anstieg der Treibhausgasemis- Wir haben aber ansonsten kein kaltes Wetter mehr sion stoppen, wie wir die Folgen daraus, die Erwär- in dieser Zeit. mung des Klimasystems, die Erwärmung der Ozea- (Zwischenruf Abg. Möller, AfD: Gehen Sie ne und der Atmosphäre stoppen. Selbst wenn wir mal raus, Herr Harzer!) heute mit dem Ausstoß von Treibhausgasen auf null gehen, wird die nächsten 20 Jahre die Tempe- Ich kann mich noch erinnern an Winter, wo wir den ratur weiter steigen, weil die Ozeane dermaßen ganzen Winter Schnee hatten. aufgeheizt sind, aufgewärmt sind, dass dieses (Zwischenruf Abg. Möller, AfD: Es ist doch nachwirkt. kalt!) Wie gehen wir mit der Abnahme von Schnee und Das habe ich doch gerade gesagt, Herr Möller, Sie Eis um, mit dem Anstieg des Meeresspiegels, mit müssen zuhören. Das ist wie mit dem Lesen, man der Versauerung der Ozeane, mit dem Verlust von muss das, was man liest, auch verstehen und das, Lebensräumen, der Artenvielfalt, der landwirtschaft- was man hört, muss man auch verstehen können, lichen Erträge? Wie gehen wir mit dem Verlust an aber da scheint es bei Ihnen ja zu scheitern, an Wasserverfügbarkeit um, mit sozialen Konflikten, dem Können, weil das mit möglicherweise weiteren Folgen? (Unruhe AfD) (Zwischenruf Abg. Möller, AfD: Das schafft ihr doch!) ist eine Geschichte, die Ihnen fehlt. Aber ich werde darauf jetzt nicht weiter eingehen, sonst kriege ich Wie gehen wir damit um, dass das Potsdamer Insti- noch einen Ordnungsruf, das will ich mir heute nicht tut für Klimafolgenforschung uns voraussagt, wenn antun. wir 3 Grad Erwärmung haben, sind 75 Prozent die- ses Planeten nicht mehr bewohnbar, bei 4 Grad Wie gesagt, wie gehen wir damit um, dass die sind es 80 oder 90 Prozent. Frost- und Eistage abnehmen? Wie gehen wir da- mit um, dass die Sommer- und heißen Tage zuneh- (Zwischenruf Abg. Möller, AfD: Panikmache!) men? Klar, würden wir sagen, Sommer schön Es wird Länder geben, in denen man bei 3 Grad Er- warm, Freibad. Ja, aber dass unser natürliches wärmung mittags nicht mehr rausgehen kann. Ich System durcheinanderkommt, dass nicht nur die weiß, dass die AfD wieder „Panikmache“ ruft, dass Eschen, dass auch die Fichten zunehmend darun- sie wieder keine Ahnung hat – „das ist ja normal, ter leiden, der Brotbaum der Forstwirtschaft zuneh- wir haben ja schon immer Klimawandel gehabt“. mend unter der Trockenheit leidet, dass ganze Be- Klar haben wir schon immer Klimawandel gehabt, reiche umgebaut werden müssen, das verschwei- aber entweder ist die Erde von einem Asteroiden gen Sie. Die Zunahme von Extremereignissen, getroffen worden oder es war ein langfristiger Kli- Starkniederschlägen und Gewitter, die dramatische mawandel. Kurzfristige Klimawandel wie im Laufe Änderung von Jahresniederschlagsmengen, die der letzten 150 Jahre sind durch die Menschen ver- spürbaren Veränderungen regional und saisonal, ursacht und nicht durch natürlichen Klimawandel, trockenere Sommer, nassere Winter, dass wir dies nämlich durch den Ausstoß von Treibhausgasen alles berücksichtigen müssen und dass wir auch in seit der industriellen Revolution, Herr Möller. Aber Thüringen was dafür tun müssen, denke ich, ist un- ich weiß, Sie sind da auf Trumps Seite und sagen: bestritten – bis auf ein paar Einzelne, die in der La- Das hat mit uns alles nichts zu tun, wir sind ja so ge sind, weltweite Forschungsergebnisse einfach dämlich, wir rennen ins eigene Verderben, wir ren- zu negieren, die nicht mal wissen, was der interna- nen ins eigene Sterben. tionale Klimarat ist und wie der internationale Kli- marat zu seinen Empfehlungen kommt. 9432 Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 110. Sitzung - 22.02.2018

(Abg. Harzer) Wie gesagt, Klimagipfel in Paris, dort gab es das das machen wir. Die Ministerin hat vorhin gesagt, Bekenntnis zur Begrenzung der Erderwärmung auf wer schon Klimagesetze hat. Dazu an die Adresse deutlich unter 2 Grad gegenüber der vorindustriel- der CDU: Das Berliner Klimagesetz 2016 wurde mit len Zeit, das Ziel der Treibhausgasneutralität in der den Stimmen der CDU verabschiedet. Dort war zweiten Hälfte des 21. Jahrhunderts, alle fünf Jahre nämlich die CDU noch in der Regierungsverantwor- Beginn eines globalen Überprüfungsprozesses – tung, als man am 22. März 2016 beschlossen hat: findet sich auch im Gesetz wieder – sowie die An- Reduktionsziele nach Sektoren und Handlungsbe- passung des Klimawandels als gleichberechtigtes reichen, Ressourcenschutz, Energieeinsparung, Ziel neben der Treibhausgasminderung. All diesem Energieeffizienz, Klimaanpassung, Aussagen zu wird das Gesetz im Entwurf gerecht, fast gerecht, Wirtschaftlichkeit und Finanzierung, Maßnahmen nicht ganz. im Bereich Monitoring, einen Maßnahmenplan für eine CO -neutrale Verwaltung, Klimaschutzverein- Mir fehlen einige Sachen, die vorher verbindlicher 2 barungen mit verschiedenen Personengruppen/Ins- drin waren, im ersten Entwurf, die rausgekommen titutionen, einen Klimaschutzrat, Klimaschutz als sind. So wurde oftmals „sollen“ durch „können“ er- Bildungsinhalt – vom Inhalt her fast analog zu unse- setzt und ich denke, wir müssen dort deutlich mehr rem Gesetz in Thüringen, und das unter Beteiligung darauf drängen, dass zum Beispiel auch Kommu- der CDU. Ich kann Sie nur auffordern, sich positiv nen sich diesem Klimawandel, vor allem dieser Kli- an dieser Diskussion zu beteiligen und nicht einfach mafolgenanpassung stellen. Denn Klimafolgenan- zu sagen: Nein, das wollen wir nicht. passung, wo findet sie denn statt? Sie findet nicht hier im Landtag statt, sie findet nicht im Bundestag Dann vergleichen wir mal mit Ihrer Bundesregie- statt, sie findet vor Ort in den Kommunen statt. Dort rung, weil Sie vorhin auch wieder Bundesregierung müssen die Menschen reagieren und dort müssen und Landesregierung verwechselt haben. Die Bun- auch die Kommunen geeignete Maßnahmen fin- desregierung hat bis 2020 40 Prozent festgelegt, den, auch für ältere Menschen, die dem Klimawan- wobei selbst die Bundesregierung und Experten der del ausgesetzt sein werden, die nämlich dann die Meinung sind, dass sie das nicht erreichen werden. Hitze nicht mehr so gut vertragen wie jüngere Men- Bis 2030 will die Bundesregierung 55 Prozent – wir schen. Auch daran müssen wir denken, auch an die sagen 60 bis 70 Prozent. Bis 2040 möchte die Bun- Menschen hier bei uns, bei diesem ganzen Verfah- desregierung 70 Prozent – wir sagen 70 bis 80 Pro- ren. zent. Bis 2050 will die Bundesregierung 80 bis 95 Prozent – wir sagen 80 bis 95 Prozent. Wo sind Und wenn wir über CO -Emissionen in Thüringen 2 wir unterschiedlich im Endziel? Wir sind nur in den reden, dann können wir auch mal nach Verursa- Schritten davor unterschiedlich. Ich denke, das chergruppen schauen: Industrie und Gewerbe kann man begründen. Dabei sollten wir – wie der 29 Prozent – dort 80 Prozent von den Branchen WWF – „[v]om Ziel her denken“ und nicht vom Wärmeerzeugung, Bergbau, Energie und Steine Geldbeutel her. und Erden –, im Haushalt und die Kleinverbraucher, da sind es 30 Prozent – rund 90 Prozent durch auf Wir brauchen ein klimaverträgliches Energiesystem Erdgas oder Heizöl basierende Feuerungsanla- im Freistaat, eine klimaneutrale Landesverwaltung gen –, Verkehr 37 Prozent – 83 Prozent durch den – das steht auch im Gesetz. Wir haben den ersten Straßenverkehr und da hauptsächlich dann Pkw Schritt dazu gemacht. Frau Keller als Ministerin für und Nutzfahrzeuge –, Biogenanteile 4 Prozent, also Infrastruktur und Landwirtschaft ist da. Wir haben Freisetzung von Kohlenstoff durch Totholz/Humus, erstmals im Landeshaushalt des Freistaats Thürin- was wir nicht vermeiden werden können, Kalkung gen in den Jahren 2018/2019 insgesamt 10 Millio- des Waldes sowie Landnutzungsänderung – nen Euro für Investitionen in eine klimaneutrale 83 Prozent; das alles sind Tatsachen. Ich denke, Landesverwaltung eingeplant, indem wir dort Maß- das sind auch die Bereiche, wo wir deutlich anset- nahmen zur Eigenversorgung und der Versorgung zen können. Gerade im Verkehr – die Ministerin hat mit Energie aus nachhaltiger Erzeugung festgelegt vorhin Landesvorgaben zur Elektromobilität ange- haben. kündigt, wo wir die ThEGA haben, die da sehr aktiv Das ist vorher nie passiert, das ist auch unter Ihrer ist – können wir einiges erreichen. Wir nehmen un- Regentschaft, lieber Herr Gruhner, nicht passiert. sere Verantwortung ernst. Das steht auch im Koali- Wir sind im Freistaat Thüringen beispielgebend in tionsvertrag: „Wir bekennen uns dazu, dass Thürin- der Bundesrepublik Deutschland und das soll auch gen seinen Beitrag zur Erreichung des international so bleiben. Dazu brauchen wir ein Gesetz, das ent- anerkannten Zwei-Grad-Ziels leisten muss. [...] Mit sprechende Maßnahmen festlegt und die Landesre- einem Klimaschutzgesetz soll die Energie- und Kli- gierung und zukünftige Landesregierungen in der mapolitik im Freistaat mit verbindlichen Zielen und Energie- und Klimaschutzpolitik bindet. Zwischenzielen neu ausgerichtet werden.“ Wir wollen die Speicherung und Flexibilitätsoption – Thüringen soll 2040 seinen eigenen Energiebedarf virtuelle Kraftwerke – mehr nutzen, die Sektoren- bilanziell durch einen Mix aus 100 Prozent erneuer- kopplung, die nachhaltige Mobilität. Die integrierte baren Energien selbst decken können. Ich denke, Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 110. Sitzung - 22.02.2018 9433

(Abg. Harzer) Energie- und Klimaschutzstrategie soll auf der nehmen. Auch das ist in diesem Gesetz vorgese- Grundlage dieses Gesetzes erarbeitet werden. Ich hen. denke an viele Maßnahmen, die wir hier noch brau- Bei allen kleinen Problemen, die wir noch diskutie- chen. Die Landeswärmestrategie, die Klimaschutz- ren müssen und wo wir vielleicht auch die eine oder strategien des Bundes, der EU sowie die Strategien andere Änderung vornehmen müssen, müssen wir des Landes sind natürlich in diesem ganzen Dis- aber über die Zukunft nicht nur des Freistaats Thü- kussionsprozess zu berücksichtigen – die Vorbild- ringen, über die Zukunft der nachfolgenden Gene- wirkung öffentlicher Stellen, nicht nur des Landes, rationen auf diesem Planeten diskutieren. Wir laden sondern auch der Kommunen, der kommunale Kli- Sie dazu ein, liebe Kolleginnen und Kollegen von maschutz. der CDU, aber Sie müssen auch wollen und nicht Zum Beispiel bei Landkreisen sagt man: Was sollen nur einfach Nein sagen. Danke schön. denn die Landkreise mit kommunalem Klima- (Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE schutz? Da denke ich an die Schulen. Auch dort GRÜNEN) waren wir vorbildgebend. Dort haben wir gesagt: Wer entsprechend klimaneutral Schulen saniert, bekommt 20 Prozent mehr Fördermittel als einer, Vizepräsidentin Jung: der es nicht klimaneutral macht. Ich denke, das Für die AfD-Fraktion hat Abgeordneter Kießling das sind die richtigen Instrumente. Da sagen wir auch, Wort. wo wir Kommunen in den Fragen des Klimaschut- zes unterstützen. Abgeordneter Kießling, AfD: Die Frage des ÖPNV gehört in die Landkreisver- Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Kolle- waltung, weil wir nach wie vor die kleinen Fürsten- ginnen und Kollegen, liebe Gäste, liebe Schüler auf tümer haben. Gestern Abend haben wir viel dazu den Rängen, die rot-rot-grüne Landesregierung will gehört, woran das Azubi-Ticket scheitert – an den nach eigenem Bekunden mit dem vorgelegten Kli- kleinen Fürstentümern. Aber dort ist die Verantwor- magesetz für Thüringen einen langfristigen und ver- tung, den ÖPNV zukünftig auch klimaneutral zu ge- bindlichen Rahmen für die Klima- und Energiepolitik stalten und mehr ÖPNV-Angebote für das flache des Landes schaffen. Langfristig wird dieses Ge- Land zur Verfügung zu stellen. Wenn ich zum Bei- setz jedoch nur eines verbindlich schaffen: Es wird spiel über das Azubi-Ticket rede, bedeutet das, das Klima zwischen den Thüringern und der Lan- dass ich mit dem Bus auch nach Feierabend nach desregierung massiv verschlechtern. Hause komme und nicht in der Kreisstadt stehe, wo ich vielleicht mit dem Zug noch hingekommen bin (Beifall AfD) und dann nicht mehr weiterkomme, weil es keinen Nicht nur dass der Klimawandel in dem hier vorlie- öffentlichen Personennahverkehr mehr gibt oder genden Entwurf als unumkehrbarer menschenge- weil dieser sich nur noch am Schulverkehr tagsüber machter Fakt betrachtet wird, was wissenschaftlich orientiert. immer noch umstritten ist, Rot-Rot-Grün will zudem Da sind die Kreise und Kommunen gefragt: in der einmal mehr den Thüringer Bürgern vorschreiben, Frage der Vorsorge für die älteren Bürger, in der wie sie und ihre Kinder zukünftig zu leben haben. Frage des Waldumbaus, in der Frage der Fernwär- Zwar sollen im Vergleich zu 1990 die Treibhaus- meversorgung sowie der Energieversorgung auf gasemissionen in Thüringen bis zum Jahr 2030 um kommunaler Ebene. Ich glaube, hier gibt es eine 60 bis 70 Prozent, bis 2040 um 70 bis 80 Prozent sehr lange Liste, wie wir entsprechende Maßnah- und bis 2050 um 80 bis 95 Prozent verringert wer- menprogramme zur Klimaanpassung vorstellen den. Zu welchem Preis sollen jedoch diese sehr können – nicht nur auf Landesebene, sondern ge- ambitionierten Ziele erreicht werden, meine Damen rade dort, wo die Menschen leben. Dort müssen wir und Herren? entscheiden und dort müssen wir uns einsetzen. Beispielsweise soll dies 20.000 Euro pro Jahr für Ganz wichtig ist auch, dass im Monitorbericht der PR-Arbeit kosten, 200.000 Euro pro Jahr für drei Landesregierung an den Landtag alle fünf Jahre zusätzliche Stellen im Thüringer Ministerium für berichtet und abgerechnet wird: Was ist passiert in Umwelt, Energie und Naturschutz, 300.000 Euro für diesen fünf Jahren? Wie ist das Elektromobilitäts- Klima-Monitoring und sage und schreibe 10 Millio- konzept umgesetzt worden? Wie ist das Klima- nen Euro jährlich zusätzliche Landesmittel für Un- schutzkonzept umgesetzt worden? Was hat der terstützungsleistungen zugunsten Dritter. Dazu wissenschaftliche Beirat, der gebildet werden soll, kommt noch 1 Million Euro pro Jahr und Gemeinde, für Klimafolgen, Klimaanpassung gemacht? Was um eine Klimaschutzstrategie zu erarbeiten. Damit hat der Beirat für die Energiewende in verschiede- noch nicht genug, meine Damen und Herren, nach nen gesellschaftlichen Bereichen gebracht? Was Einschätzung der Landesregierung lassen sich die hat er erreicht? Was wir heute beschließen, muss Kostenfolgen insgesamt gar nicht abschließend be- man langfristig überprüfen und Anpassungen vor- urteilen, „weil dabei auch andere Belange des 9434 Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 110. Sitzung - 22.02.2018

(Abg. Kießling) Haushaltes zu berücksichtigen sind und gegenein- Zusammengefasst ist das kein Klimaschutz, son- ander abgewogen werden müssen“. Das bedeutet dern allein schon finanziell ein Fass ohne Boden nichts anderes, als dass die Landesregierung gar zulasten des Thüringer Steuerzahlers, eine Belas- nicht weiß, was der ganze Spaß den Thüringer tung der heimischen Natur und zusätzlich ein gi- Steuerzahler am Ende kosten wird, gantischer Ballast für die jetzt schon durch Bürokra- tie, Steuern und Abgaben gebeutelte Wirtschaft. (Zwischenruf Abg. Rothe-Beinlich, BÜNDNIS Dies machen wir als AfD nicht mit, meine Damen 90/DIE GRÜNEN: Spaß? Was der Spaß kos- und Herren. ten soll? Es geht um unsere Zukunft!) (Beifall AfD) und schon gar nicht, was es überhaupt tatsächlich für das Klima bringt. Wenn Sie etwas für das Klima (Zwischenruf Abg. Kuschel, DIE LINKE: Wir tun wollen, dann setzen Sie sich bitte für den Stopp bitten darum!) des weltweiten Abholzens der Wälder ein. Auch verfolgt die Landesregierung die Absicht, den (Beifall AfD) Individualverkehr in Thüringen so weit wie möglich einzuschränken und den ÖPNV auszubauen. Dabei Zusätzlich, meine Damen und Herren, sollen die schafft sie es jetzt schon gar nicht, ein kostenloses jetzt schon finanziell klammen Landkreise, Städte Azubi-Ticket auf den Weg zu bringen oder die Neu- und Gemeinden ab 2025 dazu gedrängt, ja teilwei- anschaffung von Straßenbahnen ausreichend zu se dazu verpflichtet werden, sogenannte Klima- fördern. Frau Ministerin hatte gesagt, man will den schutzstrategien und Wärmeanalysen zu erarbei- Individualverkehr ein bisschen einschränken und ten, was wiederum zusätzliche Bürokratie und da- mehr auf ÖPNV setzen. Aber was hat man in Thü- mit zusätzliche Kosten bedeutet. Die jetzt schon ringen bisher geschafft? Die Stilllegung von durch Papierkrieg und Mehrkosten gebeutelten 41 Bahnstrecken mit 466,9 Streckenkilometern seit Thüringer Energie-, Gewerbe-, Industrie- und Land- dem 01.01.1994. Das nächste Opfer ist die Pfeffer- wirtschaftsunternehmen sollen dazu verdonnert minzbahn. Demgemäß lässt sich sagen, dass die- werden, den Gemeinden und Landkreisen alle ih- ser von der Landesregierung eingebrachte und nen zur Verfügung stehenden Energiedaten zu durch und durch ideologisierte Gesetzentwurf für übermitteln. Die Fernwärmeunternehmen sollen da- die schon länger hier Lebenden, die öffentlichen zu genötigt werden, ihre Emissionsdaten im Inter- Einrichtungen und für die hiesige Wirtschaft nichts net zu veröffentlichen und vieles mehr. anderes als weitere immense Kosten, zusätzliche Nach der optimistischen Einschätzung der Landes- Bürokratie und massive Einschränkungen der per- regierung soll dies jedes betroffene Unternehmen sönlichen und wirtschaftlichen Lebensgestaltung zwischen 10.000 bis 100.000 Euro kosten. Zusätz- bringt, ohne dass hierdurch eine Verbesserung des lich sollen rund 162 Quadratkilometer Thüringens Klimas in Thüringen zu erwarten ist. mit Windkraftanlagen regelrecht verspargelt werden Daher lehnt die AfD-Fraktion den von der Thüringer und ein bei Rot-Rot-Grün stets beliebter Beirat ent- Landesregierung vorgelegten Gesetzentwurf ab. stehen, diesmal für Klimaschutz und Klimafol- Vielen Dank. genanpassung. Was der vermehrte Bau von Wind- mühlen in Thüringen für die heimischen Vögel und (Beifall AfD) Fledermäuse bedeuten wird, können Sie sich si- cherlich auch denken, meine Damen und Herren, Vizepräsidentin Jung: ebenso was die Betonfundamente mit einem Durchmesser von 30 Metern für die Waldökologie Als nächster Redner erhält Abgeordneter Kobelt, bedeuten, da auch in Thüringen demnächst Wind- Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, das Wort. räder im Wald errichtet werden sollen. Das alles in einem Bundesland, das sowieso schon eine der ge- Abgeordneter Kobelt, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- ringsten CO2-Emissionsrate je Einwohner in NEN: Deutschland aufweist. Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr geehr- Nur einmal am Rande erwähnt: Menschen, Pflan- ten Damen und Herren, warum brauchen wir das zen und Tiere atmen die unvorstellbare Menge von Klimagesetz in Thüringen? Ich würde es mit vier etwa 120 Milliarden Tonnen CO2 pro Jahr aus. Die einfachen Worten beschreiben: Umweltschutz, Menschen selbst produzieren allein durch die At- Wertschöpfung, Unabhängigkeit und Arbeitsplätze. mung 2,4 Milliarden Tonnen CO , Stand 2004 mit 2 (Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) 6,5 Milliarden Menschen. Die Umgebungsluft hat einen CO2-Anteil von 0,038 Prozent, davon produ- Wenn ich vorhin Herrn Gruhner richtig gelauscht ziert Deutschland gerade einmal 0,0004712 Pro- habe, dann hat er gesagt: Thüringer Klimagesetz – zent und Thüringen noch viel weniger. warum brauchen wir das? Es haben zwar sieben andere Bundesländer mittlerweile auch ein Klima- (Beifall AfD) gesetz, aber in Thüringen brauchen wir das nicht, Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 110. Sitzung - 22.02.2018 9435

(Abg. Kobelt) wir haben doch diese wunderbare Bundesregie- wir heute als Erstes hier im Parlament das Klimage- rung, die hervorragende Klimapolitik in Deutschland setz, das Thüringer Klimagesetz diskutieren. macht. Da müssen doch die Bundesländer nicht Ich habe in den vorherigen Reden viele Argumente auch noch aktiv werden. gehört, die gesagt haben: Ja, Klimapolitik vernichtet Herr Gruhner, wenn ich Sie so höre, denke ich im- Arbeitsplätze in der bisherigen Industrie, das brau- mer, ich bin ein bisschen im falschen Film. Wenn chen wir nicht. Es ist viel zu teuer, dort eine Ener- man sich mal diese einzelnen Bereiche anschaut, giewende einzuleiten oder in Klimaschutz zu inves- wie mit Klimapolitik in Deutschland vorangegangen tieren. Der Ökonom Nicholas Stern ist im Auftrag wird, dann ist ein Satz ganz eindringlich, und zwar der britischen Regierung zu einem ganz anderen der Satz – wo sich Ihre Partei gerade in Koalitions- Ergebnis gekommen, und zwar nicht, dass Klima- verhandlungen befindet –, der sagt: Die eigent- schutz Arbeitsplätze vernichtet, sondern dass, lichen Ziele, die minimalen Ziele von 1990 bis 2020, wenn wir auf den Klimaschutz nicht reagieren, den CO2-Ausstoß um 40 Prozent zu reduzieren, wenn wir nicht investieren, dann durch den Klima- das sei unerreichbar, das werden wir nicht schaf- wandel Arbeitsplätze vernichtet werden. Er hat das fen, das werden wir einer neuen Bundesregierung ganz genau ausgerechnet. Er ist zu dem Schluss nicht zumuten. Und das, meine sehr geehrten Da- gekommen: Je nachdem wie sehr wir jetzt noch ge- men und Herren, ist sehr wohl ein Armutszeugnis, gensteuern oder überhaupt gegensteuern, wird sich wo wir uns in Thüringen nicht auf die Bundesregie- das Bruttoinlandsprodukt im Jahr 2040 um rung verlassen können, nicht auf die CDU verlas- 5 bis 20 Prozent pro Jahr verringern. Warum ist das sen können, sondern einen eigenen Weg gehen so? Natürlich weil durch den Meeresspiegelanstieg wollen. viele Regionen unbewohnbar werden, viele Men- schen sich auch andere Lebensorte suchen sollen. Das sieht man auch ganz eindeutig in zwei ganz Übrigens wird es viele Klimaflüchtlinge geben, wesentlichen Bereichen, die eigentlich sehr viele wenn wir nicht reagieren. Deswegen werden gigan- Arbeitsplätze geschaffen haben. Während China in tische Kosten auf die Weltgemeinschaft zukommen den letzten Jahren seine Solarenergieleistung pro und als führende Industrienation natürlich auch auf Jahr von 1 Gigawatt auf 48 Gigawatt ausgebaut hat Deutschland. Und das wollen wir nicht – ganz im – also 50-fach mehr Solarproduktion in China als Gegenteil: Wir wollen neue Wertschöpfung generie- noch vor fünf Jahren –, ist der Ausbau in Deutsch- ren, wir wollen Arbeitsplätze schaffen. Das sagen land – Herr Gruhner, Sie schütteln mit dem Kopf, andere Studien auch, wie die vom Deutschen Luft- aber das sind ganz klare Tatsachen, das können und Raumfahrtzentrum und von Greenpeace. Sie Sie nachlesen – in den letzten fünf Jahren von haben erst vor zwei Jahren eine Studie veröffent- 7,6 Gigawatt auf im letzten Jahr 1,6 Gigawatt zu- licht, die eindeutig sagt: Wenn wir es schaffen, es rückgegangen. nicht als Problem zu sehen, sondern den Klima- (Zwischenruf Abg. Gruhner, CDU: Das Argu- schutz als Chance zu sehen und auf 100 Prozent ment ist so lächerlich!) Erneuerbare umzusteigen, dann werden wir welt- weit 30 Millionen Arbeitsplätze schaffen. Also zusammenfassend: Während andere Länder in der Welt – USA, China, Entwicklungsländer – Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir wollen Technologieführer werden, in Zukunftstechnologien doch als Grüne auch, dass wir gerade in Deutsch- investieren, bremsen Sie in Ihrer Partei in der Bun- land, in der Industrienation Deutschland, und in desregierung die Technologieentwicklung aus, Thüringen von diesen Arbeitsplätzen profitieren. bremsen Sie den Umweltschutz aus und in den Thüringen hat jetzt etwa noch 10.000 Arbeitsplätze letzten fünf Jahren ist die größte Arbeitsplatzver- in den erneuerbaren Energien, in Energieeinspar- nichtung in der Solarindustrie passiert, die Deutsch- technologien, aber auch bei Handwerkern, die sich land je gesehen hat. damit beschäftigen. Wir wollen nicht, wie es in den letzten Jahren passiert ist durch die Bundesregie- (Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) rung, diese Arbeitsplätze immer weiter abbauen, Das Gleiche steht jetzt der Windenergie bevor. Dort sondern wir wollen neue schaffen, wir wollen diese hat es in den letzten Jahren noch einen ganz guten auf 20.000/30.000 Arbeitsplätze erhöhen und wol- Ausbau gegeben, in den letzten zwei Jahren. Mitt- len vor allen Dingen, dass aus der Wertschöpfungs- lerweile wurden Ausschreibungsmodelle eingeführt, kette in Thüringen nicht jedes Jahr 2 Milliarden das EEG-System immer weiter untergraben und es Euro wegfließen nach Saudi-Arabien, nach Russ- ist zu befürchten, dass sich der Ausbau genau wie land, in andere Regionen für Kohle, für Ölimporte, die Solarindustrie halbiert oder sogar noch stärker für Gasimporte, sondern wir wollen diese Gelder reduziert. nutzen, um hier vor Ort Arbeitsplätze zu schaffen und um die Bürgerinnen und Bürger immer unab- Meine sehr geehrten Damen und Herren, das wol- hängiger von fossilen Energien zu machen. len wir nicht. Wir wollen eine Klima-, eine Energie- politik machen, die vorausschaut, die mehr für den Hierfür lassen Sie mich bitte ein Beispiel nennen: Klimaschutz tut. Deswegen bin ich sehr froh, dass Ich war erst am Montag mit der Landrätin Frau 9436 Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 110. Sitzung - 22.02.2018

(Abg. Kobelt) Enders im Ilm-Kreis unterwegs und wir haben uns sieben Beispiele nennen, wo wir das konkret schon eine Schule angeschaut. Die Schule wurde teilwei- getan haben. se saniert, sie hat etwas Besonderes bekommen: Als Erstes: Die Investition in Solarinvestitionen, in eine Solaranlage auf dem Dach. Für diese Solaran- Solarförderungen erfolgt durch ein Programm von lage hat der Ilm-Kreis – das gibt es vielleicht in an- „Solar Invest“, durch das den Bürgerinnen und Bür- deren Kreisen auch, die sagen, wir haben nicht gern, Firmen, aber auch den Verwaltungen Gelder ganz so viel Investitionsmittel, um Millionen in die zur Verfügung gestellt werden, um sich unabhängig Technologie zu investieren – einen ganz einfachen zu machen. Das ist in Deutschland einzigartig, weil Weg gefunden. Sie haben den Bürgerinnen und es an eine Bedingung geknüpft ist. Die Menschen Bürgern, die sich engagieren wollen, die Dachflä- können das machen, sie können Speicher bauen, che zur Verfügung gestellt. Eine Bürgerenergiege- sie können Solaranlagen bauen, aber Sie sollen nossenschaft hat eine Solaranlage gebaut. Der nicht mehr die Netze belasten. Wir haben uns ge- Strom konnte dem Schulträger für etwa 5 Prozent dacht, als wir das das erste Mal diskutiert haben: weniger angeboten werden, also spart die Schule Das wird kaum einer nehmen. Wir haben hohe För- an Energie, spart an Kosten und der Landkreis hat dersätze vereinbart, damit das passiert. Und es für seine Gebäude noch eine Dachpacht bekom- wurden so viele Anträge nachgefragt, was zeigt, men und hat auch wiederum Einnahmen generiert. dass die Menschen genau das wollen, sie wollen Das gilt natürlich nicht nur für Schulen, sondern sich unabhängig machen. Wir sind hier in Thürin- auch für jeden Bürger und jede Bürgerin. Noch nie gen Vorreiter neuer Technologien; dass Überschüs- war es so einfach, eine Solaranlage zu bauen, se von Solarstrom in Speicher investiert werden, in Speicher zu generieren und sich unabhängig zu Elektromobilität, aber auch in Wärme, das gab es machen. Immer mehr Menschen nutzen diese deutschlandweit noch nicht. Ich bin ganz stolz da- Chance, wollen sich unabhängig machen und das rauf, dass wir das zusammen mit der Landesregie- wollen wir als rot-rot-grüne Koalition unterstützen rung geschafft haben. und ganz eindeutig das Pendel umschlagen lassen hin zu mehr Unabhängigkeit, zu kleinen, bürger- Wir haben aber auch – Anja Siegesmund hat es freundlichen Anlagen als zu großer industrieller schon gesagt: für die Firmen „GREEN invest“, „Kli- Produktion von Kohle und zugunsten der Öllobby. ma Invest“ für die Kommunen – in der Mobilität ganz andere Wege gefunden. Erstmalig stehen im Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich sage Bereich des Radverkehrs pro Jahr 20 Millionen es ganz offen: Die im Klimagesetz verankerten Kli- Euro für touristische Radwege, für Radwege an maziele haben einen eindeutigen Weg – bis 2050 Landesstraßen zur Verfügung, aber die Kommunen bis zu 95 Prozent, bis 2030 70 Prozent. Das ist werden auch erstmalig mit über 4 Millionen Euro auch etwas, was sich vom theoretischen Ziel der pro Jahr so bedacht, dass sie auch im lokalen Be- Bundesregierung unterscheidet, denn es gibt klare reich Radwege bauen können. Das ist eine große Zwischenziele. Aber ich habe auch die Hoffnung – Investition in mehr Klimaschutz, auch im Verkehrs- und wir werden im parlamentarischen Verfahren bereich. Wir haben uns in der Elektromobilität das auch darüber diskutieren –, dass es keine Korridor- Ziel gesetzt, bis 2030 die komplette Landesverwal- lösung gibt, sondern dass die oberen Ziele, die ich tung mit Elektroautos zu versorgen und bis 2020 gerade genannt habe – 95 Prozent bis 2050 und werden 400 Ladesäulen gebaut. 70 Prozent bis 2030 – auch verbindlich werden. Die Vorbildwirkung der Landesimmobilien ist ein (Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) wichtiger Punkt, das wurde heute schon an ver- schiedenen Stellen genannt. Ich möchte nur noch Dafür wollen wir uns als Grüne einsetzen, das wer- eins mal ergänzen, was oftmals auch, ich sage mal, den wir im parlamentarischen Verfahren auch tun. ein bisschen ein Spezialbereich ist: Wie verbrau- Aber, meine sehr geehrten Damen und Herren, chen die Immobilien Energie und wie können wir nach dem Regierungswechsel ist es natürlich nicht das verändern? Wir haben über 1.000 Landesim- dazu gekommen, dass wir, die Energiepolitiker von mobilien. Wir haben ganz am Anfang der Legislatur SPD, Linke und Grünen, auf das Klimagesetz ge- hier im Parlament beschlossen, dass das Vorbild- wartet haben, sondern wir haben uns zusammen- immobilien werden sollen. Wir haben eindeutig ge- gesetzt, wie auch die Ministerien, und haben ge- sagt: Wenn neue Gebäude gebaut werden, dann schaut, was wir aktuell schon tun können, um so- werden sie klimaneutral gebaut, und wenn sie kom- wohl dem Klimawandel gegenzusteuern als auch plett saniert werden, dann 40 Prozent besser als die Energiewende voranzubringen, lokale Wert- die gesetzlichen Vorgaben. Wir haben auch gesagt: schöpfung zu steigern. Ich möchte hier ganz ein- Um das zu ermöglichen, brauchen wir einen star- deutig darauf hinweisen, dass wir gerade erst im ken Einsatz von Solarenergie. Frau Keller bin ich Haushalt im Umweltbereich und im Infrastrukturbe- sehr dankbar, dass im letzten Haushalt schon kon- reich hohe Summen für Umweltschutz, für erneuer- krete Maßnahmen vorgeschlagen wurden, die wir bare Energien und für den Klimaschutz bereit- als Parlament auch beschlossen haben. In den gestellt haben. Lassen Sie mich noch mal sechs, nächsten vier, fünf Jahren werden 50 Prozent der Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 110. Sitzung - 22.02.2018 9437

(Abg. Kobelt) Landesimmobilien mit Solarpanel gedeckt, sodass (Zwischenruf Abg. Rothe-Beinlich, BÜNDNIS sich die Gebäude aus Solarenergie versorgen kön- 90/DIE GRÜNEN: Ihre Rede ist ein Parade- nen. Dafür sind im Haushalt zweimal 5 Millionen beispiel für Ihre Hybris!) Euro zur Verfügung gestellt worden. Die gleichen Meine Damen und Herren vom rot-rot-grünen La- Standards haben wir auch bei der Schulbauförde- ger, Sie nehmen immer die anderen in den Blick: rung festgelegt. Eine Kommune, die eine klimaneu- Industrie und Gewerbe – da wollen Sie ordentlich trale Schule bauen will, wird vom Land mit 80 Pro- Klimaschutzpolitik betreiben. Die Haushalte neh- zent gefördert. Eine derart hohe Unterstützung ist men Sie in den Blick. einmalig in Deutschland. (Zwischenruf Abg. Harzer, DIE LINKE: Herr Meine sehr geehrten Damen und Herren, Sie se- Möller, ich habe es vorhin schon gesagt: Le- hen, wir sind im Konkreten auf dem Weg hin zu sen und verstehen! Zuhören und verstehen!) mehr Klimaschutz. Das Klimagesetz, das wir hof- fentlich bald hier im Landtag nach einer Anhörung Die Vorschriften zum Dämmen wollen Sie sich vor- in den Ausschüssen beschließen werden, wird den nehmen. Gehen Sie einfach einmal hier durch das Rahmen bieten, ein Signal setzen und weitere Abgeordnetengebäude oder gehen Sie einmal Maßnahmen ermöglichen. durch öffentliche Gebäude, vor allem durch die Toi- letten. Da sehen Sie Räume: Heizung auf volle Pul- Vizepräsidentin Jung: le und das Fenster ist offen. Herr Abgeordneter, Ihre Redezeit ist um. (Zwischenruf Abg. Gruhner, CDU: Machen Sie sie doch zu!) Abgeordneter Kobelt, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- Fangen Sie doch erst einmal bei den kleinen Din- NEN: gen an, bevor Sie der Bevölkerung mit Ihren Dämmvorschriften auf den Senkel gehen, die die Mehr Klimaschutz ist gut für Thüringen und für die Mieten nach oben treiben, weil nämlich dadurch Bürgerinnen und Bürger. Deswegen freue ich mich auch die Baupreise entsprechend erhöht werden. sehr auf die Debatte in den Ausschüssen. Wir wer- Für diese unsoziale Politik sind Sie nämlich mit ver- den damit Thüringen voranbringen. Vielen Dank. antwortlich. (Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE (Beifall AfD) GRÜNEN) Dann wollen Sie 10 Millionen Euro jährlich an Dritte Vizepräsidentin Jung: ausreichen, damit Sie Ihre klimaschutzpolitischen Ziele erreichen, die Sie am Ende doch nicht errei- Gibt es weitere Wortmeldungen? Herr Abgeordne- chen. 10 Millionen Euro – gestern haben Sie bei ter Möller für die Fraktion der AfD. den Handwerkern geheuchelt, dass Sie ein großes Interesse haben, dass es mit dem Handwerk wei- Abgeordneter Möller, AfD: tergeht. Mit 10 Millionen Euro jährlich könnten Sie die Meisterausbildung kostenlos machen. Genau Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen das ist es, was Thüringen braucht, keine Klima- und Kollegen, liebe Gäste, über den Sinn bzw. den schutzpolitik. mangelnden Sinn der Klimaschutzpolitik der rot-rot- grünen Landesregierung ist schon viel gesprochen (Beifall AfD) worden. Es sind viele Verwechslungen gemacht Wir brauchen endlich vernünftig bezahlte Gewerbe- worden. Bei einigen weiß ich nicht, ob es vorsätz- arbeitsplätze. Wir brauchen ein gut funktionieren- lich oder einfach Unerfahrenheit oder Unwissen ist. des Handwerk. Wir brauchen entsprechende Leute, Wenn man Klima, wie Herr Harzer, mit dem Wetter die in der Unternehmensnachfolge die Handwerks- verwechselt, insbesondere mit dem, was wir jetzt betriebe übernehmen können. gerade draußen haben, dann ist das so ein klassi- sches Beispiel. Wenn man China mit Thüringen (Zwischenruf Abg. Harzer, DIE LINKE: vergleicht, dann zeigt das schon, wie viel durchein- 10 Millionen sind Arbeitsplätze! Investitionen andergebracht wird und auf welcher wirklich er- sind Arbeitsplätze!) bärmlichen Faktengrundlage hier Klimaschutzpolitik Da sollten Sie Geld hineininvestieren. Das wäre ei- begründet werden soll. Wenn dann auch noch von ne vernünftige Politik, statt in der Energiepolitik aus 30 Millionen Arbeitsplätzen weltweit geträumt wird, Klimaschutzgesichtspunkten auf Windkraft oder auf die durch die Klimaschutzpolitik entstehen sollen, Solarenergie zu setzen und in FFH-Schutzgebiete, dann muss ich sagen, das ist ein Paradebeispiel für in denen der Rotmilan fliegt, eine Windkraftanlage rot-rot-grüne Hybris. hineinzubauen. Das Vieh kann ja gefälligst einen (Beifall AfD) Bogen um die Anlage fliegen. Macht es aber nicht, Frau Rothe-Beinlich. 9438 Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 110. Sitzung - 22.02.2018

(Abg. Möller) (Unruhe BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) eins nicht retten: Das Klima werden Sie damit mit Sicherheit nicht retten. Um das zu retten, müssten Deswegen ist Ihre Politik, Herr Kobelt, keine Um- Sie ganz andere Player dazu überreden, solche weltpolitik. Maßnahmen zu ergreifen, (Beifall AfD) (Zwischenruf Abg. Rothe-Beinlich, BÜNDNIS Es ist sogar eine Politik gegen die Umwelt, gegen 90/DIE GRÜNEN: Sie vergiften das Klima!) die Erhaltung geschützter Arten. Sie sorgt dafür, wie zum Beispiel China, Amerika, aber doch nicht dass wir geschützte Arten hier in Thüringen verlie- dieses kleine Bundesland Thüringen, was eher ren. Das ist ein Fakt. mehr Industrie braucht als weniger. Darüber sollten (Zwischenruf Abg. Kobelt, BÜNDNIS 90/DIE Sie mal nachdenken, ob das wirklich eine Prioritä- GRÜNEN: Welche Art ist denn verloren ge- tensetzung im Sinne der Bürger dieses Landes ist. gangen?) Vielen Dank. Dann sage ich noch mal eins auf Ihre Fixiertheit auf (Beifall AfD) die Solarenergie, Herr Kobelt: Sie haben offensicht- lich immer noch nicht verstanden, dass ein Grund, Vizepräsidentin Jung: warum Jamaika gescheitert ist, Ihre unglaublich naiven Vorstellungen in der Energiepolitik sind. Sie Es gibt eine weitere Wortmeldung. Herr Abgeordne- haben bis heute nicht verstanden, ter Gruhner. (Zwischenruf Abg. Harzer, DIE LINKE: Nein, Abgeordneter Gruhner, CDU: Sie! Sie haben es nicht verstanden!) Frau Präsidentin, herzlichen Dank. Ich will zunächst dass es für eine moderne Energieversorgung not- noch mal sagen – deswegen bin ich auch gern wendig ist, dass man gesicherte Leistungen bereit- noch mal hier nach vorn gegangen –, dass ich sehr stellen kann. Ihre Solarenergie kann keine gesi- dankbar für diese Debatte bin, denn diese Debatte cherte Leistung bereitstellen, genauso wenig wie macht eines – finde ich – sehr schön deutlich: Auf Ihre Windkraftanlagen. der einen Seite sitzen jene, die Klimawandel leug- (Beifall AfD) nen, die im Gestern verharren (Zwischenruf Abg. Harzer, DIE LINKE: Ihnen (Zwischenruf Abg. Möller, AfD: Leugnen! fehlen die Kenntnisse!) Leugnen!) und die ignorieren, dass es Naturkatastrophen gibt. Vizepräsidentin Jung: Um auf Ihr Beispiel mit dem Fenster einzugehen: Herr Abgeordneter Harzer, Abgeordneter Möller hat Wenn Sie sich darüber beschweren, dass irgendwo jetzt das Wort. geheizt wird und die Fenster offen sind, empfehle ich Ihnen, einfach das Fenster zuzumachen. Abgeordneter Möller, AfD: (Heiterkeit DIE LINKE) Auch nicht Offshore übrigens. Ich glaube, das wäre der wirksamste Beitrag zum Klimaschutz. Im Übrigen geht das auch ohne Kli- (Zwischenruf Abg. Harzer, DIE LINKE: Leider maschutzgesetz, da sind wir uns einig. keine Ahnung!) Auf der einen Seite diejenigen, die den Klimawan- Dass Sie das immer noch nicht verstanden haben, del leugnen, auf der anderen Seite sitzen jene, die obwohl es Ihnen beim parlamentarischen Abend Energiewende und Klimaschutzpolitik mit der von den Stadtwerkechefs erklärt worden ist, wirklich Brechstange wollen. Und dann gibt es jene in der punktgenau für jeden verständlich! Mitte, die auf Maß und Mitte, die auf Augenmaß (Zwischenruf Abg. Harzer, DIE LINKE: Sie setzen. waren in einer anderen Veranstaltung!) (Beifall CDU) Aber Sie haben wahrscheinlich nur irgendwelches Das ist übrigens der Unterschied, wie wir in diesem Bier getrunken oder irgendwelche Snacks geges- Land – egal ob auf Bundes- oder Landesebene – sen, aber nicht verstanden, was die Leute dort ge- Energie- und Klimaschutzpolitik verstehen. Die sagt haben. Das ist doch das, woran Ihre Politik einen leugnen Klimawandel und die anderen über- scheitert. treiben es völlig. (Beifall AfD) (Zwischenruf Abg. Harzer, DIE LINKE: Sie Sie verwandeln unseren Freistaat, Sie verwandeln machen Vogel-Strauß-Politik!) Deutschland in ein deindustrialisiertes Gelände. Deswegen braucht es eine ordnende Kraft in der Das machen Sie mit dieser Politik. Aber Sie werden Mitte, die auf Augenmaß, die auf Maß und Mitte Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 110. Sitzung - 22.02.2018 9439

(Abg. Gruhner) achtet, und genau darum geht es. Deswegen will dass es Mehrbelastungen für Kommunen bedeutet. ich Ihnen ein Zweites sagen, weil Sie sich hier im- Schauen Sie mal in das Gesetz, lesen Sie es, die mer hinstellen – und das haben Sie schon beim Thüringer Wirtschaft wird es Ihnen auch sagen. vorhergehenden Tagesordnungspunkt probiert – Deswegen gibt es keinen Widerspruch. Dieses Ge- und sagen: All jene, die unserem Weg nicht folgen, setz – da geht es nicht um bissig oder zahnlos, es sind per se Verweigerer von Politik. Da sage ich Ih- geht darum, dass es Mehrbelastungen für Wirt- nen ganz klar: So geht das Spiel nicht. schaft und Bürger bringt. (Beifall CDU) (Beifall CDU) Sie verfahren leider nach dem Motto: Lieber Dann will ich einen letzten Punkt sagen, weil das schlecht machen als gar nichts machen. Bevor wir Thema „SuedLink“ hier angesprochen wurde und hier irgendwelche Klimaschutzgesetze verabschie- weil vom Kollegen Harzer hier auch unser Kollege den, die am Ende Bürger, Kommunen und Wirt- Hauptmann aus dem Deutschen Bundestag ange- schaft mit mehr Bürokratie belasten, sagen wir lie- führt wurde. Ich kann mich nicht erinnern – weil Sie ber: Es ist richtig, dass wir eine Rahmensetzung im hier den Eindruck erweckt haben, man könne das Bund haben, dass wir die konsequent verfolgen jetzt mit einem Gesetz einfach so mal wegwi- und unterstützen, aber dass wir nicht hergehen und schen –, dass in irgendeinem bundesdeutschen Gesetze ins Werk setzen, die am Ende mehr kaputt Gesetz drinsteht, dass Trassen durch Thüringen machen, als sie nach vorne bringen. Auch das ist verlaufen müssen. In diesen Gesetzen – und da ein deutlicher Unterschied. sind wir uns, glaube ich, sogar einig – steht, dass es ein Bündelungsprinzip geben muss und dass es (Beifall CDU) ein Geradlinigkeitsprinzip geben muss. Genau des- (Zwischenruf Abg. Harzer, DIE LINKE: Sie wegen haben wir als Union – und das gilt für den sind doch zur Diskussion eingeladen!) Kollegen Hauptmann genauso wie für uns hier in der Landtagsfraktion – immer gesagt, die Trasse Weil Sie sich hier hinstellen und sagen, wir hätten muss an der A7 entlang gebündelt werden. Die nicht gesagt, was wir wollen, sage ich Ihnen: Sie Bundesnetzagentur hat im Übrigen auch noch nicht sollten vielleicht nicht nur rumschreien, sondern abschließend entschieden, wo der Korridor sein auch mal zuhören. Wenn Sie zugehört hätten, hät- wird. Deswegen kann ich uns nur alle auffordern ten Sie gehört, dass ich gesagt habe, dass wir und darum bitten, dass wir jetzt nicht innerhalb Thü- durchaus favorisieren, einen Klimaschutzplan auf ringens das Spiel beginnen und sagen, der Kollege den Weg zu bringen, wie es Schwarz-Grün mit grü- Hauptmann müsste das und die müssten das und ner Beteiligung – wie der Name sagt – offenkundig die müssten jenes. Nein, wir müssen uns gemein- gemacht hat, weil wir der festen Überzeugung sind, sam dafür einsetzen, dass das, was bisher noch dass wir an dieser Stelle kein Gesetz – das habe nicht festgelegt ist – nämlich ein Trassenkorridor, ich vorhin alles ausgeführt – brauchen. ein zwingender Korridor durch Thüringen –, so nicht Nun hat Herr Kollege Adams vorhin dazwischen ge- kommt, und da sind alle gefragt. Da sind die Kolle- rufen und sich auch noch mal bei Twitter ausgebrei- gen im Bundestag gefragt, da ist die Landesregie- tet und gesagt: Es wäre ein Widerspruch, in den wir rung gefragt, die ja auch schon einen Vorschlag ge- uns in unserer Argumentation begeben, wir müss- macht hat, will ich gar nicht negieren, da ist die Um- ten uns mal entscheiden, ob wir das Gesetz bissig weltministerin gefragt, die im Übrigen im Beirat der oder zahnlos finden. Unsere Argumentation ist völ- Bundesnetzagentur sitzt; da sind alle gefragt. Des- lig klar. Das, was ich hier gesagt habe – und das wegen ist das hier nicht ein Spiel, dass man jetzt will ich auch noch mal wiederholen –, ist doch Fol- mal Verantwortung hin und her schiebt, sondern gendes: Wir haben noch vor wenigen Monaten über dass man gemeinschaftlich daran arbeitet, dass einen Gesetzentwurf diskutiert, der massive Belas- SuedLink nicht durch Thüringen verläuft. Das steht tungen für die Wirtschaft, Bürger und Kommunen in keinem Gesetz und gebracht hätte, massivere Belastungen als das, (Beifall CDU) was jetzt vorliegt. Das ändert doch aber nichts da- ran, dass das, was jetzt hier vorgelegt wurde, den- das ist auch nicht entschieden und jetzt liegt es an noch eine Belastung bleibt. Deswegen freue ich uns, geschlossene Fronten gegen diese Trasse zu mich natürlich, dass diese Ministerin koalitionsin- bilden. Schönen Dank. tern gescheitert ist, dass sie gescheitert ist mit Zie- (Beifall CDU) len, die weit, weit über das hinausgegangen wären, was irgendwas mit Maß und Mitte zu tun hat. Aber es ändert nichts daran, dass das, was sie jetzt vor- Vizepräsidentin Jung: gelegt hat, eine Belastung für die Wirtschaft bleibt, Herr Abgeordneter Gruhner, gestatten Sie eine Zwi- dass es Bürokratie bedeutet, schenfrage des Abgeordneten Harzer? (Beifall CDU) 9440 Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 110. Sitzung - 22.02.2018

Abgeordneter Gruhner, CDU: Siegesmund, Ministerin für Umwelt, Energie und Naturschutz: Ja. Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren Vizepräsidentin Jung: Abgeordnete, die Debatte lässt erahnen, dass es auch im Ausschuss munter weitergehen wird. Herz- Herr Abgeordneter Harzer, bitte. lichen Dank für den Austausch. Zwei, drei Punkte will ich aber vorab einfach noch mal richtigstellen. Abgeordneter Harzer, DIE LINKE: Natürlich geht es darum, Herr Gruhner, zu sagen – ich will mal beim Thema „Wind“ beginnen –, dass Herr Abgeordneter Gruhner, Sie gehen doch be- wir uns in dem Ziel des Ausbaus der Windenergie stimmt mit mir konform, wenn ich sage, dass der mit Augenmaß durchaus sehr einig sind, und ich SuedLink, SuedostLink durch ein Gesetz auf Bun- weiß nicht, wie Sie darauf kommen, dass gerade desebene, durch das Bundesbedarfsplangesetz, diese Landesregierung nicht alles, wirklich alles da- beschlossen worden ist? Ich denke, ich frage Sie für tut, die Akzeptanz für diesen Ausbau zu stei- jetzt einfach, gehen Sie mit mir auch konform, dass gern. Diese Landesregierung hat gemeinsam mit durch eine Änderung des Bundesbedarfsplange- der Landesenergieagentur das Siegel „Faire Wind- setzes im Deutschen Bundestag dieser SuedLink energie“ entwickelt. auch herausgenommen werden könnte und damit obsolet wäre? (Zwischenruf Abg. Möller, AfD: Dann ist doch alles gut!) Abgeordneter Gruhner, CDU: Zehn Punkte, die deutlich machen: Da, wo übrigens Die Frage ist ja – Sie haben die Frage gestellt –, ob die Regionalen Planungsgemeinschaften Windvor- wir generell Trassen brauchen oder nicht. Da will rangflächen ausweisen – das macht ja weder mei- ich Ihnen sagen, Strom kann man schlecht in Tüten ne Kollegin Keller noch ich noch irgend jemand, von Nord nach Süd tragen. das machen die Regionalen Planungsgemeinschaf- ten –, da gilt für die Gemeinde, wenn man sich die- (Zwischenruf Abg. Harzer, DIE LINKE: Ich sem Siegel unterwirft, eine faire Beteiligung vor Ort. habe Sie gefragt, ob Sie das Gesetz ändern Damit meine ich sowohl, was die Diskussion als wollen oder ob man das Gesetz ändern auch die finanzielle Beteiligung angeht, und damit kann!) sind wir bundesweit führend. Und nicht nur dass Deswegen braucht es selbstverständlich auch Tras- dieses Siegel durch die ThEGA bundesweit nach- sen. Aber das, was wir immer gesagt haben, ist: gefragt wird, sondern auch vorgeschlagen wird für Thüringen kann erstens nicht der Lastesel sein und den Deutschen Umweltpreis, zeigt doch, dass er- deswegen kann es nicht sein, dass die dritte Trasse kannt wurde – gerade in Thüringen –, dass es na- durch Thüringen geht, und zweitens haben wir ge- türlich um Beteiligungsprozesse geht, und ich will sagt, es gibt auch sachliche Argumente, die ganz Sie da auch nicht einfach rauslassen. Sie sagen klar sagen, dass diese Trasse nicht durch Thürin- „Windenergie mit Augenmaß“. Ich meine, die Deut- gen gehen muss. Ich wiederhole es noch mal: Bün- sche WindGuard hat für 2017 gerade die Zahlen delungsprinzip, Geradlinigkeitsprinzip A7 – das ist veröffentlicht. Da sind wir bundesweit beim Ausbau eine saubere Argumentation, die haben wir ge- der Windenergie auf Platz 11, übrigens nach Ba- macht und dabei bleiben wir auch. So viel zu Ihrer den-Württemberg, Hessen, Bayern – Bayern! –, Frage. Rheinland-Pfalz, Sachsen-Anhalt, Mecklenburg- Vorpommern und anderen. Da sind wir auf Platz 11 (Zwischenruf Abg. Kummer, DIE LINKE: Sagt und da sage ich Ihnen: Was ist denn das anderes das auch Ihre Bundestagsfraktion?) als Windenergieausbau mit Augenmaß? Sie tun ja (Zwischenruf Abg. Harzer, DIE LINKE: Was immer so, als gäbe es das und nichts anderes. Und sagen die Kollegen aus Hessen?) wir werben für Akzeptanz. Ich habe Ihnen gesagt, wie. Dann nutze ich noch die Gelegenheit, neben den Ausschüssen, die beantragt waren, noch zu bean- (Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) tragen, dass wir das Gesetz auch mitberatend an Wir erzählen auch keine Märchen, nämlich genau den Ausschuss für Inneres und Kommunales über- das ist Augenmaß. Und was Sie mir nach wie vor weisen. Vielen Dank. schulden – da bin ich auf die Debatte im Ausschuss (Beifall CDU) gespannt –, ist, dass Sie mir sagen, wo. Sie sagen „Ausbau mit Augenmaß“, Sie sagen nie, wo! Vizepräsidentin Jung: (Zwischenruf Abg. Gruhner, CDU: Nicht im Wald beispielsweise!) Frau Ministerin Siegesmund hat sich noch einmal zu Wort gemeldet. (Zwischenruf Abg. Müller, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Wo dann?) Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 110. Sitzung - 22.02.2018 9441

(Ministerin Siegesmund) Ich will von Ihnen irgendwann mal wissen, von Ih- weisung an den Ausschuss für Wirtschaft und Wis- nen und Ihrer Fraktion: Wo in Gottes Namen soll senschaft beschlossen. das in Thüringen stattfinden, lieber Herr Gruhner? Wir kommen zur Überweisung an den Ausschuss Jetzt steht ja Wind synonym genauso übrigens für für Infrastruktur, Landwirtschaft und Forsten. Wer Sonne. Ich bin der festen Überzeugung, wir brau- dem zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. chen dringend einen Schub beim Thema „Photovol- Das sind die Koalitionsfraktionen und die Fraktion taik“, übrigens auch weil die Diskussion, die derzeit der CDU. Gegenstimmen? Das ist die Fraktion der geführt wird, vor allen Dingen dahin geht, dass in AfD. Damit ist die Ausschussüberweisung be- Thüringen mit viel ländlichem Raum die Energie- schlossen. wende vor allem im ländlichen Raum stattfindet, Wir kommen zur Überweisung an den Innen- und und die muss genauso in die Städte, und zwar auf Kommunalausschuss. Wer dem zustimmt, den bitte die Dächer. Und dann sagen wir nicht nur, dass wir ich um das Handzeichen. Das sind die CDU-Frak- das wollen, sondern wir legen auch die Grundlage tion und Teile der SPD-Fraktion. Gegenstimmen? dafür, dass das stattfinden kann, Herr Gruhner. Das sind die Mehrheit der Koalitionsfraktionen und Und wie machen wir das? Indem wir in den nächs- die AfD-Fraktion. Damit ist die Ausschussüberwei- ten Wochen ein Solarkataster für das gesamte sung an den Innen- und Kommunalausschuss ab- Land veröffentlichen. Da können Sie Ihr Haus ein- gelehnt. geben mit Ihrer Straße, Ihrem Wohnort und sehen: Ist mein Haus geeignet, dass ich Energiewende Wir stimmen nun über die Federführung ab. Die Fe- mitmache? Ich will Sie einladen, dass Sie dabei derführung sollte beim Ausschuss für Umwelt, sind und Ihren Teil dazu beitragen. Energie und Naturschutz liegen. Wer dem zu- stimmt, den bitte ich um das Handzeichen. Das Und noch einmal zu dieser Frage: Wo leben wir ei- sind die Koalitionsfraktionen und die CDU-Fraktion. gentlich und findet der Klimawandel statt? Ich muss Gegenstimmen? Stimmenthaltungen? Das ist die Ihnen sagen, Herr Kießling, Herr Möller: Ich habe AfD-Fraktion. Damit ist die Federführung des Aus- nichts anderes erwartet, aber es gibt diese wunder- schusses für Umwelt, Energie und Naturschutz bare Einrichtung der Bundeszentrale für politische festgelegt. Bildung, wo das Buch „Klimafakten“ kostenfrei bestellt werden könnte. Auf die Debatte im Aus- Ich schließe die Beratung und den Tagesordnungs- schuss, auch mit Ihnen, freue ich mich. Vielen punkt und rufe auf den Tagesordnungspunkt 4 Dank. (Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE Drittes Gesetz zur Änderung GRÜNEN) des Thüringer UVP-Gesetzes Gesetzentwurf der Landesregie- (Zwischenruf Abg. Höcke, AfD: Es geht doch rung darum, ob der Klimawandel menschenge- - Drucksache 6/4920 - macht ist!) ERSTE BERATUNG Vizepräsidentin Jung: Wünscht die Landesregierung das Wort zur Be- gründung? Frau Ministerin Siegesmund, Sie haben Gibt es weitere Wortmeldungen? Das kann ich das Wort. nicht erkennen. Es ist Ausschussüberweisung beantragt. Zunächst Siegesmund, Ministerin für Umwelt, Energie stimmen wir über die Überweisung an den Aus- und Naturschutz: schuss für Umwelt, Energie und Naturschutz ab. Wer dem zustimmt, den bitte ich um das Handzei- Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren chen. Das sind die Koalitionsfraktionen und die Abgeordnete, das ist ja nicht die erste Novelle des Fraktion der CDU. Gegenstimmen? Die Fraktion UVP-Gesetzes in dieser Legislatur. Lassen Sie der AfD. Stimmenthaltungen? Solche kann ich nicht mich ganz kurz zusammenfassen, was diesmal erkennen. Damit ist der Gesetzentwurf an den Aus- dran ist. Verschiedene Gesetzgebungsaktivitäten schuss für Umwelt, Energie und Naturschutz über- des Bundes und der EU machen diese erneute An- wiesen. passung erforderlich. Was müssen wir auf Landes- ebene tun? Wir passen die im Thüringer UVP-Ge- Es ist die Überweisung an den Ausschuss für Wirt- setz enthaltenen Verweise auf das Bundesrecht re- schaft und Wissenschaft beantragt. Wer dem zu- daktionell an. Nach europäischem Recht und der stimmt, den bitte ich um das Handzeichen. Das entsprechenden gesetzlichen Umsetzung in sind die Koalitionsfraktionen und die CDU-Fraktion. Deutschland ist die Öffentlichkeit außerdem über Gegenstimmen? Stimmenthaltungen? Das sind Tei- sämtliche Zulassungsverfahren mit Umweltverträg- le der Fraktion der AfD und Teile der Fraktion der lichkeitsprüfungen elektronisch an zentraler Stelle AfD haben dagegen gestimmt. Damit ist die Über- zu unterrichten. Um Kosten und Aufwand zu spa- 9442 Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 110. Sitzung - 22.02.2018

(Ministerin Siegesmund) ren, haben die 16 Bundesländer gemeinsam ein In- passt. Beispielsweise die Erteilung der Baugeneh- ternetportal für Informationen über Umweltverträg- migung für die Ahmadiyya-Moschee durch die rot- lichkeitsprüfungen entwickelt. Das Portal gibt da- rot-grüne Stadtregierung in Erfurt, rüber Auskunft, um welche Art von UVP-pflichtigem (Zwischenruf Abg. Henfling, BÜNDNIS 90/ Vorhaben es jeweils geht. Vor allen Dingen für die DIE GRÜNEN: Och, langweilig!) Bürgerinnen und Bürger ist das Ganze transparen- ter. Es wird noch in diesem Jahr freigeschaltet und (Zwischenruf Abg. Rothe-Beinlich, BÜNDNIS damit für alle zugänglich sein, und vielleicht – so ist 90/DIE GRÜNEN: Darüber entscheidet nicht unsere Hoffnung – erledigt sich damit auch der eine der Stadtrat! Das ist Baurecht! Das haben oder andere Gang zum Amt. Die Veröffentlichung Sie nicht annähernd verstanden!) im Portal ergänzt damit die öffentliche Auslegung die trotz des dort beheimateten und gleichzeitig ex- der Unterlagen an verschiedenen Stellen, die paral- trem bedrohten Feldhamstervorkommens geschah, lel stattfindet, und ist vor allen Dingen eines: Sie ist zeigt dies mehr als deutlich, zumal gleichzeitig in bürgerinnen- und verbraucherfreundlich. Besten den Heiligen Gral „Wolf“ viele Tausend Euro Steu- Dank. ergelder investiert werden. (Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- (Beifall AfD) NEN) Oder aber die geplante Freiflächensolaranlage in Vizepräsidentin Jung: Oldisleben: Noch bevor die Baugenehmigung bear- beitet wurde, wurde dort eine Schotterfläche circa Ich eröffne die Beratung und zu Wort hat sich Ab- einen halben Meter stark ausgebracht, und das geordneter Kießling, Fraktion der AfD, gemeldet. wohlbemerkt in einem Eidechsenhabitat. Oder aber das Verschwinden der Rotmilan-Horste, denn seit Abgeordneter Kießling, AfD: dem Ausbau der Windkraftanlagen verschwinden in Thüringen komischerweise immer wieder die Rot- Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Kolle- milan-Horste. Heute konnte man sogar im Radio ginnen und Kollegen, liebe Gäste auf der Tribüne, vernehmen, dass ein Baum mit einem Rotmilan- der von der Landesregierung vorgelegte Entwurf Horst komplett verschwunden ist. zur Änderung des Thüringer UVP-Gesetzes ist zwar gemäß den einschlägigen EU-Richtlinien und (Zwischenruf Abg. Adams, BÜNDNIS 90/DIE dem entsprechenden Bundesgesetz angeblich al- GRÜNEN: Wo ist er hin?) ternativlos und gut gemeint, in seiner Gesamtheit (Zwischenruf Abg. Kobelt, BÜNDNIS 90/DIE betrachtet jedoch nicht gut gemacht. Das kennen GRÜNEN: Mit welchem Beispiel?) wir aber bereits von der Arbeit der Regierungskoali- tion. Wir wissen alle, dass es trotz der guten Ab- Das können Sie mal heute im Radio nachhören. sichten der Landesregierung vor den Baum geht. Darum gab es extra eine Debatte, dass – wie ge- sagt – gerade zur Zeit des Windkraftausbaus hier Der hier vorgelegte Gesetzentwurf soll erstaunli- reihenweise Rotmilan-Horste auf Nimmerwiederse- cherweise nicht nur den Schutz der Umwelt verbes- hen verschwinden. Komischerweise liegt das auch sern, sondern gleichzeitig auch den Verwaltungs- daran, dass diese Rotmilan-Horste die Errichtung aufwand durch meist sowieso völlig überflüssige eines Windrads verhindern könnten. und weltfremde EU-Bürokratievorgaben verringern. Dies soll vornehmlich mithilfe eines zentralen Inter- (Beifall AfD) netportals für Antragsteller geschehen, was angeb- Deswegen sollte man mal darüber nachdenken, lich lediglich und inklusive Entwicklung jährlich nicht womit das zusammenhängen könnte. Das zeigt mehr als 22.000 Euro kosten soll. Wohlgemerkt in umso mehr, dass der vorgelegte Gesetzentwurf von einem Bundesland, in dem es genau diese rot-rot- Rot-Rot-Grün Bürgertäuschung par excellence ist. grüne Landesregierung bis heute nicht fertigge- Auch dass laut Gesetzentwurf kein messbarer Ver- bracht hat, eine flächendeckende und adäquate In- waltungsaufwand für die Zugänglichmachung der ternetanbindung und Digitalisierung für die Bevölke- relevanten Unterlagen bei den Gemeinden entste- rung auf den Weg zu bringen. hen soll, ist blanker Unsinn, meine Damen und Her- Zudem ist unserer Ansicht nach die Datensicherheit ren. für dieses Portal nicht hinreichend geklärt. Aber Es lässt sich also sagen: Die Chance zu nutzen, nicht nur der viel zu niedrig angesetzte jährliche das bisher bestehende Thüringer UVP-Gesetz nicht Kostenaufwand für dieses Internetportal zeigt die nur den europäischen und bundesdeutschen Richt- von der Landesregierung betriebene Augenwische- linien anzugleichen, sondern darüber hinaus auch rei, sondern auch, dass ihr und den rot-rot-grünen noch mit einer soliden Zukunftsfähigkeit auszustat- Parteifreunden auf Kommunalebene das Instrument ten, ergeht durch die Landesregierung einmal mehr der Umweltverträglichkeitsprüfung nur so lange in juristische und praktische Flickschusterei ohne dienlich ist, wie es ihr ideologisch in den Kram seriöse Kostenaussage. Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 110. Sitzung - 22.02.2018 9443

(Abg. Kießling) In der Gesamtbetrachtung lässt sich daher sagen, Prozess noch mal nutzen und über den Anhang der dass der uns vorgelegte Gesetzentwurf nicht nur UVP-pflichtigen Maßnahmen reden. Denn hier ist ohne solide Kostenbasis daherkommt, sondern eine Reihe von Landesvorgaben getroffen, zum auch in Bezug auf das beabsichtigte Netzportal Beispiel bezüglich der UVP-Pflicht für Torfabbau ab noch einige Fragen offen lässt. Daher lehnt die 5 Hektar. Unsere Moore in Thüringen sind relativ AfD-Fraktion den vorgelegten Gesetzentwurf ab klein. Ich denke, das ist ein Problem, wo 5 Hektar und plädiert für eine Überweisung des Antrags an schon eine Riesenfläche sind, wo man über eine den zuständigen Umweltausschuss. Vielen Dank Anpassung reden könnte. Auch was in Sachen für die Aufmerksamkeit. Bergrecht sonst steht – eine UVP-Pflicht für Halden für Bodenschätze außerhalb des Bergrechts ab (Beifall AfD) 10 Hektar, Tagebaue ab 25 Hektar. Das sind Ein- griffe, bei denen man aus meiner Sicht darüber Vizepräsidentin Jung: nachdenken müsste, ob diese Zahlen hier noch ak- Für die Fraktion Die Linke hat sich Abgeordneter tuell und angemessen sind. Deshalb würde ich uns Kummer zu Wort gemeldet. einfach dazu einladen, uns im Rahmen der Aus- schussbefassung auch mit diesen Fragen zu be- schäftigen. Danke schön. Abgeordneter Kummer, DIE LINKE: (Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- Vielen Dank, Frau Präsidentin. Herr Kießling, übli- NEN) cherweise wird in der ersten Lesung nicht abge- lehnt. Sie haben auf Überweisung plädiert, das ist in Ordnung. Aber ich denke, wenn man denn wirk- Vizepräsidentin Jung: lich sachdienliche Hinweise zum Gesetzentwurf Es liegen jetzt keine Wortmeldungen mehr vor. Da- hat, gehört es in den Ausschuss, um das dann dort mit schließe ich die Beratung. Es ist Ausschuss- auch entsprechend zu diskutieren. überweisung an den Ausschuss für Umwelt, Ener- Ich will zwei kurze Bemerkungen zu dem machen, gie und Naturschutz beantragt. Wer dem zustimmt, was Sie eben gesagt haben. Ich stelle also fest: Für den bitte ich um das Handzeichen. Das sind die die AfD-Fraktion ist offensichtlich Ziel, dass in Zu- Koalitionsfraktionen, die Fraktion der CDU und die kunft bei Errichtung von Gebäuden eine Umweltver- Fraktion der AfD. Damit ist die Ausschussüberwei- träglichkeitsprüfung eingeführt werden soll. Ich sung beschlossen und ich schließe diesen Tages- weiß nicht, wie groß die Moschee in Erfurt werden ordnungspunkt. soll, vielleicht 200 Quadratmeter Grundfläche. Das Ich rufe auf zunächst in erster Beratung den Tages- wäre dann also ein Ansatzpunkt, wo Sie eine ver- ordnungspunkt 5 pflichtende UVP-Prüfung einführen wollen. Das wä- re sicherlich zu den Bemerkungen, die es vorhin gab, was Mehraufwände für Wirtschaft und Ähnli- Thüringer Gesetz zu dem Ein- ches angeht, doch mal eine spannende Diskussion. undzwanzigsten Rundfunkän- derungsstaatsvertrag Die zweite Geschichte – Milan-Horste –, bloß, da- Gesetzentwurf der Landesregie- mit es hier nicht im öffentlichen Raum stehen bleibt: rung Wir hatten die Diskussion schon mal vor einiger - Drucksache 6/5307 - Zeit. Wenn sich ein Milan-Horst in der Nähe eines ERSTE und ZWEITE BERA- künftigen Windparks befand und von irgendwelchen TUNG Menschen entfernt wurde, dann hat das keinerlei Auswirkungen auf die Genehmigung der Windkraft- Wünscht die Landesregierung das Wort zur Be- anlagen/des Windparks, weil dieser Milan-Horst do- gründung? Herr Staatssekretär Krückels, Sie haben kumentiert ist und dementsprechend davon ausge- das Wort. gangen wird, dass dort auch wieder ein Milan-Horst entsteht, sodass das also kein Grund ist, dass man Krückels, Staatssekretär: irgendwie hoffen könnte, damit dann einen Wind- park zu ermöglichen. Also gehe ich auch nicht da- Sehr geehrte Frau Präsidentin, werte Abgeordnete, von aus, dass es von Windparkbetreibern ein Inte- liebe Gäste, mit dem vorliegenden Gesetzentwurf resse gibt, Milan-Horste zu entfernen. soll der Einundzwanzigste Rundfunkänderungs- staatsvertrag in das Thüringer Landesrecht trans- Ich will zum Gesetzentwurf kommen, meine Damen formiert werden. Die Landesregierung hat dem und Herren. Frau Ministerin hat die Notwendigkeit Landtag in der Sitzung des Ausschusses für Euro- beschrieben. Dem ist aus meiner Sicht wenig hin- pa, Kultur und Medien am 8. Dezember 2017 ge- zuzufügen, was die Frage Umsetzung dieser euro- mäß Artikel 67 Abs. 4 der Thüringer Verfassung pa- und bundesrechtlichen Vorgaben und Erhöhung über den geplanten Abschluss des Einundzwanzig- der Transparenz im Bereich angeht. Ich bin aber sten Rundfunkänderungsstaatsvertrags informiert. hier vorgekommen, weil ich denke, wir sollten den Am 12. Dezember, also vier Tage später, hat Herr 9444 Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 110. Sitzung - 22.02.2018

(Staatssekretär Krückels) Ministerpräsident Ramelow den Staatsvertrag un- verbreiten, sondern auch damit, bei diesen Tätig- terzeichnet. keiten zusammenzuarbeiten. Denn mit verstärkter Kooperation, beispielsweise bei Produktion, Tech- Der Einundzwanzigste Rundfunkänderungsstaats- nik und Verwaltung, können die Anstalten Synergie- vertrag enthält zwei Regelungskomplexe, die ich effekte und damit Einsparungen erzielen und so kurz skizzieren darf. Erstens sollen die rundfunk- einen Beitrag zur Beitragsstabilität leisten. Die vor- rechtlichen Staatsverträge an die Europäische Da- gesehene Regelung soll die kartellrechtlichen Risi- tenschutz-Grundverordnung angepasst werden, die ken für die Anstalten so weit wie möglich ausschlie- am 25. Mai 2018 als unmittelbar geltendes Recht in ßen, wenn sie in diesem Sinne zusammenarbeiten. Kraft tritt. Die Öffnungsklauseln in der Datenschutz- Soweit die Anstalten zulässige kommerzielle Tätig- Grundverordnung lassen Raum für Ausnahmen und keiten ausüben, sind sie nicht betraut zusammen- Abweichungen von Bestimmungen der Daten- zuarbeiten, sondern müssen sich selbstverständlich schutz-Grundverordnung im nationalen Daten- weiterhin marktkonform verhalten. Das vorliegende schutzrecht, in diesem Fall auszufüllen durch die Gesetz zum Einundzwanzigsten Rundfunkände- Länder. Insbesondere für den Medienbereich sind rungsstaatsvertrag enthält lediglich die Zustimmung solche Ausnahmen und Abweichungen von der Da- zu diesem 16-Länder-Regelungswerk. Weiterge- tenschutz-Grundverordnung zulässig und auch er- hende Bestimmungen sind in diesem Gesetz nicht forderlich, um das bestehende Medienprivileg so- vorgesehen. wohl für den öffentlich-rechtlichen als auch für den privaten Rundfunk vollumfänglich zu erhalten. Die- Gestatten Sie mir noch eine ganz knappe Voraus- se Ausnahmen und Abweichungen für den öffent- schau auf ein weiteres demnächst anstehendes Zu- lich-rechtlichen Rundfunk enthält der Einundzwan- stimmungsgesetz zu einem rundfunkrechtlichen zigste Rundfunkänderungsstaatsvertrag. Staatsvertrag. Der MDR-Staatsvertrag soll mit ei- nem gesonderten MDR-Datenschutz-Staatsvertrag Im Mittelpunkt steht die folgende Konstellation: Oh- an die Europäische Datenschutz-Grundverordnung ne Medienprivileg bedürfte die namentliche Bericht- ebenso angepasst werden. Über diesen geplanten erstattung – also jedes Mal, wenn man über ein In- MDR-Datenschutz-Staatsvertrag hat die Landesre- dividuum berichtet und es beim Namen nennt, was gierung den Ausschuss für Europa, Kultur und Me- ja doch häufig vorkommt – über eine bestimmte dien in dessen Sitzung am 19. Januar 2018 infor- Person der Einwilligung des Betroffenen, denn eine miert. Am 1. Februar 2018 haben die Ministerpräsi- Berichterstattung über namentlich genannte Perso- denten der drei mitteldeutschen Länder Sachsen- nen wird als Verarbeitung personenbezogener Da- Anhalt, Sachsen und Thüringen, die den MDR ge- ten gewertet. Eine Einwilligungslösung wäre mit der gründet und beauftragt haben, den MDR-Daten- verfassungsrechtlich garantierten Stellung der Me- schutz-Staatsvertrag unterzeichnet. Das erforderli- dien allerdings nicht vereinbar. Vielmehr müssen che Zustimmungsgesetz befindet sich derzeit in der die Medien personenbezogene Daten auch ohne Ressortabstimmung. Dieser Gesetzentwurf soll Einwilligung der jeweils betroffenen Personen ver- dem Landtag rechtzeitig vor dem März-Plenum zu- wenden können, andernfalls wäre journalistische geleitet werden. Arbeit schlechterdings unmöglich und die Medien könnten ihre in Artikel 5 Abs. 1 Satz 2 des Grund- Noch mal zurück zum Einundzwanzigsten Rund- gesetzes verbrieften Aufgaben nicht wahrnehmen. funkänderungsstaatsvertrag. Dieser Staatsvertrag Gleiches gilt für die unverzichtbare Wahrung des kommt nach seinem Artikel 5 Abs. 2 nur dann zu- Informantenschutzes, der ebenfalls vollumfänglich stande, wenn ihm bis zum 24. Mai 2018 alle Land- erhalten werden soll und erhalten werden muss. tage zugestimmt haben und die Ratifikationsurkun- den beim Vorsitzland der Ministerpräsidentenkonfe- Weitere Regelungen in diesem ersten Komplex des renz hinterlegt worden sind. Sollte dies nicht ge- Staatsvertrags betreffen die Stellung der Rundfunk- schehen, wäre das Medienprivileg, auf das ich vor- datenschutzbeauftragten beim ZDF, also der An- her abgehoben habe, bis auf Weiteres nicht mehr stalt der Länder, und beim Deutschlandradio, na- gesetzlich verankert und dann auch nicht existent. mentlich deren Unabhängigkeit, also Unabhängig- Ich bitte deshalb um Ihre Zustimmung zu dem Ge- keit der Rundfunkdatenschutzbeauftragten in die- setzentwurf und danke für die Aufmerksamkeit. sen beiden Anstalten. (Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE Ich komme zum zweiten Regelungskomplex des GRÜNEN) Einundzwanzigsten Rundfunkänderungsstaatsver- trags. Dabei handelt es sich um die sogenannte Be- trauungsnorm im Sinne des Artikels 106 Abs. 2 des Vizepräsidentin Jung: Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Ich eröffne die Beratung und es hat Abgeordneter Union. Die vorgesehene Regelung stellt klar, dass Wucherpfennig, Fraktion der CDU, das Wort. die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten nicht nur damit betraut sind, also beauftragt sind, Pro- gramme und andere Angebote herzustellen und zu Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 110. Sitzung - 22.02.2018 9445

Abgeordneter Wucherpfennig, CDU: Erstens: „Artikel 85 Abs. 2 der Datenschutzgrund- verordnung erlaubt den Mitgliedstaaten ausdrück- Frau Präsidentin, meine Damen, meine Herren, zu- lich die Aufrechterhaltung des Medienprivilegs für mindest ein Regelungsgegenstand des heute dem Verarbeitung zu journalistischen, wissenschaftli- Thüringer Landtag vorgelegten Thüringer Gesetzes chen, künstlerischen oder literarischen Zwecken.“ zum Einundzwanzigsten Rundfunkänderungs- Zweitens: „Zugleich erweitert Artikel 85 DSGVO die staatsvertrag hat im Vorfeld für Diskussionsstoff ge- Ausnahmemöglichkeiten von der grundsätzlichen sorgt. Angesichts dieser Debatte möchte ich nach- Anwendung derselben gegenüber den in der bishe- folgende Bemerkungen zum Staatsvertrag machen. rigen Datenschutzrichtlinie vorgesehenen Ausnah- Im Detail regelt das Vertragswerk inhaltlich insbe- memöglichkeiten.“ Und drittens: „Der Begriff der sondere zwei Punkte – der Staatssekretär wies be- journalistischen Zwecke erscheint nicht mehr als reits darauf hin –: Erstens geht es darum, den öf- eng umgrenzter Ausnahmebereich wie in der Da- fentlich-rechtlichen Sendern eine engere Koopera- tenschutzrichtlinie, sondern muss vielmehr weit tion untereinander zu ermöglichen, ohne dass sie ausgelegt werden.“ dabei wettbewerbsrechtliche Risiken eingehen. Meine Damen, meine Herren, zusammenfassend Zweitens soll die in allen EU-Mitgliedstaaten unmit- Folgendes: Die EU-Datenschutz-Grundverordnung telbar ab 25. Mai 2018 geltende EU-Datenschutz- ermöglicht der Bundesrepublik Deutschland, ihr Grundverordnung – kurz DSGVO genannt – durch Medienprivileg nicht nur aufrechtzuerhalten, son- die Novellierung rundfunkrechtlicher Staatsverträge dern vielmehr zu erweitern und zu präzisieren. in nationales und somit auch Thüringer Recht um- Nach Auffassung meiner Fraktion ist dieses durch gesetzt werden. den Einundzwanzigsten Rundfunkänderungsstaats- Zunächst zur Rechtssicherheit für engere Koopera- vertrag gewährleistet. Wir werden deshalb dem tionen der Rundfunkanstalten: ARD, ZDF und Thüringer Gesetz zum Einundzwanzigsten Rund- Deutschlandradio werden nunmehr als Sendean- funkänderungsstaatsvertrag zustimmen. Vielen stalten eingestuft, die Dienstleistungen von allge- Dank. meinem wirtschaftlichen Interesse gemäß dem Ver- (Beifall CDU, DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS trag über die Arbeitsweise der Europäischen Union 90/DIE GRÜNEN) erbringen. Die Sender sollen damit nunmehr eine rechtssichere Grundlage für eine verstärkte Zusam- menarbeit in den Bereichen Betrieb, Verwaltung, Vizepräsidentin Jung: Technik und Programmverarbeitung erhalten. Die- Als nächster Redner hat Abgeordneter Blech- ses – meine Damen, meine Herren – dürfte meines schmidt, Fraktion Die Linke, das Wort. Erachtens auch ein erster richtiger Schritt sein, Kosten zu minimieren. Ich denke, das sollte unser Abgeordneter Blechschmidt, DIE LINKE: aller Ziel sein. Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, man Nun zum zweiten Novellierungsschwerpunkt, und könnte die Debatte dahin gehend natürlich verkür- zwar den Regelungen der Datenschutzaufsicht für zen. Die Argumente sind alle schon auf dem Tisch Medienschaffende oder auch der Erneuerung des und auch die damit verbundenen Konsequenzen sogenannten Medienprivilegs. Die neuen Rege- sind aufgezeigt worden, aber wie sagt man: Nicht lungen knüpfen im Wesentlichen an das bestehen- der eigene Beitrag hat das formuliert, sondern die de Medienprivileg an, das den Medien seit Langem anderen. Demzufolge möchte ich gern noch auf das schon Ausnahmen vom Datenschutzrecht gewährt, eine oder andere Argument eingehen und im Be- um die redaktionelle Tätigkeit nicht zu erschweren sonderen hervorheben: Der Konsequenz, die sich oder gar zu behindern. Mithilfe dieser Sonderrege- aus den technologischen Entwicklungsprozessen lung für die Medien soll vor allem der Informanten- ergibt, muss man auch in den datenschutzrechtli- schutz gewährleistet werden und damit letztlich die chen Grundlagen Rechnung tragen. Das tut mit grundgesetzlich garantierte Pressefreiheit. Blick auf den Medienbereich der Einundzwanzig- Meine Damen, meine Herren, dass die im Einund- ste Rundfunkänderungsstaatsvertrag. Hier möchte zwanzigsten Rundfunkänderungsstaatsvertrag in ich im Besonderen eben auch noch mal auf die Be- Verbindung mit der DSGVO getroffenen Rege- gründung des Staatsvertrags eingehen, die da lau- lungen als eine Verbesserung des für unsere Pres- tet, ich zitiere: „Die Verabschiedung der Daten- sefreiheit existenziellen Medienprivilegs gewertet schutz-Grundverordnung führt zu grundlegenden werden, dokumentiert das Rechtsgutachten der strukturellen Änderungen im nationalen Daten- Leipziger Universitätsprofessorin Dr. Schiedermair, schutzrecht: Aufgrund des Rechtsformwechsels hin das von den drei Staatskanzleien von Sachsen, zu einer Verordnung bedürfen die Regelungen kei- Sachsen-Anhalt und Thüringen in Auftrag gegeben ner Umsetzung in das nationale Recht, sondern wurde. Daraus möchte ich auszugsweise nur drei sind vielmehr ab dem 25. Mai 2018“ – so wie der für mich wesentliche Sätze zitieren: Staatssekretär betont hat – „unionsweit unmittelbar anwendbar.“ Somit stehen wir vor dieser Aufgabe, 9446 Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 110. Sitzung - 22.02.2018

(Abg. Blechschmidt) entsprechend das Medienprivileg für Deutschland Rundfunkanstalten [...], dass auch Effizienzgewin- aufrechtzuerhalten. ne, die durch Kooperationen erreicht werden, an die Beitragszahler weitergegeben werden.“ Auch möchte ich – so wie der Staatssekretär – auf die Frage der Betrauungsnormen im Sinne des Ver- Meine Damen und Herren, noch einen Gedanken trags eingehen. Diese Regelung ist deshalb so zum ZDF- und Deutschlandradio-Staatsvertrag: wichtig, weil sie nicht nur die Begründung für die Hier sind besonders die Installation und die damit Herstellung und Verbreitung von Angeboten der verbundenen Regelungen einer jeweiligen Auf- Medien beschreibt, sondern die – der Kollege Wu- sichtsbehörde, sprich Rundfunkdatenschutzbeauf- cherpfennig hat darauf aufmerksam gemacht – bin- tragte, zu benennen. Die Fragen zur Errichtung, zur nenmarktrelevanten Kooperationen nicht unter das Wahl, zur Amtszeit und zu den Aufgaben sind je- europäische Wettbewerbsrecht stellt. Dies garan- weils eindeutig beschrieben. Der entscheidende tiert eine höhere und bessere Rechtssicherheit der Punkt dabei ist immer wieder die beschriebene Un- öffentlich-rechtlichen Anstalten und zeigt auch deut- abhängigkeit dieser Person bzw. Stätte. lich die Möglichkeiten auf, um weitere Effizienzpo- Meine Damen und Herren, wir werden uns sicher in tenziale bzw. Kosteneinsparungen vornehmen zu den kommenden Tagen und Wochen – der Staats- können und, ich betone, an dieser Stelle auch vor- sekretär hat es angedeutet – mit dem Inhalt der Da- nehmen zu müssen. tenschutz-Grundverordnung weiter auseinanderset- Nun, meine Damen und Herren, zu einigen weni- zen dürfen und müssen. In Bezug auf den Einund- gen Schwerpunkten der verschiedenen Staatsver- zwanzigsten Rundfunkänderungsstaatsvertrag bitte träge. Für mich der wichtigste Punkt sind die Fra- ich also, dem Thüringer Gesetz, welches in beson- gen zur journalistischen Datenerfassung und deren derer Weise zur Sicherung des Medienprivilegs in Verarbeitung, der Erhalt des Medienprivilegs. Ent- unserer Gesellschaft dient sowie die Grundrechte sprechend der Datenschutz-Grundverordnung kön- und Grundfreiheiten der Bürgerinnen und Bürger nen auch weiterhin Daten zur journalistischen Ar- mit Blick auf den Datenschutz garantiert, zuzustim- beit erfasst werden. Grenzen werden aber dahin men. Vielen Dank. gehend festgehalten, dass sie zwar mit Erweite- (Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE rungscharakter, aber nur zu journalistischen GRÜNEN) Zwecken erfasst werden können. Wie in den voran- gegangenen Staatsverträgen – besonders in der Frage des Rundfunkbeitrags und der Erfassung Vizepräsidentin Jung: entsprechender personengebundener Daten – ha- Für die Fraktion der AfD erhält Abgeordneter Höcke ben wir schon damals kritisch angesprochen, dass das Wort. die Erfassung der Beitragszahler durch die öffent- lich-rechtlichen Anstalten datenschutzrechtlich pro- Abgeordneter Höcke, AfD: blematisch erscheinen und wohl auch sind. Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Kolle- Meine Damen und Herren, ein zweiter Aspekt, den gen Abgeordnete, sehr geehrte Besucher auf der ich hier hervorheben möchte, liegt in der Regelung Tribüne, vor ziemlich genau drei Jahren haben wir der Datenaufsicht im Bereich des Rundfunks. Wir uns mit dem Sechzehnten Rundfunkänderungs- können davon ausgehen, dass die bisherigen lan- staatsvertrag befasst. Mittlerweile steht der Einund- desspezifischen Aufsichtsstrukturen weiter existie- zwanzigste Rundfunkänderungsstaatsvertrag auf ren können und werden. Das schließt nicht nur die der Agenda, das sind sechs Rundfunkänderungs- öffentlich-rechtlichen Anstalten, sondern ausdrück- staatsverträge in drei Jahren, und wenn die Anzahl lich den privaten Rundfunk mit ein. Als wichtig sehe der Novellierungen ein Indikator für die Vitalität des ich darüber hinaus auch die allgemeinen Formulie- öffentlich-rechtlichen Rundfunks sein sollte, dann rungen zur Existenzberechtigung des öffentlich- könnte man den Eindruck bekommen, dass ein tod- rechtlichen Rundfunks im Zusammenhang des Ein- kranker Patient mittels Notversorgung am Leben er- undzwanzigsten Rundfunkänderungsstaatsvertrags halten wird. an. Auch hier möchte ich aus der Begründung zitie- ren, Zitat: „Auch der europäische Gesetzgeber be- (Beifall AfD) tont im Protokoll (Nr. 29) über den öffentlich-rechtli- Die aktuelle Diskussion um den öffentlich-rechtli- chen Rundfunk in den Mitgliedstaaten [...] die un- chen Rundfunk, seine Zeitgemäßheit und die Not- mittelbare Verknüpfung des öffentlich-rechtlichen wendigkeiten einer grundsätzlichen Reform zeigt in Rundfunks mit den demokratischen, sozialen und der Tat, dass wir es mit einem versteinerten und kulturellen Bedürfnissen der Gesellschaft.“ Und selbstgefälligen Gebilde zu tun haben. weiter mit Blick auf die Finanzierung: „Dabei ge- währleistet das bestehende System der Finanzie- (Beifall AfD) rung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks mit der Ein versteinertes und selbstgefälliges Gebilde, das Prüfung durch die unabhängige Kommission zur sich vor allem mit zwei Dingen beschäftigt, sehr ge- Überprüfung und Ermittlung des Finanzbedarfs der Thüringer Landtag - 6. 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(Abg. Höcke) ehrte Kollegen Abgeordnete, nämlich erstens mit heit andererseits. Für diesen Ausgleich zu sorgen, sich selbst und zweitens mit der Bevormundung obliegt den nationalen Gesetzgebern und für den des Bürgers; und diese Bürger dürfen diese Bevor- Fall des öffentlich-rechtlichen Rundfunks den Bun- mundung auch noch bezahlen. Sie merken also desländern. So weit, so gut. schon, Herr Kollege Blechschmidt, ich schenke or- Es steht außer Frage, dass der Journalismus, dass dentlich Wasser in den Wein hinein. die Pressefreiheit nicht durch den Datenschutz kon- (Zwischenruf Abg. Henfling, BÜNDNIS 90/ terkariert werden dürfen, insofern ist das angespro- DIE GRÜNEN: Sie reden nicht zum Thema!) chene Medienprivileg geboten und durchaus sinn- voll. Der Journalismus – und wer zweifelt daran – Dass wir uns heute wieder einmal mit der Änderung ist immer wieder darauf angewiesen, personenbe- der diversen Rundfunkverträge befassen, hat dies- zogene Daten auch ohne Einwilligung der Betroffe- mal weniger mit der Verfassungswidrigkeit ein- nen zu erheben und zu verarbeiten und muss von schlägiger Regelungen oder dem nicht enden wol- daher besonderen datenschutzrechtlichen Rege- lenden Finanzbedarf der Rundfunkanstalten zu tun, lungen unterworfen sein. Allerdings, sehr geehrte sondern vor allen Dingen mit Fragen des Daten- Kollegen Abgeordnete, war das bisher auch schon schutzes, die von meinen Vorrednern schon ange- so. sprochen worden sind, die uns durch die Brüsseler Rechtsetzung aufgenötigt werden. Konkreter An- Indes ist der gesamte Vorgang, der zum Einund- lass ist die sogenannte Datenschutz-Grundverord- zwanzigsten Rundfunkänderungsstaatsvertrag ge- nung der EU, die heute schon mehrfach themati- führt hat, aus der Perspektive der AfD-Fraktion siert worden ist, die dann ab dem 25. Mai dieses fragwürdig und im Ergebnis höchst problematisch. Jahres unmittelbares Recht in Deutschland werden Das will ich an zwei Schritten erläutern. Erstens ist soll. die Datenschutz-Grundverordnung für uns ein Mu- sterbeispiel für ausufernde Rechtsetzung der EU, Diese Grundverordnung, sehr geehrte Kollegen Ab- die nicht zuletzt tief in die Wirtschaft unseres Lan- geordnete, regelt für die gesamte EU Fragen der des eingreift, ohne dass überzeugend ersichtlich automatisierten Datenverarbeitung, namentlich mit gemacht werden kann, dass es derart weitgehen- Blick auf personenbezogene Daten. Was mit dieser der Regelungen für die gesamte EU bedarf. Insbe- neuen EU-Norm auf uns alle zukommt, insbesonde- sondere die Wucherung bürokratischer Pflichten ist re aber auch – das war gestern auch Thema des für uns schlicht inakzeptabel und zeigt, dass ein parlamentarischen Abends des Thüringer Hand- durchaus sinnvolles Anliegen, nämlich der Daten- werks – auf die vielen kleinen und mittleren Unter- schutz, durch Übertreibung auch ins Absurde nehmen in unserem Freistaat, das ist vielen Men- gesteigert werden kann und dann eben Unsinn schen in unserem Land noch gar nicht bewusst. wird. Diese Sache bringt nämlich neuen, zusätzlichen, unnötigen, exorbitanten Verwaltungsaufwand und Zweitens sind die Folgen dieses Unsinns im Be- Ämterwucherung mit sich. Und wie es sich für eine reich der rechtlichen Regelung für den Datenschutz Norm gehört, die das disziplinierende Brüsseler Im- beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk wiederum perium erlässt, ist die Sache wieder einmal mit er- höchst fragwürdig, denn sie führen zu einer Wuche- heblichen Bußgeldrisiken versehen, die für Unter- rung der Apparate des öffentlich-rechtlichen Rund- nehmer und beteiligte natürliche Personen funks, damit de facto zur Kostensteigerung und vor durchaus existenzgefährdend sein können. Ob bei allem auch wieder zu einer Vergrößerung des Pos- alldem wirklich etwas für die Qualität des Daten- tenkartells von Regierungsparteien und ihren Vor- schutzes gewonnen wird, darf man jedenfalls aus feldorganisationen. deutscher Perspektive zu Recht bezweifeln. So sehen die jetzt zu ändernden Verträge für das (Beifall AfD) ZDF und das Deutschlandradio die Errichtung von Datenschutzbeauftragten vor, an die vergleichswei- Das also sind der Rahmen und der Anlass des Ein- se geringe Qualifikationsanforderungen gestellt undzwanzigsten Rundfunkänderungsstaatsver- werden. Gefordert ist zum Beispiel nicht die Befähi- trags. Nun ist es so, dass die Datenschutz-Grund- gung zum Richteramt, also ein zweites juristisches verordnung Öffnungsklauseln für solche Bereiche Staatsexamen. Man kann sich also hier schon wie- enthält, die von der Sache her besonderer daten- der denken, dass man auf die entsprechenden Stel- schutzrechtlicher Regelungen bedürfen. Diese Re- len verdiente politische Kumpane setzen wird; wir gelungen können von den Mitgliedstaaten getroffen alle erleben ja gerade eine lebendige und durchaus werden. Das betrifft nicht zuletzt das schon ange- begrüßenswerte Diskussion über die Existenz und sprochene Medienprivileg, also besondere Rück- die Auswüchse der Parteibuchherrschaft gerade sichten des Datenschutzes auf die Erfordernisse ei- hier in Thüringen. Diese schlechte Entwicklung ist nes freiheitlichen Journalismus. Genauer geht es im Übrigen dann auch beim MDR so zu erwarten, um einen Ausgleich zwischen dem rechtlichen denn entsprechende Änderungen werden vermut- Schutz von personenbezogenen Daten einerseits lich bald auch für den MDR-Staatsvertrag zu disku- und der Meinungs-, Informations- und Pressefrei- 9448 Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 110. Sitzung - 22.02.2018

(Abg. Höcke) tieren sein. Ich erinnere daran, dass politische Vet- aber wir sind nicht überzeugt, dass die Ausgriffe ternwirtschaft im Medienbereich gang und gäbe ist, der EU mittels Datenschutz-Grundverordnung in man denke nur an den besonders krassen Fall des diesem Bereich als geboten oder als legitim ange- SPD-Genossen und vormaligen NRW-Medien- sehen werden können. Aus diesen Gründen wer- staatssekretärs Marc Eumann, der jüngst in Rhein- den wir dem Einundzwanzigsten Rundfunkände- land-Pfalz für viel Verstimmung und Furore gesorgt rungsstaatsvertrag auch nicht zustimmen können. hat. Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit. Der Rundfunkänderungsstaatsvertrag führt übri- (Beifall AfD) gens auch dazu, dass es bei ZDF und Deutsch- (Zwischenruf Abg. Henfling, BÜNDNIS 90/ landfunk jetzt nicht nur etwa einen Datenschutzbe- DIE GRÜNEN: Was für eine Überraschung!) auftragten, sondern derer zwei gibt, nämlich den schon erwähnten Rundfunkdatenschutzbeauftrag- ten, der für die journalistischen Datenschutzbelan- Vizepräsidentin Jung: ge zuständig ist, und den Datenschutzbeauftragten, Als nächster Redner hat Abgeordneter Dr. Pidde, der für die nicht journalistischen Belange zuständig Fraktion der SPD, das Wort. ist. Während sich die Aufgaben und Befugnisse des Letzteren direkt aus der Datenschutz-Grundverord- Abgeordneter Dr. Pidde, SPD: nung der EU ergeben werden, werden die des Ers- teren durch nationales Recht eben in den Staats- Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, der verträgen geregelt. Hier zeigt sich besonders au- Einundzwanzigste Rundfunkänderungsstaatsver- genscheinlich, wie die Regelungswut der EU zu trag verfügt auf den ersten Blick über einen recht Wucherungen der öffentlichen Einrichtungen und überschaubaren Regelungsgehalt. Schwerpunkt Behörden führt, sehr geehrte Kollegen Abgeordne- der Vertragsnovelle sind nämlich fast ausschließlich te. Mehr Bürokratie – und das Thema war gestern rundfunkrechtliche Anpassungen, die aus dem In- eines der wichtigsten Themen beim parlamenta- krafttreten der EU-Datenschutz-Grundverordnung rischen Abend des Handwerks, und Sie haben sich am 25. Mai dieses Jahres resultieren. Dennoch ent- meiner Erinnerung nach alle vor der versammelten faltet der neue Staatsvertrag medienrechtlich und Handwerkerschaft dieses Freistaats für Bürokratie- medienpolitisch grundsätzliche Bedeutung, geht es abbau starkgemacht –, das, was Sie gemeinsam bei ihm doch um nicht weniger als um eine prinzipi- hier jetzt als Altfraktionen heute bzw. dann in der elle Abwägung zwischen zwei bedeutenden Verfas- zweiten Beratung beschließen werden, bedeutet sungsgütern: dem Grundrecht auf informationelle eben nicht weniger Bürokratie, sondern es bedeutet Selbstbestimmung auf der einen Seite und der in wieder mehr Bürokratie, und mehr Bürokratie ist mit Artikel 5 Grundgesetz verankerten Medien- und In- der AfD nicht zu machen. formationsfreiheit auf der anderen Seite. (Beifall AfD) Meine Damen und Herren, die EU-Verordnung legt – das macht ihr Name schon deutlich – ihr Haupt- Dass durch die Grundverordnung die bürokratische augenmerk auf den Datenschutz. Nach Artikel 6 der Belastung für die Wirtschaft enorm steigt, das hatte Datenschutz-Grundverordnung ist die Erhebung ich schon erwähnt. und Verarbeitung personenbezogener Daten durch (Zwischenruf Abg. Henfling, BÜNDNIS 90/ öffentliche und nicht öffentliche Stellen nur dann zu- DIE GRÜNEN: Können Sie anfangen, zum lässig, wenn die davon betroffenen Personen ihre Thema zu reden?) Einwilligung gegeben haben. Personenbezogene Daten wiederum werden in Artikel 4 der Verord- Die Handwerkskammer in Thüringen bietet da mitt- nung definiert als „alle Informationen [...], die sich lerweile schon wieder Fortbildungsangebote für ihre auf eine identifizierte oder identifizierbare natürliche Mitglieder an, um bloß keine Fehler bei der Hand- Person beziehen“. Nach den Bestimmungen der Ar- habung dieser neuen Datenschutz-Grundverord- tikel 12 bis 18 hat jedermann nicht nur ein Recht nung zu machen. Das heißt, die Kleinunternehmer auf Auskunft darüber, ob und welche seiner Daten in Thüringen sind jetzt schon wieder gezwungen, aus welchem Anlass und mit welchem Zweck erho- Teile ihres Personals zur Fortbildung abzuziehen, ben worden sind, er kann zudem eine Berichtigung die ohne die Vorgabe aus Brüssel, die ohne die von Daten, die aus seiner Sicht nicht korrekt sind, Vorgabe der EU nicht notwendig wäre, die Sie ohne verlangen oder sogar deren Sperrung herbeiführen. Wenn und Aber und ohne mit der Wimper zu zucken hier einfach weiterexekutieren. Meine Damen und Herren, diese recht weitgehen- den Datenschutzbestimmungen haben grundsätz- Meine Damen und Herren, ich möchte abschlie- lich ihre Berechtigung. Schließlich möchte niemand, ßend betonen, die AfD-Fraktion kann das Um-sich- dass ungefragt Informationen über ihn gesammelt, Greifen der EU mit seinen Folgen nicht mitverant- strukturiert und in Form umfassender Datenprofile worten. Wir sind für hohe Datenschutzstandards, für beliebige Zwecke genutzt oder an Dritte weiter- wir sind für den Schutz der journalistischen Arbeit, gegeben werden. Der rasante technische Fort- Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 110. Sitzung - 22.02.2018 9449

(Abg. Dr. Pidde) schritt im Online-Bereich macht den gläsernen umgrenzten Feld Genüge getan, ohne die berech- Menschen schon heute ohne Weiteres möglich, da tigten Anliegen des Datenschutzes an anderer Stel- wir bei allem, was wir im Internet tun, digitale Fin- le auszuhebeln. gerabdrücke und Datenspuren hinterlassen. Die EU Meine Damen und Herren, die Ergänzung der EU- tut daher gut daran, europaweit gültige Standards Datenschutz-Grundverordnung durch den Einund- für die informationelle Selbstbestimmung zu fassen zwanzigsten Rundfunkänderungsstaatsvertrag bie- und dadurch dem Datensammeln enge Grenzen zu tet daher für mich einen gelungenen Ausgleich zwi- setzen. schen dem Recht auf informationelle Selbstbestim- Das ist aber nur die eine Seite der Medaille. Die mung und der für eine differenzierte öffentliche Mei- Medien sind bei ihrer Arbeit zwingend auf die Erhe- nungsbildung unerlässlichen Medien- und Informa- bung und Verwendung personenbezogener Daten tionsfreiheit. Datenkraken wird künftig das Leben angewiesen. Jedwede journalistische Tätigkeit ist schwerer gemacht, den Journalistinnen und Jour- undenkbar, wenn es in ihrem Rahmen nicht mög- nalisten aber glücklicherweise nicht. Damit ist in ei- lich sein sollte, personenbezogene Daten auch oh- nem rechtlich und politisch sensiblen Bereich eine ne Einwilligung von Betroffenen zu erheben und zu gute und faire Balance zwischen konkurrierenden nutzen. Wie soll eine versteckte Recherche funktio- Interessenlagen geschaffen worden. nieren, wenn jedermann im Anschluss umfangrei- Meine Fraktion spricht sich für die Annahme des che Auskunfts-, Berichtigungs- oder sogar Lö- Zustimmungsgesetzes zum Einundzwanzigsten schungsansprüche geltend machen kann? Wie ist Rundfunkänderungsstaatsvertrag aus. Wir haben es unter solchen Bedingungen um den Quellen- das vorher ausführlich im Ausschuss für Europa, schutz bestellt? Wird es überhaupt noch kritische Kultur und Medien beraten und deshalb haben wir Medienberichterstattungen geben können oder nur uns auch dafür ausgesprochen, die zweite Bera- noch weichgespülte, inhaltsleere und mit allen und tung gleich anzuschließen. Vielen Dank. jedem abgestimmte offiziöse Verlautbarungen? (Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE Meine Damen und Herren, das sind die berechtig- GRÜNEN) ten Sorgen, die Medienschaffende und Medienpoli- tiker schon während der Erarbeitung der Daten- schutz-Grundverordnung der EU umgetrieben ha- Vizepräsidentin Jung: ben. Informationelle Selbstbestimmung darf aus un- Als nächste Rednerin hat Abgeordnete Henfling, serer Sicht nicht bis zu einem Extrempunkt geführt Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, das Wort. werden, bei dem die Medienfreiheit als solche infra- ge gestellt und faktisch über Bord gekippt wird. Es Abgeordnete Henfling, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- muss hier vielmehr zu einem vernünftigen Aus- NEN: gleich zwischen den beiden Verfassungsgütern kommen. Ich finde es daher gut, dass die EU-Gre- Meine sehr geehrten Damen und Herren, sehr ge- mien dieser Auffassung letztlich ebenfalls gefolgt ehrte Präsidentin, es war heute wie Weihnachten sind. Artikel 85 der Datenschutz-Grundverordnung und Geburtstag zusammen für Herrn Höcke, die EU ermöglicht nun den Mitgliedstaaten Abweichungen und den öffentlich-rechtlichen Rundfunk in einem und Ausnahmen von den an anderer Stelle des Antrag bashen zu dürfen; ganz großes Kino. Sie Textes getroffenen Datenschutzbestimmungen, haben sich hier hingestellt und gesagt, Sie sind für wenn es um die Erhebung und Verarbeitung perso- Datenschutz und Sie sind für das Medienprivileg. nenbezogener Daten für journalistische oder litera- Sie haben aber nicht gesagt, wie. Das ist genau rische Zwecke im Interesse der Meinungs- und In- das Problem Ihrer Politik – in Anführungsstrichen –, formationsfreiheit geht. dass Sie immer sagen, was schlecht ist, aber selbst keine eigenen Vorschläge haben, wie man es bes- Meine Damen und Herren, mit dem Einundzwanzig- ser machen kann. Die Datenschutz-Grundverord- sten Rundfunkänderungsstaatsvertrag nutzen die nung, um die es hier hauptsächlich in diesem Ein- Bundesländer die in Artikel 85 eingeräumten Kom- undzwanzigsten Rundfunkänderungsstaatsvertrag petenzen und schaffen ein mit dem EU-Daten- geht, ist eine sehr detailliert und sehr gut ausgear- schutzrecht vereinbares Medienprivileg für den öf- beitete Grundverordnung, die natürlich auf Euro- fentlich-rechtlichen und den privaten Rundfunk in paebene geschehen muss, weil Daten nämlich vor Deutschland. Wie auch bisher haben die Rundfunk- nationalen Grenzen keinen Halt machen. Auch das anstalten das Recht, im Rahmen der journalistisch- ist, glaube ich, in der AfD immer noch nicht ange- redaktionellen Arbeit, also bei der Recherche, der kommen. Vorbereitung von Medienangeboten oder der allge- meinen Informationssammlung, personenbezogene Um mal an das anzuknüpfen, was Ihre Kollegin Daten auch ohne Einwilligung der Betroffenen so- Frau Herold gestern gemacht hat – sie hat ja wie unter Ausschluss von Auskunfts- und Berechti- gestern Victor Klemperer hier zitiert, der sich wahr- gungsansprüchen zu erheben und zu verarbeiten. scheinlich mehrfach im Grab herumgedreht hat, als Damit wird den Belangen der Medien in einem eng sie das gemacht hat –: „Was jemand willentlich ver- 9450 Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 110. Sitzung - 22.02.2018

(Abg. Henfling) bergen will, […] die Sprache bringt es an den Tag.“ der Zusammenarbeit der Medienanstalten ange- Ich finde, wie Sie hier teilweise sprechen, ist wirk- sprochen worden – sind für uns sinnvoll und schlüs- lich sehr unterirdisch. Sie sprechen hier von Wu- sig. Sie sind aus unserer Sicht gut geregelt. Wir cherungen, wenn Sie von staatlichen Institutionen können natürlich immer wieder unsere Kritik anbrin- sprechen, von Postenkartellen – das ist eine fa- gen, was Staatsverträge angeht, das ist ja nichts schistoide Sprache, die Sie hier anwenden. Neues. Das werden wir aber aus Thüringen heraus an dieser Stelle nicht ändern und deswegen, meine (Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE sehr geehrten Damen und Herren, würden wir heu- GRÜNEN) te hier gerne allen die Zustimmung zu diesem Das muss man, glaube ich, einfach noch mal beto- Staatsvertrag empfehlen, weil er wichtig ist und das nen, weil ich fürchte, dass viele Leute sich so sehr Medienprivileg insbesondere der Anstalten si- daran gewöhnt haben, dass es ihnen gar nicht cherstellt. Vielen Dank. mehr auffällt, wie Sie hier agieren. (Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE Es ist schon alles gesagt, nur noch nicht von je- GRÜNEN) dem. Ich möchte noch mal ganz kurz drei Sätze zu diesem Einundzwanzigsten Rundfunkänderungs- Vizepräsidentin Jung: staatsvertrag verlieren. Die Datenschutz-Grundver- ordnung ist ein richtiger Schritt, den wir auf euro- Ich schließe die erste Beratung und rufe die zweite päischer Ebene gegangen sind, schlicht und ergrei- Beratung des Gesetzentwurfs auf. Wird Ausspra- fend auch mit dem, was wir um die Enthüllungen che gewünscht? Das kann ich nicht erkennen. von Edward Snowden in Europa gelernt haben soll- Dann stimmen wir über den Gesetzentwurf der Lan- ten, und vor allen Dingen auch mit dem Bewusst- desregierung in Drucksache 6/5307 in zweiter Be- sein, das wir damit geschaffen haben, dass das ratung ab. Wer stimmt für den Gesetzentwurf? Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung und sind die Stimmen der Koalitionsfraktionen und der das Recht darauf zu wissen, was mit unseren Da- CDU-Fraktion. Wer stimmt dagegen? Das sind die ten passiert, ein sehr wichtiges ist. Stimmen der AfD-Fraktion. Damit ist der Gesetzent- Die Datenschutz-Grundverordnung selbst hat sechs wurf angenommen. Grundsätze, auf denen personenbezogene Daten Und wir kommen zur Schlussabstimmung. Ich bitte verarbeitet werden sollen: Das sind die Rechtmä- Sie, sich von den Plätzen zu erheben, wer dem Ge- ßigkeit, die Zweckbindung, die Datenminimierung, setzentwurf zustimmt. Das sind die Koalitionsfrak- die Richtigkeit, die Speicherbegrenzung sowie die tionen und die CDU-Fraktion. Gegenstimmen? Das Integrität und Vertraulichkeit. Darin, das haben die ist die AfD-Fraktion. Stimmenthaltungen kann ich Kolleginnen und Kollegen – das waren nur Kollegen nicht erkennen. Damit ist der Gesetzentwurf in der bisher, das muss ich gar nicht gendern – auch Schlussabstimmung angenommen und ich schließe schon angesprochen, ergibt sich natürlich in Bezug diesen Tagesordnungspunkt. auf den Medienbereich ein Konfliktpotenzial, was beispielsweise den Quellenschutz angeht. Da hat Bevor wir in die Mittagspause gehen und uns um die Datenschutz-Grundverordnung aber bereits 13.35 Uhr wieder treffen, möchte ich noch bekannt schon in ihrem Artikel 85 angelegt, dass sie für die geben, dass 5 Minuten nach Beginn der Mittags- Verarbeitung personenbezogener Daten für journa- pause im Raum F 004 eine außerordentliche Sit- listische Zwecke im Interesse der Meinungsfreiheit zung des Innen- und Kommunalausschusses statt- und der Informationsfreiheit erforderliche Abwei- findet und der Ausschuss für Soziales, Arbeit und chungen und Ausnahmen zulässt. Das heißt, die Gesundheit im Raum F 202 eine Sitzung durch- Datenschutz-Grundverordnung war schon selbst so führt. Wir gehen jetzt in die Mittagspause. schlau zu regeln, dass man hier schlicht und ergrei- fend eine Abwägung treffen muss. Gemeinhin nen- Vizepräsidentin Marx: nen wir das Medienprivileg und das nehmen wir So, dann setzen wir das Plenum fort. jetzt hier auch vor. Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 21 Der Einundzwanzigste Rundfunkänderungsstaats- vertrag nimmt sich dieser Problematik an und – auch das haben die Kollegen gesagt – das macht Fragestunde er auch gut und macht er auch richtig. Die rechtlich zulässige Ausklammerung einzelner Vorschriften Ich rufe die Mündlichen Anfragen auf und bitte die und Bereiche ist durch die besondere Stellung der Abgeordneten, ihre Fragen vorzutragen. Der Innen- Meinungs- und Informationsfreiheit an dieser Stelle ausschuss scheint noch nicht ganz fertig zu sein. gedeckt. Dann trägt Kollege Blechschmidt die Frage in der Drucksache 6/5292 anstelle des Abgeordneten Ku- Meine sehr geehrten Damen und Herren, die ein- schel vor. Bitte, Herr Blechschmidt. zelnen Punkte – und es ist ja auch schon die Frage Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 110. Sitzung - 22.02.2018 9451

Abgeordneter Blechschmidt, DIE LINKE: betroffene Gebiet nicht mehr zum Geschäftsgebiet der Sparkasse Arnstadt-Ilmenau gehören würde, Danke, Frau Präsidentin. Ich versuche es. sondern dann zum Geschäftsgebiet der Rhön- Veränderung der Zuständigkeit der Sparkassen bei Rennsteig-Sparkasse. Gemeindeneugliederung Zu Frage 2: Der Wechsel des Geschäftsgebiets Im Zusammenhang mit Gemeindeneugliederungs- würde zeitgleich mit der kommunalen Neugliede- maßnahmen und dem geplanten Beitritt von rung eintreten. Für Folgeveränderungen in solchen Schmiedefeld und Gehlberg in die kreisfreie Stadt Fällen sieht das Thüringer Sparkassengesetz kei- Suhl erklärte die Sparkasse Arnstadt-Ilmenau, dass nen Zeitraum vor. Die Landesregierung geht davon sie nach dem Wechsel nicht mehr für die beiden aus, dass betroffene Sparkassen und ihre Träger Gemeinden zuständig sei. Die Filiale in Schmiede- sich auf einen zeitlich angemessenen Zeitraum und feld und das Sparkassenmobil in Gehlberg würden eine angemessene Regelung verständigen. Ich will wegfallen. Beides müsste die Rhön-Rennsteig- darauf verweisen, dass wir im letzten Thüringer Sparkasse übernehmen. Maßnahmengesetz von 1994 eine Frist von zwei Jahren als Übergangszeitraum festgelegt haben. Im Ich frage die Landesregierung: jetzigen Gesetzentwurf zu Gemeindeneugliederun- 1. Welche Veränderungen der Zuständigkeit der gen sind keine kreisübergreifenden Zusam- Sparkassen ergeben sich, wenn die Gemeinden menschlüsse dabei, sodass man gegebenenfalls, Schmiedefeld und Gehlberg aus dem Ilm-Kreis zur wenn so ein Zusammenschluss käme, dann viel- kreisfreien Stadt Suhl wechseln? leicht so was auch noch mit regeln könnte oder sich darauf berufen könnte. 2. In welchen Zeiträumen wären diese Veränderun- gen zu vollziehen? Zu Frage 3: Gemäß § 6 Abs. 2 Thüringer Sparkas- sengesetz dürfen die Sparkassen als Ausschluss 3. Unter welchen Voraussetzungen kann die Spar- des Regionalprinzips nur in ihrem Geschäftsgebiet kasse Arnstadt-Ilmenau weiterhin Leistungen in Zweigstellen errichten und betreiben. Ausnahmen Schmiedefeld und Gehlberg anbieten, wenn diese hiervon bedürfen der Zustimmung der betroffenen Gemeinden Ortsteile der kreisfreien Stadt Suhl wer- Sparkasse, deren Träger sowie der Sparkassenauf- den sollten? sichtsbehörde. Insoweit könnte die Sparkasse Arn- 4. Welche Änderungen hinsichtlich der Kunden- stadt-Ilmenau in dem genannten Neugliederungsfall struktur und -zuständigkeit in Bezug auf die beiden in dem Gebiet vor Ort ihre Leistungen ohne Weite- Sparkassen ergeben sich für die Bürgerinnen und res nicht mehr anbieten. Bürger der beiden Gemeinden, wenn die dargestell- Zu Frage 4: Die Sparkassenaufsicht ist eine te Gemeindeneugliederung vollzogen wird? Rechtsaufsichtsbehörde, das heißt, spezifische Er- kenntnisse zur Kundenstruktur liegen bei uns nicht Vizepräsidentin Marx: vor. Bezüglich der Kundenzuständigkeit wird zu- Für die Landesregierung hat eigentlich das Finanz- nächst auf die Beantwortung der Fragen 1 und 3 ministerium das Wort. Wird das Finanzministerium verwiesen. Im Übrigen geht die Landesregierung ebenso wie der Fragesteller vertreten? Die Finanz- davon aus, dass Sparkassen, die von einer Ge- ministerin kommt. Wir haben die Frage schon ver- bietsneugliederung betroffen wären, eine kunden- nommen, die Antwort fehlt uns. Es geht um die Fra- freundliche Regelung zum Übergang der Kunden- ge in Drucksache 6/5292. Die Ministerin hat das beziehungen treffen würden. Wort. Bitte, Frau Taubert. Ich denke, das war es.

Taubert, Finanzministerin: Vizepräsidentin Marx: Meine Damen und Herren, ich beantworte die Gibt es Nachfragen, Zusatzfragen? Bitte, Herr Ab- Mündliche Anfrage des Abgeordneten Kuschel, vor- geordneter Bühl. getragen von Herrn Blechschmidt, wie folgt: Zu Frage 1: § 6 Abs. 1 Thüringer Sparkassenge- Abgeordneter Bühl, CDU: setz regelt – ich zitiere –: „Geschäftsgebiet der Frau Ministerin, folgende Nachfrage: Wie verhält Sparkassen ist das Gebiet ihres Trägers, bei sich das mit den Bestandskunden der Sparkasse, Zweckverbandssparkassen der räumliche Wir- die jetzt praktisch in Schmiedefeld ihr Konto bei der kungskreis des Zweckverbandes. Die geschäftliche Sparkasse Arnstadt-Ilmenau haben: Müssen die Betätigung der Sparkassen ist nach Maßgabe der übertreten zur Sparkasse Suhl oder behalten sie Sparkassenverordnung grundsätzlich auf ihr Ge- einfach ihr Konto bei der Sparkasse Arnstadt-Il- schäftsgebiet beschränkt.“ Demzufolge würde ein menau? Wechsel der genannten Gemeinden vom Ilm-Kreis in die kreisfreie Stadt Suhl dazu führen, dass das 9452 Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 110. Sitzung - 22.02.2018

Taubert, Finanzministerin: ihrem eigenen Geschäftsgebiet erfolgt. Gleiches gilt grundsätzlich für den Dienstleistungsbereich.“ So Das ist auch auf den Einzelfall bezogen zu betrach- weit der Auszug. ten, aber sie können natürlich auch ihr Konto behal- ten. Ich denke, das ist im Einzelfall möglich. Das hängt unter Umständen auch mit den langjährigen Vizepräsidentin Marx: Geschäftsbeziehungen zusammen. Eine weitere Nachfrage des Abgeordneten Kuschel. (Zwischenruf Abg. Wolf, DIE LINKE: Sie dür- fen sich nur in Ilmenau anmelden!) Abgeordneter Kuschel, DIE LINKE: (Zwischenruf Abg. Bühl, CDU: Das ist ja eine Frau Ministerin, Vesser gehört ja seit 1994 zu Suhl, berechtigte Frage!) es liegt gleich neben Schmiedefeld. Können Sie be- stätigen, dass die Vesserer nicht nach Suhl fahren, Vizepräsidentin Marx: um Sparkassendienstleistungen zu realisieren, son- dern alle die Geschäftsstelle in Schmiedefeld nut- Jetzt kommt eine Frage von Herrn Kuschel. zen, obwohl sie Einwohner von Suhl sind?

Abgeordneter Kuschel, DIE LINKE: Taubert, Finanzministerin: Danke, Frau Präsidentin. Frau Ministerin, würden Ich kann Ihnen das jetzt nicht zusichern, dass das Sie mir zustimmen, dass alle Sparkassen von Hes- so ist. sen und Thüringen im Sparkassen- und Girover- band Hessen-Thüringen zusammengeschlossen (Zwischenruf Abg. Kuschel, DIE LINKE: Ich sind und sich darauf verständigt haben, einheitliche habe es erkundet!) Geschäftsbedingungen zu unterhalten und sich ge- Aber mit großer Wahrscheinlichkeit wird es so sein, genseitig alle Leistungen anzuerkennen, sodass es dass man die nächstgelegene Geschäftsstelle auf- erst mal für Sparkassenkunden völlig unerheblich sucht. Zumindest ist das mein und auch der mir be- ist, bei welcher konkreten Sparkasse sie sind, und kannte Handlungsrahmen, dass man natürlich sich überhaupt nichts ändert – von den Geschäfts- schaut. Im Einzelfall mag es sicherlich sinnvoll sein, beziehungen und allgemein? auch mal nach Suhl zu fahren.

Taubert, Finanzministerin: Vizepräsidentin Marx: Nein. Ich kann Ihnen auch noch mal vorlesen, was Weitere Nachfragen sehe ich nicht. Es kommt da- wir in § 6 Thüringer Sparkassengesetz stehen ha- mit die nächste Frage zum Aufruf. Die Fragestelle- ben, das ist die Drucksache 1/3365 – Sie sehen da- rin ist Frau Abgeordnete Henfling, und die Frage ist ran, es ist schon ein Weilchen her –: „Das Regio- in der Drucksache 6/5315 zu finden. Bitte, Frau nalprinzip, das heißt die Identität des Geschäftsge- Henfling. bietes mit dem Gebiet des Gewährträgers, ist eine der wesentlichen Grundlagen des Sparkassenwe- Abgeordnete Henfling, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- sens. Sie ergibt sich aus der kommunalen Zugehö- NEN: rigkeit. Die wirtschaftlichen Aktivitäten der Sparkas- sen können andererseits jedoch auch nicht absolut Vielen Dank. an Kommunalgrenzen gebunden werden, weil die Komplexe rechtsextremistische Veranstaltungen Wirtschaftsbeziehungen der Kunden in Einzelfällen mit Festival-Charakter darüber hinausgehen und die Wirtschaftskraft des Geschäftsgebiets von weiterreichenden Geschäfts- Extreme Rechte sind unter anderem in der Sport- beziehungen abhängt. szene, insbesondere der Kampfsportszene, in Thü- ringen aktiv. Der Antwort der Landesregierung in Das Sparkassenwesen in Thüringen basiert grund- Drucksache 6/4945 auf meine Kleine Anfrage „Ex- sätzlich auf dem Regionalprinzip. Daher sollten sich trem rechte Strukturen im Sport“ ist zu entnehmen, die Sparkassen auf ihr Geschäftsgebiet beschrän- dass Mixed-Martial-Arts-Veranstaltungen in Thürin- ken. Um einer notwendigen Flexibilität im Wirt- gen durch extreme Rechte geplant sind. In Sach- schaftsleben und geschäftspolitischen Innovationen sen ist nach meinen Informationen eine Veranstal- Rechnung zu tragen, werden Einzelheiten zum ge- tung im April 2018 geplant, wo eine Kampfsportver- schäftlichen Tätigkeitsbereich in der Sparkassen- anstaltung in ein Rechtsrockevent integriert ist. verordnung geregelt.“ – Das ist das, worauf Herr Kuschel reflektiert. – „Beim Passivgeschäft […] ist Ich frage die Landesregierung: ohnehin gegen eine Freistellung von regionalen 1. Welche Erkenntnisse liegen der Landesregierung Bindungen aus Sicht des Regionalprinzips nichts über extrem rechte Kampfsportveranstaltungen in einzuwenden, da die Annahme der Einlagen Thüringen im Jahr 2018 vor (Angaben erbeten über schließlich am Handlungsort der Sparkasse, also in Datum, Ort, Veranstaltungsstätten, Namen der Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 110. Sitzung - 22.02.2018 9453

(Abg. Henfling) Sponsorinnen und Sponsoren und ob die Veran- nahm. Bei der auf dem Banner des Vereins staltungen in Verbindung mit einer Rechtsrockver- dargestellten Rune handelt es sich um die Rune anstaltung stehen werden)? „Algiz“, die als Schutz- und Abwehrrune sowie Le- bensrune bezeichnet wird. Der Verein wird nach 2. Welche Erkenntnisse hat die Landesregierung Einschätzung des Amts für Verfassungsschutz über die Sportgemeinschaft „Barbaria Schmölln- nicht von Rechtsextremisten dominiert, auch wenn Gym“ (Angaben über Gründung, Mitgliederzahl, Lo- dort unter anderem Rechtsextremisten trainieren. gos, Banner, extrem rechte Bezüge, Relevanz in der Kampfsportszene in Thüringen sowie bundes- Zu Frage 3: Der Landesregierung liegen keine Er- weit und Sportangebote werden erbeten)? kenntnisse zu dem in der Fragestellung bezeichne- ten Verein „Sportgruppe Volksgemeinschaft Er- 3. Welche Erkenntnisse besitzt die Landesregie- furt e. V.“ vor. Jedoch bietet der als rechtsextremis- rung über die „Sportgruppe Volksgemeinschaft Er- tisch bewertete Verein „Volksgemeinschaft Er- furt e. V.“ (Angaben zur Gründung, Mitgliederzahl, furt e. V.“ auf seiner Facebook-Seite auch die Be- Logos, Banner, Relevanz in der Kampfsportszene teiligung an einer Sportgruppe für seine Mitglieder in Thüringen sowie bundesweit und zu Sportange- an. Nach eigenen Angaben des Vereins gibt es in boten werden erbeten)? den Vereinsräumlichkeiten unter anderem Dart- 4. Welche Erkenntnisse hat die Landesregierung scheiben, Billardtische, Tischkicker, einen Fit- zum Rechtsrockevent im April 2018 in Ostritz/Sach- nessraum und eine große Auswahl an Sportgerä- sen, was die Teilnahme von Personen des rechts- ten. Am 2. März 2017 veröffentlichte der Verein bei extremen Spektrums aus Thüringen betrifft, insbe- Facebook ein Bild mit Mitgliedern der Sportgruppe. sondere von Personen aus dem Bereich des Diese scheinen auch Kampfsport zu betreiben bzw. Kampfsports bzw. der Mixed-Material-Arts? betrieben zu haben. Es ist nicht bekannt, ob die Gruppe innerhalb der Kampfsportszene Relevanz Vizepräsidentin Marx: besitzt. Hinweise auf Wettkampfteilnahmen liegen der Landesregierung nicht vor. Weitergehende Er- Es antwortet das Ministerium für Inneres und Kom- kenntnisse liegen zu der genannten Sportgruppe munales, Herr Staatssekretär Götze. Bitte. nicht vor. Zu Frage 4: Aufgrund der örtlichen Nähe des Ver- Götze, Staatssekretär: anstaltungsorts sowie der Bekanntheit des Veran- Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Da- stalters ist mit der Teilnahme von Rechtsextremis- men und Herren Abgeordnete, die Mündliche Anfra- ten aus Thüringen zu rechnen. Der Landesregie- ge der Abgeordneten Henfling beantworte ich für rung liegen jedoch keine konkreten Erkenntnisse im die Landesregierung wie folgt: Sinne der Fragestellung vor. Eine Prognose der Teilnehmerzahlen ist bislang noch nicht möglich. Zu Frage 1: Der Landesregierung liegen derzeit kei- ne konkreten Erkenntnisse im Sinne der Fragestel- Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit. lung vor. Jedoch ist bekannt, dass ein Rechtsextre- mist aus Südthüringen angekündigt hat, künftig Vizepräsidentin Marx: auch Mixed-Martial-Arts-Veranstaltungen in Thürin- gen organisieren zu wollen. Hierbei handelt es sich Gibt es Nachfragen? Das sehe ich nicht. Dann um Absichtsbekundungen. kommt zum Aufruf die nächste Frage in der Druck- sache 6/5320. Fragesteller ist Kollege Bühl. Bitte, Zu Frage 2: Der nachfolgenden Beantwortung liegt Herr Bühl. die Annahme zugrunde, dass die Fragestellerin mit der Sportgemeinschaft „Barbaria Schmölln-Gym“ Abgeordneter Bühl, CDU: den „Barbaria Sportgemeinschaft e. V.“ meint. Beim „Barbaria Sportgemeinschaft e. V.“ aus Schmölln Neueinstellung von Lehrern im Ilm-Kreis handelt es sich um einen Kampfsportverein. Er wur- Im zweiten Schulhalbjahr 2017/2018 werden laut de im November 2013 gegründet. Die Anzahl der Thüringer Ministerium für Bildung, Jugend und Mitglieder ist nicht bekannt. Bekannte Sportangebo- Sport 177 neue Lehrer eingestellt und 339 Lehr- te des Vereins sind Kickboxen, Mixed-Martial-Arts amtsanwärter beginnen den praktischen Teil ihrer und Frauen- sowie Kindersportgruppen. Zur Rele- Ausbildung. Den Schulämtern stehen 300 weitere vanz des Vereins innerhalb der Kampfsportszene befristete Stellen zur Verfügung, die dem Lehrer- liegen keine Erkenntnisse vor. Mindestens zwei Mit- mangel entgegenwirken sollen. Weiterhin hat die glieder des Vereins nahmen an der rechtsextremis- Landesregierung eine Unterrichtsgarantie abgege- tischen Kampfsportveranstaltung „Kampf der Nibe- ben, so ist es dem „Freien Wort“ vom 11. Februar lungen“ am 14. Oktober 2017 in Kirchhunden in 2018 zu entnehmen. Nordrhein-Westfalen teil. Darüber hinaus ist be- kannt, dass ein bekannter Rechtsextremist mindes- Ich frage die Landesregierung: tens einmal an einem Training des Vereins teil- 9454 Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 110. Sitzung - 22.02.2018

(Abg. Bühl) 1. Wie viele der 177 Lehrer und der 339 Lehramts- den jetzt in Kenntnis gesetzt – eigenverantwortlich, anwärter werden im Ilm-Kreis an den Schulen ein- in welchen Schulen und in welcher Fächerkombina- gesetzt (bitte nach Schule und Fächerkombination tion die befristeten Einstellungen erfolgen sollen. auflisten)? Aus diesem Grund liegt unserem Ministerium noch keine aktuelle Information über Vorhaben der 2. Wie viele der 300 benannten befristeten Stellen Schulämter zu den Einstellungen vor: weil sie erst sind für die Schulen im Ilm-Kreis vorgesehen (bitte im Nachgang zu meiner heutigen Entscheidung nach Schule und Fächerkombination auflisten)? über die Anzahl der Stellen informiert werden. 3. Wie hat sich die Ausfallstundensituation an den Die Frage 3 beantworte ich wie folgt: Im laufenden Schulen im Ilm-Kreis im letzten Schulhalbjahr ent- Schuljahr wurde der Stundenausfall bisher zweimal wickelt? statistisch erhoben. Die erste Erhebung fand zu Be- 4. Konnte die von der Landesregierung angekün- ginn des Schuljahres in der Woche vom 11. bis digte Unterrichtsgarantie bereits erreicht werden? 15. September 2017 und die zweite Erhebung in der Woche vom 27. November bis zum 1. Dezem- Vizepräsidentin Marx: ber 2017 statt. Im ersten Erhebungszeitraum wurde für die allgemeinbildenden Schulen im Ilm-Kreis ein Für die Landesregierung antwortet der Minister für Ausfall von 4,5 Prozent ermittelt, der sich vorwie- Bildung, Jugend und Sport, Herr Holter. gend grippebedingt auf 6,6 Prozent in der zweiten Erhebungswoche erhöht hat. Die genaue Auf- Holter, Minister für Bildung, Jugend und Sport: schlüsselung nach den Schularten kann ich Ihnen gern zur Verfügung stellen. Ich habe die Tabelle Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Sehr dabei, diese würde ich Ihnen, Herr Bühl, faktisch geehrter Herr Bühl, die Mündliche Anfrage, die Sie sofort übergeben. eben vorgetragen haben, beantworte ich namens der Regierung wie folgt: Frage 4, die Unterrichtsgarantie betreffend, will ich wie folgt beantworten: Ziel der Landesregierung ist Zu Ihrer ersten Frage: Die Einstellungen zum zwei- es, die Rahmenbedingungen für eine Unterrichtsga- ten Schuljahr sind weit fortgeschritten, aber noch rantie zu schaffen. Hierzu zählt unter anderem die nicht vollständig abgeschlossen. Von den vorgese- Festlegung, dass alle frei werdenden und nicht dem henen 177 Einstellungen konnten 164 bereits um- Abbaupfad unterliegenden Lehrerstellen nachbe- gesetzt werden. Das ist der Stand vom 19. Februar setzt werden. Dazu wurde die Möglichkeit der un- 2018. Die noch offenen Einstellungen sollen zeit- terjährigen, nicht mehr nur an zwei feste Termine nah realisiert werden. Dazu wurden diese auf der gebundenen Einstellung geschaffen. Weitere Maß- Homepage des Thüringer Ministeriums für Bildung, nahmen werden derzeit im Werkstattprozess „Zu- Jugend und Sport und unter anderem auf YouTube kunft Schule“ beraten, nach Abschluss dieses Pro- veröffentlicht. zesses vorgelegt und sicherlich dem Parlament vor- Zur konkreten Einstellung von Lehrerinnen und gestellt. Lehrern wie auch von Lehramtsanwärterinnen und Danke für Ihre Aufmerksamkeit. Lehramtsanwärtern zum Februar 2018, die bekann- termaßen in eigener Verantwortung der staatlichen Schulämter vorgenommen werden, liegen dem Vizepräsidentin Marx: Thüringer Ministerium für Bildung, Jugend und Herr Minister, nur als Hinweis: Bitte übergeben Sie Sport noch keine Daten vor. Das konnte auch im die Tabelle, die Sie dann dem Abgeordneten Bühl begrenzten Zeitraum, der zur Beantwortung der überreichen wollen, auch der Landtagsverwaltung, Mündlichen Anfrage zur Verfügung steht, nicht er- damit auch die anderen Kollegen sie zur Kenntnis hoben werden. Eine Übersicht über die vorgenann- bekommen können. Sie wird dann verteilt. ten Einstellungen zum Februar 2018 im Ilm-Kreis kann somit erst circa Mitte März 2018 vorgelegt Eine Zusatzfrage? Bitte, Herr Bühl. werden. Abgeordneter Bühl, CDU: Zu Ihrer zweiten Frage: Den staatlichen Schuläm- tern wird im Umfang von 600 VZB, davon bis zu Vielen Dank erst einmal für Ihre Antwort, Herr Mi- 300 VZB im Jahr 2018, der Abschluss befristeter nister. Konnte ich das jetzt als Zusage verstehen, Arbeitsverträge ermöglicht. Die Freigabe dieser dass Sie mir die Zahlen dann zukommen lassen Einstellungsmöglichkeiten erfolgt nach dem Haus- (Zwischenruf Abg. Mühlbauer, SPD: Uns!) haltsführungserlass 2018 durch das Thüringer Mi- nisterium für Finanzen. Der Erlass liegt inzwischen – mir als Fragesteller und natürlich dann auch dem vor und ich kann Ihnen mitteilen, dass ich heute ganzen Haus –, sobald Sie die Mitte März haben? entschieden habe, wie diese 300 VZB im Jahre 2018 auf die Schulamtsbezirke aufgeteilt werden. Danach entscheiden die Schulämter – diese wer- Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 110. Sitzung - 22.02.2018 9455

Holter, Minister für Bildung, Jugend und Sport: studieren und dann als Förderschullehrerin oder Förderschullehrer zu arbeiten, denn wir brauchen Wir kennen uns ja beide und davon können Sie diese qualifizierten Fachkräfte auch an den allge- ausgehen. Sowie mir die Zahlen vorliegen, stelle meinbildenden Schulen, ganz klar. ich sie Ihnen und den anderen Kolleginnen und Kol- legen zur Verfügung. Vizepräsidentin Marx: Vizepräsidentin Marx: Gibt es weitere Fragen? Herr Prof. Dr. Voigt. Zweite Frage, bitte, Herr Bühl. Abgeordneter Prof. Dr. Voigt, CDU: Abgeordneter Bühl, CDU: Herr Minister, recht herzlichen Dank. Kurze Frage, weil Sie auch über Quereinsteiger gesprochen ha- Dann würde ich noch einen Wunsch anschließen. ben. Ist es grundsätzlich möglich, dass auch Leh- Könnten Sie mir in diesem Zusammenhang – das rer, die eine gymnasiale Ausbildung genossen ha- wäre jetzt meine Nachfrage gewesen, die ich mir ben, in Thüringer Grundschulen eingesetzt werden notiert hätte, falls Sie schon eine Antwort gehabt können? hätten – noch zuliefern, wie viele Lehrer denn im letzten Schulhalbjahr im Ilm-Kreis in den Ruhestand gegangen sind? Das wäre noch hilfreich. Vielen Holter, Minister für Bildung, Jugend und Sport: Dank. Das haben wir bisher nicht vorgesehen. Wir haben jetzt in Vorbereitung – da müssen wir entsprechen- Holter, Minister für Bildung, Jugend und Sport: de Richtlinien und Verordnungen ändern –, dass diejenigen, die das Lehramt Gymnasium gewählt Das machen wir, Herr Bühl. haben, auch an Regelschulen eingesetzt werden können, dort auch verbeamtet werden können, Vizepräsidentin Marx: dann aber auch die Chance haben, wenn sich ent- Gibt es weitere Fragen? Herr Tischner. sprechende Möglichkeiten am Gymnasium erge- ben, wieder auf diese Laufbahn zurückzukehren. Für Grundschulen haben wir das bisher nicht vor- Abgeordneter Tischner, CDU: gesehen. Sollte sich der Bedarf entsprechend ent- Vielen Dank, Herr Minister. Eine Nachfrage: Sie ha- wickeln, müssen wir auch diese Möglichkeit ins Au- ben eben ausgeführt, dass man auf der Homepage ge fassen. des Ministeriums nachvollziehen kann, wie gerade auch in Südthüringen aktuell die Stellenlage ist, die Vizepräsidentin Marx: noch zu besetzen ist. Fünf Stellen sind es – eine Regelschule, vier Förderzentren –, wo noch Kolle- Dann sind die Nachfragemöglichkeiten erschöpft. gen fehlen. Meine Frage: Können Sie mir zustim- Wir kommen zur nächsten Frage in der Drucksa- men, dass gerade die Diskussion um das inklusive che 6/5322. Der Fragesteller ist hier Abgeordneter Schulgesetz und die Änderung der Lehrerausbil- Prof. Dr. Voigt von der CDU-Fraktion. dung im Bereich der Förderschulen an der Universi- tät Erfurt dazu geführt haben, dass wir zurzeit einen Abgeordneter Prof. Dr. Voigt, CDU: erheblichen Mangel an Bewerbungen in diesem Be- Frau Präsidentin, recht herzlichen Dank. reich haben? Novellierung des Thüringer Vergabegesetzes (Zwischenruf Abg. Wolf, DIE LINKE: Das stimmt nicht!) Der Thüringer Minister für Wirtschaft, Wissenschaft und Digitale Gesellschaft hat am 15. Februar 2018 Holter, Minister für Bildung, Jugend und Sport: im Ausschuss für Wirtschaft und Wissenschaft des Thüringer Landtags einen Einblick in das überarbei- Dem würde ich nicht zustimmen. Wir führen in Thü- tete Thüringer Vergabegesetz gegeben. Nach Me- ringen generell eine Diskussion darüber, wie die In- dienberichten soll der angestrebte Gesetzentwurf klusion in den Schulen umgesetzt wird. Sie wissen, über die Vergabe von öffentlichen Aufträgen einen dass ich und das Ministerium, auch die Koalition vergabespezifischen Mindestlohn von 9,54 Euro davon ausgehen, dass der Gemeinsame Unterricht enthalten. Des Weiteren soll das überarbeitete Ge- an den allgemeinbildenden Schulen Vorrang haben setz noch elf weitere Neuerungen aufweisen. soll und Vorrang hat, dass aber die Förderschulen und Förderzentren weiterhin für eine gewisse Zeit Ich frage die Landesregierung: Bestand haben werden. Das werden wir mit dem 1. Welche zwölf Neuerungen enthält der Referen- Schulgesetz auch entsprechend darstellen. Diese tenentwurf der Landesregierung über die Vergabe Aussage kann aber nicht dazu führen, dass junge von öffentlichen Aufträgen? Menschen nicht motiviert sind, Sonderpädagogik zu 9456 Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 110. Sitzung - 22.02.2018

(Abg. Prof. Dr. Voigt) 2. Warum erfolgt die Aufnahme des vergabespezifi- Antwort zu Frage 2: Entgegen der Fragestellung ist schen Mindestlohns von 9,54 Euro im Referenten- in den Werkstattgesprächen keine Entscheidung entwurf, obwohl das verantwortliche Ministerium im über den Verzicht auf die Einführung eines verga- Rahmen von Werkstattgesprächen im April und Mai bespezifischen Mindestlohns getroffen worden. Die 2017 zu dem Schluss gekommen ist, auf die Ein- im Rahmen der Werkstattgespräche versandten führung eines vergabespezifischen Mindestlohns zu Tischvorlagen hielten gerade nicht die Ergebnisse verzichten? der Gespräche fest, sondern sollten lediglich als Diskussionsgrundlage dienen. Richtig ist, dass der 3. Wird sich nach Einschätzung der Landesregie- vergabespezifische Mindestlohn von den Teilneh- rung die Einführung des vergabespezifischen Min- mern in den Werkstattgesprächen kontrovers disku- destlohns positiv auf die Beteiligung Thüringer Un- tiert wurde. Insofern erfolgte, wie geplant, im An- ternehmen an Ausschreibungen von öffentlichen schluss an die Werkstattgespräche eine Abwägung Aufträgen auswirken? der vorgetragenen Argumente. Im Ergebnis gelang- 4. Wurde die Clearingstelle innerhalb des Thüringer te das TMWWDG zu der Auffassung, dass die Stär- Ministeriums für Wirtschaft, Wissenschaft und Digi- kung der Arbeitnehmerrechte und die nachhaltige tale Gesellschaft an der Erarbeitung des Referen- Verbesserung der Einkommenssituation den Vor- tenentwurfs beteiligt und wenn ja, welche Be- oder rang verdienen und dass ein vergabespezifischer Entlastungen hat die Clearingstelle für kleine und Mindestlohn eingeführt werden sollte. mittelständische Unternehmen identifiziert? Antwort zu Frage 3: Angesichts des Gesamtpakets der Veränderungen im Thüringer Vergabegesetz Vizepräsidentin Marx: geht die Landesregierung davon aus, dass sich die Für die Landesregierung antwortet das Ministerium Thüringer Unternehmen weiterhin zahlreich an öf- für Wirtschaft, Wissenschaft und Digitale Gesell- fentlichen Ausschreibungen beteiligen werden. schaft. Wer möchte? Frau Staatssekretärin Kerst. Antwort zu Frage 4: Davon ausgehend, dass der Bitte. Fragesteller nicht die Clearingstelle, sondern den Clearingbeirat meint, beantworte ich die Frage wie Kerst, Staatssekretärin: folgt: Der Clearingbeirat hat sich am 16.01.2018 un- ter der Leitung von Herrn Minister Tiefensee im Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Abge- TMWWDG zur Novelle des Vergabegesetzes und ordnete, namens der Landesregierung beantworte den eingangs genannten Eckpunkten beraten. Die ich die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Mitglieder des Clearingbeirats haben Stillschweigen Prof. Dr. Voigt für die Landesregierung wie folgt: über die Inhalte ihrer Beratung vereinbart. Dies Antwort zu Frage 1: Der Referentenentwurf wird dient der beiderseitigen vertrauensvollen Zusam- derzeit innerhalb der Landesregierung abgestimmt. menarbeit und daher bitte ich um Ihr Verständnis, Nach dieser Ressortabstimmung wird der Referen- dass ich dazu nichts Weiteres ausführen kann. tenentwurf durch das Kabinett zur Kenntnis genom- Grundsätzlich möchte ich allerdings betonen, dass men und im Anschluss in die Anhörung der Beteilig- die unterschiedlichen Interessen der Teilnehmer ten, den Kammern und Verbänden, gegeben. der Werkstattgespräche, der betroffenen Akteure Gleichzeitig mit der Anhörung wird der Landtag und auch des Clearingbeirats in die Abwägungen über den Referentenentwurf unterrichtet. Dies vor- und schließlich in die Erarbeitung des Änderungs- ausgeschickt gibt es nach derzeitigem Stand zwölf gesetzes so weit wie möglich einbezogen werden. Eckpunkte, die in der Novellierung zum Tragen kommen und für ein faires, transparentes und Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. handhabbares Vergabegesetz sorgen sollen. Ge- plant sind daher unter anderem die Einführung der Vizepräsidentin Marx: Verfahrensordnung für die Vergabe von Liefer- und Dienstleistungsaufträgen im Unterschwellenbe- Abgeordneter Prof. Dr. Voigt erhält das Wort für ei- reich, die Einführung des Bestbieterprinzips, der ne Zusatzfrage. Verzicht auf die doppelte Veröffentlichungspflicht für staatliche Auftraggeber im „Thüringer Staatsan- Abgeordneter Prof. Dr. Voigt, CDU: zeiger“ und in elektronischer Form, die Erleichte- Recht herzlichen Dank. Ich habe eine Frage zu der rung der Beschaffung preisgebundener Schulbü- Änderung der Rechtsposition des Ministeriums, cher durch die grundsätzliche freihändige Vergabe denn in der Tat haben Sie eine Vorlage gemacht von Schulbuchbestellungen im Unterschwellenbe- und die lässt sich auch im Internet unter den Ange- reich an geeignete Bieter sowie die Einführung ei- boten des Ministeriums noch auffinden, worin als nes vergabespezifischen Mindestlohns in Höhe von Empfehlung ausgegeben wird, auf einen vergabe- 9,54 Euro brutto bei der Vergabe staatlicher Aufträ- spezifischen Mindestlohn zu verzichten. Deswegen ge. frage ich Sie erstens: Stützt das Ministerium die Än- derungen der Position auf ein Rechtsgutachten zur Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 110. Sitzung - 22.02.2018 9457

(Abg. Prof. Dr. Voigt) Einführung eines vergabespezifischen Mindest- (Zuruf Abg. Prof. Dr. Voigt, CDU: Alles gut!) lohns? Und zweitens: Wurde dieses Rechtsgutach- Gibt es weitere Fragen? Das ist nicht der Fall. Vie- ten vom Ministerium selbst erstellt oder wer hat die- len Dank, Frau Staatssekretärin. Dann kommen wir ses Gutachten erstellt? zur nächsten Frage in der Drucksache 6/5323. Die nächste Fragestellerin ist Kollegin Floßmann von Kerst, Staatssekretärin: der CDU-Fraktion. Bitte. Ich kann noch mal auf die Werkstattgespräche zu- rückkommen. Wie gesagt, wir haben dort die Ge- Abgeordnete Floßmann, CDU: spräche geführt und daraufhin wurde abgewogen Vielen Dank, Frau Präsidentin. und der Mindestlohn entsprechend dort so ent- schieden. Neueinstellung von Lehrerinnen und Lehrern im Landkreis Hildburghausen Zu dem Rechtsgutachten würde ich noch weiter prüfen und würde daraufhin noch mal eine Stellung- Nach einer Blitzumfrage des Thüringer Lehrerver- nahme abgeben. bandes vom 13. Februar 2018 zum 14. Februar 2018 wurde durch selbigen festgestellt, dass (Zwischenruf Taubert, Finanzministerin: Wird 74 Prozent der Schulen aufgrund Lehrermangels nachgereicht!) ihre Stundenpläne zum Halbjahr umstellen muss- Genau, das wird entsprechend nachgereicht. ten. In der darauffolgenden Medieninformation des Thüringer Ministeriums für Bildung, Jugend und Vizepräsidentin Marx: Sport vom 14. Februar 2018 wurde im Gegenzug auf geplante und durchgeführte Neueinstellungen Weitere Zusatzfragen? von Lehrern verwiesen. Ich frage die Landesregierung: Abgeordneter Prof. Dr. Voigt, CDU: 1. Wie viele Lehrerinnen und Lehrer werden im lau- Dann habe ich noch eine, und zwar: Glauben Sie, fenden und kommenden Schuljahr an Grund- dass durch die Einführung des neuen Vergabege- schulen im Landkreis Hildburghausen neu ein- setzes und auch des vergabespezifischen Mindest- gestellt? lohns erweiterte Kontrollpflichten, höherer personel- ler Aufwand sowohl für die Vergabestellen als auch 2. Wie viele Lehrerinnen und Lehrer werden im lau- für die Unternehmen zu erwarten sind? fenden und kommenden Schuljahr an Regelschulen im Landkreis Hildburghausen neu eingestellt? Kerst, Staatssekretärin: 3. Wie viele Lehrerinnen und Lehrer werden im lau- Ich würde gern noch mal Bezug nehmen auf die fenden und kommenden Schuljahr an Gymnasien Fragestellung in Nummer 3, ob es weiterhin ent- im Landkreis Hildburghausen neu eingestellt? sprechend Thüringer Unternehmen gibt, die sich an 4. Wie viele Lehrerinnen und Lehrer werden im lau- den Ausschreibungen beteiligen werden. Wie ge- fenden und kommenden Schuljahr an Förder- sagt, wir gehen davon aus, dass es weiterhin Aus- schulen im Landkreis Hildburghausen neu ein- schreibungen gibt, an denen sich die Unternehmen gestellt? beteiligen werden. Von daher gehen wir auch da- von aus, dass weiterhin alles so im Rahmen bleibt. Vizepräsidentin Marx: Abgeordneter Prof. Dr. Voigt, CDU: Für die Landesregierung antwortet der Minister für Bildung, Jugend und Sport, Herr Holter. Bitte. Ich will meine Frage noch mal wiederholen. Ich ha- be gefragt: Erwarten Sie höheren bürokratischen Holter, Minister für Bildung, Jugend und Sport: Aufwand oder nicht? Das war meine Frage. Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Sehr (Zwischenruf Abg. Mitteldorf, DIE LINKE: geehrte Frau Floßmann, Ihre Anfrage beantworte Das waren jetzt vier Fragen!) ich namens der Regierung wie folgt: Kerst, Staatssekretärin: Die Fragen 1 bis 4 werde ich zusammen beantwor- ten, da zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch keine Wir erwarten, dass es weiterhin zahlreiche Aus- vollständige Beantwortung möglich ist. Die zum schreibungen gibt, an denen sich die Unternehmen zweiten Schulhalbjahr geplanten unbefristeten Ein- beteiligen. stellungen sind weit fortgeschritten, aber noch nicht vollständig abgeschlossen. Von den vorgesehenen Vizepräsidentin Marx: 177 Einstellungen konnten 164 bereits umgesetzt werden. Das ist der Stand vom 19. Februar 2018. Lassen wir es jetzt dabei bewenden? Die noch offenen Einstellungen sollen zeitnah reali- 9458 Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 110. Sitzung - 22.02.2018

(Minister für Bildung, Jugend und Sport Holter) siert werden. Dazu wurden diese auf der Homepa- Vizepräsidentin Marx: ge des Thüringer Ministeriums für Bildung, Jugend Weitere Fragen? Herr Wolf beginnt. und Sport und unter anderem auf YouTube veröf- fentlicht. Abgeordneter Wolf, DIE LINKE: Über die konkreten Einstellungen von Lehrerinnen und Lehrern zum Februar 2018, die bekannterma- Vielen Dank. Herr Minister, würden Sie mir da recht ßen in eigener Verantwortung der staatlichen geben, dass wir gerade zum Schulhalbjahresbeginn Schulämter vorgenommen werden, liegen dem regelmäßig in einer schwierigen Situation sind, was Thüringer Ministerium für Bildung, Jugend und Grippe-Erkrankungen anbelangt, allgemeine Er- Sport noch keine Daten vor und konnten auch im krankungen und dass eine Umfrage, die ich jetzt begrenzten Zeitraum, der zur Beantwortung der gar nicht weiter infrage stellen will, natürlich auch Mündlichen Anfrage zur Verfügung steht, nicht er- diesen Kern hat, dass es in den Lehrerkollektiven hoben werden. Eine Übersicht über die vorgenom- viele Kolleginnen und Kollegen gibt, die krankheits- menen Einstellungen zum Februar 2018 in den bedingt nicht in den Schulen sein können und des- Schulen des Landkreises Hildburghausen kann so- wegen auch Klassenzusammenlegungen oder auch mit erst circa Mitte März 2018 vorgelegt werden. Ausfall zu verzeichnen ist? Auch die Planungen für die Neueinstellungen zum Holter, Minister für Bildung, Jugend und Sport: nächsten Schuljahr sind noch in der Vorbereitungs- phase. Somit können auch dazu heute noch keine Das ist so. Das ist eine allgemein bekannte Tatsa- konkreten Aussagen die Schulen des Landkreises che, sehr geehrter Herr Abgeordneter Wolf und Hildburghausen betreffend gemacht werden. Ich meine Damen und Herren. Es ist so, dass gerade will hierzu als Hintergrund anfügen, dass Anträge im Spätherbst und auch in dieser Jahreszeit, zu Be- zum vorzeitigen Ausscheiden aus dem Schuldienst ginn und im I. Quartal eines jeden Jahres, die Er- bis Ende März gestellt werden können. Erst danach krankungen zunehmen, und alle, die in solchen Zu- ist die gesamte Bedarfslage und dann auch die An- sammenhängen wie Kita oder Schule arbeiten, ins- tragslage klar. besondere davon betroffen sind. Leider kommt es dann auch zu Erkrankungen von Lehrerinnen und Soweit die Fragen der Mündlichen Anfrage den Be- Lehrern und damit zu Ausfällen und dann zu opera- ginn des Schuljahres 2017/2018 betreffen, können tiven Maßnahmen wie Klassenzusammenlegungen folgende Angaben gemacht werden: Zum Schuljah- oder anderen Dingen, die in den Schulen eingelei- resbeginn 2017/2018, also im August 2017, wurden tet werden, um dann den Unterricht bzw. auch die in den Schulen des Landkreises Hildburghausen Betreuung der Kinder – ob es sich um Grund- drei Lehrerinnen an Grundschulen, vier Lehrerinnen schulen handelt oder auch generell in den Schulen und Lehrer an Regelschulen, eine Lehrerin an ei- – bzw. der Schülerinnen und Schüler abzusichern. nem Gymnasium und zwei Lehrerinnen an Förder- schulen eingestellt. Vizepräsidentin Marx: So weit meine Antwort. Danke schön. Eine weitere Zusatzfrage kommt vom Kollegen Tischner. Vizepräsidentin Marx:

Gibt es Zusatzfragen? Frau Floßmann, bitte. Abgeordneter Tischner, CDU: Vielen Dank. Herr Minister, eine ähnlich einfache Abgeordnete Floßmann, CDU: Frage. Sie sprechen in den letzten Tagen und auch Vielen Dank. Sie haben jetzt die Einstellungen zum heute wieder häufig von unterjährigen Einstellun- Schuljahr 2017/2018 genannt. Können Sie auch sa- gen. Können Sie uns sagen, wie viele Stellen Sie gen bzw. nachreichen, wie viele Lehrer zu diesem derzeit den Schulämtern für unterjährige Einstellun- Schuljahr aus dem Dienst ausgeschieden sind im gen zugewiesen haben bzw. wie das Verfahren ge- Landkreis Hildburghausen an den jeweiligen plant ist? Schulen? Holter, Minister für Bildung, Jugend und Sport: Holter, Minister für Bildung, Jugend und Sport: Wir haben ja gestern schon darüber gesprochen, Die Zahl kann ich Ihnen jetzt nicht ad hoc geben, Herr Abgeordneter Tischner. Es gibt jetzt nicht in aber ich reiche sie Ihnen gerne nach. dem Sinne ein Planungsinstrument für unterjährige Einstellungen. Wir haben in diesem Jahr Verände- Abgeordnete Floßmann, CDU: rungen vorgenommen, das habe ich gestern schon in meiner Rede ausgeführt. Bisher war es in der Le- Ist klar, danke. gislatur so, dass wir in den Jahren seit 2015 500 Lehrerinnen und Lehrer pro Jahr einstellen Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 110. Sitzung - 22.02.2018 9459

(Minister für Bildung, Jugend und Sport Holter) konnten. Das war ein Deckel, der im Zusammen- fischer und damit auf abweichende Rechtsvorschrif- hang mit dem Personalentwicklungskonzept vorge- ten gemäß § 99a Wasserhaushaltsgesetz? sehen war. Ab 2018 ist dieser Deckel aufgehoben 2. Sind im Ergebnis der laufenden Anhörung zum worden und wir haben auch die Einstellungstermine oben genannten Gesetzentwurf noch entsprechen- – sprich Winter und Sommer, ist ja bekannt – zum de abweichende Rechtsvorschriften geplant? Halbjahres- bzw. Schuljahreswechsel in dem Sinne nicht mehr festgezurrt, um das mal so zu beschrei- 3. Gibt oder gab es von den für die Vorkaufsrechts- ben. Wir wollen also unterjährig einstellen. Ich habe anfragen zuständigen Stellen (untere Wasserbehör- ja gerade im Zusammenhang mit der Frage von den der Landkreise und kreisfreien Städte) Hinwei- Frau Floßmann ausgeführt, dass wir bis März dann se, welche die Formulierung abweichender Rechts- die Anmeldungen derjenigen Lehrerinnen und Leh- vorschriften erforderlich machen würden? rer haben, die auch noch aus dem Schuldienst aus- scheiden wollen. Es gibt aber auch Kolleginnen und Vizepräsidentin Marx: Kollegen, die in einer gewissen Ad-hoc-Entschei- dung sagen, ich will aus dem Schuldienst ausschei- Für die Landesregierung antwortet die Ministerin für den. Wir wollen dort, wo es zu erkennen ist, auch Umwelt, Energie und Naturschutz, Frau Sieges- aus heutiger Sicht, die Planung so vorantreiben, mund. Bitte. dass diese Stellen dann entsprechend besetzt wer- den, so wie ich das gestern hier ausgeführt habe, Siegesmund, Ministerin für Umwelt, Energie sodass dann auch jede Lehrerin bzw. jeder Lehrer, und Naturschutz: die bzw. der den Schuldienst verlässt, wieder er- Vielen Dank. Die Anfrage des Abgeordneten Worm setzt wird. In dem Sinne gibt es jetzt keine Auftei- beantworte ich wie folgt: lung auf die Schulämter, sondern wir werden das insgesamt so organisieren, dass in ganz Thüringen Gestatten Sie mir einige Vorbemerkungen. Gemäß dieser Ersatz erfolgen kann. § 99a Abs. 6 Wasserhaushaltsgesetz steht den Ländern ein Vorkaufsrecht für Grundstücke zu, die Vizepräsidentin Marx: für Maßnahmen des Hochwasserschutzes benötigt werden. Bis zum Inkrafttreten dieses Paragrafen Vielen Dank. Weitere Fragen sehe ich nicht. Wir am 5. Januar 2018 stand in Thüringen und fast al- kommen dann zur nächsten Frage in der Drucksa- len übrigen Ländern dieses Vorkaufsrecht des Lan- che 6/5325. Fragesteller ist Abgeordneter Worm des nicht zur Verfügung. Es bestanden aber den- von der CDU-Fraktion. noch schon vorher rechtliche Möglichkeiten, solche Flächen, die perspektivisch für den Hochwasser- Abgeordneter Worm, CDU: schutz erforderlich waren, effektiv für Hochwasser- schutzmaßnahmen zu nutzen, und diese rechtli- Vielen Dank, Frau Präsidentin. chen Möglichkeiten bestehen so oder so weiterhin Vorkaufsrecht für Grundstücke, die dem Hochwas- unverändert fort. So konnten und können weiterhin serschutz dienen sollen im Wege der Raumordnung und der Bauleitplanung erforderliche Flächen als Vorrang- und Vorbehalts- In § 99a des Gesetzes zur Ordnung des Wasser- gebiete ausgewiesen werden. Nach § 76 Wasser- haushalts (Wasserhaushaltsgesetz – WHG –) des haushaltsgesetz war und ist auch weiterhin die Bundes ist geregelt, dass den Bundesländern ein Festsetzung von Überschwemmungsgebieten mög- Vorkaufsrecht für Grundstücke zusteht, die für lich, mit der Folge, dass diese zum Beispiel im Be- Maßnahmen des Hochwasser- und Küstenschutzes bauungsplan grundsätzlich nicht mehr als Bauge- erforderlich sind und dafür ganz oder teilweise be- biete ausgewiesen werden dürfen und weitere Be- nötigt werden. Die Länder können dieses Vorkaufs- schränkungen greifen. recht auf Antrag, aber auch zugunsten von Körper- schaften und Stiftungen des öffentlichen Rechts Um einzelne Grundstücke für konkrete Maßnahmen bzw. von begünstigten Personen im Sinne von § 51 des Hochwasserschutzes in Anspruch zu nehmen, Abs. 1 Satz 2 WHG ausüben. Abweichende gab es für die zuständigen Wasserbehörden bisher Rechtsvorschriften der Länder bleiben davon aber folgende Optionen: unberührt. Da im derzeit noch in der Anhörung be- 1. Kauf des betreffenden Grundstücks, findlichen Entwurf des Thüringer Gesetzes zur Neu- ordnung des Thüringer Wasserwirtschaftsrechts 2. Enteignungsrecht an dem betreffenden Grund- keine entsprechende eigene Rechtsvorschrift vor- stück oder gesehen ist, gilt § 99a WHG hier weiter vollumfäng- 3. die Möglichkeit der vorzeitigen Besitzeinweisung lich. nach § 71. Ich frage die Landesregierung: Diese rechtlichen Möglichkeiten bestehen auch 1. Warum verzichtet Thüringen in dem oben ge- jetzt unverändert fort. Das bisherige rechtliche Ins- nannten Gesetzentwurf auf den Erlass länderspezi- trumentarium wird lediglich um das Vorkaufsrecht 9460 Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 110. Sitzung - 22.02.2018

(Ministerin Siegesmund) nach § 99a Wasserhaushaltsgesetz als weitere Op- Abgeordneter Worm, CDU: tion ergänzt. Die Ausübung des Vorkaufsrechts Eine Nachfrage: Warum folgt bei dieser Thematik setzt jedoch voraus, dass für den Hochwasser- der Freistaat Thüringen nicht dem Beispiel anderer schutz erforderliche Grundstücke überhaupt auf Bundesländer und erlässt einen Verwaltungsakt in den Markt kommen. Es kann also nur im Verkaufs- Form einer allgemeinen Verfügung, in dem bis zum fall genutzt werden und hängt damit in hohem Ma- Inkrafttreten der Novelle auf die Ausübung des Vor- ße vom Zufall ab. kaufsrechts verzichtet wird, wenn sowieso schon ei- Die Mündliche Anfrage des Abgeordneten beant- ne verwaltungsinterne Anordnung besteht, das Vor- worte ich in den Einzelfragen wie folgt: kaufsrecht nicht auszuüben? Zu Frage 1: Thüringen verzichtet nicht auf den Er- lass länderspezifischer abweichender Rechtsvor- Siegesmund, Ministerin für Umwelt, Energie schriften nach § 99a Abs. 6 des Wasserhaushalts- und Naturschutz: gesetzes. Den Ländern steht vielmehr ein Vor- Weil es bislang nicht nötig ist, das zu ändern, weil kaufsrecht an Grundstücken zu, die für Maßnah- es bereits möglich ist, anders herum gesagt. Ich men des Hochwasserschutzes benötigt werden. Im hatte meinen Ausführungen vorangestellt, dass es aktuellen Gesetzentwurf zur Neuordnung des Thü- im Rahmen der geltenden Raumordnung und der ringer Wasserwirtschaftsrechts ist vorgesehen, Bauleitplanungen bereits möglich ist. Das heißt, der dass das Land Thüringen vom Vorkaufsrecht nach zutreffende neu geregelte Paragraf auf Bundesebe- § 99a keinen Gebrauch macht. § 53 Abs. 5 des ak- ne betrifft uns in dieser Form nicht. Unter den drei tuellen Gesetzentwurfs lautet dementsprechend, Prämissen, die eben genannt sind, es gibt bereits dass der § 99a keine Anwendung findet. jetzt die Möglichkeit Grundstücke für konkrete Maß- Zu Frage 2: Ich verweise auf die Antwort zu Fra- nahmen des Hochwasserschutzes mit den zustän- ge 1. Es ist eine landesgesetzliche Regelung vor- digen Wasserbehörden auf dreierlei Form zu erwer- gesehen, nach der das Vorkaufsrecht nach § 99a ben. Die bestehen auch unverändert fort. Deswe- nicht ausgeübt wird. gen sehen wir im Augenblick keinen Regelungsbe- darf. Zu Frage 3: Mangels einer Regelung im derzeit noch geltenden Wassergesetz gilt das Vorkaufs- Vizepräsidentin Marx: recht des Landes nach § 99a in Thüringen unmittel- bar. In der Vollzugspraxis zeichnet sich bei den zu- Weitere Fragen? Das sehe ich nicht. Dann kommen ständigen unteren Wasserbehörden ab, dass es ei- wir zur nächsten Frage, die in der Drucksache 6/ ne Vielzahl standardmäßiger Anfragen aus der No- 5326. Fragesteller ist Abgeordneter Walk von der tarschaft zur Ausübung bzw. Nichtausübung des CDU-Fraktion. Vorkaufsrechts gibt und auch verstärkt geben wird. Daher ist zur Entlastung sowohl der zuständigen Abgeordneter Walk, CDU: Wasserbehörden als auch der Notarschaft und so- mit letztlich der Bürgerinnen und Bürger die vorge- Ja, danke. sehene Regelung in § 53 Abs. 5 des aktuellen Ge- Bedarfszuweisungen bei freiwilligen Aufgaben setzentwurfs zur Neuordnung des Thüringer Was- serwirtschaftsrechts erforderlich und sinnvoll. Eine Der Stadtrat der Stadt Eisenach beschloss jüngst Ausübung des Vorkaufsrechts durch den Freistaat die Einteilung des Kernstadtgebiets in sechs Orts- Thüringen findet zurzeit weder statt noch ist sie ge- teile. Infolgedessen sollen dort 2019 erstmals Orts- genwärtig oder künftig beabsichtigt. Sollten größere teilräte und Ortsteilbürgermeister gewählt werden. Flächen für Hochwasserschutzmaßnahmen erfor- Der Beschluss wird jährliche Kosten in sechsstelli- derlich sein, können diese bereits jetzt durch Maß- ger Höhe für Entschädigungen, für Raummieten, nahmen der Raumordnung durch Vorrang und Vor- Büromaterial usw. verursachen. Die Stadt Eisenach behaltsgebiete und der Bauleitplanung gesichert wird zum Haushaltsausgleich 2018 erneut auf Be- werden. Eine Regelung durch die Schaffung eines darfszuweisungen zur Haushaltskonsolidierung in Vorkaufsrechts ist also nicht erforderlich. Millionenhöhe angewiesen sein. Vielen Dank. Ich frage die Landesregierung: 1. Teilt die Landesregierung die Ansicht, dass eine Vizepräsidentin Marx: Einteilung des Kernstadtgebietes in Ortsteile und damit einhergehende Neuschaffungen von Gremien Gibt es Fragen? Zusatzfragen? als freiwillige Aufgabe zu klassifizieren sind, und (Zuruf Abg. Worm, CDU: Ja!) wie begründet sie ihre Ansicht? Ja, Kollege Worm. 2. Welche Auffassung vertritt die Landesregierung zur Erfüllung zusätzlicher freiwilliger Aufgaben vor Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 110. Sitzung - 22.02.2018 9461

(Abg. Walk) dem Hintergrund der Geltung eines Haushaltssi- der kommunalen Selbstverwaltung und des haus- cherungskonzeptes? haltsrechtlichen Gesamtdeckungsprinzips berück- sichtigt werden. 3. In welchen Thüringer Städten mit mehr als 20.000 Einwohnern wurden seit 1990 die Stadtge- Die Antwort zu Frage 3: Die vollständige Beantwor- biete, das heißt die Kernstadt ohne eventuell erfolg- tung der Frage setzt eine umfassende historische te Eingemeindungen, in Ortsteile eingeteilt? Analyse zum Entstehungsgrund und der rechtlichen Einordnung sämtlicher Ortsteile der betroffenen Vizepräsidentin Marx: Städte voraus. Die Frage lässt sich daher in dem zeitlichen Rahmen, der zur Beantwortung einer Für die Landesregierung antwortet Staatssekretär Mündlichen Anfrage zur Verfügung steht, nicht be- Götze vom Ministerium für Inneres und Kommuna- antworten. les. Bitte. Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit. Götze, Staatssekretär: Vizepräsidentin Marx: Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Da- men und Herren Abgeordnete, die Mündliche Anfra- Gibt es Zusatzfragen? Nein, das sehe ich nicht. ge des Abgeordneten Walk beantworte ich für die Dann kommt zum Aufruf die letzte Frage, und zwar Landesregierung wie folgt: der Kollege Tischner von der CDU-Fraktion mit der Drucksache 6/5327. Herr Tischner, bitte. Die Antwort zu Frage 1: Nach § 4 Abs. 2 Satz 1 Thüringer Kommunalordnung können Gemeinden Abgeordneter Tischner, CDU: ihr Gebiet durch eine Regelung in der Hauptsat- zung in Ortsteile einteilen. Für ihre Ortsteile kann Vielen Dank, Frau Präsidentin. die Gemeinde nach § 45 Abs. 1 Thüringer Kommu- Gewerbegebiete Greiz nalordnung wiederum durch eine Regelung in der Hauptsatzung auch eine Ortsteilverfassung einfüh- In der Stadt Greiz bestehen seit vielen Jahren For- ren. Entsprechend regelt § 45a Abs. 1 Thüringer derungen nach zusätzlichen Gewerbegebieten. In Kommunalordnung für die Landgemeinde die Ein- den zurückliegenden Jahren wurden insbesondere führung der Ortschaftsverfassung. Diese Rechte er- mit Verweis auf den bestehenden Hochwasser- geben sich aus der durch Artikel 28 Abs. 2 des schutz zusätzliche Initiativen zur Ausweisung von Grundgesetzes und durch Artikel 91 Abs. 1 der Ver- Gewerbestandorten im Greizer Tal abgelehnt. Infol- fassung des Freistaats Thüringen garantierten ge des verheerenden Hochwassers von 2013 wur- Selbstverwaltungshoheit der Gemeinden, hier aus- den mit umfangreicher Unterstützung des Frei- geprägt in der Form der sogenannten Organisa- staats Thüringen neue Hochwasserplanungen und tionshoheit. Die Ausübung dieser Rechte ist damit Hochwasserschutzkonzepte für die Kreisstadt Greiz den freiwilligen Aufgaben des eigenen Wirkungs- entwickelt. Beispielsweise wird ein Flutkanal für die kreises der Gemeinde zuzuordnen. Weiße Elster geplant. Der Bedarf und das Interesse an zusätzlichen Gewerbeflächen in der Stadt Greiz Die Antwort zu Frage 2 lautet wie folgt: Kommunen sind weiterhin sehr groß. können im Rahmen der Haushaltskonsolidierung neben der Erfüllung der Pflichtaufgaben auch frei- Ich frage die Landesregierung: willige Selbstverwaltungsaufgaben wahrnehmen, 1. Wie viele durch die Landesregierung geförderte da anderenfalls von einer kommunalen Selbstver- Gewerbegebiete hält die Stadt Greiz derzeit mit waltung im eigentlichen Sinne nicht mehr gespro- welcher jeweiligen Auslastung vor? chen werden kann. Dabei darf aber der Konsolidie- rungserfolg nicht beeinträchtigt werden, das heißt, 2. Ist der Landesregierung bekannt, ob und in wel- dass im Rahmen der kommunalen Selbstverwal- chem Umfang neue bzw. zusätzliche Gewerbeflä- tung gegebenenfalls andere Ausgaben entspre- chen im Tal der Weißen Elster ausgewiesen wer- chend gekürzt oder weitere Einnahmen generiert den können bzw. wurden? werden müssen. Die Regelung der Verwaltungsvor- 3. Besteht die Möglichkeit, dass infolge geänderter schrift zur Aufstellung eines Haushaltssicherungs- Hochwasserschutzkonzepte und geplanter neuer konzepts, die sich auf die freiwilligen Leistungen als Hochwasserschutzmaßnahmen im Greizer Tal, bei- Ausgaben bezieht, verweist auf eine Entscheidung spielsweise Greizer Neustadt oder Goldene Aue im des Oberverwaltungsgerichts Lüneburg vom Ortsteil Dölau, weitere Gewerbeflächen entstehen? 03.09.2012. Nach dieser Entscheidung „wurde je- denfalls ein Prozentsatz in Höhe von 2 [vom Hun- 4. Welche Fördermöglichkeiten bestehen, um zu- dert] bezogen auf die Gesamtausgaben des [Ver- sätzliche Gewerbeflächen in der Stadt Greiz zu ent- waltungshaushalts] noch als auskömmlich angese- wickeln? hen.“ Die Regelungen der genannten Verwaltungs- vorschrift sind so angelegt, dass die Grundsätze 9462 Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 110. Sitzung - 22.02.2018

Vizepräsidentin Marx: Vizepräsidentin Marx: Für die Landesregierung antwortet Staatssekretärin Gibt es Zusatzfragen? Herr Tischner. Kerst für das Ministerium für Wirtschaft, Wissen- schaft und Digitale Gesellschaft. Bitte schön. Abgeordneter Tischner, CDU: Der letzte Satz spornt mich natürlich an. Sie sagen, Kerst, Staatssekretärin: es gibt Flächen, die genutzt werden könnten. Ha- Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Abge- ben Sie eine Aufstellung dazu und können Sie die- ordnete, ich beantworte die Mündliche Anfrage des se nennen? Abgeordneten Tischner für die Thüringer Landesre- gierung wie folgt: Kerst, Staatssekretärin: Antwort zu Frage 1: Im Rahmen der Gemein- Das würde ich nachliefern. Ich würde das noch mal schaftsaufgabe Verbesserung der regionalen Wirt- klären und nachliefern. schaftsstruktur sind in der Stadt Greiz die Gewerbe- gebiete Greiz-Gommla und Zeulenrodaer Straße Vizepräsidentin Marx: 13/15 erschlossen und der Industriealtstandort Au- gust-Bebel-Straße 33 bis 35 wiederhergerichtet Weitere Zusatzfragen sehe ich nicht. Damit beende worden. Für das Gewerbegebiet Greiz-Gommla ist ich die Fragestunde. Es sind damit auch alle Fra- die Zweckbindungsfrist im Jahre 2006 abgelaufen. gen für dieses Plenum abgearbeitet. Zu diesem Zeitpunkt war das Gewerbegebiet zu Es geht weiter mit dem Aufruf des Tagesord- rund 97 Prozent belegt. Nach Ablauf der Zweckbin- nungspunkts 7 dungsfrist erfolgt keine weitere Belegungsabfrage. Das Gewerbegebiet Zeulenrodaer Straße 13/15 war zum 31.12.2016 vollständig belegt. Der Indus- Grundsätzliche, über den Ein- triestandort August-Bebel-Straße 33 bis 35 war zelfall hinausgehende Ausle- zum 31.12.2016 zu rund 30 Prozent belegt. gung einer Vorschrift der Ge- schäftsordnung gemäß § 122 Antwort zu Frage 2: Laufende Planungen zur Aus- GO weisung von Gewerbegebieten im Stadtgebiet Beschluss des Thüringer Land- Greiz sind nicht bekannt. Ein im Jahr 2003 für ein tags zu dem Antrag der Fraktio- 23 Hektar großes Gewerbegebiet im Ortsteil nen DIE LINKE, der SPD und Schönfeld aufgestellter Bebauungsplan wurde wie- BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN der aufgehoben. - Drucksachen 6/3809/3874 - Antwort zu Frage 3: Das Hochwasserschutzkonzept dazu: Beschlussempfehlung des der Weißen Elster wurde im Nachgang des Hoch- Ausschusses für Migration, wasserereignisses von 2013 in der Stadt Greiz Justiz und Verbraucher- grundlegend überarbeitet. Nach Umsetzung der schutz Komplexmaßnahmen an der Weißen Elster und - Drucksache 6/5328 - des Flutkanals liegen die Stadtteile Altstadt und Neustadt nach jetzigem Stand der Planung nicht Zunächst hat Abgeordneter Helmerich aus dem mehr im gemäß Rechtsordnung festgesetzten Ausschuss für Migration, Justiz und Verbraucher- Überschwemmungsgebiet der Weißen Elster. Eine schutz zur Berichterstattung das Wort. Bitte, Herr Entwicklung von Flächen in diesen Stadtteilen zu- Helmerich. gunsten von Gewerbeansiedlungen wäre nach Um- setzung der Maßnahmen und Änderungen des Abgeordneter Helmerich, SPD: Überschwemmungsgebietes damit denkbar. Für Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Da- das Gebiet Goldene Aue in Dölau liegt ein wasser- men und Herren, sehr verehrte Zuschauer, der rechtlicher Planfeststellungsbeschluss vor, nach- Landtag hat in seiner 82. Sitzung am 4. Mai 2017 dem die dort befindlichen faktischen gewerblichen mit Beschluss in Drucksache 6/3874 den Aus- Bauflächen nach Realisierung der geplanten Hoch- schuss für Migration, Justiz und Verbraucherschutz wasserschutzmaßnahmen, Erdaufschüttungen, gemäß § 122 Geschäftsordnung gebeten, sich Damm, hochwasserfrei werden und grundsätzlich grundsätzlich, über den Einzelfall hinausgehend mit wieder genutzt werden könnten. Zudem sind in der der Auslegung der Geschäftsordnung zu befassen, Stadt Greiz gewerbliche Brachflächen vorhanden, eine intensive juristische Prüfung durchzuführen die reaktiviert werden könnten. und anschließend dem Landtag eine Be- Vielen Dank. schlussempfehlung hinsichtlich der zukünftigen Handhabung der Auslegung der im Antrag ange- sprochenen Regelungspunkte der Geschäftsord- nung vorzulegen. Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 110. Sitzung - 22.02.2018 9463

(Abg. Helmerich) Gegenstand des Prüfungsauftrags ist zum einen verwaltung beschränkt werden. Dies betreffe auch die Auslegung des § 113 Geschäftsordnung – das abgeschlossene Verwaltungsvorgänge. heißt die Reichweite und Grenzen des Informa- Durch Mehrheitsbeschluss wurde die Vorlage 6/ tions- und Akteneinsichtsrechts der Abgeordneten – 3346 der regierungstragenden Fraktionen am und zum anderen die Ausgestaltung der Rechte 16. Februar 2018 angenommen und liegt Ihnen als des Präsidenten bei der Erfüllung von Aufgaben so- Beschlussempfehlung in Drucksache 6/5328 vor. wie der Abwicklung des Schriftverkehrs von Aus- Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit. schüssen mit Adressaten außerhalb des Landtags, insbesondere im Zusammenhang mit der Beteili- (Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE gung von Ausschüssen des Landtags an Organ- GRÜNEN) streitverfahren beim Thüringer Verfassungsge- richtshof. Vizepräsidentin Marx: Der Ausschuss für Migration, Justiz und Verbrau- Vielen Dank. Ich eröffne die Beratung und als Ers- cherschutz hat zu den Auslegungsfragen in seiner ter hat Abgeordneter Scherer für die CDU-Fraktion 44. Sitzung am 19. Mai 2017, in seiner 45. Sitzung das Wort. am 2. Juni 2017, in seiner 48. Sitzung am 25. Au- gust 2017, in seiner 52. Sitzung am 27. Oktober Abgeordneter Scherer, CDU: 2017 und in seiner 57. Sitzung am 16. Februar 2018 beraten sowie eine schriftliche und mündliche Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen, Anhörung durchgeführt. Nachfolgend – vor allem der Tagesordnungspunkt betrifft unsere Geschäfts- als Schlussfolgerung aus den beiden Anhörungen – ordnung, über deren Auslegung bei grundsätzlichen erfolgte der Antrag auf Beschlussempfehlung der Fragen der Landtag beschließt. Nun hat der Justiz- regierungstragenden Fraktionen in Vorlage 6/3346. ausschuss mit Mehrheit einen Beschlussvorschlag Darin wird empfohlen, den § 114 Geschäftsordnung vorgelegt, der aus unserer Sicht nicht mehr weit im Lichte der Thüringer Verfassung und der dort über eine reine Auslegung einer Bestimmung der verankerten Informations- und Auskunftsrechte der Geschäftsordnung hinausgeht. Ich erlaube mir, da- Abgeordneten zur Erfüllung der Abgeordnetentätig- rauf hinzuweisen, dass es bisher guter parlamenta- keit auszulegen, wonach sich ein umfassender un- rischer Brauch war, die Geschäftsordnung nicht mittelbarer Anspruch auf Akteneinsicht ergibt. durch Mehrheitsentscheidung zu regeln. Aber es soll ja jetzt alles anders gemacht werden – besser In diesem Rahmen muss sich die Anwendung des ist das nicht. § 114 Geschäftsordnung des Thüringer Landtags bewegen und darf diese Verfassungsrechte der Ab- Zuzustimmen ist dem Eingangssatz des Vorschlags geordneten nicht einschränken, so ein Ergebnis der der Regierungskoalition. Dort steht: „Die Informa- Anhörung. Lediglich durch die Gewährleistung der tions- und Akteneinsichtsrechte der Abgeordneten Funktionsfähigkeit der Landtagsverwaltung hin- nach § 114 GO sind im Lichte der Thüringer Verfas- sichtlich ihrer Aufgabe, die Arbeitsfähigkeit der Ab- sung auszulegen.“ Wenn sich der Vorschlag daran geordneten des Landtags und seiner Gremien si- halten würde, aber da fängt es schon an. Der Be- cherzustellen, und nur in zeitlicher Hinsicht wird das schlussvorschlag der Koalitionsfraktionen ist für uns Akteneinsichtsrecht begrenzt. Das Prinzip des so- nicht akzeptabel, weil er weit über das Ziel hinaus- genannten – ich zitiere – „Kernbereichsschutzes für schießt und es wird – so er angenommen wird – si- den Bereich exekutiver Eigenverantwortung“ stellt cher nicht lange dauern, bis der Thüringer Verfas- keine Grenzen der Informations- und Aktenein- sungsgerichtshof Gelegenheit hat, darüber zu ent- sichtsrechte der Abgeordneten dar, da die Land- scheiden. tagsverwaltung als Service- bzw. Dienstleistungs- (Zwischenruf Abg. Henfling, BÜNDNIS 90/ struktur für die Abgeordneten, Funktionen und an- DIE GRÜNEN: Ist das eine Drohung?) dere Gremien des Landtags bei Erfüllung ihrer Auf- gaben einzuordnen ist. Auch das ist ein Ergebnis Das können Sie sehen, wie Sie wollen, Frau Henf- der Anhörung. ling. – Auszulegen ist § 114 der Geschäftsordnung. Das heißt aber eben nur auszulegen und nicht neu- Weitere Anhörungsinhalte und -argumente sind im zufassen bzw. nicht, sich über bestehende Rege- Beschlusstext und der Begründung der Be- lungen einfach mit der Behauptung, es sei eine schlussempfehlung dokumentiert. Auslegung, hinwegzusetzen. Der Auftrag war ganz Nach der Gegenvorlage der CDU-Fraktion, Vorla- klar gefasst und umfasste offensichtlich nicht die in ge 6/3652, besteht ebenfalls ein Akteneinsichts- § 114 Abs. 4 und 5 Geschäftsordnung enthaltenen recht der Abgeordneten nach § 114 Abs. 1 der Ge- eindeutigen Regelungen zur Personalakte. Hier gibt schäftsordnung. Das Recht kann – so die Argumen- es nichts auszulegen. tation der CDU-Fraktion – jedoch zum Schutz der Deshalb geht schon Punkt 1 des Vorschlags der Funktionsfähigkeit und Funktionstüchtigkeit der Regierungskoalition viel zu weit, da er diese Perso- vom Landtagspräsidenten geleiteten Parlaments- nalunterlagen mit umfasst, was nach der Begrün- 9464 Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 110. Sitzung - 22.02.2018

(Abg. Scherer) dung des Vorschlags auch so gewollt ist. Er geht verständigen Prof. von Achenbach wieder und aber auch sonst viel zu weit. Wir kastrieren unseren mehr nicht. Wissenschaftlichen Dienst selbst und schaden uns (Beifall CDU) damit auch selbst, wenn geregelt werden soll, dass jeder Abgeordnete alles aus der Verwaltung einse- Was das Selbstvertretungsrecht eines Ausschus- hen können soll, auch die Entwurfsfassungen von ses angeht, muss die Voraussetzung hierfür zu- Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes. Zum nächst lauten, dass es kein Gesamtvertretungsinte- einen widerspricht dies dem in Absatz 3 des § 114 resse gibt, sonst ist nach Artikel 57 Abs. 4 Thürin- Geschäftsordnung festgelegten Funktionsschutz ger Verfassung der Präsident qua Verfassung als und zum anderen kann es zu einer Beeinträchti- Vertreter des Landtags berufen. Nur wenn dies gung der Unabhängigkeit des Wissenschaftlichen nicht der Fall ist, kommt ein Selbstvertretungsrecht Dienstes führen, wenn jeder dortige Mitarbeiter da- eines Ausschusses in Betracht und nicht – so wie mit rechnen muss, dass sein konkreter eigener Bei- es jetzt formuliert ist –, wenn er einfach ein eigenes trag auch dann offenbart wird, wenn er letztlich, aus Recht geltend macht. Das ist viel zu weit gefasst welchen Gründen auch immer, im Gutachtenergeb- und deshalb ebenfalls abzulehnen. Es bleibt dabei: nis nicht aufgenommen ist, oder – und das wäre Der Auslegungsvorschlag geht weit über eine Aus- noch schlimmer – er richtet seinen Beitrag in vor- legung hinaus. Er entspricht nicht dem vom Land- auseilendem Gehorsam schon danach aus, dass tag erteilten Auftrag und ist in seiner Reichweite in später sein Beitrag durch Abgeordnete begutachtet keiner Weise durch die parlamentarische Arbeit ei- wird. Auch das kann nicht im Sinne der parlamenta- nes Abgeordneten gerechtfertigt. Er dürfte darüber rischen Arbeit und nicht in unserem Sinne sein. hinaus gegen Artikel 57 Abs. 3 der Thüringer Ver- fassung verstoßen und wir lehnen deshalb den Be- (Beifall CDU) schlussvorschlag der Regierungskoalition ab und Hier wird unter dem Deckmantel der Informations- beantragen, unseren zu übernehmen. Danke freiheit – hört sich gut an, genauso wie Transpa- schön. renzgesetz – ein Akteneinsichtsrecht gefordert, das (Beifall CDU) mit der parlamentarischen Arbeit nichts mehr zu tun hat. Was soll das denn heißen? Was ist für die ef- fektive Arbeit eines Abgeordneten erforderlich, un- Vizepräsidentin Marx: abhängig davon, ob es einen Bezug zu einem par- Als Nächstem gebe ich dem Kollegen Blechschmidt lamentarischen Beratungsgegenstand hat? Ich von der Fraktion Die Linke das Wort. kann nicht erkennen, was das sein soll, was keinen Bezug zur parlamentarischen Arbeit hat, aber für (Zwischenruf Abg. Rothe-Beinlich, BÜNDNIS die Arbeit des Abgeordneten unbedingt erforderlich 90/DIE GRÜNEN: Unseren übernehmen? Da sein soll. Das sehe ich nicht. Das ist ein falsches hätten Sie etwas einreichen müssen, haben Verständnis des Abgeordnetenstatus, zu meinen, Sie aber nicht!) jeder Abgeordnete müsse in alle Vorgänge der Landtagsverwaltung Einblick nehmen können, Abgeordneter Blechschmidt, DIE LINKE: wenn es ihn gerade interessiert. Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, die (Beifall CDU) Beschlussempfehlung zum Antrag nach § 122 GO, die heute sprichwörtlich auf dem Tisch liegt, dient Wozu haben wir einen Präsidenten gewählt, der die nicht nur der reinen Selbstbeschäftigung des Land- Verwaltung nicht nur leitet, sondern der sie auch tags. Der Beschluss dieses Antrags bringt mehr verantworten muss? Genau diese Verantwortung Rechtssicherheit bei der Nutzung von Aktenein- ist in Artikel 57 Abs. 3 Thüringer Verfassung ge- sichtsrechten durch Abgeordnete gegenüber der meint und das sollten wir mit dieser Auslegung Verwaltung des Landtags. Dieses spezielle Infor- nicht aushebeln. Im Übrigen ist es schlicht unred- mationsrecht nach § 114 der Geschäftsordnung lich, wenn in der Begründung steht, mehrheitlich des Landtags ist als Teil des verfassungsrechtli- hätten sich die angehörten Sachverständigen für ei- chen Informations- und Auskunftsrechts der Abge- ne völlig uneingeschränkte Akteneinsicht ausge- ordneten auszulegen. sprochen. Mathematisch könnte das zwar gerade noch stimmen, aber es waren allenfalls zwei von Ich bin dem Berichterstatter, Kollegen Helmerich, drei Angehörten. Würde man die Ansicht der Exter- dankbar für die umfangreiche und sachliche Be- nen Kommission noch berücksichtigen, stünde es richterstattung und, Kollege Scherer, sicher war es schon zwei zu zwei, und bei genauerem Hinschau- in der Vergangenheit parlamentarische Praxis, dass en noch nicht einmal das. Auch Prof. Wolff war der wir gemeinsam über Geschäftsordnungen debat- Ansicht, dass die einzusehenden Akten gerade für tiert und auch mehrheitlich versucht haben, sie an- die parlamentarische Beratung angelegt sein müs- zustreben. sen. Letztlich gibt der Beschlussvorschlag – wenn (Zwischenruf Abg. Mohring, CDU: So ist es!) man genau hinsieht – nur die Meinung der Sach- Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 110. Sitzung - 22.02.2018 9465

(Abg. Blechschmidt) Aber es gibt auch ein Ende von Diskussionsphase Meine Damen und Herren, nach Debatte und Anhö- und Prozessen. Wenn man unterschiedlicher Mei- rung im Ausschuss ist klar: Um aufzuklären, wie nung ist, muss man dann auch zu Entscheidungen und warum es von wem zu inhaltlichen Redaktio- kommen. Und mit Blick jetzt auf Ihren Vorschlag nen an Referentenentwürfen gekommen ist, dürfen zum Schluss, nur formal – nicht dass Sie mich jetzt Abgeordnete entsprechende interne Unterlagen missverstehen –, müsste ich natürlich einen Ände- und Akten der Landtagsverwaltung umfassend rungsantrag zur Beschlussempfehlung auf dem sichten und auswerten. Aber genau dieses Recht Tisch haben … und diese Tätigkeit wurde in der Vergangenheit ge- genüber Abgeordneten erschwert, die einen Akten- (Zwischenruf Abg. Mohring, CDU: Wir haben einsichtsantrag nach § 114 gestellt haben. darauf gesetzt, dass ihr weiter mit uns redet!) Mit dem nun anstehenden Beschluss der vorliegen- Stopp doch mal! Ich habe gesagt: formal bei dem den allgemeinen Auslegung soll für die Zukunft eine Vorgang. Da müsste ich zumindest die Chance ha- mögliche konfliktfreie Klarheit über die Anwendung ben, auch darüber abstimmen zu können. Momen- und Ausübung des Akteneinsichtsrechts der Abge- tan haben wir eine Beschlussempfehlung auf dem ordneten gegenüber der Landtagsverwaltung ge- Tisch liegen und über die reden wir jetzt. schaffen werden. Sollte nun jemand befürchten, es Diese Informations- und Auskunftsrechte auch ge- drohe eine völlige Okkupation und Lähmung mit Ak- genüber der Verwaltung des Landtags sind wichtig teneinsichtsgesuchen oder aber die totale Ausfor- zur Sicherung der Arbeit und Entscheidungsfähig- schung, dann sollte ein Blick in den Beschlusstext keit der Abgeordneten. Die beiden Anhörungen – und die Begründung der Beschlussempfehlung rei- eine schriftliche und noch eine weitere mündliche – chen, um solche Ängste zu beseitigen. Der Schutz zeigen deutlich: Abgeordnete haben von Verfas- von Grund- und Persönlichkeitsrechten Dritter, aber sungs wegen zu allen Informationen und Unterla- auch die Wahrung des verfassungsrechtlich garan- gen der Landtagsverwaltung Zugang, die sie aus tierten Schutzes der Arbeit und Unabhängigkeit von ihrer Sicht für ihre Tätigkeit brauchen. Das gilt auch Fraktionen sind als ausdrückliche Schranke des schon in der Vorbereitung von inhaltlichen Aktivitä- Auskunfts- und Einsichtsrechts im Beschlusstext ten. Deutlich geworden ist auch: Die Landtagsver- genannt. Ebenso unmissverständlich ist klargelegt, waltung hat gegenüber den Abgeordneten eine dass bei der Abwägung, ob und wie Rechte zu er- Servicefunktion. Das Verhältnis von Abgeordneten füllen sind, auch solche Möglichkeiten wie die teil- und Verwaltung ist ein „Innenverhältnis“ innerhalb weise Schwärzung von Daten als das mildere Mittel der Strukturen eines Verfassungsorgans, des Land- im Vergleich zur gänzlichen Versagung gedacht tags. werden müssen. Des Weiteren haben die Diskussionen im Aus- Meine Damen und Herren, die nun klar geregelten schuss und die Anhörungen herausgearbeitet: Der und damit in der Praxis gestärkten Rechte der Ab- Präsident erledigt seine Aufgaben als Erster unter geordneten in Sachen Informations- und Aktenein- Gleichen. Er hat gegenüber den anderen Abgeord- sicht sind auch ein Gewinn für die parlamentarische neten des Landtags gerade keine hierarchisch he- Demokratie und ein Gewinn an Transparenz für die rausgehobene Stellung. Er und seine Verwaltung Arbeit des Parlaments. unterliegen mit ihrer Tätigkeit auch der parlamenta- Zum Schluss noch eine Bemerkung oder einige rischen Kontrolle durch die Abgeordneten. Dieses Sätze zu der sich im Umlauf befindlichen Idee eines Ergebnis ist alles andere als überraschend, wenn strukturell neugegliederten Wissenschaftlichen man sich das Urteil des Bundesverfassungsgerichts Diensts: Das begrüßen wir ausdrücklich und ich vom 21. Juli 2000 zu den Funktionszulagen im Thü- kann nur den Landtagspräsidenten und den Land- ringer Landtag vor Augen hält. Dort ist ganz stark tagsvorstand ermutigen, eine zeitnahe Entschei- das Verfassungsprinzip der Gleichheit aller Abge- dung zu treffen, um auch damit die Arbeit und die ordnetenmandate herausgearbeitet und betont. Es parlamentarische Demokratie hier im Thüringer darf zwischen den Abgeordneten keine Hierarchien Landtag zu verbessern. Vielen Dank. geben, weder – logischerweise – was auch die In- formationen anbetrifft noch finanzieller Art, was die (Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE Frage von Funktionszulagen anbetrifft. Dass Arti- GRÜNEN) kel 57 der Thüringer Verfassung den Präsidenten die Außenvertretung des Landtags als gesetzliches Organ und die Erledigung der laufenden Verwal- Vizepräsidentin Jung: tungsaufgaben zuweist, stellt eine sachliche Aufga- Als nächste Rednerin hat Abgeordnete Astrid Ro- benübertragung dar, ist aber keine irgendwie gear- the-Beinlich das Wort. tete hierarchische, politische Ermächtigungsnorm. Die Interpretation als Ermächtigungsnorm würde das Prinzip der Gleichheit des Mandats aller Abge- ordneten verletzen. 9466 Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 110. Sitzung - 22.02.2018

Abgeordnete Rothe-Beinlich, BÜNDNIS 90/DIE (Zwischenruf Abg. Carius, CDU: Der Vor- GRÜNEN: stand setzte sie ein!) Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr geehr- Die Koalitionsfraktionen kamen zu der Überzeu- ten Damen und Herren, eine durchaus spannende gung, dass es sich dabei nicht um eine unabhängi- Debatte um ein vielleicht sperrig erscheinendes ge Kommission handelte, und wollten die aufgewor- Thema, was sonst eher trocken daherkommt, näm- fenen Fragen durch eine über den Einzelfall hinaus- lich die Geschäftsordnung und deren Auslegung. gehende Auslegung gemäß § 122 Geschäftsord- Aufgrund der Äußerungen von Herrn Scherer, der nung durch den Justizausschuss fachlich klären uns schon mal mit dem Verfassungsgericht gewun- lassen. Ich freue mich übrigens sehr, dass wir jetzt ken oder gedroht hat – das kann ja jeder oder jede das Morlok-Gutachten haben – das muss ich an für sich selbst entscheiden –, möchte ich doch noch dieser Stelle einfach mal einwerfen –, was Rot-Rot- einmal ein Stück weit auf die Geschichte eingehen, Grün in Auftrag gegeben hat, welches uns ermög- wie es eigentlich dazu kam, bevor ich auf unseren licht, jetzt hier im Prinzip alles aus dem Ausschuss eigentlichen Antrag zu sprechen komme. sagen zu können. Das vereinfacht mir meine Rede hier ungemein. Im Rahmen der parlamentarischen Debatte zur Ge- bietsreform kam es nämlich zu einem Organstreit- (Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE verfahren zwischen der CDU-Fraktion und dem In- GRÜNEN) nenausschuss – der eine oder die andere werden Zum Antrag: Wir wollen Klarheit über die Reichwei- sich erinnern. Der Innenausschuss beauftragte so- te und die Grenzen der Informations- und Aktenein- dann die Landtagsverwaltung mit der Erarbeitung sichtsrechte der Abgeordneten nach § 114 GO einer Stellungnahme, um seine Rechte vor dem schaffen. Dafür wurde der Justizausschuss – wie Verfassungsgericht in Weimar verteidigen zu kön- gesagt – mit der über den Einzelfall hinausgehen- nen. Nachdem der Innenausschuss den finalen den Auslegung nach § 122 Geschäftsordnung be- Stellungnahmeentwurf der Landtagsverwaltung er- auftragt. Es wurde eine schriftliche und ergänzend halten hatte, tauchten Dokumente aus dem Erarbei- eine mündliche Anhörung von Expertinnen und Ex- tungsprozess des Wissenschaftlichen Diensts auf. perten auf dem Gebiet des Parlamentsrechts Daraus ergab sich, dass die Landtagspräsidentin durchgeführt. Auf den Ergebnissen der Anhörung die Stellungnahme um ein Drittel gekürzt hatte, wo- und ihrer Bewertung beruht der vorliegende Antrag durch wesentliche Argumente zur Verteidigung der auf Beschlussempfehlung. Rechte des Innenausschusses geschwächt wurden oder komplett entfielen. Gestatten Sie mir, Herr Scherer, dass ich Sie an dieser Stelle darauf verweise, dass, wo nichts ist, An dieser Stelle sei auf den Vermerk eines Bearbei- man auch nichts übernehmen kann. ters verwiesen, da hieß es: „Die um ein Drittel redu- zierte Antragserwiderung wird von A 4 nicht mitge- (Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) tragen, sie lässt in Zulässigkeit und Begründetheit Sie haben fürs Plenum heute hier nichts vorgelegt. wesentliche Argumente weg.“ Als Resultat stand Ich darf daran erinnern – das darf ich ja jetzt auch der Verdacht der Zensur, der parteilichen Ein- sagen –, dass Sie im Ausschuss eine Tischvorlage flussnahme auf die Zuarbeit durch die Landtagsver- ausgereicht haben. Das ist richtig. Da gab es eine waltung im Raum. Aufklärung war also geboten und Lesepause. Und nach dieser Lesepause – und wurde von uns als Koalitionsfraktionen auch ent- auch das alles darf ich jetzt erzählen – habe ich sprechend eingefordert. Bei Anträgen auf umfas- dann gefragt, ob nicht wenigstens mal jemand aus sende Akteneinsicht – ich selbst habe derer gleich der CDU-Fraktion den Antrag der CDU-Fraktion drei gestellt – wurde vonseiten des Landtagspräsi- vorstellen möge, damit man weiß, was Sie wollen denten aber entgegengehalten, dass es sich hierbei oder was Sie dazu gebracht hat, diesen Antrag so um den geschützten Kernbereich exekutiver Selbst- einzureichen. Es war niemand von Ihnen dazu be- verwaltung handeln würde. Ein umfassendes Ak- reit, diesen Antrag auch nur vorzustellen. Ich will teneinsichtsrechts wurde also nicht gewährt. Der nur daran erinnern. Ich habe unseren Antrag für un- Vorgang blieb für uns Abgeordnete bis heute im sere Fraktion begründet – für unsere Koalitionsfrak- Dunkeln. Herr Scherer findet das völlig in Ordnung, tionen sogar –, und das will ich auch jetzt noch ein- mir geht es da nach wie vor anders. mal tun. Das sind die sieben Punkte, die Sie jetzt (Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE auch in der Beschlussempfehlung entsprechend GRÜNEN) wiederfinden. 1. Die Informations- und Akteneinsichtsrechte der Zur Untermauerung seiner Rechtsauffassung setzte Abgeordneten werden gestärkt und sie beziehen der Landtagspräsident sodann eine sogenannte Ex- sich auf sämtliche im Verfügungsbereich des Land- pertenkommission ein, die er selbst benannte und tags stehende Akten. der er selbst auch die Fragen vorgab. Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 110. Sitzung - 22.02.2018 9467

(Abg. Rothe-Beinlich) Da haben wir in der Tat einen Dissens, Herr Sche- ner Amtsführung ergebe sich aus der Gleichheit der rer, wir sind der Meinung, die Abgeordneten geht Abgeordneten. Die Gleichheit der Abgeordneten sei das in der Tat alles etwas an. insbesondere dadurch zu gewährleisten, dass der Landtagspräsident in seiner Amtswahrnehmung der (Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE Kontrolle durch die Abgeordneten unterliege und GRÜNEN) dass seine Tätigkeit daraufhin nachvollziehbar sein Ich möchte hier Frau Prof. Dr. von Achenbach zitie- müsse, dass er diese, wie verfassungsrechtlich ge- ren, aus dem Protokoll der Anhörung, Seite 12: boten, unparteilich, ohne partei- und fraktionspoliti- „§ 114 müsse verfassungskonform ausgelegt wer- schen Bezug wahrnehme.“ den. Das verfassungsrechtliche Akteneinsichtsrecht 6. Wir stärken die Verfahrensrechte der Ausschüs- umfasse alle Akten, die für die parlamentarische Ar- se – auch darum geht es uns – in Organstreitver- beit erheblich seien. Dieses Akteneinsichtsrecht fahren und stellen klar, dass Ausschüsse eigene könne über eine restriktive Auslegung des § 114 Rechte in eigenem Namen geltend machen und GO, wonach die Akten zu Beratungsgegenständen auch vor dem Thüringer Verfassungsgerichtshof des Plenums angelegt sein müssen, nicht be- verteidigen können. Statt durch den Landtagspräsi- schränkt werden.“ denten werden sie durch ihren Ausschussvorsitzen- Ich gestatte mir die Anmerkung, dass man bei der den vertreten oder sie lassen sich durch einen ex- Auslegung auch nicht beim Wortlaut hängenbleiben ternen Prozessbevollmächtigten vertreten. darf, sondern sich aller Auslegungsmethoden be- 7. Wir stärken die Ausschüsse auch dadurch, dass dienen muss, wie dies auch unsere Expertinnen in Zukunft die für die wirksame Prozessführung not- und Experten getan haben. wendigen Mittel aus dem parlamentarischen Haus- 2. „Akte“ wird weit definiert als jedwede Form von halt zur Verfügung gestellt werden müssen. Ich er- gespeicherter Information, auch im Entwurfsstadi- innere hier an eine unrühmliche Auseinanderset- um, unabhängig vom Speichermedium. zung rund um Kosten für einen Bevollmächtigten für den Untersuchungsausschuss 6/2. 3. Beschränkt werden die Informations- und Akten- einsichtsrechte der Abgeordneten zeitlich auf abge- An diesem Punkt möchte ich meine Ausführungen schlossene Verwaltungsvorgänge bzw. auf abtrenn- zunächst beenden und freue mich, wenn Sie mit bare Zwischenergebnisse. breiter Zustimmung unserem gut diskutierten Be- schlussvorschlag, der auch in die Beschlussemp- 4. Die Informations- und Akteneinsichtsrechte fin- fehlung gemündet ist, zustimmen können. Vielen den ihre Grenze in Grundrechten, beispielsweise herzlichen Dank. dem Schutz der Persönlichkeitssphäre – diese sei natürlich zu gewährleisten, wie wir das aus der Pra- (Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE xis durch Schwärzung kennen – und den verfas- GRÜNEN) sungsrechtlich garantierten Rechtspositionen. Da geht es beispielsweise, weil das auch immer ein Vizepräsidentin Jung: Bedenken war, um die Funktionsfähigkeit von Landtagsfraktionen durch den Schutz vor unzuläs- Als nächste Rednerin hat Abgeordnete Marx, Frak- siger Ausforschung. Auch das haben wir also be- tion der SPD, das Wort. achtet. Abgeordnete Marx, SPD: 5. Der Kernbereichsschutz für den Bereich exekuti- ver Eigenverantwortung ist auf das Verhältnis zwi- Frau Präsidentin, sehr verehrte Kolleginnen und schen Landtagsverwaltung und Abgeordneten nicht Kollegen, es ist schon eine Frage unserer eigenen anwendbar. Beide gehören der gleichen Staatsge- Rechte und unseres eigenen gegenseitigen Ver- walt an. Zudem kommt der Landtagsverwaltung ei- ständnisses, was wir uns in der Landtagsverwal- ne dienstleistende Rolle gegenüber den Abgeord- tung anschauen wollen, können und was nicht. Die neten in einem selbst organisierten Parlament zu. Frage an die CDU: Wovor fürchten Sie sich eigent- lich? (Zwischenruf Abg. Adams, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Hört, hört!) (Zwischenruf Abg. Mohring, CDU: Vor gar nichts!) Entsprechend ist auch der Landtagspräsident für uns ein Abgeordneter unter Abgeordneten, der als Wovor fürchten Sie sich, wenn dieser Antrag der einer unter Gleichen mit der Leitung der Landtags- Koalitionsfraktionen, nach einer ausführlichen An- verwaltung durch die übrigen Abgeordneten betraut hörung von mehreren Sachverständigen zustande worden ist. gekommen, angenommen wird? Was ist daran so schlimm? Wo ist ein Bereich, wo der Präsident Auch hier ein Zitat aus der Anhörung, Frau Prof. meint – und das verstehe ich nicht –, dass er in sei- Achenbach, Protokoll Seite 18: „Das Kontrollinstru- nen Rechten so beschnitten wird, dass er dann ei- ment gegenüber dem Landtagspräsidenten in sei- ne Weigerung aussprechen müsste, und dann 9468 Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 110. Sitzung - 22.02.2018

(Abg. Marx) müsste man beim Verfassungsgericht die umfang- Ihnen wird jetzt ein Blatt zugereicht, das ist eine reiche Akteneinsicht einklagen? Wo liegt das Pro- Vorlage, die nach der Beschlussfassung im Aus- blem? schuss an Mitglieder des Ausschusses verteilt wor- den ist. (Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Zwischenruf Abg. Rothe-Beinlich, BÜNDNIS Sie haben uns in den Ausschüssen immer gesagt – 90/DIE GRÜNEN: Ganz spannend, Frau also in der letzten Sitzung gab es da anscheinend Marx!) überhaupt keine Debatte mehr, da konnte ich leider nicht dabei sein, aber dann habe ich ja anschei- Sie war nicht Gegenstand der Beratung im Aus- nend auch nichts verpasst, wenn es gar keine in- schuss. Auch das kann man jetzt hier erzählen. Die haltliche Auseinandersetzung gab – bzw. es wurde Landtagsverwaltung war abwesend, als dieser immer gesagt: Es gibt eine starke verfassungs- Punkt zum Aufruf kam. Der Versammlungsleiter hat rechtliche Stellung des Landtagspräsidenten. Das den Punkt aber trotzdem aufgerufen und abge- ist richtig. Aber diese starke verfassungsrechtliche schlossen. Das hätte man auch anders machen Stellung, Herr Präsident Carius, bezieht sich nicht können. als ein Abwehrrecht auf die Abgeordneten hier im Wie gesagt, eine Einsicht in Arbeiten des Wissen- Haus, sondern bezieht sich als ein Abwehrrecht auf schaftlichen Dienstes bedeutet keine Korrektur und die anderen staatlichen Gewalten, nämlich dass Sie keine Zensur. In diesem Papier, in dem Sie jetzt als unser oberster Repräsentant natürlich eine be- Dinge lesen, die nachträglich noch – für wen auch sonders starke Stellung haben sollen, damit keine immer – nachgereicht worden sind, sind im Einzel- Eingriffe in den Parlamentarismus stattfinden kön- nen keine Erkenntnisse enthalten, die dazu führen nen. Aber das ist nicht so gedacht, das ist nicht so müssten, dass der Beschlussvorschlag der Koali- angelegt, das Amt, dass Sie sich vor den eigenen tionsfraktionen abzuändern wäre. Denn wir haben Abgeordnetenkolleginnen und -kollegen fürchten uns wirklich sorgfältig sehr viele Gedanken ge- müssten. Und es ist zu den Detailregelungen sehr macht. Wenn es zum Beispiel bei den Argumenten viel und sehr ausführlich diskutiert worden. der CDU-Fraktion heißt, die – wie gesagt – bis jetzt (Zwischenruf Abg. Carius, CDU: Sie reden keinen eigenen Antrag hier im Plenum vorgelegt an der Sache vorbei!) hat, dass der strenge Wortlaut des § 114 GO nur parlamentarische Beratungsvorgänge betreffen Der Kollege Scherer hat gesagt, wir wollten uns in könnte, also Dinge, die hier im Plenum behandelt die Erarbeitung des Wissenschaftlichen Dienstes werden, und alles andere sei sakrosankt, dann ist einmischen. Wir mischen uns überhaupt nicht ein, eine solche Auslegungsregel nicht das, was Juris- aber wenn ein Antrag ten im Studium beigebracht bekommen. Es wäre (Zwischenruf Abg. Carius, CDU: Frau Marx, auch merkwürdig, denn der § 114 nennt es dann ich weiß ja genau, was Sie sonst tun!) auch in seinem letzten Abschnitt speziell „andere Akten“, wozu wir auch besondere Prüfvorbehalte – nein. Ja, das können Sie ja gern machen. Sie vorgenommen haben. können sich auch als Abgeordneter zu Wort mel- den, als einer von uns allen. Es geht uns ja alle hier Ihnen von der CDU war es wichtig, in Ihrem Gegen- gegenseitig an. Es würde mich sogar freuen, wenn antrag, den Sie ohne eigene Diskussionsbeiträge in Sie hier in der Debatte das Wort ergreifen würden, der letzten Sitzung des Rechtsausschusses dann wenn es andere für Sie im letzten Ausschuss auch wohl auch zur Abstimmung gestellt haben, dass Sie nicht gemacht haben. diesen sogenannten Arkanbereich dem Präsiden- ten zugestehen wollten. Da möchte ich gerade Ich will noch mal sagen: Mit der Transparenz, mit noch mal aus dem Gutachten des Herrn der Einsichtnahme in diese Akten des Wissen- Prof. Dr. Schwarz zitieren, das war der Gutachter, schaftlichen Dienstes sollte ja dem Vorwurf entge- den Ihre Fraktion selbst benannt hat, der auch noch gengewirkt werden oder dem Anschein nachgegan- mal gesagt hat: „Wenn und soweit das Bundesver- gen werden, es hätte eine parteiische Einflussnah- fassungsgericht den Grundsatz der exekutivischen me stattgefunden. Da ist es doch auch in Ihrem ei- Eigenverantwortung in erster Linie aus dem Gewal- genen Interesse. Wenn man das Einsichtsrecht so tenteilungsprinzip ableitet, so kann sich der Land- interpretiert, wie es uns die Gutachter im Justizaus- tagspräsident gerade nicht auf diesen Aspekt beru- schuss nahegelegt haben, dann ist es ja nicht so, fen, weil das Gewaltenteilungsprinzip im Verhältnis dass das Einsichtsrecht von Abgeordneten zu einer des Landtags zu seinem Präsidenten gerade nicht Korrektur der Ausarbeitung des Wissenschaftlichen zur Anwendung kommt. Hier stehen sich gerade Dienstes führen würde oder etwa zu einem eigenen nicht Legislative und Exekutive gegenüber.“ Im Fol- Anweisungs- oder Kontrollrecht der wissenschaftli- genden hat er dann schon gesagt, dass man natür- chen Arbeit, sondern es geht nur um die Einsicht lich auch Fallkonstellationen hat, wo eine Ein- und um das Nachvollziehen. schränkung in Betracht kommt, aber da hat er dann geschrieben – und das ist auch übereinstimmend Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 110. Sitzung - 22.02.2018 9469

(Abg. Marx) mit den anderen Gutachten –, es ist „eine einzelfall- über diese Frage diskutieren. Aus meiner Sicht of- bezogene Darlegung [erforderlich], inwieweit eine fenbart sich hier, dass Teile von Rot-Rot-Grün – ich Beeinträchtigung der Funktionsfähigkeit des Land- sage ganz bewusst „Teile“, nicht alle Kollegen von tagspräsidenten [und seiner Arbeit] droht“, wenn ei- Rot-Rot-Grün – seit über einem Jahr nichts anderes nem Akteneinsichtsgesuch nicht stattgegeben wer- versuchen, als das Vertrauen zwischen Parla- den soll, aber es kann keinen Pauschalausschluss mentsverwaltung und den Abgeordneten massiv zu geben. „Dementsprechend“, so heißt es in dem beschädigen, indem man permanent behauptet, der Gutachten von Herrn Prof. Dr. Kyrill-Alexander Präsident und seine Verwaltung würden in irgendei- Schwarz, „muss der Landtagspräsident dann ge- ner Art und Weise versuchen, die Verwaltung par- genüber de[n] Informationsinteress[en] des Land- teiisch aufzustellen. Das hat am Anfang der Legis- tags konkret darlegen, warum ein Informations- und laturperiode angefangen, zog sich über die gesam- Akteneinsichtsverlangen zu einem bestimmten Vor- te Debatte, wo man von eigenen Versäumnissen gang die Funktionsfähigkeit der Landtagsverwal- ablenken wollte wie beispielsweise, Herr Adams, tung zu beeinträchtigen droht.“ Aber einfach zu sa- Ihr Zwischenruf, der Weigerung von Rot-Rot-Grün, gen: Es ist mein Schutzbereich und die Verfassung auf die Protokolle zu warten. Es war Ihre Weige- erlaubt mir, dass ich über den Abgeordneten stehe rung, die dazu führte, dass wir am Ende vor dem – also, ich bitte Sie einfach, noch mal selbst zu be- Verfassungsgericht denken, ob das eine sehr kluge Haltung ist, wenn (Beifall CDU) die von Ihrer Fraktion und auch von Ihnen vertreten wird. Das müssen wir uns doch hier gegenseitig ei- das Gesetz auch formell scheitern sehen mussten. gentlich nicht antun. Es war nicht in irgendeiner Art und Weise vom Par- lament oder von der Parlamentsverwaltung eine in- (Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE sinuierte Intrige, die dazu führte, dass dieses Ge- GRÜNEN) setz formell verfassungswidrig wurde. Es war die bewusste Eile, die Rot-Rot-Grün in diesem Gesetz Vizepräsidentin Jung: sah und weswegen Sie sich nicht im Stande sahen, Als nächster Redner hat Abgeordneter Carius, sich Protokolle vorlegen zu lassen. Fraktion der CDU, das Wort. Ich möchte noch ein- (Beifall CDU) mal darauf hinweisen, dass unser § 78 Abs. 2 GO durch ein Gutachten natürlich nicht außer Kraft ge- (Zwischenruf Abg. Kuschel, DIE LINKE: Selt- setzt ist und weiterhin Bestand hat. same Interpretation der Vorgänge!) Herr Kuschel, wir wissen sehr gut, dass Sie zu Fa- Abgeordneter Carius, CDU: ke News ein ganz gespaltenes Verhältnis haben. Ich erlaube mir an dieser Stelle… Frau Präsidentin, sehr verehrte Damen und Herren, ich darf mich herzlich bedanken, dass ich mich an (Zwischenruf Abg. Berninger, DIE LINKE: dieser Debatte unüblicherweise beteiligen muss. Das darf doch wohl nicht wahr sein!) Ich darf mich auch dafür bedanken, dass Sie darauf hingewiesen haben, dass die Geschäftsordnung (Zwischenruf Abg. Kuschel, DIE LINKE: Selt- gilt, auch wenn es jetzt ein Gutachten von Herrn same Sichtweise!) Prof. Dr. Morlok gibt, was ja lediglich besagt, dass Nein, nein, ich darf an dieser Stelle auch mal vor- man selbstverständlich über den Gegenstand eines tragen, was die – Untersuchungsausschusses auch außerhalb des Untersuchungsausschusses Stellung nehmen kann und dass insoweit auch das Vortragen von Herrn Vizepräsidentin Jung: Abgeordneten Tischner im Sonderplenum absolut Herr Abgeordneter Carius, gestatten Sie eine Zwi- gerechtfertigt war, erstens, und zweitens auch von schenfrage des Abgeordneten Adams? der Freiheit seines Mandats absolut gedeckt war. Aus meiner Sicht gilt deswegen aber trotzdem un- Abgeordneter Carius, CDU: sere Geschäftsordnung und deshalb geht der Ein- wand von Frau Marx und auch von Frau Rothe- Nein, bezogen auf meine kurze Redezeit möchte Beinlich, jetzt restlos alles aus jeder Ausschusssit- ich jetzt lieber zu dem eigentlichen Sachvortrag zung vortragen zu können, aus meiner Sicht völlig kommen. fehl und missinterpretiert dieses Gutachten offen- Worüber reden wir heute? Wir reden also über eine sichtlich. Kette von Entscheidungen von Rot-Rot-Grün in den (Beifall CDU) vergangenen Monaten, die immer wieder behauptet haben, man müsse der Landtagsverwaltung immer Aber wenn ich dies sozusagen eingangs sagen weiter und ständig auf die Finger schauen. Dage- darf, dann möchte ich zweitens eingangs auch da- gen habe ich insoweit nichts, als man damit ver- rauf eingehen, warum wir heute hier überhaupt 9470 Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 110. Sitzung - 22.02.2018

(Abg. Carius) sucht, einfach Transparenz über parlamentarische nien im Vorstand zu erlassen, und auf der anderen Vorgänge herbeizuführen. Seite die Diskussion um genau dieses Feld auch mit dem Justizausschuss oder den verantwortlichen Aber worüber wir heute reden, ist etwas anderes. Kollegen aus den Fraktionen suchen. Ich habe in der Debatte wahrgenommen, dass es Ihnen darum geht, den Präsidenten einzuengen, es Jetzt komme ich noch mal zum Kern zurück. Die geht Ihnen darum, ihm genau auf die Füße zu Unabhängigkeit von Mitarbeitern dieser Landtags- schauen. Ich glaube – und das sage ich Ihnen und verwaltung, wie kann man die gewährleisten? Ich rufe ich Ihnen zu –: Sie verkennen hier, dass es im glaube, es ist absolut lebensfremd, wenn man Kern nicht um den Präsidenten geht. Es geht nicht meint, dass ein Mitarbeiter, egal welchen Gedan- um den Präsidenten Carius, es geht nicht um ir- ken er wo und wie fasst – Frau Rothe-Beinlich hat gendeinen anderen Präsidenten. Es geht um die darauf hingewiesen. Sie haben ein total weites Ver- Leistungsfähigkeit, um die Dienstleistungsfähigkeit ständnis von Akten. Alles, was in dieser sehr weit dieser Landtagsverwaltung. verstandenen Akte irgendwann einmal ein Gedanke ist, muss notiert werden. Und für den Fall, dass (Beifall CDU) man einer anderen Meinung ist, ist man Wenn Sie ganz laut und zu Recht darauf bestehen, (Zwischenruf Abg. Rothe-Beinlich, BÜNDNIS dass die Landtagsverwaltung und insbesondere der 90/DIE GRÜNEN: Nein!) Juristische Dienst seine Aufgaben unabhängig wahrnehmen können muss, dann haben Sie völlig – das ist die Realität – als Mitarbeiter dieser Land- recht. Ich bin der Erste, der das unterstützt. Aller- tagsverwaltung gut beraten, wenn man diese Infor- dings ist es auch so – darauf mache ich aufmerk- mationen erstens aufschreibt und zweitens auch sam –, dass der Juristische Dienst nicht ein Rich- noch aufschreibt, warum man diese Gedanken wo- terkollegium ist, der Juristische Dienst sind Beamte möglich verworfen hat. Das heißt also, bevor ich der Landtagsverwaltung. Wir brauchen daher einen einen Sachverhalt, ein Thema – und da reden wir demokratischen Verantwortungsstrang bis hin zu nicht nur über kommunale Neugliederung, da reden einem gewählten Repräsentanten, einem Gleichen wir auch über das UVP-Gesetz, wir reden über unter Gleichen, selbstverständlich, einem Präsiden- ganz viele Dinge, die wir hier im Landtag verhan- ten oder einer Präsidentin dieses Hauses. Und weil deln –, bevor ich mir als Mitarbeiter also Gedanken das so ist, ist auch offenkundig, dass die Unabhän- mache, mache ich mir vor allen Dingen Gedanken gigkeit von Sachbearbeitern eines Gutachtens darüber, wie ich meine Akten sauber halte und wie selbstverständlich ihre Grenze darin finden muss, ich sozusagen Gedanken, die ich habe, in ein Ge- dass der, der oben dran steht, das auch noch mit rüst passe. verantworten können muss. Das ist das Verhältnis, (Zwischenruf Abg. Rothe-Beinlich, BÜNDNIS über das wir hier reden. Aus meiner Sicht ist das 90/DIE GRÜNEN: Das ist jetzt unredlich!) ganz zentrale Problem in der Diskussion der Koali- tionsfraktionen, wie ich sie wahrnehme, dass sie Nein, das ist genau das, was passieren wird. zwar über Unabhängigkeit reden, aber tatsächlich In der Landtagsverwaltung geht doch schon längst über Kontrolle entscheiden wollen. um: Dokumentierst du schon oder begutachtest du (Beifall CDU) noch? Weil die Leute genau wissen, wenn das hier so beschlossen würde und ich es auch noch so an- Nichts anderes beabsichtigen Sie mit dieser aus wenden würde, meiner Sicht völlig über das Ziel hinausschießen- den Empfehlung des Justizausschusses. Wir haben (Zwischenruf Abg. Rothe-Beinlich, BÜNDNIS natürlich auch im Vorstand die Diskussion über die 90/DIE GRÜNEN: Überlegen Sie mal, warum Frage: Wie ist das eigentlich, wenn wir Transparenz das so ist!) regeln, festlegen wollen für den Umgang des Juris- beginnt selbstverständlich bei jedem einzelnen Mit- tischen Dienstes? Die Kommission, die im Übrigen arbeiter im Kopf schon die Schere zu wirken, bevor – Frau Präsidentin, Sie erinnern sich auch sehr gut er überhaupt anfängt zu denken, wie man eine – der Vorstand eingesetzt hat, nicht der Präsident, Sachlage beurteilen kann. Ich stehe jetzt nicht hier, ich habe die Kommissionsmitglieder benannt, aber um in irgendeiner Art und Weise mich, den Präsi- der Vorstand hat die Kommission eingesetzt, die denten, zu verteidigen. Darum geht es mir nicht. Mir Kommission hat gesagt: Wenn ein Juristischer geht es darum, dass dieses Parlament begreift, Dienst unabhängig arbeiten soll und zugleich der was es an einer funktionierenden Landtagsverwal- demokratischen Legitimationslinie entsprechen tung hat. können soll, dann bedarf es Transparenzrichtlinien. Und jetzt können Sie vielleicht zu Recht sagen: (Beifall CDU) Warum hat er diese Transparenzrichtlinie noch Dieses Parlament muss begreifen, dass die Land- nicht erlassen? Das liegt einfach daran, dass ich in tagsverwaltung sowohl den Koalitionsfraktionen den letzten Monaten versucht habe, dass wir auf nützen kann, um eine Position richtig zu beschrei- der einen Seite etwas tun, wie Transparenzrichtli- Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 110. Sitzung - 22.02.2018 9471

(Abg. Carius) ben, wie auch den Oppositionsfraktionen. Was Sie herrangig einzustufen sind, wird das Informations- hier tun, ist, dafür zu sorgen, dass die Parlaments- und Akteneinsichtsrecht der Abgeordneten be- verwaltung zukünftig nicht mehr vernünftig hand- schränkt. Im Rahmen des Abwägungsvorgangs ist lungsfähig ist. auch zu prüfen, inwiefern verfahrenstechnische Schutzvorkehrungen (zum Beispiel Schwärzung (Beifall CDU) von Daten) als milderes Mittel die Erfüllung des In- (Zwischenruf Abg. Rothe-Beinlich, BÜNDNIS formations- und Akteneinsichtsrechts möglich ma- 90/DIE GRÜNEN: Das ist doch Quatsch!) chen.“ Wir haben hier noch lauter Abwägungsdinge drin und wir haben noch lauter Schutzvorschriften. Deswegen kann ich nur dafür werben, dass man Natürlich werden Persönlichkeitsrechte auch von diesen Antrag ablehnt, denn es ist völlig klar, dass Mitarbeitern geschützt. Ich verstehe es nicht. Ich wir uns hier in das eigene Fleisch schneiden. Mit wiederhole die Frage noch einmal. diesem Antrag, wenn man ihn so beschließen wür- de, würde man nicht dem Präsidenten Carius einen (Unruhe CDU) Schaden tun. Bleiben Sie ganz ruhig. Ich wiederhole noch einmal (Zwischenruf Abg. Rothe-Beinlich, BÜNDNIS die Frage: Wovor haben Sie Angst, wenn das so 90/DIE GRÜNEN: Darum geht es auch kommt? nicht!) (Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE Man würde die Parlamentsverwaltung lähmen und GRÜNEN) damit jeden einzelnen Abgeordneten in der Wahr- nehmung der Kontrolle dieser Regierung behin- Vizepräsidentin Jung: dern. Deswegen kann ich nur dafür werben: Über- weisen Sie diesen Antrag noch einmal zurück in Es gibt eine weitere Wortmeldung, Abgeordnete den Ausschuss und machen Sie etwas Vernünfti- Rothe-Beinlich, Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. ges daraus, bevor Sie etwas offenkundig Verfas- sungswidriges beschließen. Abgeordnete Rothe-Beinlich, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: (Beifall CDU) Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr geehr- Vizepräsidentin Jung: ten Damen und Herren, ich glaube, einige Herren überschätzen sich gerade massiv. Als nächste Rednerin hat sich Abgeordnete Marx zu Wort gemeldet. (Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Abgeordnete Marx, SPD: Uns geht es um eine funktionierende Landtagsver- waltung. Ich möchte an dieser Stelle durchaus die Ich lese einfach Ziffer I.3 der Beschlussempfehlung Gelegenheit nutzen, um mich im Namen der Koali- des Ausschusses noch einmal vor: „Die Informa- tionsfraktionen ganz herzlich bei der Landtagsver- tions- und Akteneinsichtsrechte der Abgeordneten waltung für ihre immer wieder konstruktive, nach § 114 GO werden lediglich durch die Gewähr- leistung der Funktionsfähigkeit der Landtagsverwal- (Heiterkeit CDU) tung mit Blick auf ihre Aufgabe, die Arbeitsfähigkeit oftmals auch anstrengende, intensive Beratung und der Abgeordneten, des Landtags und seiner Gre- Begleitung zu bedanken, meine sehr geehrten Da- mien sicherzustellen, und dabei auch nur in zeitli- men und Herren. Ja, wir wollen, dass diese Land- cher Hinsicht begrenzt. Auskunftsansprüche beste- tagsverwaltung, so wie es ihr Anspruch ist, tatsäch- hen daher nur für abgeschlossene Verwaltungsvor- lich jedem und jeder Abgeordneten „dienend“ zur gänge. Soweit die Landtagsverwaltung bereits Zwi- Seite steht, so hieß es immer in der Anhörung. Ja, schenergebnisse der internen Bearbeitung und Be- wir wollen natürlich auch gern immer im Guten mit ratung erzielt oder gar gegenüber Dritten offenge- dieser Landtagsverwaltung zusammenarbeiten. Um legt hat oder dies beabsichtigt, besteht auch inso- dies auch zu können, braucht es selbstverständlich weit der Informationsanspruch und das Aktenein- aber auch Rechte für Abgeordnete. sichtsrecht der Abgeordneten. Das Informations- und Akteneinsichtsrecht ist aber dennoch mit ande- (Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) ren Grundrechten abzuwägen. Darunter fallen ins- Dazu gehört eine Akteneinsicht, wie meine Kollegin besondere das Grundrecht auf Schutz der Persön- Dorothea Marx es gerade beschrieben hat, in ent- lichkeitssphäre sowie verfassungsrechtliche sprechende abgeschlossene Vorgänge bzw. Zwi- Rechtspositionen wie das Recht der Landtagsfrak- schenergebnisse, um beispielsweise bestimmte tionen auf ungehinderte Erfüllung ihrer verfas- Entscheidungen nachvollziehen zu können. sungsrechtlich geschützten Funktion durch den Schutz ihrer Daten. Soweit diese Rechtspositionen Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich in der Abwägung des konkreten Einzelfalls als hö- verstehe es bis heute nicht, warum mir beispiels- 9472 Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 110. Sitzung - 22.02.2018

(Abg. Rothe-Beinlich) weise mit Verweis auf das Ergebnis der externen (Zwischenruf Abg. Prof. Dr. Voigt, CDU: Kommission Akteneinsicht in bestimmte Vorgänge Dann sehen Sie, wie doppelzüngig das ist!) verwehrt wurde. Warum? Ich wollte lediglich – und Das haben wir dargelegt im Gegensatz zu Ihnen. möchte das auch weiterhin – nachvollziehen kön- Sie haben Ihren eigenen Vorschlag, den Sie als nen, wie bestimmte Entscheidungen zustande ge- Tischvorlage aus der Tasche gezaubert haben, kommen sind, wie bestimmte Beratungen erfolgt nicht mal vorgestellt, geschweige denn begründet, sind. Ich glaube, das brauche ich, um meine Arbeit meine sehr geehrten Damen und Herren. Sie wer- als Abgeordnete vernünftig ausfüllen zu können. den Ihre Gründe dafür gehabt haben. Wir haben (Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) uns der Debatte gestellt, wir tun es heute wieder und wir stellen dies heute zur Abstimmung. Vielen (Zwischenruf Abg. Prof. Dr. Voigt, CDU: Da- herzlichen Dank. rum geht es ja gar nicht!) (Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE Und das braucht jeder und jede von Ihnen. Sie ha- GRÜNEN) ben eben, Herr Carius, sogar von Kontrolle der Re- gierung gesprochen. Ja, das ist Aufgabe der Oppo- sition – völlig klar. Aber genauso gibt es auch ... Vizepräsidentin Jung: (Beifall SPD) Als nächster Redner hat Abgeordneter Scherer, Fraktion der CDU, das Wort. (Unruhe CDU) Wir kontrollieren die Regierung im Übrigen auch – Abgeordneter Scherer, CDU: natürlich. Genauso gibt es aber auch unser Bestre- Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen, ben, dass jede und jeder Abgeordnete bestmöglich nachdem es offensichtlich keinerlei Hemmungen informiert ist, und zwar von Anfang an. mehr gibt, einfach aus dem Ausschuss zu berich- (Zwischenruf Abg. Prof. Dr. Voigt, CDU: ten, Herzlich willkommen in der Gewaltenteilung!) (Beifall AfD) Lassen Sie mich bitte noch einen Satz zu Ihren erlaube ich mir auch zu sagen, dass der Ausschuss Ausführungen, Herr Carius, sagen. Sie haben hier so begonnen hat, dass wir die Absetzung dieses gesagt, wir würden über Unabhängigkeit reden, in Punkts beantragt hatten, weil es eben noch Rede- Wahrheit aber Kontrolle haben wollen. Meine sehr bedarf dazu gab. Und Sie haben es durchgezogen, geehrten Damen und Herren, ja, Abgeordnete sind Sie haben es gegen unseren Willen einfach per unabhängig und frei. Ja, das ist so, das betonen Mehrheit durchgezogen. Sie sonst auch immer wieder – so ist das, so sind Abgeordnete gemäß ihrer Stellung. Abgeordnete (Beifall CDU) brauchen aber, um genau diese Stellung auch aus- Das muss man hier mal sagen und nicht, wir hätten füllen zu können, umfassende Akteneinsicht und In- über unseren Antrag nicht geredet. formation. Für diese Klarheit wollen wir sorgen.

Und wenn Sie jetzt schon davon reden, dass dies Vizepräsidentin Jung: offenkundig verfassungswidrig sei, wissen wir ja, wo wir uns vermutlich wiedertreffen. Das ist Ihre Herr Abgeordneter Scherer, gestatten Sie eine An- Einschätzung, das ist Ihr gutes Recht, dann wird frage des Abgeordneten Adams? das ein Gericht klären müssen. Wir haben den Ver- such vorgenommen, es auf der Ebene zu klären, Abgeordneter Scherer, CDU: die für uns als Abgeordnete auch tatsächlich unse- Nein. re Arbeitsfläche darstellt – die parlamentarische Ebene. Sie haben von vornherein unseren Absetzungsan- trag abgelehnt und haben gesagt: Das wird jetzt (Zwischenruf Abg. Prof. Dr. Voigt, CDU: Er- heute durchgezogen. Und genau so haben Sie es weitern Sie es doch für die Landesregie- gemacht. Natürlich haben wir dann noch schnell rung!) einen Antrag gehabt und dann gab es auch noch Wir haben den zuständigen Ausschuss damit be- Zeit, den durchzulesen. Aber es hat überhaupt kei- fasst – das hat mit der Landesregierung überhaupt ne Diskussion mehr stattgefunden, weil Sie es ein- nichts zu tun –, fach durchziehen wollten. Deshalb beantrage ich aus verschiedenen Gründen – ich muss nicht noch (Unruhe CDU) mal wiederholen, was der Präsident hier eben alles welche Akteneinsichtsrechte es geben kann und gesagt hat, er hat vollkommen recht mit dem, was soll und wie weit sie gehen sollen. er gesagt hat – die Zurückverweisung an den Aus- schuss, damit man vernünftig darüber reden kann. Das, was die Kollegin Marx hier vorgelesen hat, ist Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 110. Sitzung - 22.02.2018 9473

(Abg. Scherer) doch nur die halbe Wahrheit. Sie liest den Punkt 3 und uns vorzuwerfen, wir arbeiten sozusagen im vor, aber sie liest nicht den Punkt 1 vor. Lesen Sie Turbogang, das ist nicht ganz redlich, finde ich, das doch mal den Punkt 1! Da steht drin: Akteneinsicht muss klargestellt werden. in alles, was es in der Landtagsverwaltung gibt. (Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE (Zwischenruf Abg. Harzer, DIE LINKE: Ja, GRÜNEN) warum denn nicht?) (Zwischenruf Abg. Prof. Dr. Voigt, CDU: Wissen Sie, was das ist? Das ist kein Auslegungs- Noch kein einziges Sachargument, Herr antrag, das ist ein schlichter Antrag zur Änderung Blechschmidt!) der Geschäftsordnung. Die Geschäftsordnung wird Nein, aber hier geht es doch auch um Klarstellung. damit geändert. In § 114 Geschäftsordnung steht in Es geht immer um Glaubwürdigkeit, und wenn den Absätzen 3 und 4 zum Beispiel drin, wie mit Glaubwürdigkeit vom anderen sozusagen einge- Personalakten umzugehen ist. Das interessiert Sie klagt wird und gesagt wird: „Ich habe die Wahrheit hier überhaupt nicht. gesagt, mein Vorgehen ist das richtige gewesen“, (Zwischenruf Abg. Rothe-Beinlich, BÜNDNIS dann muss es zumindest möglich sein, ein Argu- 90/DIE GRÜNEN: Doch!) ment dagegen zu setzen. Sie wollen das per Auslegung ändern. Das ist keine Zu inhaltlichen Fragen: Wir haben uns inhaltlich da- Auslegung, Sie ändern schlicht den § 114 damit. mit auseinandergesetzt und sind der Auffassung, Das geht so nicht und deshalb beantrage ich die dass es – ich will mich wiederholen – mit dieser In- Zurückverweisung an den Ausschuss. terpretation, mit dieser Auslegung keine Neugestal- tung des 114er ist, denn wir haben nichts anderes (Beifall CDU) dort gestrichen, sondern wir haben nur deutlich ge- macht, wie wir es verstehen. Und da verstehen wir, Vizepräsidentin Jung: dass die Abgeordnetenrechte, was die Informa- Es gibt eine weitere Wortmeldung, Abgeordneter tions- und Kontrollmöglichkeiten von Abgeordneten Blechschmidt, Fraktion Die Linke. gegenüber der eigenen Verwaltung betrifft – die Verwaltung ist kein exekutiver Kernbereich –, ge- stärkt werden. Es ist unsere eigene Verwaltung, die Abgeordneter Blechschmidt, DIE LINKE: wir dort mit entsprechenden Einsichtnahmen eben Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, zwei auch kontrollieren möchten. Aussagen und Gedanken haben mich jetzt hier Und jetzt mein zweiter Gedanke, weswegen ich hier noch mal vorgetrieben. Das Erste: Kollege Scherer, vorgegangen bin, werter Herr Präsident, lieber Kol- ich habe vorhin dem Kollegen Helmerich für seine lege Carius: Vielleicht ist es auch irgendwo der in ausführliche und sachliche Berichterstattung aus den letzten Wochen und Monaten immer wieder dem Ausschuss gedankt. Wir diskutieren diesen mal aufgetauchte – zur Not auch – Eindruck, der Tagesordnungspunkt, diese Problematik § 114 über entstanden ist, dass durch Handlungen innerhalb ein Dreivierteljahr im Ausschuss, mit mehreren der Verwaltung die Koalition zu dieser Position ge- Etappen, wo wir auch angehalten haben. Ich will ei- kommen ist, dass sie gesagt hat, wir möchten … ne Aussage, die ich getroffen habe, darstellen, also ich berichte dann über mich, über zwei Punkte vor- (Zwischenruf Abg. Prof. Dr. Voigt, CDU: … hergehender Ausschusssitzungen. Da ist die Ge- Das ist Ihr Thema!) schäftsordnung allgemein mit Blick auf den § 80 – ja, aber das wird doch unterstellt, es wird gesagt, und wir haben den 114er, 122er im Ausschuss lie- wir handeln richtig und Ihr --- Nein, wir handeln gen. Wir haben gesagt, bei der Geschäftsordnung doch jetzt nicht falsch in der Hinsicht. Ich will nur haben wir noch Redebedarf, dort wollen wir ge- deutlich machen, dass es auch einen Moment gibt, meinsam versuchen, Ergebnisse zu erreichen. Bei der dazu geführt hat, dass es so ist und dass jetzt der 122 haben wir einmal angehalten und ich kann sozusagen Verwaltung auf anderer Seite vor das mich an meine Worte noch fast wortwörtlich erin- Loch geschoben wird und gesagt wird: Ihr attackiert nern: Wir halten noch einmal an, um dann das jetzt die Verwaltung. Nein, wir attackieren nicht die nächste Mal Entscheidungen zu treffen. Uns dann Verwaltung, sondern gegebenenfalls innerhalb der vorzuwerfen, dass wir die Entscheidung herbeifüh- hierarchischen Entscheidung dort Fehlverhalten ren, weil es in den Beratungen zu keinen Ergebnis- oder Fehlmöglichkeiten. sen geführt hat und weil bis kurz vor der Entschei- dung nichts von Ihnen auf dem Tisch gelegen hat, (Zwischenruf Abg. Prof. Dr. Voigt, CDU: Wei- sich jetzt hier hinzustellen und zu sagen: „Haltet sungsgebundene!) das mal wieder an“, Nein, Kollege Voigt, wo steht in dem Antrag drin, (Zwischenruf Abg. Adams, BÜNDNIS 90/DIE dass wir Weisungen erteilen wollen? Es steht über- GRÜNEN: Hört! Hört!) haupt nicht da drin. Es steht drin, dass wir Einsicht 9474 Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 110. Sitzung - 22.02.2018

(Abg. Blechschmidt) nehmen wollen, was in Prozessen abläuft, und Verbesserung der Altersfest- nichts anderes. Vielen Dank. stellung bei unbegleiteten min- (Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE derjährigen Ausländern (UMA) GRÜNEN) Antrag der Fraktion der AfD - Drucksache 6/4939 - dazu: Einheitliche Standards zur Vizepräsidentin Jung: Altersfeststellung absi- Es liegen jetzt – chern, AnKER-Einrich- tungen schaffen (Zwischenruf Abg. Harzer, DIE LINKE: Stellt Alternativantrag der Frak- euch mal vor, wie diskutiert würde, wenn ich tion der CDU Präsident wäre!) - Drucksache 6/5338 - (Heiterkeit CDU, DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Wünscht die Fraktion der AfD das Wort zur Begrün- dung? Ja, das ist der Fall. Frau Abgeordnete He- Meine Damen und Herren, es liegen jetzt keine wei- rold. teren Wortmeldungen vor. Können wir uns jetzt wie- der auf das Präsidium konzentrieren? Abgeordnete Herold, AfD: Wir kommen jetzt zur Abstimmung über die Über- Vielen Dank, Herr Präsident. Sehr geehrte Damen weisung an den Ausschuss für Migration, Justiz und Herren Abgeordnete, liebe Zuschauer auf der und Verbraucherschutz. Wer dem zustimmt, den Tribüne und im Internet! Maria Ladenburger und bitte ich um das Handzeichen. Das sind die Stim- Mia Valentin könnten beide noch leben, wenn die men der CDU- und der AfD-Fraktion. Gegenstim- heute schon vorhandenen Regeln und Vorschriften men? Das sind die Koalitionsfraktionen. Damit ist zur Altersfeststellung minderjähriger Unbegleiteter die Ausschussüberweisung abgelehnt. konsequent angewendet werden würden, da sie Wir stimmen über die Beschlussempfehlung des dann in diesem Falle alle beide ihren Mördern nie Ausschusses für Migration, Justiz und Verbraucher- begegnet wären. Wie bereits im vergangenen Jahr schutz ab. Herr Abgeordneter Mohring. fordern wir auch hier heute wieder die Verbesse- rung der Methoden zur Altersfeststellung bei unbe- Abgeordneter Mohring, CDU: gleiteten minderjährigen Ausländern. Wir wurden im letzten Jahr dafür von der Landesregierung schon Frau Präsidentin, ich beantrage namentliche Ab- unsachlich und unzulänglich argumentativ kritisiert, stimmung. was uns nicht davon abhält, diese Forderung hier (Zwischenruf Abg. Kuschel, DIE LINKE: Die ein weiteres Mal auf die Tagesordnung zu setzen. schärfste Waffe der Opposition!) (Beifall AfD) Jeder, der die Bilder der Täter gesehen hat, musste Vizepräsidentin Jung: starke Zweifel an deren Alter haben. Erst durch die- Wir stimmen über die Beschlussempfehlung des se Bluttaten änderten die CDU, die SPD und sogar Ausschusses für Migration, Justiz und Verbraucher- selbst Teile der Grünen ihre Meinung und erkann- schutz zu dem Prüfauftrag des Thüringer Landtags ten, dass hier erheblicher Handlungsbedarf besteht. über eine grundsätzliche, über den Einzelfall hi- Konkrete Entscheidungen oder Umsetzungen las- nausgehende Auslegung einer Vorschrift der Ge- sen gegenwärtig jedoch noch immer auf sich war- schäftsordnung gemäß § 122 Geschäftsordnung in ten. An diesem Versäumnis zeigt sich, dass die eta- Drucksache 6/5328 in namentlicher Abstimmung blierten Parteien unfähig und unwillig sind, voraus- ab. Ich bitte, die Stimmkarten einzusammeln. schauende Politik zum Wohle ihrer eigenen Wähler und ihres eigenen Volkes zu betreiben. Hatten alle Gelegenheit, die Stimmkarten abzuge- ben? Dann schließe ich die Abstimmung und bitte (Beifall AfD) um Auszählung. (Zwischenruf Abg. Herrgott, CDU: Verleum- dung!) Präsident Carius: Stattdessen hält man stur an einer falschen Tole- Wir haben ein Ergebnis. Es wurden 80 Stimmen ranz und der eigenen Multikulti-Ideologie mit den abgegeben, 44 Jastimmen, 35 Neinstimmen, 1 Ent- bisherigen Regelungen bzw. deren strikter Nichtan- haltung (namentliche Abstimmung siehe Anlage 1). wendung fest. Damit ist die Beschlussempfehlung mit Mehrheit angenommen worden. Zugleich wurde in diesen Mordfällen auch exempla- risch deutlich, welche Gefahren sich über die finan- Ich schließe damit diesen Tagesordnungspunkt und ziellen Belastungen hinaus aus der fehleranfälligen rufe auf den Tagesordnungspunkt 9 bisherigen Verfahrensweise zur Altersfeststellung Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 110. Sitzung - 22.02.2018 9475

(Abg. Herold) ergeben. Es sind eben nicht nur die monatlichen Wir fordern daher, dass die aktuelle Rechtslage un- Unkosten in Höhe von durchschnittlich 5.200 Euro, verzüglich dahin gehend geändert wird, dass zur die der Steuerzahler zu tragen hat. Nein, wie wir Altersfeststellung ein bundesweit verbindliches und hier sehen konnten, ist es hier auch vielmehr so, einheitliches Verfahren geschaffen wird, das als ob- dass die körperliche Unversehrtheit und das Leben ligatorischen Bestandteil auch eine ärztliche Unter- unserer richtigen, echten Kinder in Gefahr ist, suchung nach forensischen Standards zur Altersbe- stimmung vorsieht. Ich danke Ihnen für die Auf- (Zwischenruf Abg. Henfling, BÜNDNIS 90/ merksamkeit und freue mich auf eine sachliche Dis- DIE GRÜNEN: Wovon reden Sie denn?) kussion. Danke sehr. wenn aufgrund der fehleranfälligen Regelung zur (Beifall AfD) Altersfeststellung einheimische Kinder mit in Wahr- heit längst erwachsenen Migranten aus fremden und gesellschaftspolitisch völlig unzureichend ent- Präsident Carius: wickelten Kulturen – von Gewalt geprägt, traumati- siert – in unmittelbaren Kontakt gebracht werden. Danke schön. Wünscht die CDU-Fraktion das Wort Um zukünftige Gewalt- und Sexualdelikte zu verhin- zur Begründung? Das ist nicht der Fall, sodass die dern, müssen wir daher die gegenwärtigen Vor- Landesregierung einen Sofortbericht erstattet, und schriften bei unbegleiteten Minderjährigen reformie- Herr Minister Holter hat dafür das Wort. ren und die vorhandenen strikt und konsequent um- setzen. Holter, Minister für Bildung, Jugend und Sport: (Beifall AfD) Herr Präsident, meine Damen und Herren, ich bin jetzt im Zweifel, ob ich ausführlich zu dem Antrag Wenn man sich die aktuellen Regelungen hierzu Bericht erstatten soll, weil es ja noch keinen Be- ansieht, erkennt man, wie unzuverlässig sie sind schluss des Landtags zu dem Antrag gibt, oder ob und wie sehr sie zum Missbrauch geradezu einla- ich einige Grundsätze, wie die Altersfeststellung in den. So ordnet § 42f des Achten Sozialgesetzbuchs Thüringen erfolgt, hier vortragen soll. in einem ersten Schritt an, die Altersfeststellung zu- erst durch die Einsichtnahme in Ausweispapiere Ich würde mich einleitend auf folgende Aussagen vorzunehmen. Nun wissen wir alle, dass etwa beschränken: „Unbegleitete, angeblich minderjähri- 75 Prozent der hier Eintreffenden ganz ohne Aus- ge Ausländer (UMA)“, in Kurzform genannt, weispapiere kommen. Daraus folgt dann, nach der „missbrauchen das Ausländer- und Asylrecht. Fast Erlaubnis des § 42f, in einem solchen Fall die Al- alle von ihnen sind männlich, und zwischen 50 Pro- tersfeststellung hilfsweise im Wege der qualifizier- zent und 80 Prozent derer, die sich als minderjährig ten Inaugenscheinnahme durchzuführen. An der ausgeben, sind [...] volljährig. Ihre Kriminalitätsrate Qualifikation der Inaugenscheinnehmenden sind ist unverhältnismäßig hoch, der Staat ist wehrlos. mir in den letzten Jahren ganz erhebliche Zweifel Sie dienen als sogenannte Ankerkinder zum späte- gekommen. ren Nachzug ihrer Familien.“ Ich nehme an, Sie wissen – zumindest Sie von der AfD –, woraus die- (Beifall AfD) se menschenverachtenden Zeilen, anders kann ich sie nicht nennen, stammen. Sie stammen aus Ih- Bei der Methode verschaffen sich die Sozialarbeiter rem Wahlprogramm, aus dem AfD-Wahlprogramm des Jugendamts aufgrund des äußeren Erschei- zur letzten Bundestagswahl. Sie sollten sich schä- nungsbilds, eines Gesprächs mit Dolmetscher men, einen Gesamteindruck von dem angeblich Minder- jährigen und setzen anschließend sein Alter fest. (Beifall DIE LINKE) Sollte danach das zuständige Jugendamt noch Menschen zu beurteilen, die Sie gar nicht kennen. Zweifel bezüglich des Alters haben, so kann es auf Sie kennen sie überhaupt nicht persönlich und Sie Antrag eine ärztliche Untersuchung zur Altersfest- kennen auch die Biografien dieser Menschen nicht. stellung veranlassen. Nun wissen wir alle, wie be- lastet und auch überlastet unsere Jugendämter (Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE sind und wie vieles unter dem Jahr schiefgeht, hin GRÜNEN) und wieder auch mit tödlichen Konsequenzen für (Zwischenruf Abg. Möller, AfD: Überhaupt völlig hilflose kleine Kinder, die aus dieser Überlas- nicht!) tung der Jugendämter heraus zu Tode kommen, weil die Jugendämter schon nicht in der Lage sind, Und es scheint Ihnen auch vollkommen egal zu ihre ganz alltäglichen Aufgaben wahrzunehmen. Al- sein, welche Biografien diese Menschen haben. Es so verzichten sie häufig auf diese qualifizierte Al- scheint Ihnen auch egal zu sein, ob diese jungen tersfeststellung durch eine ärztliche Untersuchung, Menschen vor Krieg, Gewalt oder Verfolgung geflo- denn es würde zusätzliche Arbeit verursachen. hen sind (Unruhe AfD) 9476 Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 110. Sitzung - 22.02.2018

(Minister für Bildung, Jugend und Sport Holter) oder ob sie Armut oder anderen Notlagen entkom- (Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- men wollten. NEN) (Zwischenruf Abg. Möller, AfD: Hören Sie An dieser Stelle könnte ich tatsächlich meine Aus- doch mit den Kamellen auf! Reden Sie mal führungen beenden, denn es gibt ja noch keinen zum Thema!) Beschluss. Aber ich will Ihnen Folgendes mitteilen: Mit dem Stichtag 17. Januar 2018 haben sich im (Zwischenruf Abg. Höcke, AfD: Reden Sie Freistaat Thüringen 1.203 unbegleitete minderjähri- mal zum Thema!) ge Jugendliche aufgehalten. Der gesetzliche Auf- Ich komme zum Thema, Herr Höcke, keine Sorge, trag zur Altersfeststellung begründet sich – wir ha- ich will Ihnen aber bloß sagen, was der Anlass und ben es gehört – nach § 42f Sozialgesetzbuch VIII. der Hintergrund Ihres Antrags ist und warum ihre Dieser Auftrag ist beim öffentlichen Träger der Ju- Eltern sie deswegen nach Europa geschickt haben. gendhilfe verortet. Es handelt sich also um eine Pflichtaufgabe des eigenen Wirkungskreises der Aber warum lassen dann diese Erwachsenen, die Kommunen im Sinne von § 1 des Thüringer Kinder- Eltern, ihre Kinder ziehen und warum erfolgt dann und Jugendhilfe-Ausführungsgesetzes. Die Thürin- diese Flucht? ger Praxis zur Altersfeststellung gestaltet sich im (Unruhe AfD) Wesentlichen so, dass bei Zweifelsfällen – und da- rauf kommt es an – über das angegebene Alter ei- Würden Sie als Eltern Ihre Kinder freiwillig ziehen ne qualifizierte Inaugenscheinnahme durch zwei lassen? Erst recht, wenn man überhaupt nicht qualifizierte Fachkräfte stattfindet. Erst wenn diese weiß, ob man sie je wiedersieht. Haben Sie darüber qualifizierte Inaugenscheinnahme weiter Zweifel überhaupt schon mal nachgedacht? Und wir, die hervorruft, kann eine zweite qualifizierte Inaugen- Koalition und auch die Landesregierung, sind den scheinnahme durch zwei weitere unabhängige Vorgaben der UN-Kinderrechtskonvention sogar Fachkräfte erfolgen. Ärztliche Untersuchungen zur verpflichtet. Wir sind verpflichtet, Kinder und Ju- Feststellung werden nur dann durchgeführt, wenn gendliche adäquat zu schützen, sie zu betreuen das Alter weder aus Ausweispapieren noch durch und zu fördern. Vielleicht sollten Sie darüber mal eine qualifizierte Inaugenscheinnahme entspre- nachdenken. chend § 42f Abs. 1 SGB VIII zweifelsfrei festgestellt (Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE werden kann. GRÜNEN) Ich halte die derzeitigen Regelungen und die Um- setzung in der Praxis für absolut ausreichend, da Aber das werden Sie nicht tun, denn Ihnen kommt sie einen menschenwürdigen Umgang mit den jun- es vielmehr darauf an, auf dem Rücken geflüchteter gen Geflüchteten gewährleisten. Eine Veränderung Kinder und Jugendlicher populistische Stimmungs- dieses Verfahrens halte ich für nicht notwendig. In mache zu betreiben. Wir haben es gerade in der den Thüringer Jugendämtern gibt es bisher wenige Einbringung gehört: Sie versuchen zu suggerieren, Einzelfälle, wonach bei Zweifeln eine medizinische dass durch eine andere Altersfeststellung Gewaltta- Begutachtung durchgeführt wurde. Bei allen unbe- ten und Verbrechen verhindert werden können. Mit- gleiteten minderjährigen Ausländerinnen und Aus- nichten, kann ich nur darauf antworten, was ich hier ländern, die ab dem 1. November 2015 in Thürin- gerade vernommen habe. gen vorläufig in Obhut genommen worden sind, ist (Unruhe AfD) eine Altersfeststellung nach § 42f Abs. 1 SGB VIII durchgeführt worden. Seien Sie gewiss, dass den Als zweiten Punkt, meine Damen und Herren, Jugendämtern in Thüringen die Handlungsempfeh- möchte ich den Kolleginnen und Kollegen in den lungen zum Umgang mit unbegleiteten Minderjähri- Jugendämtern danken, die eine verantwortungsvol- gen, die in der 122. Arbeitstagung der Bundesar- le Arbeit leisten, auch im Zusammenhang mit der beitsgemeinschaft der Landesjugendämter vom 26. Betreuung der geflüchteten Jugendlichen, aber bis 28. April 2017 in Saarbrücken beschlossen wur- auch in Bezug auf die Altersfeststellung. Und ich den, sowie die Handlungsempfehlungen zur Alters- möchte meinen Appell an die Demokratinnen und einschätzung des Bundesfachverbands für unbe- Demokraten dieses Hohen Hauses richten – und gleitete minderjährige Flüchtlinge bekannt sind und nicht nur an die Kolleginnen und Kollegen der Koa- dort auch entsprechend angewendet werden. Ich litionsfraktionen, sondern auch an die CDU –, das bin der Überzeugung – und ich gehe davon aus, ganz besondere Augenmerk auf das Wohl der Kin- dass sowohl die Kolleginnen und Kollegen der CDU der zu richten und ihnen in schwierigen Situationen als auch die Kolleginnen und Kollegen der Koali- beizustehen. Hier, bin ich der Überzeugung, sollten tionsfraktionen Vertrauen in die Arbeit der Jugend- alle Akteure an einem Strang ziehen. Deswegen ämter in Thüringen haben –, wir sollten Ihnen nicht mein herzlicher Dank auch an die Mitarbeiterinnen mit Misstrauen begegnen, wie es die AfD macht. und Mitarbeiter der Thüringer Jugendämter, die für Sie haben Vertrauen verdient, denn sie erledigen die tägliche Bewältigung häufig komplexer und um- fangreicher Herausforderungen vieles leisten. Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 110. Sitzung - 22.02.2018 9477

(Minister für Bildung, Jugend und Sport Holter) Tag für Tag eine sensible und anspruchsvolle Tä- riger eingereister Flüchtling in einer Beziehungstat tigkeit. Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. ein junges Mädchen getötet hat, der sich im Nach- hinein nach Medienberichten – und inzwischen liegt (Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE wohl auch ein Gutachten vor – als nicht minderjäh- GRÜNEN) rig herausstellte. Präsident Carius: Die Rechtspopulisten konstruieren daraus ein Sze- nario, in dem sich erwachsene Männer „quasi inko- Herr Minister, einen Moment noch. Ich bin jetzt et- gnito auf Schulhöfen unter Minderjährigen tum- was unschlüssig und es ist rechtlich relevant für die meln“ und man „deutsche Kinder mutwillig der Ge- Debatte. War das ein Sofortbericht oder war das fahr“ aussetze. So steht es im Wortlaut in der Be- keiner? Angekündigt war ein Sofortbericht. Er hat gründung. Abgeordnete Herold hat ja eben auch aber mehrfach gesagt, er möchte keinen Bericht gesagt, dass es um „richtige“ und „echte“ Kinder geben, deswegen frage ich. geht. Es ist sehr deutlich geworden, dass es darum geht, jugendliche Geflüchtete als kriminell, als ge- Holter, Minister für Bildung, Jugend und Sport: fährlich zu stigmatisieren und Angst zu machen. Der gewaltsame Tod, durch einen Geflüchteten ver- Sie können das als Sofortbericht verstanden wissen ursacht, der gewaltsame Tod einer jungen Frau und dann entsprechend entscheiden. wird für das Schüren von Ressentiments, für Hetze gegen minderjährige Geflüchtete missbraucht und Präsident Carius: für das Pflegen der eigenen Legenden der Rechts- Okay, gut. Dann treten wir in die Debatte ein. Da es populistinnen benutzt, während gleichzeitig – und ein Sofortbericht war, reden wir dann auch in dop- diesen Ausflug in ein anderes Thema müssen Sie pelter Redezeit. Ich frage, wer die Beratung dazu mir gestatten – die AfD hier im Landtag einen Ge- wünscht. Das sind alle Fraktionen. Dann beraten setzentwurf eingebracht hatte, der am 13.12.2017 wir zum Sofortbericht zu Nummer I des Antrags in durch alle anderen Fraktionen abgelehnt worden der Drucksache 6/4939 wie auch zu Nummer II aus war, mit dem Mittel für Präventions- und Schutz- diesem Antrag sowie auch zu dem Alternativantrag maßnahmen bezüglich der Gewalt gegen Frauen in der Drucksache 6/5338. Als Erste hat Abgeord- gekürzt werden sollten. Zitat: „Dass die AfD tat- nete Berninger für die Fraktion Die Linke das Wort. sächlich vorhat, Frauenzentren die Finanzierung zu entziehen, daraus macht deren sozialpolitische Sprecherin Corinna Herold indes gar keinen Hehl.“ Abgeordnete Berninger, DIE LINKE: Sie ist in einem Interview mit der „TLZ“ zitiert mit: Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr geehrten „Das dient der Herstellung von Gleichbehandlung.“ Damen und Herren der demokratischen Fraktionen, Es handele sich bei dem Entwurf um die Forderung neben einer Reihe von Fragen, nicht nur nach sta- nach zusätzlichen Schutzräumen für Männer und tistischen Daten, und auch Falschinformationen zu nicht um das Ziel, Frauenhäuser abzuschaffen, unbegleiteten Minderjährigen oder Mängeln in Ver- dennoch – so schreibt die „TA“ – „bleibe das Vorha- fahren in den Jugendämtern, die diese Fragen sug- ben, die Finanzierung abzuschaffen, bestehen. Es gerieren sollten, wiederholt die rechtspopulistische müsse darum gehen, langfristig von der Sichtweise Fraktion Forderungen zur Altersfeststellung, die be- wegzukommen, dass die Männer immer die Täter reits im Rahmen der Ablehnung des Antrags zur und die Frauen immer die Opfer seien.“ Nachzule- Familienzusammenführung am 15. Dezember 2017 sen in der „TA“ vom 2. November 2017. mit großer Mehrheit abgelehnt wurden. Damals war Meine sehr geehrten Damen und Herren der demo- abgelehnt worden – Zitat –, „alle Maßnahmen um- kratischen Fraktionen, fast täglich wird in Deutsch- zusetzen [...], die einer verbesserten Altersfeststel- land eine Frau vom Partner oder Ex-Partner getö- lung [...] dienen.“ Die rechtspopulistische Fraktion tet, 2016 insgesamt 357. Fast 12.000 Frauen wur- hatte, das war sowohl in der Begründung des da- den 2016 lebensgefährlich verletzt. „Skandal“ maligen Antrags als auch in der Debatte deutlich schreien die Rechtspopulistinnen und Rassistinnen geworden, medizinische – auch invasive – Metho- aber immer nur dann, wenn Tatverdächtige oder den gemeint. Die Forderung im vorliegenden An- überführte Täter Menschen nicht deutscher Her- trag ist, medizinische Untersuchungen zur Altersbe- kunft sind. stimmung obligatorisch im Rahmen eines bundes- weit einheitlich standardisierten Verfahrens zu re- Der vorliegende Antrag, meine Damen und Herren, geln, und die Landesregierung soll dazu im Bun- ist nichts weiter als rassistische Hetze. desrat initiativ werden – so der Antrag. (Beifall DIE LINKE) Der Antrag dient – und das wird in der Begründung Umso bedauerlicher finde ich es, dass gerade nach sehr deutlich – einzig und allein dem Ziel der Skan- der fachlich sehr bemerkenswerten Rede des Ab- dalisierung und Pauschalisierung des Ereignisses geordneten Herrgott am 15.12., die er auch sehr in Kandel, bei dem ein als unbegleiteter Minderjäh- emotional vorgetragen hat und in der er auch ein 9478 Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 110. Sitzung - 22.02.2018

(Abg. Berninger) großes Augenmerk auf das Kindeswohl legte, die ist auch gut so. Ich will aber zunächst auf etwas an- CDU nun mit dem vorliegenden Alternativantrag an deres eingehen. Eigentlich steht hier in meiner Vor- diesen rassistisch motivierten und begründeten bereitung ein Dank an die Landesregierung, hier AfD-Antrag andockt. einen Sofortbericht gehalten zu haben. Diesen Dank kann ich leider nicht aussprechen. Herr Minis- Präsident Carius: ter Holter, es wäre schön, wenn Sie mir kurz ein bisschen folgen würden, auch wenn Sie bei den Frau Kollegin Berninger, ich bitte Sie, sich in der Koalitionären sitzen. Wenn Sie als Landesregierung Wortwahl einfach etwas zu mäßigen. einen Sofortbericht ankündigen, dann steht es der Landesregierung gut an, diesen Sofortbericht auch Abgeordnete Berninger, DIE LINKE: anhand der Fragestellungen im Antrag – da bedarf es keines beschlossenen Antrags, sondern der So- Das finde ich tatsächlich sehr bedauerlich und be- fortbericht ist das Mittel, diesen entsprechenden fremdlich. Die benannten AnKER-Einrichtungen – Bericht bereits zum Antrag zu halten – inhaltlich ausgesprochen: Zentrale Aufnahme-, Entschei- und fachlich ausführlich hier zu halten. dungs- und Rückführungseinrichtungen – haben zum Ziel, reibungslos abzuschieben, und zwar (Beifall CDU) möglichst unbemerkt von der Öffentlichkeit. Es hätte viel dazu beigetragen, wenn Sie uns an- (Zwischenruf Abg. Herrgott, CDU: Nur wenn hand der Fragen und anhand der Sachverhalte hier sie keine Berechtigung haben!) offen, transparent einen Sofortbericht im Plenum gegeben hätten, denn die Sachen, die Sie hätten Sie haben zum Ziel, dass Geflüchtete isoliert wer- vortragen können, Herr Minister, das sind keine Ge- den. Bis zu 18 Monate sollen Geflüchtete in diesen heimnisse oder irgendwelche Dinge, die man zu- Lagern bleiben, Familien mit Kindern bis zu rückhalten muss. Das sind ganz klare Fakten. Auch sechs Monate. Sie sollen die Residenzpflicht festle- wenn der Antrag von der AfD-Fraktion kommt, stün- gen, es soll dort Sachleistungen geben, Kinder ha- de es der Landesregierung gut an, diese Dinge hier ben in diesen sechs Monaten nicht das Recht, eine vorzutragen, weil sonst wieder wildeste Verschwö- Schule zu besuchen, es gibt dort keine Integra- rungstheorien von ganz rechts hier geäußert wer- tionsmöglichkeiten, es besteht ein Arbeitsverbot. den, weil Sie diese Dinge, die wir alle in den ver- PRO ASYL spricht von einer Desintegrationspolitik. schiedenen Ausschüssen zum Teil schon gehört Ich will PRO ASYL auch zitieren. Sie nennen diese haben, die Bestandteil Kleiner Anfragen und Ähnli- Lager ein „stigmatisierendes Zeichen der Ausgren- ches waren, eben nicht hier im Sofortbericht vortra- zung“ und sagen, „eine solche Politik der Kasernie- gen. Deswegen, Herr Minister, haben Sie sich ein rung von Schutzsuchenden hat mit einer men- bisschen unter Wert verkauft. Das hätten Sie ganz schenwürdigen Aufnahme von Flüchtlingen nichts normal hier sagen können, auch ohne Schaum vor [...] zu tun“. Derselben Meinung sind wir auch. Des- dem Mund, auch ohne den belehrenden Eingangs- wegen lehnen wir auch diese AnKER-Lager ab. teil. An der Stelle sind die Zahlen hier in Thüringen Sehr geehrte Damen und Herren der CDU, Sie kön- und die inhaltlichen Dinge etwas, was man nicht nen doch nicht ernsthaft annehmen, dass unsere verheimlichen muss. Wir arbeiten hier in Thüringen Koalition, die sich eine menschenwohlorientierte an der Stelle gut, die Jugendämter arbeiten gut Flüchtlingspolitik in den Koalitionsvertrag und auf (Zwischenruf Holter, Minister für Bildung, Ju- die Fahnen geschrieben hat, einer derartigen gend und Sport: Das habe ich doch gesagt!) Schleifung des Grundrechts auf Asyl ein positives Votum gibt. Wir werden natürlich auch diesen Alter- und die Zahlen sind transparent, die kann man nativantrag ablehnen. Vielen Dank. auch sagen. (Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE (Beifall CDU) GRÜNEN) Wenn es heißt „Sofortbericht“, deswegen reden wir jetzt auch in doppelter Redezeit hier, kann man das Präsident Carius: auch ganz normal in der parlamentarischen Praxis Danke schön. Als Nächster hat Abgeordneter machen. Da bricht man sich echt keinen Zacken Herrgott für die CDU-Fraktion das Wort. aus der Krone oder man lässt es ganz und spricht dann in der Debatte darüber. Aber so etwas Halbes steht Ihnen wirklich nicht gut an, Herr Minister. Abgeordneter Herrgott, CDU: (Zwischenruf Abg. Möller, AfD: Das war Sati- Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und re!) Herren, das wird heute nicht weniger emotional und auch nicht weniger fachlich richtig als beim letzten Die Verschwörungstheorien werden wir gleich wie- Mal, Kollegin Berninger. Bei bestimmten Dingen der hören, was hier schon wieder alles in Thüringen sind wir manchmal nicht einer Meinung, aber das Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 110. Sitzung - 22.02.2018 9479

(Abg. Herrgott) passiert sein soll oder nicht. Ich bin mal gespannt, das Recht auf Asyl im Koalitionsvertrag in keinster was da kommt. Weise eingeschränkt. Wir haben das Recht auf Asyl sogar noch einmal betont. Aber diejenigen, die Meine Damen und Herren, zum kleineren, zweiten eben dieses Recht hier missbrauchen und nicht die Teil des Antrags der AfD-Fraktion, wo es darum Voraussetzungen haben, bei uns zu bleiben – das geht, einheitliche Standards in ganz Deutschland müssen wir zunächst in einer zentralen Einrichtung durchzusetzen: Er ist sachlich und inhaltlich viel zu prüfen, das macht Sinn, um das auch qualitativ ver- kurz gegriffen. Frau Herold hat selbst kurz ausge- nünftig umzusetzen –, diejenigen, bei denen wir führt, welches Stufenverfahren bei der Altersfest- feststellen, Kollegin Berninger, dass sie die Voraus- stellung von unbegleiteten minderjährigen Auslän- setzungen nicht erfüllen, müssen wir auch wieder dern durchgeführt wird. Hier zu suggerieren, dass zügig in ihre Heimatländer zurückschicken, die Ausländerbehörde nur die Stufe eins, die ent- sprechende Einsichtnahme in die Ausweispapiere (Beifall CDU, AfD) vornimmt und dann bei der Stufe zwei nur mal weil sie eben nach unserem Recht nicht die Vo- schaut, haben wir einen Dolmetscher, gibt es tat- raussetzungen für Asyl erfüllen. Das ist ganz klarer sächlich bei der qualifizierten Inaugenscheinnahme Gesetzesvollzug. noch etwas zu klären, und die dritte Stufe nicht durchführt, ist sachlich und inhaltlich falsch. Dieses (Unruhe DIE LINKE) Übereinkommen gibt es bereits – Sie haben die Das mag Ihnen ideologisch nicht gefallen, aber das entsprechenden Paragrafen genannt – seit mehre- ist nun mal Recht und Gesetz, und deswegen ha- ren Jahren und es wird von den Jugendämtern ben wir auch auch durchgeführt. Das kann man hier ganz frei und offen sagen. Deswegen greift Ihr Antrag, dies (Zwischenruf Abg. Berninger, DIE LINKE: auf ganz Deutschland zu übertragen, viel zu kurz. Das hat mit Ideologie nichts zu tun!) Auch aus diesem Grund haben wir als CDU einen vernünftigerweise mit der SPD diese Einführung Alternativantrag gestellt, um noch mal klar darzu- der AnKER-Einrichtungen besprochen, in den Koa- stellen, was sinnvoller wäre als dieser obsolete litionsvertrag geschrieben und dort wird dann künf- AfD-Vorschlag, nämlich das, was wir in den Koali- tig das Stufenverfahren durchgeführt, und zwar tionsverhandlungen mit den Kollegen der SPD im recht zügig. Wenn nach der Einsichtnahme in die Bund klar vereinbart haben. Ausweispapiere, der qualifizierten Inaugenschein- (Zwischenruf Abg. Berninger, DIE LINKE: nahme und der ärztlichen Untersuchung, wenn sie Noch nicht unterschrieben!) notwendig ist – nur wenn sie notwendig ist und nicht als ganz normaler Bestandteil, wie die AfD- Was wir dort als große Koalition verabredet haben, Fraktion es hier gern für jeden durchsetzen möch- kann sich nämlich sehen lassen, meine Damen und te –, geklärt ist, dass eben dieses Kind und dieser Herren, gerade im Bereich der Migration. Jugendliche unter 18 Jahre ist, dann wird er vom (Beifall CDU) Jugendamt in Obhut genommen. Er verbleibt nicht 18 Monate in der AnKER-Einrichtung, sondern Denn als CDU kann ich nicht ohne Stolz sagen, wenn geklärt ist, wie alt er ist, wird er vom Jugend- dass wir ganz viele Dinge – nahezu alles –, die wir amt in Obhut genommen, Frau Berninger. Und das mit der CSU verabredet haben, auch hier im Koali- ist nicht menschenunwürdig, sondern es ist ein kla- tionsvertrag mit der SPD hoffentlich bald gemein- res Verfahren, wie ich hier diese ankommenden sam durchsetzen werden. Da geht es künftig um ei- Asylbewerber und Flüchtlinge behandele, entspre- ne klar definierte Obergrenze. Es geht um die Er- chend die Angaben prüfe und dann nach unseren weiterung der sicheren Herkunftsstaaten, auch gesetzlichen Vorschriften verfahre. wenn da einige bei der SPD hier in Thüringen den (Beifall CDU) Kopf schütteln. Aber Tunesien, Algerien und Marok- ko werden als sichere Herkunftsstaaten qualifiziert Das ist nicht rassistisch, sondern das ist einfach werden, auch wenn das vielleicht dem einen oder Handeln nach Gesetz. Dennoch, ich will es noch anderen nicht gefällt. mal betonen, ich habe es in der Weihnachtssitzung schon mal klar ausgeführt und danach war auch (Beifall CDU) sehr viel Ruhe hier drüben: Egal welches ärztliche Und der Familiennachzug wird auf ein Mindestmaß Verfahren wir anwenden, wir haben nur einen Nä- beschränkt werden. Natürlich gelten bei Härtefällen herungswert. Herr Kollege Hartung hat es ja auch Ausnahmen, das ist selbstverständlich. Und was noch mal fachlich untermauert, wir haben einen Nä- noch ganz wichtig ist, was wir zusätzlich vereinbart herungswert. Und hier zu suggerieren, dass wir mit haben, ist die Einführung von AnKER-Einrichtungen einer obligatorischen ärztlichen Untersuchung das – Aufnahme-, Entscheidungs- und Rückführungs- Alter eines Jugendlichen auf genau einen Monat einrichtungen. Denn wenn wir unser Gesetz im und auf den Geburtsmonat eingrenzen können, ist Asylbereich ganz klar betrachten, dann haben wir 9480 Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 110. 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(Abg. Herrgott) schlichtweg fachlich falsch. Es ist unseriös, das zu ten und menschlichen, zügigen Verfahren in diesen behaupten. Einrichtungen, wo wir zügig den Status klären und die Menschen dann entsprechend dem Gesetz (Beifall DIE LINKE) auch entweder in Deutschland mit dem korrekten Wir haben einen Zeitraum von bis zu zwei Jahren, Aufenthaltsstatus über die Länder verteilen oder wo wir im Zweifelsfall auch immer im Sinne des wieder zügig in ihre Heimatländer zurückführen, Kindes entscheiden, dass das Kind eben dem wenn sie eben die entsprechenden Voraussetzun- jüngsten möglichen Datum entspricht, um nicht gen nicht erfüllen. Den Kollegen der SPD-Fraktion auch bei einer fachlichen, wie gesagt, schwierigen kann ich noch mal ans Herz legen: Stimmen Sie für Entscheidung – hier mit einem Zweijahreszeitraum den Koalitionsvertrag, es hilft. – gegen das Kind zu entscheiden. Aber wenn wir (Beifall CDU) klar feststellen, das Kind ist über 18 Jahre, auch nach der ärztlichen Untersuchung, dann wird es Es ist ein sinnvolles Signal für Deutschland und mit nicht vom Jugendamt in Obhut genommen, son- ihrer Stimme für den Koalitionsvertrag können Sie dern dann wird es ganz normal wie ein Erwachse- zu einer beschleunigten Einrichtung dieser AnKER- ner behandelt. Alles andere ist fachlicher Mumpitz. Einrichtungen im Bund beitragen und zu einer gu- Auch wenn Frau Kollegin Herold zahnmedizinisch ten Regierung für Deutschland. Herzlichen Dank, sehr bewandert sein mag, im Bereich der Alters- meine Damen und Herren. feststellung scheint es dann mit der Merkfähigkeit (Beifall CDU) und auch der fachlichen Kompetenz, was man in vielen wissenschaftlichen Journalen nachlesen kann, nicht so weit her zu sein. Also, Frau Kollegin Präsident Carius: Herold, bitte noch einmal intensiv nachschauen Vielen Dank, Herr Abgeordneter Herrgott. Als (Beifall SPD) Nächster hat Abgeordneter Hartung für die SPD- Fraktion das Wort. und hier vorn keinen Unfug behaupten. (Beifall CDU) Abgeordneter Dr. Hartung, SPD: Abschließend will ich noch mal eines klarstellen, Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! weil das von Frau Kollegin Herold auch gerade hier Zuschauer sind nicht mehr viele da. Die AfD bean- in einem Brustton der Überzeugung verdeutlicht tragt mal wieder ein Verfahren, das – ich habe es wurde, es gebe echte und unechte Kinder und man beim letzten Mal, vor zwei Monaten, ausgeführt – müsse sich da um die echten Kinder kümmern: Es technisch nicht sicher möglich und ethisch nicht gibt keine echten und unechten Kinder. vertretbar ist. Das ist nicht nur meine Meinung – das können Sie abtun als politisch motiviert –, das (Beifall CDU, DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS ist auch durchaus die Meinung von Fachgremien. 90/DIE GRÜNEN) Ich möchte hier mal die internationale Arbeitsge- Es gibt Kinder und Jugendliche und es gibt Erwach- meinschaft für Forensische Altersdiagnostik zitie- sene. Punkt. Aus. Ende. Entweder sind diese Kin- ren. Das ist also sicher nichts, was parteipolitisch der und Jugendlichen Deutsche oder es sind aus- instrumentalisierbar ist, sondern tatsächlich ein ländische Kinder und Jugendliche. Aber es sind we- Fachleutegremium. Dieses Gremium hat sich mit der echte noch unechte Kinder, sondern es sind der Altersfeststellung für Flüchtlinge befasst und Kinder und Jugendliche, Frau Kollegin Herold. bereits in der Präambel steht da: „Eine Altersfest- stellung über die Inaugenscheinnahme und die psy- (Beifall CDU, DIE LINKE, SPD) chologische Beurteilung hinaus im Zivil- und Asyl- Wenn Sie das in diesem Duktus hier vorn so im recht ist nicht legitimiert.“ Dem kann ich mich nur Brustton der Überzeugung vortragen, brauchen Sie anschließen. Dann werden die ganzen Methoden sich dann auch nicht wundern, wenn Ihnen von Kol- aufgeführt, also Inaugenscheinnahme, die ärztli- legen dieses Hauses Menschenverachtung und chen Untersuchungen, die unterschiedlichen Rönt- Rassismus vorgeworfen wird, weil das wirklich ein- genverfahren und das Für und Wider wird referiert. fach nur peinlich ist, so was hier zu äußern. Wie gesagt, ein internationales Expertengremium. Man kommt am Ende zu dem Schluss: „Eine Fest- (Beifall CDU, DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS stellung des chronologischen Alters mit medizini- 90/DIE GRÜNEN) schen Methoden ist nicht möglich.“ Dem ist eigent- Die Kollegen von Rot-Rot-Grün kann ich trotzdem lich nichts hinzuzufügen, aber ich möchte mal von einladen, auch wenn Frau Berninger das schon ab- der internationalen Ebene zur deutschen Ebene zu- gelehnt hat: Unterstützen Sie uns als künftige Koali- rückkommen. Ich zitiere mal aus einem Artikel des tion zwischen CDU/CSU und SPD im Bund bei der „Ärzteblatts“. Das „Ärzteblatt“, wer es nicht perma- Einrichtung von AnKER-Einrichtungen. Das entlas- nent liest, sollte sich darüber im Klaren sein, das ist tet Thüringen und das führt zu einem beschleunig- nicht unbedingt Vorkämpfer linker Ideologie, son- Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 110. Sitzung - 22.02.2018 9481

(Abg. Dr. Hartung) dern gesetzt, bürgerlich und eher konservativ. Aber Schauen Sie, das ist genau der Punkt. Sie wissen dieser Artikel beginnt mit dem Satz: „Es ist ein Irr- es nicht, das ist mein Eingangsstatement. Sie wis- glaube, dass Ärzte das Alter exakt definieren kön- sen es nicht, sie können es eben nicht belegen. nen.“ Auch hier ganz klare Sache. (Unruhe CDU) (Beifall DIE LINKE, SPD) Schauen Sie, Herr Zippel, lesen Sie doch mal nach. Eine sehr intensive Beschäftigung mit dem Thema Sie beanspruchen doch für sich, dass Sie so etwas folgt, zum Beispiel mit dem Handwurzelknochen- verstehen können. Lesen Sie es doch mal nach. röntgen. Da stellt man fest, dass im Alter von 16 bis Lassen Sie mich vielleicht ausreden, Sie können 20 Jahren, also das Alter, um das es hier geht, „die doch dann vorkommen. Sie haben doch genügend Abweichung“ – und ich korrigiere Sie nur marginal, Redezeit. Herr Herrgott – nicht bei Monaten liegt, sondern bei Das „Ärzteblatt“ verweist auch auf das Problem die- 28 Monaten. Also 16 bis 20 Jahre, 4 Lebensjahre, ser Untersuchung. Die Beurteilung der Handwurzel- eine Abweichung von fast 2,5 Jahren. Das ist mei- knochen, der Verknöcherung der Handwurzelkno- nes Erachtens sehr wohl beachtlich und das „Ärzte- chen, nach Greulich und Pyle beruht auf einer Da- blatt“, also damit die Bundesärztekammer, kommt tenerhebung aus den 30er-Jahren des letzten Jahr- zu dem Schluss, ich zitiere wörtlich: „Das Handrönt- hunderts. Das ist 80 Jahre her. Seit diesen 80 Jah- gen ist also per se ungeeignet, eine Volljährigkeit ren gab es keine Anpassung an die Entwicklung sicher nachzuweisen.“ Vergleichbar – ich habe der Gesellschaft, es gab keine Anpassung an die mich noch ein bisschen weiter belesen – ist das mit Erkenntnis, dass sich unterschiedliche Ethnien un- der Studie von Hackman und Black aus Schottland terschiedlich entwickeln. 80 Jahre ohne irgendeine aus dem Jahr 2013. Entwicklung, auch irgendeine geistige Entwicklung Ein weiteres Verfahren ist das Untersuchen der – man könnte also sagen, dieses Verfahren ist die Schlüsselbeine mittels Computertomografie. Hier AfD unter den Diagnoseverfahren. macht das „Ärzteblatt“ darauf aufmerksam, dass es (Heiterkeit DIE LINKE) keine sichere Datenlage zu dem in Rede stehenden Alter gibt. Es gibt keine Erfassung in Deutschland, Es geht dann noch weiter mit vielen weiteren Bei- es gibt keine Erfassung außerhalb von Deutsch- spielen. Ich möchte, wie gesagt, keine weiteren zi- land. Und – darauf wird explizit hingewiesen – es tieren. gibt bei ein und demselben Individuum bei CT-Un- Ich möchte aber noch auf etwas anderes hinaus: tersuchungen des Schlüsselbeins zwei unterschied- Frau Herold hat hier erzählt – auch beim letzten liche Alter, die teilweise drei Jahre auseinanderlie- Mal ist es erzählt worden –, es ginge darum, dass gen. So groß ist die Streubreite. Das ist nichts, wo- das ganz einfache Methoden sind, die nicht weiter mit man tatsächlich ein Alter feststellen kann. Auch schädlich sind und bei denen es nicht zu irgendwel- hierzu möchte ich Ihnen weiterführende Literatur chen Komplikationen kommen könnte. Ich möchte empfehlen, zum Beispiel die Studie von Ponocny auch hierzu auf einige Studien verweisen, zum Bei- aus dem Jahr 2013. spiel zur Computertomografie im Kindes- und Ju- Die AfD hat es sehr gern mit Einzelbeispielen, das gendalter. Da möchte ich Ihnen mal empfehlen, bei haben wir heute wieder feststellen dürfen. Auch das Brenner aus dem Jahr 2010 oder bei Miglioretti aus „Ärzteblatt“ wartet mit einer ganzen Reihe von Ein- dem Jahr 2013 nachzulesen. Besonders interes- zelbeispielen auf, bei denen Menschen, die ge- sant finde ich die Studie von Matthews et al. aus flüchtet sind, Unrecht getan worden ist, weil man dem Jahr 2013 mit einer Datengrundlage von sie fälschlicherweise für älter als minderjährig hielt. 11 Millionen Menschen, darunter 680.000 Kinder. Ich möchte hier ein Beispiel zitieren. Ich lasse es Dort ist nachgewiesen, in welchem Maße sich bei wirklich bei einem bewenden, es ist eine ganze Rei- CT-Untersuchungen im Kindes- und Jugendalter he, die aufgeführt wird. Es stammt aus Bayern, es das Krebsrisiko erhöht. ging um die Kommune Rosenheim, wo ein 17-Jäh- Besonders interessant – Frau Herold ist Zahnmedi- riger gegen seinen Willen einer Röntgenuntersu- zinerin, sagt sie – chung unterzogen worden ist. Dort kam man zu dem Schluss, er wäre 19 und steckte ihn fünf Wo- (Heiterkeit DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE chen lang in Abschiebehaft. Er hatte einen guten GRÜNEN) Anwalt. Der Anwalt hatte veranlasst, nicht dass ist die Beschreibung der Wirkung bei röntgenologi- man die Untersuchung noch mal durchführen schen Zahnuntersuchungen. Ich verweise auf Me- musste, sondern sie einfach ordentlich bewertet. mon et al. aus dem Jahr 2010 und besonders auf Die neue Untersuchung kam zu dem Schluss, er ist Schonfeld et al. zum Thema „Schilddrüsenkrebs zwischen 15,5 und 16,5 Jahre alt. nach zahnmedizinischen Röntgenuntersuchungen“. (Zwischenruf Abg. Zippel, CDU: Wer sagt, Auch das ist sehr interessant. Frau Herold, Sie ha- dass das richtig ist?) ben als Zahnärztin eine Weiterbildungspflicht. Le- sen Sie doch das beim nächsten Mal nach. 9482 Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 110. Sitzung - 22.02.2018

(Abg. Dr. Hartung) (Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- davon, woher sie kommen, und dann gibt es natür- NEN) lich auch noch Erwachsene. Kinderrechte kennen glücklicherweise keine Grenzen und sind für uns Das deutsche Aufenthaltsgesetz sagt in § 49, der auch nicht verhandelbar. Flüchtling muss alle die Untersuchungen über sich ergehen lassen, die nicht zu einer Gefährdung sei- (Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE ner Gesundheit führen. Die Ärztekammer kommt GRÜNEN) dazu, dass diese letztgenannten Bedingungen bei (Zwischenruf Abg. Möller, AfD: Gucken Sie Röntgenuntersuchungen zur Altersdiagnostik nicht sich mal um auf der Welt! Ich glaube schon!) gegeben sind. Die Ärztekammer stellt fest, dass Röntgenuntersuchungen eine invasive Diagnostik In Teil I des Antrags listet die AfD zunächst neun sind, die nicht gerechtfertigt sind, um einfach nur für Fragen zur Altersfeststellung von unbegleiteten das Asyl- oder für das Zivilrecht Untersuchungen minderjährigen Ausländern auf. Wenn man sich ei- zum Alter aufzunehmen. Darüber hinaus sagt die nige dieser Fragen etwas genauer anschaut, dann Bundesärztekammer ganz klar an anderer Stelle, fragt man sich schon ein Stück weit – ähnlich habe als Handreichung für die organisierten Ärzte: „Aus- ich auch schon im Dezember mit meiner Rede be- länderrechtliche Fragestellungen“ – das ist ein wört- ginnen müssen –, ob die AfD-Abgeordneten nicht liches Zitat – „können auf keinen Fall medizinische willens oder in der Lage sind, entsprechende Infor- Indikationen von den Körper belastenden Verfah- mationen beispielsweise im Internet zu finden. So ren, wie z. B. Röntgen legitimieren.“ Ich bin mir si- wird nach den Kriterien der qualifizierten Inaugen- cher, so was Ähnliches gibt es auch bei der Bun- scheinnahme der Altersfeststellung gefragt. Diese deszahnärztekammer. Und ich bin mir auch sicher, Kriterien gibt es schon seit Längerem, auch das ist Frau Herold, Sie werden das finden, wenn Sie sich hier übrigens im Dezember schon einmal ausge- ein wenig bemühen. führt worden, sie finden sich in den Handlungsemp- fehlungen zum Umgang mit unbegleiteten Minder- Ich möchte als Letztes von den ganzen Zitaten den jährigen der Bundesarbeitsgemeinschaft der Lan- Medizinethiker Prof. Dr. Urban Wiesing zitieren, der desjugendämter wieder und sind dort auch für Sie von 2004 bis 2013 die Zentrale Ethikkommission nachlesbar. Kleiner Tipp: 2 Minuten Internetrecher- der Bundesärztekammer leitete, ich zitiere wörtlich: che hätten gereicht, um allein diese Fragen zu be- „Röntgen ohne medizinische Indikation ist mit dem antworten. ärztlichen Berufsethos grundsätzlich nicht verein- bar. Das ethische Prinzip ‚Nihil nocere‘ gilt für alle, Im zweiten Teil dann fordert die AfD die Landesre- insbesondere für schutzbedürftige Menschen wie gierung auf, sich auf Bundesebene dafür einzuset- unbegleitete jugendliche Flüchtlinge.“ Dem ist ei- zen, dass die ärztliche Untersuchung obligatori- gentlich nichts hinzuzufügen und deswegen muss scher Bestandteil der Altersfeststellung wird. Damit man diesen AfD-Antrag einfach ablehnen. wärmen Sie einmal mehr Bestandteile Ihres An- trags aus dem Oktober wieder auf; das Thema ha- (Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE ben wir dann im Dezember letztlich ausführlich hier GRÜNEN) diskutiert. Noch drei Worte zur CDU: Sie zitieren den Koali- Und ich muss es noch einmal sagen: Es läuft mir tionsvertrag, das macht es mir jetzt sehr einfach, schon kalt den Rücken hinunter, wenn jemand Herr Herrgott: Da ich den Koalitionsvertrag ableh- Menschenverachtung am Pult auch nur säuselt, es ne, muss ich auch Ihrem Antrag nicht zustimmen. macht sie nicht besser. Vielen Dank. (Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- (Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE NEN) GRÜNEN) Lassen Sie mich klarstellen: Auch acht Wochen Präsident Carius: später hat sich an unserer Haltung zum Sachver- halt nichts geändert, warum auch. Herr Hartung hat Danke schön, Herr Abgeordneter Dr. Hartung. Als eben noch einmal viele Studien zitiert. Damals im Nächste hat Frau Abgeordnete Rothe-Beinlich für Dezember hatte ich schon einmal betont, dass die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen das Wort. Zwangsröntgen für uns nicht infrage kommt. Herr Hartung hat viele Zitate rausgesucht, ich auch eini- Abgeordnete Rothe-Beinlich, BÜNDNIS 90/DIE ge, ich will noch zwei ergänzen. Das sieht nämlich GRÜNEN: auch der Präsident der Bundesärztekammer Mont- gomery so, der „Röntgen ohne medizinische Indika- Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und tion“ als einen aufwendigen, teuren und unsicheren Herren, liebe Gäste, ich bin all denen schon sehr „Eingriff in die körperliche Unversehrtheit“ bezeich- dankbar, die noch einmal klargestellt haben, dass net. es nur Kinder und Jugendliche gibt – danke, Herr Herrgott, an dieser Stelle –, und zwar unabhängig (Beifall SPD) Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 110. Sitzung - 22.02.2018 9483

(Abg. Rothe-Beinlich) Hochrangige Chefärzte von Kinderkliniken fordern che ohne ihre Eltern oder nahe Verwandte in die- gar, auf den Begriff der Altersfeststellung grund- sen Großlagern leben sollen, bis die vermeintliche sätzlich zu verzichten, Zitat: „Es kann immer nur Altersfeststellung bzw. die Altersschätzung abge- von Altersschätzung gesprochen werden, da mehr schlossen ist, finde ich in der Tat verwerflich. Auch als 60 Prozent der Jugendlichen vor dem 18. Le- der Bundesfachverband der unbegleiteten minder- bensjahr die Knochenreife in der Hand erreichen.“ jährigen Geflüchteten sieht die Vereinbarung zu Es handelt sich also – das muss ich auch noch ein- minderjährigen Flüchtlingen mit großer Sorge. So mal wiederholen – bei der Ermittlung des Alters sollen die geplanten AnKER-Zentren – so formuliert bzw. der Frage, ob jemand minderjährig ist oder es der Bundesfachverband – zu Türstehern des nicht, immer um eine Schätzung, da sind wir uns Kinderschutzes werden, womit faktisch der Vorrang sogar mit Herrn Herrgott einig. Das haben wir hier der Kinder- und Jugendhilfe für junge Geflüchtete auch diskutiert, es existiert eben keine hundertpro- abgeschafft wird. zentig zuverlässige Methode, übrigens auch keine Lassen Sie mich noch einmal zusammenfassen: medizinische, um das Alter einer Person festzustel- len. Erstens: Zwangsröntgen, das werden Sie jetzt ver- nommen haben, kommt für uns nicht infrage. Viel- Ich finde es im Übrigen schon auch interessant, leicht verstehen auch Sie von der AfD das irgend- dass Sie von der AfD aufwendige medizinische wann einmal. Verfahren, die auch ihre Nebenwirkungen haben, wie Dr. Hartung sie viel besser als ich hier schon (Beifall SPD) darstellen konnte, vorschlagen, während andere Zweitens – ich muss es so deutlich formulieren –: Menschen diese Behandlungen oder solche Ver- Isolations- und Großlager wird es mit Rot-Rot-Grün fahren tatsächlich aufgrund von Erkrankungen in Thüringen nicht geben. Daher werden wir auch brauchen und monatelang auf einen Termin warten keine unbegleiteten Jugendlichen in die Isolation müssen. Da wollen Sie es offenkundig anwenden. schicken. Rot-Rot-Grün steht für eine menschen- Ihre Menschenverachtung scheint jedenfalls keinen würdige Flüchtlingspolitik. Beide hier vorliegenden Preis zu kennen. Anträge sind mit dem damit verbundenen An- (Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE spruch, die Achtung der Grund- und Menschen- GRÜNEN) rechte jedes und jeder Einzelnen zur Grundlage des politischen Handelns zu machen, nicht verein- Das Landesjugendamt und die Bundesarbeitsge- bar. Besonders schändlich finde ich jetzt im Übri- meinschaft der Landesjugendämter – ich sagte es gen, dass eine Fraktion – die AfD – hier Einzelfälle schon – haben sehr klare und einheitliche Hand- instrumentalisiert, um Stimmung für ihre Anträge zu lungsanweisungen auf ihren Internetseiten veröf- machen. Eigentlich müsste man sich entschuldigen fentlicht. Kurzum: Wir sehen hier keinen Hand- bei den Familien, die hier derart vorgeführt werden. lungsbedarf. Außerdem können nach § 42 SGB VIII Wir werden beide Anträge ablehnen. Vielen herz- bereits jetzt Jugendämter eine medizinische Alters- lichen Dank. diagnose von Geflüchteten nur verlangen, wenn es Zweifel am angegebenen Alter gibt, allerdings nur (Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE mit Zustimmung des Betroffenen bzw. des Vor- GRÜNEN) munds. Ich will auch noch ein paar Sätze zum Alternativan- Präsident Carius: trag der CDU sagen. Danke schön. Als Nächste hat Abgeordnete Herold Nach dem Willen der CDU-Landtagsfraktion soll die für die AfD das Wort. Altersfeststellung in sogenannten zentralen Aufnah- me-, Entscheidungs- und Rückführungseinrich- Abgeordnete Herold, AfD: tungen – abgekürzt mit dem Akronym AnKER – Vielen Dank, Herr Präsident. Sehr geehrte Damen stattfinden, und erst danach sollen die Jugendli- und Herren Abgeordnete, liebe Besucher auf der chen durch die Jugendbehörden in Jugendeinrich- Tribüne und Zuschauer im Internet! Einen ganz tungen aufgenommen werden. Sie von der CDU herzlichen Dank vorab an den Herrn Minister Holter haben – das haben Sie hier auch ganz offen formu- für seinen Nicht-Sofortbericht. Vielen Dank auch für liert – diese Forderung aus dem Koalitionsvertrags- die ad personam gerichteten und unqualifizierten entwurf im Bund abgeschrieben. Auch diese Forde- Bemerkungen in Richtung meiner Person von den rung – das wird Sie nicht verwundern – lehnen wir Vorrednern. Sie können ganz sicher sein, dass wir ab. Dass die Große Koalition – ich muss es so nen- diese Debatte komplett ins Internet stellen werden, nen – Großlager zur Integrationsverhinderung schaffen will, ist schon bedenklich genug. Vor ei- (Zwischenruf Abg. Herrgott, CDU: Sehr nem solchen Schritt warnen übrigens auch viele gern!) Bürgermeisterinnen und Bürgermeister, die solche Lager schon kennen. Dass nun aber auch Jugendli- 9484 Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 110. Sitzung - 22.02.2018

(Abg. Herold) und Sie müssen sich dann nicht wundern, wenn die treuung zu kriegen, Pflegekosten zu verursachen Zuschauer daraus ihre ganz eigenen Schlüsse zie- und ein üppiges Taschengeld zu bekommen. hen; die nächste Sonntagsumfrage wird das zei- Wie sieht es jetzt in den Nachbarländern aus? In gen. Schweden, im Migrationswunder- und -musterländ- (Beifall AfD) le, ergaben vorgenommene Altersuntersuchungen an 2.500 Flüchtlingen, dass mehr als 80 Prozent Dem Herrn Dr. Hartung möchte ich noch mitteilen, dieser meistens jungen Männer bereits volljährig dass ich durchaus auch in der Lage bin, dieselben waren. In Dänemark gab es bei 800 getesteten vor- Quellen zu nutzen wie er, und auch meinen Weiter- geblich Minderjährigen 75 Prozent Volljährige und bildungspflichten nachkomme und durchaus weiß in Belgien waren 72 Prozent der Überprüften voll- und lesen kann, was dort zum Röntgen, zu allen jährig. Wie man an diesen Zahlen erkennen kann, anderen Methoden der Altersfeststellung steht, und werden falsche Altersangaben in europaweitem es durchaus fachlich fundiert zu würdigen weiß. Umfang praktiziert. Die Gründe hierfür liegen auf Auch, Herr Herrgott, Sie können ganz sicher sein: der Hand und natürlich in den von mir eingangs er- Ich kann ein Röntgenbild lesen und ich kann daraus wähnten Vergünstigungen. absehen, dass ich daraus Schlussfolgerungen zie- hen kann auf das Alter desjenigen Menschen oder Das Bundesfamilienministerium hat im Novem- Patienten, den ich gerade vor mir habe. ber 2017 veröffentlicht, dass im Moment von 55.890 bereits jugendlichen und volljährigen Mi- (Zwischenruf Abg. Wolf, DIE LINKE: Das ist granten 24.116 junge Volljährige immer noch in der ja erstaunlich!) Zuständigkeit der Jugendämter und unter der recht- Die Altersfeststellung mit medizinischen Methoden lichen Behandlung der Jugendhilfe verblieben sind, ist natürlich möglich und natürlich haben wir hier weil Betreuer und Sachverständige der Auffassung nicht gesagt, dass sie mit hundertprozentiger Si- waren, es handelt sich hier immer noch um Betreu- cherheit auf den Monat genau möglich ist, sondern ungsbedarf. Ich möchte gerne mal wissen, wie an jedem, der sich mit dem Thema beschäftigt hat, ist der Stelle mit anderen 18-jährigen Volljährigen ver- bekannt, dass ein Mindestalter festgesetzt wird und fahren wird, die in einem Pflegeheim leben müssen. dass das in dubio pro reo immer einen Zweijahres- (Zwischenruf Abg. Herrgott, CDU: Genauso!) zuschlag enthält, sodass ein 18-Jähriger durchaus schon 20 sein kann und ein 16-Jähriger durchaus Die werden wahrscheinlich in die raue Wirklichkeit 18, ohne dass ihm daraus irgendein Nachteil er- entlassen. Dazu möchte ich gerne Zahlen haben wächst. und die werden wir uns auch beschaffen. Die Anzahl der unbegleiteten minderjährigen Aus- (Beifall AfD) länder in Deutschland ist seit 2008 von 1.100 bis Hier wird immer von Kindern und Hilflosen und Be- Anfang dieses Jahres auf über 54.000 Personen dürftigen gesprochen, als ob das ein völlig rechts- angestiegen. Die monatlichen Unkosten belaufen freier Raum wäre, in dem man nur einfach Forde- sich, wie ich schon erwähnte, auf über 5.000 Euro rungen stellen muss. Und ja, auch Steuerzahler ha- pro Person, die dem deutschen Steuerzahler mit ben Rechte und die haben das Recht darauf, zu er- diesem überaus humanitären und rücksichtsvollen fahren, für wen und wofür hier das Steuergeld aus- Regime im Umgang mit den betreffenden Personen gegeben wird – in Thüringen allein auferlegt werden. Speziell in Thüringen summierten 70 Millionen Euro. sich die Unkosten für die Versorgung dieser Perso- nen im Jahre 2017 allein auf über 70 Millionen Euro (Beifall AfD) und sie werden zu einem erheblichen Teil gerade nicht von Minderjährigen verursacht, sondern von Präsident Carius: Volljährigen, die die fehlerhaften Verfahrensweisen zur Altersfeststellung gerne ausnutzen. Das hat Frau Abgeordnete Herold, gestatten Sie eine Zwi- sich herumgesprochen, dass man ohne Pass mit schenfrage der Abgeordneten Taubert? der Behauptung, man sei minderjährig, mit ein bisschen Styling an der Frisur und mit ein bisschen Abgeordnete Herold, AfD: flapsigem Auftreten hier noch als 16-, 17-Jähriger Nein, im Moment nicht. Danke, Herr Präsident. durchgehen kann und

(Zwischenruf Abg. Adams, BÜNDNIS 90/DIE Präsident Carius: GRÜNEN: Sie haben ja ein gutes Bild von unserer Jugend!) Nein. damit in den Genuss zahlreicher Vergünstigungen Abgeordnete Herold, AfD: kommen kann, wie nicht abgeschoben zu werden, seine Familie nachholen zu dürfen, intensive Be- Der finanzielle Schaden, der durch die auch hinter- hältige Ausnutzung unserer überaus großzügigen Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 110. Sitzung - 22.02.2018 9485

(Abg. Herold) Asylregelungen entsteht – über diesen finanziellen tiert wurde, die Hände, die Schlüsselbeine, die Zäh- Schaden hinaus geht es um die Gefährdung der ne röntgen. Das kann man alles machen. Das hier körperlichen Unversehrtheit von Kindern, denn es angesprochene teratogene Risiko trifft keine Kinder kann nicht sein, dass wir Schutzgesetze haben … und Jugendlichen, sondern das trifft Personen, bei denen berechtigte Zweifel an der Altersangabe Präsident Carius: bestehen. Das heißt, irgendjemand ist vorher schon einmal zu dem Schluss gekommen, der Bursche Eine weitere Zwischenfrage des Abgeordneten könnte älter sein als 18. Es handelt sich hierbei al- Herrgott erlauben Sie auch nicht? so um Erwachsene. Wenn man, wie der geschätzte Herr Kollege Har- Abgeordnete Herold, AfD: tung oder ebenfalls sehr geschätzte Herr Kollege Nein, danke. Herrgott, das Internet bemüht und etwas zu Risiken von Röntgenuntersuchung sagt, dann sollte man Wir haben Schutzgesetze für Kinder, egal wo die auch so weit lesen, dass man dahin kommt, dass herkommen, und dazu gehört es auch, dass sie man Risikoschätzungen vornehmen kann. Jeder er- nicht mit 20-Jährigen in einer Schule sitzen, wenn wachsene Mensch hat ein Lebenszeitrisiko von diese 20-Jährigen behaupten, sie sind 15. Einhei- 44,9 Prozent, an einer bösartigen Krankheit zu er- mische Kinder werden in den Schulen mit diesen kranken. Das Handröntgen erhöht dieses Risiko um zum Teil erwachsenen und überwiegend, weit über- den Faktor 1 zu 833.333. wiegend männlichen Migranten aus den von mir eingangs erwähnten kulturell und gesellschaftspoli- (Zwischenruf Abg. Möller, AfD: Grässlich!) tisch noch nicht so weit entwickelten Kulturkreisen Das Panaromaröntgen erhöht dieses Risiko um den einfach in eine Klasse gesteckt. Faktor 1 zu 819.672. Das Basisrisiko von 44,9 Pro- (Zwischenruf Abg. Henfling, BÜNDNIS 90/ zent wird also um jeweils 0,00012 Prozent und im DIE GRÜNEN: Ist mal wieder gut da vorne!) vorliegenden Falle noch etwas weniger erhöht. Ja, Risikoaddition ist ein in der Medizin, in der Statistik Es ist so schön, wie man Sie triggern kann. Das anerkanntes Verfahren. Man muss aber nicht rönt- macht richtig Spaß. gen. Man kann das auch lassen. Davon abgesehen (Beifall AfD) unterziehen wir alle Migranten einer TBC-Untersu- chung. Das ist völlig unstrittig. Das wird auch in Hierdurch steigt die Wahrscheinlichkeit, dass sich Thüringen gemacht, selbst bis in die Haftanstalten erwachsene Männer einfach an minderjährigen hinein, darüber wird überhaupt nicht gekräht. Mädchen vergreifen und ihnen unter Vorspiegelung falscher Tatsachen Beziehungsversprechen ma- (Zwischenruf Abg. Henfling, BÜNDNIS 90/ chen, die sie nachher so nicht einlösen können. DIE GRÜNEN: Das ist überhaupt nicht un- Dann kommt es zu solchen Katastrophen wie in strittig!) Brandenburg an der Havel, wo ein 19-Jähriger ver- Das ist ganz selbstverständlich. Darüber wird auch sucht hat, seine 17-Jährige von ihm getrennte nicht diskutiert. Das ist auch kein Eingriff in das Exfreundin zu ertränken, oder in Darmstadt, wo ei- Menschenwohl, wobei ich mich als Nichtjuristin ner die Trennung seiner Ex-Freundin mit einer Mes- schon seit Monaten frage, was den Kollegen Mont- serattacke quittiert hat, die die junge Frau, 17 Jahre gomery geritten hat, von Menschenwohl zu spre- alt, knapp überlebt hat. Oder eben wie in Kandel, chen. Das ist nirgendwo normiert. Menschenrechte wo das Mädchen 15 Jahre alt war und gedacht hat, gibt es. Aber es gibt auch ein Menschenrecht des sie kann mit den unter Teenagern üblichen Regeln Steuerzahlers und es gibt ein Menschenrecht von rechnen: „Magst du mit mir gehen?“ Ja, nein, viel- Jugendlichen und Kindern, von Erwachsenen, von leicht. Sie hat sich irgendwann für Nein entschieden potenziellen Gewalttätern bitte räumlich und zeitlich und dieses Nein mit ihrem Leben bezahlt. Der Täter getrennt zu leben. war deutlich älter als 20. (Beifall AfD) (Beifall AfD) (Unruhe DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- Eine aufgrund der falschen Alterseinstufung des NEN) Täters vorgenommene Einschulung hat diese Tat Sie haben doch alle noch Redezeit. Hören Sie doch ermöglicht. einfach zu und fangen Sie hinterher an. Zu den hier so heiß diskutierten Methoden: Ja, es (Zwischenruf Abg. Adams, BÜNDNIS 90/DIE gibt eine forensische Altersfeststellung. Ja, diese GRÜNEN: Es fällt uns schwer!) geht mit einem Sicherheitszuschlag einher. Ja, man kann wissenschaftlich durchaus fundiert und ge- Ohne die so fürchterlich verteufelten, vor allem von rechtfertigt verschiedene Methoden kombinieren. den Grünen gefürchteten Röntgenstrahlen – das ist Man kann, was hier alles schon ad nauseam disku- alles etwas mit Atom, das hat etwas Naturwissen- 9486 Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 110. Sitzung - 22.02.2018

(Abg. Herold) schaftliches und ist gefährlich – gibt es mittlerweile (Zwischenruf Abg. Harzer, DIE LINKE: Man eine weitere, einfache und unkomplizierte Methode, kann auch nicht davon ausgehen, dass jeder nämlich eine DNA-Analyse. Diese ist bereits in Hil- im Landtag klug ist!) desheim angewendet worden. Da wurde in einem Zweifelsfall eine Blutprobe entnommen, die in Ame- Präsident Carius: rika analysiert wurde. Da kam heraus, der Proband ist mit 95-prozentiger Wahrscheinlichkeit etwa 26. Jetzt bitte ich wieder um Aufmerksamkeit für die Nun kann man sich über die letzten fehlenden 5 Rednerin. Prozent noch streiten; wie gesagt, dass sind die zwei Jahre Sicherheitszuschlag. Auch mit 24 ist er Abgeordnete Herold, AfD: volljährig, man soll es nicht glauben. Der Entwickler Ich habe, wenn ich in ein fremdes Land komme, ei- dieser Methode in Amerika hat übrigens gesagt, gentlich auch Pflichten und nicht nur Rechte. Und seine Methode der DNA-Analyse verhält sich unge- die Pflicht wäre, wenn ich eine umfassende und fähr zu dieser ganzen Röntgen- und Schätzungs- Vollbetreuung haben möchte, die so viel Geld kos- und Untersuchungsmethode wie ein Mercedes zu tet und die solche Konsequenzen hat, dass ich eine einem Rasenmäher. Man könnte durchaus mit die- Mitwirkungspflicht habe und dass ich meine Zustim- ser Blutuntersuchung dem Probanden im Zweifels- mung dazu gebe und sage: Jawohl, ich weiß nicht falle noch das eine oder andere Positive, den zu- genau, wie alt ich bin, ich bin irgendwo weit hinten sätzlichen Nutzen verkaufen, sagen wir: Wir testen in der Türkei, wo die Völker aufeinanderschlagen, dich auf Hepatitis, Tropenkrankheiten, ansteckende geboren, eine Geburtsurkunde gab es nie, ich bin sonstige Krankheiten, Tuberkulose natürlich auch. minderjährig, sagt zumindest meine Oma, und dann Das geht nämlich auch, das ist nur ein bisschen bitte schön, hier, tut eure Pflicht. Damit kann man aufwendiger und dauert ein bisschen länger. Das dieser ganzen Debatte schlagartig den Hahn zudre- kann man alles mit einer einzigen Blutuntersuchung hen. Aber es muss gewollt sein. Vielen Dank. machen, man muss es nur wollen. (Beifall AfD) (Beifall AfD)

Wenn im Asylrecht steht, dass solche Untersuchun- Präsident Carius: gen nicht geeignet oder auch nicht erlaubt sind, dann kann man das einfach ändern. Es ist im So- Ich habe zwei weitere Wortmeldungen. Herr Abge- zialgesetzbuch Recht oder in der Juristerei bei Va- ordneter Dr. Hartung, Sie haben das Wort für die terschaftsklagen längst Standard, nämlich eine SPD-Fraktion, danach Herr Abgeordneter Herrgott. Blutuntersuchung zur Vaterschaftsfeststellung. Warum kann man nicht eine Altersfeststellung mit Abgeordneter Dr. Hartung, SPD: einer einfachen DNA-Untersuchung machen? Das Herr Präsident, im Unterschied zu vielen meiner muss politisch nur gewollt sein. Sie alle können da- Kollegen ist es mir gelungen, Frau Herold ruhig und mit diesen schrecklichen Rechtspopulisten den ohne Zwischenrufe zuzuhören. Frau Herold, dass Wind aus den Segeln nehmen und sagen: Jeder, ich Ihnen als Zahnärztin erklären muss, was Risiko- der hier reinkommt und sagt: „Ich bin minderjährig“, abschätzung im Gesundheitswesen bedeutet, ist der gibt ein bisschen Blut ab. Und dann können wir schon ein bisschen traurig. Da geht es nämlich alle nichts mehr sagen. nicht darum, ob für den Einzelnen das Risiko er- (Beifall AfD) träglich ist, den vermeintlich pekuniären Rechten Dritter Auskunft zu geben. Außerdem hat Herr Palmer selbst vorgeschlagen – Herr Palmer, das ist dieser böse Ungeist bei den (Zwischenruf Abg. Herold, AfD: Erzählen Sie Grünen, Sie wissen schon – das doch mal den Steuerzahlern!) (Zwischenruf Abg. Rothe-Beinlich, BÜNDNIS Sondern bei einer Risikoabschätzung geht es aus- 90/DIE GRÜNEN: Es gibt leider auch grüne schließlich um die Frage: Ist das Risiko für den Un- Populisten!) tersuchten vertretbar gegenüber der akuten Ge- fahr? Das ist Risikoabschätzung in der Medizin. und gesagt: Wer nicht beweisen kann, dass er min- derjährig ist, hat einfach als volljährig zu gelten. (Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Beifall AfD) Alles andere – ich habe es Ihnen hier mehrfach vor- Da hat man auch mal eine Bringepflicht. Man kann getragen von verschiedenen Institutionen, die in nicht nach Deutschland einreisen und sagen: Jetzt Deutschland durchaus nicht links- und flüchtlings- bin ich hier, kümmert euch um mich, und alles, was freundlich und Katastrophenindustrie sind – ist voll- ihr jetzt macht, lasse ich von – was weiß ich – PRO kommen klar: Es ist nicht ethisch vertretbar, invasi- ASYL und diesen Ganzen – Sozialindustrie, Juriste- ve Diagnostik zu machen, wenn es nicht dem Wohl rei und Krisengewinnlern – irgendwie vertreten. des Betreffenden dient. So einfach ist das. Jeder Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 110. Sitzung - 22.02.2018 9487

(Abg. Dr. Hartung) Eingriff ist eine Körperverletzung unter bestimmten (Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE Bedingungen. GRÜNEN) (Zwischenruf Abg. Herold, AfD: Blutentnah- me!) Präsident Carius: Das müssten sie als Zahnärztin eigentlich wissen. Vielleicht sollten wir uns allzu persönliche Angriffe Was mich aber auf jeden Fall vorgetrieben hätte in Zukunft doch sparen. Herr Abgeordneter außer dieser Enttäuschung, ist die Tatsache, dass Herrgott, Sie haben das Wort für die CDU-Fraktion. Sie das mit der Panoramauntersuchung sagen. Da liegen Sie übrigens falsch bezüglich des Risikos. Abgeordneter Herrgott, CDU: Ich empfehle Ihnen noch mal eindringlich die Studie Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und von Schonfeld et al. zur Auslösung von Schilddrü- Herren! Kollegin Herold, Ihre Zwischenfragen be- senkrebs durch Panoramauntersuchungen. Ich antworte ich von hier vorn immer gern. Ich habe möchte Ihnen einfach noch mal das Zitat vorhalten. keine Angst davor. Aber wenn Sie das nicht tun, Sie haben gesagt: Diese Panoramauntersuchungen dann muss ich natürlich noch mal vorgehen, um treffen keine Kinder und Jugendlichen, weil sie ja einfach ein paar Sachen klarzustellen. nur gemacht werden, wenn jemand an dem Status als Kind und Jugendlicher zweifelt. Und weil je- Frau Kollegin Herold, wenn Sie hier vorne behaup- mand daran zweifelt – Sie können es im Protokoll ten, dass die Jugendämter in Thüringen jeden deut- nachlesen – sind sie per se keine Kinder und Ju- schen Jugendlichen, der das 18. Lebensjahr vollen- gendlichen. Das ist eine Frechheit! det hat, sofort in die harte, kalte, böse Realität der Welt hinausschicken, ohne zu prüfen, ob er dazu in (Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE der Lage ist, dann verkennen Sie die Realität in un- GRÜNEN) seren Thüringer Jugendämtern ganz eindeutig. Sie sagen also: Weil jemand daran zweifelt, dass (Beifall CDU, DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS jemand ein Kind oder ein Jugendlicher ist, ist er au- 90/DIE GRÜNEN) tomatisch kein Kind und kein Jugendlicher. Das ist tatsächlich – ich habe es vorhin ein bisschen flapsig Wenn Sie die Zwischenfrage von unserer Kollegin zitiert, als ich gesagt habe, die AfD ist in den Dreißi- Taubert zugelassen hätten, hätte sie wahrschein- gern stehengeblieben – genau das Rechtsverständ- lich aus ihrer fachlichen Praxis auch noch einiges nis der Dreißiger. Wenn ich jemanden verdächtige, erklären können. Ich will Ihnen aber gern sagen: Ich dann ist er schuldig. Und das genau sagt doch ei- war auch drei Jahre Büroleiter des Landrats im gentlich alles über Ihren Antrag aus. Es sagt alles Saale-Orla-Kreis. Ich kenne unser Jugendamt sehr darüber aus, wie man dazu steht. gut und ich hatte auch sehr viele Fälle, die über meinen Tisch mit gewandert sind, weil es da um (Beifall DIE LINKE) wirklich sehr hohe Kosten für deutsche Jugendliche Das Ganze „nur“ unter einer fadenscheinigen An- geht. Die sind nämlich genauso hoch, teilweise einanderkettung von Einzelteilen, von Unterstellun- noch höher als bei unseren ausländischen minder- gen, von Behauptungen, das ist schwer erträglich. jährigen Unbegleiteten. Aber, das habe ich vorhin Frau Herold, wenn Sie ernsthaft glauben, dass wir schon einmal gesagt, die Jugendämter prüfen im hier als demokratische Fraktionen den Rechtspopu- Einzelfall, egal ob ausländischer oder inländischer listen den Wind aus den Segeln nehmen, indem wir Jugendlicher, und dann schieben sie auch nieman- ihre schwachsinnigen Anträge beschließen … den mit 18 Jahren in die kalte Realität ab, wenn er dem nicht gewachsen ist, sondern das wird geprüft Präsident Carius: und das ist kein Automatismus. Das hier vorne dar- zustellen, ist einfach fachlich falsch. Ich empfehle Bitte mäßigen Sie Ihre Wortwahl. Ihnen, mal eine Hospitation in einem Jugendamt in Thüringen. Die werden Ihnen da sicherlich gern mal Abgeordneter Dr. Hartung, SPD: aus der Praxis erzählen, wie das in Thüringen läuft und schon seit Jahren hier läuft. …, Ihre relativ wenig intelligenten Anträge und rela- tiv wenig intelligenten Intentionen teilen, dann sind (Zwischenruf Abg. Harzer, DIE LINKE: Die Sie – glaube ich – tatsächlich in einem geistigen Wahrheit interessiert doch nicht!) Zustand, Doch, die Wahrheit interessiert schon, deswegen (Heiterkeit DIE LINKE) müssen wir sie von hier vorn auch einmal deutlich sagen. den ich hoffentlich niemals teilen werde und wo ich mich manchmal frage, ob Sie tatsächlich Ihr Stu- (Zwischenruf Abg. Harzer, DIE LINKE: Die dium geschafft haben. Vielen Dank. AfD nicht!) 9488 Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 110. Sitzung - 22.02.2018

(Abg. Herrgott) Zum Thema „Risikoabschätzung“: Als CDU sagen semantischer Trick, denn zum einen kann man die- wir überhaupt nicht, dass diese Risikoabschätzung ses pekuniäre Interesse durchaus mal beziffern: zu einem generellen Verbot der medizinischen Un- Das sind bei 54.000 minderjährigen unbegleiteten tersuchung führt. Das ist auch aus unserer Sicht Flüchtlingen – tatsächlichen und angeblichen – zu- völliger Quatsch. Aber, Kollegin Herold, eine obliga- sammengerechnet über 3,5 Milliarden Euro im torische Untersuchung bei jedem, wo ich bereits Jahr. Ich denke, da ist ein Staat durchaus schon weiß, dass er 25 ist, den muss ich nicht mehr unter- mal angehalten zu schauen: Ist das Geld, was ich suchen, nur um es noch mal festzustellen. Oder bei da ausgebe, eigentlich überhaupt berechtigt ange- dem, wo ich aus den Ausweispapieren und anderen sichts der Tatsache, dass dieses Geld von jeman- Sachen bereits weiß, dass er zwölf Jahre alt ist, dem erarbeitet werden muss? und aus der Inaugenscheinnahme, den muss ich (Beifall AfD) auch nicht noch mal röntgen, um das festzustellen. Bei denjenigen, wo ich einen begründeten Zweifel Und das geht natürlich noch weiter, wenn ich mir habe, dort müssen wir die Untersuchung durchfüh- anschaue, wie hoch die Kriminalitätsrate bei min- ren und das wird auch getan. Alles andere hier zu derjährigen unbegleiteten Flüchtlingen – angebli- behaupten, ist schlichtweg fachlich falsch. Ich bitte chen und tatsächlichen – ausfällt. Das ist schwer zu darum, die Kollegen der AfD haben gesagt, wir wer- beantworten, weil diese Statistik bewusst auch gar den alles hier im Internet wiederfinden. Bitte schön, nicht erst zu erheben versucht wird. Aber einige aber bitte nichts rausschneiden, die gesamte De- Fakten werden ja doch bekannt und da, wo keine batte gern ins Netz stellen, da haben wir alle keine statistischen Fakten bekannt werden – wie zum Sorge davor. Beispiel hier in Thüringen, weil man das peinlich genau versucht zu vermeiden –, da werden Sach- (Beifall CDU, DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS verhalte bekannt. Sie kennen zum Beispiel den Fall 90/DIE GRÜNEN) Jena, wo eine Jugendbande wohl auch mit orienta- Abschließend kann ich noch mal sagen: Das, was lischem Kulturhintergrund die Bevölkerung terrori- Sie hier fordern, haben wir im Koalitionsvertrag lan- siert und auch schon entsprechend in den Medien ge umgesetzt. Deswegen noch mal, liebe Kollegen aufgeschlagen ist. Und wir kennen natürlich auch von der AfD, Kollege Hartung ist da nicht so dabei, die entsprechenden noch schlimmeren Kriminali- aber der Rest: Auch Sie haben die Chance, für den tätsfälle, über die berichtet worden ist, wie zum Bei- Koalitionsvertrag zu stimmen, um diese Positionen spiel Kandel und andere versuchte Mord- und Tot- in Deutschland umzusetzen. Herzlichen Dank. schlagsfälle, an denen auch vermeintlich Minder- jährige beteiligt sind und bei denen dann am Ende (Beifall CDU) eben rauskam, dass es doch um ein ganz anderes (Zwischenruf Abg. Dr. Hartung, SPD: Die Alter ging. Und wenn man all diese Aspekte mit SPD – nicht die AfD!) reinstellt, wenn man auch das Grundrecht der deut- schen Bürger in Ordnung und Sicherheit erlebt, das Präsident Carius: Grundrecht auf, auf Herr Herrgott meinte ganz sicher die SPD-Kollegen, (Zwischenruf Abg. Adams, BÜNDNIS 90/DIE weniger die der AfD. Vielen Dank. Gibt es weitere GRÜNEN: Na, welches nehmen wir denn?) Wortmeldungen? Das sehe ich nicht. Kann ich da- Gesundheit, auf körperliche Unversehrtheit, was von ausgehen, dass das Berichtsersuchen zu der Staat im Rahmen des Möglichen zu garantieren Nummer I des Antrags … hat, ja, wenn Sie dieses Grundrecht nämlich mit (Zwischenruf Abg. Möller, AfD: Ich hatte mich einstellen in die Grundrechtsabwägung, die Sie im- noch gemeldet!) mer gerne wahrnehmen, ohne diese Grundrechte zu erwähnen, dann kommt nämlich schon ein ganz Ach, Sie hatten sich noch gemeldet? Ich hatte gera- anderes Ergebnis raus. Dann ist es eben, sehr ge- de eben gefragt, aber nichts gesehen. Gut, Herr ehrter Herr Minister Holter, Möller, dann können Sie auch noch reden, bitte. (Zwischenruf Abg. Adams, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Steile juristische These!) Abgeordneter Möller, AfD: überhaupt kein Zeichen für Menschenverachtung, Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Kolle- sondern es ist schlicht und ergreifend geboten, ginnen und Kollegen, liebe Gäste, ich finde es inte- dass ein Staat angesichts bekannt gewordener Be- ressant, dass Herr Hartung die ethische Unvertret- trugsfälle bei Altersangaben natürlich auch schaut, barkeit der qualifizierten Altersuntersuchung/ärztli- wie viele wir denn da haben und wie wir das verhin- chen Altersuntersuchung immer wieder dadurch dern können, und angesichts der Kriminalitätsrate, versucht zu unterminieren, indem er dem Ganzen, die er nicht in den Griff bekommt, auch schaut, wie sozusagen dem Gegengewicht, nur das pekuniäre er das verhindern kann, möglicherweise, indem ich Interesse des geizigen Steuerzahlers gegen- schon an der ersten Stufe ansetze und schaue, ob überstellt. Das ist natürlich schon ein ziemlich übler Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 110. Sitzung - 22.02.2018 9489

(Abg. Möller) das überhaupt minderjährige unbegleitete Flüchtlin- koaliert? Ach, warten Sie mal, es war auch dieselbe ge sind. Das macht schon deshalb Sinn, weil – Sie SPD, dieselbe linke SPD, mit der Sie plötzlich alles wissen das wahrscheinlich ganz genau – ein min- ändern wollen. Also nehmen Sie es mir nicht übel, derjähriger Ausländer faktisch nicht mehr abschieb- lieber Herr Herrgott: Ihren guten Willen, den erken- bar ist. Das ist in Deutschland so. Sie haben zwar ne ich ja an, aber faktisch sehe ich leider nicht, in der Theorie die Möglichkeit, den Minderjährigen dass sich wirklich etwas ändert, bloß weil Sie ein abzuschieben, faktisch ist es ausgeschlossen. Und paar schöne Dinge in den Koalitionsvertrag reinge- wenn ich höre und lese – wie jetzt erst diese Wo- schrieben haben. Vielen Dank für die che wieder –, dass die Polizei keine Handhabe hat, (Zwischenruf Abg. Kuschel, DIE LINKE: Auf- um mit dem Problem der Jugendbande in Jena um- hören!) zugehen ... Aufmerksamkeit. (Zwischenruf Abg. König-Preuss, DIE LINKE: Das ist doch Quatsch!) (Beifall AfD) (Zwischenruf Abg. Dr. Lukin, DIE LINKE: Wer hat denn das gesagt?) Präsident Carius: Genau so steht es in der Zeitung, und nehmen Sie Herr Abgeordneter Dr. Hartung hat noch einmal für es mir nicht übel, Herr Maier, die SPD-Fraktion um das Wort gebeten. (Unruhe DIE LINKE) Abgeordneter Dr. Hartung, SPD: (Beifall AfD) Herr Möller, da sind zwei Bemerkungen, die kann der Eindruck verfestigt sich, wenn ich sehe, wie oft ich Ihnen nicht durchgehen lassen. Die erste Be- die in der Zeitung aufschlagen. Ich sehe nämlich merkung ist ganz klar die, dass ich gesagt hätte, nicht, dass die Polizei oder die Justiz auch nur in ir- die pekuniären Interessen wären mir egal oder so gendeiner geeigneten Weise dagegen vorgehen ähnlich, wie Sie es gesagt haben. Ich habe hier ver- kann. Aber Sie weigern sich auf der anderen Seite, sucht, Ihnen zu erklären, was eine medizinische Ri- die entsprechenden Möglichkeiten umzusetzen, sikoabwägung ist. Und da haben pekuniäre Interes- sen nichts zu suchen. Da geht es ausschließlich (Unruhe DIE LINKE) darum, was das Wohl des Betroffenen ist, und nicht um solche Leute gar nicht erst ins Land zu bringen um das Wohl von Dritten. oder ihnen den Schutzstatus zu entziehen. Viel- (Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) leicht sind es ja gar keine Minderjährigen, der Ver- dacht liegt ja zumindest in vielen Fällen nahe. Das ist ganz klar. Deswegen verbietet sich ein Ein- griff in die körperliche Unversehrtheit eines Men- (Beifall AfD) schen aus welchen Interessen Dritter auch immer – Ich möchte jetzt noch einmal kurz was zum Koali- Punkt Nummer eins. tionsvertrag sagen, weil der Kollege Herrgott auf Und Punkt Nummer zwei – auch das möchte ich den so stolz war. Das verstehe ich auch, er ist ja hier an dieser Stelle ganz deutlich noch mal rausar- von der CDU. Aber, lieber Herr Kollege Herrgott, da beiten –: Sie stellen sich hierher und sagen, die mag vieles im Koalitionsvertrag stehen, am Ende Deutschen hätten ein Recht auf körperliche Unver- haben Sie vor allem erst mal eines gemacht: Sie sehrtheit. Das haben die Ausländer auch! Das steht haben ein paar Dinge aufgeschrieben. Sie haben nämlich in unserem Grundgesetz, das ist unteilbar Dinge aufgeschrieben und gilt für jeden Menschen. (Zwischenruf Abg. Herrgott, CDU: Das macht (Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE man so!) GRÜNEN) – richtig, genau –, jetzt muss erst mal noch jemand Und eine Röntgenuntersuchung ist ein Eingriff in zustimmen. Das ist schon fraglich. Wenn dann je- diese körperliche Unversehrtheit. Jeder Mensch hat mand zugestimmt hat, dann ist es die SPD, und die dieses Recht! Es ist ein Grundrecht! Es ist ein Men- SPD, die brauchen Sie nicht nur im Bundestag, die schenrecht! Und wenn Sie sagen, wir Deutschen brauchen Sie auch im Bundesrat. Dreimal können haben das und deswegen müssen wir es den Aus- Sie raten, wie der Freistaat Thüringen im Bundesrat ländern beschneiden, dann sind Sie genau an dem abstimmt mit dieser schwindsüchtigen SPD. Die Punkt, warum ich sage: AfD, das ist Rassismus und wird bestimmt nicht den Willen des Koalitionsver- das sind eigentlich auch Nazis. Vielen Dank. trags zum Maßstab für das Abstimmen des rot-rot- grün regierten Bundeslandes Thüringen nehmen. (Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE Entschuldigung, das ist doch eine weltfremde An- GRÜNEN) nahme, dass sich irgendetwas ändert. Mit wem ha- ben Sie denn die vergangenen vier Jahre im Bund 9490 Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 110. Sitzung - 22.02.2018

Präsident Carius: re Auslegung der Grundrechte in dieser Frage als Sie, die in diesem Punkt leider sehr ideologisch ist. Für den Vorwurf, dass die AfD-Fraktion eigentlich auch Nazis sind, bekommen Sie einen Ordnungs- (Beifall AfD) ruf. Herr Abgeordneter Möller, Sie haben noch ein- mal um das Wort gebeten. Bitte schön. Präsident Carius: Herr Abgeordneter Möller, gestatten Sie eine Zwi- Abgeordneter Möller, AfD: schenfrage von Herrn Dr. Hartung? Ihr könnt ruhig weiter klatschen. (Unruhe DIE LINKE) Abgeordneter Möller, AfD: Ja, lieber Herr Hartung, Sie mögen ja ein exzellen- Aber selbstverständlich. ter Arzt sein, aber Sie sind ein lausiger Jurist. Das muss ich Ihnen mal sagen. Präsident Carius: (Zwischenruf Abg. Dr. Hartung, SPD: Ich bin Bitte, Herr Dr. Hartung. gar kein Jurist, ich habe einen ordentlichen (Zuruf Abg. Dr. Hartung, SPD: Es sind zwei, Beruf!) sage ich gleich mal!) Denn lieber Herr Kollege Hartung, das wissen Sie vielleicht nicht, Abgeordneter Möller, AfD: (Zwischenruf Abg. Dr. Scheringer-Wright, Gern. DIE LINKE: Was sind Sie denn für ein lausi- ger Jurist?) Abgeordneter Dr. Hartung, SPD: das Grundgesetz sieht bis auf Artikel 1 keine Zwei Zwischenfragen, Sie haben sie gestattet, dan- Grundrechte vor, die schrankenlos gelten. Das gilt ke schön dafür. Erstens: Haben Sie gehört, dass natürlich auch für das Grundrecht auf körperliche ich mich mitnichten nur auf das Grundgesetz, son- Unversehrtheit. Und wenn jemand, wenn ein Aus- dern auf die Erklärung der Menschenrechte bezo- länder hierherkommt, aus welchen Gründen auch gen habe, die sehr wohl weiter gelten und durch immer, und er möchte hier von diesem Staat Leis- Einzelstaaten nicht einschränkbar sind? Frage tungen erhalten, vor allem Leistungen erhalten, er Nummer eins. möchte versorgt werden, möchte untergebracht werden, möchte betreut werden, und es drängt sich Zweitens: Sie haben gesagt, ich hätte ideologische der Verdacht auf – und nur von diesen Fällen reden Gründe angeführt. Ich habe hier diverse Zitate von wir hier –, dass der bei den Altersangaben betrogen nicht linken Medizinern und Ethikern angeführt. hat, dann ist so ein Fall gegeben, wo ich natürlich Würden Sie mir zustimmen, dass es zumindest an- als Staat sagen kann, hier gilt so eine Schranke, gebracht wäre, dass Sie, bevor Sie darüber ein Ur- hier muss ich natürlich auch das Grundrecht auf teil sprechen, möglicherweise erst mal lesen soll- körperliche Unversehrtheit einschränken. Das ten? Vielen Dank. hängt natürlich auch von der Eingriffsintensität ab, Frau Kollegin Herold hat Ihnen das fachlich wun- Abgeordneter Möller, AfD: derbar erklärt. Zunächst mal zu Frage Nummer eins, der universa- (Zwischenruf Abg. Kuschel, DIE LINKE: Das len Geltung der Erklärung der Menschenrechte: Da ist doch wohl nicht wahr, das Grundgesetz so kann ich Ihnen sagen, Sie sollten sich mal mit der fehlzuinterpretieren, Herr Präsident!) Kairoer Erklärung der Menschenrechte vertraut ma- Sie hat Ihnen gesagt, es gibt minimalinvasive Ein- chen. Das ist so eine schöne Bereichsausnahme, griffsmethoden wie zum Beispiel die Ultraschallun- wo Sie ganz schnell merken: Oh, die Menschen- tersuchung rechte gelten doch nicht ganz so universal, wie ich mir das hier im Plenum gerade vorstelle. Sie kön- (Unruhe DIE LINKE) nen auch ganz einfach mal versuchen, in Nordko- und vor dem Hintergrund ist das selbstverständlich rea oder im Kongo oder, was weiß ich, in Algerien gerechtfertigt. Und dann schauen Sie sich bitte mal oder in Saudi-Arabien auf ihre Menschenrechte zu in unserer europäischen Nachbarschaft um. Wenn pochen. ich Sie so höre, könnte man annehmen, da gibt es (Beifall AfD) nur noch Diktaturen, die auf die Menschenrechte pfeifen und auf die Grundrechte pfeifen. Das tun die Und ganz schnell merken Sie, Menschenrechte aber mitnichten. Die haben nur einfach eine mittler- sind eine ziemlich regionale Sache, ja? Eine ziem- weile wesentlich realitätsnähere und pragmatische- lich regionale Sache. Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 110. Sitzung - 22.02.2018 9491

(Abg. Möller) (Zwischenruf Abg. Dr. Hartung, SPD: Dahin Präsident Carius: wollen Sie Menschen abschieben!) Eine weitere Wortmeldung vom Abgeordneten Har- Und dieser Staat, der eine wirklich einzigartige Li- zer von der Fraktion Die Linke. beralität, einen einzigartigen Schutz der Menschen- rechte, der Grundrechte gewährleistet, der kann Abgeordneter Harzer, DIE LINKE: das auch nicht so einfach aus dem Stegreif, son- dern der kann das nur, weil diese Gesellschaft nun Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und mal so tickt, wie sie tickt, weil sie so geworden ist, Kollegen der demokratischen Fraktionen, muss ich wie sie geworden ist, auch aus ihrer Geschichte wieder mal sagen! Herr Möller hat sich ja hier heraus. All diese Grundfundamente, die für diese schön ausgelassen, was alles gilt und was nach Achtung der Menschenrechte hier in Deutschland seiner Meinung nicht gilt, und hat sich auf Artikel 1 mit ursächlich sind, die stellen Sie mit Ihrer Migra- des Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutsch- tionspolitik gerade massiv infrage und Sie werden land berufen. Ich lese mal kurz vor, Artikel 1 Abs. 3: mit dafür verantwortlich sein, wenn die Menschen- „Die nachfolgenden Grundrechte binden Gesetzge- rechte hier auch deswegen geschliffen werden. bung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung nach unmittelbar geltendem Recht.“ Artikel 1 be- (Beifall AfD) sagt, dass die Grundrechte für alle gelten. Artikel 2 Zu Ihrer zweiten Frage, die kann ich ehrlich gesagt Abs. 2: „Jeder hat das Recht auf Leben und körper- nicht verstehen. Ich meine, meine Kollegin Herold liche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist un- ist nun selbst vom Fach. Sie hat Ihnen wirklich in verletzlich. In diese Rechte darf nur aufgrund eines epischer Breite dargelegt, warum es fachlich Gesetzes eingegriffen werden.“ durchaus möglich ist, eine qualifizierte Altersunter- (Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) suchung vorzunehmen, welche Sicherheitsabschlä- ge oder Zuschläge dafür zu machen sind. Also vor (Unruhe AfD) dem Hintergrund verstehe ich Ihre Frage wirklich Das gilt für alle. Das gilt also für Deutsche und für nicht, ob wir uns mit der Sache beschäftigt haben. Ausländer in diesem Lande und „[n]iemand darf we- Natürlich haben wir das getan, und zwar mehr als gen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, sei- ausreichend. Danke. ner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Her- (Beifall AfD) kunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politi- schen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden“, steht in Artikel 3 Abs. 3. Präsident Carius: (Beifall DIE LINKE) Frau Abgeordnete Berninger hat sich für die Frak- tion Die Linke gemeldet. Herr Möller, Sie können das als Jurist nachlesen, dass ist Verwaltungsrecht, FL2, Lehrgang zum Abgeordnete Berninger, DIE LINKE: Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland. Da lernt man das in der normalen Verwaltungsschule. Meine Damen und Herren, nur ganz kurz und damit Ich denke, Sie sollten das als Jurist auch kennen das nicht als sozusagen letztes Wort im Raum ste- und auch lernen und Sie sollten sich vielleicht auch hen bleibt und unwidersprochen bleibt. Auch wenn mal damit befassen – und da brauchen Sie nicht zu die rechtspopulistische AfD das gerne so hätte, lachen, Herr Höcke –, warum die Bundesrepublik dass Menschenrechte nach der Herkunft der Men- Deutschland, warum die Väter des Grundgesetzes schen vergeben werden: Menschenrechte sind kei- das damals, 1948, hineingeschrieben haben, aus neswegs eine regionale Sache, Menschenrechte welcher geschichtlichen Entwicklung heraus sie sind universal. diese Grundrechte hineingeschrieben haben. (Zwischenruf Abg. Kuschel, DIE LINKE: Uni- (Beifall DIE LINKE) versalrechte!) Genau diese Diskussion, die wir heute hier führen, (Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE die Sie hier rassistisch führen, die Sie hier men- GRÜNEN) schenverachtend führen, die nicht zu Änderungen Und wir hier in Thüringen, wir haben uns vorge- kommt, nicht zu Gesetzen führt, sondern die Men- nommen, Menschenrechte tatsächlich auch umzu- schen wieder ausgrenzt, setzen und nicht für Menschen aufgrund ihrer Her- (Zwischenruf Abg. Henke, AfD: Herr Harzer, kunft zu beschneiden. ich bitte Sie!) (Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE die wieder die Meinungsfreiheit einschränkt, die GRÜNEN) wieder Rasselisten aufmacht, die wieder sagt – da- mals waren es die Juden, heute sind es die Mos- lems –: „Wir gegen euch, wir gegen dich, du bist der Böse, der Aussätzige“, das ist die Diskussion, 9492 Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 110. Sitzung - 22.02.2018

(Abg. Harzer) die Sie führen, damit bereiten Sie ein neues 1933 Hatte jeder Gelegenheit zur Stimmabgabe? Das ist vor. Danke. der Fall. Dann schließe ich den Abstimmungsvor- gang und bitte um Auszählung. (Beifall DIE LINKE, SPD) So, wir haben ein Ergebnis. Es wurden abgegeben Präsident Carius: 78 Stimmen, 28 Jastimmen, 50 Neinstimmen, keine Enthaltung (namentliche Abstimmung siehe Anla- Ich glaube, Herr Harzer, mit dem Vergleich zu 1933 ge 2). Damit ist der Alternativantrag in der Drucksa- sind Sie ein bisschen über das Ziel hinausgeschos- che 6/5338 mit Mehrheit abgelehnt. sen. Ich schließe damit diesen Tagesordnungspunkt und (Zwischenruf Abg. Dr. Scheringer-Wright, rufe auf den Tagesordnungspunkt 10 DIE LINKE: Warum?) Ich würde Sie einfach bitten, sich da ein bisschen Verwendung von Zuführungen mehr zu mäßigen. aus dem früheren Vermögen (Zwischenruf Abg. Dr. Scheringer-Wright, der Parteien und Massenorga- DIE LINKE: Das stimmt doch, dass die AfD nisationen der DDR so ist!) Antrag der Fraktion der CDU - Drucksache 6/4944 - Nein, wir sollten uns hier im Parlament nicht gegen- dazu: Mittel aus den Vermögen seitig ständig vorwerfen, an irgendwelchen Traditio- der DDR-Parteien und nen von 1933 herumzuoperieren. Das geht einfach Massenorganisationen für zu weit, tut mir leid. Investitionen in die Zukunft (Beifall CDU, AfD) unserer Thüringer Heimat verwenden Wir kommen zurück zur Frage, ob das Berichtser- Alternativantrag der Frak- suchen zu Nummer I erfüllt worden ist. Erhebt sich tion der AfD dagegen Widerspruch? Es gibt Widerspruch, das - Drucksache 6/5339 - heißt, wir stimmen dann darüber ab. Wer dafür ist, dazu: Verwendung von Zuwei- dass das Berichtsersuchen erfüllt wurde, den bitte sungen aus dem Vermö- ich jetzt um das Handzeichen. Das sind die Stim- gen der Parteien und Mas- men der Koalitionsfraktionen. Danke. Gegenstim- senorganisationen der men? Aus der AfD-Fraktion. Enthaltungen? Von der ehemaligen DDR (PMO- CDU-Fraktion. Damit wurde mit Mehrheit fest- Vermögen) gestellt, dass der Sofortbericht gegeben und das Alternativantrag der Frak- Berichtsersuchen erfüllt wurde. tionen DIE LINKE, der Wir kommen sodann zur Abstimmung zu Nummer II SPD und BÜNDNIS 90/ des Antrags in der Drucksache 6/4939. Ausschuss- DIE GRÜNEN überweisung ist nicht beantragt worden, sodass wir - Drucksache 6/5340 - direkt über den Antrag abstimmen. Wer dafür ist, Ich frage: Wünscht die CDU-Fraktion das Wort zur den bitte ich jetzt um das Handzeichen. Das sind Begründung? Das ist der Fall. Herr Abgeordneter die Stimmen der AfD-Fraktion. Gegenstimmen? Wirkner, Sie haben dafür das Wort. Aus den Koalitionsfraktionen und der CDU-Frak- tion. Damit mit Mehrheit abgelehnt. Abgeordneter Wirkner, CDU: Wir stimmen nun über den Alternativantrag der CDU-Fraktion ab. Hier ist ebenfalls keine Aus- Werter Herr Präsident, meine sehr verehrten Da- schussüberweisung beantragt worden. Herr Abge- men und Herren Abgeordneten, nach dieser so- ordneter Primas, bitte. eben emotionalen Debatte hoffe ich, dass wir uns mal wieder sachlichen Themen widmen. Es geht um viel Geld und im Allgemeinen erregt das immer Abgeordneter Primas, CDU: das allgemeine Interesse – und da bitte ich Sie, ein- Namentliche Abstimmung möchten wir gern bean- mal zuzuhören. tragen. (Zwischenruf Abg. Kuschel, DIE LINKE: Ich mache das!) Präsident Carius: Gut, dann stimmen wir darüber namentlich ab. Ich Präsident Carius: bitte, die Stimmkarten einzusammeln. Herr Abgeordneter Wirkner, ganz kurz. Ich würde vielleicht den einen oder anderen stehenden Kolle- gen bitten, den Plenarsaal für ein Gespräch nach Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 110. Sitzung - 22.02.2018 9493

(Präsident Carius) draußen zu verlassen, und dann können alle ande- rungen nur noch mit Zustimmung des Vorsitzenden ren wieder gespannt zuhören. dieser Kommission möglich. Nach längerem Rechtsstreit ist es nun so, dass aus Abgeordneter Wirkner, CDU: diesen Mitteln einmal mehr Auszahlungen von rund Danke sehr. Der vorliegende Antrag der CDU-Frak- 185 Millionen Euro an die neuen Länder und Berlin tion sieht vor, auf der Grundlage der beiden Verwal- in Aussicht gestellt wurden. Die Mittel sind zweck- tungsvereinbarungen zwischen der BvS, der Bun- gebunden und nach den Maßgaben der Verwal- desanstalt für vereinigungsbedingte Sonderaufga- tungsvereinbarungen zwischen Bund und Ländern ben, und den Ländern vom 11.02.1994 und vom sowie innerhalb einer bestimmten Frist einzuset- 18.02.2008 die PMO-Mittel, Mittel aus Parteienver- zen. Ich habe, sobald bekannt wurde, dass diese mögen und Massenorganisationsvermögen zu Zei- Mittel erneut fließen, auch eine Kleine Anfrage an ten der DDR, im Sinne der Aufarbeitung des DDR- die Thüringer Landesregierung gestellt. Beantwor- Unrechts zu verwenden, wofür konkrete, mit den tet wurde diese in der Drucksache 6/5256 am betroffenen Akteuren vor Ort abgestimmte Vor- 25. Januar 2018 und es wurde deutlich, dass es an schläge im Antrag unterbreitet werden, die sich der einen oder anderen Stelle noch Beratungsbe- sämtlich auf Investitionen in diesem Bereich bezie- darf und Verhandlungsbedarf gibt. hen. Um die Mittel auch außerhalb der laut Verwal- Ich gebe zu, sehr geehrter Herr Wirkner, ich hätte tungsvereinbarungen geforderten investiven Maß- mich sehr gefreut, wenn Sie auch einmal auf uns nahmen einsetzen zu können, also breit gefächer- zugekommen wären und nicht einfach nur die An- ter, für Forschungszwecke, Stiftungen in diesem frage zur Kenntnis genommen und daraus einen Bereich, fordert der Antrag eine Anpassung der gel- Antrag entwickelt hätten, zu dem wir nun deshalb tenden Verwaltungsvereinbarungen in diesem Sinn. leider einen Alternativantrag vorlegen mussten. Das ist das Kernanliegen dieses Antrags, die Ände- Denn Ihr Antrag greift aus unserer Sicht zu kurz, er rung der Verwaltungsvereinbarung, um die finan- ist zu eng gefasst und ist leider – ich muss es so ziellen Mittel in den nächsten Jahren breit gefächer- sagen – auch nicht auf der Höhe der Zeit. ter anwenden zu können. Danke. Ich will ausführen, warum wir dafür werben wollen, (Beifall CDU) unserem Antrag zuzustimmen. Die Aufarbeitung des SED-Unrechts ist und bleibt eine der Kernauf- Präsident Carius: gaben der Erinnerungs- und Gedenkkultur in Thü- ringen. Deshalb steht das natürlich so auch im rot- Danke schön. Gibt es den Wunsch der AfD-Frak- rot-grünen Koalitionsvertrag. Aufarbeitung ist für tion auf Begründung des Antrags? Bis jetzt nicht, uns fester Bestandteil der demokratischen Kultur okay. Auch bei den Koalitionsfraktionen sehe ich von morgen. Aufarbeitung bleibt für uns auch fester keinen Wunsch, sodass ich die Beratung eröffne. Bestandteil des täglichen – ich sage es so deutlich Als Erste erhält Abgeordnete Rothe-Beinlich für die – Wirkens von Landtag und Landesregierung im Fraktion Bündnis 90/Die Grünen das Wort. Freistaat. Genau deshalb haben wir das auch in un- serem Antrag so formuliert: „Der Landtag ist sich Abgeordnete Rothe-Beinlich, BÜNDNIS 90/DIE seiner […] Verantwortung bewusst.“ Natürlich ist GRÜNEN: Aufarbeitung somit – wie die CDU formuliert – eine Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und der Kernaufgaben der Erinnerungs- und Gedenk- Herren, liebe Gäste, wir reden heute über die Ver- kultur in Thüringen. Unser Anspruch geht aber da- wendung von Zuweisungen aus dem Vermögen der rüber hinaus. Erinnerungs- und Gedenkkultur be- Parteien und Massenorganisationen der ehemali- schränkt sich in unseren Augen eben nicht nur da- gen DDR; Herr Wirkner von der CDU hat es eben rauf. Sie schließt für uns auch eine konstruktive Mit- schon gesagt. wirkung, also eine eigene Tat an der Aufarbeitung der SED-Diktatur und des damit verbundenen Un- Ich will vielleicht kurz etwas zum Hintergrund dieser rechts, mit ein. ganzen Thematik ausführen. Am 31. Mai 1990 – das können Sie auch noch mal etwas dezidierter in Die Ziffer II des Antrags der CDU muss aus unserer unserer Begründung nachlesen – hatte die Volks- Sicht entfallen. Es gibt keine Änderung der Verwal- kammer der DDR das Gesetz zur Änderung des tungsvereinbarungen zwischen Bund und Ländern, Gesetzes über Parteien und andere politische Ver- das müssten Sie wissen und das bedauern wir aus- einigungen beschlossen. Das Gesetz stellte das drücklich. Zwar ist richtig, dass diese Verwaltungs- Vermögen der Parteien und mit ihnen verbundenen vereinbarungen nicht mehr zeitgemäß sind und es Organisationen, juristischen Personen und Massen- notwendig bleibt, dass die Landesregierung sich organisationen der DDR im In- und Ausland unter dafür verwenden sollte, Änderungen herbeizufüh- Treuhänderschaft der unabhängigen Kommission. ren. Darüber herrscht auch Einigkeit, glaube ich, Von diesem Zeitpunkt an waren Vermögensände- bei allen. Eine Vereinbarung lässt sich aber nur än- 9494 Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 110. Sitzung - 22.02.2018

(Abg. Rothe-Beinlich) dern, wenn alle Seiten das wollen. Ich weiß nicht, lich in der Tat inhaltlich prädestiniert, könnte man ob das im Moment so ist. sagen. Die weiterhin geltenden Verwaltungsvereinbarun- Wichtig ist uns in unserem Antrag aber vor allem gen hindern uns daran, die Mittel aus dem Vermö- der Punkt II.2. Wir wollen die Errichtung eines gen der Parteien und Massenorganisationen nicht Fonds für soziale Härtefälle oder bisher nicht be- nur auf Investitionen in Infrastrukturen und kulturel- rücksichtigte Gruppen von Opfern des SED-Un- le Einrichtungen der Länder zu beschränken. Damit rechts endlich möglich machen. Auch aus der Ar- entfallen jegliche Überlegungen in eine andere beit der interministeriellen Arbeitsgruppe zur Unter- Richtung, sei es zur Förderung von Forschungspro- stützung und Weiterentwicklung der Aufarbeitung jekten zu den SED-Unrechtsbereinigungsgesetzen der SED-Diktatur in Thüringen wissen wir, es gibt oder nicht erfassten Opfergruppen. Das bedauern nicht wenige Betroffene von SED-Unrecht, die bis- wir. Diese Verwaltungsvereinbarungen ermöglichen her – ich nenne es mal so – durch jedes Raster der diese Art der Mittelverwendung nicht. Deshalb ha- Rehabilitierung und Wiedergutmachung gefallen ben wir unseren Antrag auch ganz deutlich formu- sind, weil sie einer der bisher nicht erfassten Opfer- liert. Wir wollen ermöglichen, dass für genau diese gruppen angehören oder die in den Gesetzen fest- Zwecke, nämlich Neukonzeption, Modernisierung geschriebenen Fristen aus verschiedenen, oft per- und umzusetzende bauliche Maßnahmen an den sönlichen Gründen verstreichen lassen mussten, im Freistaat existierenden Erinnerungs- und Ge- weil es ihnen bisher nicht gelang, hinreichende denkorten als Stätten der Bildung, Aufklärung und Nachweise einzureichen, oder sie aufgrund der mit wissenschaftlicher Aufarbeitung, auch Mittel bereit- dem Verfahren der Wiedergutmachung verbunde- gestellt werden. Wir wollen das aber nicht nur auf nen psychischen Belastungen nicht in der Lage wa- einzelne Orte beschränken – Sie haben für investi- ren, sich dem Verfahren zu stellen. Genau diesen ve Maßnahmen drei Punkte vorgeschlagen, vor al- wollen wir von Rot-Rot-Grün nun schnell und un- len Dingen eben zwei Orte –, sondern wir wollen kompliziert helfen können. Bei manchen, das wis- sinnvolle Schwerpunkte setzen. sen wir alle, drängt auch die Zeit. Uns geht es zum Beispiel darum, die ehemalige Sinnvoll ist es sicher, diesen Fonds nicht nur für Untersuchungshaftanstalt des ehemaligen Ministe- Thüringen, sondern gemeinsam für alle Ost-Länder riums für Staatssicherheit in Suhl als authentischen einzurichten. Die Mittel aus dem PMO-Vermögen Ort als Gedenkstätte herzustellen. Dafür haben wir für diese Zwecke einzusetzen, ist unter anderem uns als Koalition und habe auch ich mich persönlich auch eine Anregung von Betroffenenverbänden wie schon mehrfach ausgesprochen. Darüber hinaus der Union der Opfer der kommunistischen Gewalt- wollen wir den Erinnerungsort Andreasstraße in Er- herrschaft. Viele von Ihnen werden auch Post von furt als Ort für Aufklärung, Gedenken und Bildung dieser Vereinigung bekommen haben. Wir sorgen stärken. Hier wurden in der Vergangenheit auch mit unserem Antrag dafür, dass die vor Gericht er- schon Mittel aus dem PMO-Vermögen vernünftig strittenen Mittel, die 185 Millionen Euro, tatsächlich verwendet. In der Antwort auf meine Kleine Anfrage zielgerichtet für Zwecke der Aufarbeitung, Aufklä- kann man das genau nachlesen: Es sind mehr als rung und Wiedergutmachung eingesetzt werden. 5,5 Millionen Euro, die beispielsweise in die Andre- Man weiß heute noch nicht auf den Cent genau, asstraße geflossen sind. In Gera ist das Torhaus wie viel davon in Thüringen ankommt. Es werden am Amthordurchgang saniert und nutzbar. Den au- etwas über 30 Millionen Euro sein, die nach Thürin- thentischen Gerichtssaal, der noch heute genutzt gen kommen. Vielleicht sagt Frau Ministerin Tau- wird, in den Gedenk- und Bildungsort einzubezie- bert noch etwas dazu. hen, wäre hier eine spannende Aufgabe für das Dass es bei der Vergabe der Mittel aus dem Ver- Land, die wir uns jedenfalls wünschen würden. mögen der Parteien und Massenorganisationen der (Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE ehemaligen DDR eben nicht nur die Landesregie- GRÜNEN) rung sein soll, die hier wirkt, versteht sich ange- sichts des vorher Gesagten eigentlich von selbst. So richtig also manches im CDU-Antrag sein mag, Wir meinen und das wollen wir auch ausdrücklich: es zeigt sich, dass der Fokus bei Ihnen leider deut- Es braucht eine gute und enge Abstimmung mit der lich zu eng ist. Rot-Rot-Grün wird weiterhin dafür Fachöffentlichkeit. Dazu zählen für uns zum Bei- Sorge tragen, dass das Grüne Band beispielsweise spiel die im Geschichtsverbund zusammenge- – was uns auch sehr wichtig ist, was jetzt nicht ex- schlossenen Verbände, Initiativen, Institutionen, tra benannt ist, aber was wir hier als Naturmonu- Opferverbände oder die Forschungs- und Ausbil- ment bereits beraten und beschlossen haben – dungseinrichtungen wie die Universitäten in Jena ebenfalls in den Blickpunkt gerät, denn dort befin- und Erfurt mit ihren historischen Abteilungen oder den sich viele der Gedenk- und Erinnerungsorte. Bildungseinrichtungen wie zum Beispiel die Lan- Dafür braucht es natürlich auch Gelder und dafür deszentrale für politische Bildung. Entscheidend ist sind die PMO-Mittel in ihrer Zweckbindung eigent- letztlich – da sind wir uns auch mit den Opferver- bänden einig –, dass wir diese Mittel nicht irgendwo Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 110. Sitzung - 22.02.2018 9495

(Abg. Rothe-Beinlich) versacken lassen oder sie für unbestimmte Zwecke ben Sie selbst heute eigentlich das Gegenteil da- eingesetzt werden, sondern dass diese Mittel aus von bewiesen – dass er zeitgemäßer ist, als Sie ge- dem Vermögen der Parteien und Massenorganisa- sagt haben: Die Verwaltungsvorschriften können tionen der ehemaligen DDR für Maßnahmen der nicht verändert werden. Das ist der Sinn dieses An- Rehabilitation und Wiedergutmachung der Folgen trags, dass diese Verwaltungsvereinbarungen er- der SED-Diktatur sowie Aufklärung und Bildung weitert werden. Deswegen soll die Landesregierung zielgerichtet eingesetzt werden. Dem dient unser beauftragt werden, sich darum zu bemühen, damit Antrag. wir letzten Endes auch alles verwirklichen können, was Sie vorhin vorgetragen haben. Ich will es noch einmal sagen: Wir wissen, dass die Gelder in unterschiedlichen Chargen ausgereicht (Zwischenruf Abg. Rothe-Beinlich, BÜNDNIS werden, und wir wissen auch darum, dass wir auf 90/DIE GRÜNEN: Dann haben Sie mir nicht die erste Charge, da die Verwaltungsvereinbarun- richtig zugehört!) gen so sind, wie sie sind, wenig Einfluss haben Der Sinn dieses Antrags besteht nicht in den einzel- werden. Auch das wird sicherlich noch Thema die- nen, detailliert aufgeführten, von Ihnen, von uns ser Debatte sein. Wir machen uns aber gerade bei und von der AfD angemahnten Maßnahmen, son- der zweiten Charge dafür stark, dass diejenigen, dern er besteht darin, dass die Landesregierung die, wie gesagt, bis jetzt nicht beachtet werden sich bemüht, mit den anderen neuen Bundeslän- konnten – ich will hier nur die verfolgten Schüler be- dern eventuell diese Vorschriften, diese Vereinba- nennen –, endlich auch bedacht werden können. rungen zu verändern, um mit der Finanzierung von Das ist uns ein großes Anliegen. In diesem Sinne: Maßnahmen flexibler zu sein. Das nur vorweg. Herr Wirkner, hätten wir eher zueinander gefunden, hätten wir vielleicht auch einen gemeinsamen An- Aus dem ehemaligen PMO-Vermögen stehen laut trag formulieren können. Wir würden uns freuen, Auskunft der Bundesanstalt für vereinigungsbeding- wenn Sie unserem Antrag zustimmen können. te Sonderausgaben, BvS genannt, in den Jahren 2018 und 2019 voraussichtlich 185 Millionen Euro Ich will noch zwei Sätze zum Antrag der AfD sagen. für die neuen Bundesländer zur Verfügung. Das Mir scheint es eher so, als ob sie unbedingt auch ir- Vermögen stammt im Übrigen aus der ehemaligen gendetwas vorlegen wollte. Wenn Sie schauen, wo- Ost-Berliner Handelsfirma Novum, einem getarnten für Sie die Gelder verwenden wollen, müssen Sie Unternehmen der damaligen SED. Thüringen hat in uns erklären, was das mit Aufarbeitung zu tun hat, den zurückliegenden Jahren bereits 69,5 Millio- wenn Sie zum Beispiel das Büchsenmacherhand- nen Euro erhalten und kann nun wiederum mit werk wiederbeleben wollen oder 30 Millionen Euro – diese Zahl steht noch nicht (Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE endgültig fest – rechnen. GRÜNEN) Grundlage für die Verwendung der finanziellen Mit- einen Fonds für Meister im Handwerk auflegen tel bilden Verwaltungsvereinbarungen aus den Jah- möchten. Das mag ein löbliches Anliegen insbeson- ren 1994 und 2008, in denen geregelt ist, dass die dere nach dem gestrigen Abend sein, hat aber mit sogenannten PMO-Mittel ausschließlich im Sinne Aufarbeitung nun wahrlich nichts zu tun. Der Antrag der Aufarbeitung des DDR-Unrechts verwendet ist daher abzulehnen. werden dürfen, wofür konkrete und mit den Akteu- ren vor Ort abgestimmte Vorschläge unterbreitet (Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE werden sollen, die sich allerdings grundsätzlich auf GRÜNEN) Investitionen in diesem Bereich beschränken. Zwar (Zwischenruf Abg. Herold, AfD: Da muss können die Länder selbst über die geförderten oder man mal ein bisschen weiterdenken!) zu fördernden Projekte entscheiden, die Zweckbin- dung steht allerdings fest. So sollen die Mittel zu Präsident Carius: 60 Prozent für investive und investitionsfördernde Maßnahmen der öffentlichen Hand im Bereich der Danke schön, Frau Abgeordnete Rothe-Beinlich. wirtschaftlichen Umstrukturierung eingesetzt wer- Als Nächster hat Abgeordneter Wirkner für die den und die restlichen 40 Prozent der Mittel sollen CDU-Fraktion das Wort. bei investiven und investitionsfördernden Maßnah- men im sozialen und kulturellen Bereich Anwen- Abgeordneter Wirkner, CDU: dung finden – davon wiederum 25 Prozent im Be- reich der öffentlichen Hand und 15 Prozent im Be- Werter Herr Präsident, meine sehr verehrten Da- reich der nicht staatlichen Träger. Unser Antrag, men und Herren! Zu Beginn, Frau Rothe-Beinlich, der heute hier eingebracht wurde, zielt darauf ab, möchte ich noch mal darauf hinweisen, dass wir diese Zweckbindung aufzuheben bzw. zu erweitern, den Antrag bereits im Januar eingebracht hatten. um künftig auch außerhalb der Investitionsvorga- Dass dieser heute auf der Tagesordnung steht, ist ben langfristige und zukunftsorientierte Initiativen nun mal den zeitlichen Umständen zu verdanken. Wenn Sie sagen, er ist nicht zeitgemäß, dann ha- 9496 Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 110. Sitzung - 22.02.2018

(Abg. Wirkner) zur Aufarbeitung des SED-Unrechts unterstützen rüber diskutiert. Wir fordern nach wie vor, dass die- zu können. se drei Außenstellen selbst bei einem zentralen neuen Archivgebäude als Gedenk- und Bildungs- Dabei sollten nach unserer Ansicht mindestens einrichtungen erhalten bleiben. Daher macht es zwei Säulen der Mittelverwendung in den Fokus ge- sich erforderlich, speziell in Suhl Investitionen zu tä- rückt werden. Zum Ersten: Aufarbeitung, politische tigen. In der Amthorstraße ist dies nicht in der Grö- Bildung, Gedenkkultur und Forschung. Zum Bei- ßenordnung notwendig, wenn es überhaupt not- spiel könnten wir uns vorstellen – und dafür werbe wendig ist, in der Andreasstraße so gut wie über- ich –, dass wir dann, falls die Verwaltungsvorschrif- haupt nicht. ten geändert werden, zum Beispiel das Stiftungs- vermögen der Stiftung Ettersberg erhöhen. Hier, wo Aber ein besonderes Anliegen – und das ist ein seit Jahren professionell politische Bildung, Aufar- persönliches Anliegen von mir – ist eine dritte Säu- beitung, Forschung und Gedenkkultur gelebt wer- le, die ich mir wünschen würde, die jetzt in diesem den, könnte man weitere Möglichkeiten auf diesem Antrag nicht aufgeführt ist: Das ist die Entschädi- Gebiet erschließen, um zum Beispiel zusätzliche gung und Härtefallregelung für Opfer der SED-Dik- Angebote für Bildungseinrichtungen anzubieten. tatur. Weiterhin möchten wir die Schaffung einer Stif- (Zwischenruf Abg. Rothe-Beinlich, BÜNDNIS tungsprofessur an der Uni Erfurt organisieren zur 90/DIE GRÜNEN: Steht bei uns drin. Dann wissenschaftlichen Erforschung des DDR-Grenzre- können Sie unserem Antrag zustimmen!) gimes und den Auswirkungen der Grenzregionen auf beiden Seiten der innerdeutschen Grenze. Wei- Seit vielen Jahren, um nur ein Beispiel zu nennen, terhin stellen wir uns die Finanzierung von Bil- kämpft der Opferverband der Zwangsausgesiedel- dungsprogrammen bei der Thüringer Landeszentra- ten um eine angemessene Entschädigung für verlo- le für politische Bildung vor, um die Geschichte der ren gegangenes Eigentum. Hier könnte zum Bei- Freiheit in unserem Land sowie die Werte der inter- spiel das Land Thüringen eine Vorreiterrolle über- nationalen Zusammenarbeit in den Fokus vor allen nehmen und eigenständig eine Lösung anstreben Dingen in den Schulen zu stellen. Begegnungen und es nicht den Opferverbänden überlassen. Viele von jungen Menschen national und international Opferverbände drängen darauf, eine Härtefallrege- sollen als zentrales Element des Programms „Politi- lung zu treffen – ebenfalls schon angesprochen –, sche Bildung“ Beachtung finden. um jenen zu helfen, die aufs Schwerste betroffen sind und die die Zeiten der DDR und das dort erfah- Die zweite Säule sind die Investitionen. Ungeachtet rene Leid bis heute noch nicht überwunden haben. der Ergebnisse einer Anpassung der Verwaltungs- vereinbarungen für die Verwendung der PMO-Mittel Meine Damen und Herren, um dies zu verwirkli- stehen natürlich auch wie in den vergangenen Jah- chen, bedarf es nach unserer Meinung eines Bei- ren Investitionen an, die sich maßgeblich auf die rats. Für die Vergabe dieser Mittel sollte ein Beirat Gedenkkultur beziehen. Vordergründig möchte ich eingerichtet werden, in dem folgende Institutionen dabei benennen: die Herrichtung der Freizellen der und Organisationen tätig werden sollen und mit da- ehemaligen Untersuchungshaftanstalt des Ministe- rüber bestimmen, wie das Vermögen oder diese fi- riums für Staatssicherheit in Suhl, wie auch Sie, nanziellen Mittel verteilt werden und verwendet Frau Rothe-Beinlich, bereits benannt haben, bauli- werden. Da denken wir zum Beispiel an die Arbeits- che Maßnahmen zur Kapazitätserweiterung der gemeinschaft Thüringer Opferverbände, „Verbän- Point Alpha Stiftung bzw. der Point Alpha Akade- derunde“ genannt, die Arbeitsgemeinschaft zur Auf- mie, Neugestaltung des maroden Eingangs- und arbeitung der SED-Diktatur, den Geschichtsver- Kassenbereichs an der Gedenkstätte Point Alpha, bund Thüringen, die Stiftung Ettersberg und den Neukonzeption, Umgestaltung des Grenzmuseums Landesbeauftragten für die Aufarbeitung der SED- Schifflersgrund und die damit verbundene Fertig- Diktatur. Von diesem Beirat soll zu sämtlichen In- stellung eines Eingangs- und Verwaltungsbereichs, vestitions- und anderen Vorhaben, wenn das dann des „Eichsfeld-Centers“, um nur einige zu nennen. möglich wäre, eine Stellungnahme eingeholt wer- den. Gestatten Sie mir noch eine Anmerkung grundsätz- licher Art, was diese ehemaligen Außenstellen der Mithilfe dieses Antrags soll also erreicht werden, BStU betreffen. Ich komme dann darauf zurück, dass die Landesregierung die PMO-Mittel auch ziel- warum ich das noch mal ausführe. Sicherlich ist es und sachgerecht zur Aufarbeitung des SED-Un- auch im Zusammenhang mit der durch die BStU rechts in Anwendung bringt. Bei dem Inhalt des An- vorgesehenen zentralen Einrichtung eines Archiv- trags handelt es sich um ein Kernthema der CDU, gebäudes in Thüringen in den nächsten Jahren nämlich die Aufarbeitung der Geschichte der SED- wichtig, als Folge Investitionen für den Erhalt aller Diktatur, ein Thema, das von der CDU im Laufe der bisherigen Außenstellen als Gedenk- und Bildungs- verschiedenen Legislaturperioden und im Landtag einrichtungen zu geben, damit wie bisher in den regelmäßig auf die Tagesordnung gesetzt wurde Außenstellen Akteneinsichten garantiert werden und auch künftig gesetzt wird. können. Sie wissen, wir haben hier kontrovers da- Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 110. Sitzung - 22.02.2018 9497

(Abg. Wirkner) Wir fordern daher die Landesregierung auf, sich für kungen auf die Grenzregionen. Und Sie sehen eine Erweiterung der Verwaltungsvorschriften ein- einen neuen Beirat vor. zusetzen, um dem Grundanliegen dieses Antrags Lassen Sie mich mit dem Beirat beginnen, Herr gerecht werden zu können. Da bedarf es eben ei- Wirkner. Die Einrichtung eines Beirats lehnen wir nes solchen Beschlusses, um letzten Endes Aktivi- von der AfD ab, denn über die Verwendung des täten auszulösen, und zwar länderübergreifend – Geldes kann eine Regierung durchaus allein ent- wer es nicht versucht, hat schon verloren –, diese scheiden. Verwaltungsvereinbarungen zu ändern, um breit gefächert die finanziellen Mittel zugunsten der Auf- Wir halten darüber hinaus auch den von Ihnen – al- arbeitung der DDR-Diktatur und der Geschichte de- so von der CDU – gewählten Schwerpunkt der vor- rer, die in der DDR gelebt haben, zu verwenden. geschlagenen Förderung nicht für richtig. Thüringen hat nach wie vor die Folgen der deutschen Teilung Diese zwei Änderungsanträge, eben von Frau Ro- zu beseitigen, vor allem die Ungleichheit der Le- the-Beinlich vorgetragen, oder diese Alternativan- bensverhältnisse gegenüber dem Westen. In erster träge beziehen sich zum Beispiel mit keinem Satz Linie gibt es dabei einen massiven Aufholbedarf bei auf die Änderung der Verwaltungsvereinbarungen. der Entwicklung unserer Thüringer Wirtschaft zu Da muss ich sagen: Das tut mir leid, dass das nicht nennen, denn nach wie vor haben wir einen Mangel Gegenstand Ihres Antrags ist. an gut bezahlten Arbeitsplätzen, die unseren Bür- Dann möchte ich natürlich noch mal auf den Ände- gern gleichwertige Lebensverhältnisse wie im Wes- rungsantrag der AfD zurückkommen. Natürlich ha- ten Deutschlands ermöglichen. ben Sie dort die Verwaltungsvereinbarungen/die (Beifall AfD) Veränderungen aufgezählt. Aber da möchte ich mich anschließen an das, was Frau Rothe-Beinlich Dieser massive Aufholbedarf bei der Wirtschaft in gesagt hat: Was hat das Büchsenmacherhandwerk Thüringen hat einen ganz einfachen Grund: Bis damit zu tun und das Handwerk grundsätzlich? zum Ende des Zweiten Weltkrieges war das unter- nehmerische Know-how und unternehmerische En- (Zwischenruf Abg. Möller, AfD: Was Sie alle gagement in Deutschland in Ost und West weitge- gegen Büchsenmacher haben?!) hend gleich verteilt, danach nicht mehr. Grund da- Selbst wenn es löblich wäre, dem Handwerk ir- für war die berechtigte Angst vor kommunistischem gendetwas zukommen zu lassen, ist es aus diesem Unternehmerhass, vor Repression und Verfolgung. finanziellen Fonds nicht möglich, so etwas zu finan- Diese Elemente der DDR-Diktatur sorgten schlicht zieren. Deswegen bitte ich Sie, vernünftig heute un- und ergreifend für einen Massenexodus nach Wes- seren Antrag zu unterstützen, damit grundsätzlich ten. So ziemlich alle, die auf dem Gebiet Thürin- die Veränderungen der Verwaltungsvereinbarungen gens nach 1945 eine tragfähige unternehmerische realistisch umgesetzt werden können. Vielen Dank. Idee im Kopf hatten, über genügend Eigeninitiative und über gesunde Beine verfügten, nahmen selbige (Beifall CDU) in die Hand und hauten aus der sowjetischen Be- satzungszone und später aus der DDR ab. Präsident Carius: (Zwischenruf Abg. Wolf, DIE LINKE: So ein Vielen Dank, Herr Abgeordneter Wirkner. Als Unsinn!) Nächster hat Abgeordneter Möller für die AfD-Frak- tion das Wort. Dieser Effekt hielt gerade auch wegen des unrecht- mäßigen diktatorischen Wirkens der Parteien und Massenorganisationen der DDR bis 1989 an. Auf- Abgeordneter Möller, AfD: grund dieser historisch einmaligen Situation ballen Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und sich deswegen im Westen die Zentralen der deut- Kollegen, liebe Gäste, bisher hat Thüringen knapp schen Konzerne und Weltmarktführer. Genau des- 70 Millionen Euro aus Zuführungen aus dem Ver- halb gibt es auch dort die Arbeitsplätze mit ver- mögen der Parteien und Massenorganisationen der gleichsweise traumhaften Konditionen – nicht aber DDR erhalten. Die CDU hat nun den Antrag hier in Thüringen. Dieser Prozess ist nicht mehr gestellt, wie diese Mittel verwendet werden. Das rückgängig zu machen, meine Damen und Herren, finden wir absolut begrüßenswert. Das gilt vor allem der ist nämlich historisch abgeschlossen. für das Ziel, dass die Verwendung der Mittel flexibel Jetzt kommen wir zum Punkt: Was ist für die AfD- ermöglicht wird. Insofern sind wir gar nicht so weit Fraktion Aufarbeiten? Aufarbeiten bedeutet für uns weg, Herr Wirkner. Der Antrag der CDU konzen- nicht nur, in der Erinnerung zu graben, Geschichte triert sich auf die Finanzierung von Projekten der aufzuarbeiten, sondern Aufarbeiten bedeutet für Erinnerungs- und Gedenkkultur, vor allem auf die uns nach dem Verständnis der AfD, diesen massi- Schaffung einer Stiftung zur wissenschaftlichen Er- ven Aufholbedarf, den ich eben skizziert habe, an- forschung des DDR-Grenzregimes und der Auswir- zugehen. Das ist ebenso Aufarbeiten im politischen Sinne. Da stellt sich die Frage: Wie macht man das 9498 Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 110. Sitzung - 22.02.2018

(Abg. Möller) am besten? Indem man beispielsweise die wenigen da wirklich etwas tun können. Das Geld, das wir da vorhandenen freien Mittel für eine Stiftungsprofes- einsetzen müssen, ist überschaubar. Es wäre hier sur zur Erforschung der Geschichte einsetzt, indem ohne Weiteres vorhanden. man Schülern historisches Bewusstsein schafft? (Beifall AfD) Meine Damen und Herren, gut bezahlte Arbeitsplät- ze wie im Westen Deutschlands, eine daraus resul- Lassen Sie mich eines noch klarstellen: Bei allem tierende hervorragende eigene Absicherung für pragmatischen Einsatz der Mittel für Handwerker Krankheit und Erwerbsunfähigkeit und für das Alter, und für unsere Wirtschaft sind wir natürlich nicht all die Dinge, die sich unsere Thüringer Bürger gegen die Erforschung der DDR-Geschichte oder wünschen, jedenfalls nach Sicherheit und Ordnung, gegen die Vermittlung entsprechenden Wissens. all diese Dinge, meine Damen und Herren, die krie- Wir haben uns als AfD oft für eine sachliche und gen wir nicht mit einer Stiftungsprofessur zur Erfor- gründliche Beschäftigung mit der DDR-Geschichte schung des DDR-Grenzregimes hin. Dazu brau- ausgesprochen und unter anderem auch vor der chen wir Ingenieure, dazu brauchen wir Hand- Gefahr gewarnt, die DDR zu verniedlichen. Aber wir werksmeister, dazu brauchen wir die Förderung meinen, dass entsprechende Schwerpunkte gesetzt von Marktchancen Thüringer Unternehmen. werden müssen. Deswegen sagt unser Antrag: Als Erstes sollte man die Mittel für die Förderung be- (Beifall AfD) stimmter traditioneller Thüringer Wirtschaftszweige Es gibt eine Menge Traditionsstandorte in Thürin- und Wirtschaftsstandorte verwenden und als Zwei- gen, deren regional spezifische Handwerkskunst tes sollte man daraus zumindest zum Teil einen nach wie vor einen hervorragenden Ruf hat, welt- Fonds zur Finanzierung der Meisterausbildung Thü- weit. Hier gibt es eine Menge Potenzial zu heben. ringer Handwerker ins Leben rufen. Dafür sind die- Deswegen sind wir auch auf die Büchsenmacher se PMO-Mittel sinnvoll im Interesse unserer Thürin- gekommen, weil gerade im Bereich des Waffen- ger Bürger eingesetzt. standorts Suhl, wo der Aufholbedarf bekannterma- (Beifall AfD) ßen besonders hoch ist Natürlich kann man das Geld dann in zweiter Linie (Zwischenruf Abg. Rothe-Beinlich, BÜNDNIS auch dafür verwenden, dass man beispielsweise 90/DIE GRÜNEN: Super Aufarbeitung!) ein Thüringer Landesmuseum einrichtet. Ich weiß, und noch genügend historische Anknüpfungspunk- dass auch in den Reihen der CDU zum Beispiel im- te und auch technische und handwerkliche Anknüp- mer wieder im Gespräch war, auf dem Petersberg fungspunkte für Wachstum und Entwicklung vor- hier in Erfurt ein Landesmuseum einzurichten. Da handen sind, genau dort könnte man mit diesem könnte man zwei Dinge, das Angenehme mit dem Geld entsprechende Chancen umsetzen. Nützlichen verbinden. Einerseits könnte man damit natürlich auch ein bisschen DDR-Geschichte aufar- (Beifall AfD) beiten, andererseits könnte man damit Thüringen Solange es aufgrund des notwendig massiven Opti- als Touristikstandort fördern, denn das ist ein at- mierungs- und Finanzierungsbedarfs bisher nicht traktiver Standort. Man würde weitere Gäste an- möglich war, das umzusetzen, sollte die erste Prio- locken. So ginge das Hand in Hand. Wenn dann rität bei der Verwendung von 30 Millionen Euro ge- noch Geld übrig ist, spricht auch überhaupt nichts nau auf diesem Schwerpunkt liegen. Erinnern Sie dagegen, zunächst Grenzlandmuseen und DDR-Er- sich bitte noch mal an den gestrigen Abend, den innerungsorte, die in Thüringen schon vorhanden parlamentarischen Abend des Handwerks. Da wa- sind, weiter zu fördern, dort Sanierungsbedarf oder ren sich alle einig, dass man doch unglaublich viel sonstigen Finanzierungsbedarf zu erfüllen und so für Handwerker tun müsste. Alle, gerade auch die für alle – nicht nur für eine Stiftung oder für ein paar CDU, haben gesagt: Wir müssten uns doch mal um Leute, die bestimmte Lehrgänge besuchen – erleb- die Ausbildung der Meister kümmern, wir könnten bare Geschichte zu schaffen. Das wäre aus unse- doch vielleicht auch erreichen, dass die Meisteraus- rer Sicht ein guter Dreiklang und den bildet unser bildung gefördert wird. Sie wollten 1.000 Euro ha- Antrag ab. Deswegen werbe ich dafür, dass unser ben – wir meinen, das kriegt man auch kostenfrei Antrag hier von allen dreien den Vorzug erhält. Vie- hin. Überlegen Sie mal, wie viele Meisterausbil- len Dank. dungsgänge Sie mit 30 Millionen Euro völlig kosten- (Beifall AfD) frei anbieten könnten. (Beifall AfD) Vizepräsidentin Marx: Damit würden wir – und Ihnen, Herr Wirkner, liegt Als nächster Redner erhält Abgeordneter Dr. Pidde das ja persönlich am Herzen aufgrund Ihrer eige- von der SPD-Fraktion das Wort. nen beruflichen Herkunft – das Nachfolgeproblem, was sich der thüringischen Handwerkerschaft mas- siv stellt, massiv bekämpfen können. Wir würden Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 110. Sitzung - 22.02.2018 9499

Abgeordneter Dr. Pidde, SPD: dem Hintergrund, dass 30 Millionen Euro zu erwar- ten sind, und sie tut so, als wäre jetzt alles möglich. Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, wie Aber leider ist dem nicht so. Der Alternativantrag passt denn das alles zusammen, liebe Kollegen der Koalitionsfraktionen, den die Kollegin Rothe- von der CDU? Jetzt fordern Sie grundsätzliche Än- Beinlich vorhin ausführlich dargestellt hat, nimmt derungen in der Verwendung der PMO-Mittel. Wie- das Machbare in den Blick. so haben Sie das Thema bisher verschlafen? Es gab in den zurückliegenden Legislaturperioden kei- Natürlich können und sollen PMO-Mittel für Investi- ne Bemühungen in dieser Hinsicht von Ihnen, von tionen in die Modernisierung der im Freistaat exis- einem CDU-Ministerpräsidenten oder der Minister- tierenden Erinnerungs- und Gedenkorte als Stätten präsidentin, die Sie gestellt haben. Selbst in zehn der Bildung, Aufklärung und wissenschaftlichen Jahren Alleinregierung, wo Sie es ganz allein hät- Aufarbeitung verwendet werden. Das ist aber auch ten entscheiden können, wie Sie und was Sie anre- bisher schon möglich und auch so gemacht wor- gen wollen und wo Sie aktiv werden wollen, gab es den. Ich will nur mal erinnern, wo schon PMO-Mittel keinerlei Initiativen von Ihnen. Plötzlich haben Sie reingeflossen sind: zum Beispiel in die Gedenk- das Thema entdeckt. und Bildungsstätte Andreasstraße oder in das Grenzlandmuseum Eichsfeld oder in den Erinne- Dann bleiben Sie natürlich Antworten auf fachliche rungsort Topf & Söhne – und das alles innerhalb Fragen schuldig. Wenn man die rechtlichen und po- der bestehenden Verwaltungsvereinbarungen. litischen Rahmenbedingungen sieht, dann fordert die CDU-Fraktion in ihrem Antrag schlichtweg Din- Meine Damen und Herren, anstatt sich zu verzet- ge, die zu diskutieren vielleicht wünschenswert wä- teln und Dinge zu fordern, die mit der BvS und den re, aber deren Umsetzung illusorisch erscheint. Ihre anderen betroffenen Bundesländern kaum verhan- Vorschläge werden nicht allein durch die Änderung delbar sind, gehen die Koalitionsfraktionen einen der Verwaltungsvereinbarungen zwischen der BvS anderen Weg und präferieren eine Änderung der und den beteiligten Bundesländern zu lösen sein, Verwaltungsvereinbarungen für einen sehr wichti- sondern dann müssten Sie auch an das Parteien- gen und bisher vernachlässigten Verwendungs- gesetz herangehen. Das wissen Sie ganz genau, zweck. Wir sprechen uns dafür aus, das Geld aus dass das nicht oder so gut wie nicht machbar ist. der voraussichtlichen Schlussrate aus dem PMO- Vermögen für die Errichtung eines Fonds für sozia- Wenn wir uns die Sachlage mal anschauen: Das le Härtefälle und bisher nicht berücksichtigte Grup- Vermögen der Parteien, der mit ihnen verbundenen pen von Opfern des SED-Unrechts einzusetzen. Organisationen, juristischen Personen und Massen- organisationen der ehemaligen DDR unterliegt ge- (Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE mäß dem Gesetz über Parteien und andere politi- GRÜNEN) sche Vereinigungen der treuhänderischen Verwal- Hierzu gibt es bereits seit Langem Diskussionen tung. Die frühere Treuhandanstalt und jetzt die und ich habe die große Hoffnung, dass – anders als Bundesanstalt für vereinigungsbedingte Sonderauf- bei den weitgehenden Forderungen der CDU-Frak- gaben ist der dafür eingesetzte Treuhänder, der tion – hierzu ein Konsens zwischen der BvS und über dieses Vermögen und dessen Verwendung den neuen Bundesländern möglich ist. Wir nehmen wacht. Auf Basis von Verwaltungsvereinbarungen das Machbare in Angriff, wollen die Verwaltungs- zwischen der BvS und den neuen Bundesländern, vereinbarungen neu verhandeln. Wir wissen, dass einschließlich Berlin, wird das Vermögen Stück für das ein dickes Brett ist und dass es auch nicht ein- Stück ausgekehrt und in den Bundesländern ent- fach wird. Deshalb wäre es aber gut, wenn Sie uns sprechend des vom Parteiengesetz vorgegebenen dabei unterstützen würden und wenn wir gemein- Rahmens eingesetzt. Die Mittel müssen danach zu- sam daran arbeiten würden, statt hier Luftschlösser gunsten gemeinnütziger Zwecke, insbesondere der zu bauen, die in der Umsetzung unrealistisch sind. wirtschaftlichen Umstrukturierung eingesetzt wer- Vielen Dank für die Aufmerksamkeit. den. Präzisiert worden ist das Ganze durch die Ver- waltungsvereinbarungen. Danach ist das Geld für (Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE investive und investitionsfördernde Maßnahmen der GRÜNEN) öffentlichen Hand für wirtschaftliche, soziale und kulturelle Zwecke auszugeben. Vizepräsidentin Marx: Meine Damen und Herren, es gab auch in den zu- Für die Landesregierung erteile ich Frau Finanzmi- rückliegenden Jahren schon Bemühungen einzel- nisterin Taubert das Wort. ner Bundesländer, die Verwaltungsvereinbarungen zu ändern. 2011 hatten wir das und 2013. Es war Taubert, Finanzministerin: nicht von Erfolg gekrönt, weil der gemeinsame Wille aller beteiligten Länder – und alle müssen sich ja Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete, einigen – einfach nicht vorhanden war. Jetzt kommt sehr geehrte Frau Präsidentin, ich will Ihnen zu- dieser Schaufensterantrag der CDU-Fraktion vor nächst eines versichern, bevor ich Kritik übe: Ich 9500 Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 110. Sitzung - 22.02.2018

(Ministerin Taubert) versichere Ihnen, dass wir die Dinge aus den ein- Ermessensspielraum zu erweitern –, muss dann zelnen Anträgen, die wir im Rahmen der Umset- Geld zurückgezahlt werden. Und das ist für Thürin- zung dieser möglicherweise 30 Millionen Euro – gen verloren, es wird uns nicht angerechnet. Er- vielleicht sind es auch nur 28 Millionen Euro, das satzprojekte sind meistens schwierig und deswe- können wir heute noch nicht sagen, weil die BvS gen werden wir uns an der Stelle einsetzen. noch nicht genau geantwortet hat –, dass wir die Wir werden uns auch dafür einsetzen – und das, Mittel so in den Bereichen Erinnerungskultur einset- was Frau Rothe-Beinlich vorgetragen hat zu die- zen, wie Sie das auch in unterschiedlicher Form sem Fonds, auch mit den Gedenk- und Erinne- hier vorgetragen haben. Und wir wollen uns natür- rungsstätten, ist mit Frau Winter abgesprochen –, lich, wenn der Beschluss kommt, auch dafür einset- dass dann, wenn die letzte Charge ansteht, trotz al- zen, dass wir darüber hinaus, wenn Gelder übrig ledem noch mal die Möglichkeit besteht, in so einen sind und wir tatsächlich noch mal die Chance ha- Fonds einzuzahlen, damit man an der Stelle etwas ben, mehr zu tun, als hier nur Schauanträge zu lie- tut. Aber ich sage auch: Wir dürfen den Opfern fern, dann auch so einen Härtefallfonds einsetzen. nicht so viel neue Hoffnung machen, die dann bitter Das sei vorweg gesagt. enttäuscht wird. Auch das sage ich an all diejeni- Ich will in Richtung der CDU mal ein Beispiel aus gen, die herausgehen und sagen, Rot-Rot-Grün hat der DDR nennen. Es ist vielleicht ein bisschen ma- es nicht gewollt. kaber. Da gab es so einen Spruch: Hast du 5 Mark Ich will ein Zweites sagen: Natürlich ist es so, die für den Frieden? Und wenn du die gerade nicht hat- Mittel müssen zusätzlich ausgegeben werden, sie test, dann warst du gegen den Frieden. Und genau dürfen nur für Investitionen und investitionsfördern- so ist dieser Antrag, Herr Wirkner. Ich kann Ihnen de Maßnahmen ausgegeben werden. Nur ein Teil das nicht ersparen. Es ist ein reiner Show-Antrag. davon kann in diese Erinnerungskultur fließen. Al- Sie können dann rausgehen und sagen: R2G hat les, was laufende Ausgaben sind, was jetzt die Pro- es ja nicht gemacht, wohl wissend, dass es in der fessur betrifft – ich hatte ja angenommen, dass das Tat schon Bemühungen gegeben hat und nicht nur von Herrn Prof. Voigt eingebracht wird, weil er Dritt- erst von uns, das will ich gar nicht sagen, auch von mittelakquise machen will, aber offensichtlich, na ja, den vorausgegangenen Regierungen. Und da sage vielleicht war es auch trotzdem so gewesen. Für die ich mal ganz einfach und platt: So wie Sie es ma- Universität, diese Professur, habe ich gedacht, das chen würden, ist die CDU gescheitert. Die CDU ist ist bei Ihnen Drittmittelakquise. Das wird ja norma- daran völlig gescheitert. Und warum ist das so? lerweise von Privaten gesponsert und es gibt an Herr Dr. Pidde hat schon einiges erwähnt, ich will der Stelle schon mehrere Professuren, die sich mit es hier gar nicht noch mal vorlesen. Sehen Sie sich der Aufarbeitung beschäftigen, und zwar eine an, was in dieser VV von 1994 steht, was man W2-Professur für Europäischen Diktaturenvergleich 2008 gemacht hat, als man die Kommission abge- an der Friedrich-Schiller-Universität in Jena. Das schafft hat, als man das der BvS übertragen hat. Graduiertenkolleg „Die DDR und die europäischen Aber nach wie vor steht dort „Einvernehmen“ und Diktaturen nach 1945“ ist gleichfalls an der FSU Je- die Länder haben das Benehmen mit der BvS her- na angesiedelt, es kooperiert eng mit den interna- zustellen. Das ist eine ganz andere Hierarchie. Und tional renommierten wissenschaftlichen Einrich- Sie tun jetzt hier so, als wäre es jetzt ganz leicht. tungen. Auch das haben wir, also das ist eine Dau- Kein Bundesfinanzminister – und die waren lange eraufgabe, das können Sie aus den Mitteln gar auch bei der CDU gewesen, weit überwiegend so- nicht finanzieren. Auch das ist offensichtlich ein gar und hier im Lande waren sie immer bei der bisschen Schaulaufen für Dritte. Ähnlich ist es beim CDU gewesen – hat erreicht, dass an der Stelle Handwerk, nehme ich mal stark an. Herr Möller ist grundsätzliche Veränderungen vorzunehmen sind. ja Bundestagskandidat – nein, Quatsch, ist ja vor- Gleichwohl sage ich, wir werden zwei Anläufe neh- bei. men: Einmal, dass wir das, was jetzt ausschüttbar (Zwischenruf Abg. Rothe-Beinlich, BÜNDNIS sein wird, was eben aus diesen Rechtsstreitigkeiten 90/DIE GRÜNEN: OB-Gegenkandidat!) und dem Obsiegen der BvS gegenüber Banken im Ausland erreicht wurde, zumindest in einem länge- OB-Gegenkandidat, ja, okay. Er will offensichtlich ren Zeitraum ausgeben und damit natürlich auch damit punkten, dass er dann draußen erzählt, er viel stärker steuern können, als das bisher möglich will etwas für das Handwerk machen, Rot-Rot-Grün war. Und dass wir natürlich auch versuchen, ob wir will es ja nicht. Also auch das ist eine dauerhafte mehr hereinnehmen können, ob die BvS dazu be- Aufgabe. Da hätten Sie sich etwas anderes aus- reit ist. Wir haben aber in der Vergangenheit – auch denken müssen, es geht also nicht. andere Bundesländer, wie zum Beispiel die Sach- Ich will ein Letztes sagen: Natürlich müssen wir sen, also wir sind da eher kollektiv – merken müs- auch, wenn wir in diesem Jahr die Meldung von der sen: Wenn wir nicht in dem engen Rahmen der BvS BvS bekommen, dass wir einen bestimmten Betrag arbeiten – es hat sich wie gesagt kein Bundesfi- bekommen, diese Mittel, obwohl sie zusätzlich sind, nanzministerium jemals darum gekümmert, diesen natürlich auch an Haushaltsstellen ausgeben kön- Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 110. Sitzung - 22.02.2018 9501

(Ministerin Taubert) nen, wo schon Haushaltsstellen vorhanden sind. tersberg. Vielleicht wissen einige von Ihnen, dass Deswegen ist das in den vergangenen Jahren zum ich im Stiftungsrat der Stiftung Ettersberg bin und Beispiel bei den Gedenkstätten passiert, weil da dort sehr konstruktiv und gern mitarbeite mit mei- Haushaltsstellen vorhanden sind. Viele andere nem Fraktionskollegen Geibert. Das ist eine sehr Maßnahmen sind da auch im Rahmen Soziales, interessante Aufgabe. Die Stiftung Ettersberg be- Kultur und Wirtschaftsförderung, auch insbesonde- treibt die Andreasstraße, wo viele Investitionen hin- re Förderung der Kommunen, gefördert worden. So eingeflossen sind, unter anderem auch aus diesen werden wir das auch für diese Mittel handhaben Mitteln der vergangenen Jahre. Aber wenn wir uns und sind da guten Mutes, dass wir natürlich genau aufmachen wollen, um neue Gedenk- und Bil- das tun, was mit diesen Mitteln beabsichtigt war, dungseinrichtungen zu installieren – mein Wunsch nämlich Thüringen ein Stück weiterzubringen und wäre, das in Suhl zu tun, weil das in der Amthor- nicht zu vergessen, was wir an Erinnerungskultur straße in Gera möglich ist, in Suhl noch nicht –, haben. Danke. dann könnte ich mir vorstellen – das habe ich auch in der Stiftung bereits diskutiert –, ob nicht die Stif- (Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE tung eine Aufgabe zusätzlich übernehmen und so GRÜNEN) wie in der Andreasstraße eine Gedenk- und Bil- dungseinrichtung in Suhl betreiben könnte, wenn es Vizepräsidentin Marx: dort nicht auch ein Verein kann. Das ist das Ansin- Vielen Dank. Gibt es eine weitere Wortmeldung? nen der ganzen Geschichte. Bitte, Herr Wirkner. Herr Möller, der leider nicht da ist: Es gibt keine Grenzlandmuseen, es gibt nur ein Grenzlandmuse- Abgeordneter Wirkner, CDU: um und das ist in Teistungen. Alles andere sind Grenzmuseen. Man sollte sich schon mal mit der Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, ich Materie zumindest einigermaßen beschäftigen. Ich wollte doch noch mal nach vorn gehen. Herr weise den Vorwurf zurück, dass das ein Schaufens- Dr. Pidde, ich möchte Sie persönlich ansprechen. terantrag ist, das wird der Sache nicht gerecht. Ich weiß nicht, ob es Ihnen entgangen ist, dass seit den letzten vier Jahren nun eine Reihe von neuen (Beifall CDU) Abgeordneten in diesem Landtag tätig ist. Warum Sie können heute entscheiden, wie Sie wollen, aber Sie immer auf vergangene Zeiten zurückweisen, Sie haben sich dann die Chance vergeben, dass wird wahrscheinlich damit zusammenhängen, dass die Verwaltungsvorschriften geändert werden. Und Sie mit Verantwortung tragen für all das, was früher all das, was wir uns wünschen, auch das, was Sie war. sich wünschen, wird nicht möglich sein, wenn die (Beifall CDU) Verwaltungsvorschriften nicht geändert werden. Weil das so ist, haben wir den Versuch unternom- Aber dieser Antrag wird auch von mir unterstützt, men, das hier noch einmal zu unterstützen. Dass weil ich das zu meinem Herzensanliegen gemacht das von Ihrer Seite so abgetan wird, enttäuscht habe, dass so etwas gemacht wird. Da lasse ich es mich. Danke sehr. mir einfach nicht bieten, dass das zum Beispiel auch von der Ministerin als Schaufensterantrag hin- (Beifall CDU) gestellt wird. Das wird diesem Antrag nicht gerecht und vor allen Dingen der Sache nicht und denen, Vizepräsidentin Marx: um die es geht. Die Ministerin bittet noch mal um das Wort. Frau (Beifall CDU) Taubert, bitte. Es ist skandalös, dass das so abgewertet wird. Ich bin bestimmt kein Mann der scharfen Worte, aber Taubert, Finanzministerin: ich musste Ihnen das jetzt mal sagen. Neue Leute, Es tut mir jetzt wirklich leid, ich will es nicht verlän- neue Gedanken – und hören Sie auf, immer in der gern. Aber, Herr Wirkner, vielleicht haben Ihre Leu- Vergangenheit zu diskutieren. Jetzt geht es um te Sie nicht wirklich richtig informiert; das kann ja neue Sachen und auch um den Versuch, die Ver- sein. Aber jetzt stellen Sie sich doch mal vor: Ernst- waltungsvereinbarungen noch einmal zu ändern. haftes Bemühen von 2011 bis 2013, da saß die Das ist keine alte Kamelle, das ist etwas, was auch SPD mit in der Koalition. Ich will das sagen: Da ha- ich mit unterstütze, und zwar vollen Herzens. Da er- ben wir gemeinsam versucht, was zu machen, allen warte ich, dass man das dementsprechend respek- voran Dr. Voß – und das rechne ich diesem Minis- tiert. ter hoch an. Er hat es nicht vermocht, weil die Din- (Beifall CDU) ge so sind, wie sie sind, diese Verwaltungsverein- barungen mit der BvS und den anderen ostdeut- Zweitens: Ich möchte noch mal zur Ergänzung sa- schen Bundesländern so aufzuweichen, wie Sie gen, weil man mich gefragt hat, wieso Stiftung Et- das möchten und wie das die anderen Fraktionen 9502 Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 110. Sitzung - 22.02.2018

(Ministerin Taubert) auch dargestellt haben. Da gibt es ja gar keinen Fraktion und der fraktionslose Abgeordnete Krum- Dissens darüber, Herr Wirkner. Deswegen sage pe. Damit ist dieser Antrag mehrheitlich angenom- ich: Wider besseres Wissen machen Sie so einen men und ich schließe diesen Tagesordnungspunkt. Antrag. Sie tun so, als ob das alles nicht wahr ist Und wir kommen zum Aufruf des Tagesordnungs- und als ob sich jetzt die drei Koalitionspartner nur punkts 11 redlich bemühen müssen und dann würde das schon gehen. Thüringer Polizei 4.0 – Mit Digi- (Zwischenruf Abg. Wirkner, CDU: Das habe talisierung und Modernisie- ich nicht gesagt!) rung fit für die Zukunft Ja, aber das Ziel ist doch, das Ziel der CDU-Frak- Antrag der Fraktionen DIE LIN- tion ist auch dieses Mal wieder – sage ich ganz KE, der SPD und BÜNDNIS pauschal – zu sagen: Versagen bei Rot-Rot-Grün. 90/DIE GRÜNEN Das ist Ihr Ziel. Es geht nicht um die Inhalte. Und - Drucksache 6/4951 - Neufas- es mag Ihnen im Einzelfall um den Inhalt gehen, sung - das will ich Ihnen durchaus zugute halten, weil Sie sich damit beschäftigen, das ist nicht meine Bau- Zur Begründung wird das Wort vom Abgeordneten stelle. Meine Baustelle ist, dass der Antrag gestellt Dittes von der Fraktion Die Linke gewünscht. Bitte wurde, um wieder gegen die eigene Erkenntnis sol- schön, Herr Dittes. che Dinge zu sagen. Das schadet der Demokratie mehr, als Sie sich das heute vorstellen können. Abgeordneter Dittes, DIE LINKE: (Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, ich will GRÜNEN) mit einem Zitat beginnen: „Was Ottavia betraf, so hatte er sich anfangs gefragt, ob er sie nicht lieber Vizepräsidentin Marx: ins Feld schicken sollte, doch dann war ihm klar ge- worden, wie wichtig ihre Funktion als Assistentin im Weitere Wortmeldungen sehe ich jetzt nicht. Dann Büro war. Sie bewegte sich so geschickt im Inter- kommen wir zu den Abstimmungen. net, dass ihre Recherchen mindestens genauso Zunächst ist über den Antrag der CDU abzustim- hilfreich waren wie die Erkundungen, die ihre Kolle- men. Ausschussüberweisung war nicht beantragt, gen auf der Straße einholten, wenn nicht mehr; sie dann stimmen wir direkt über den Antrag der Frak- ersparte ihnen Stunden mühevoller Kleinarbeit, in- tion der CDU in der Drucksache 6/4944 ab. Wer dem sie mit ein, zwei Klicks jede Menge Erkennt- diesem Antrag seine Zustimmung geben will, den nisse zutage förderte, nach denen sie sonst ewig bitte ich um das Handzeichen. Das sind die Stim- geforscht hätten.“ men aus der CDU-Fraktion. Wer stimmt gegen die- Meine Damen und Herren, dieses Zitat stammt aus sen Antrag? Das sind die Stimmen aus den Koali- einem Kriminalroman, den ich just in dieser Woche tionsfraktionen und der AfD-Fraktion und vom frak- in den Händen hielt. Es war „Der dunkle Ritter: Lo- tionslosen Abgeordneten Krumpe. Damit ist dieser jacono ermittelt in Neapel“ von Maurizio de Giovan- Antrag abgelehnt. ni, wenn Sie mal nachlesen möchten. Weswegen Dann kommen wir als Nächstes zum Alternativan- stelle ich dieses Zitat an den Anfang? Es ist in vie- trag der Fraktion der AfD. Auch hier wurde keine len Kriminalromanen – vielleicht erinnern Sie sich in Überweisung beantragt, deswegen wird auch hier diesem Fall auch an den Commissario Brunetti aus direkt über den Alternativantrag der Fraktion der Venedig – ein beliebtes Bild, dass in der Dienststel- AfD in der Drucksache 6/5339 abgestimmt. Wer für le der Polizei eine sehr internetaffine und technik- diesen Antrag ist, den bitte ich um das Handzei- begeisterte Polizeibeamtin sitzt, während die männ- chen. Das sind die Stimmen aus der AfD-Fraktion. lichen Kollegen auf der Straße der ordentlichen Wer ist gegen diesen Antrag? Das sind die Stim- Kernarbeit des Polizeibeamten nachgehen. men der Koalitionsfraktionen, der CDU-Fraktion Aber in Thüringen sind wir selbst von diesem nicht und des fraktionslosen Abgeordneten Krumpe. Da- unbedingt sehr fortschrittlichen Bild noch Lichtjahre mit ist dieser Antrag abgelehnt. entfernt, denn in der Regel fehlt es an dieser inter- Wir kommen dann zum Alternativantrag der Fraktio- netaffinen und technikbegeisterten Polizeibeamtin nen Die Linke, der SPD und Bündnis 90/Die Grü- oder besser gesagt – ich korrigiere mich –: Es fehlt nen. Auch hier gab es keinen Antrag auf Aus- nicht an technikaffinen und technikbegeisterten Po- schussüberweisung, sodass wir auch jetzt über die- lizeibeamten, es fehlt an der Technik, die ihnen zur sen Alternativantrag in der Drucksache 6/5340 di- Verfügung steht, um genau das zu erreichen, was rekt abstimmen. Wer ist für diesen Antrag? Das im Kriminalroman hier beschrieben worden ist, sind die Stimmen aus den Koalitionsfraktionen. Wer nämlich tatsächlich Stunden mühevoller Kleinarbeit ist gegen diesen Antrag? Das ist die AfD-Fraktion. der Polizeibeamten einzusparen. Und genau das ist Wer enthält sich der Stimme? Das ist die CDU- das Ziel unseres Antrags, weil wir natürlich an vie- Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 110. Sitzung - 22.02.2018 9503

(Abg. Dittes) len Stellen auch über die Belastungen der Polizei, gestellt. Mit dem heute vorliegenden und zur Dis- über die Präsenz der Polizei in der Fläche, über die kussion stehenden Antrag wollen wir auch ein Bürgernähe und auch über die Verdichtung von Ar- Stück weit konzeptionell untersetzen, in welchen beit diskutieren, und wir diskutieren in dem Zusam- Bereichen und für welche Maßnahmen die zur Ver- menhang natürlich über die richtige Entscheidung, fügung stehenden Mittel in den kommenden zwei auch die Polizeianwärterzahl deutlich zu erhöhen, Jahren eingesetzt werden. Ich bitte Sie jetzt schon wie in diesem Jahr auf 260. um Zustimmung zum Antrag der Fraktionen Die Linke, der SPD und der Grünen und ich freue mich Aber wir dürfen natürlich auch nicht aus dem Blick natürlich auch auf die Diskussion und auch auf die verlieren, was wir an anderen Stellen noch tun sol- Ideen, die bei den Fragen der Modernisierung der len, so zum Beispiel bei der Strukturentwicklung, Polizei hier bei der Diskussion sicherlich zur Spra- aber auch bei der Modernisierung der Polizeiarbeit. che kommen. Vielen Dank. Denn es ist natürlich einerseits richtig, dass wir da- rauf reagieren müssen, wie sich die demografische (Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE Entwicklung in den nachfolgenden Jahren darstel- GRÜNEN) len wird: dass sich durch den Rückgang der Bevöl- kerung, aber auch durch das Älterwerden der Be- Vizepräsidentin Jung: völkerung im Durchschnitt in Thüringen natürlich Deliktverschiebungen ergeben werden. Wir haben Ich eröffne die Beratung und als Erster erhält Abge- aufgrund der technologischen Entwicklung natürlich ordneter Walk, Fraktion der CDU, das Wort. auch jetzt schon Verschiebungen in den Deliktgrup- pen. Die Internetkriminalität nimmt zu – und wenn Abgeordneter Walk, CDU: ich Internetkriminalität verfolgen und bekämpfen Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Kolle- will, dann muss ich natürlich auch im Internet unter- ginnen und Kollegen, werte Besucher, der von Rot- wegs sein. Rot-Grün vorgelegte Antrag trägt den Titel „Thürin- Wir haben natürlich auch eine andere Zusammen- ger Polizei 4.0 – Mit Digitalisierung und Modernisie- setzung bei den Polizeibeamten in Thüringen. Wir rung fit für die Zukunft“. Dem Wortlaut und der da- haben nicht nur landläufig den älteren Polizeibeam- mit einhergehenden Intention ist zunächst einmal ten, für den das Smartphone praktisch Teufelswerk beizupflichten. Schaut man sich den Antrag aber im ist. Wir haben junge Beamte, die wir in unseren Po- Detail an, haben meine Fraktion und ich jedoch ei- lizeidienststellen auch einsetzen wollen, deren nige Punkte, denen wir entweder nicht oder hier Kompetenz, deren Erfahrungen wir nutzen wollen, und heute nicht ohne vorherige Befassung im In- auch für die Arbeit der Polizei, und denen müssen nenausschuss zustimmen können. Aber der Reihe wir natürlich auch die Möglichkeit geben, ihre Kom- nach. petenz gerade auch im Bereich der modernen (Beifall AfD) Kommunikationsmittel anzuwenden, und zwar auch erfolgversprechend für die polizeiliche Tätigkeit. Unter Ziffer I.1 soll der Landtag feststellen, dass Thüringen aufgrund seiner hohen Aufklärungsquote Ich sage natürlich auch – und ich werde im Rede- zu einem der sichersten Bundesländer gehört und beitrag dazu noch weiter ausführen –: Wir brauchen unsere Beamten einen erheblichen Beitrag zur Ge- diese Modernisierung nicht nur der Ermittlungsar- währleistung der Sicherheit der Menschen leisten. beit und der Ermittlungserfolge wegen, wir brau- Diese Tatsachen, liebe Kolleginnen und Kollegen, chen diese Modernisierung auch, um endlich mit sind nicht nur hinreichend bekannt, sondern wurden Doppelbelastungen von Polizeibeamten Schluss zu in der Vergangenheit bereits mehrfach partei- und machen, damit sich Polizeibeamte darauf konzen- auch fraktionsübergreifend öffentlich von Politik und trieren können, Ermittlungstätigkeiten ausüben zu Medien geäußert und entsprechend gewürdigt. Es können, dass sie sich darauf konzentrieren können, bedarf aus unserer Sicht daher keiner erneuten vor Ort im Kontakt mit Bürgerinnen und Bürgern bzw. gesonderten Feststellung durch den Landtag. Strafanzeigen aufzunehmen, präventiv zu wirken Vielmehr ist doch jedem von uns klar, dass unsere und Verbrechen aufzuklären und auch die entspre- Polizei täglich Hervorragendes leistet, und das vor chenden Vorarbeiten für Staatsanwaltschaften leis- allem in den letzten drei Jahren, wo sich auch die ten zu können. Wir müssen sie von Arbeiten entlas- Sicherheitslage bekanntermaßen gravierend verän- ten, die eigentlich im 21. Jahrhundert nicht mehr dert hat. notwendig sind. (Beifall CDU, AfD) Wir haben zum Anlass genommen, dass auch die Evaluationskommission zur Polizeistrukturreform Auch die in Ziffern I.2 und I.3 enthaltenen Aussa- attestiert hat, dass wir in Thüringen eine stärkere gen bedürfen nach Auffassung meiner Fraktion kei- Reflexion der Nutzung neuer Medien und Kommu- ner gesonderten Feststellung durch den Landtag. nikationsmittel brauchen. Rot-Rot-Grün hat im (Beifall DIE LINKE) Haushalt auch entsprechende Mittel zur Verfügung 9504 Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 110. Sitzung - 22.02.2018

(Abg. Walk) Damit bin ich bei Ziffer 4. In dieser Ziffer 4 will Rot- Das zeigt auch eines ganz deutlich: Wir reden heu- Rot-Grün festgestellt haben, dass die Experten- te hier über digitale Polizei 4.0. Das können wir kommission in ihrer Evaluierung der Polizeistruktur- auch alle unterstützen, aber Fakt ist: Wir haben in reform im Jahr 2016 eine stärkere Reflexion der der Realität eine Polizei 2.2 – und das maximal. Auf Nutzung neuer Medien und Kommunikationsmittel den Punkt gebracht, Herr Minister: Das Grundpro- der Polizei angeregt hat. Hierzu ist zunächst zu sa- blem scheint mir zu sein – wir arbeiten dran, das ist gen, dass der Bericht der Kommission dem Land- der richtige Weg –: Wir haben keine entsprechende tag bisher – darauf will ich hinweisen – offiziell nachhaltige IT-Gesamtstrategie. Zum Land komme überhaupt noch nicht vorgelegt wurde. Die 64 The- ich nachher noch mal. Aber im Polizeibereich, der sen, die öffentlich gemacht wurden, sind selbstver- ja Besonderheiten unterliegt, vermisse ich die auch ständlich bekannt und auf diese bezieht sich wohl und nicht erst seit 2018, auch schon davor. auch Ziffer 4 Ihres Antrags. Da nach meinem Wenn wir uns dann mal anschauen, was im Bund- Kenntnisstand die Evaluierung von der Landesre- Länder-Vergleich da so passiert, da müssen wir gierung aber bis heute noch nicht abschließend be- auch leider feststellen, dass wir da im hinteren Be- raten ist oder eine Umsetzung der zahlreichen Vor- reich rangieren. Aber man muss auch eines sagen schläge angedacht wurde, ist es meines Erachtens – da nehme ich die Kollegen auch sehr gern in auch verfehlt, sich nunmehr genau eine Rosine aus Schutz –, ehrlicherweise muss man sagen, dass wir dem Kuchen herauszupicken und dem Landtag zu als ein so kleines Bundesland mit solchen rasanten präsentieren – noch dazu, da die der These zu- und großen, auch komplexen Herausforderungen grunde liegende Begründung dem Landtag eben of- wie der Bewilligung der ganzen IT-Thematik fiziell überhaupt noch nicht vorliegt. Demnach – und schlichtweg auch an unsere Leistungsgrenzen sto- das ist ein Zwischenfazit – können wir sämtlichen ßen. unter Punkt I des Antrags aufgeführten Punkten nicht zustimmen bzw. erachten sie als überflüssig. Ich will auch nicht verkennen, nicht verhehlen, dass innerhalb der Thüringer Polizei bereits mehrere Damit komme ich, sehr geehrte Kolleginnen und sehr personalintensive und aufwendige IT-Projekte Kollegen, zu Punkt II. Die dort aufgeführten Forde- auf den Weg gebracht wurden und derzeit auch in- rungen sind nach unserer Auffassung in einigen tensiv betreut werden, so das Projekt – ich will nur Punkten zumindest diskussionswürdig. Lassen Sie einige nennen – NOVa zur Neuausrichtung der Or- mich aber voranstellen, dass wir sicher darüber ganisation und Verfahrenslandschaft, unter ande- übereinkommen, dass Globalisierung, dass techni- rem auch mit dem Teilprojekt ComVor, einem neu- sche Entwicklung und digitale Vernetzung nicht nur en Vorgangsbearbeitungssystem, das im nächsten unsere Gesellschaft, sondern natürlich auch die Kri- Jahr flächendeckend eingeführt werden soll. Und minalität verändern. Fakt ist zudem, dass wir im Be- hier, Herr Minister, steckt der Teufel im Detail. Die reich der mehr als rasanten Entwicklung der neuen Presse hat Sie, glaube ich, da auch richtig zitiert. Medien und Kommunikationsmittel und deren An- Bei diesem neuen Vorgangsbearbeitungssystem wendung und Umsetzung in der Praxis der Thürin- brauchen wir natürlich die entsprechende Schnitt- ger Polizei erheblichen Nachholbedarf konstatieren stelle zu unseren Tablets, zu unseren Smartpho- müssen. Das betrifft, Herr Minister, alle Bereiche – nes, damit man diese Daten dann auch entspre- ich denke, Sie haben es in der kurzen Zeit auch chend übertragen kann. Auch das muss berück- schon festgestellt –, die Bereiche Personal, Organi- sichtigt werden. sation, Logistik, Beschaffung, Haushalt und Finan- zen, nicht zuletzt auch den erforderlichen Rechts- Ein weiteres Hauptproblem, liebe Kolleginnen und rahmen. Festzumachen ist das Ganze am derzeiti- Kollegen, will ich noch ansprechen: Schon jetzt ar- gen Istzustand – Kollege Dittes ist auch schon da- beiten thüringenweit – ich habe da viele Gespräche rauf eingegangen –, den ich nur im Ansatz wieder- geführt, so ganz bin ich nicht auf die Zahl gekom- geben möchte. Fakt ist leider auch: Polizeialltag men – schätzungsweise mehr als hundert Mitarbei- sind heute fehlende Internetzugänge, fehlende Li- ter nur an diesem einen Projekt Implementierung zenzen, fehlende PCs und fehlende mobile Endge- des neuen Vorgangsbearbeitungssystem ComVor, räte wie Tablets oder Smartphones oder auch feh- über hundert Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter; das lende Ausstattung in den Polizeifahrzeugen, den sind alles Mitarbeiter, die natürlich auf der Straße sogenannten Car-PCs. fehlen. Aber ich habe mir sagen lassen, es geht auch nicht anders, sie brauchen zentrale Projekt- Herr Minister, Sie haben zutreffend festgestellt – verantwortliche, dazu in jeder Dienststelle ein bis wenn die TLZ das richtig zitiert hat –, dass es natür- zwei Mitarbeiter als Multiplikatoren, zudem Perso- lich nicht zeitgemäß sein kann, dass nicht jeder Po- nal in der Aus- und Fortbildung. Also Digitalisierung lizeiarbeitsplatz über einen auch fähigen Internetzu- hört sich gut an, in der Praxis dies umzusetzen, ist gang verfügt und zur schnellen Recherche – das schwierig. klang hier eben auch schon an – Kollegen auf pri- vate Smartphones zurückgreifen müssen. Das kann Ich will auch auf weitere Projekte eingehen, an der in der Tat nicht sein, aber das ist bittere Realität. sich die Thüringer Polizei beteiligt, zum Beispiel am Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 110. Sitzung - 22.02.2018 9505

(Abg. Walk) Polizeilichen Informations- und Analyseverbund, Wirtschaftsministerium habe ich bereits angespro- PIAV genannt, ein weiteres neues Fallbearbei- chen. Wir finden aber noch eine weitere Zuständig- tungssystem FBS-TH sowie die permanente Er- keit, das macht dann den Reigen komplett, im Be- tüchtigung der PC-Migration sowie die Erneuerung reich des Thüringer Innenministeriums: im Landes- bzw. der Ausbau der Telekommunikationssysteme. verwaltungsamt. Und damit komme ich vom Land All das läuft neben dem regelmäßigen und alltägli- zu unserer Polizei. Auch in der Polizei haben wir chen Dienst sozusagen noch nebenbei. Schon jetzt ganz verschiedene Zuständigkeiten. Ich denke, in- ist damit, ich habe es eben schon anklingen lassen, zwischen haben Sie auch den Überblick, Herr Mi- die Leistungsfähigkeit der Kolleginnen und Kollegen nister. Wir haben im Thüringer Innenministerium erreicht, ich denke, in einigen Fällen sogar über- das Technikreferat 47, in der Landespolizeidirektion strapaziert und überschritten, denn diese Projekte das Sachgebiet 25 und die Zentralstelle der Thürin- „verschlingen“ Unmengen an Personal. ger Polizei im Thüringer Landeskriminalamt. Dann gibt es sogenannte EDV-Anwenderbetreuer in den In dem Zusammenhang, Herr Minister, will ich ger- Landespolizeiinspektionen, Dienststellen vor Ort, ne noch einmal darauf zurückkommen. Ich habe nicht zuletzt die IT-Sicherheitsbeauftragten auch im das Thema schon vor neun Wochen aufgegriffen, Ministerium und in den Landespolizeiinspektionen. habe die Landesregierung gefragt, wie viel Perso- Wenn man das überschlägt, kommt man auf eine nal denn in diesen Arbeitsgruppen steckt. Ich habe Summe von etwa 150 Mitarbeitern, die jetzt schon die zwei Projekte NOVa und ComVor genannt und in diesem IT-Bereich arbeiten – und hier rede ich habe nur eine Ahnung, dass es an die hundert Kol- noch nicht von den Ermittlern, beispielsweise aus leginnen und Kollegen sind. Die Antwort steht seit dem zuständigen Cybercrime-Dezernat 64, die neun Wochen aus und vielleicht kann man die ir- nach wie vor an Unterbesetzung leiden. gendwann dann noch mal nachholen. Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, diese um- Ich will jetzt aber noch auf die Ziffer II des Antrags fassende Aufzählung zeigt eines deutlich, wie ich von Rot-Rot-Grün zurückkommen und den einen finde, nämlich dass die Zuständigkeitslandschaft oder anderen Punkt noch mal beleuchten. In Buch- doch sehr heterogen ausfällt. Hier gilt es zu zentra- stabe a) zum Beispiel wird eine Prüfung der Über- lisieren, Ressourcen zu schonen und Synergien zu tragbarkeit polizeilicher IT-Verfahren in das Thürin- nutzen. Wir wissen auch: Insellösungen funktionie- ger Landesrechenzentrum, als Beispiel Thüringer ren nicht. Gerade in der IT-Landschaft funktioniert Landesrechenzentrum, vorgeschlagen. Der Ansatz es nur abgestimmt und auch im Verbund ist der be- ist nicht schlecht. Ich finde aber, das ist zu kurz ge- kannterweise ganzheitliche Ansatz gefragt. sprungen. Ich glaube, wir benötigen thüringenweit eine Zusammenführung aller digitalen Zuständig- Ich will nun zu Buchstabe c) des Antrags kommen. keiten in einer Hand, das scheint mir der Schüssel Dieser greift die Übertragung von digitalen Spei- zu sein. Aber das ist bisher nicht der Fall. Ich habe chermedien auf mobile Kommunikationsendgeräte eben schon mit der neuen Staatssekretärin kurz auf auf. Als Beispielfall wird das von einem Zeugen mit- dem Flur gesprochen, sie möge mir bitte ihr Ohr hilfe eines Smartphones angefertigte Video von ei- schenken, wenn wir über Digitalisierung auch im nem Tatvorgang angeführt, das unmittelbar am Tat- Polizeibereich reden. Ich habe mal zusammenge- ort durch die Polizei gesichert werden soll. Auch schrieben das ist ein guter Ansatz, so müsste es laufen. Doch was nützt die ganze Sache, wenn diese Daten, (Zwischenruf Abg. Adams, BÜNDNIS 90/DIE wenn diese Videos nicht entsprechend in elektroni- GRÜNEN: Da hat sie aber viel zu tun!) scher Form an die Justizbehörden – ich habe eben – ja, da hat sie viel zu tun –, wo wir denn in Thürin- schon die Einführung E-Akte benannt – weitergelei- gen überall digitale Zuständigkeiten haben, zum tet werden können, weil zum einen die technischen Beispiel in der Thüringer Staatskanzlei, die für ein und zum anderen aber die rechtlichen Vorausset- modernes Thüringen und damit auch für die Digita- zungen fehlen? lisierung zuständig ist. Im Thüringer Finanzministe- (Zwischenruf Abg. König-Preuss, DIE LINKE: rium stellt sich mit Staatssekretär Schubert der zen- Sie können es nicht ausdrucken!) trale IT-Manager – sozusagen der CIO – der Lan- desregierung vor, und daran angedockt ist mit wei- Einen weiteren Punkt möchte ich ansprechen: die teren Aufgaben, wir haben es eben schon gehört, Onlinewache, die unter Buchstabe e) aufgegriffen das Thüringer Landesrechenzentrum. Die Einfüh- wird. Auch dieser Ansatz ist zu begrüßen, aber da- rung der E-Akte – auch gerade für den Polizeibe- bei gilt es Folgendes zu berücksichtigen: Bei der reich, für den Ermittlungsbereich, Herr Minister, Onlinewache – der Minister hat sich schon skep- ganz wichtig – ist wiederum im Thüringer Justizmi- tisch dazu geäußert – benötigen wir eine Rund-um- nisterium angesiedelt; ich meine die Zahl 2025 mal die-Uhr-Besetzung und wir müssen uns fragen, wo irgendwann gelesen zu haben – viel zu spät. Das die Stelle angedockt sein soll: Machen wir das zen- funktioniert natürlich nicht. Und Frau Kerst als neue tral, machen wir das dezentral, ist das die Landes- zuständige Digitalisierungs-Staatssekretärin im polizeidirektion, ist das das Landeskriminalamt? 9506 Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 110. Sitzung - 22.02.2018

(Abg. Walk) Aber entscheidend ist die Frage – und das haben Deren Chef, BDK-Vorsitzender André Schulz, bringt Sie, denke ich, auch richtig erkannt –, dass wir in es auf den Punkt. Er hat gesagt: Wir machen vieles jedem Fall mehr Personal brauchen. Jede Anzeige nicht, was wir könnten, weil uns die Ressourcen ist sofort zu überprüfen, auch wenn sie anonym er- fehlen. Wir krebsen tatsächlich an den Anfängen folgt. Jedem Hinweis ist unmittelbar nachzugehen der Digitalisierung herum. Keine der deutschen Po- oder wie es Gewerkschaftschef Kai Christ formu- lizeien verfügt über ausreichend IT-Spezialisten. So lierte: Jeder Klick erfordert polizeiliches Handeln. weit der BDK-Chef. Deswegen müsste aus meiner Sicht so eine Art Was ist also zu tun? Von entscheidender Bedeu- Clearingstelle eingerichtet werden, die Widersprü- tung neben den Rechtsfragen, Fragen der Finan- che in der Meldung oder fehlende Angaben sofort zierung – auch wenn Sie sagen, Herr Minister, die hinterfragt – sozusagen eins zu eins – und berei- Finanzierung ist sichergestellt – und dem Aufbau nigt, vorausgesetzt die Anzeige ist eben nicht an- einer sinnvollen Organisationsstruktur erscheint mir onym und der Anfragende oder Anzeigenerstatten- der Personalbereich zu sein. Damit ist auch die de ist auch bekannt und erreichbar. Zudem, auch Achillesferse bereits genannt. Ich sprach es eben das wissen wir, sinkt die Mitteilungsschwelle bei schon an: Von den geschätzten 150 Mitarbeitern im Onlinewachen, das bedeutet eine weitere Zunahme IT-Bereich der Polizei sind vielleicht zwei oder drei an Anzeigen und Mehrarbeit für die Kollegen. Herr Hände voll, also gerade einmal 10 oder 15 Mitarbei- Minister, Sie sollen gesagt haben, ein solches An- ter, echte IT-Experten mit entsprechender externer gebot muss auch personell untersetzt sein. Da Fachqualifikation. Den Rest, das ist das Gebot der kann ich Ihnen nur beipflichten. Stunde, erledigen Polizeivollzugsbeamte teils im Ich möchte noch etwas zum Buchstaben i) sagen: Haupt-, teils im Nebenamt. Das ist verschiedenen Dort wird notwendigerweise richtig erkannter Fort- Umständen geschuldet, aber schon gar nicht den und Weiterbildungsbedarf angesprochen. Aber Kollegen vorwerfbar. Ganz im Gegenteil, diese – auch da, Herr Minister, sage ich: Das geht nicht so die mir auch bekannt sind – sind sehr engagiert und nebenbei, auch da brauchen wir zusätzliches Per- versuchen noch zu retten, was zu retten ist. Aber sonal. wir sagen: Experten in die Büros und Polizisten auf die Straße. Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, in der Zif- fer III wird die Aufforderung an die Landesregierung Herr Minister, ich bin ja bei Ihnen, Sie haben heute ausgesprochen, bis zum 30. Juni 2019 eine ent- öffentlich Ihren Vier-Punkte-Plan artikuliert. Das sprechende Konzeption vorzustellen, also in bereits konnte man zumindest nachlesen. Auch die Über- 16 Monaten. Da sage ich: Nach den vielen Gesprä- schrift passt, ich fasse es zusammen mit „Digitali- chen, die ich auch mit Kolleginnen und Kollegen, sierung kann Polizei effizienter machen“. Das kann mit den Gewerkschaften geführt habe, frage ich man natürlich nur unterschreiben. Ich will die Punk- mich wirklich, wer dieses Mammutprojekt eigentlich te nochmals nennen, die Sie aufgegriffen haben. Es stemmen soll. Aus meiner Sicht ist dies mit dem waren nicht alle Punkte aus dem rot-rot-grünen An- vorhandenen Personal so nicht zu leisten. trag. Sie haben gesagt: Anschaffung mobiler End- geräte, dahinter mache ich einen Haken – positiv. (Zwischenruf Abg. König-Preuss, DIE LINKE: Auch die Einrichtung von Messenger-Diensten ist In 16 Monaten eine Konzeption!) positiv. Der Knackpunkt ist die Verbesserung der Sehr geehrter Herr Minister Maier, Sie kündigen in IT-Infrastruktur. Das ist eben die große Herkules- der Presse richtigerweise an, Expertenabteilungen aufgabe. Das Bemühen um IT-Experten müssen zu involvieren. Diese Expertenabteilung wünsche wir natürlich auch vorantreiben. Das geht aber auch ich mir, das ist auch eine Forderung von uns, aber nur mit den entsprechenden Finanzmitteln. Aber als die kann ich bisher eben noch nicht erkennen. ehemaliger Digital-Staatssekretär, wenn ich es so bezeichnen darf, Herr Minister, wissen Sie am bes- (Beifall CDU) ten, dass ein Vier-Punkte-Programm natürlich keine Ich will gern auch die Frage stellen, wie wir denn greifbare und keine nachhaltige IT-Strategie er- diese großen Herausforderungen, denen wir uns setzt. stellen müssen, auch bewältigen können. Deswe- Was wir brauchen, damit komme ich dann auch gen lassen Sie mich noch zwei Sätze vorschalten: zum Schluss, sind drei Punkte: Erstens, wir brau- Ich will zunächst anführen, dass alle Polizeien der chen gemeinsame Standards und den Ausbau län- Länder und des Bundes erheblichen Nachholbedarf derübergreifender Kooperation. Allein sind wir da haben. Wir sind also nicht allein, das ist aber auch überfordert. Wir haben bereits die gut funktionieren- nur ein schwacher Trost. Vor einigen Wochen tra- de Sicherheitskooperation der neuen Länder. Zwei- fen sich Vertreter des Bundes Deutscher Kriminal- tens schlage ich vor, eine Machbarkeitsstudie zu beamter, BDK, deutschlandweit in Oberhof. Einige erstellen, mit welchem Personal in welcher Größen- Kollegen aus dem Plenum waren auch mit dabei. ordnung wir zukünftig diese kolossalen Herausfor- (Zwischenruf Abg. Dittes, DIE LINKE: Sie derungen in der IT-Landschaft bewältigen wollen. sind relativ früh gegangen, Herr Walk!) Ich sage nur: Stichwort „Consulting“. Kaufen wir zu- Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 110. Sitzung - 22.02.2018 9507

(Abg. Walk) künftig entsprechende Dienstleistungen ein? Das bisschen enttäuscht von Ihnen –, dass Sie die ers- ist natürlich ein teures Unterfangen. Oder setzen ten Punkte unter I. hier nicht beschlossen haben wir weiterhin auf eigenes Personal, sogar aus dem wollen. Ich finde, es gibt immer keinen Grund weg- Polizeivollzugsdienst? Das scheint mir allerdings zulassen, zu betonen, dass unsere Polizei hervor- nicht die geeignete Variante zu sein. Oder schaffen ragend arbeitet. Das ist auch wichtig festzustellen wir nicht besser, da bin ich wieder bei Ihnen, Herr in dem Zusammenhang, wo wir die digitalen Minister, einen handlungsfähigen, zentral angesie- Schwächen feststellen, dass die Kolleginnen und delten Personalpool von extern eingestellten IT- Kollegen von der Polizei trotz dieser Schwächen Fachexperten? Das macht Sinn, aber die sehe ich qualitativ hochwertigste Arbeit leisten. Wenn wir derzeit noch nicht. Ich rede dabei von einer Grö- hier nur die Defizite beschreiben würden, würden ßenordnung von 10 plus Mitarbeitern. Drittens, wir ein Land bezeichnen, das gar nicht gewappnet nicht zuletzt für die strategische Ausrichtung, ich ist, den Herausforderungen der Kriminalität zu be- hatte es erwähnt, ist das Thüringer Innenministe- gegnen. Dass wir deswegen dieses Lob hier nicht rium verantwortlich. Hier erwarte ich die Übernah- aussprechen sollen, habe ich gar nicht verstanden. me der entsprechenden Führungs- und Steue- Gar nicht verstanden habe ich auch, dass Sie ge- rungsfunktion. sagt haben, die Evaluierung der Polizeistrukturre- Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, zusam- form, die Expertenkommission, da sei noch nicht menfassend darf ich zunächst feststellen, dass genügend durchgedrungen und auch noch nicht ge- noch viele Fragen offen sind. Meine Fraktion wird nügend ausgewertet und berichtet und jetzt diese bei diesem wichtigen Zukunftsthema einer Überwei- Konsequenzen daraus zu ziehen, das wissen wir sung des Antrags an den Innenausschuss zustim- nicht. Dass wir bei der Digitalisierung und Moderni- men, um dort unter Einbeziehung von Fachexper- sierung der Polizei bei der technischen und der IT- ten anderer Länder und des Bundes sowie von Da- mäßigen Aufrüstung eine riesige Aufholstrecke zu tenschutzrechtlern, die unter II. genannten Vorha- bewältigen haben, das ist absolutes Allgemeinwis- ben eingehend zu beraten. Ganz selbstverständlich sen. Doch auch gerade von Menschen wie Ihnen, sind dazu auch die Berufs- und Personalvertretun- die ständig auch vor Ort Polizeiwachen besuchen, gen frühzeitig einzubinden und auch anzuhören. wie wir das alle als Innenpolitikerinnen und Innen- Der Änderungsantrag von Rot-Rot-Grün in dieser politiker tun ... Wir kriegen das doch jedes Mal ge- Beziehung kommt zwar verspätet, greift aber inso- sagt, die Missstände, die Sie selbst auch beschrie- fern gängige Praxis auf und ist zu begrüßen. Ich ben haben, wie dringend es ist, diese zu beheben. freue mich auf die Beratungen im Innenausschuss Nicht mehr und nicht weniger versucht dieser An- und bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit. trag. Er versucht es nicht nur. Wir haben uns kom- plexe Gedanken gemacht. Wir benennen die wich- (Beifall CDU) tigsten Punkte. Ich glaube nicht, dass die als Grundlage zur Erarbeitung einer Konzeption unzu- Vizepräsidentin Jung: reichend wären. Für die Fraktion der SPD hat Abgeordnete Marx Wir fangen natürlich damit an, was Sie auch zu jetzt das Wort. recht angemahnt haben, hier auch zu benennen, dass wir die ganzen Systeme vereinheitlichen müs- Abgeordnete Marx, SPD: sen. Das habe ich schon in der Haushaltsberatung gesagt: Ich habe den Begriff von der „menschlichen Frau Präsidentin, verehrte Kolleginnen und Kolle- Schnittstelle“ gelernt. Die menschliche Schnittstelle gen! Verehrter Herr Kollege Walk, ich habe Ihnen – ist die, die irgendwie von einem System in ein an- wie immer, wenn Sie sprechen – aufmerksam und deres per Hand die Daten überträgt, die vom Sys- konzentriert zugehört, weil ich Sie aufgrund Ihrer tem A in das System B gar nicht übertragen werden Fachkenntnis auch sehr schätze. Sie kommen aus können. Das ist analoges Mittelalter. Das kriegen der Polizei und wissen, wovon Sie reden. Heute ist Sie doch auch jedes Mal gesagt, bei jedem Besuch es mir aber nicht gelungen, wirklich zu extrahieren, auf der Dienststelle: Mit den modernen Ausstattun- wo denn die eigentliche Kritik an unserem Antrag gen mit Kommunikationstechnik in den Polizeifahr- liegen soll. Wir wollen diese ganzen Dinge ja natür- zeugen gibt es teilweise schon die Möglichkeit, Din- lich nicht realisiert haben – schön wäre es bis ge elektronisch oder digital zu erfassen. Dann 2019 –, sondern es soll eine Konzeption zur Digita- kommt man in die Polizeiwache und weiß gar nicht, lisierung und Modernisierung erstellt werden. Dass auf welchem PC man das dann einspeichern soll. das noch irgendwie aufgeschoben werden müsste Dass wir die Übertragung absichern müssen, das oder dass wir noch eine Ausschussbefassung dafür ist ganz wichtig. Sie haben doch eigentlich die gan- bräuchten, damit wir dann noch einmal erfahren, zen Probleme benannt, die auch hier in unserem dass wir das auch wirklich machen müssten, das Antrag stehen, als Lösungsnotwendigkeiten für ein habe ich überhaupt nicht verstanden. Es ging digitales Gesamtkonzept. Die Einbeziehung des schon damit los – da war ich auch angesichts des- Datenschutzes ist deswegen so wichtig, auch bei sen, was Sie sonst an Qualität hier bieten, ein 9508 Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 110. Sitzung - 22.02.2018

(Abg. Marx) der Entwicklung zum Beispiel eines internen Mes- wir in den letzten Jahren immer schöne Projekte sengersystems, weil wir schon lange nicht mehr nur gehabt, da haben wir gesagt: Oh, Digitalisierung ist von Datenschutz im klassischen Sinne reden, son- so teuer, ist so kompliziert, das schieben wir noch dern von der Datensicherheit, von der Sicherheit mal. Da müssen wir jetzt wirklich in die Spur kom- sensibler Systeme. Natürlich kann es nicht sein, men, da ist allerhöchste Eisenbahn angesagt. Und dass – wenn wir unsere Polizei sinnvollerweise deswegen eine Konzeption zur Digitalisierung und endlich mal vernetzen können – solche Daten nicht Modernisierung der Thüringer Polizei unter Berück- sicher übertragen werden und dann ein Einfallstor sichtigung all dieser wichtigen Punkte bis zum besteht, um zum Beispiel Polizeieinsätze gründlich 30. Juni 2019 zu fordern, dazu brauchen wir nicht auszuforschen, sodass Kriminelle dann schon vor- noch mal den Innenausschuss beschäftigen. Das her wissen, was an Erkenntnissen da ist oder wel- kann heute auf den Weg gehen, damit morgen im che Einsätze geplant sind. Deswegen brauchen wir Innenministerium – und da stoßen wir bei unserem da auch ein besonderes Datensicherheitskonzept. digital vorgebildeten Minister auch auf sehr offene Da sind die modernen Datenschutzbeauftragten un- Ohren – mit der Arbeit daran begonnen werden serer Tage, zu denen auch unserer gehört, die rich- kann. Vielen Dank. tigen Ansprechpartner. (Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE Dann haben Sie gesagt, mit der Onlinewache GRÜNEN) kämen so viele Probleme auf, das sei dann schwie- rig zu bewältigen. Ich glaube, dass eine Anzeige, Vizepräsidentin Jung: die man online aufgibt, doch komplexere Anforde- rungen an einen Anzeigenerstatter richtet als an je- Als nächster Redner hat Abgeordneter Henke von manden, der – das haben wir bisher auch – einfach der Fraktion der AfD das Wort. bei der Leitstelle anruft mit mehr oder weniger ver- (Zwischenruf Abg. Dittes, DIE LINKE: Jetzt ständlichen Worten oder vielleicht auch mal alkoho- hören wir gleich, was digital auf deutsch lisiert. Derjenige kann trotzdem ein wichtiges Anlie- heißt!) gen haben, das will ich überhaupt nicht disqualifi- zieren, aber ich denke: Jemand, der sich digital an Abgeordneter Henke, AfD: eine Onlinepolizeiwache wendet, der betreibt nicht mehr oder weniger Missbrauch, als das bisher bei Vielen Dank, Frau Präsidentin. Werte Abgeordnete, anderen Anzeigemöglichkeiten auch möglich ist. werte Gäste, bevor ich etwas zu dem mir vorliegen- Wenn Sie sagen, daraus ergeben sich möglicher- den Antrag sage, möchte ich mich zunächst einmal weise neue Kriminalfälle oder eine höhere Anzei- bei den Beamtinnen und Beamten der Polizei in gendichte: Ja, dann ist das gewollt. Wir wollen ja, Thüringen bedanken, meine Achtung aussprechen dass Straftaten verfolgt werden. Wir wollen ja, dass dafür, dass sie unter diesen erschwerten Bedingun- Leute sagen: Na ja, bis ich jetzt mal auf die Polizei- gen ihre Arbeit durchführen, die ja wahrlich nicht wache gelaufen bin und habe da einen überlasteten einfacher geworden ist. Dienstbeamten angetroffen, der mir dann im Zwei- (Beifall CDU, AfD) Finger-Such-System irgendwie etwas mühselig ein- tippen muss, da schreibe ich es mal auf. Da kann Wir als AfD unterstützen deswegen grundsätzlich ich das aufschreiben, da mache ich es, da habe ich jeden Antrag, welcher der Stärkung der Polizei weniger Mühe. Wir wollen ja nicht, dass Straftaten dient und dazu beiträgt, dass die Beamten in ihrem unangezeigt bleiben. Wir wollen ja die Anzeigehäu- Arbeitsalltag entlastet werden. Ja, wir brauchen die figkeit erhöhen, um eben auch die Sicherheit unse- Ausrüstung mit modernen Kommunikationsmitteln rer Bürgerinnen besser zu gewährleisten, und auch bei der Polizei, aber das müsste eigentlich eine Straftaten, die bisher als Dunkelziffer irgendwo ver- Selbstverständlichkeit sein, damit müssten die Be- modern, bekannt machen, um sie dann eben auch amten eigentlich heute schon ausgerüstet sein. verfolgen zu können. Dass das nicht so ist, ist schade und ist auch eine Ja zur Ende-zu-Ende-Verschlüsselung bei E-Mails: Schwierigkeit bei ihrer Arbeit. Denn was nützt es, Wichtiges Thema, Datensicherheit, habe ich schon unseren Polizeibeamten die neuesten Kommunika- gesagt, der Einsatz in sozialen Netzwerken. Wenn tionsmittel zur Verfügung zu stellen, wenn sie un- man sich ein bisschen mit polizeilicher Praxis be- mittelbar tätlich angegriffen werden? Ich erinnere schäftigt – und das tun Sie doch eigentlich mehr als nur einmal an den Polizeibeamten, der erst vor Kur- viele hier von uns –, dann weiß man, dass all diese zem in Regensburg bei einer Auseinandersetzung Punkte von den Polizistinnen und Polizisten vor Ort mit mehreren jungen Flüchtlingen zuerst von einem wirklich auch richtig ersehnt werden. Deswegen Afghanen zu Boden geschlagen wurde und dann denken wir und fordern Sie auf, dass wir auch gera- anschließend noch von einem zweiten angeblich de vor dem Hintergrund, dass wir hier in Thüringen siebzehnjährigen Afghanen mehrmals gegen den wirklich etwas aufholen müssen --- Da müssen wir Kopf getreten wurde. In so einer Situation helfen ei- uns alle gemeinsam an die Nase fassen, da haben Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 110. Sitzung - 22.02.2018 9509

(Abg. Henke) nem Polizeibeamten doch keine modernen Smart- Kontrolle zu bekommen. Außerdem hätte man an- phones oder Tablets weiter. gesichts der sich häufenden Einbrüche in Erfurt auch zum Beispiel ein Pilotprojekt zur Erprobung (Beifall AfD) von Drohnen zur Verfolgung von Einbrechern in Unsere Polizeikräfte müssen angesichts des Zu- diesen Antrag aufnehmen können. Dies würde die zugs von solchen Personen, die aus fremden, rück- Arbeit der Polizei in einem erheblichen Maß erleich- ständigen und von Gewalt geprägten Kulturen tern und sogleich die Aufklärungschancen bei Woh- stammen und zudem auch noch überdurchschnitt- nungseinbrüchen deutlich steigern. Doch anstelle lich oft kriminell werden – ja, Herr Adams, Sie la- von sinnvollen Maßnahmen, durch welche man die chen, aber das ist die bittere Realität in Deutsch- Polizei in ihrem Dienst tatsächlich entlasten könnte, land --- fokussiert sich Rot-Rot-Grün hier lieber auf Neben- sächlichkeiten und beweist damit, dass sie nicht da- (Zwischenruf Abg. König-Preuss, DIE LINKE: zu in der Lage sind, die wichtigen Prioritäten zu set- Nein, das ist rassistisch!) zen. In erster Linie müssen wir über die notwendige (Beifall AfD) Mannstärke verfügen, denn alles, was wir heute hier beschließen oder was in diesem Antrag drin- In meinen Augen ist dieser Antrag somit auch steht, muss ja auch personell untersetzt werden. nichts weiter als bloße Augenwischerei, mit der Rot-Rot-Grün den Polizeibeamten vorspielen will, (Beifall AfD) dass man sich um ihre Belange kümmert und die Zuallererst muss man daher dafür sorgen, dass die Arbeitsbedingungen für sie verbessern will. Aber Personalsituation bei unserer Polizei umgehend glauben Sie mir, die Polizeibeamten wissen ganz verbessert wird. Außerdem müssen sie auch über genau, wer auf ihrer Seite steht und wer nur vor- für den täglichen Einsatz geforderte Hilfsmittel ver- gibt, sich für sie zu interessieren. Glauben Sie mir – fügen und das müssen Hilfsmittel sein, die sie auch und das geht hier speziell an die Linke-Fraktion –, einsetzen können, ohne dass sie Angst haben, im ganz besonders Ihnen werden die Polizeibeamten Nachhinein noch wegen des Einsatzes belangt zu garantiert nicht abnehmen, dass Sie auf ihrer Seite werden. Und da habe ich bei Ihrem Antrag den Ein- stehen. Denn wer so wie Frau König-Preuss unver- druck, dass wir uns auf einen gläsernen Polizisten pixelte Bilder von Polizeibeamten, die in Sonneberg zubewegen. Ich möchte hier noch mal erwähnen: eine Einsatzblockade von Linksextremisten aufge- Wir reden auch immer über Bodycams. Wenn man löst haben, bei Twitter postet, um sie so an den In- das im Zusammenspiel sieht, habe ich Angst, ternetpranger zu stellen, dem werden die Polizeibe- amten garantiert nicht abnehmen, dass Sie sich da- (Zwischenruf Abg. König-Preuss, DIE LINKE: rum bemühen, die Polizei zukunftsfähig zu machen. Nein, das ist der nächste Antrag!) (Beifall AfD) dass diese Polizisten gläsern dastehen werden. Das ist wirklich eine Angst, die ich habe. Hätten Sie (Zwischenruf Abg. König-Preuss, DIE LINKE: unseren Polizisten also wirklich helfen wollen, so Das waren Fotos eines Journalisten!) hätten Sie unserem Antrag auf Durchführung eines Abschließend kann ich zu diesem Antrag nur sa- Pilotprojekts zur Erprobung von Distanz-Elektroim- gen, dass es sich hierbei um nichts weiter handelt pulsgeräten zugestimmt. als bloße Symbolpolitik, durch welche sich die Si- (Beifall AfD) tuation der Polizei nicht wirklich in nennenswerter Weise verbessern wird. Darum werden wir diesen Dies hätte den Beamten ein wirksames Mittel an Antrag ablehnen. Vielen Dank. die Hand gegeben, um eskalierende Situationen auf schnelle und effektive Weise zu entschärfen, (Beifall AfD) ohne dass der Angreifer allzu schwere Verletzun- (Zwischenruf Abg. König-Preuss, DIE LINKE: gen erlitten hätte. Erst wenn die Polizei in Thürin- Wenn man keine Ahnung hat, einfach mal gen mit dem erforderlichen Personal und den nöti- die …) gen Hilfsmitteln ausgestattet ist, kann man sich Ge- danken über eine weitergehende Digitalisierung (Zwischenruf Abg. Henfling, BÜNDNIS 90/ leisten. DIE GRÜNEN: … Fresse halten!) Wenn man aber schon unbedingt die Digitalisierung und Modernisierung der Polizei vorantreiben will, Vizepräsidentin Jung: dann sollte man es auch richtig machen. In Anbe- Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat Abge- tracht der stetig zunehmenden Cyberkriminalität ordneter Adams das Wort. und des florierenden Drogen- und Waffenhandels im Darknet hätte dieser Antrag auch eine verstärkte Ausbildung von IT-Spezialisten enthalten können, um das Phänomen der Internetkriminalität unter 9510 Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 110. Sitzung - 22.02.2018

Abgeordneter Adams, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- anstaltung des Datenschutzbeauftragten vor eini- NEN: gen Wochen haben das die Sachverständigen, die dort berichtet haben, eine „humane Schnittstelle“ Sehr geehrte Frau Präsidentin, werte Kolleginnen genannt. und Kollegen, liebe Gäste hier im Thüringer Land- tag, am Ende des Jahres 2016 legte die Experten- Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich bin kommission zur Evaluierung der Polizeistrukturre- fest davon überzeugt, dass wir diese Schnittstelle form ihren Abschlussbericht mit Empfehlungen vor. einsparen und damit wertvolle Dienstzeit erschlie- In diesem Abschlussbericht empfiehlt die Kommis- ßen sollten, um wirkliche Polizeiarbeit zu ermögli- sion unter Punkt 736, ich zitiere: „In Hinsicht auf die chen. Deshalb bitten wir die Landesregierung in un- rasante Entwicklung der neuen Medien und Kom- serem Punkt II. f) – ich zitiere hier noch mal –, munikationsmittel“ – hier lasse ich etwas aus – „im „durch eine datenschutzkonforme und datensichere Rahmen der Strategieaufgabe des Innenministe- Regelung de[n] Internetzugang für die Thüringer riums diese Entwicklung genauer zu reflektieren Polizei [z]u erleichter[n]“. und den Einsatz der neuen Medien und Kommuni- Natürlich muss die Sicherheit der Systeme höchste kationsmittel in der Polizei durch die Polizei zu prü- Priorität haben. Aber wir müssen bei der Datensi- fen und [die] gegenwärtig schon praktizierten For- cherheit und bei der Anwendbarkeit zu einer guten men ihres Einsatzes weiterzuentwickeln.“ Die Be- Balance kommen. Es kann nicht sein, dass wir fragten aus der Studie der Expertenkommission durch Sicherheitsbestimmungen dahin kommen, monierten oder mahnten insbesondere den fehlen- dass unsere Beamtinnen und Beamten nicht mehr den Internetzugang an, die fehlende Ausstattung al- ordentlich arbeiten können. Aber ich bin sicher, ler Bediensteten mit modernen Kommunikationsge- dass diese Balance zwischen Sicherheit und guter räten wie Smartphones oder Tablet-PCs, die feh- Anwendbarkeit erreicht werden kann. Das Ministe- lende Ausstattung mit IT-gestützten Funkstreifen- rium – und das haben wir auch nicht nur den Me- wagen, die fehlende Implementierung von sozialen dien entnehmen können, sondern auch vielen Ge- Medien in der Polizeiarbeit, das Fehlen systema- sprächen mit Herrn Innenminister Maier – arbeitet tisch betriebener Ermittlungen – zum Beispiel die schon daran. sogenannte Internetwache – sowie Fahndungen im Internet. An dieser Stelle möchte ich eine ganz kurze An- merkung zur Rede von Herrn Walk machen, der Ich möchte zwei Beispiele des hier Angemahnten sich gleich unserer neuen Staatssekretärin Frau herausnehmen und genauer beleuchten. Das eine Kerst zuwandte und um Hilfe gebeten hat. Ich den- Beispiel ist der fehlende Internetzugang. Zum feh- ke, da müssen wir zwei Sachen klar haben: Der Ar- lenden Internetzugang heißt es in dem Bericht, ich beitsbereich von Frau Kerst ist vor allen Dingen der zitiere noch mal: „Die Thüringer Polizei gehört mit zivile Bereich, wenn ich das so sagen darf. Wir der Bundespolizei zu den einzigen Polizeien, die brauchen hier eine spezielle Lösung, die im Innen- zwei voneinander physisch getrennte Netze – Intra- ministerium speziell für die Polizei mit den beson- net und Internet – betreiben. Den Bediensteten ist deren Anforderungen erarbeitet werden muss. Mei- der Zugang zum Internet erschwert; die Nutzung ne sehr verehrten Damen und Herren, das Ministe- des Internets ist, sofern kein spezieller Bedarf be- rium arbeitet daran. Deshalb bin ich sicher, dass wir gründet wurde, nur über separate Internet-PCs bald eine Lösung bekommen werden. Wir wollen möglich. Die Entscheidung, den Bediensteten der das mit unserem Antrag auch unterstützen. Polizei keinen erleichterten Internet-Zugang am Ar- beitsplatz zu ermöglichen, wird mit Sicherheitsbe- Meine zweites Beispiel – und das will ich auch kurz denken begründet“. So heißt es in dem Experten- ausführen – betrifft die Ausstattung von Polizistin- bericht. Das führt dazu, meine sehr verehrten Da- nen und Polizisten mit mobilen Kommunikationsge- men und Herren, dass Polizeibeamte nicht einfach räten. So heißt es zum Beispiel auch wieder in dem schnell etwas googeln können, zum Beispiel eine Expertenbericht dazu: „Eine Übertragung von digi- Adresse. Die Polizeibeamten müssen erst an einen talen Speichermedien, etwa eines Smartphones, anderen Rechner wechseln. Das wäre im Übrigen auf mobile Kommunikationsendgeräte wie Laptop, gar kein Problem, wenn der Rechner direkt am Ar- Tablet oder Smartphone (z. B.“ – das Beispiel ist beitsplatz des Ermittlers stehen würde und sie sich heute auch schon mehrfach genannt worden – „ein nur dem neuen Rechner zuwenden müssten. Aber von einem Zeugen mithilfe seines Smartphones an- das ist eben nicht so, es gibt Poollösungen, sodass gefertigtes Foto oder Video zum Tathergang oder einige Rechner bereitstehen. Das sind aber nicht Tatverdächtigen unmittelbar am Tatort) ist bei der genügend Rechner, an denen man Internetrecher- Thüringer Polizei nur mit größerem Aufwand mög- chen durchführen kann. Das heißt, der Beamte lich, weil die in einem Einsatz tätigen Beamten nicht geht zum Rechner, muss die Adresse abschreiben mit diesen Endgeräten ausgestattet sind. […] Falls und muss dann wieder zurück an seinen Rechner bei einem Polizeieinsatz in Thüringen von den Ein- gehen, an dem er arbeitet, und die Adresse eintra- satz führenden Kräften entschieden wird, Daten gen. Frau Marx hat es schon gesagt: Bei der Ver- von einem Speichermedium zu überspielen, müs- Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 110. Sitzung - 22.02.2018 9511

(Abg. Adams) sen dafür speziell die Regionalen Beweissiche- angebote der Landespolizeiinspektionen, insbeson- rungseinheiten [...] in Gang gesetzt werden.“ dere zum Wohnungseinbruchsschutz, auch digitali- siert multimedial anzubieten und damit dafür zu Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich den- werben, die Wohnung sicher zu machen und damit ke, das ist kein zeitgemäßer Zustand. Daran müs- Straftaten zu verhindern. Prävention – das kann sen wir etwas ändern und daran wollen wir auch et- man nicht oft genug sagen – ist das beste polizeili- was ändern. che Mittel, um Straftaten zu verhindern. Deshalb (Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) liegt ein Hauptaugenmerk auf diesem Weg. Auch das gehört zur Digitalisierung und auch das wollen An der Stelle möchte ich auf Herrn Henke einge- wir mit unserem Antrag voranbringen. hen, der eben ein – ich würde mal nett formuliert sagen – interessantes, aber eigentlich auf den Alles das, was ich gerade eben gesagt habe, sind Punkt gebracht, bizarres und absurdes Bild von Po- nur einige Punkte aus unserem umfangreichen Pa- lizeiarbeit gezeichnet hat. Für Herrn Henke sind Di- ket, aus dem umfangreichen Aufgabengebiet, das stanzwaffen, mit denen Täter unschädlich gemacht wir hier beschrieben haben. Uns war es wichtig auf- werden können, Drohnen, die Flüchtige verfolgen, zuzeigen, dass mit Digitalisierung und Modernisie- sozusagen das Mittel der Wahl. Er hat überhaupt rung die Polizei fit für die Zukunft gemacht werden keine Vorstellung von Ermittlungstätigkeit, von Be- kann. Und, meine sehr verehrten Damen und Her- weissicherung, um in einem Rechtsstaat denjeni- ren, wir sind ganz sicher, dass wir damit die Sicher- gen dann auch einer ordentlichen Strafverfolgung heit in Thüringen verbessern und unserer Polizei zuführen zu können. gute zeitgemäße Arbeitsbedingungen zur Verfü- gung stellen. Wir freuen uns auf die Debatte im In- Meine sehr verehrten Damen und Herren, wer in ei- nenausschuss. Vielen Dank. ner Debatte um Digitalisierung in der Thüringer Po- lizei nicht erkennt, dass man hier über Kommunika- (Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE tionsmittel, Dokumentationsmittel und Auswertung GRÜNEN) spricht, und nur noch die Distanzwaffe im Kopf hat, zeigt, was er ist, wessen Geistes Kind er ist. Vizepräsidentin Jung: (Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE Als nächster Redner hat Abgeordneter Dittes, Frak- GRÜNEN) tion Die Linke, das Wort. Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir alle sind heutzutage daran gewöhnt, über Smartphones Abgeordneter Dittes, DIE LINKE: Bilder und Dateien schnell und unkompliziert aus- Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, als zutauschen. Nur unsere Polizei ist im Dienst nicht letzter Redner hat man ja das Vergnügen, sich ent- in der Lage dazu. Das ist nicht mehr zeitgemäß, scheiden zu können, alles Richtige einer Debatte wie ich schon gesagt habe. Wir bitten deshalb unter noch mal zu wiederholen oder auf Beiträge zu rea- dem Punkt II. b) in unserem Antrag die Landesre- gieren. Und das will ich tun. gierung – ich zitiere da wieder –, „die Ausstattung mit mobiler Kommunikationstechnik im Einsatz- und Meine Damen und Herren, es versteht sich von Streifendienst der Thüringer Polizei [einzuführen], selbst – und das auch ohne weitere Analyse –, um Datenabgleiche sowie Anzeigen- und Aussa- dass ein Ausdruck von „rückständigen, gewaltberei- genaufnahmen ohne zeitlichen Verzug vor Ort digi- ten Kulturen“ tatsächlich Ausdruck von Rassismus tal durchzuführen und eine weitere Vorgangsverar- ist. beitung zu ermöglichen.“ Dabei sollen natürlich die (Beifall DIE LINKE) Erfahrungen aus anderen Bundesländern genutzt werden. Bayern hat sich im letzten Jahr auf den Aber wenn ich dem Beitrag des Abgeordneten Hen- Weg gemacht, dass hier mehr Digitalisierung in die ke zugehört habe und richtig verstanden habe, was Polizei gebracht wird. Auch die Datenübertragung er wirklich alles gesagt hat, dann kann man seinen soll unkompliziert mobil innerhalb der Polizei mög- Beitrag unter die Überschrift „Waffen statt Moderni- lich sein, so haben wir das im Punkt II. c) beschrie- sierung“ stellen. Und dann frage ich Sie: Was ist ben und bitten darum, dass die Landesregierung das anderes als rückständig und gewaltbereit? das aufnimmt. Das dürfte auch zu einer erheblichen (Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE Entlastung der Beamtinnen und Beamten insbeson- GRÜNEN) dere im Dienst führen und den Austausch der Da- ten untereinander möglich machen. Und wenn der Abgeordnete Henke sich hier vorne hinstellt und sagt, die Polizei wisse genau, wer auf Meine sehr verehrten Damen und Herren, in unse- ihrer Seite steht, dann will ich mal die Öffentlichkeit rem Doppelhaushalt haben wir viel Geld für Digitali- daran erinnern, dass es genau die GdP war, die vor sierung eingestellt, haben aber auch Geld für Prä- ziemlich exakt einem Jahr indirekt Thüringer Poli- vention eingestellt. Dieses Geld kann nun unter an- derem auch dafür eingesetzt werden, Präventions- 9512 Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 110. Sitzung - 22.02.2018

(Abg. Dittes) zeibeamte aufgefordert hat, aus der AfD auszutre- wie richtig, was Sie hier fordern, und eigentlich se- ten, und sich von dieser distanziert hat, hen wir auch hier die Notwendigkeit, in diesem Be- reich was zu tun. Man merkte Ihnen richtig den (Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) kämpfenden Oppositionspolitiker an. Glauben Sie weil die AfD eben nicht die Interessen von Bediens- mir, ich kann mich hier an solche Situationen erin- teten in diesem Land vertritt. Und wenn die AfD nern. Man möchte eigentlich zustimmen, man auch den Eindruck erwecken will, auf der Seite der möchte den Antrag befürworten, aber man kommt Polizeibeamten zu stehen, dann will ich doch auch aus der Rolle des Oppositionspolitikers nicht mal eine Entscheidung des Thüringer Landtags, heraus und dann saugt man sich in den Nebensät- nämlich des Haushalts- und Finanzausschusses, zen so Gedanken heraus, um dann zu sagen: Wir zum diesjährigen Haushalt in meinem Redebeitrag können heute nicht zustimmen, lassen Sie uns mit erwähnen. Denn diese Koalition hat auf Antrag doch noch mal im Innenausschuss beraten. Am En- der Fraktionen Die Linke, der SPD und Bündnis de kommt etwas heraus, was Sie eigentlich nicht 90/Die Grünen die Polizeianwärter in diesem Jahr wollen, denn wenn man Ihnen zugehört hat, hörten auf 260 und auch im nachfolgenden Jahr auf 260 Sie sich am Ende als ein Mann an, der eigentlich angehoben und die AfD-Fraktion hat im Haushalts- die Position vertritt: Warten wir doch mal ab, ob und Finanzausschuss dagegen gestimmt. Es ist sich das mit dem Internet überhaupt noch durchset- einfach verlogen, sich dann hier hinzustellen, sich zen wird. auf der Seite der Polizei zu wähnen und dann auch (Zwischenruf Abg. Hey, SPD: Da hat er noch mehr Personal zu fordern, wenn man es im recht!) Landtag tatsächlich ganz konkret ablehnt. Ich sage auch mit den Worten des GdP-Vorsitzenden: Sie Zweitens haben Sie so den Eindruck erweckt, die sollten sich schämen, Sie sind eine rassistische Herausforderungen, die da vor uns stehen, sind so Partei und Sie sind keine, die für die öffentliche Si- groß, da sollten wir uns doch als Thüringer mal lie- cherheit eintritt oder an der Seite der Bediensteten ber ganz kleinmachen und schauen, ob wir die steht. überhaupt meistern können. Nein, Herr Walk, das Gegenteil ist der Fall. Wir müssen mit Selbstbe- (Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE wusstsein nach vorn treten. Wir wissen um die He- GRÜNEN) rausforderungen, wir gehen sie auch an und wir ha- (Unruhe AfD) ben auch die entsprechenden Voraussetzungen ge- schaffen. Damit will ich es auch belassen mit meiner Reak- tion auf den Beitrag der AfD. Sie haben das Personal angesprochen. Ich habe es Ihnen gesagt: Wir haben mit der Beschlussfassung Vizepräsidentin Jung: zum diesjährigen Doppelhaushalt, was die Polizei- anwärter betrifft, wenn man Ihre Einstellungszahlen Herr Abgeordneter Dittes, ich möchte Sie erstens von 2014 zum Vergleich nimmt, am Ende 400 Poli- noch einmal darauf aufmerksam machen, dass zeianwärter mehr im Dienst, als wenn wir fortge- über Abstimmungsverhalten im Ausschuss hier setzt hätten, was Sie 2014 auf den Weg gebracht nicht zu berichten ist. Zum Zweiten bitte ich Sie haben. Das ist doch mal was, auf das wir aufbauen wirklich, sich zu zähmen. Wir haben uns heute können. Wenn wir – der Kollege Adams hat es an- schon mehrfach verständigt. Das Wort – ich lasse gesprochen – im Haushalt 5 Millionen Euro zusätz- es noch einmal durchgehen, aber ich bitte Sie wirk- lich eingestellt haben für IT-Projekte für die Thürin- lich herzlich, sich zukünftig daran zu halten. ger Polizei, dann ist es doch gerade etwas, wo wir uns nicht mehr in Machbarkeitsstudien verlieren Abgeordneter Dittes, DIE LINKE: dürfen, sondern was wir angehen müssen, wo wir sinnvoll investieren müssen, um 2020 tatsächlich Es fällt mir, bei allem Respekt, Frau Präsidentin, re- eine moderne Polizei in Thüringen zu haben. lativ schwer zu akzeptieren, dass man in einem Parlament, in der Demokratie einfach nicht mehr Dann sage ich es Ihnen noch einmal: Natürlich Tatsachen aussprechen darf, aber ich nehme das kann man solche Bedenken vortragen, wie Sie das zur Kenntnis. heute getan haben, das verträgt sich natürlich auch mit Ihren Anträgen, die Sie zum Haushalt gestellt (Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE haben, mit denen Sie im Bereich der inneren Si- GRÜNEN) cherheit 4 Millionen Euro einsparen wollten. Das (Zwischenruf Abg. Rietschel, AfD: Hirnge- passt nicht zusammen: Modernisierung und Ein- spinste!) sparen. Wenn man modernisieren will, muss man investieren. Ich lade Sie ein, seien Sie einfach da- Herr Walk, Ihrem Redebeitrag habe ich auch sehr bei, stehen Sie nicht daneben, sondern machen Sie aufmerksam zugehört. Es tut mir schon ein mit, bringen Sie sich ein und seien Sie nicht so ha- bisschen leid, wie Sie hier vorn gestanden haben und sagen mussten: Na ja, eigentlich ist das irgend- Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 110. Sitzung - 22.02.2018 9513

(Abg. Dittes) senfüßig, wie das heute zum Ausdruck gekommen Ich will Ihnen das auch noch mal an einem dritten ist. Beispiel sagen, nämlich einer Polizeistation. Da besteht der Internetzugang im Dienstwagen, und (Beifall DIE LINKE) zwar in Bad Berka. Wenn dort dieselben Arbeiten Man muss auch als Oppositionspolitiker – auch das anfallen, die eine normale Polizeistation zu erfüllen weiß ich aus eigener Erfahrung – an einem be- hat, und eine Recherche zur Grundstücksentwick- stimmten Punkt einfach mal Farbe bekennen und lung, historischen Entwicklung oder wie auch immer sich entscheiden, wohin es gehen soll und ob man oder bei Internetbetrug, der angezeigt wird, erfol- auf den Zug aufspringt oder am Bahnsteig zurück- gen muss, hat er zwei Möglichkeiten: entweder ein gelassen wird. Ich will Ihnen auch sagen, warum es Fax in die Dienststelle zu schicken – ein Fax in die in dem Fall so wichtig ist, dass wir endlich wirklich Dienststelle mit einer Internetrechercheanfrage – auf einen in der ganzen Welt fahrenden Zug auch oder er kann sich in seinen Dienstwagen setzen, im Bereich der Polizei aufspringen. Ich will das mal nach Weimar fahren und hoffen, dass einer der we- an einzelnen Beispielen benennen, es ist zum Teil nigen Internetarbeitsplätze frei ist. Das ist doch kein schon ausgeführt worden. Da werden Beamte der Zustand. Thüringer Polizei zum Unfall gerufen, sie fahren hin (Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- mit Bleistift und Notizblock, notieren sich die Adres- NEN) sen der Beteiligten und machen eine kurze Skizze und fahren dann abends wieder in die Dienststelle Da muss ich auch keine Studie erarbeiten, um zu und tippen das alles mühevoll wieder in ihren Com- wissen, dass ich Polizei, wenn sie in so einer Situa- puter ein. Nach zwei Wochen wird ein beteiligter tion ist, modernisieren muss. Unfallzeuge in die Polizeiinspektion eingeladen, Ich will Ihnen ein letztes Beispiel sagen. Dass es wird vernommen, der sagt, ich habe das doch alles noch mal nicht dabei aufhört, da will ich zwei ande- schon einmal erzählt, erzählt das dem anderen Po- re Beispiele auch benennen, die vielleicht mit Kom- lizeibeamten, der tippt das in das System ein. Mit munikation wenig zu tun haben, aber die auch auf- mobiler Technik vor Ort kann alles dokumentiert fallend sind, dass wir dringend arbeiten müssen. werden. Die Zeugenaussage kann dokumentiert Ich bin unglücklicherweise neulich in eine Ge- werden, Fotos können im System eingespielt wer- schwindigkeitskontrolle mit der Laserpistole gera- den. Der Beamte spart die Zeit, die er früher dafür ten, brauchte, das im System nachträglich einzugeben. Und die Beamten können sich dann durch diese er- (Heiterkeit CDU, DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS sparte Zeit tatsächlich in ihre Ermittlungsarbeit stür- 90/DIE GRÜNEN) zen und können das machen, wofür sie eigentlich (Zwischenruf Abg. Möller, AfD: Mit dem Fahr- da sind: nicht Sachen zu dokumentieren und buch- rad?) halterisch ihre Arbeit im Prinzip in das System ein- zugeben, sondern ermitteln, auch in der Gewaltprä- mit dem Auto, liebe Kollegen, mit dem Auto. Dass vention, Straftatsprävention, Straftatsverfolgung tä- das Verfahren möglicherweise mit der Laserpistole tig werden und auch in der Fläche mit dem Wagen nicht ganz gerichtsfest ist, das habe ich dem Poli- präsent sein. zeibeamten gesagt, aber ich war ehrlich, ich bin keine 30 gefahren, ich bin 50 gefahren, ich habe Ich will Ihnen ein zweites Beispiel nennen: Wir ha- bezahlt und habe gefragt: „Kann ich denn mit EC- ben natürlich auch ein Zusammenspiel verschiede- Karte bezahlen? Ich will das hier sofort erledigen. ner Strukturen der Thüringer Polizei im Land Thü- Ich weiß ja, wie schnell ich gefahren bin.“ ringen. Ein wesentlicher Baustein gerade in dieser Sicherheitsarchitektur – ich will das nicht gering- (Zwischenruf Abg. Huster, DIE LINKE: So schätzen – sind die Kontaktbereichsbeamten gera- was wollen wir hier nicht!) de im ländlichen Raum. Es ist doch selbstverständ- Mit EC-Karte konnte ich nicht bezahlen. Ich konnte lich, dass es die Polizeibeamten vor Ort sind, die bar bezahlen oder nicht. Es ist doch kein Aufwand, auch die Ersten sind, die vor Ort eine Straftat auf- Herr Innenminister, vielleicht dafür Sorge zu tragen, nehmen, vielleicht auch die Erstermittlung schon dass mobile Kartenlesegeräte in den Polizeiautos mal vornehmen. Wenn dann aber der Kontaktbe- sind, dass solche Verkehrssünder wie ich dann so- reichsbeamte in einer Gemeinde nicht mal einen In- fort ihr Bußgeld bezahlen können, und dann ist das ternetzugang hat, um möglicherweise auch mal zu erledigt. recherchieren, dann ist das ein Zustand, der im 21. Jahrhundert dringend abgestellt werden muss. (Beifall DIE LINKE) (Beifall DIE LINKE) Das mag ja noch etwas witzig erscheinen. Aber ich will ein zweites Beispiel nennen, wo ich glaube, die Um das zu verstehen, Herr Walk, brauchen wir Thüringer Polizei ist nicht auf dem Stand, wie sie es auch keine Machbarkeitsstudie. eigentlich sein sollte. Natürlich gehört bei der Un- fallerfassung auch dazu, Abstände zu messen, um 9514 Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 110. Sitzung - 22.02.2018

(Abg. Dittes) nämlich gerichtsfest verwertbare Beweise zu ha- zu einer anderen Organisationsform kommen. ben. Unsere Beamten in Thüringen rennen mit ei- Warum? Erstens weil wir damit Polizeibeamte für nem Rollgerät rum, das die Entfernung misst, und die polizeiliche Arbeit freistellen, die wir im Polizei- haben ein 30-Meter-Maßband dabei. Wenn sie dienst brauchen. Die brauchen wir. Zweitens weil einen Verkehrsunfall auf der Autobahn aufnehmen, wir richtige Spezialisten im Landesbetrieb einstellen werden Sie sich vorstellen können, dass die Breite können und weil wir in einem Landesbetrieb we- der Straße oftmals bereits über 30 Meter ist. Das sentlich flexibler sind, nämlich die Spezialisten tat- heißt, sie haben überhaupt keine Chance, mit die- sächlich auch zu anderen Gehaltsvorstellungen sem 30-Meter-Maßband eine gerichtsfeste Orts- oder als freie Mitarbeiter einzustellen, wie wir das messung vorzunehmen, und das Rollgerät, was im öffentlichen Dienst nicht realisieren können. Drit- sehr viel Platz im Funkstreifenwagen einnimmt, ist tens, weil sich dieser Landesbetrieb natürlich auch noch nicht mal genau, weil es nicht gerade fährt – privater Dritter bedienen und noch mal sehr viel so die Auskunft von Polizeibeamten. Es sollte doch leichter in der Auftragsvergabe usw. bedienen möglich sein, dass unsere Polizeibeamten in den kann, weil er verhandeln kann, weil er ganz konkret Funkstreifenwagen auch mit digitalen Messgeräten verhandeln kann, wie beispielsweise das auch im ausgestattet sind, die auch in der Justiz dann ak- Rahmen des TKÜ-Zentrums der fünf Länder ein- zeptiert und zugelassen werden. Das würde Platz schließlich Berlin jetzt vollzogen worden ist. Da hat in den Funkstreifenwagen schaffen, das würde man sich auch eines privaten Dritten bei der Ent- auch zu einer Modernisierung beitragen und auch, wicklung bedient. glaube ich, zu einer erhöhten Rechtssicherheit. Deswegen, sage ich, ist es richtig und entspricht (Zwischenruf Abg. König-Preuss, DIE LINKE: gerade auch den personellen Herausforderungen, Es würde schneller gehen!) wenn man sich um solche externen Lösungen be- müht, die unter einer Landesverantwortung aber Nun weist der Abgeordnete Walk darauf hin, dass weiterhin stehen bleiben, und sich darum kümmert, das Ganze natürlich die notwendigen Finanzen und weil da geht man das Problem an. das notwendige Personal erfordert, wenn man in so eine Modernisierungsstrategie einsteigt. Da haben Was allerdings nicht funktioniert – und da, glaube Sie recht. Zum Haushalt habe ich was gesagt: Rot- ich, muss ich Sie korrigieren –, ist, zu sagen, den Rot-Grün hat 5 Millionen Euro zusätzlich eingestellt, IT-Bereich der Thüringer Polizei einfach unter dem Sie wollten 4 Millionen Euro kürzen. Dann ist es na- gesamten IT-Bereich des Landes Thüringen zu fas- türlich schwierig, wenn man sich dann vier Wochen sen, weil, glaube ich, die datenschutzrechtlichen später hinstellt und sagt: „Wir brauchen eigentlich Anforderungen, die Sicherheitsaspekte, die dort zu mehr Geld“, wenn man dazu hätte beitragen kön- berücksichtigen sind, weitaus größer sind und noch nen, es aber nicht gemacht hat. mal sensibler sind. Dort arbeiten 6.000 Beamte an verschiedenen Datensystemen, wo eine Unmenge Aber nun will ich Ihnen was zum Personal sagen, personenbezogener Daten, auch nur von Ver- weil Sie recht haben. Und Sie haben aber hier im dachtsfällen, gespeichert sind, und da steckt eine Prinzip auch gleichzeitig die Antwort dafür geliefert. große Grundrechtsrelevanz dahinter und da muss Deswegen verstehe ich auch Ihre Zurückhaltung jedes System absolut – und da meine ich wirklich nicht. Sie haben gesagt: Mittlerweile arbeiten im absolut – sicher sein vor Missbrauch und vor unge- Projekt NOVa 120 Beamte der Thüringer Polizei, hindertem Datenabfluss. Deswegen, glaube ich, ist die als Polizeibeamte ausgebildet worden sind, die es auch richtig, tatsächlich eine Insellösung für die sich unzweifelhaft durch private Weiterbildungen, Polizei zu realisieren. durch Schulungsangebote des Thüringer Innenmi- nisteriums, durch andere auch praktisch eine Kom- (Zwischenruf Abg. Walk, CDU: Kein Wider- petenz im IT-Bereich angeeignet haben, aber keine spruch!) IT-Spezialisten sind. Und diese 120 Beamten arbei- Wo ich aber wieder bei Ihnen bin, ist, dass wir im ten jetzt an solchen wichtigen Projekten im Rahmen Bereich der IT-Kommunikation, der Datenübertra- von NOVa mit der neuen Vorgangsbearbeitungs- gung eine Verbundlösung zwischen den Ländern software ComVor. Diese 120 Beamten fehlen aber brauchen, dass die Datenübermittlung zwischen in der Polizeistruktur in der Fläche. Bei 6.000 Be- den Ländern dort, wo sie rechtlich zulässig, recht- amten landesweit sind 120 Beamte durchaus schon lich geboten ist, auch ohne Probleme funktionieren eine belastbare Zahl. Das merkt man in den Dienst- kann, und dafür müssen wir eben auch die Voraus- stellen. Das wissen Sie sicherlich auch aus Ihren setzungen schaffen. Und da ist Ihr Vorschlag, jetzt Gesprächen vor Ort. Deswegen, glaube ich, war es noch mal abzuwarten und länderübergreifende eine falsche Entscheidung innerhalb des Landes Standards zu prüfen, zu entwickeln, auch einfach Thüringen, die IT-Entwicklung im Bereich der Poli- zu spät kommend. Sie haben es selbst gesagt. Und zei immer innerhalb der Polizeiabteilung zu organi- im PSR-Bericht, der übrigens seit November 2016 sieren und zu realisieren. Deswegen, glaube ich, ist im Internet auch für Abgeordnete abrufbar ist, ist es es richtig, zu überlegen, ob wir denn für den Be- zum Ausdruck gebracht: Andere Bundesländer sind reich der Polizei tatsächlich zum Landesbetrieb und Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 110. Sitzung - 22.02.2018 9515

(Abg. Dittes) dort weitaus weiter und wir müssen jetzt die Vo- Maier, Minister für Inneres und Kommunales: raussetzungen schaffen, um überhaupt mit anderen Sehr geehrte Präsidentin, sehr geehrte Damen und Bundesländern Schritt halten zu können. Denn ich Herren Abgeordnete, wenn ich hier in die Runde will es Ihnen auch ganz deutlich noch mal sagen: schaue, dann merke ich, dass die Digitalisierung Wir kämpfen natürlich nicht nur im Lehrerbereich, zumindest im Thüringer Landtag schon weit fortge- sondern auch im Polizeibereich um junge Men- schritten ist. schen, die in der Thüringer Polizei ihren Dienst auf- nehmen sollen. Wir werden doch aber kein attrakti- (Heiterkeit CDU) ver Arbeitgeber für junge Menschen, wenn wir in- Das ist auch nicht zu beanstanden, dass man ge- nerhalb der Polizei keine modernen Arbeitsmöglich- gebenenfalls mal einen Blick auf das Smartphone keiten zur Verfügung stellen. Deswegen sage ich: oder das Tablet richtet. Wir haben auch als Linke eine hohe Erwartung an die polizeiliche Tätigkeit, an Effektivität, an Bürger- Allerdings ist die Situation in den Polizeiwachen nähe, an Transparenz, an Verhältnismäßigkeit, an und in den Streifenwagen leider eine ganz andere. Grundrechtsschutz und das heißt eben auch, wenn Der eine oder andere hat das vielleicht gelesen, wir diese Erwartungen erfüllt sehen wollen, dass wir dass ich letzten Freitag mal als Hilfspolizist auf dem Polizeibeamten die dafür notwendigen Voraus- Streife war, und ich konnte mir deshalb persönlich setzungen schaffen müssen. Deswegen bitte ich zunächst einmal einen Eindruck verschaffen, wie Sie, dem Antrag der Koalitionsfraktionen zuzustim- hart und wie herausfordernd der Beruf ist, Polizist men. oder Polizistin zu sein. An dieser Stelle auch noch mal meine ausdrückliche Wertschätzung für die Ich will noch mal zusammenfassen, meine Kollegen Kolleginnen und Kollegen. haben das im Prinzip im Vorfeld schon getan: Es geht darum, mobile Kommunikationstechnik im Ein- (Beifall CDU, DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS satz- und Streifendienst zu etablieren. Es geht da- 90/DIE GRÜNEN) rum, zu verschlüsselten Polizei-Messenger-Sys- Aber ich konnte natürlich auch feststellen, wo die temen zu kommen, um auch Polizeibeamte aus Defizite liegen, und die sind schon sehr gravierend, dieser rechtlichen Grauzone der privaten Nutzung muss man so sagen. Es ist heute ja schon mehr- oder der Nutzung privater Smartphones herauszu- fach angesprochen worden, wo die Probleme lie- holen. Es geht um die Einrichtung einer Onlinewa- gen, und es ist eben nicht damit getan, dass wir che und schrittweise dann auch Etablierung zu ei- jetzt eine Großbestellung an Smartphones aufge- ner Notrufwache, es geht um bessere Internetzu- ben und die den Kollegen in die Hände drücken, gänglichkeit der Arbeitsplätze für Bedienstete. Es sondern es ist natürlich im Hintergrund noch viel geht aber auch um die Zurverfügungstellung von mehr zu leisten. Diese Dinge müssen jetzt kurzfris- WLAN-Netzwerken beispielsweise bei der Bereit- tig vorangetrieben werden. Es ist nicht so, dass wir schaftspolizei oder auch im Polizeifortbildungszen- bei der Thüringer Polizei bei null anfangen müssen. trum. Es geht um Möglichkeiten der verschlüsselten Es ist so, dass wir bereits in den letzten Wochen, Kontaktaufnahme von Bürgerinnen und Bürgern mit Monaten und Jahren intensive Anstrengungen un- der Polizei und es geht natürlich auch letztendlich ternommen haben, um das sogenannte Back-End, darum, zu überlegen, wie man und unter welchen also das alles, was systemisch im Hintergrund zu organisatorischen Voraussetzungen die polizeiliche programmieren ist, voranzutreiben. Da geht es ins- IT-Technik in Zukunft fortentwickeln kann. Ich den- besondere um das Vorgangsbearbeitungssystem, ke, das sind alles gute Ansätze, die wir hier gelie- was heute hier auch schon mehrfach angeklungen fert haben. Wir haben im Haushalt die entsprechen- ist. Das ist im Grunde die Plattform für polizeiliche den Voraussetzungen geschaffen. Ich freue mich, Arbeit. Da fließen die Informationen zusammen, die dass der Innenminister heute schon in der Zeitung dann auch von allen Dienststellen entsprechend angekündigt hat, dass er den Antrag der Koalitions- genutzt werden können. Diese Plattform muss erst fraktionen begrüßt und auch umsetzen wird. Des- mal für die mobilen Endgeräte kompatibel gemacht wegen glaube ich, wir wären im Landtag gut bera- werden. Da ist natürlich eine Programmierungsleis- ten, dem Innenminister auch unter großer Zustim- tung erforderlich und diese Dinge dauern einfach mung dort den Rücken zu stärken. Vielen Dank. auch ihre Zeit. Aber wenn wir das schaffen, kurz- (Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE fristig jetzt diese Dinge zu ermöglichen, dann wer- GRÜNEN) den wir den Kolleginnen und Kollegen so die Arbeit erleichtern, dass sie eben mehr Zeit für die ureigen- Vizepräsidentin Jung: ste polizeiliche Tätigkeit haben. Genau das ist mein Ziel. Aus den Reihen der Abgeordneten liegen mir jetzt keine Wortmeldungen vor. Für die Landesregierung (Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) hat sich Herr Innenminister Maier zu Wort gemel- Es gibt viele Dinge, wo wir sehr schnell sehr viele det. Verbesserungen erreichen können – das ist heute 9516 Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 110. Sitzung - 22.02.2018

(Minister Maier) schon mehrfach angeklungen. Dass erst mal ein Viertens, die digitale Infrastruktur: Ich war mal für Zettel geschrieben werden muss, der dann nachher das Thema „Breitband“ zuständig, das ist ja nur ei- abgetippt werden muss. Aber es gibt noch viele ne Form der digitalen Infrastruktur. WLAN war zum weitergehende Erleichterungen. Man kann auch Beispiel in der Polizeischule in Meiningen bis vor einfach ein Kennzeichen abfotografieren, um dann Kurzem noch nicht da, das gibt es jetzt. Es gibt automatisch zu sehen, wer der Halter ist und was auch schon kleinere Fortschritte zu verzeichnen. Sache ist, oder eben auch einen Personalausweis Nicht nur WLAN spielt eine Rolle, sondern natürlich entsprechend auslesen zu können. Im Moment läuft auch innerhalb der Polizei entsprechende Einrich- das noch so, dass die Daten über Funk übermittelt tungen, um die digitale Kommunikation in der Poli- werden und dann im System ein Kollege oder eine zei zu verbessern. Aber es geht nicht nur um die Kollegin in der Dienststelle sitzt und dem Streifen- Kommunikation innerhalb der Polizei, sondern es wagen diese Informationen übermittelt. Das ist geht natürlich auch um die Kommunikation der Bür- eben rückständig. An dieser Stelle müssten wir gerinnen und Bürger mit der Polizei. Und da sind handeln. wir beim Stichwort „Onlinewache“ angekommen. Es geht also darum – das ist heute auch schon in (Beifall DIE LINKE) der Presse angeklungen –, dass wir einen Vier- Ich unterstütze das. Die Onlinewache ist ein wichti- Punkte-Plan umsetzen. Vier Punkte! Punkt 1 be- ger Schritt. Allerdings muss man dabei beachten – zieht sich zunächst einmal auf die Hardware. Wir Herr Walk hat das eben angesprochen, das sehe brauchen tatsächlich dringend diese mobilen End- ich ähnlich: Wenn natürlich die Hemmschwelle ge- geräte, die hier viele von Ihnen oder fast alle von senkt wird, eine Anzeige aufzugeben, dann wird es Ihnen schon vor sich liegen haben. Die brauchen dazu kommen, dass viele Bagatelldinge – vielleicht wir auch in der Polizei, um letztendlich die Alltags- Nachbarschaftsstreitigkeiten oder sonstige Dinge – arbeit der Kolleginnen und Kollegen an dieser Stel- schnell mal reingetackert werden, eine Anzeige auf- le zu erleichtern. Smartphones, Tablets, das ist gegeben wird. Es ist eben so, dass diese Anzeige Stand der Dinge und das müssen wir eben auch dann bearbeitet werden muss. Dazu brauchen wir anschaffen. Wie gesagt, immer die entsprechende entsprechendes Personal. Ich bin an dieser Stelle Schnittstelle in das polizeiliche System mitgedacht. etwas vorsichtiger, was die Onlineanzeigen anbe- Zweitens, Software: Da reden wir zum Beispiel über langt. Aber die anderen Funktionen, die es den Bür- Messenger-Dienste. Es ist doch nicht mehr tragbar, gerinnen und Bürgern erleichtern, Kontakt aufzu- wenn heute Fahndungen ausgeschrieben werden nehmen, Notruffunktionen und Entsprechendes un- oder Vermisstenanzeigen erfolgen, wenn Kinder terstütze ich natürlich im vollen Umfang. verlorengehen und gesucht werden, dass die Fahn- Ich komme zuletzt zu den Themen der sozialen Me- dungsbilder in der Dienststelle ausgedruckt werden dien. Auch das ist ein wichtiges Thema für die Thü- müssen und dann händisch auf die Streifenwagen ringer Polizei. Wir hatten jüngst einen schönen verteilt werden. Das geht doch nicht, das muss sich Fahndungserfolg bei der Ergreifung der geflüchte- ändern. Deswegen brauchen wir entsprechende ten Häftlinge in Arnstadt. Die Kommunikation lief Dienste, die bei uns im Alltag auch gang und gäbe erst über Twitter und dann wurde es von den Ra- sind. Wir alle wissen, dass man sich mit WhatsApp diostationen übernommen und deswegen konnten und ähnlichen Messanger-Funktionen heute den die Geflüchteten schnell gefasst werden. Es ist also Alltag persönlich leichter gestalten kann. So kann ganz wichtig, dass wir diese sozialen Medien auch es eben auch in der polizeilichen Arbeit sein. für die Polizeiarbeit nutzen. Da sind wir schon gut Der dritte Punkt ist Personal. Wir brauchen drin- unterwegs. Das Social-Media-Team der Thüringer gend IT-Fachkräfte in der Thüringer Polizei. Die Polizei ist sehr aktiv und man kann das als Bürger, müssen wir wahrscheinlich von außen holen. Die als Bürgerin über diese Art und Weise sehr gut Strategie, dass wir die Leute intern aufbauen, ist nachvollziehen. meines Erachtens mit Nachteilen behaftet. Meine sehr geehrten Damen und Herren, die Zeit (Beifall DIE LINKE) ist schon fortgeschritten. Ich will nicht die anderen Dinge, die schon angesprochen wurden, hier noch Deswegen muss natürlich die Polizei auch für ex- mal wiederholen. Ich freue mich auf die Diskussion terne IT-Kräfte – und hier stehen wir auch im Wett- im Innenausschuss. Danke für Ihre Aufmerksam- bewerb mit der Industrie, mit der Wirtschaft – ent- keit. sprechend bezahlt werden. (Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE (Beifall CDU) GRÜNEN) Oder aber ich setze andere Anreize wie zum Bei- spiel die Verbeamtung. Nur so wird es uns gelin- Vizepräsidentin Jung: gen, Fachkräfte im größeren Umfang in die Polizei zu locken. Es liegen jetzt keine weiteren Wortmeldungen mehr vor. Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 110. Sitzung - 22.02.2018 9517

(Vizepräsidentin Jung) Es ist Ausschussüberweisung an den Innen- und Ich schließe den Tagesordnungspunkt und die heu- Kommunalausschuss beantragt worden. Wer dem tige Plenarsitzung. zustimmt, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. Das sind die Fraktionen der CDU und der AfD. Ge- genstimmen? Das sind die Koalitionsfraktionen. Da- Ende: 19.17 Uhr mit ist die Ausschussüberweisung abgelehnt. Wir kommen zur Abstimmung direkt über diesen Antrag. Wer dem zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. Das sind die Koalitionsfraktionen. Gegenstimmen? Die CDU-Fraktion und die AfD- Fraktion. Damit ist der Antrag angenommen. 9518 Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 110. Sitzung - 22.02.2018

Anlage 1 Namentliche Abstimmung in der 110. Sitzung am 22. Februar 2018 zum Tagesordnungspunkt 7

Grundsätzliche, über den Einzelfall hinausgehende Auslegung einer Vorschrift der Geschäftsordnung gemäß § 122 GO Beschluss des Thüringer Landtags zum Antrag der Fraktionen DIE LINKE, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Drucksachen 6/3809/3874 - hier: Beschlussempfehlung des Ausschusses für Migration, Justiz und Verbraucherschutz - Drucksache 6/5328 -

1. Adams, Dirk ja 39. Kowalleck, Maik (CDU) nein (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) 40. Kräuter, Rainer (DIE LINKE) ja 2. Becker, Dagmar (SPD) ja 41. Krumpe, Jens (fraktionslos) Enthaltung 3. Berninger, Sabine (DIE LINKE) ja 42. Kubitzki, Jörg (DIE LINKE) ja 4. Blechschmidt, André ja 43. Kummer, Tilo (DIE LINKE) ja (DIE LINKE) 44. Kuschel, Frank (DIE LINKE) ja 5. Bühl, Andreas (CDU) 45. Lehmann, Annette (CDU) nein 6. Carius, Christian (CDU) nein 46. Lehmann, Diana (SPD) ja 7. Dittes, Steffen (DIE LINKE) ja 47. Leukefeld, Ina (DIE LINKE) ja 8. Emde, Volker (CDU) 48. Lieberknecht, Christine (CDU) nein 9. Engel, Kati (DIE LINKE) ja 49. Liebetrau, Christina (CDU) nein 10. Fiedler, Wolfgang (CDU) 50. Lukasch, Ute (DIE LINKE) ja 11. Floßmann, Kristin (CDU) nein 51. Lukin, Dr. Gudrun (DIE LINKE) ja 12. Geibert, Jörg (CDU) nein 52. Malsch, Marcus (CDU) nein 13. Gentele, Siegfried (fraktionslos) 53. Martin-Gehl, Dr. Iris 14. Grob, Manfred (CDU) nein (DIE LINKE) 15. Gruhner, Stefan (CDU) nein 54. Marx, Dorothea (SPD) ja 16. Hande, Ronald (DIE LINKE) ja 55. Meißner, Beate (CDU) nein 17. Hartung, Dr. Thomas (SPD) ja 56. Mitteldorf, Katja (DIE LINKE) ja 18. Harzer, Steffen (DIE LINKE) ja 57. Mohring, Mike (CDU) nein 19. Hausold, Dieter (DIE LINKE) ja 58. Möller, Stefan (AfD) nein 20. Helmerich, Oskar (SPD) ja 59. Mühlbauer, Eleonore (SPD) ja 21. Henfling, Madeleine ja 60. Muhsal, Wiebke (AfD) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) 61. Müller, Anja (DIE LINKE) ja 22. Henke, Jörg (AfD) nein 62. Müller, Olaf ja 23. Hennig-Wellsow, Susanne (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (DIE LINKE) 63. Pelke, Birgit (SPD) ja 24. Herold, Corinna (AfD) nein 64. Pfefferlein, Babett ja 25. Herrgott, Christian (CDU) nein (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) 26. Hey, Matthias (SPD) ja 65. Pidde, Dr. Werner (SPD) ja 27. Heym, Michael (CDU) 66. Primas, Egon (CDU) nein 28. Höcke, Björn (AfD) nein 67. Reinholz, Jürgen (fraktionslos) 29. Holbe, Gudrun (CDU) nein 68. Rietschel, Klaus (AfD) nein 30. Holzapfel, Elke (CDU) nein 69. Rosin, Marion (CDU) nein 31. Huster, Mike (DIE LINKE) ja 70. Rothe-Beinlich, Astrid ja 32. Jung, Margit (DIE LINKE) ja (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) 33. Kalich, Ralf (DIE LINKE) ja 71. Rudy, Thomas (AfD) nein 34. Kellner, Jörg (CDU) nein 72. Schaft, Christian (DIE LINKE) ja 35. Kießling, Olaf (AfD) nein 73. Scheerschmidt, Claudia (SPD) ja 36. Kobelt, Roberto ja 74. Scherer, Manfred (CDU) nein (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) 75. Scheringer-Wright, Dr. Johanna ja 37. König-Preuss, Katharina ja (DIE LINKE) (DIE LINKE) 76. Schulze, Simone (CDU) nein 38. Korschewsky, Knut (DIE LINKE) ja 77. Skibbe, Diana (DIE LINKE) ja Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 110. Sitzung - 22.02.2018 9519

78. Stange, Karola (DIE LINKE) ja 87. Wirkner, Herbert (CDU) nein 79. Tasch, Christina (CDU) 88. Wolf, Torsten (DIE LINKE) ja 80. Taubert, Heike (SPD) ja 89. Worm, Henry (CDU) nein 81. Thamm, Jörg (CDU) nein 90. Wucherpfennig, Gerold (CDU) nein 82. Tischner, Christian (CDU) nein 91. Zippel, Christoph (CDU) nein 83. Voigt, Prof. Dr. Mario (CDU) nein 84. Walk, Raymond (CDU) nein 85. Walsmann, Marion (CDU) 86. Warnecke, Frank (SPD) ja 9520 Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 110. Sitzung - 22.02.2018

Anlage 2 Namentliche Abstimmung in der 110. Sitzung am 22. Februar 2018 zum Tagesordnungspunkt 9

Verbesserung der Altersfeststellung bei unbegleiteten minderjährigen Ausländern Antrag der Fraktion der AfD - Drucksache 6/4939 - hier: Alternativantrag der Fraktion der CDU - Drucksache 6/5338 -

1. Adams, Dirk nein 45. Lehmann, Annette (CDU) ja (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) 46. Lehmann, Diana (SPD) nein 2. Becker, Dagmar (SPD) nein 47. Leukefeld, Ina (DIE LINKE) nein 3. Berninger, Sabine (DIE LINKE) nein 48. Lieberknecht, Christine (CDU) ja 4. Blechschmidt, André (DIE LINKE) nein 49. Liebetrau, Christina (CDU) ja 5. Bühl, Andreas (CDU) 50. Lukasch, Ute (DIE LINKE) nein 6. Carius, Christian (CDU) ja 51. Lukin, Dr. Gudrun (DIE LINKE) nein 7. Dittes, Steffen (DIE LINKE) nein 52. Malsch, Marcus (CDU) ja 8. Emde, Volker (CDU) 53. Martin-Gehl, Dr. Iris (DIE LINKE) 9. Engel, Kati (DIE LINKE) nein 54. Marx, Dorothea (SPD) nein 10. Fiedler, Wolfgang (CDU) 55. Meißner, Beate (CDU) ja 11. Floßmann, Kristin (CDU) ja 56. Mitteldorf, Katja (DIE LINKE) nein 12. Geibert, Jörg (CDU) ja 57. Mohring, Mike (CDU) ja 13. Gentele, Siegfried (fraktionslos) 58. Möller, Stefan (AfD) nein 14. Grob, Manfred (CDU) ja 59. Mühlbauer, Eleonore (SPD) nein 15. Gruhner, Stefan (CDU) ja 60. Muhsal, Wiebke (AfD) 16. Hande, Ronald (DIE LINKE) nein 61. Müller, Anja (DIE LINKE) nein 17. Hartung, Dr. Thomas (SPD) nein 62. Müller, Olaf nein 18. Harzer, Steffen (DIE LINKE) nein (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) 19. Hausold, Dieter (DIE LINKE) nein 63. Pelke, Birgit (SPD) nein 20. Helmerich, Oskar (SPD) nein 64. Pfefferlein, Babett nein 21. Henfling, Madeleine nein (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) 65. Pidde, Dr. Werner (SPD) nein 22. Henke, Jörg (AfD) nein 66. Primas, Egon (CDU) ja 23. Hennig-Wellsow, Susanne 67. Reinholz, Jürgen (fraktionslos) (DIE LINKE) 68. Rietschel, Klaus (AfD) nein 24. Herold, Corinna (AfD) nein 69. Rosin, Marion (CDU) ja 25. Herrgott, Christian (CDU) ja 70. Rothe-Beinlich, Astrid nein 26. Hey, Matthias (SPD) nein (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) 27. Heym, Michael (CDU) 71. Rudy, Thomas (AfD) nein 28. Höcke, Björn (AfD) nein 72. Schaft, Christian (DIE LINKE) nein 29. Holbe, Gudrun (CDU) ja 73. Scheerschmidt, Claudia (SPD) nein 30. Holzapfel, Elke (CDU) ja 74. Scherer, Manfred (CDU) ja 31. Huster, Mike (DIE LINKE) nein 75. Scheringer-Wright, Dr. Johanna nein 32. Jung, Margit (DIE LINKE) nein (DIE LINKE) 33. Kalich, Ralf (DIE LINKE) nein 76. Schulze, Simone (CDU) ja 34. Kellner, Jörg (CDU) ja 77. Skibbe, Diana (DIE LINKE) nein 35. Kießling, Olaf (AfD) nein 78. Stange, Karola (DIE LINKE) nein 36. Kobelt, Roberto nein 79. Tasch, Christina (CDU) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) 80. Taubert, Heike (SPD) nein 37. König-Preuss, Katharina (DIE LINKE) nein 81. Thamm, Jörg (CDU) ja 38. Korschewsky, Knut (DIE LINKE) nein 82. Tischner, Christian (CDU) ja 39. Kowalleck, Maik (CDU) ja 83. Voigt, Prof. Dr. Mario (CDU) ja 40. Kräuter, Rainer (DIE LINKE) 84. Walk, Raymond (CDU) ja 41. Krumpe, Jens (fraktionslos) 85. Walsmann, Marion (CDU) 42. Kubitzki, Jörg (DIE LINKE) nein 86. Warnecke, Frank (SPD) nein 43. Kummer, Tilo (DIE LINKE) nein 87. Wirkner, Herbert (CDU) ja 44. Kuschel, Frank (DIE LINKE) nein 88. Wolf, Torsten (DIE LINKE) nein Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 110. Sitzung - 22.02.2018 9521

89. Worm, Henry (CDU) ja 90. Wucherpfennig, Gerold (CDU) ja 91. Zippel, Christoph (CDU) ja