They Shall Not Grow Old
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Film des Monats Juli 2019 They Shall Not Grow Old Unser Film des Monats Juli blickt aus britischer Per- spektive zurück auf den Ersten Weltkrieg. Peter Jack- son hat dafür 100 Jahre alte Aufnahmen aus dem Archiv des Imperial War Museum aufwendig digital bearbeitet. In Farbe und 3D sowie mit Interviews und atmosphärischer Soundgestaltung erzählt der Re- gisseur vom Frontalltag in den Schützengräben. Die Ausgabe zu They Shall Not Grow Old widmet sich dieser eindrücklichen „Verlebendigung“ des Krieges, aber auch den historisch-kritischen Fragen zum digi- talen Umgang mit Archivbildern. Im zweisprachigen Unterrichtsmaterial zum Film für die Fächer Englisch und Geschichte geht es darüber hinaus um die Rolle des Films bei der Kriegspropaganda. Film des Monats Juli 2019 They Shall Not Grow Old Inhalt FILMBESPRECHUNG ANREGUNGEN 03 They Shall Not 15 Außerschulische Grow Old Filmarbeit mit They Shall Not INTERVIEW Grow Old 05 „Es gibt keine Aufnah- men, die eine Schlacht UNTERRICHTSMATERIAL dokumentieren“ 17 Arbeitsblatt HINTERGRUND They Shall Not 07 Das menschliche Grow Old - DIDAKTISCH-METHODISCHE KOMMENTARE Gesicht des Krieges? – DREI AUFGABEN ZUM FILM AB Archivbilder im 11. KLASSE (DEUTSCH/ENGLISCH) digitalen Wandel 26 Filmsprachliches HINTERGRUND Glossar 09 Der Kompilationsfilm 34 Links und Literatur als dokumentarische Form 36 Impressum HINTERGRUND 13 Vom Ersten Weltkrieg bis heute: Propaganda im Film www.kinofenster.de Film des Monats Juli 2019 They Shall Not Grow Old Filmbesprechung: They Shall Not Grow Old (1/2) – Großbritannien, Neuseeland 2018 Dokumentarfilm, Historienfilm Kinostart: 27.06.2019 Verleih: Warner Bros. Pictures Germany Regie und Drehbuch: Peter Jackson Laufzeit: 99 min, OmU Format: Digital, Schwarz-Weiß, Farbe Barrierefreie Fassung: nein FSK: ab 16 J. FBW-Prädikat: Besonders wertvoll Altersempfehlung: ab 16 J. Klassenstufen: ab 11. Klasse Themen: Geschichte, Krieg/ Kriegsfolgen, Erinnerungskul- They Shall Not Grow Old tur, Filmsprache, Manipulation 3 Unterrichtsfächer: Geschichte, (34) Englisch, Politik it dem Ersten Weltkrieg begann am Grow Old diesen Eindruck grundlegend M28. Juli 1914 das erste Kapitel indus- verändern – auf der Tonspur umfangreich trieller Kriegsführung. Am Ende des mit kommentiert von Zeitzeugen-Interviews völlig neuartigen schnellfeuernden, explo- aus dem BBC-Archiv. Der neuseeländische siven und chemischen Waffen geführten Regisseur Peter Jackson, dessen Großvater Konflikts standen geschätzte 17 Millionen in der britischen Armee diente, verlässt sich Todesopfer, davon 10 Millionen Solda- damit auf eine konsequent britische Pers- ten. Es war zugleich der erste Krieg, der in pektive. Seine Botschaft wirkt gleichwohl Form von Wochenschau- und Propagan- zwingend: Der Erste Weltkrieg war nicht daaufnahmen vom noch jungen Medium schwarz-weiß, und schon gar nicht stumm. Film begleitet und dokumentiert wurde. Jackson gibt dem Publikum allerdings Dennoch verschwindet das historische Zeit, sich an das Vorhaben zu gewöhnen. Ereignis zusehends hinter den „Nebeln Im historischen Bildformat 1.33:1 (4:3) er- der Geschichte“. Dazu trägt auch die von scheinen zunächst Bilder von der britischen Jahr zu Jahr schwindende Qualität des Mobilmachung, der Uniformierung der oft mehrfach kopierten Filmmaterials bei Freiwilligen und ersten Marschübungen. und der graue Eindruck der Schwarz-Weiß- Der Modus erinnert noch an das gewohnte Bilder. Gerade für ein jüngeres Publikum Bild der Wochenschauen. Die Überblen- wirken Filme ohne Farbe, noch dazu ohne dung mit Plakataufrufen („Join the Army!“) Ton, als Bewegtbild-Quellen des Krieges soll zugleich deutlich machen: Es handelt wenig anschaulich. Mit der technischen sich um Propagandamaterial, gefertigt Neubearbeitung von 600 Stunden Filmma- in der Absicht auch der zivilen Mobilma- terial des Imperial War Museum in London chung gegen einen äußeren Feind. Erst soll der Dokumentarfilm They Shall Not mit dem Eintreffen der Truppen an der www.kinofenster.de Film des Monats Juli 2019 They Shall Not Grow Old Filmbesprechung: They Shall Not Grow Old (2/2) französischen Westfront weitet sich das seiner Bilder und Töne – die gesamte Do- fürs Ganze steht, liegt auch eine tiefere Bild auf Breitwandformat (16:9) – und die kumentation ist letztlich montiert wie ein Wahrheit des Films – über den Krieg, der nun kolorierten und auch vertonten Bilder Spielfilm. Dies wird besonders deutlich an die Menschen zur Masse macht. Und die entfalten ihre volle Wirkung. Erstmals sieht den Schlachtszenen, die sich bald, unter- alten Soldaten teilen einprägsame Erinne- man die Ereignisse von vor über 100 Jah- legt mit Detonationsgeräuschen und dem rungen: an das miserable Essen, die naive ren in Farbe. Stöhnen der Sterbenden, zu einem dra- Euphorie bei Kriegseintritt, die lähmende matischen Crescendo steigern. „Die Leiter Angst im Kampf. Die notgedrungen einsei- Ein neuer Blick auf den Ers- hoch, raus aus dem Graben, drauf auf die tige Perspektive auf den „Großen Krieg“, ten Weltkrieg – dank digitaler Deutschen!“ Mit erschütterndem Vorher- der in Großbritannien mehr Opfer forderte Technik Nachher-Effekt sieht man in der Folge Bil- als der Zweite Weltkrieg und als „Urkatas- Das Resultat ist beeindruckend. Das eben der in die Kamera lächelnder Soldaten im trophe“ des 20. Jahrhunderts gilt, ist von noch so ferne Geschehen in den Schüt- Wechsel mit am Boden liegenden Leichen nationalistischen Tönen erstaunlich frei. zengräben wird auf unheimliche Weise – das grausige „Produkt“ des Krieges. Die Als sie mit deutschen Gefangenen ihre Er- lebendig. Die Farbgebung und die atmo- kunstvolle Montage überdeckt allerdings, fahrungen austauschten, bemerkten die sphärische Anreicherung mit Geräuschen dass es sich bei den angeblichen Kampf- Briten: „Es waren Jungs wie wir“ – am Ende bringen, beim Anblick der Soldaten und szenen meist um Standbilder, Zeichnungen ihrer Kräfte, desillusioniert, und froh, dass ihrer Gesichter, zweifellos eine emotio- oder womöglich nachträglich gedrehtes es vorbei war. nalere Rezeption hervor. Am Anfang ihrer Material handelt. Letzteres war, wie aus der Kriegserfahrung steht das zermürbende Propagandaforschung bekannt ist, gängige Autor: Warten im Hinterland. Die Soldaten wer- Praxis. Philipp Bühler, freier Filmjournalist den trainiert und verpflegt, plagen sich mit und -kritiker, 27.06.2019 4 erbärmlichen hygienischen Bedingungen. Über 100 Zeitzeugen schildern (34) An der Front angekommen, fordern erste ihre Kriegseindrücke Kämpfe ihre Opfer, die Bilder der Leichen Jackson bemüht keine Historiker/-innen, sind mit einer Tonspur aus summenden um solche Zusammenhänge zu klären. Fliegen und fiependen Ratten unterlegt. Dennoch werden die Zuschauenden mit Um diese durchaus nicht nur propagan- Informationen reichlich versorgt. Nicht we- distischen Bilder – einige stammen aus niger als 114 Zeitzeugen, damals Angehöri- dem filmhistorisch bedeutsamen Werk The ge der britischen Streitkräfte, geben ihren Battle of the Somme (GB 1916) – der heu- lebhaften Kommentar. Eine historische Ein- tigen Bildgeschwindigkeit anzupassen, von ordnung des Geschehens („Es ging irgend- ursprünglich meist 16 Bildern auf 24 Bilder wie um Serbien, oder?“) ist damit nicht pro Sekunde, wurden durch Berechnun- möglich, auch kann die rasende Abfolge gen am Computer digitale Zwischenbilder der erst im Abspann namentlich genannten erstellt. Zusätzlich konvertierte Jackson Stimmen – in der deutschen Version noch die Aufnahmen mit moderner Software zu dazu untertitelt – bisweilen überfordern. einem 3D-Effekt mit räumlicher Tiefe. Für Nicht zuletzt könnte ein unerfahrenes Pu- die Kolorierung von Uniformen, Waffen blikum versucht sein, die vor Jahrzehnten und Gerätschaften waren umfangreiche aufgenommenen Interviewten mit den ab- Recherchen an den Originalen nötig, jedes gebildeten Personen zu identifizieren. Die sichtbare Regimentsabzeichen gab wichti- allzu penible Parallelführung von Bild und ge Hinweise. Lippenleser dechiffrierten das Ton suggeriert diesen Zusammenhang: gesprochene Wort. „Ich war 17“, heißt es etwa auf der Tonspur, Die gleiche Sorgfalt widmet Jackson, be- als das Porträt eines jungen Freiwilligen kannt für die digitalen Wunderwelten seiner zu sehen ist. Doch in dieser unvermittel- Herr der Ringe-Trilogie, der Dramaturgie ten Kommentierung, in der der Einzelne www.kinofenster.de Film des Monats Juli 2019 They Shall Not Grow Old Interview: David Walsh (1/2) ersten, die im November 1915 offiziell film- „ES GIBT KEINE AUFNAHMEN, ten. Später wirkten an der Westfront eine Handvoll Kameramänner: H.C. Raymond, DIE EINE SCHLACHT DOKUMEN- Bertram Brooks-Carrington, Frank Bassill, TIEREN“ Walter Buckstone und Frederick Wilson. Hinzu kamen Kollegen aus Australien und David Walsh, Experte für Filmrestaurierung und -digitalisierung, Kanada. Deren Arbeit ist ebenfalls Teil der erläutert, wie das Originalmaterial im Ersten Weltkrieg entstanden IWM-Sammlung. Sämtliches Material, das ist und wie Peter Jackson die Aufnahmen für They Shall Not Grow in They Shall Not Grow Old verwendet Old bearbeitet hat. wird, war in der Vergangenheit Teil von Fil- men oder von Newsreels. Man muss sich immer vor Augen führen, dass während der Herr Walsh, wie kam das Projekt They Zeit des Ersten Weltkriegs eine redaktionel- Shall Not Grow Old zustande? le Bearbeitung des Materials erfolgte. Die Das Imperial War Museum (IWM) hatte den ungeschnittenen Originalbänder sind lei- Plan, einen Film zu verwirklichen, der sich der nicht erhalten. dem Gedenken an den Ersten Weltkrieg widmet und in dem das vorliegende Materi- Mit welchem Hintergrund