Film des Monats Juli 2019

They Shall Not Grow Old

Unser Film des Monats Juli blickt aus britischer Per- spektive zurück auf den Ersten Weltkrieg. Peter Jack- son hat dafür 100 Jahre alte Aufnahmen aus dem Archiv des aufwendig digital bearbeitet. In Farbe und 3D sowie mit Interviews und atmosphärischer Soundgestaltung erzählt der Re- gisseur vom Frontalltag in den Schützengräben. Die Ausgabe zu They Shall Not Grow Old widmet sich dieser eindrücklichen „Verlebendigung“ des Krieges, aber auch den historisch-kritischen Fragen zum digi- talen Umgang mit Archivbildern. Im zweisprachigen Unterrichtsmaterial zum Film für die Fächer Englisch und Geschichte geht es darüber hinaus um die Rolle des Films bei der Kriegspropaganda. Film des Monats Juli 2019 They Shall Not Grow Old

Inhalt

FILMBESPRECHUNG ANREGUNGEN 03 They Shall Not 15 Außerschulische Grow Old Filmarbeit mit They Shall Not INTERVIEW Grow Old 05 „Es gibt keine Aufnah-

men, die eine Schlacht UNTERRICHTSMATERIAL dokumentieren“ 17 Arbeitsblatt

HINTERGRUND They Shall Not 07 Das menschliche Grow Old - DIDAKTISCH-METHODISCHE KOMMENTARE Gesicht des Krieges? – DREI AUFGABEN ZUM FILM AB Archivbilder im 11. KLASSE (DEUTSCH/ENGLISCH) digitalen Wandel 26 Filmsprachliches

HINTERGRUND Glossar 09 Der Kompilationsfilm 34 Links und Literatur als dokumentarische Form 36 Impressum

HINTERGRUND 13 Vom Ersten Weltkrieg bis heute: Propaganda im Film

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Filmbesprechung: They Shall Not Grow Old (1/2) – Großbritannien, Neuseeland 2018 Dokumentarfilm, Historienfilm

Kinostart: 27.06.2019 Verleih: Warner Bros. Pictures Germany Regie und Drehbuch: Laufzeit: 99 min, OmU Format: Digital, Schwarz-Weiß, Farbe Barrierefreie Fassung: nein FSK: ab 16 J. FBW-Prädikat: Besonders wertvoll Altersempfehlung: ab 16 J. Klassenstufen: ab 11. Klasse Themen: Geschichte, Krieg/ Kriegsfolgen, Erinnerungskul-

They Shall Not Grow Old tur, Filmsprache, Manipulation 3 Unterrichtsfächer: Geschichte, (34) Englisch, Politik it dem Ersten Weltkrieg begann am Grow Old diesen Eindruck grundlegend M28. Juli 1914 das erste Kapitel indus- verändern – auf der Tonspur umfangreich trieller Kriegsführung. Am Ende des mit kommentiert von Zeitzeugen-Interviews völlig neuartigen schnellfeuernden, explo- aus dem BBC-Archiv. Der neuseeländische siven und chemischen Waffen geführten Regisseur Peter Jackson, dessen Großvater Konflikts standen geschätzte 17 Millionen in der britischen Armee diente, verlässt sich Todesopfer, davon 10 Millionen Solda- damit auf eine konsequent britische Pers- ten. Es war zugleich der erste Krieg, der in pektive. Seine Botschaft wirkt gleichwohl Form von Wochenschau- und Propagan- zwingend: Der Erste Weltkrieg war nicht daaufnahmen vom noch jungen Medium schwarz-weiß, und schon gar nicht stumm. Film begleitet und dokumentiert wurde. Jackson gibt dem Publikum allerdings Dennoch verschwindet das historische Zeit, sich an das Vorhaben zu gewöhnen. Ereignis zusehends hinter den „Nebeln Im historischen Bildformat 1.33:1 (4:3) er- der Geschichte“. Dazu trägt auch die von scheinen zunächst Bilder von der britischen Jahr zu Jahr schwindende Qualität des Mobilmachung, der Uniformierung der oft mehrfach kopierten Filmmaterials bei Freiwilligen und ersten Marschübungen. und der graue Eindruck der Schwarz-Weiß- Der Modus erinnert noch an das gewohnte Bilder. Gerade für ein jüngeres Publikum Bild der Wochenschauen. Die Überblen- wirken Filme ohne Farbe, noch dazu ohne dung mit Plakataufrufen („Join the Army!“) Ton, als Bewegtbild-Quellen des Krieges soll zugleich deutlich machen: Es handelt wenig anschaulich. Mit der technischen sich um Propagandamaterial, gefertigt Neubearbeitung von 600 Stunden Filmma- in der Absicht auch der zivilen Mobilma- terial des Imperial War Museum in London chung gegen einen äußeren Feind. Erst soll der Dokumentarfilm They Shall Not mit dem Eintreffen der Truppen an der

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Filmbesprechung: They Shall Not Grow Old (2/2)

französischen Westfront weitet sich das seiner Bilder und Töne – die gesamte Do- fürs Ganze steht, liegt auch eine tiefere Bild auf Breitwandformat (16:9) – und die kumentation ist letztlich montiert wie ein Wahrheit des Films – über den Krieg, der nun kolorierten und auch vertonten Bilder Spielfilm. Dies wird besonders deutlich an die Menschen zur Masse macht. Und die entfalten ihre volle Wirkung. Erstmals sieht den Schlachtszenen, die sich bald, unter- alten Soldaten teilen einprägsame Erinne- man die Ereignisse von vor über 100 Jah- legt mit Detonationsgeräuschen und dem rungen: an das miserable Essen, die naive ren in Farbe. Stöhnen der Sterbenden, zu einem dra- Euphorie bei Kriegseintritt, die lähmende matischen Crescendo steigern. „Die Leiter Angst im Kampf. Die notgedrungen einsei- Ein neuer Blick auf den Ers- hoch, raus aus dem Graben, drauf auf die tige Perspektive auf den „Großen Krieg“, ten Weltkrieg – dank digitaler Deutschen!“ Mit erschütterndem Vorher- der in Großbritannien mehr Opfer forderte Technik Nachher-Effekt sieht man in der Folge Bil- als der Zweite Weltkrieg und als „Urkatas- Das Resultat ist beeindruckend. Das eben der in die Kamera lächelnder Soldaten im trophe“ des 20. Jahrhunderts gilt, ist von noch so ferne Geschehen in den Schüt- Wechsel mit am Boden liegenden Leichen nationalistischen Tönen erstaunlich frei. zengräben wird auf unheimliche Weise – das grausige „Produkt“ des Krieges. Die Als sie mit deutschen Gefangenen ihre Er- lebendig. Die Farbgebung und die atmo- kunstvolle Montage überdeckt allerdings, fahrungen austauschten, bemerkten die sphärische Anreicherung mit Geräuschen dass es sich bei den angeblichen Kampf- Briten: „Es waren Jungs wie wir“ – am Ende bringen, beim Anblick der Soldaten und szenen meist um Standbilder, Zeichnungen ihrer Kräfte, desillusioniert, und froh, dass ihrer Gesichter, zweifellos eine emotio- oder womöglich nachträglich gedrehtes es vorbei war. nalere Rezeption hervor. Am Anfang ihrer Material handelt. Letzteres war, wie aus der Kriegserfahrung steht das zermürbende Propagandaforschung bekannt ist, gängige Autor: Warten im Hinterland. Die Soldaten wer- Praxis. Philipp Bühler, freier Filmjournalist den trainiert und verpflegt, plagen sich mit und -kritiker, 27.06.2019 4 erbärmlichen hygienischen Bedingungen. Über 100 Zeitzeugen schildern (34) An der Front angekommen, fordern erste ihre Kriegseindrücke Kämpfe ihre Opfer, die Bilder der Leichen Jackson bemüht keine Historiker/-innen, sind mit einer Tonspur aus summenden um solche Zusammenhänge zu klären. Fliegen und fiependen Ratten unterlegt. Dennoch werden die Zuschauenden mit Um diese durchaus nicht nur propagan- Informationen reichlich versorgt. Nicht we- distischen Bilder – einige stammen aus niger als 114 Zeitzeugen, damals Angehöri- dem filmhistorisch bedeutsamen Werk The ge der britischen Streitkräfte, geben ihren Battle of the Somme (GB 1916) – der heu- lebhaften Kommentar. Eine historische Ein- tigen Bildgeschwindigkeit anzupassen, von ordnung des Geschehens („Es ging irgend- ursprünglich meist 16 Bildern auf 24 Bilder wie um Serbien, oder?“) ist damit nicht pro Sekunde, wurden durch Berechnun- möglich, auch kann die rasende Abfolge gen am Computer digitale Zwischenbilder der erst im Abspann namentlich genannten erstellt. Zusätzlich konvertierte Jackson Stimmen – in der deutschen Version noch die Aufnahmen mit moderner Software zu dazu untertitelt – bisweilen überfordern. einem 3D-Effekt mit räumlicher Tiefe. Für Nicht zuletzt könnte ein unerfahrenes Pu- die Kolorierung von Uniformen, Waffen blikum versucht sein, die vor Jahrzehnten und Gerätschaften waren umfangreiche aufgenommenen Interviewten mit den ab- Recherchen an den Originalen nötig, jedes gebildeten Personen zu identifizieren. Die sichtbare Regimentsabzeichen gab wichti- allzu penible Parallelführung von Bild und ge Hinweise. Lippenleser dechiffrierten das Ton suggeriert diesen Zusammenhang: gesprochene Wort. „Ich war 17“, heißt es etwa auf der Tonspur, Die gleiche Sorgfalt widmet Jackson, be- als das Porträt eines jungen Freiwilligen kannt für die digitalen Wunderwelten seiner zu sehen ist. Doch in dieser unvermittel- Herr der Ringe-Trilogie, der Dramaturgie ten Kommentierung, in der der Einzelne

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Interview: David Walsh (1/2)

ersten, die im November 1915 offiziell film- „ES GIBT KEINE AUFNAHMEN, ten. Später wirkten an der Westfront eine Handvoll Kameramänner: H.C. Raymond, DIE EINE SCHLACHT DOKUMEN- Bertram Brooks-Carrington, Frank Bassill, TIEREN“ Walter Buckstone und Frederick Wilson. Hinzu kamen Kollegen aus Australien und David Walsh, Experte für Filmrestaurierung und -digitalisierung, Kanada. Deren Arbeit ist ebenfalls Teil der erläutert, wie das Originalmaterial im Ersten Weltkrieg entstanden IWM-Sammlung. Sämtliches Material, das ist und wie Peter Jackson die Aufnahmen für They Shall Not Grow in They Shall Not Grow Old verwendet Old bearbeitet hat. wird, war in der Vergangenheit Teil von Fil- men oder von Newsreels. Man muss sich immer vor Augen führen, dass während der Herr Walsh, wie kam das Projekt They Zeit des Ersten Weltkriegs eine redaktionel- Shall Not Grow Old zustande? le Bearbeitung des Materials erfolgte. Die Das Imperial War Museum (IWM) hatte den ungeschnittenen Originalbänder sind lei- Plan, einen Film zu verwirklichen, der sich der nicht erhalten. dem Gedenken an den Ersten Weltkrieg widmet und in dem das vorliegende Materi- Mit welchem Hintergrund entstanden al des Museums verwendet wird. Regisseur die Aufnahmen? Peter Jackson wurde bereits vor einigen Ausschließlich zu Propagandazwecken. Ei- Jahren kontaktiert, und er nahm das Pro- ner der ersten Dokumentarfilme während 5 jekt an. Letztlich dauerte es drei Jahre von des Ersten Weltkriegs war The Battle of (34) der Bereitstellung des Materials bis zum fer- the Somme (GB, 1916). Danach änderte sich David Walsh tigen Films. der Fokus. Es ging nicht mehr darum, eine einzelne Schlacht zu beleuchten, sondern Nach dem Abschluss seines Che- Welche ethischen und ästhetischen das Wirken und den Alltag von Regimenten miestudiums 1974 begann David Richtlinien gab es für Peter Jackson und an der Front. Es gibt keine Aufnahmen, die Walsh für das Imperial War Museum sein Team? einzelne Kämpfe während einer Schlacht (IWM) in London zu arbeiten. Dort Es gab diesbezüglich keine Festlegung. Er dokumentieren. leitete er wenig später die Abteilung hatte freie Hand, das Material so zu nutzen, für Restauration und Digitalisierung wie er es für richtig hielt. Bedeutet das, dass in They Shall Not des Filmarchivs und parallel dazu Grow Old auch Einstellungen vorkom- bis 2016 die Technical Commission Aus wie vielen Stunden Filmmaterial men, die inszeniert sind? of the International Federation of basiert They Shall Not Grow Old? Wenn man genau hinschaut, enthält der Film Archives (FIAF). Von Seiten des Das Museum besitzt ungefähr 350 Stunden Film keine Kampfszenen. Natürlich gibt es Museums war er an der Entstehung Filmmaterial aus dem Ersten Weltkrieg, Artilleriegeschütze, die abgefeuert werden des Projekts They Shall Not Grow etwa ein Drittel davon wurde Peter Jackson und Soldaten, die schießend nach vorne Old beteiligt. Mittlerweile wirkt und seinem Team zur Verfügung gestellt. stürmen. Diese Szenen wurden nicht nach- er als Berater für die Digitalisierung Dieses wurde zuvor im Rahmen des Projek- gestellt, aber sie entstanden nicht während beim IWM und lehrt bei der FIAF tes European Filmgate 1914 digitalisiert. einer Schlacht. Die Aktionen wurden ledig- Restauration. lich für die Kamera ausgeführt. Was ist über die Entstehung des Film- materials bekannt? Woher stammen die Tonspuren? Das ist gut dokumentiert. Es gab nur we- Obwohl es im Abspann des Films den Ein- nige Kameramänner, die eine Drehgeneh- druck erweckt, es handele sich dabei um migung der britischen Regierung hatten. die einzige Quelle, muss darauf hingewie- Geoffrey Malins und E.G. Tong waren die sen werden, dass nur ein Teil aus einer

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Interview: David Walsh (2/2)

BBC-Dokumentarserie stammt, die 1964 Was können Schülerinnen und Schüler ausgestrahlt wurde. Für den Großteil wur- durch den Film They Shall Not Grow Old de das Archiv des IWM benutzt. Es gibt dort dennoch lernen? zahlreiche Aufnahmen mit Zeitzeugen. Der Film vermittelt, wie sich die Soldaten während des Ersten Weltkriegs fühlten. Das Welche technischen Prozesse durchlief Material illustriert darüber hinaus, dass das Filmmaterial? es sich um junge Menschen handelte, die Es wurde eingescannt und damit digitali- keine Vorstellung davon hatten, was sie im siert. Sämtliche Flecken und Kratzer wur- Krieg erwartet und die darüber auch keine den entfernt und die Körnigkeit reduziert. Kontrolle hatten. Anschließend wurde die Geschwindigkeit angepasst – aus den ursprünglich circa 16 Autor: Bildern pro Sekunde wurden 24, was ei- Ronald Ehlert-Klein, Film- und nen realistischen Bewegungsfluss erzeugt. Theaterwissenschaftler, Pädagoge und Schließlich erfolgten die Kolorierung des kinofenster.de-Redakteur, 21.06.2019 Materials und die 3D-Bearbeitung.

Handelt es sich bei They Shall Not Grow Old noch um eine klassische Filmrestau- rierung? Nein. Es geht darüber deutlich hinaus. 6 Das betrifft nicht nur die Bearbeitung des (34) Originalmaterials, sondern auch die Form der Montage, die im Film zur Anwendung kommt. Letztlich ist They Shall Not Grow Old – und so war es auch gewollt – das Er- gebnis eines künstlerischen Prozesses.

Wie waren die Reaktionen innerhalb des Imperial War Museums? Unterschiedlich, nicht nur wohlwollend. Mein Kollege Matthew Lee, Leiter der Film- abteilung, fand einige kritikwürdige Punk- te. Zum einen, dass der Film sich zu sehr auf die Westfront konzentriert und den Eindruck vermittele, dass ausschließlich männliche Weiße in das Kampfgeschehen involviert waren. Die im Film verwendeten Stimmen stammen ausschließlich von Ve- teranen, allerdings nahm man ihre Eindrü- cke etliche Jahre nach dem Kampfgesche- hen auf. Und schließlich betont Lee, dass der Film keine neuen historischen Erkennt- nisse oder eine neue Perspektive liefere.

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Hintergrund: Archivbilder im digitalen Wandel (1/2)

7 (34) Einteilungen in „authentisch“ und „falsch“ DAS MENSCHLICHE GESICHT meist zu kurz greifen. DES KRIEGES? ARCHIVBILDER Im Falle von They Shall Not Grow Old wird der Transformationsprozess von his- IM DIGITALEN WANDEL torischen Schwarz-Weiß-Bildern zu den nachträglich kolorierten Bildern wirkmäch- tig inszeniert: Bei Beginn der Kriegshand- Die Presseankündigung zu Peter Jacksons man den fertigen Film, wird das Konzept lungen werden die vorher in ihrem Origi- They Shall Not Grow Old verspricht viel: umso deutlicher, den Ersten Weltkrieg für nalformat (1.33:1) gezeigten Archivbilder, „Jackson schuf ein [...] authentisches Kino- ein heutiges Publikum spürbar machen zu die bis dahin nur als ein Fenster in der Mitte erlebnis, indem er historisches Filmmateri- wollen. der schwarzen Kinoleinwand erscheinen, al [...] restaurierte, kolorierte und mithilfe „aufgezogen“, bis sie die ganze Breite des von 3D-Technologie konvertierte. [...] Die Wirkmächtige Inszenierung der Screens (1.85:1) einnehmen — allerdings Restauration des originalen Filmmateri- transformierten Bilder um den Preis einer Beschneidung der Bild- als [...] lässt das menschliche Gesicht des Jacksons primäres Interesse war nicht die höhe. Dann wechseln die Bilder zur Farbe, Ersten Weltkriegs [...] zum Vorschein kom- Aufarbeitung des Filmmaterials nach philo- was den Eindruck einer unmittelbaren Teil- men.“ Diese Wortwahl ist äußerst kritisch logischen Maßstäben. Aber: Es sei hier be- nahme am Geschehen im Schützengraben zu betrachten. Das Label „Restauration“ wusst nicht von Bildmanipulation gespro- weiter steigern soll. vermittelt, man würde hier die Geschichte chen. Jenseits solcher Polemik müssen der historischen Bilder bewahren. Ein pa- Praktiken der digitalen Bearbeitung histo- radoxer Anspruch, wenn die Stummfilm- risch und differenziert in ihren jeweiligen Historische und elektronische bilder gleichzeitig digital eingefärbt, in 3D (Interessens-)Zusammenhängen betrach- Nachkolorierungen konvertiert und Dialoge ergänzt werden, tet werden. Film- und medienwissenschaft- Historisch ist die Nachkolorierung seit um die Rezeptionserfahrung an aktuelle liche Auseinandersetzungen mit dokumen- dem Beginn der Filmgeschichte be- Gewohnheiten anzupassen. Betrachtet tarischen Bildern zeigen, dass absolute kannt und schließt an entsprechende

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Hintergrund: Archivbilder im digitalen Wandel (2/2)

Kolorierungstechniken etwa von Fotogra- Nuancen über ganze Bildelemente er- historisch überlieferten Bild. Die zusätzli- fien im 19. Jahrhundert an. Derartige Ein- streckt – besonders erkennbar an dem che Konvertierung in 3D führt die dramatur- färbungen gelten in der Filmrestaurierung frischgrünen Rasen. Zudem wurden Filme, gisch-ästhetischen Folgen beim Umgang als „authentisch“. Als Zeugnisse einer his- wie sie Jackson verwendete – etwa der mit dem Archivmaterial noch deutlicher torischen Praktik lassen sie sich auf eine wohl erste dokumentarische Langfilm The vor Augen – ganz unabhängig von einer (künstlerische) Intention der Filmschaffen- Battle of the Somme (GB 1916), auf ortho- rein restaurierungsethischen Debatte. An den, Produktionsfirmen oder Filmverleihe chromatischem Material gedreht. In sol- dieser Stelle ein absolutes „Richtig“ oder zurückführen. Einen anderen Fall stellen chem Schwarz-Weiß-Material können etwa „Falsch“ anzusetzen, geht an Phänomenen elektronische Nachkolorierungen dar, die Blau und Weiß nicht differenziert abgebil- der (digitalen) Medienkultur vorbei: Es sind seit den 1980er-Jahren mit dem Begriff det werden. Aufgrund dieser fehlenden aktualisierende Verfahren – geprägt von Colorization gefasst werden. Das compu- Konturierung sind Wolken am Himmel auf Interessen der Gegenwart, welche die Ge- terisierte Verfahren wird immer wieder zur dem historischen Filmmaterial weniger er- brauchs- und Wahrnehmungsformen von Neuvermarktung historischer Filmwerke – kennbar. Hier wurde von Jackson offenbar Bildern bestimmen. Hier gilt es allerdings, sowohl von Spiel- als auch Dokumentarfil- deutlich dramaturgisch und komposito- einen äußerst kritischen und (historisch) men – eingesetzt. In der Filmrestaurierung risch nachgeholfen, zumal unter Ergänzung medienkompetenten Blick zu entwickeln: werden solche Verfahren meist als „unethi- ganzer Bildelemente. Insbesondere die Welche Effekte die neuen Gebrauchsfor- sches“ Werkzeug gesehen. Ausnahmen zei- Rauchwolken am Himmel orchestrieren im men zeitigen – und vor allem: wie sie in der gen aber, dass der Kontext entscheidend Endresultat zusammen mit dem Ton den Erinnerungskultur eingesetzt werden. ist: So wurde das Verfahren durchaus wohl- beklemmenden Terror des Krieges. wollender gesehen, wenn Teile, die nur in Darüber hinaus sind die Stummfilmbil- Autor/in: Schwarz-Weiß überliefert waren, an den der in ihrer Geschwindigkeit (ursprünglich Franziska Heller, Privatdozentin am 8 Seminar für Filmwissenschaft an der Rest einer ursprünglich farbigen Sequenz 14, 15 oder etwa 18 Bilder pro Sekunde) an (34) angeglichen wurden – wie etwa im Fall von die moderne Bildfrequenz (24 Bilder pro Universität Zürich, und Ulrich Rüdel, The Phantom of the Opera (USA 1925/29). Sekunde) angepasst worden. Bei Jackson Professor für Konservierung und Res- Bei der dokumentarischen Beschäfti- werden hier allerdings nicht, wie oft üblich, taurierung an der Hochschule für Tech- gung mit den Weltkriegen sind die Arbeiten historisch überlieferte Einzelbilder wieder- nik und Wirtschaft Berlin, 27.06.2019 des Restaurators Adrian Wood mit histori- holt. Stattdessen sind die Bilder mit dem schem Farbfilmmaterial für TV-Dokumen- Verfahren der Motion-Interpolation bear- tationen wie The Second World War in beitet worden, das mithilfe von Algorith- Colour (GB 1999) technisch wie ethisch zu men völlig neue Zwischenbilder berechnet. unterscheiden vom computerkolorierten Strenggenommen sind diese Bilder digitale World War I in Colour (GB 2003). Durch- Neuschöpfungen. Neben dem Eindruck aus differenzierte Debatten wurden über von deutlich flüssigeren Bewegungen, die Guido Knopps Weltenbrand (D 2012) und an moderne Fernseher erinnern, entstehen die französische Serie Apocalypse (2009) hier Bildfehler, die sich insbesondere beim geführt. menschlichen Gesicht verstörend manifes- tieren. Bereits zu Beginn des Films in den Makel der digitalen Bildgebung noch schwarz-weißen Bildern verformen in They Shall Not Grow Old sich Gesichter kurzzeitig, ein rauchen- Die kritisch einzuordnenden Dimensionen der Soldat scheint gar mit seiner eigenen der Colorization erschöpfen sich jedoch Rauchwolke zu verschmelzen. keinesfalls in der Frage nach der histori- schen Authentizität der Filmfarben. Colori- Archivmaterial in der heutigen zation zeitigt konkrete visuelle Konsequen- Medienkultur zen: In They Shall Not Grow Old sticht das Diese Artefakte wirken genau dem entge- oft flache Erscheinungsbild hervor, bei dem gen, was Jackson am Herzen liegt: dem sich großflächig derselbe Farbton ohne Bezug zu den menschlichen Gesichtern im

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Hintergrund: Der Kompilationsfilm als dokumentarische Form (1/2)

9 (34) DER KOMPILATIONSFILM ALS Schub begründet. In Der Fall der Dynastie Romanov (UdSSR 1927) kompilierte Schub DOKUMENTARISCHE FORM Aufnahmen aus der Zarenzeit und arbeite- te die sozioökonomischen Verhältnisse he- raus, die zum Umsturz des Systems geführt Für seinen Film They Shall Not Grow Old Theoretische Annäherung: hatten. Produziert zum zehnten Jahrestag (GB 2018) hat der Regisseur Peter Jackson Dokumentarische Formen und der Oktoberrevolution, ist der Film auch kein einziges Bild selbst gedreht. Sämtliche Stile im Kontext der sowjetischen Filmpolitik zu Filmaufnahmen stammen aus der Zeit des In Filmen mit historischen Sujets spielt verstehen. Ersten Weltkriegs. Jackson hat dieses Ma- Found Footage eine herausragende Rolle, Ob es sich beim Kompilationsfilm um terial in den Archiven des Imperial War Mu- schließlich ermöglicht es den Filmschaf- ein Genre handelt, ist in der Filmwissen- seum vorgefunden – im Englischen spricht fenden, Ausschnitte einer vergangenen schaft umstritten. Der Genre-Begriff, im Be- man auch von Found Footage (deutsch: Realität zu zeigen – während sie selbst nur reich des Spielfilms durch jahrzehntelange gefundenen Filmaufnahmen). Mittlerwei- einen gegenwärtigen Blick auf Historisches Forschung etabliert und nach narrativen le wird der Begriff Found-Footage-Film – dokumentieren können. Ganz gleich, in sowie ideologischen Merkmalen definiert, leicht missverständlich – auch anderweitig welcher Form sie fremdes Material in ih- ist in der Dokumentarfilm-Theorie wenig benutzt, nämlich wenn Horrorfilme wie rem Film einsetzen: Stets stellen sie die verbreitet. Dennoch lässt sich festhalten, The Blair Witch Project (USA 1999) in ei- ursprünglichen Bilder in einen neuen Be- dass der Kompilationsfilm – ähnlich einem nem pseudo-dokumentarischen Stil insze- deutungszusammenhang. Sogenannte Genre – stilistische Konventionen und dra- niert sind. Im Dokumentarfilm sind damit Kompilationsfilme (auch: Found-Footage- maturgische Muster herausgebildet hat. jedoch historisch überlieferte Bildquellen Filme, Archivfilme) sind dokumentarische Zugleich gibt es im Verlauf der Filmge- gemeint (Amateurvideos, Wochenschauen, Werke, die ganz oder zumindest haupt- schichte eine Ausdifferenzierung der Form, Propaganda-Aufnahmen, Fotografien etc.), sächlich aus Archivmaterial bestehen. Die- vor allem in der Art und Weise, wie Archiv- die aus privaten, Rundfunk- oder Museums- ser Ansatz wurde bereits in der Stummfilm- bilder eingesetzt werden. Mit der Monta- Archiven zusammengetragen werden. zeit durch die sowjetische Regisseurin Esfir ge und dem Voice-Over-Kommentar

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Hintergrund: Archivbilder im digitalen Wandel (2/2)

als wesentlichen Stilmitteln haben sich in- Zeit vorlesen. Auch in Peter Jacksons They Momente – etwa die Hochzeit eines jungen formative, agitatorische und essayistische Shall Not Grow Old berichtet eine Viel- Paars an Deck – im Kontext der globalen Formen entwickelt. Um diese Vielfalt zu zahl an Stimmen über historische Erfahrun- Katastrophe. beschreiben, ist das Konzept der Stilarten gen, diesmal im Ersten Weltkrieg. Jackson oder Modi des Dokumentarfilms (documen- montiert die Tonspur jedoch so, als würden Der Kompilationsfilm als Essay tary modes) des US-amerikanischen Film- die insgesamt 114 Soldaten quasi mit einer In den reflexiven und performativen Stilar- wissenschaftlers Bill Nichols hilfreich. In Stimme sprechen, und suggeriert Zusam- ten des Dokumentarfilms dient das Found seinem Standardwerk „Introduction to Do- menhänge mit den illustrativen, an heutige Footage nicht mehr bloß als authenti- cumentary“ (2010) unterscheidet Nichols Sehgewohnheiten angepassten Bildern. sches Dokument der Vergangenheit, son- sechs grundlegende Kategorien: den erklä- In dieser Form rückt ebenfalls eine ge- dern wird – meist in einem essayistischen renden (expository), poetischen (poetic), schichtsdidaktische Absicht in den Vorder- Kommentar – auf seinen Wahrheitsgehalt beobachtenden (observational), partizipa- grund: den längst vergangenen Krieg nicht befragt oder bildtheoretisch analysiert. Ei- tiven (participatory), reflexiven (reflexive) nur informativ, sondern auch emotional zu nerseits kann dabei der subjektive Blick der und performativen (performative) Stil. vermitteln. Regisseurin auf den Protagonisten in den Fokus rücken, wie in Waldheims Walzer Voice-of-God: Der erklärende Beobachtende und poetische (Ö 2018), wenn Ruth Beckermann über Auf- Kompilationsfilm Collagen nahmen von Kurt Waldheim aus ihrem eige- Bei den meisten Dokumentarfilmen han- Trotz ähnlicher Verfahren zeigt sich in nen Archiv nachdenkt („Ich erinnere mich delt es sich um Mischformen, und im Fall der Wirkung ein interessanter Kontrast an seine Hände…“). Andererseits kann wie des Kompilationsfilms fallen die genannten zwischen Jacksons Film und The Event bei Harun Farocki, etwa in Videogramme Stile unterschiedlich ins Gewicht. Am häu- (NED/BEL 2015) von Sergei Loznitsa. Der einer Revolution (D 1992) über den im 10 figsten verbreitet ist bis heute der informa- ukrainische Regisseur montiert Schwarz- Staatsfernsehen dokumentierten Sturz des (34) tiv-erklärende Stil (expository), der durch Weiß-Aufnahmen, die auf den Straßen von rumänischen Diktators Nicolae Ceaușescu, seine Verbreitung im Fernsehen häufig Leningrad während des dreitägigen Putsch- die Bildproduktion selbst zum Gegenstand mit dem Label „Dokumentation“ versehen versuchs gegen Michail Gorbatschow im werden: Wer filmt, aus welchem Stand- wird. Diese Filme kompilieren heterogenes August 1991 gefilmt wurden. Er enthält sich punkt – und was genau ist eigentlich zu se- historisches Bildmaterial und stellen es jeglicher Erklärung – kein Voice-Over und hen? Fragen, die beim kritischen Blick auf mithilfe eines Voice-Over in einen sinnhaf- keine Inserts – und nutzt wie Jackson ein historisches Footage in Dokumentarfilmen ten Zusammenhang. Weil oft männliche Sounddesign, das sich wie Originalton an- stets im Zentrum stehen sollten. Sprecher mit tiefer Stimme als „objektive“ hört, aber in der Postproduktion mit Nach- Erzählinstanz eingesetzt werden, spricht synchronisierung erstellt wurde. In dieser Autor: Nichols auch spöttisch vom „Voice-of-God- Form wirkt The Event wie ein Direct-Cine- Jan-Philipp Kohlmann, Filmjournalist Erzähler“. In Deutschland produziert Guido ma-Film (der er nicht ist), mitten drin in und Redakteur von kinofenster.de, Knopp für das ZDF seit Jahrzehnten Filme den chaotischen Straßenprotesten, deren 27.06.2019 dieser Art und nutzt darin oft illustrativ Interpretation den Zuschauenden überlas- Material aus Propagandafilmen, vor allem sen wird. in Beiträgen über den Nationalsozialismus Der Ungar Péter Forgács ist derweil für (Hitler — Eine Bilanz, D 1995). einen poetischen Stil in der Kompilation In verwandter, aber differenzierterer von Amateurfilmen bekannt geworden. Form hat der Historiker Ken Burns diverse In The Danube Exodus (UNG 1998) zeigt Mehrteiler über die US-Geschichte vorge- er die Flucht mitteleuropäischer Juden legt (Der Amerikanische Bürgerkrieg, in Richtung Palästina kurz vor dem Zwei- USA 1990; The War, USA 2006). Burns nutzt ten Weltkrieg, aufgezeichnet vom Kapi- auf der Bildebene meist abgefilmte Foto- tän eines Dampfschiffes. In seinen Filmen grafien – heute bekannt als Ken-Burns- ermöglicht Forgács einen anderen Blick Effekt – und lässt Schauspieler/-innen auf Historisches, einen Blick auf alltägli- vielstimmige Quellen aus der jeweiligen che, manchmal überraschend glückliche

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Hintergrund: Vom Ersten Weltkrieg bis heute: Propaganda im Film (1/4)

11 (34) VOM ERSTEN WELTKRIEG BIS Widerstand gegen das Massen- medium HEUTE: PROPAGANDA IM FILM Zunächst gab es gegen das neue Medium jedoch Vorbehalte. Mit dem hehren Auftrag patriotischer Gewissensbildung war das Wird der Erste Weltkrieg rückblickend oft Wochenschauen als auch im Spielfilm. billige Massenvergnügen Kino, so die Ein- als „Materialschlacht“ bezeichnet, so gilt Das Kino entwickelte sich zu Kriegsbeginn schätzung der herrschenden Eliten in Mi- dies ebenso für die Bildproduktion jener langsam zu einem einflussreichen Mas- litär und Politik, kaum zu vereinbaren. So Jahre. Die britische Karikatur des affenarti- senmedium und war bereits ein globaler erlebte der erste britische Propagandafilm gen „Hunnen“ mit Pickelhaube und Keule, Wirtschaftsfaktor: Von weltweit 60.000 Britain Prepared erst am 29. Dezember der sich als grausame Verkörperung des Kinos standen 16.000 in den USA, 6.000 in 1915, 17 Monate nach Kriegsbeginn, seine deutschen Militarismus seinen Weg durch Großbritannien und immerhin 2.500 im Premiere in London. Die Dokumentation Europa bahnt, findet sich noch heute in Deutschen Reich. Das Publikum maß dem über die englische Kriegsmaschinerie, teil- deutschen Geschichtsbüchern. Um gegen bewegten Bild in diesen frühen Jahren des weise in dem damals noch neuen Farbsys- diesen Gegner zu mobilisieren, veröffent- Kinos nahezu uneingeschränkt Authentizi- tem Kinemacolor gedreht, war gegen die lichte etwa das britische „War Propaganda tät bei – eine Haltung, die sich zu Beginn Widerstände aus Militärkreisen durchge- Bureau“ allein im ersten Kriegsjahr über des Krieges rasch wandeln sollte. Das ge- setzt worden und besaß für zukünftige Pro- 2,5 Millionen Bücher und Broschüren in 17 meinsame Filmerlebnis im abgedunkelten duktionen eine Vorbildfunktion. Einen Son- Sprachen. Saal versprach eine neue Dimension wenn derfall stellte Frankreich dar, wo selbst die nicht der Massensuggestion, so doch der Filme der eigenen Filmabteilung SCA (Sec- Der Film: ein neues Medium Aufmerksamkeitslenkung und Konsenser- tion Cinématographique de l’Armée fran- findet sein Publikum zeugung. Hier konnte die emotionale Ver- caise) einen pazifistischen Ton anschlugen. Eine zentrale Rolle war hierbei dem Film bindung von Front und Heimat vollzogen Schon während des Krieges fand die militä- zugedacht, sowohl in dokumentarischen werden. rische Bildproduktion Frankreichs unter

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Hintergrund: Vom Ersten Weltkrieg bis heute: Propaganda im Film (2/4)

dem Gesichtspunkt der „Erinnerung“ statt. skeptische Haltung. Die Gründung des Bild- sind die Barbaren?“ wird der gängige Vor- Die Bilder von den Schlachtfeldern (allein und Filmamts (BuFa), dem unter anderem wurf umgekehrt. Es folgt eine stellenweise 31 Kurzfilme behandelten die Schlacht die militärischen Film- und Presseabteilun- lebhafte Darstellung der Kriegshandlun- von Verdun im Jahr 1916) sollten in erster gen sowie das Filmbüro des Auswärtigen gen. Das gewünschte Bild eines sauberen Linie der Dokumentation, nicht der Mobil- Amtes unterstanden, war im Januar 1917 und gut organisierten Kriegs scheitert aber machung dienen. Nicht dokumentarisch, der erste Schritt hin zu einer gelenkten an ungünstigen Kamerapositionen, ein- aber ein glänzendes Beispiel für ein pazifis- Berichterstattung jenseits der Zensur und deutig propagandistischen Textpassagen tisches Werk ist Abel Gances epischer Anti- zugleich eine Reaktion auf die oft sensa- und vorenthaltenen Informationen. Kriegsfilm J’accuse (1919), in dem sich die tionsheischenden Produktionen aus der Qualitativ reicht die deutsche Produkti- Toten zur Anklage vom Schlachtfeld erhe- Privatwirtschaft. Der neben den auf Wo- on nicht an The Battle of the Somme he- ben. Der Film wurde teilweise vom franzö- chenschauen spezialisierten Produktions- ran. Der von zwei professionellen Kamera- sischen Militär finanziert, wohl weil man gesellschaften Messter und Eiko wichtigste männern gedrehte Film zeigt die britische einen Propagandafilm gegen den Erzfeind kommerzielle Produzent war die Deutsche Armee aus nächster Nähe, oft in starken Deutschland erwartet hatte. Lichtbild-Gesellschaft (DLG, später Deulig), Massenszenen, in stets konzentrierter Ak- ein von nationalkonservativen Großindu- tion. 20 Millionen Zuschauende allein in Der Krieg in den Wochen- striellen gegründeter Dachverband zur den ersten sechs Wochen nach der Veröf- schauen Imagewerbung im In- und Ausland. 150 fentlichung im August 1916 konnten sich Der dringende Wunsch in der Bevölkerung eigene Filme produzierte die DLG in den dieser Identifikation nicht entziehen und nach dokumentarischen Bildern von der Jahren 1917/18, darunter auch Kriegsfilme machten den Film zum Kassenschlager. Da- Front stieß jedoch schnell an Grenzen – gegen den ausdrücklichen Wunsch sowohl mit war offensichtlich, dass der deutsche einerseits weil die Filmteams in dem un- des BuFa als auch der Obersten Heereslei- Propagandafilm zwei Jahre nach Kriegsbe- 12 wegsamen Gelände unter Einsatz ihres tung, die der Ansicht waren, dass die mili- ginn den anderen Nationen abgeschlagen (34) Lebens arbeiteten. Andererseits verzögerte tärische Berichterstattung und die politi- hinterherhinkte. die obligatorische Zensur, im Deutschen sche Propaganda staatlich gelenkt werden Reich zunächst Sache der lokalen Polizei- sollten. Die Gründung der UFA behörden, die Aufführung oft um mehrere In einem Brief an das Königliche Kriegsmi- Wochen. Die Folge waren meist belanglose Schlacht der Filme: The Battle nisterium vom 4. Juli 1917 schrieb Luden- Aufnahmen aus dem Hinterland, Bilder von of the Somme vs. Bei unseren dorff: „Der Krieg hat die überragende Macht Soldaten beim Essen oder bei der Vorberei- Helden an der Somme des Bildes und Films als Aufklärungs- und tung des Kriegsgeräts für die kommende Der erste große Beitrag des BuFa war Bei Beeinflussungsmittel gezeigt.“ Eine „Ver- Schlacht. Publikum und Kritik zeigten sich unseren Helden an der Somme (1916) – einheitlichung der deutschen Filmindu- ernüchtert. Die Zeitschrift Der Kinemato- eine direkte Antwort auf den Erfolg des strie“ sah er als gebotenes Mittel, den graph urteilte 1919 rückblickend über die britischen Propagandafilms The Battle of Vorsprung der Gegner aufzuholen und der deutschen Wochenschauen: „Sie waren the Somme, mit der das deutsche Militär privaten Konkurrenz den Rang abzulaufen. langweilig und verdienten meist ihre Be- versuchte, die verheerende Schlacht von In diesem inoffiziellen Gründungsdoku- zeichnung gar nicht, weil sie zu oft nicht 1916 nachträglich als Sieg zu verkaufen. ment der Universum Film AG (UFA) formu- den Krieg widerspiegelten, sondern gestell- Ludendorffs neue Koordinationsstelle - ver liert der Militär Ludendorff einige zentrale te Bilder brachten. Im übrigen wusste das stand sich als Gegenpol zu den alliierten Wesenszüge staatlicher Propaganda. Vor das Publikum ganz genau.“ „Hetzfilmen“, eine erstaunlich defensive allem müsse sie, um die gewünschte Wir- Strategie, die sich in dem Dreiakter gut kung zu erzielen, unerkannt bleiben. Für Die Gründung des BuFa beobachten lässt. Gemächliche, teils of- die tatsächliche Beeinflussung des Kriegs- Bereits im August 1916 hatte die Produk- fensichtlich gestellte Bilder werden wie im verlaufs allerdings kam die Gründung der tionsfirma Messter-Gesellschaft ein Pam- Vorbild in einer rudimentären Stummfilm- UFA zu spät. Die kommende Speerspitze phlet mit dem Titel „Der Film als politi- dramaturgie angeordnet. Deutsche Sol- des Weimarer Kinos verschlang eine Menge sche Kampfschrift“ veröffentlicht. Doch daten begutachten zunächst vom Gegner Geld, produzierte jedoch kaum Kriegsfilme. die deutsche Heerführung unter General zerstörte Kulturgüter und helfen der Zivil- Die BuFa versorgte bis zum Ende des Krie- Erich von Ludendorff änderte erst spät ihre bevölkerung. Mit Zwischentiteln wie „Wer ges etwa 900 Frontkinos mit Filmen.

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Hintergrund: Vom Ersten Weltkrieg bis heute: Propaganda im Film (3/4)

Propaganda nach 1918 – filmen wie Die Dämonischen (Don Siegel, größere Produktionen wären etwa ohne die Unterschiedliche Systeme, 1956) und im Polit-Thriller á la Botschaf- Mithilfe von US-Armee und State Depart- unterschiedliche Lehren ter der Angst (John Frankenheimer, 1960) ment – den berüchtigten „Filmbüros“ des Seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs hat niederschlug. Ost-West-Feindbilder wur- Pentagons – kaum realisierbar. Der Piloten- der Begriff der Propaganda einen starken den bevorzugt im Genre des Spionagefilms film Top Gun (1986) gilt als Wendepunkt Bedeutungswandel erfahren, er ist auf- in Stellung gebracht. In For Eyes Only – der militärischen Selbst- und Außendar- grund der Erfahrungen im Ersten Weltkrieg Streng geheim (1963) von János Veiczi stellung. Im politischen Klima der Reagan- negativ konnotiert. Der Grund liegt in zwei etwa vereiteln ostdeutsche Agenten einen Jahre, in denen alte Ost-West-Feindbilder gänzlich gegenläufigen Entwicklungen. Plan der NATO, die politische Führung der reaktiviert wurden, fand das Militär wieder Galt die staatliche Massenagitation sei- DDR zu stürzen. Erfüllungsgehilfen in der US-Filmindustrie. tens der Siegermächte schnell als diskre- Der Schulterschluss von Militär und Unter- ditiert, zog der Nationalsozialismus völlig Der Anti-Kriegsfilm nach dem haltungsindustrie, der sogenannte „mili- andere Lehren aus der Geschichte. Hitler Zweiten Weltkrieg tary-entertainment-complex“, veränderte und Propagandaminister Goebbels sahen Als Gegenbewegung zur Mobilisierung die Ikonografie filmischer Propaganda: in der defensiven Propagandastrategie im ideologischer Kräfte erlebte der Antikriegs- weg von ideologischer Einschwörung, mit Ersten Weltkrieg eine Ursache der Nieder- film ab den 1950er-Jahren eine erneute einem neuen Augenmerk auf der Fetischi- lage. Gleichzeitig war mit der mächtigen Blütephase. Stanley Kubricks Wege zum sierung eines militärischen Lifestyles und UFA ein wichtiger Grundstein zur Gleich- Ruhm bezog sich 1957 sogar noch einmal dessen Hardware. In Top Gun ähnelte die schaltung der Filmindustrie gelegt. Diese auf die Schlachtfelder des Ersten Welt- Kriegserfahrung bereits der Simulation gipfelte im Ausbau des 1937 verstaatlich- kriegs, während osteuropäische Filme wie in einem Computerspiel. Die für ihre Zeit ten Konzerns zum Monopolisten im Jahr Ich war neunzehn (1968) von Konrad Wolf bahnbrechenden Learjet-Aufnahmen der 13 1942. In Goebbels´ „Reichsministerium und Elem Klimows erschütterndes Drama Luftkämpfe bedienten den Wunsch nach (34) für Volksaufklärung und Propaganda“ Komm und Sieh (1985) die Erfahrung des erhöhtem Realismus und glorifizierten die wurden sämtliche Filme abgesegnet oder Zweiten Weltkriegs thematisierten. Der Vorstellung eines sauberen Krieges. Der in Auftrag gegeben, darunter direkte NS- Vietnam-Krieg war in den USA der Auslö- Werbeeffekt verfehlte seine Wirkung nicht: Propaganda und die große Masse des ser für eine weitere Welle von Anti-Kriegs- Nach dem Kinostart schnellten die Bewer- „unpolitischen Unterhaltungsfilms“. Un- filmen, die sowohl die Fronterfahrung als berzahlen der US-Navy um 500 Prozent in ser heutiger Begriff der Propaganda mit auch das Schicksal der Rückkehrer be- die Höhe. seinem negativen Beiklang speist sich schrieben. Diese Welle setzte sich mit Oli- nicht zuletzt aus dieser Entwicklung. ver Stones Platoon (1986) und Full Metal Eine neue Ikonografie des Jacket (1987) von Stanley Kubrick bis weit Kriegsbildes Propaganda im Kalten Krieg in die 1980er-Jahre fort, als sich der politi- Eine neue filmische Qualität erreichte diese In den Nachkriegsjahren standen propa- sche Wind in den USA längst gedreht hatte. Zusammenarbeit Anfang der 2000er-Jahre gandistische Bemühungen ganz im Zeichen In dieser Phase militärischer Aufrüstung mit dem Kriegsfilm Black Hawk Down, der des Kalten Krieges. Das ideologische Säbel- entdeckte die US-Regierung auch das Kino die militärische Produktplatzierung schon rasseln zielte in den 1950er- und 1960er- als Werbeplattform wieder. im Titel führt. (Black Hawk ist der Name Jahren in erster Linie darauf ab, die Überle- eines Kampfhubschraubers) Black Hawk genheit des eigenen politischen Systems zu Militär und Unterhaltung Down zeigte die soldatische Erfahrung demonstrieren. Ein Resultat des sogenann- Hatte die Geschichte des Ersten Weltkriegs in einem schonungslosen Realismus und ten „Stalin-Kults“ war Micheil Tschiaurelis bereits das komplexe Geflecht von staatli- versetzte das Publikum durch den Einsatz Der Fall von Berlin aus dem Jahr 1950, chen, militärischen und kommerziellen In- von wendigen Handkameras und schnel- der die Rolle der sowjetischen Führung teressen, in dem sich Propaganda bewegt, len Montagen zwischen die unscharfen während des Zweiten Weltkriegs in ein po- aufgezeigt (1915 wurde unter anderem Frontlinien. Diese Entwicklung zeigt, dass sitives Licht rückte. Im US-amerikanischen D.W. Griffiths Bürgerkriegsfilm Geburt ei- sich die Methoden der Einflussnahme und Kino jener Jahre manifestierte sich der Kal- ner Nation vom Militär unterstützt), gehört daraus resultierend auch die Ikonografie te Krieg vor allem in anti-kommunistischer die Kooperation zwischen Filmindustrie des filmischen Kriegsbildes mit dem Cha- Paranoia, die sich parabelhaft in Horror- und Politik heute zur gängigen Praxis. Viele rakter moderner Kriege verändern. Ein

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Hintergrund: Vom Ersten Weltkrieg bis heute: Propaganda im Film (4/4)

Wandel lässt sich ebenfalls an der Ästhetik militärischer Imagefilme ablesen. So wirbt die sechsteilige Filmreihe Operation Af- ghanistan - Die Bundeswehr im Einsatz (2008) einerseits mit der technischen Über- legenheit des Heeres, legt gleichzeitig aber großen Wert auf die humanitären Aspekte des Einsatzes. Die Immersions-Strategie, das Publikum mit den Mitteln audio-visueller Fiktion am Kriegserlebnis „teilhaben“ zu lassen, findet heutzutage Entsprechung im verstärkten Einsatz von Computersimulationen in der Soldaten-Ausbildung. Der deutsche Vi- deokünstler Harun Farocki zeigt in seiner Arbeit Ernste Spiele (2009-2010), dass das US-Militär Point-of-View-Computersi- mulation, wie man sie aus sogenannten „Ego-Shootern“ kennt, inzwischen auch in der Behandlung posttraumatischer Belas- tungsstörungen bei amerikanischen Sol- 14 daten einsetzt. So werden die Grenzen von (34) Einflussnahme und Unterhaltung durch die enge Verzahnung von offiziellen Stellen und der Privatwirtschaft immer durchlässi- ger. Mit zentral organisierter Propaganda, wie sie im Ersten Weltkrieg erfunden wur- de, hat die moderne militärische Lobbyar- beit nichts mehr zu tun. Ihre Urheber tau- chen heute – wenn auch gut versteckt – in den Film-Credits auf. Das Ziel hingegen ist immer noch dasselbe: das Publikum vom Sinn einer Sache zu überzeugen, oft gegen innere Widerstände, aber selten gegen des- sen eigenen Willen.

Autor: Philipp Bühler, freier Filmjournalist und -kritiker, 27.06.2019

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Anregungen: Außerschulische Filmarbeit mit They Shall Not Grow Old (1/2)

AUSSERSCHULISCHE FILMARBEIT MIT They Shall Not Grow Old Vorschläge für die freie Bildungsarbeit mit Jugendlichen zwischen sechzehn und achtzehn Jahren

Zielgruppe Thema Fragen und Vorgehen

Jugendliche Ursachen und Folgen Fragen: Wann fand der Erste Weltkrieg statt? Was waren zwischen 16 des Ersten Weltkriegs Ursachen und Folgen des Ersten Weltkriegs? und 18 Jahren Erstellen einer Mindmap basierend auf Material des bpb-Dossiers zum Ersten Weltkrieg.

Spezifika des Ersten Weltkriegs Fragen: Warum gilt der Erste Weltkrieg als Zäsur zu Beginn des 20. Jahrhunderts? Welche neuen Technologien kamen zum Ein- satz? Wie unterschieden sich Schlachten und Frontalltag von kriegerischen Auseinandersetzungen aus dem 19. Jahrhundert? Arbeitsteiliges, vertiefendes Erschließen des bpb-Dossiers 15 zum Ersten Weltkrieg. (34)

Film als Propaganda Fragen: Was ist Propaganda? Wie wurde das Medium Film wäh- rend des Ersten Weltkriegs zu Propaganda-Zwecken eingesetzt? Diskussion basierend auf dem Kinofenster-Artikel zum Thema Propaganda im Film.

Restaurierung von Fragen: Wie erfolgt die Restaurierung von Filmmaterial, beispiels- Filmmaterial? weise aus der Zeit des Ersten Weltkriegs wie bei they shall not grow old? Welche ethischen Aspekte sind dabei zu beachten? Erschließen des Kinofenster-Artikels „Archivbilder im di- gitalen Wandel“ und anschließende Diskussion.

Der Erste Weltkrieg im Spielfilm Frage: Welche Spielfilme kennt ihr, die vom Ersten Weltkrieg handeln? Organisation einer Filmreihe, mögliche Filme: Im Westen nichts Neues (USA 1930); Mathilde – Eine grosse Liebe (F 2004); Frantz (D/F 2016).

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Anregungen: Außerschulische Filmarbeit mit They Shall Not Grow Old (2/2)

Erinnerungskultur Fragen: Wo befinden sich in der näheren Umgebung Mahnmale, die an den Ersten Weltkrieg erinnern? Besuch des/der Mahnmals/Mahnmale. Kurze filmische Präsentation erstellen, in der die Bedeutung des Mahnmals erläutert wird. Gegebenenfalls Verfügbarmachung der Präsentation über die Webseite des Jugendzentrums.

Der Erste Weltkrieg im Spielfilm Fragen: Was müssen Journalisten beachten, die aus Kriegsgebieten berichten? Wie können sie mög- lichst objektiv das Geschehen darstellen? Gemeinsames Erstellen eines journalistischen Kodex’.

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Autor: Ronald Ehlert-Klein, Theater- und Filmwissenschaftler, Pädagoge und Kinofenster-Redakteur, 27.06.2019

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Arbeitsblatt: They Shall Not Grow Old – Aufgabe 1/ Didaktisch-methodischer Kommentar

Aufgabe 1 THEMATISCHE UND FILMÄSTHETISCHE HERANFÜHRUNG AN DEN FILM They Shall Not Grow Old Didaktisch-methodischer Kommentar

Hinweis für Lehrende: Die hier beschriebene Aufgabe zum Film finden Sie auf den folgenden Seiten in deutscher und englischer Sprache. Die Filmausschnitte für dieses Arbeitsblatt finden Sie als Video- stream unter: https://www.kinofenster.de/filme/aktueller-film-des-monats/kf1907-they-shall-not-grow- old-arbeitsblatt/

Didaktische Vorbemerkung: Aufgabe Weltkrieg mit dem restaurierten Material – 1 sollte in jedem Fall von der gesamten aus They Shall Not Grow Old hinsichtlich Fächer: Lerngruppe bearbeitet werden, um einen der filmästhetischen Mittel und deren Wir- Geschichte, Englisch Politik ab ersten Zugang zum Film zu erlangen. An- kung verglichen. Anhand des Trailers wird 16 Jahre, ab 11. Klasse schließend kann wahlweise Aufgabe 2 oder Peter Jacksons Intention herausgearbei- 3 bearbeitet werden, ebenso wäre es denk- tet, warum er sich für die Bearbeitung des 17 bar, die Lerngruppe zu teilen und mit der Originalmaterials entschied. Während des (34) Vorstellung der Lernprodukte (Kommenta- Filmbesuchs erarbeiten die Schüler/-innen, re und Präsentationen) wieder zusammen- dass dem nicht offensichtlich bearbeiteten zuführen. Material eine Rahmenfunktion zukommt. Über die Wirkung des am Computer nach- Kompetenzerwerb: Im Geschichtsunter- bearbeiteten Materials wird sich im An- richt liegt der Schwerpunkt auf der Vermitt- schluss ausgetauscht und beurteilt, inwie- lung von Sachkompetenz (Inhaltsfeld: Die weit es sich um ein legitimes Verfahren moderne Industriegesellschaft zwischen handelt, historische Ereignisse greifbarer Fortschritt und Krise), im Englischunter- zu machen. richt auf dem Feld der Sprechkompetenz. Ebenso erfolgt über die Einführung film- sprachlicher Fachbegriffe (beispielsweise Kameraeinstellungen) die Vermittlung von Medienkompetenz (Kenntnis der Filmspra- che – Basiswissen).

Im Einstieg wird Vorwissen aus der Sekun- darstufe I zu Ursachen, Verlauf und Fol- gen des Ersten Weltkriegs reaktiviert. Die Schüler/-innen stellen darauf basierend Vermutungen an, welche Erwartungen Autor: junge Soldaten zu Beginn des Ersten Welt- Ronald Ehlert-Klein, Film- und Thea- kriegs hatten und mit welcher Perspektive terwissenschaftler, Pädagoge und kin- sie von der Front zurückkehrten. Anschlie- ofenster.de-Redakteur, 27.06.2019 ßend wird Filmmaterial aus dem Ersten

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Arbeitsblatt: They Shall Not Grow Old – Aufgabe 1

Aufgabe 1 THEMATISCHE UND FILMÄSTHETISCHE HERANFÜHRUNG AN DEN FILM They Shall Not Grow Old

VOR DEM FILMBESUCH: e) Sehen Sie sich den Trailer von They i) Regisseur Peter Jackson begründete Shall Not Grow Old an. Geben Sie seine Entscheidung, originale Filmauf- a) Tauschen Sie sich im Plenum über in eigenen Worten wieder, wie der nahmen zu bearbeiten wie folgt: „What Ursachen, Verlauf und Folgen des Umgang mit Original-Filmmaterial I hope the film does is that it takes away Ersten Weltkriegs aus. aus der Zeit des Ersten Weltkriegs 100 years and makes you think that tho- beschrieben und womit die gewählte se who fought were just the same as us.“ b) Notieren Sie in Einzelarbeit Vermu- Herangehensweise begründet wird. Diskutieren Sie, inwieweit seine Inten- tungen darüber, welche Erwartun- tion den Umgang mit dem Originalma- gen Soldaten zu Beginn des Ersten WÄHREND DES FILMBESUCHS: terial rechtfertigt. Weltkriegs hatten und mit welchen Perspektiven sie 1918 aus dem Krieg f) Achten Sie darauf, an welchen zurückgekehrt sind. Vergleichen Stellen des Films filmästhetische 18 Sie im Anschluss Ihre Ergebnisse. Mittel aus den Aufgaben c) und d) (34) verwendet werden. Halten Sie Ihre c) Sehen Sie sich folgenden kurzen Ergebnisse unmittelbar nach dem dokumentarischen Clip an, in dem der Filmbesuch stichpunktartig fest. Prince of Wales kurz nach Ende des Ersten Weltkriegs US-amerikanische NACH DEM FILMBESUCH: Truppen in Deutschland besucht. https://www.iwm.org.uk/collec- g) Tauschen Sie sich darüber aus, was Sie tions/item/object/1060022961 während des Filmbesuchs besonders Fassen Sie die filmästhetischen Mittel überrascht und/oder berührt hat. Wel- zusammen (beispielsweise Farb- che Aspekte aus Aufgabe b) spiegelte gestaltung, Tongestaltung, Kamera- der Film (nicht) wieder? einstellungen und –bewegungen, Inserts). Diskutieren Sie anschließend h) Vergleichen Sie Ihre Ergebnisse aus die Wirkung auf heutige Zuschauende. Aufgabe f). Inwieweit verstärkte die Wahl der filmästhetischen Mittel Ihre d) Analysieren Sie anschließend Eindrücke aus Aufgabe g)? folgende Szene aus dem Film They Shall Not Grow Old hinsichtlich der gewählten filmästhetischen Mittel und der Wirkung auf Zuschau- ende. Diskutieren Sie anschließend Gemeinsamkeiten und Unterschiede hinsichtlich der Rezeptionsästhetik.

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Worksheet: They Shall Not Grow Old – Exercise 1 (english)

Exercise 1: THEMATIC AND CINEMATIC FAMILIARISATION WITH THE FILM They Shall Not Grow Old

BEFORE GOING TO THE CINEMA: e) Watch the trailer for They Shall Not Grow Old. In your own words, a) Discuss in class the causes, course and report how the use of original consequences of the First World War. footage from the time of the First World War is described and how b) Make individual notes of what the approach chosen is justified. attitudes you think soldiers might have had at the beginning of the WHILE AT THE CINEMA: First World War and what kind of attitude they would have had on f) Pay attention to which parts of the returning from war in 1918. Com- film feature the cinematic/aesthetic pare the results of your work. means described in exercises c) and d). Write down your observations 19 c) Watch the following short documen- in the form of bullet points imme- (34) tary clip, in which the Prince of Wales diately after watching the film. visits US troops in Germany shortly after the end of the First World War. AFTER GOING TO THE CINEMA: https://www.iwm.org.uk/collec- tions/item/object/1060022961 g) Discuss what you found particularly Summarise the cinematic/aesthe- surprising and/or moving during the tic means used (for example colour film. What aspects of exercise b) did the design, sound design, camera angles film (not) reflect? and camera movements, captions). Discuss the effect that they would h) Compare the results of your work on have on contemporary viewers. exercise f). To what extent did the ci- nematic means chosen confirm your d) After that, analyse the following impressions from exercise g)? scene from the film They Shall Not Grow Old with regard to the cine- i) Director Peter Jackson gave the fol- matic means chosen and their effect lowing explanation for his decision to on viewers. Then discuss what the process original film footage: „What I two excerpts have in common and hope the film does is that it takes away what distinguishes them in terms 100 years and makes you think that tho- of the aesthetic of reception. se who fought were just the same as us.“ Discuss the extent to which his inten- tion justifies his treatment of original material.

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Arbeitsblatt: They Shall Not Grow Old – Aufgabe 2 / Didaktisch-methodischer Kommentar

Aufgabe 2 FRONTALLTAG IM ERSTEN WELTKRIEG: FILM- UND QUELLENKRITISCHE ANALYSE Didaktisch-methodischer Kommentar

Hinweis: Die hier beschriebene Aufgabe zum Film finden Sie auf den folgenden Seiten in deutscher und engli- scher Sprache. Die Filmausschnitte für dieses Arbeitsblatt finden Sie als Videostream unter: https://www.kinofenster.de/filme/aktueller-film-des-monats/kf1907-they-shall-not-grow-old-arbeitsblatt/

– Kompetenzerwerb: Mit dem Lernprodukt Aspekte erschlossen, die anschließend des Kommentars liegt im Geschichts- von den Schülerinnen und Schülern in ei- Fächer: unterricht der Schwerpunkt auf der nem Kommentar zu den Vor- und Nachtei- Geschichte, Englisch, Politik ab Handlungskompetenz, während im Eng- len der Restaurierung in They Shall Not 16 Jahre, ab 11. Klasse lischunterricht die Förderung der Schreib- Grow Old verwendet werden. kompetenz im Zentrum steht. Ebenso er- folgt über die Vertiefung filmsprachlicher Fachbegriffe die Vermittlung von Medien- kompetenz (Kenntnis der Filmsprache – 20 Basiswissen). (34)

Im Einstieg tauschen sich die Schülerin- nen und Schüler über die Begriffe Infor- mation und Propaganda vor dem Hinter- grund der Kriegsberichterstattung aus und grenzen diese voneinander ab. In einem weiteren Schritt wird anhand ei- nes bpb-Leitfadens der Umgang mit line- aren und nichtlinearen Texten als Quelle wiederholt. Anschließend erfolgt anhand von Filmmaterial des Imperial War Mu- seums und Szenen aus They Shall Not Grow Old Old ein Vergleich, der über die Inhalte und filmästhetischen Mittel - da hingehend hinaus geht. So sollte die his- torische Kontextualisierung thematisiert werden, die die Webseite des Museums durchaus leistet, während bei They Shall Not Grow Old beispielsweise die Tonspur suggerieren könnte, dass sie sich auf die Bildebene bezieht, was aber nicht der Autor: Fall ist. Mithilfe der Kinofenster-Filmkritik Ronald Ehlert-Klein, Theater- und zu They Shall Not Grow Old und dem Filmwissenschaftler, Pädagoge und kin- Hintergrundartikel zur Restaurierung des ofenster.de-Redakteur, 27.06.2019 verwendeten Materials werden weitere

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Arbeitsblatt: They Shall Not Grow Old – Aufgabe 2

Aufgabe 2 FRONTALLTAG IM ERSTEN WELTKRIEG: FILM- UND QUELLENKRITISCHE ANALYSE

NACH DEM FILMBESUCH: d) Lesen Sie sich folgenden bpb-Artikel http://www.bpb.de/lernen/forma- a) Spätestens seit dem Ersten Welt- te/methoden/46825/text-analysieren krieg sind beim Bewegtbild die durch und überarbeiten Sie anschlie- Grenzen zwischen Information und ßend Ihre Übersicht zu quellenkriti- Propaganda fließend. Formulie- schen Fragen. ren Sie im Plenum Kriterien, die beide Begriffe charakterisieren. e) Sehen Sie folgende Szenen noch einmal an. Vergleichen Sie in Part- OPTIONALE AUFGABE ZUR nerarbeit das Material mit anderen VERTIEFUNG: Filmaufnahmen aus dem Ersten Weltkrieg hinsichtlich filmästheti- b) Erarbeiten Sie einen historischen scher Mittel wie Farbgebung, Inserts 21 Abriss zur künstlerischen Darstellung und Tongestaltung. Analysieren (34) von Kriegsgeschehen. Nutzen Sie als Sie anschließend, inwieweit das Basis Ihrer Recherche folgenden bpb- Original-Material für They Shall Artikel http://www.bpb.de/gesell- Not Grow Old bearbeitet wurde. schaft/medien-und-sport/bilder- in-geschichte-und-politik/73169/ f) Lesen Sie sich mit Ihrer/Ihrem kriegsberichterstattung?p=all. Partner/-in arbeitsteilig die Kinofens- Wählen Sie eine geeignete Darstel- ter-Filmkritikund den Kinofenster lungsform (beispielsweise tabella- Artikel „Das menschliche Gesicht risch, Zeitstrahl oder ein Plakat). des Krieges? Archivbilder im di- gitalen Wandel“ durch. Ergänzen c) Formulieren Sie in Partnerarbeit Sie gegebenenfalls Ihre Ergebnis- basierend auf Ihren Kenntnissen aus se aus den Aufgaben d) und e). dem Geschichtsunterricht, welche As- pekte bei der Analyse von historischen g) Verfassen Sie einen Kommentar, in Quellen zu beachten sind. Halten dem Sie sich zu den Vor- und Nachtei- Sie Ihre Ergebnisse schriftlich fest. len der Restaurierung in They Shall Not Grow Old positionieren. Nutzen Sie hierfür ihre Ergebnisse aus der Diskussion (1i)) und die Erkenntnisse des Leitfaden zur Quellenkritik (2d)).

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Worksheet: They Shall Not Grow Old – Exercise 2 (english)

Exercise 2: EVERYDAY LIFE ON THE FRONTLINES OF THE FIRST WORLD WAR: CRITICAL ANALYSIS OF THE FILM They Shall Not Grow Old AND THE SOURCES USED

AFTER GOING TO THE CINEMA: e) Watch the following scenes http:// www.bpb.de/lernen/formate/metho- a) In the First World War, the borders den/46825/text-analysieren again. In between information and propaganda pairs, compare the material with other became blurred with regard to the use footage from the Frist World War regar- of motion pictures. In class, formulate ding cinematic/aesthetic means such criteria to characterize the two terms. as colour design, captions and sound design. Then analyse to what extent OPTIONAL IN-DEPTH EXERCISE: original footage was processed or doc- tored for They Shall Not Grow Old. 22 b) Draw up a historical summary of artis- (34) tic treatments of war. Use the following f) Dividing the work up with your bpb-article http://www.bpb.de/ge- partner, read the Kinofenster film sellschaft/medien-und-sport/bilder- review and the Kinofenster article in-geschichte-und-politik/73169/ on restoration. If necessary, use your kriegsberichterstattung?p=all as findings to flesh out the results of a basis for your research. Select a your work on exercises d) and e). suitable form of presentation (for example table, timeline or poster). g) Write a commentary in which you take a stance on the advantages and disad- c) In pairs, based on your know- vantages of restoration work for They ledge from history class, articulate Shall Not Grow Old. In doing so, make what aspects need to be taken use of the results of your work from the into account when analysing his- discussion (1i)) and your findings with torical sources. Write down the regard to guidelines for critical analysis results of your deliberations. of sources (2d)). d) Read the following bpb-article and then revise your summary of questions regarding the use of historical sources.

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Arbeitsblatt: They Shall Not Grow Old – Aufgabe 3 / Didaktisch-methodischer Kommentar

Aufgabe 3 KRIEG DER BILDER: PROPAGANDAFILME DER KRIEGSTEILNEHMER Didaktisch-methodischer Kommentar

Hinweis: Die hier beschriebene Aufgabe zum Film finden Sie auf den folgenden Seiten in deutscher und englischer Sprache.

Kompetenzerwerb: Mit dem Lernprodukt – der Präsentation liegt im Geschichtsunter- Fächer: richt der Schwerpunkt auf der Handlungs- Geschichte, Englisch, Politik ab kompetenz, während im Englischunter- 11. Klasse richt die Förderung der Sprechkompetenz im Zentrum steht. Ebenso erfolgt über die Vertiefung filmsprachlicher Fachbegriffe die Vermittlung von Medienkompetenz (Kenntnis der Filmsprache – Basiswissen). 23 (34) Die Schülerinnen und Schüler erarbeiten sich mit Hilfe eines Kinofenster-Artikels die Bedeutung des Bewegtbildes für Pro- paganda-Zwecke. Anschließend erarbeiten sie mit unterschiedlichem Material (unter anderem von der bpb) Hintergründe und Bedeutung der Schlacht an der Somme im Sommer 1916. Arbeitsteilig wird die Darstellung der Ereignisse und des Front- Alltags in Bei unseren Helden an der Som- me (D, 1916) und The Battle of the Somme (GB, 1916) erarbeitet und anschließend in Präsentationen vorgestellt.

Autor: Ronald Ehlert-Klein, Theater- und Filmwissenschaftler, Pädagoge und kin- ofenster.de-Redakteur, 27.06.2019

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Arbeitsblatt: They Shall Not Grow Old – Aufgabe 3

Aufgabe 3 KRIEG DER BILDER: PROPAGANDAFILME DER KRIEGSTEILNEHMER

NACH DEM FILMBESUCH: https://www.sueddeutsche.de/ e) Führen Sie in Ihren Gruppen A und politik/erster-weltkrieg-an-der- B jeweils Ihre Erkenntnisse aus den a) Film war vor mehr als 100 Jahren ein leichenfressenden-somme-1.3255405 Aufgaben c) und d) zusammen und neues Medium. Lange vor der Ära der bereiten Sie eine strukturiere Präsen- Digitalisierung waren Filmaufnahmen https://www.zukunft-braucht- tation vor, in der Sie jeweils (kurz) aufwendig und teuer. Tragen Sie mögli- erinnerung.de/die-schlacht-an-der- auf Hintergründe und Bedeutung che Gründe zusammen, wofür Filmauf- somme/ der Schlacht von Somme eingehen nahmen während des Ersten Weltkrieg und anschließend mit Hilfe geeig- gemacht und in wessen Auftrag diese http://www.bpb.de/geschichte/ neter Ausschnitte erläutern, wie in gedreht worden sein könnten. deutsche-geschichte/ersterwelt- Großbritannien und in Deutschland krieg/155307/soldatische-kriegs- die Schlacht dargestellt wurde. b) Lesen Sie den Kinofenster-Artikel erfahrungen-im-industrialisierten- „Vom Ersten Weltkrieg bis heute: krieg f) Stellen Sie Ihre Präsentation 24 Propaganda im Film“ und geben vor und geben Sie sich kriteri- (34) Sie die wichtigsten Aspekte zur d) Gruppe A: Sehen Sie sich den Do- enorientiertes Feedback. Entstehung, Intention und Au- kumentarfilm Bei unseren Helden thentizität des Filmmaterials aus an der Somme (D, 1916) http:// g) Diskutieren Sie abschließend dem Ersten Weltkrieg wieder. www.bpb.de/mediathek/252872/bei- inhaltliche und filmästhetische unseren-helden-an-der-somme an. Gemeinsamkeiten und Unterschie- c) Teilen Sie Ihren Kurs in mehrere Erarbeiten Sie die Erzählung des Fil- de zu They Shall Not Grow Old. Gruppen A und B (eine Gruppe sollte mes – welche Front-Eindrücke sollen aus drei bis vier Schüler/-innen beste- den Zuschauenden vermittelt werden? hen). Informieren Sie sich innerhalb Mit welchen filmästhetischen Mitteln Ihrer Gruppe über die Hintergründe (beispielsweise Kamerafahrten und und Bedeutung der Schlacht an Inserts) wird die Wirkung unterstützt? der Somme. Nutzen Sie den Artikel aus der Süddeutschen Zeitung, den Gruppe B: Sehen Sie sich den Artikel auf dem Portal Zukunft braucht Dokumentarfilm The Battle of the Erinnerung sowie den bpb-Artikel als Somme (GB, 1917) https://www. Ausgangspunkt Ihrer Recherche. iwm.org.uk/collections/item/ob- ject/1060008206 an. Erarbeiten Sie die Erzählungdes Filmes – welche Front-Eindrücke sollen den Zu- schauenden vermittelt werden? Mit welchen filmästhetischen Mitteln (beispielsweise Kamerafahrten und Inserts) wird die Wirkung unterstützt?

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Worksheet: They Shall Not Grow Old – Exercise 3 (english)

Exercise 3: WAR OF IMAGES – PROPAGANDA FILMS BY THE WARRING PARTIES

a) More than 100 years ago, film was still https://www.sueddeutsche.de/ e) In your groups A and B, gather a new medium. Long before the digital politik/erster-weltkrieg-an-der- together the results of your work on era, film recordings were complex leichenfressenden-somme-1.3255405 exercises c) and d) and prepare a struc- and expensive. Write down possible tured presentation in which you briefly reasons why film recordings were https://www.zukunft-braucht- describe the background and signifi- made in the First World War and who erinnerung.de/die-schlacht-an-der- cance of the Battle of the Somme and might have commissioned them. somme/ subsequently, using suitable excerpts, explain how the battle was portray- b) Read the Kinofenster article „Vom http://www.bpb.de/ge- ed in Great Britain and Germany. Ersten Weltkrieg bis heute: Propagan- schichte/deutsche-geschichte/ da im Film“ and write down the most ersterweltkrieg/155307/solda- f) Make your presentation and give each important aspects regarding the recor- tische-kriegserfahrungen-im- other criterion-orientated feedback. ding, motivation and authenticity of industrialisierten-krieg 25 film footage from the First World War. g) Finally, discuss content-related and (34) d) Gruppe A: Watch the documentary cinematic differences and similarities c) Divide your class into multiple groups film Bei unseren Helden an der with They Shall Not Grow Old. A and B (a group should comprise Somme (D, 1916) http://www.bpb. three of four students). Within your de/mediathek/252872/bei-unseren- group, collect information about helden-an-der-somme. Discuss the the background and significance of narrative of the film – what impressi- the Battle of the Somme. Use this ons of life on the frontline does it aim article in the Süddeutsche Zeitung, to convey to viewers? What cinematic the article on the portal Zukunft devices (such as camera movements braucht Erinnerung and the bpb and captions) are used to underline article as a basis for your research. this effect?

Group B: Watch the documentary film The Battle of the Somme (GB, 1917) https://www.iwm.org.uk/ collections/item/object/1060008206. Discuss the narrative of the film – what impressions of life on the frontline does it aim to convey to viewers? What cinematic devices (such as camera movements and captions) are used to underline this effect?

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Filmsprachliches Glossar (1/8)

Film- 3D-Technik/ Grundlage des räumlichen Sehens ist die Leistung des Gehirns, Stereoskopie zwei unterschiedliche Informationen aus dem linken und dem sprachliches rechten Auge zu einem dreidimensionalen Bild zusammenzuset- zen. Dies macht sich auch die Stereoskopie, umgangssprachlich als Glossar 3D-Technik bezeichnet, zunutze. Mit unterschiedlichen Verfahren wird im Idealfall schon während der Dreharbeiten – ansonsten ist auch eine aufwändige Konvertierung in der Postproduktion mög- lich – jedes Bild von zwei geringfügig versetzten Objektiven aufge- zeichnet. Beide Bilder werden im Kino in sehr schnellem Wechsel projiziert. Das so entstehende, in weiten Teilen unscharfe Bild kann von speziellen Brillen so entschlüsselt werden, dass erneut zwei getrennte Bilder zur Verarbeitung vorliegen. Diese sogenannten 3D-Brillen versorgen etwa durch Polfilter jedes Auge mit nur einer Wellenrichtung oder sie verdunkeln durch eine Shutter-Funktion je ein Auge für den Bruchteil einer Sekunde. Der 3D-Effekt kann bei den Dreharbeiten auf verschiedene Arten verstärkt werden: • durch die Veränderung des Abstands der beiden Objektive (die interokulare Distanz) wirken Räume flacher oder tiefer. • durch eine Veränderung des Neigungswinkels der beiden Objektive kann bewirkt werden, dass Objekte scheinbar aus 26 der Leinwand herausragen. (34)

Durch den räumlichen Eindruck kann die 3D-Technik auch zu ei- nem filmsprachlichen Gestaltungsmittel werden. Filme, die diese dramaturgische Funktion einsetzen, sind beispielsweise Coraline (Henry Selick, USA 2009), Oben (Up, Pete Docter, Bob Peterson, USA 2009), Avatar (James Cameron, USA 2009) oder Life of Pi (Ang Lee, USA 2012).

Bildformate Unter dem Bildformat wird das Seitenverhältnis von Breite zu Höhe eines Filmbilds verstanden. Bis 1953 war ein Seitenverhältnis von etwa 1,33:1 üblich, das 1932 auch von der Academy of Motion Picture Arts and Sciences als Normalformat festgelegt wurde und daher auch als „academy Ratio“ bezeichnet wurde. Heute wird dieses Format im Kino kaum noch verwendet. Eine Ausnahme bilden etwa die Filme von Andrea Arnold (Fish Tank, Großbritannien 2009) oder Wuthering Heights (Großbritannien 2011). Bewusst eingesetzt, kann das verwendete Bildformat zum dramaturgischen Mittel werden. In Fish Tank lässt das Bildformat von 1,33:1 die Welt der jugend- lichen Protagonistin beengt wirken und bietet ihr so formal kaum Spielraum zur Entfaltung. Dies spiegelt sich auch inhaltlich in de- ren sozialer Lage.

• Ab den 1950er-Jahren wurden Filme im Kino zunehmend in Breitwand-Formaten projiziert oder gedreht, deren

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Filmsprachliches Glossar (2/8)

Seitenverhältnis entweder 1,66:1 (europäischer Standard) oder 1,85:1 (US-amerikanischer Standard) betrug. Kinofilme konnten sich dadurch umso deutlicher von dem Vollformat des Fernsehens abgrenzen. • Als Wide-Screen werden Breitwand-Formate ab einem Sei- tenverhältnis von 2,35:1 bezeichnet. Diese besonders breiten Bildformate kommen vor allem in Filmgenres mit epischen Handlungen zur Geltung (wie Fantasyfilme, Monumentalfil- me) oder in denen die Weite der Landschaft unterstrichen werden soll (wie im Western).

CGI Die Abkürzung CGI steht für „computer generated imagery“ (com- putergenerierte Bilder) und wird als Sammelbezeichnung für di- gitale Effekte oder Computeranimationen verwendet, durch die beispielsweise Figuren, Kulissen oder Hintergründe in Real- oder Animationsfilmen von Grund auf neu gestaltet oder verändert wer- den (siehe auch: Digitalisierung/Digitales Kino). Während CGI-Effekte in Genres des Phantastischen Films- auf grund der realitätsfernen Darstellungen deutlich als solche er- kennbar sind, fügen sie sich mittlerweile nahezu unerkennbar auch in realistische Stoffe ein. 27 (34) Zu den ersten Filmen, die CGI-Effekte einsetzten, zählen Krieg der Sterne (Star Wars, George Lucas, USA 1977) und Tron (Steven Lisberger, USA 1982). Toy Story (John Lasseter, USA 1995) war der erste Spielfilm, der vollständig computeranimiert wurde.

Cinéma Vérité Cinéma Vérité bezeichnet eine Entwicklung des Dokumentarfilms, die vor allem mit der Ästhetik des ethnologischen Filmemachers Jean Rouch verbunden wird. Der Begriff selbst geht auf das Kon- zept der „Kinowahrheit“ des sowjetischen Filmemachers Dziga Vertov zurück. Cinéma Vérité bedeutet im Wesentlichen, dass die „Wirklichkeit“, die der Dokumentarfilm abbildet, im Produktions- prozess des Filmemachens durch die Interaktion von Kamera und Protagonisten/innen sowie der Wechselwirkung von Bild, Musik und Montage) entsteht. Anders als in der sich zeitgleich in den USA entwickelnden Bewegung des Direct Cinema, die das Ziel verfolg- te, die Kamera unsichtbar werden zu lassen - wie eine Fliege an der Wand - war die Präsenz der Kamera im Bild beim Cinema Vérité wesentlich, um für „Wahrheit“ der Inhalte und Aussage des Films zu bürgen.

Dokumentarfilm Im weitesten Sinne bezeichnet der Begriff non-fiktionale Filme, die mit Material, das sie in der Realität vorfinden, einen Aspekt der Wirklichkeit abbilden. John Grierson, der den Begriff prägte, ver- stand darunter den Versuch, mit der Kamera eine wahre, aber den- noch dramatisierte Version des Lebens zu erstellen; er verlangte

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Filmsprachliches Glossar (3/8)

von Dokumentarfilmer/innen einen schöpferischen Umgang mit der Realität. Im Allgemeinen verbindet sich mit dem Dokumentar- film ein Anspruch an Authentizität, Wahrheit und einen sozialkriti- schen Impetus, oft und fälschlicherweise auch an Objektivität. In den letzten Jahren ist der Trend zu beobachten, dass in Mischfor- men (Doku-Drama, Fake-Doku) dokumentarische und fiktionale Elemente ineinander fließen und sich Genregrenzen auflösen.

Drehbuch Ein Drehbuch ist die Vorlage für einen Film und dient als Grund­ gerüst für die Vorbereitung einer Filmproduktion sowie die Dreh­ arbeiten. Drehbücher zu fiktionalen Filmen gliedern die Handlung in Szenen und erzählen sie durch Dialoge. In Deutschland enthal- ten Drehbücher üblicherweise keine Regieanweisungen.

Der Aufbau folgt folgendem Muster: • Jede Szene wird nummeriert. In der Praxis wird dabei auch von einem „Bild“ gesprochen. • Eine Szenenüberschrift enthält die Angabe, ob es sich um eine Innenaufnahme („Innen“) oder eine Außenaufnahme („Außen“) handelt, benennt den Schauplatz der Szene und die Handlungszeit „Tag“ oder „Nacht“. Exakte Tageszeiten 28 werden nicht unterschieden. (34) • Handlungsanweisungen beschreiben, welche Handlungen zu sehen sind und was zu hören ist. • Dialoge geben den Sprechtext wieder. Auf Schauspielanwei- sungen wird dabei in der Regel verzichtet.

Die Drehbuchentwicklung vollzieht sich in mehreren Phasen: Auf ein Exposé, das die Idee des Films sowie die Handlung in Prosa- form auf zwei bis vier Seiten zusammenfasst, folgt ein umfangrei- cheres Treatment, in dem – noch immer prosaisch – bereits Details ausgearbeitet werden. An dieses schließt sich eine erste Rohfas- sung des Drehbuchs an, die bis zur Endfassung noch mehrere Male überarbeitet wird.

Drehort/Set Orte, an denen Dreharbeiten für Filme oder Serien stattfinden, werden als Drehorte bezeichnet. Dabei wird zwischen Studiobau- ten und Originalschauplätzen unterschieden. Studios umfassen entweder aufwändige Außenkulissen oder Hallen und ermögli- chen dem Filmteam eine hohe Kontrolle über Umgebungseinflüs- se wie Wetter, Licht und Akustik sowie eine große künstlerische Gestaltungsfreiheit. Originalschauplätze (englisch: locations) können demgegenüber authentischer wirken. Jedoch werden auch diese Drehorte in der Regel von der Szenenbildabteilung nach Absprache mit den Regisseuren/innen für die Dreharbeiten umgestaltet.

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Filmsprachliches Glossar (4/8)

Farbgestaltung / Bei der Gestaltung eines Films spielt die Verwendung von Farben Farbgebung eine große Rolle. Sie charakterisieren Schauplätze, Personen oder Handlungen und grenzen sie voneinander ab. Signalfarben lenken im Allgemeinen die Aufmerksamkeit. Fahle, triste Farben senken die Stimmung. Die Wahl der Lichtfarbe entscheidet außerdem, ob die Farben kalt oder warm wirken. Allerdings sind Farbwirkungen stets auch subjektiv, kultur- und kontextabhängig. Farbwirkungen können sowohl über die Beleuchtung und die Verwendung von Farbfiltern wie über Requisiten (Gegenstände, Bekleidung) und Bearbeitungen des Filmmaterials in der Postproduktionsphase er- zeugt werden. Zu Zeiten des Stummfilms und generell des Schwarzweiß-Films war beispielsweise die Einfärbung des Films, die sogenannte Vi- ragierung oder Tonung, eine beliebte Alternative zur kostenin- tensiveren Nachkolorierung. Oft versucht die Farbgestaltung in Verbindung mit der Lichtgestaltung die natürlichen Verhältnisse nachzuahmen. Eine ausgeklügelte Farbdramaturgie kann aber auch ein auffälliges Stilmittel darstellen. Kriminalfilme und Sozi- aldramen arbeiten beispielsweise häufig mit farblich entsättigten Bildern, um eine freudlose, kalte Grundstimmung zu erzeugen. Auch die Betonung einzelner Farben verfolgt eine bestimmte Ab- 29 sicht. Als Leitfarbe(n) erfüllen sie eine symbolische Funktion. Oft (34) korrespondiert diese mit den traditionellen Bedeutungen von Far- ben in den bildenden Künsten. Rot steht zum Beispiel häufig für Gefahr oder Liebe, Weiß für Unschuld.

In Trommelbauch (Dik Trom, Arne Tonen, Niederlande 2011) zieht die genussfreudige Familie Trommel in die Stadt Dünnhaften, wo der Alltag der Bewohner von Kalorienzählen und Sportbesessen- heit geprägt ist. Die unterschiedliche Lebenseinstellung wird durch die Farbgebung betont: Während Familie Trommel auffallend bun- te Kleidung trägt, bestimmen in Dünnhaften blasse Farbtöne das Aussehen der Stadt und ihrer Bewohner/innen. Der Film Winter- tochter (Deutschland, Polen 2011) begleitet ein Mädchen und eine Frau auf eine Reise in die deutsch-polnische Geschichte. Regisseur Johannes Schmid spiegelt die Erinnerung an traumatische Lebens- erfahrungen auch mit entsättigten Farben wider: Die blau-grauen Winterwelten erinnern fast an Schwarzweiß-Filme und lassen die Grenzen zwischen Heute und Damals verschwimmen.

Insert Die Aufnahme eines Gegenstandes, einer Schrifttafel oder eine Tex- teinblendung wird in den Film hineingeschnitten, um eine drama- turgisch wichtige Information zu vermitteln. • Zum einen können Inserts Gegenstände zeigen, die Teil der Handlung sind (diegetisch). Groß- oder Detailaufnahmen beispielswiese eines Kalenders, eines Briefs, einer Schlag- zeile aus der Zeitung oder einer Uhr weisen explizit auf

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Filmsprachliches Glossar (5/8)

Informationen hin, die wichtig für das Verständnis des Films sind. • Zum anderen gibt es Inserts, die kein Teil der Handlung selbst sind (nicht-diegetisch), sondern eine kommentie- rende, zitierende oder ironisierende Funktion haben, wie Schrifttafeln mit Zeitangaben („Vor zehn Jahren“) oder die typischen Text- oder Bildeinblendungen in den Filmen von Jean-Luc Godard.

Montage Mit Schnitt oder Montage bezeichnet man die nach narrativen Ge- sichtspunkten und filmdramaturgischen Wirkungen ausgerichtete Anordnung und Zusammenstellung der einzelnen Bildelemente eines Filmes von der einzelnen Einstellung bis zur Anordnung der verschiedenen Sequenzen. Die Montage entscheidet maßgeblich über die Wirkung eines Films und bietet theoretisch unendlich viele Möglichkeiten. Mit Hilfe der Montage lassen sich verschiedene Orte und Räu- me, Zeit- und Handlungsebenen so miteinander verbinden, dass ein kohärenter Gesamteindruck entsteht. Während das klassische Erzählkino (als Continuity-System oder Hollywood-Grammatik be- zeichnet) die Übergänge zwischen den Einstellungen sowie den 30 Wechsel von Ort und Zeit möglichst unauffällig gestaltet, versu- (34) chen andere Montageformen, den synthetischen Charakter des Films zu betonen. Als „Innere Montage“ wird ein filmisches Dar- stellungsmittel bezeichnet, in dem Objekte oder Figuren in einer einzigen durchgehenden Einstellung, ohne Schnitt, zueinander in Beziehung gesetzt werden.

Die Person, die Filmaufnahmen montiert und schneidet, nennt man Cutter oder Film Editor.

Postproduktion Nach der Stoffentwicklung, der Vorbereitung einer Produktion und den Dreharbeiten stellt die Postproduktion die letzte Phase der Herstellung eines Films dar. Zu dieser zählen die Montage, die Farbkorrektur, das Einfügen von (meist digitalen) Spezialeffekten, das Unterlegen mit Filmmusik, die Tonmischung und die Nachsyn- chronisation. Durch die Verknüpfung von Bild- und Tonebene, die Festlegung des Looks sowie die Abfolge von Einstellungen und Sze- nen entsteht die letztendliche Wirkung eines Films maßgeblich erst in der Postproduktion.

Propagandafilm Stehen Spiel- und Dokumentarfilme im Dienste einer offen oder verborgen dargebotenen ideologischen Botschaft von Parteien oder Interessengruppen, wird von Propagandafilmen gesprochen. Vor allem zu Kriegszeiten sollen diese Filme gezielt dazu dienen, durch vermeintliche Argumente, suggestive Bildgestaltung oder Montageformen Feindbilder auch emotional zu untermauern oder

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zu schüren, für ausgewählte politische Ziele zu werben und damit die öffentliche Meinung zu manipulieren. Mehrere zur Zeit des Nationalsozialismus im Dritten Reich ent- standene Propagandafilme zählen gegenwärtig in Deutschland zu den so genannten Vorbehaltsfilmen und dürfen aufgrund ihrer menschenverachtenden und hetzerischen Botschaften nur mit wis- senschaftlicher oder pädagogischer Begleitung aufgeführt werden.

Auch moderne Hollywoodfilme greifen gelegentlich auf die Äs- thetik der Propagandafilme zurück, wie etwa Ridley Scott, der in Gladiator (USA, Großbritannien 2000) eine Szene aus Leni Riefen- stahls Triumph des Willens (Deutschland 1935) fast einstellungs- genau imitiert.

Stummfilm Bis zur schrittweisen Einführung des Tonfilms ab 1927 war eine syn- chrone Wiedergabe von Bild und Ton technisch nicht machbar. Das bis dahin entstandene Filmmaterial wird seitdem als Stummfilm bezeichnet. Die meisten Stummfilme wurden von Musik begleitet, extern eingespielt von Grammophon, Klavier oder Orchester. Zur Darstellung von Dialogen oder anderer Erklärungen dienten Zwi- schentitel (Texttafeln) oder zum Teil auch Filmerklärer, die das Ge- 31 schehen auf der Leinwand erläuterten. (34) Der Wegfall von Sprachschwierigkeiten war entscheidend für die internationale Durchsetzung des Mediums. Die Beschränkung auf das Sehen förderte in dieser Frühphase jedoch auch die Ent- wicklung des Films als eigenständige Kunst. Filmsprachliche Aus- drucksmittel wie Kamerafahrten, wechselnde Einstellungsgrößen und Montage wurden nach und nach etabliert. Zugleich entwickel- ten sich in den einzelnen Ländern unterschiedliche Stile. So wur- den die in den USA produzierten Slapstick-Komödien mit oder Buster Keaton weltweit populär. In Abgrenzung zum „Massenvergnügen“ Film erlangte in Deutschland nach dem Ersten Weltkrieg der expressionistische Film Aufmerksamkeit, bekannt für die heute übertrieben wirkende Theatergestik der beteiligten Schauspieler/-innen. Wichtige Stummfilmproduktionen entstan- den außerdem in Frankreich sowie in Italien, der Sowjetunion und Japan. Im Jahr 1927 hatte der Stummfilm mit Filmen wie Fritz Langs Metropolis und Friedrich Wilhelm Murnaus Hollywoodproduktion Sunrise – Ein Lied von zwei Menschen (USA 1928) seinen künstle- rischen Höhepunkt erreicht. Die Umstellung auf den Tonfilm wurde von vielen Filmschaffenden als künstlerischer Rückschritt begrif- fen, denn die Einführung des Tons und der entsprechenden Tech- nik schränkte die Mobilität der Kamera zunächst wieder ein. Eine kreative Bildsprache (vergleiche Mise-en-scène) war zum Erzählen einer komplexen Geschichte nicht mehr notwendig, da wichtige Informationen nun auch in den Dialogen vermittelt werden

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konnten. Der Vorwurf lautete daher, beim Tonfilm handele es sich nur noch um abgefilmtes Theater. Mit sogenannten Hybridfilmen, die Ton nur spärlich verwendeten, wehrten sich einzelne Regisseu- re wie Erich von Stroheim (Der Hochzeitsmarsch, USA 1928) und Charlie Chaplin (Moderne Zeiten) gegen die neue Technik. Zahlrei- che Stummfilmstars entsprachen stimmlich nicht den Anforderun- gen des Tonfilms und gaben ihre Karrieren auf. Eine Hommage an diese vergangene Ära der Filmkunst lieferte 2011 der französische Stumm- und Schwarz-Weiß-Film The Artist (Regie: Michel Hazana- vicius).

Tongestaltung/ Die Tongestaltung, das so genannte Sound Design, bezeichnet ei- Sound Design nen Arbeitsschritt während der Postproduktion eines Films und umfasst die kreative Herstellung, Bearbeitung oder Mischung von Geräuschen und Toneffekten. Die Tonebene eines Films hat dabei die Aufgabe: • zu einer realistischen Wahrnehmung durch so genannte Atmos beizutragen, • die filmische Realität zu verstärken oder zu überhöhen oder • Gefühle zu wecken oder als akustisches Symbol Informatio- nen zu vermitteln und damit die Geschichte zu unterstützen. 32 Töne und Geräusche werden entweder an den Drehorten aufgenom- (34) men, künstlich hergestellt oder Geräuscharchiven entnommen. Zu stets wiederkehrenden, augenzwinkernd eingesetzten Sounds zählt zum Beispiel der markante „Wilhelm Scream“.

Voice-Over Auf der Tonspur vermittelt eine Erzählerstimme Informationen, die die Zuschauenden zum besseren Verständnis der Geschichte benöti- gen. Auf diese Weise werden mitunter auch Ereignisse zusammenge- fasst, die nicht im Bild zu sehen sind, oder zwei narrativ voneinander unabhängige Szenen miteinander in Verbindung gesetzt. Häufig tritt der Off-Erzähler in Spielfilmen als retrospektiver Ich-Erzähler oder auktorialer Erzähler auf.

Als Off-Kommentar spielt Voice-Over auch in Dokumentarfilmen eine wichtige Rolle, um die gezeigten Dokumente um Zusatzinfor- mationen zu ergänzen, ihren Kontext zu erläutern, ihre Beziehung zueinander aufzuzeigen (beispielsweise Night Mail, Harry Watt, Basil Wright, Großbritannien 1936; Serengeti darf nicht sterben, Bern- hard Grzimek, Deutschland 1959) oder auch eine poetische Dimen- sion zu ergänzen (zum Beispiel Nacht und Nebel, Nuit et brouillard, Alain Resnais, Frankreich 1955; Die Reise der Pinguine, La Marche de l‘empereur, Luc Jacquet, Frankreich 2004).

Vorspann/ Im Vor- und Abspann eines Films (englisch: opening credits/closing Abspann credits) werden die an der Produktion beteiligten Personen aus Stab und Besetzung sowie Produktionsgesellschaften und Verleiher

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in einer gegebenenfalls auch vertraglich festgelegten Reihenfolge, Dauer und Schriftgröße namentlich genannt.

Gelegentlich beschränken sich Filme nicht nur auf eine Einblen- dung der Namen der wichtigsten Beteiligten zu Beginn des Films, sondern setzen aufwändig gestaltete Vorspänne (englisch: title sequence) als dramaturgische Mittel ein. Seit Mitte der 1990er- Jahre verzichten viele Blockbuster andererseits bewusst auf einen Vorspann und bisweilen sogar auf eine Einblendung des Filmti- tels, um eine größere dramaturgische Dynamik zu entfalten. In Komödien wird der Abspann manchmal genutzt, um Versprecher und misslungene Szenen („bloops“ beziehungsweise „outtakes“) zu zeigen.

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Links und Literatur (1/2)

Links und Literatur

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