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Bericht des Untersuchungsausschusses betreffend die politische Einflussnahme auf das Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT-Untersuchungsausschuss) (3/US) (695 d.B.) gemäß § 51 VO-UA

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Vorwort

Das Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) mit all seinen der Öffentlichkeit nicht zugänglichen und höchst geheimen Informationen war am 28.2.2018 Gegenstand einer Hausdurchsuchung.

Die Nachricht von dieser Hausdurchsuchung verbreitete sich rasend schnell. Der mediale Aufschrei ging weit über die Grenzen Österreichs hinaus, werden doch im BVT Informationen auch ausländischer Geheimdienste gehütet, deren Bekanntwerden nicht absehbare Folgen nach sich ziehen könnte.

Wie konnte so etwas geschehen? Warum wurde eine Hausdurchsuchung durchgeführt? Dieses Ereignis eröffnete zahlreiche, nicht bloß juristische Fragen, sondern auch solche nach politischen Implikationen.

Während die rechtlichen Aspekte der Causa BVT den von der Bundesverfassung vorgesehenen Justizeinrichtungen zur Klärung überlassen bleiben, erreicht die politische Komponente eine Dimension, deren Aufarbeitung nur in einem entsprechend breit angelegten parlamentarischen Untersuchungsausschuss erfolgen kann.

Am 20.4.2018 wurde schließlich der BVT-Untersuchungsausschuss eingesetzt. Zur Frage der politischen Einflussnahme auf das BVT wurden in 44 Sitzungen insgesamt 102 Befragungen von 88 Auskunftspersonen durchgeführt, bis aufgrund der vorzeitigen Beendigung der XXVI. Gesetzgebungsperiode der Ausschuss seine Untersuchungen abbrechen musste.

Aufgabe dieses Untersuchungsausschusses war es, den Verdacht der abgestimmten, politisch motivierten Einflussnahme auf die Aufgabenerfüllung des BVT im Zeitraum von 1.3.2008 bis 13.3.2018 im Bereich der Vollziehung des Bundes zu untersuchen.

Es wurden zahlreiche an der Hausdurchsuchung beteiligte beziehungsweise von dieser betroffene Personen sowie Entscheidungsträger der involvierten Behörden befragt. Die Zusammenschau dieser Befragungen mit den vorliegenden Unterlagen bildet die wesentliche Grundlage dieses Berichts.

Im Zentrum dieser Untersuchung stand zunächst die Hausdurchsuchung. Jedoch wurden davon ausgehend auch andere Vorgänge rund um das BVT einer Überprüfung unterzogen. Der Untersuchungsgegenstand gliederte sich in sieben Beweisthemen, die miteinander in

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Zusammenhang standen und zum Teil thematische Überschneidungen aufwiesen. Laufend wurde eine mögliche abgestimmte, politisch motivierte Einflussnahme auf die Datenverwendung im BVT untersucht, insbesondere auch in den Fällen „Lansky“, „Maurer“ und „Tierschützer“. Der Untersuchungsausschuss beschäftigte sich auch mit dem Verdacht des Bestehens politischer Netzwerke in den Organisationsstrukturen des BMI, dem Thema Extremismus sowie Auswirkungen der Hausdurchsuchungen. In diesem Zusammenhang wurden unter anderem Postenbesetzungen sowie Direktzugriffe von Entscheidungsträgern im BMI auf Mitarbeiter des BVT behandelt.

Der Aufbau des Berichts orientiert sich an der vom Untersuchungsausschuss gewählten Vorgehensweise bei der Aufarbeitung des Untersuchungsgegenstandes.

Die Beweisthemen wurden von den fünf Fraktionen umfassend und intensiv untersucht. Gerade zu zentralen Punkten lagen bei einzelnen Fragen verschiedene Perspektiven von Auskunftspersonen vor. Die Abgeordneten setzten in ihren Befragungen unterschiedliche Schwerpunkte und kamen dabei zu unterschiedlichen Bewertungen, die insbesondere in ihren Fraktionsberichten zum Ausdruck kommen.

Mit den verwendeten männlichen Formulierungen sind Frauen und Männer gleichermaßen angesprochen.

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Abkürzungsverzeichnis a.a.O. am angegebenen Ort AB Ausschussbericht; Anfragebeantwortung Abg. Abgeordneter ABGB Allgemeines Bürgerliches Gesetzbuch Abs Absatz AL Abteilungsleiter AO Anordnung AP Auskunftsperson APA Presse Agentur eG AV Aktenvermerk AVG Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 B-VG Bundes-Verfassungsgesetz BAK Bundesamt zur Korruptionsprävention und Korruptionsbekämpfung BDG Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979 BfV (deutsches) Bundesamt für Verfassungsschutz BGBl. Bundesgesetzblatt BKA Bundeskriminalamt BlgNR Beilage(n) zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates BMASGK Bundesministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz BMBWF Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Forschung BMDW Bundesministerium für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort BMEIA Bundesministerium für Europa, Integration und Äußeres BMF Bundesministerium für Finanzen BMI Bundesministerium für Inneres BMJ Bundesministerium für Justiz BMLV Bundesministerium für Landesverteidigung BMNT Bundesministerium für Nachhaltigkeit und Tourismus BMOED Bundesministerium für Öffentlichen Dienst BMVRDJ Bundesministerium für Verfassung, Reformen, Deregulierung und Justiz BMVIT Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie BND (deutscher) Bundesnachrichtendienst BPD Bundespolizeidirektion BSc Bachelor of Science BVT Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung BVT-UsA Untersuchungsausschuss betreffend die politische Einflussnahme auf das Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung BVVM Büro für Vereins-, Versammlungs- und Medienrechtsangelegenheiten der Bundespolizeidirektion Wien BVwG Bundesverwaltungsgericht bzw beziehungsweise ca circa cc carbon copy (Durchschrift) CI Chefinspektor CTG Counter Terrorism Group Dipl.-Ing. Diplomingenieur DK Disziplinarkommission DNA Deoxyribonucleic Acid (Desoxyribonukleinsäure) Dr. Doktor DSE Direktion für Spezialeinheiten DSG 2000 Datenschutzgesetz 2000

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DVD Digital Video Disc DVG Dienstrechtsverfahrensgesetz 1984 DV-StAG Verordnung zur Durchführung des Staatsanwaltschaftsgesetzes EDIS elektronisches Dateninformationssystem EDV elektronische Datenverarbeitung EGS Einsatzgruppe zur Bekämpfung der Straßenkriminalität etc et cetera EX Extremismus F Freiheitliche Partei Österreichs (FPÖ) f folgende FCG Fraktion Christlicher Gewerkschafter ff fortfolgende FH Fachhochschule FinProk Finanzprokuratur FMA Finanzmarktaufsicht FPÖ Freiheitliche Partei Österreichs Gab.L. Gabriel Lansky GB Gigabyte GD Generaldirektor(in) GDöS Generaldirektor(in) für die öffentliche Sicherheit GenProk Generalprokuratur GL Gabriel Lansky GmbH Gesellschaft mit beschränkter Haftung GOG-NR Geschäftsordnungsgesetz 1975 GP Gesetzgebungsperiode GZ Geschäftszahl HR-Richter Haft- und Rechtsschutzrichter IKT Informations- und Kommunikationstechnikbereich iVm in Verbindung mit GS Generalsekretär HBM Herr Bundesminister HD Hausdurchsuchung HGS Herr Generalsekretär HUMINT Human Intelligence – Informationsbeschaffung durch Gesprächsführung Hv Gattungszeichen für das Hauptverfahren in Strafsachen beim jeweiligen Landesgericht idF in der Fassung IKT Informations- und Kommunikationstechnik InfOG Informationsordnungsgesetz InfoSiG Informationssicherheitsgesetz Ing. Ingenieur inkl inklusive IP Internet Protocol IT Informationstechnik J Liste JETZT KC Kabinettschef KBM Kabinett des Bundesministers Kfz Kraftfahrzeug Koll. Kollege, Kollegin KOMM Kommuniqué

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KP Kriminalpolizei LG Landesgericht LGP Rechtsanwaltskanzlei Lansky, Ganzger + Partner LGSt Landesgericht für Strafsachen lit litera LKA Landeskriminalamt LL.M. Master of Laws LPD Landespolizeidirektion LPK Landespolizeikommando LReg Landesregierung LRegBgld Burgenländische Landesregierung LRegKtn Kärntner Landesregierung LRegNoe Niederösterreichische Landesregierung LRegOoe Oberösterreichische Landesregierung LRegS Salzburger Landesregierung LRegStmk Steiermärkische Landesregierung LRegT Tiroler Landesregierung LRegV Vorarlberger Landesregierung LRegW Wiener Landesregierung LVT Landesamt für Verfassungsschutz MA Master of Arts Mag. Magister MBA Master of Business Administration MESZ Mitteleuropäische Sommerzeit MRK Europäische Menschenrechtskonvention N Das Neue Österreich und Liberales Forum (NEOS) ND Nachrichtendienst NEOS Das Neue Österreich und Liberales Forum NGO Non-Governmental Organisation (Nicht-Regierungs-Organisation) NIS National Intelligence Service (Nachrichtendienst Südkoreas) NÖ Niederösterreich OeNB Österreichische Nationalbank OeSD Österreichische Staatsdruckerei OGH Oberster Gerichtshof OGPI Offensive gegen die Pelzindustrie OLG Oberlandesgericht ON Ordnungsnummer OStA Oberstaatsanwaltschaft, Oberstaatsanwalt, Oberstaatsanwältin ÖGB Österreichischer Gewerkschaftsbund ÖH Österreichische Hochschülerschaft ÖVP Österreichische Volkspartei pol. politisch PStSG Polizeiliches Staatsschutzgesetz PWGT Police Working Group of Terrorism RechtschutzB Rechtschutzbeauftragter REX Rechtsextremismus RH Rechnungshof RI Revierinspektor RSB Rechtschutzbeauftragter S Sozialdemokratische Partei Österreichs (SPÖ) S. Seite SC Sektionschef SIAK Sicherheitsakademie SIZ Sicherheitszentrale

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SMS Short Message Service (Kurzmitteilung) SOKO Sonderkommission SPÖ Sozialdemokratische Partei Österreichs SPG Sicherheitspolizeigesetz St Gattungszeichen für das staatsanwaltschaftliche Ermittlungsverfahren gegen bekannte Täter StA Staatsanwalt (-schaft) StAG Staatsanwaltschaftsgesetz StGB Strafgesetzbuch StPO Strafprozessordnung UA Gattungszeichen für Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof (VfGH) über Anträge betreffend die Einsetzung und Tätigkeit von Untersuchungsausschüssen des Nationalrates UsA Untersuchungsausschuss USB Universal Serial Bus UTC Coordinated Universal Time (koordinierte Weltzeit) V Österreichische Volkspartei (ÖVP) VA Volksanwaltschaft VBG Vertragsbedienstetengesetz 1948 VE verdeckter Ermittler VersG Versammlungsgesetz 1953 VfGH Verfassungsgerichtshof vgl vergleiche VGT Verein gegen Tierfabriken VwGH Verwaltungsgerichtshof VO-UA Verfahrensordnung für parlamentarische Untersuchungsausschüsse VP Vertrauensperson VPN Virtual Private Network WA Werner Amon WG: weitergeleitet WKStA Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft Z Ziffer zB zum Beispiel zbV zur besonderen Verwendung ZIB Zeit im Bild ZQB Zentrale Quellenbewirtschaftung

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Inhaltsverzeichnis

1. Einsetzung, Gegenstand und Zusammensetzung 14 1.1. Einsetzung 14 1.2. Untersuchungsgegenstand 14 1.2.1. Beweisthemen und inhaltliche Gliederung des Untersuchungsgegenstands 15 1.3. Vorsitz, Funktionäre, Mitglieder 17 1.3.1. Vorsitz 17 1.3.2. Verfahrensrichter und Verfahrensanwalt 17 1.3.3. Zusammensetzung des Untersuchungsausschusses 17 2. Beweismittel – Vorlage von Akten und Unterlagen 20 2.1. Grundsätzlicher Beweisbeschluss 20 2.2. Ergänzende Beweisanforderungen 25 2.3. Vorlage von Akten und Unterlagen 25 2.3.1. Öffentlichkeit und Schutz von Informationen 26 2.3.2. Gerichtliche Entscheidungen 26 2.3.2.1. Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof 26 2.3.2.2. Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht 27 2.3.3. Konsultationsverfahren mit dem BMVRDJ 27 3. Verlauf des Verfahrens 28 3.1. Arbeitsplan 28 3.2. Übersicht der Sitzungen und Befragungen 28 4. Hausdurchsuchungen 33 4.1. Herkunft der Vorwürfe 33 4.1.1. Konvolut 33 4.1.1.1. Zusammenfassung der im Konvolut enthaltenen Vorwürfe 33 4.2. Causa BVT bis Jänner 2018 37 4.2.1. Ermittlungen der WKStA bis Jänner 2018 37 4.3. Exkurse 40 4.3.1. Exkurs I: Lansky 40 4.3.1.1. Ermittlungsverfahren und Ermittlungen des BVT 40 4.3.1.2. Sicherstellung des anonymen USB-Sticks 40 4.3.1.3. Antrag auf Löschung von Daten 41 4.3.1.4. Lansky-Daten aus Luxemburg 42 4.3.2. Exkurs II: Nordkoreanische Reisepassrohlinge 44 4.3.2.1. Sachverhalt 44 4.3.2.2. Verfahren der StA Wien und Ermittlungen des BKA 44 4.4. Causa BVT ab Jänner 2018 47

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4.4.1. Kontakt Lansky – Goldgruber – Schmudermayer 47 4.4.2. Kenntnisstand von Bundesminister Kickl 49 4.4.3. Weitere Ermittlungen 50 4.4.4. Kontakte des BMI mit den späteren Zeugen 51 4.4.4.1. A. H. (BVT) 51 4.4.4.2. M. W. (BVT) 52 4.4.4.3. R. P. (BVT) 54 4.4.4.4. C. M. (BVT) 55 4.4.4.5. Fazit 56 4.5. Die Planungsphase – Vorbereitung der Hausdurchsuchungen 56 4.5.1. Chronologischer Überblick 56 4.5.2. Vorbemerkung 57 4.5.3. Rechtliche Rahmenbedingungen 58 4.5.3.1. Vorgaben der StPO 58 4.5.3.2. Berichtspflichten zum Zeitpunkt des 28.2.2018 59 4.5.4. Zeugenvernehmungen vor den Hausdurchsuchungen 60 4.5.4.1. Kontaktaufnahmen mit den Zeugen 60 4.5.4.2. Ablauf der vier Zeugenvernehmungen 62 4.5.4.2.1. Vernehmung von R. P. (BVT) am 21.2.2018 62

4.5.4.2.2. Vernehmung von M. W. (BVT) am 22.2.2018 64

4.5.4.2.3. Vernehmung von A. H. (BVT) am 23.2.2.2018 66

4.5.4.2.4. Vernehmung von C. M. (BVT) am 26.2.2018 68

4.5.4.3. Entbindung von der Amtsverschwiegenheit 70 4.5.4.3.1. Rechtliche Rahmenbedingungen 70

4.5.4.3.1.1. Begriff und Reichweite der Amtsverschwiegenheit 70

4.5.4.3.1.2. Handhabung im Verfahren 71

4.5.4.3.1.3. Rechtsschutz 72

4.5.4.3.2. Sachverhalt betreffend die Entbindung 72

4.5.4.3.3. Fazit 76

4.5.5. Entscheidungsfindung vor den Hausdurchsuchungen 76 4.5.5.1. Notwendigkeit von Sicherstellungen 76 4.5.5.2. Ausschluss der Amtshilfe durch die WKStA 77 4.5.5.3. Überlegungen zur (Journal-)Dringlichkeit 78 4.5.6. Kontakte der WKStA mit dem Präsidenten des LGSt Wien 79 4.5.7. Kommunikation innerhalb der WKStA 82

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4.5.8. Auswahl der Polizeieinheit für die Hausdurchsuchungen 82 4.5.8.1. Ausgangslage am 27.2.2018 82 4.5.8.2. Allgemeines zum BAK 83 4.5.8.3. Allgemeines zur EGS 84 4.5.8.4. Annahme der Anscheinsbefangenheit 85 4.5.8.5. Vorgang der Auswahl der EGS 87 4.5.9. Vorbesprechung am Sitz der WKStA am 27.2.2018 87 4.5.10. Einsatzbesprechung am Sitz der EGS am 27.2.2018 88 4.5.11. Anordnungen der Durchsuchung und Sicherstellung 91 4.5.12. Gerichtliche Bewilligung der Anordnungen beim Journalrichter 93 4.5.13. Fazit 94 4.6. Durchführung der Hausdurchsuchungen am 28.2.2018 96 4.6.1. Einleitender Überblick 96 4.6.1.1. Chronologischer Ablauf 98 4.6.1.1.1. Vorbereitung der Hausdurchsuchungen 98

4.6.1.1.2. Durchsuchung des BVT-Gebäudes 98

4.6.1.1.3. Tabellarische Übersicht der Anordnungen 99

4.6.2. Einsatzbesprechung am 28.2.2018 100 4.6.3. Hausdurchsuchungen in den Büroräumlichkeiten des BVT 101 4.6.3.1. Betreten des BVT-Gebäudes 101 4.6.3.2. Vorwurf von Gewalt und Drohungen 104 4.6.3.3. Rolle der WKStA 105 4.6.3.4. Rolle der EGS 106 4.6.3.4.1. Aufgaben einzelner EGS-Beamten 108

4.6.3.4.1.1. Wolfgang Preiszler 108

4.6.3.4.1.2. Werner König 108

4.6.3.4.1.3. W. R. (EGS) 108

4.6.3.4.1.4. G. S. (EGS) 109

4.6.3.4.1.5. D. S. (EGS) 109

4.6.3.5. Rolle der IT-Techniker 109 4.6.4. Sicherstellung und Sichtung der Daten 110 4.6.5. Durchsuchung der einzelnen Büroräumlichkeiten 113 4.6.5.1. Büro der Leiterin des Extremismusreferats 113 4.6.5.1.1. Ablauf der Durchsuchung 113

4.6.5.1.2. Neuerliche Durchsuchung des Büros 116

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4.6.5.1.3. Stellungnahmen zur Durchsuchung des Büros 117

4.6.5.1.4. Sichergestellte Daten und Gegenstände 119

4.6.5.1.5. Vorwurf „Chaos-Büro“ 120

4.6.5.2. N. B. (BVT) 121 4.6.5.3. B. P. (BVT) 126 4.6.5.3.1. Privatwohnsitz B. P. (BVT) 126

4.6.5.3.2. Büro B. P. (BVT) 127

4.6.5.4. C. H. (BVT) 128 4.6.5.5. F. K. (BVT) 129 4.6.5.5.1. Privatwohnsitz F. K. (BVT) 129

4.6.5.5.2. Büro F. K. (BVT) 131

4.6.5.5.2.1. Sicherstellung teils hochsensibler Daten 132

4.6.6. Sofortige Vernehmung von Wolfgang Zöhrer 133 4.6.7. Datensicherheit 134 4.6.7.1. Verpackung der Daten 134 4.6.7.2. Verladung der Daten 135 4.6.7.3. Antrag auf Versiegelung 135 4.6.7.4. Verwahrung der Daten in der WKStA 136 4.6.7.5. Weiterer Vorgang in der WKStA 136 4.6.8. Hinzuziehung von Ermittlern 138 4.6.8.1. Ermittler des BAK 138 4.6.8.1.1. Üblicher Ablauf gemäß BAK-Gesetz und erste Reaktionen 139

4.6.8.2. Weiterer Verlauf 140 4.7. Folgen – Dienstrechtliche Maßnahmen des BMI 142 4.7.1. Zusammenfassende Vorbemerkung 142 4.7.2. Rechtliche Rahmenbedingungen 142 4.7.2.1. Suspendierung von Beamten 142 4.7.2.1.1. Vorläufige Suspendierung 142

4.7.2.1.2. Endgültige Suspendierung 143

4.7.2.1.3. Materielle Voraussetzungen 143

4.7.2.2. Dienstfreistellung von Vertragsbediensteten 144 4.7.2.3. Entlassung von Vertragsbediensteten 144 4.7.2.4. Weiterbestellung von Beamten in hohen Führungsfunktionen 145 4.7.3. Vorläufige dienstrechtliche Maßnahmen vom 28.2.2018 146 4.7.3.1. Entscheidungsfindungsprozess im BMI 146

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4.7.3.2. Vorläufige Suspendierung des Hauptsachbearbeiters F. S. (BVT) 148 4.7.3.2.1. Bescheid der Dienstbehörde 148

4.7.3.2.2. Erkenntnis des BVwG 150

4.7.3.3. Vorläufige Suspendierung des Referatsleiters C. H. (BVT) 153 4.7.3.4. Dienstfreistellung des Referatsleiters B. P. (BVT) 153 4.7.4. Vorläufige Suspendierung des BVT-Direktors Peter Gridling vom 12.3.2018 153 4.7.4.1. Vorgeschichte: Weiterbestellung als BVT-Direktor 153 4.7.4.2. Zustellung der Weiterbestellung und der vorläufigen Suspendierung 155 4.7.5. Entlassung des B. P. (BVT) vom 22.5.2018 156 4.7.5.1. Ausspruch der Entlassung 156 4.7.5.2. Gerichtliche Anfechtung 157 4.7.5.3. Umwandlung in eine einvernehmliche Auflösung 157 4.7.6. Suspendierungen durch die Disziplinarkommission 158 4.7.6.1. Erhebungen und Akteneinsicht 158 4.7.6.2. Suspendierung des Hauptsachbearbeiters F. S. (BVT) 159 4.7.6.2.1. Bescheid der Disziplinarkommission 159

4.7.6.2.2. Erkenntnis des BVwG 159

4.7.6.3. Suspendierung des Chefinspektors C. H. (BVT) 160 4.7.6.3.1. Bescheid der Disziplinarkommission 160

4.7.6.3.2. Erkenntnis des BVwG 161

4.7.6.4. Suspendierung des BVT-Direktors Peter Gridling 161 4.7.6.4.1. Bescheid der Disziplinarkommission 161

4.7.6.4.2. Erkenntnis des BVwG 163

4.7.6.4.3. Prüfung einer neuerlichen Suspendierung 163

4.7.7. Unterlassung dienstrechtlicher Maßnahmen gegen andere Beamte des BMI 164 4.7.8. Fazit 164 4.8. Auswirkungen der Hausdurchsuchungen 165 4.8.1. Nationale Verunsicherung 165 4.8.2. Internationale Verunsicherung 166 4.8.2.1. Isolation des BVT 166 4.8.2.2. Rückzug aus dem Berner Club 171 4.9. Institutionelle Reaktionen nach den Hausdurchsuchungen 176 4.9.1. Einleitung 176 4.9.2. Die Entscheidungen des OLG Wien vom 22.8.2018 176 4.9.2.1. Vorbemerkung 176 4.9.2.2. Gegenstand der Beschwerden und Entscheidungen 177

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4.9.2.3. Inhalt der Entscheidungen 177 4.9.2.3.1. Zum Spruch 177

4.9.2.3.2. Zum Anfangsverdacht 177

4.9.2.3.3. Zur Journaldringlichkeit 178

4.9.2.3.4. Zur Zulässigkeit der Hausdurchsuchungen 178

4.9.2.3.4.1. Hausdurchsuchungen am Sitz einer Behörde 178

4.9.2.3.4.2. Hausdurchsuchung wegen der Reisepassrohlinge 179

4.9.2.3.4.3. Hausdurchsuchung im Extremismusreferat 179

4.9.2.3.4.4. Hausdurchsuchung der Privatwohnungen 180

4.9.2.4. Auswirkung der Entscheidungen auf die sichergestellten Beweismittel 180 4.9.2.5. Politische Reaktionen auf die OLG-Beschlüsse 181 4.9.2.5.1. Reaktion von Bundesminister Moser 181

4.9.2.5.2. Reaktion von Bundesminister Kickl 181

4.9.3. Reaktionen der Fachaufsicht des BMVRDJ 182 4.9.3.1. Allgemeines zur Wahrnehmung der Fachaufsicht 182 4.9.3.2. Dienstbesprechungen und Aufträge zur Berichterstattung 183 4.9.3.3. Reformankündigung durch Bundesminister Moser 184 4.9.3.4. Neufassung des Berichtspflichtenerlasses der OStA Wien 185 4.9.3.5. Strafrechtliche Folgeermittlungen 186 4.9.4. Reaktionen der Fachaufsicht des BMI 187 4.9.4.1. Verbesserung der Zutrittsbeschränkungen zum BVT 187 4.9.4.2. Veranlassung einer Prüfung durch die Interne Revision 187 4.9.4.3. Verbesserung der Datensicherheit im BVT 187 4.9.4.4. Bemühen um Zurückerlangung sensibler Daten von der WKStA 189 4.9.4.5. Prüfung dienstrechtlicher Schritte gegen S. G. (BVT) 189 4.9.4.6. Reformbestrebungen von Bundesminister Kickl 194 4.10. Einstellungen von Ermittlungen in der Causa BVT 195 4.11. Anhang: Die Hausdurchsuchungen in Zahlen 198 5. Causa Maurer 199 5.1. Feststellungen 199 5.1.1. Chronologischer Überblick 199 5.1.2. Vorwürfe im anonymen Anzeigenkonvolut 200 5.1.3. Die Protestaktion 200 5.1.4. Erstes Auskunftsbegehren 2011 201 5.1.5. Bearbeitung der Causa im BVT 201

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5.1.6. Weitere Auskunftsbegehren 2015/2016 203 5.1.7. Extremismusliste 204 5.1.8. Verfahren der Volksanwaltschaft 204 5.2. Reaktionen und Maßnahmen 205 5.3. Fazit 205 6. Causa Tierschützer 207 6.1. Einleitung 207 6.2. Grundsätzlicher Überblick über den Tierschützerprozess 208 6.3. Die Auseinandersetzung des BVT mit militanten Tierrechtsaktivisten 209 6.3.1. Die Verfassungsschutzberichte von 1997 bis 2009 209 6.3.2. Kritik der Volksanwaltschaft an Verfassungsschutzberichten 210 6.3.3. Fazit 212 6.4. Die Anti-Pelz-Kampagne der OGPI gegen Kleider Bauer 212 6.5. Demonstrationen und Demonstrationsverbote 2006/2007 215 6.5.1. Allgemeines 215 6.5.2. Untersagung von Demonstrationen 215 6.5.3. Parlamentarische Anfrage zur Untersagung von Versammlungen 217 6.5.3.1. Inhalt der Anfrage vom 26.1.2007 217 6.5.3.2. Anfragebeantwortung durch Bundesminister Platter 218 6.5.3.3. Kritik der Volksanwaltschaft 220 6.6. Strafrechtlich relevante Vorfälle betreffend Kleider Bauer 221 6.7. Ermittlungsverfahren 223 6.7.1. Zuständigkeit der Staatsanwaltschaft Wiener Neustadt 223 6.7.2. Überblick über das Ermittlungsverfahren 224 6.8. Die Rolle der SOKO Bekleidung 226 6.8.1. Auslöser für die Einrichtung der SOKO 226 6.8.2. Gründung der SOKO 227 6.8.3. Zusammensetzung der SOKO 230 6.8.4. Entscheidungsfindung in der SOKO 231 6.8.5. Zusammenarbeit mit dem BVVM 231 6.8.6. Zusammenarbeit mit der Steuerfahndung 232 6.9. Die verdeckten Ermittlungen 233 6.9.1. Begriffe 233 6.9.2. Rechtliche Grundlagen nach dem SPG und der StPO 233 6.9.3. Verdeckte Ermittlungen in der Causa Tierschützer 234 6.10. Die Hausdurchsuchungen und Festnahmen vom 21.5.2008 236 6.10.1. Allgemeines 236 6.10.2. Zeitpunkt der Amtshandlung 237

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6.10.3. Einbeziehung von „Kinderpornografie“-Experten 237 6.11. Dauer der Untersuchungshaft 239 6.12. Persönliche Folgen für die Betroffenen 239 6.13. Mögliche Einflussnahme auf die Ermittlungen durch ÖVP-nahe Kreise 240 6.14. Fazit 240 7. Organisation – Politische Netzwerke 242 7.1. Anfrage zu Ermittlungen betreffend Burschenschaften 242 7.1.1. Anfrage von Generalsekretär Goldgruber 242 7.1.2. Sachverhalt 242 7.1.3. Ausgewählte Aussagen zum Auftrag 245 7.1.4. Fazit 248 7.2. Auftrag zur Erarbeitung von Wahlkampfthemen 249 7.2.1. Grund der Vorwürfe 249 7.2.2. Feststellungen 249 7.2.3. Ausgewählte Aussagen zum Kabinettsauftrag 251 7.2.4. Fazit 253 7.3. Besetzungsvorgang betreffend R. P. (BVT) 253 7.3.1. Anonyme Anzeigen und Schreiben 253 7.3.2. Allgemeine Ausführungen zu Besetzungen im BVT 255 7.3.3. Allgemeine Feststellungen zur Besetzung der Planstelle 256 7.3.4. Ausgewählte Aussagen zur Besetzung betreffend R. P. (BVT) 258 7.3.5. Weitergabe der Prüfungsfragen 260 7.3.6. Ermittlungen der StA Wien 261 7.3.7. Fazit 261 7.4. Vorwürfe betreffend B. P. (BVT) 261 7.4.1. Einflussnahme auf die Besetzungsvorgänge betreffend B. P. (BVT) 262 7.4.1.1. Korrespondenz zu den Postenbesetzungen 262 7.4.1.2. Anrechnung von Vordienstzeiten 263 7.4.2. Weitere Kontakte zwischen B. P. (BVT) und Michael Kloibmüller 265 7.4.3. Kontakt zwischen B. P. (BVT) und dem Generaldirektor Anderl 265 7.4.3.1. Feststellungen 265 7.4.3.2. Fazit 267 7.4.4. Kontakte betreffend Lansky 268 7.4.5. Einflussnahme auf das PStSG 269 7.4.6. Verein Pro Patria 271 7.5. Verbindung des BVT zur Ibizaaffäre 272 7.6. Kontakte zwischen B. P. (BVT) mit Alexander Melchior 273 7.6.1. Sachverhalt 273

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7.6.2. Ausgewählte Aussagen der Auskunftspersonen 273 7.6.3. Fazit 274 7.7. Besetzungsvorgang betreffend M. F. (BVT) 274 7.7.1. Einleitung 274 7.7.2. Besetzungsvorgang 275 7.7.3. Ausgewählte Aussagen zur Besetzung betreffend M. F. (BVT) 275 7.7.4. Fazit 278 8. Ergebnisse 279 8.1. Hausdurchsuchungen 279 8.2. Causa Maurer 283 8.3. Causa Tierschützer 283 8.4. Organisation – Politische Netzwerke 284 9. Empfehlungen 288 9.1. Vereinheitlichung der Informationssicherheit 288 9.2. Evaluierung des Rechtsschutzes 288 9.3. Evaluierung des staatsanwaltschaftlichen Berichtswesens 288 9.4. Bessere Dokumentation von Personalentscheidungen 288 9.5. Allgemeine Dokumentationsstandards 289 9.6. Empfehlung zur VO-UA 289 10. Anhang: Minister BMI und BMJ/BMVRDJ 290 11. Schlussteil, Abstimmung und Berichtsvorlage 291 11.1. Informationsordnung und Schutz von Daten 291 11.2. Verständigungen und Stellungnahmen gemäß § 51 Abs 3 Z 3 VO-UA 291 11.3. Debatte und Abstimmung über den Bericht 293

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1. Einsetzung, Gegenstand und Zusammensetzung 1.1. Einsetzung In der 19. Sitzung des Nationalrates haben die Abgeordneten Kai Jan Krainer, Dr. Stephanie Krisper, Dr. Alma Zadić, Kolleginnen und Kollegen das Verlangen gemäß § 33 GOG-NR am 18.4.2018 eingebracht, einen Untersuchungsausschuss zur Untersuchung betreffend die politische Einflussnahme auf das Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT-Untersuchungsausschuss) einzusetzen (3/US XXVI. GP vom 18.4.2018).

Das Verlangen wurde gemäß § 33 Abs 6 GOG-NR dem Geschäftsordnungsausschuss zugewiesen und von diesem am 19.4.2018 in Verhandlung genommen.

Nach Fassung der geschäftsordnungsmäßig vorgesehenen Beschlüsse und Durchführung der Wahlen in der Sitzung des Geschäftsordnungsausschusses vom 19.4.2018 wurde der BVT- Untersuchungsausschuss in der 21. Sitzung des Nationalrates vom 20.4.2018 um 17:18 Uhr eingesetzt.1

1.2. Untersuchungsgegenstand2 Untersuchungsgegenstand ist der Verdacht der abgestimmten, politisch motivierten Einflussnahme durch OrganwalterInnen, sonstige (leitende) Bedienstete sowie MitarbeiterInnen politischer Büros des BMI auf die Aufgabenerfüllung des BVT samt damit in Zusammenhang stehender angeblicher Verletzung rechtlicher Bestimmungen im Zeitraum der ersten zwei Funktionsperioden des aktuellen BVT-Direktors vom 01. März 2008 bis zu seiner Suspendierung am 13. März 2018 im Bereich der Vollziehung des Bundes hinsichtlich

a. des Verwendens von Daten und Informationen inkl. des Unterlassens der Löschung, des Sammelns und Auslagerns von Daten sowie deren Weitergabe an Dritte;

b. der Vollziehung des § 6 PStSG und von Vorgängerregelungen (erweiterte Gefahrenerforschung und Ermittlungstätigkeit im Zusammenhang mit Extremismus, Terrorismus, Proliferation, nachrichtendienstlicher Tätigkeit und Spionage) inkl. der Ermittlungen zu rechtsextremen Aktivitäten durch das Extremismusreferat des BVT;

c. der Ausübung der Dienstaufsicht und Ermittlungen gegen Bedienstete des BVT wie Suspendierungen des Direktors und weiterer ranghoher Bediensteter;

1 3/US XXVI. GP. 2 AB 109 BlgNR XXVI. GP, Anlage 1.

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d. der Zusammenarbeit mit den für den Verfassungsschutz zuständigen Organisationseinheiten der Landespolizeidirektionen bzw. ihren Vorgängerorganisationen hinsichtlich der lit. a bis c;

e. der Zusammenarbeit mit anderen obersten Organen und Ermittlungsbehörden (wie der StA und der WKStA sowie dem Bundeskriminalamt, BAK, LKAs, EGS) im Hinblick auf die von diesen aus Anlass der oben genannten Rechtsverletzung geführten Ermittlungen und Hausdurchsuchungen; sowie

f. der Besetzung leitender Funktionen und Personalauswahl (einschließlich Ernennung bzw. Betrauung von MitarbeiterInnen der jeweiligen Kabinette von BundesministerInnen auf in Verbindung zum BVT stehende Stellen bzw. Aufgaben).

1.2.1. Beweisthemen und inhaltliche Gliederung des Untersuchungsgegenstands 1. Datenverwendung Aufklärung über die abgestimmte, politisch motivierte Einflussnahme auf die Datenverwendung durch das BVT, inklusive des Empfangens, Speicherns, Löschens, Weitergebens von Daten und Informationen sowie der Protokollierung. Dazu zählt die Aufklärung über die Beteiligung von Organwaltern, MitarbeiterInnen politischer Büros und (leitenden) Bediensteten des BMI (entweder zusammenwirkend oder jeweils für sich alleine) an Rechtsverletzungen durch BeamtInnen des BVT sowie die Einflussnahme auf das BVT aus parteipolitischen Motiven etwa durch Kabinettschef M. K. und anderer Kabinettschefs in Zusammenarbeit mit dem stv. Direktor und sonstigen leitenden Bediensteten des BVT insbesondere in den Fällen „Tierschützer“, „Lansky“, „Maurer“.

2. Extremismus Aufklärung über die abgestimmte, politisch motivierte Einflussnahme auf Ermittlungen des Extremismusreferats des BVT inklusive der Ermittlungen zu deutschnationalen Burschenschaften, der Identitären Bewegung und der Verwertung der Ermittlungsergebnisse (dazu zählt auch die Mitnahme von Daten und Informationen durch Unbefugte) sowie auf die (sachlich ungerechtfertigte) Zuordnung von Sachverhalten zu extremistischen Aktivitäten.

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3. Hausdurchsuchungen Aufklärung über Planung und Durchführung der Hausdurchsuchungen sowie über den Umgang mit und die Herkunft von Vorwürfen, die zu diesen Hausdurchsuchungen geführt haben. Dazu zählen u.a.

a. Ungereimtheiten bei den genannten Hausdurchsuchungen, insbesondere durch die Zuziehung der EGS anstelle der Zuziehung von Beamten des Bundeskriminalamtes (BKA), des Bundesamtes zur Korruptionsprävention und Korruptionsbekämpfung (BAK) oder der Landeskriminalämter (LKA)

b. die Mitwirkung des Generalsekretärs im BMI sowie von MitarbeiterInnen der politischen Büros im BMI.

4. Kooperationen Aufklärung über die abgestimmte, politisch motivierte Einflussnahme auf die Zusammenarbeit des BVT mit anderen inländischen Behörden, insbesondere mit den Landesämtern für Verfassungsschutz. Dazu zählt auch die Behinderung von Ermittlungen anderer Behörden.

5. Schutz der Obersten Organe Aufklärung über die abgestimmte, politisch motivierte Einflussnahme auf Tätigkeiten zum Schutz der Regierungsmitglieder und Abgeordneten, insbesondere der angebliche Einbruch und die angebliche Abhöranlage im Büro des Vizekanzlers.

6. Organisation Aufklärung über die abgestimmte, politisch motivierte Einflussnahme auf Organisationsstrukturen und Besetzung leitender Funktionen und dienstrechtlicher Maßnahmen samt Suspendierungen in Zusammenhang mit dem BVT zu Gunsten bestimmter politischer Netzwerke. Dies umfasst auch die Ernennung bzw. Betrauung von MitarbeiterInnen der jeweiligen Kabinette von BundesministerInnen auf in Verbindung zum BVT stehende Stellen bzw. Aufgaben.

7. Auswirkungen Aufklärung über die Folgen der abgestimmten, politisch motivierten Einflussnahme auf die Aufgabenerfüllung des BVT auf die öffentliche Sicherheit und den Staatsschutz sowie über die Auswirkungen auf die Zusammenarbeit mit Nachrichtendiensten anderer Staaten.

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1.3. Vorsitz, Funktionäre, Mitglieder 1.3.1. Vorsitz Vorsitzende des BVT-Untersuchungsausschusses war die Zweite Präsidentin des Nationalrates Doris Bures. Der Präsident des Nationalrates Mag. Wolfgang Sobotka, Vorsitzender des Untersuchungsausschusses gemäß § 5 Abs 1 der Verfahrensordnung für parlamentarische Untersuchungsausschüsse (VO-UA), ließ sich für diesen Untersuchungsausschuss gemäß § 5 Abs 2 VOUA in der Vorsitzführung nach § 6 Abs 3 VO- UA auch betreffend die Aufgaben gemäß § 6 Abs 1 und 2 VO-UA vertreten.

Vorsitzende-Vertreterin war gemäß § 5 Abs 2 VO-UA die Dritte Präsidentin des Nationalrates Anneliese Kitzmüller. Zu Vorsitzenden-Stellvertreter/innen wurden gemäß § 5 Abs 3 VO-UA Mag.Dr. Klaus Uwe Feichtinger und Dr. Dagmar Belakowitsch bestimmt.

1.3.2. Verfahrensrichter und Verfahrensanwalt Auf Grundlage des Vorschlags des Präsidenten des Nationalrates gemäß § 7 Abs 2 VO-UA hat der Geschäftsordnungsausschuss Dr. Eduard Strauss zum Verfahrensrichter und Dr. Wolfgang Pöschl zum Verfahrensrichter-Stellvertreter sowie Dr. Arthur Mikesi, LL.M. zum Verfahrensanwalt und Mag. Wolfgang Schupfer zum Verfahrensanwalt-Stellvertreter gewählt.3

1.3.3. Zusammensetzung des Untersuchungsausschusses Der Geschäftsordnungsausschuss hat gemäß § 3 Abs 3 VO-UA die Zahl der Mitglieder und Ersatzmitglieder des Untersuchungsausschusses nach den im § 30 GOG-NR festgesetzten Grundsätzen folgendermaßen bestimmt:4

ÖVP: 6 (6), SPÖ: 5 (5), FPÖ: 5 (5), NEOS: 1 (1), Liste Pilz: 1 (1)

Dementsprechend wurden folgende Abgeordnete von ihren parlamentarischen Klubs als Mitglieder und Ersatzmitglieder des Untersuchungsausschusses nominiert:

3 AB 109 BlgNR XXVI. GP, S. 2. 4 AB 109 BlgNR XXVI. GP, S. 2.

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Parlamentsklub der österreichischen Volkspartei Mitglieder Gabriela Schwarz (Fraktionsführerin ab 20.5.2019) Werner Amon, MBA (Fraktionsführer und Mitglied bis 19.5.2019) Mag. Ernst Gödl (ab 20.5.2019) Mag. Johanna Jachs Gabriel Obernosterer Mag. Friedrich Ofenauer Nikolaus Prinz

Ersatzmitglieder Mag. Ernst Gödl (bis 19.5.2019) Tanja Graf Mag. Andreas Hanger Eva-Maria Himmelbauer, BSc Nico Marchetti (ab 20.5.2019) Dipl.-Ing. Alois Rosenberger Mag. Stefan Schnöll (bis 12.6.2018) Mag. Maria Smodics-Neumannals (ab 13.6.2018)

Sozialdemokratische Parlamentsfraktion Mitglieder Kai Jan Krainer (Fraktionsführer) Ing. Maurice Androsch Mag. Muna Duzdar Mag. Jörg Leichtfried (bis 17.12.2018) Angela Lueger Sabine Schatz (ab 18.12.2018)

Ersatzmitglieder Walter Bacher Ing. Reinhold Einwallner Eva Maria Holzleitner, BSc (ab 18.12.2018) Dr. Johannes Jarolim (bis 12.2.2019) Katharina Kucharowits (ab 13.2.2019) Sabine Schatz (bis 17.12.2018) Nurten Yilmaz

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Freiheitlicher Parlamentsklub Mitglieder Hans-Jörg Jenewein, MA (Fraktionsführer) Werner Herbert Mag. Günther Kumpitsch David Lasar (bis 24.6.2019) Christian Ries (bis 3.6.2018; ab 26.2.2019 bis 23.5.2019) Petra Steger (ab 4.6.2018 bis 25.2.2019; ab 25.6.2019) Mag. Philipp Schrangl (ab 25.6.2019)

Ersatzmitglieder Dr. Susanne Fürst Dr. Walter Rosenkranz Mag. Philipp Schrangl (bis 24.6.2019) Christian Ries (ab 4.6.2018 bis 25.2.2019) Petra Steger (bis 3.6.2018; ab 26.2.2019 bis 24.6.2019) Dr. Markus Tschank

Klub von NEOS Mitglied Dr. Stephanie Krisper (Fraktionsführerin)

Ersatzmitglied Dr. Nikolaus Scherak, MA

Liste JETZT5 Mitglieder Dr. Peter Pilz (Fraktionsführer ab 21.6.2018) Dr. Alma Zadić, LL.M. (Fraktionsführerin bis 20.6.2018)

Ersatzmitglieder Dr. Peter Kolba (bis 20.6.2018) Dr. Alma Zadić, LL.M. (ab 21.6.2018)

5 Aufgrund der Änderung des Parteinamens am 20.11.2018 von „Liste PILZ“ zu „Liste JETZT“ wird im folgendem der aktuelle Parteiname verwendet.

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2. Beweismittel – Vorlage von Akten und Unterlagen 2.1. Grundsätzlicher Beweisbeschluss Auf Antrag der Abgeordneten Werner Amon, MBA, Kai Jan Krainer, Dr. Walter Rosenkranz, Dr. Stephanie Krisper und Dr. Alma Zadić, LL.M hat der Geschäftsordnungsausschuss am 19.4.2018 einstimmig gemäß § 3 Abs 5 VO-UA den folgenden grundsätzlichen Beweisbeschluss gemäß § 24 Abs 1 und 3 VO-UA gefasst:6

Gemäß § 24 Abs. 1 VO-UA hat der Geschäftsordnungsausschuss in einem grundsätzlichen Beweisbeschluss Organe des Bundes, der Länder, der Gemeinden und der Gemeindeverbände sowie der sonstigen Selbstverwaltungskörper zu bezeichnen, die vom Untersuchungsgegenstand betroffen und daher zur vollständigen Vorlagen von Akten und Unterlagen im Umfang des Untersuchungsgegenstandes verpflichtet sind.

Unter dem Begriff „Akten und Unterlagen“ versteht der Geschäftsordnungsausschuss nicht nur Akten im formellen Sinn, sondern auch sämtliche mit dem Beweisthema und den jeweiligen Akten im Zusammenhang stehende schriftliche oder automationsunterstützt gespeicherte Dokumente, „Handakten“, Berichte, Korrespondenzen aller Art inkl. E-Mails, Entwürfe und sonstige Aufzeichnungen einschließlich Deckblätter, Einsichtsbemerkungen, Tagebücher, Terminkalender, Antrags- und Verfügungsbögen, Weisungen, Erlässe, Aktenvermerke, Sprechzettel, Entscheidungen, schriftliche Bitten, Berichte, Protokolle von Besprechungen und Sitzungen aller Art, Inhalte elektronischer Aktenführung und dergleichen, die bei der vorlagepflichtigen Stelle vorhanden sind.

Die Übermittlung hat grundsätzlich binnen 4 Wochen zu erfolgen, bei einer mit begründeter Stellungnahme bekanntgegebenen schwierigen Aktenlage 8 Wochen. Sollte eine Klassifizierung der Stufe 2 oder höher nach dem InfOG bestehen, so hat die Übermittlung binnen 8 Wochen zu erfolgen. Im Besonderen wird auf die Bestimmungen des Informationsordnungsgesetzes verwiesen.

Die Übermittlung der Akten und Unterlagen hat soweit möglich geordnet nach den Beweisthemen 1-7, im Sinne des Verlangens 3/US XXVI. GP auf Einsetzung des BVTUntersuchungsausschusses sowie unter Anschluss eines Aktenverzeichnisses zu erfolgen.

Darüber hinaus sind alle öffentlichen und nicht öffentlichen Dokumente sowie alle Dokumente der Klassifizierungsstufe 1 „EINGESCHRÄNKT“ gemäß Informationsordnungsgesetz nach

6 AB 109 BlgNR, XXVI. GP - Anlage 2.

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Möglichkeit in elektronischer Form (texterfasst) auf Datenträgern (nicht per E-Mail – mit Ausnahme von Leermeldungen) zu übermitteln.

Akten und Unterlagen der Klassifizierungsstufe 2 „VERTRAULICH“, der Klassifizierungsstufe 3 „GEHEIM“ und der Klassifizierungsstufe 4 „STRENG GEHEIM“ gemäß Informationsordnungsgesetz sind ausschließlich in Papierform und jeweils in zweifacher Ausfertigung anzuliefern.

Jeder Vorlage ist ein Inhaltsverzeichnis beizufügen. Für die Abwicklung der Vorlage trifft die Parlamentsdirektion entsprechende Vorkehrungen und übermittelt nähere technische Anforderungen. Diese werden der Beschlussausfertigung beigeschlossen. Im Besonderen wird auf Art 53 Abs 2 letzter Satz B-VG hingewiesen.

Untersuchungsgegenstand Untersuchungsgegenstand ist der Verdacht der abgestimmten, politisch motivierten Einflussnahme durch OrganwalterInnen, sonstige (leitende) Bedienstete sowie MitarbeiterInnen politischer Büros des BMI auf die Aufgabenerfüllung des BVT samt damit in Zusammenhang stehender angeblicher Verletzung rechtlicher Bestimmungen im Zeitraum der ersten zwei Funktionsperioden des aktuellen BVT-Direktors vom 01. März 2008 bis zu seiner Suspendierung am 13. März 2018 im Bereich der Vollziehung des Bundes hinsichtlich

a. des Verwendens von Daten und Informationen inkl. des Unterlassens der Löschung, des Sammelns und Auslagerns von Daten sowie deren Weitergabe an Dritte;

b. der Vollziehung des § 6 PStSG und von Vorgängerregelungen (erweiterte Gefahrenerforschung und Ermittlungstätigkeit im Zusammenhang mit Extremismus, Terrorismus, Proliferation, nachrichtendienstlicher Tätigkeit und Spionage) inkl. der Ermittlungen zu rechtsextremen Aktivitäten durch das Extremismusreferat des BVT;

c. der Ausübung der Dienstaufsicht und Ermittlungen gegen Bedienstete des BVT wie Suspendierungen des Direktors und weiterer ranghoher Bediensteter;

d. der Zusammenarbeit mit den für den Verfassungsschutz zuständigen Organisationseinheiten der Landespolizeidirektionen bzw. ihren Vorgängerorganisationen hinsichtlich der lit. a bis c; e. der Zusammenarbeit mit anderen obersten Organen und Ermittlungsbehörden (wie der StA und der WKStA sowie dem Bundeskriminalamt, BAK, LKAs, EGS) im Hinblick auf

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die von diesen aus Anlass der oben genannten Rechtsverletzung geführten Ermittlungen und Hausdurchsuchungen;

sowie

f. der Besetzung leitender Funktionen und Personalauswahl (einschließlich Ernennung bzw. Betrauung von MitarbeiterInnen der jeweiligen Kabinette von BundesministerInnen auf in Verbindung zum BVT stehende Stellen bzw. Aufgaben).

Bezeichnung der betroffenen Organe Folgende Organe des Bundes, der Länder, der Gemeinden und der Gemeindeverbände sowie der sonstigen Selbstverwaltungskörper sind gemäß § 24 Abs. 3 VO-UA vom Untersuchungsgegenstand betroffen und haben daher gemäß § 24 Abs. 1 VO-UA unter Bedachtnahme auf § 24 Abs. 3 letzter Satz und § 27 VO-UA ihre Akten und Unterlagen im Umfang des Untersuchungsgegenstandes im Sinne der Anforderungen an die Vorlage von Akten und Unterlagen vollständig vorzulegen:

Nach dem Bundesministeriengesetz 1986 idgF:

1. das Bundeskanzleramt, 2. das Bundesministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz, 3. das Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Forschung, 4. das Bundesministerium für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort, 5. das Bundesministerium für Europa, Integration und Äußeres, 6. das Bundesministerium für Finanzen, 7. das Bundesministerium für Inneres, 8. das Bundesministerium für Landesverteidigung 9. das Bundesministerium für Nachhaltigkeit und Tourismus, 10. das Bundesministerium für öffentlichen Dienst und Sport, 11. das Bundesministerium für Verfassung, Reformen, Deregulierung und Justiz, 12. das Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie jeweils samt aller nachgeordneten Dienststellen und sonstige ihnen unterstehende Einrichtungen sowie deren etwaige Vorgängerstellen und –einrichtungen sowie 13. die Finanzprokuratur, 14. der Rechnungshof, 15. die Volksanwaltschaft, 16. die Präsidentschaftskanzlei, 17. die Nationalbank, 18. die Finanzmarktaufsicht, 19. die Landesregierung des Landes Burgenland, 20. die Landesregierung des Landes Kärnten, 21. die Landesregierung des Landes Niederösterreich, 22. die Landesregierung des Landes Oberösterreich, 23. die Landesregierung des Landes Salzburg, 24. die Landesregierung des Landes Steiermark, 25. die Landesregierung des Landes Tirol, 26. die Landesregierung des Landes Vorarlberg, 27. die Landesregierung des Landes Wien, 28. das Bundesverwaltungsgericht, 29. die Generalprokuratur, 30. die Organe der ordentlichen

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Gerichtsbarkeit, 31. der/die Rechtsschutzbeauftragte nach § 47a StPO, 32. der/die Rechtsschutzbeauftragte nach § 91a SPG.

Begründung Die im vorliegenden Beweisbeschluss genannten Organe haben die im Folgenden genannten gesetzlichen Kompetenzen in Bezug auf den Untersuchungsgegenstand ausgeübt, sind daher von diesem betroffen und werden daher zur vollständigen Aktenvorlage im Sinne des § 24 VO- UA verpflichtet:

Sämtliche dem Untersuchungsgegenstand zuzuordnenden Akten und Unterlagen, unabhängig von Darstellungsform und Datenträger, sind von allen Ministerien dem Untersuchungsausschuss vorzulegen. Dies gilt auch für untergeordnete Organisationseinheiten.

Das Bundesministerium für Inneres und darin insbesondere die Generaldirektion für öffentliche Sicherheit, das Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung samt den Landesämtern für Verfassungsschutz, das Bundeskriminalamt, das Bundesamt zur Korruptionsprävention und Korruptionsbekämpfung, die Einsatzgruppe zur Bekämpfung der Straßenkriminalität sowie Landespolizeidirektionen samt ihrer für Verfassungsschutz zuständigen Organisationseinheiten und das Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung; sowie das Bundesministerium für Verfassung, Reformen, Deregulierung und Justiz und darin insbesondere die Staatsanwaltschaft, die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft; und die Organe der ordentlichen Gerichtsbarkeit und darin insbesondere das Landesgericht für Strafsachen Wien; sowie das Bundesverwaltungsgericht waren direkt mit dem Untersuchungsgegenstand befasst. Das Bundeskanzleramt sowie das Bundesministerium für Öffentlichen Dienst und Sport können politisch motivierte Einflussnahme auf das BVT ausüben und sind zudem seit der letzten Novelle zum Bundesministeriengesetz mit der Kompetenz ausgestattet, Auskünfte unmittelbar vom BVT einzuholen.

Die übrigen Ressorts können eventuell Wahrnehmungen zum Untersuchungsgegenstand haben oder Einflussnahmen auf das BVT ausgeübt haben und waren allesamt zumindest im

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Zuge der Ausübung von Kompetenzen der Bundesregierung mit dem Untersuchungsgegenstand befasst.

Die Finanzprokuratur vertritt und vertrat die Bundesministerien und andere Organe in rechtlichen Fragen, welche auch im Zusammenhang mit dem Untersuchungsgegenstand stehen könnten.

Der Rechnungshof ist für die Gebarungskontrolle zuständig, welche auch den Untersuchungsgegenstand betreffen kann. Insbesondere hat der Rechnungshof das BVT bereits geprüft.

Die Volksanwaltschaft prüft Missstände in der Verwaltung, weshalb Wahrnehmungen zum Untersuchungsgegenstand vorliegen können.

Der Bundespräsident vertritt die Republik nach außen und ernennt die Beamten, weshalb Wahrnehmungen zum Untersuchungsgegenstand vorliegen können.

Die Nationalbank könnte insbesondere hinsichtlich der Überlassung und Verwendung von Geldern als „Lösegelder“ befasst sein und sohin Wahrnehmungen zum Untersuchungsgegenstand haben.

Die Finanzmarktaufsicht führt als eines ihrer deklarierten Ziele die Prävention von Geldwäscherei und Terrorismusfinanzierung und könnte somit ebenfalls Wahrnehmungen zum Untersuchungsgegenstand haben.

Auch die Generalprokuratur als Wahrerin des Gesetzes und die Rechtsschutzbeauftragten könnten Wahrnehmungen zum Untersuchungsgegenstand haben.

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2.2. Ergänzende Beweisanforderungen Im Laufe der Tätigkeit des Untersuchungsausschusses sind folgende ergänzende Beweisanforderungen gemäß § 25 Abs 1 und Abs 2 VO-UA beschlossen beziehungsweise wirksam geworden:

Ergänzende Beweisanforderung vom 26.9.2018: BKA, BMASGK, BMBWF, BMDW, BMEIA, BMF, BMI, BMLV, BMNT, BMOED, BMVRDJ, BMVIT, FinProk, RH, VA, Präsidentschaftskanzlei, OeNB, FMA, LRegBgld, LRegKtn, LRegNoe,, LRegOoe, LRegS, LRegStmk, LRegT, LRegV, LRegW, BVwG, GenProk, Organe der ordentl. Gerichtsbarkeit, RechtschutzB gemäß § 47a StPO und RechtschutzB gemäß § 91a SPG (Verlangen S, N, J);

Ergänzende Beweisanforderung vom 20.2.2019: BMVRDJ (Beschluss mehrheitlich angenommen; dafür: V, F dagegen: S, N, J);

Ergänzende Beweisanforderung vom 13.3.2019: BMI, BMLV, BMBWF und LRegOoe (Verlangen S, N, J);

Ergänzende Beweisanforderung vom 3.4.2019: BMI und BMVRDJ (Verlangen S, N, J);

Ergänzende Beweisanforderung vom 29.5.2019: BMI, BMLV und BMVRDJ (Verlangen V, S, F, N, J);

Ergänzende Beweisanforderung vom 5.6.2019: BMI (Beschluss einstimmig angenommen).

2.3. Vorlage von Akten und Unterlagen Dem Untersuchungsausschuss wurden vom überwiegenden Teil der im grundsätzlichen Beweisbeschluss aufgeforderten Organe Akten und Unterlagen vorgelegt. Einzelne Organe haben mitgeteilt, über keine vom Untersuchungsgegenstand erfassten Informationen zu verfügen.

Zudem sind die unter dem Punkt „Ergänzende Beweisanforderungen“ genannten Stellen auf Grundlage an sie gerichteter ergänzender Beweisanforderungen diesen Aufforderungen zur Vorlage von Akten und Unterlagen größtenteils nachgekommen.

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2.3.1. Öffentlichkeit und Schutz von Informationen Grundsätzlich dürfen die einem Untersuchungsausschuss vorgelegten Akten und Unterlagen nach § 21 Abs 5 VO-UA nicht veröffentlicht werden. Im parlamentarischen Gebrauch unterliegen nicht-öffentliche Unterlagen gemäß § 3 Abs 2 Informationsordnungsgesetz (InfOG) jedoch keiner besonderen Beschränkung, auch das Zitieren aus diesen ist zulässig.

Aufgrund bestehender schutzwürdiger Geheimhaltungsinteressen können Akten und Unterlagen einer von vier Klassifizierungsstufen zugeordnet werden. Unter bestimmten Bedingungen können auch Akten und Unterlagen der Klassifizierungsstufe 1 in medienöffentlicher Befragung verwendet werden. Je nach Einstufung sind Sanktionen bis zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren wegen gegen das InfOG verstoßender Offenbarungen oder Verwertungen geschützter Informationen vorgesehen.

Von den insgesamt rund 340.000 Seiten an Akten, Unterlagen und Protokollen, die dem BVT- Untersuchungsausschuss am Ende zur Verfügung standen, wurden rund 82.000 nicht klassifiziert, etwa 106.000 in Stufe 1, 105.000 in Stufe 2, 34.000 in Stufe 3 und 13.000 in Stufe 4 klassifiziert.

2.3.2. Gerichtliche Entscheidungen Mit der Reform der Bestimmungen betreffend parlamentarische Untersuchungsausschüsse wurde auch die Möglichkeit geschaffen, in einzelnen Streitfällen eine gerichtliche Entscheidung herbeizuführen. Im Zusammenhang mit dem BVT-Untersuchungsausschuss sind die folgenden Entscheidungen ergangen:

2.3.2.1. Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof VfGH vom 14.9.2018, UA1/2018-15 Erkenntnis über die Verpflichtung des Bundesministers für Inneres zur Vorlage weiterer Aktenteile aus dem „Kabinettsakt“

VfGH vom 11.12.2018, UA4/2018-13 Beschluss über die Nichtgewährung einstweiligen Rechtsschutzes in einer Beschwerdesache betreffend behauptete Verletzung in Persönlichkeitsrechten

VfGH vom 11.12.2018, UA2/2018-17 Beschluss über die Beschwerde gegen ein näher bezeichnetes Verhalten des BVT- Untersuchungsausschusses beziehungsweise von dessen Funktionären wegen Verspätung und Unzulässigkeit

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VfGH vom 13.3.2019, UA4/2018-21 Beschluss über die Beschwerde gegen ein näher bezeichnetes Verhalten des BVT- Untersuchungsausschusses beziehungsweise dessen Funktionären

2.3.2.2. Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht BVwG vom 6.6.2019, W179 2219264-1/20E Beschluss über den Antrag auf Verhängung einer Beugestrafe über die Auskunftsperson M. F. (BVT)

BVwG vom 6.6.2019, W179 2219652-1/9E Beschluss über den Antrag auf Verhängung einer weiteren Beugestrafe über die Auskunftsperson M. F. (BVT)

2.3.3. Konsultationsverfahren mit dem BMVRDJ Die Verfahrensordnung sieht in § 58 eine Bestimmung zur Rücksichtnahme auf die Tätigkeit der Strafverfolgungsbehörden vor. Damit soll insbesondere Vorsorge für jene Vorgänge getroffen werden, mit denen sich ein Untersuchungsausschuss und die Strafverfolgungsbehörden gleichzeitig befassen. Solche Vereinbarungen können sich nur auf bestimmte Ermittlungsverfahren beziehen. Art und Ausmaß der Rücksichtnahme sind durch eine Abwägung zwischen den Interessen der Strafverfolgung und den Interessen der parlamentarischen Kontrolle zu bestimmen. Dazu sind der grundsätzliche Beweisbeschluss, ergänzende Beweisanforderungen und Ladungen von Auskunftspersonen dem Bundesminister für Verfassung, Reformen, Deregulierung und Justiz zu übermitteln. Ist dieser der Auffassung, dass Anforderungen von Akten und Unterlagen, Ersuchen um Beweiserhebungen oder die Ladung von Auskunftspersonen die Tätigkeit der Strafverfolgungsbehörden in bestimmten Ermittlungsverfahren berühren, kann er bei der Vorsitzenden des Untersuchungsausschusses die Aufnahme eines Konsultationsverfahrens verlangen. Das Konsultationsverfahren wird von der Vorsitzenden mit Unterstützung des Verfahrensrichters unter Beteiligung der Fraktionen geführt.

Im Zuge dessen wurden drei Vereinbarungen mit dem Bundesminister für Verfassung, Reformen, Deregulierung und Justiz geschlossen.

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3. Verlauf des Verfahrens 3.1. Arbeitsplan Der Untersuchungsausschuss hat am 5.7.2018 einstimmig einen Arbeitsplan gemäß § 16 Abs 1 VO-UA beschlossen, mit dem die in der Übersicht unter 3.2 ersichtlichen Sitzungstermine festgelegt wurden.

Der Nationalrat beschloss in seiner 80. Sitzung vom 12.6.2019 ein Bundesgesetz über die vorzeitige Beendigung der XXVI. Gesetzgebungsperiode gemäß Art 29 Abs 2 B-VG. Bei Auflösung des Nationalrates vor Ablauf der Gesetzgebungsperiode hat der Untersuchungsausschuss die Beweisaufnahme mit der am selben Tag erfolgten Kundmachung dieses Bundesgesetzes zu beenden und dem Nationalrat Bericht zu erstatten. Davon ausgehend ergab sich folgender Ablauf zur Berichterstattung:

14.6.2019 Ende der Beweisaufnahme 21.6.2019 Ende der Frist zur Vorlage des Berichtsentwurfes durch den Vorsitzenden gemäß § 51 Abs 3 Z 1 VO-UA 28.6.2019 Ende der Frist zur Abgabe der Fraktionsberichte gemäß § 51 Abs 3 Z 2 VO-UA anschließend Verständigung von Personen im Sinne des § 51 Abs 3 Z 3 VO-UA

3.2. Übersicht der Sitzungen und Befragungen Der BVT-Untersuchungsausschuss hat 46 Sitzungen abgehalten und insgesamt rund 312 Stunden getagt. Dabei wurden rund 4.600 Seiten an Protokoll über 102 durchgeführte Befragungen verfasst. Insgesamt wurden 88 Personen befragt, wobei drei Personen dreimal und acht Personen zweimal befragt wurden.

Alle medienöffentlichen Befragungen wurden mittels Kommuniqué (KOMM) auf der Internetseite des Parlaments (https://www.parlament.gv.at) veröffentlicht.

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Tagesordnung und Sitzung Datum befragte Auskunftspersonen

1. Sitzung 20.4.2018 Konstituierung des BVT-Untersuchungsausschusses

Geschäftsordnungssitzung 2. Sitzung 5.7.2018 (Beschluss des Arbeitsplans, Ladung von Auskunftspersonen) 3. Sitzung 18.7.2018 Geschäftsordnungssitzung K. G. (BVT) 4. Sitzung 4.9.2018 N. B. (BVT) D. S. (EGS) M. K. (BVT) 5. Sitzung 5.9.2018 R. B. (BVT) B. P. (BVT) Andreas Wieselthaler 6. Sitzung 18.9.2018 T. T. (BVT) G. S. (EGS) Wolfgang Preiszler 7. Sitzung 19.9.2018 Werner König W. R. (EGS) Geschäftsordnungssitzung 8. Sitzung 26.9.2018 (Verlangen über die ergänzenden Beweisanforderungen) Ursula Schmudermayer 9. Sitzung 2.10.2018 Ulrich Nachtlberger Wolfgang Handler Christian Pilnacek 10. Sitzung 3.10.2018 Ilse Vrabl-Sanda Robert Jirovsky S. G. (BVT) 11. Sitzung 11.10.2018 Andreas Wruhs Ursula Schmudermayer R. P. (BVT) 12. Sitzung 16.10.2018 M. W. (BVT) Gabriel Lansky Gert-René Polli 13. Sitzung 17.10.2018 A. H. (BVT)

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C. M. (BVT) Peter Goldgruber 14. Sitzung 6.11.2018 Udo Lett Peter Gridling 15. Sitzung 7.11.2018 Dominik Fasching 16. Sitzung 27.11.2018 Michaela Kardeis Josef Moser 17. Sitzung 28.11.2018 Ursula Schmudermayer Elmar Podgorschek 18. Sitzung 5.12.2018 R. G. (BVT) F. K. (BVT) Karl Hutter 19. Sitzung 6.12.2018 Nikola Knezevic 20. Sitzung 13.12.2019 Geschäftsordnungssitzung Gabriel Lansky 21. Sitzung 8.1.2019 Markus Prach Werner Biller 22. Sitzung 9.1.2019 I. K. (BVT) Peter Goldgruber 23. Sitzung 15.1.2019 Mathias Vogl T. H. (BVT) Thomas Wallerberger 24. Sitzung 16.1.2019 Isabella Fischer Georg Garstenauer 25. Sitzung 12.2.2019 R. P. (BVT) S. R. (BVTHäöller S. G. (BVT) 26. Sitzung 13.2.2019 Peter Gridling Reinhard Teufel 27. Sitzung 19.2.2019 Gerold Szopinski O. L. (BVT) 28. Sitzung 20.2.2019 A. M. (BVT) Martin Balluch 29. Sitzung 6.3.2019 Christian Moser

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Stefan Traxler Peter Graf 30. Sitzung 12.3.2019 Alfons Mensdorff-Pouilly Bernhard Treibenreif Bettina Bogner 31. Sitzung 13.3.2019 E. Z. (LVT) Josef Böck Jürgen Stadler 32. Sitzung 19.3.2019 Michael Artner Marjan Firouz Günther Platter 33. Sitzung 20.3.2019 S. G. (BVT) Friedrich Breitsching Wolfgang Handler 34. Sitzung 2.4.2019 Werner Pleischl Albin Dearing Maria Theresia Fekter 35. Sitzung 3.4.2019 Franz Stark Maria-Margarethe Berger Erik Buxbaum 36. Sitzung 11.4.2019 Peter Stiedl Andreas Pablik Wolfgang Sobotka 37. Sitzung 7.5.2019 M. K. (BVT) Manuel Scherscher Wolfgang Zöhrer 38. Sitzung 8.5.2019 Andreas Achatz Michael Kloibmüller 39. Sitzung 21.5.2019 Alexander Pirker Johannes Freiseisen Werner Faymann 40. Sitzung 22.5.2019 C. M. (BVT) Hans Peter Doskozil 41. Sitzung 29.5.2019 42. Sitzung 3.6.2019 Peter Gridling

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M. F. (BVT) Wolfgang Sobotka 43. Sitzung 4.6.2019 B. P. (BVT) Alexander Melchior Johanna Mikl-Leitner 44. Sitzung 5.6.2019 Gerhard Pürstl Heidrun Silhavy 45. Sitzung 2.7.2019 Geschäftsordnungssitzung Geschäftsordnungssitzung 46.Sitzung 18.9.2019 (Geschäftsordnungsmäßige Beschlüsse; Berichterstattung an den Nationalrat)

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4. Hausdurchsuchungen 4.1. Herkunft der Vorwürfe 4.1.1. Konvolut Am 16.4.2017 gingen bei der WKStA vier anonyme Anzeigen ein, die schwere Vorwürfe gegen Mitarbeiter des BMI, insbesondere des BVT, beinhalteten. Von April 2017 bis September 2017 langten zahlreiche weitere, teils idente anonyme Schreiben bei der WKStA ein. Auch diverse andere Behörden, darunter Staatsanwaltschaften, Gerichte und Ministerien, sowie auch Medien erhielten in diesem Zeitraum derartige Schreiben.7

4.1.1.1. Zusammenfassung der im Konvolut enthaltenen Vorwürfe Das sogenannte anonyme Anzeigenkonvolut besteht letztlich aus mehreren Schreiben und umfasst insgesamt 39 Seiten. Die Vorwürfe in den einzelnen Schreiben sind teilweise ident.8

Die einzelnen Vorwürfe zusammengefasst im Überblick:

1.Veruntreuung von für Geiselbefreiungen bestimmten Geldern: Michael Kloibmüller habe gemeinsam mit Wolfgang Zöhrer an der Befreiung des österreichischen Staatsbürgers Dominique Neubauer aus der Geiselhaft an verschiedenen Orten im Jemen im Februar 2013 mitgewirkt. Zur Befreiung seien von der Nationalbank insgesamt 5 Millionen Euro an Zöhrer und Kloibmüller zur Übergabe an den omanischen Geheimdienst zur Verfügung gestellt worden. Letztlich seien dem omanischen Geheimdienst lediglich 3 Millionen Euro übergeben worden. Aus dem Differenzbetrag hätten sich Kloibmüller und Zöhrer sowie ein weiterer Komplize unrechtmäßig bereichert.9

2.Falsche Beurkundung und Geldwäsche in der Causa Werner Mauss: Kloibmüller habe dem vermeintlichen deutschen Geheimagenten Werner Mauss im Namen des BMI eine Bestätigung ausgestellt, dass Mauss als Agent für Österreich in der Terrorbekämpfung tätig gewesen sei. Diese Bestätigung habe Mauss einer Bank in Liechtenstein als Nachweis der Herkunft von Geldern in Millionenhöhe vorgelegt, worauf diese Bank die Geldwäschestelle in Österreich um Stellungnahme ersucht habe, ob es sich bei der Unterschrift auf der Bestätigung tatsächlich um jene von Kloibmüller handelte. Der Fall sei daraufhin an das BVT, Abteilung II zur Bearbeitung übergeben worden. Zöhrer sei über diesen Fall informiert worden, habe die Echtheit der Unterschrift bestätigt und die Löschung des

7 BMVRDJ, Informationsbericht Nr. 60 der WKStA, S. 26-30; 111/KOMM XXVI. GP, 4ff, 16: Aussage Schmudermayer (1); 133/KOMM XXVI. GP, 18: Aussage Schmudermayer (3). 8 OStA Wien, Anonymes Anzeigenkonvolut, S. 75-214. 9 a.a.O., S. 86-87.

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gesamten Aktes veranlasst. Seitdem sei der betreffende Akt nicht mehr auffindbar und als „in Verstoß geraten“ qualifiziert.10

3.Kick-back-Zahlungen in der Causa Hypo Alpe Adria: Mauss sei im Auftrag von Kloibmüller in der Causa Hypo Alpe Adria als Privatermittler tätig gewesen. Für diese Tätigkeit habe Mauss monatlich einen fünfstelligen und insgesamt einen sechsstelligen Geldbetrag erhalten. Kloibmüller habe im Gegenzug für die Auftragsbeschaffung von Mauss Kick-back-Zahlungen erhalten.11

4.Missbrauch von Mitteln aus dem Wiener Stadterweiterungsfonds: Kloibmüller habe dem damaligen Leiter der Sektion I des BMI Franz Einzinger per E-Mail die Weisung erteilt, die Statuten des Wiener Stadterweiterungsfonds widerrechtlich abzuändern. Die Statutenänderung sei in der Folge durch ihn in Zusammenarbeit mit Karl Hutter und Mathias Vogl erarbeitet worden. Durch die Änderung der Statuten habe Kloibmüller Zugriff auf die Mittel des Stadterweiterungsfonds erhalten, mit denen er einen Grundstückskauf in Eberau, Burgenland, zur Errichtung einer Flüchtlingseinrichtung finanziert habe.12

5.Amtsmissbrauch durch rechtswidrige Einflussnahme auf Ermittlungsverfahren: Im Zuge eines Polizeieinsatzes aufgrund von Bombendrohungen im Rahmen der österreichischen Radrundfahrt 2016 sei das Anwesen von Philipp Ita durchsucht worden. Dabei seien dort illegale Waffen und neonazistisches Material gefunden worden. Kloibmüller sei vom Kommandanten der Polizeiinspektion Ardagger über den Vorfall informiert worden. Kloibmüller habe daraufhin angeordnet, dass die Ermittlungen nicht vom zuständigen Landesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung Niederösterreich, sondern direkt von der Polizeiinspektion Ardagger in Zusammenarbeit mit dem Entschärfungsteam der Direktion für Spezialeinheiten (DSE) geführt werden. Kloibmüller habe zudem angeordnet, dass eine Dokumentation der Ermittlungen zu unterlassen sei. S. G. (BVT) sei von Zöhrer im Auftrag von Kloibmüller angewiesen worden, diese Causa nicht weiter zu verfolgen. Im Gegenzug für die Unterlassung weiterer Ermittlungen sei S. G. (BVT) zusätzliches Ermittlungspersonal zur Vergrößerung ihres Referats zur Verfügung gestellt worden.13

6.Veruntreuung von öffentlichen Geldern (Quellengeldern): Eine Vielzahl an Personen, darunter Kloibmüller, Zöhrer und andere Mitarbeiter des BVT, hätten sich durch das systematische Vorlegen von falschen beziehungsweise gefälschten

10 a.a.O., S. 87-88. 11 a.a.O., S. 88. 12 a.a.O., S. 87-88. 13 a.a.O., S. 89.

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Rechnungen unrechtmäßig bereichert. Die dadurch aus dem Budget des BKA, des BAK und des BVT lukrierten finanziellen Mittel seien für private Partys, die gelegentlich in sexuellen „Orgien“ geendet hätten, verwendet worden. Die weiblichen Teilnehmerinnen seien zur Teilnahme an diesen Partys zum Teil genötigt worden.14

7.Amtsmissbrauch durch die rechtswidrige Einflussnahme auf die Besetzung des niederösterreichischen Landespolizeidirektors: Im Jahr 2017 habe Kloibmüller den früheren Direktor der Landespolizeidirektion Niederösterreich derart unter Druck gesetzt, dass dieser zugestimmt habe, seinen Posten zu räumen und für die restliche Zeit bis zu seiner Pensionierung eine Tätigkeit im BMI auszuüben. Die daraufhin erfolgte Ausschreibung des vakanten Postens des niederösterreichischen LPD- Direktors habe Kloibmüller dahingehend manipuliert, dass der damalige Generaldirektor für die öffentliche Sicherheit Konrad Kogler die Ausschreibung gewonnen habe, obwohl Kogler die erforderlichen Voraussetzungen nicht erfüllt habe.15

8.Amtsmissbrauch durch die illegale Speicherung und das Unterlassen der Löschung von Daten in der Causa Sigrid Maurer: Nach der vom damaligen Vorsitzteam der ÖH unter Leitung von Sigrid Maurer organisierten Protestaktion während einer Budgetdebatte im Parlament im Dezember 2010 seien die Daten der an der Aktion teilnehmenden Personen im BVT rechtswidrig gespeichert worden. Die Daten seien nach einer Datenschutzanfrage von Maurer zudem vorschriftswidrig nicht gelöscht worden. Verantwortlich dafür sei Zöhrer, der damalige Leiter der Abteilung II des BVT, gewesen. Vor der endgültigen Löschung der Daten im Jahr 2015 habe sich der damalige Leiter des Referats Nachrichtendienst B. P. (BVT) eine Kopie der Daten anfertigen lassen, die er nun in einem Safe in seinem Privathaus aufbewahre.16

9.Amtsmissbrauch durch die rechtswidrige Kopie von Daten und deren Weitergabe an den ÖVP-Club im Fall Lansky: Diverse Mitarbeiter des BVT, darunter B. P. (BVT), hätten im Auftrag von Kloibmüller Ermittlungen gegen Gabriel Lansky ohne Ermittlungsauftrag der Staatsanwaltschaft Linz durchgeführt. Zudem seien rechtswidrig Kopien der Daten angefertigt und an den ÖVP-Club weitergegeben worden, damit die ÖVP vor der Wahl Skandale gegen die SPÖ thematisieren könne.17

14 a.a.O., S. 89-90. 15 a.a.O., S. 90. 16 a.a.O., S. 91. 17 a.a.O., S. 82.

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10.Amtsmissbrauch durch den systematischen Verrat von Amtsgeheimnissen und Ermittlungsergebnissen an diverse Medien: Kloibmüller habe regelmäßig persönlich sowie durch den damaligen Sprecher des BMI Karl- Heinz Grundböck, Details aus laufenden Ermittlungsverfahren des BAK, des BVT, des BKA und anderer Dienststellen an diverse Medienvertreter bekannt gegeben. Kloibmüller habe dadurch verhindern wollen, dass über ihn selbst berichtet werde. Als Gegenleistung seien Zahlungen an diverse Mittelsmänner geflossen.18

11.Amtsmissbrauch durch die unzulässige Einflussnahme auf das Telekom-Verfahren: Kloibmüller habe im Auftrag des österreichischen Milliardärs Martin Schlaff Einfluss auf das Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft Wien rund um die Telekom Austria genommen. Insbesondere handle es sich dabei um das Faktum Mobiltel, zu dem bis heute keine Ermittlungsergebnisse vorlägen. Als Gegenleistung habe Kloibmüller von Schlaff regelmäßig finanzielle Zuwendungen in Höhe von insgesamt mehr als 500.000,00 Euro erhalten.19

12.Amtsmissbrauch durch die Beauftragung zur Herstellung von nordkoreanischen Reisepässen und deren Übergabe an den südkoreanischen Nachrichtendienst: B. P. (BVT) und weitere Mitarbeiter des BVT hätten im Auftrag von Kloibmüller den illegalen Druck biometrischer nordkoreanischer Reisepässe für den südkoreanischen Geheimdienst organisiert. B. P. (BVT) sei mit seinem Team an die Österreichische Nationalbank herangetreten und habe um den Druck von nordkoreanischen Blankoreisepässen ersucht. Daraufhin seien insgesamt 50 Reisepässe an B. P. (BVT) übergeben worden, die dieser an den südkoreanischen Geheimdienst ausgefolgt habe. Als Gegenleistung hätten B. P. (BVT) und F. S. (BVT) zwei bezahlte Reisen nach Südkorea erhalten.20

13.Amtsmissbrauch durch die Einflussnahme auf die Vergabe von Aufträgen an die Firma Rubicon und Erhalt von Kick-back-Zahlungen: Kloibmüller, Zöhrer und weitere Beteiligte hätten rechtswidrig Einfluss auf die Vergabe von Aufträgen an das IT-Unternehmen Rubicon, dessen Geschäftsführer ein naher Verwandter von Kloibmüller sei, genommen. Als Gegenleistung seien Kick-back-Zahlungen an die involvierten Personen geflossen. Durch überhöhte Rechnungslegungen sei der Republik ein erheblicher Schaden entstanden.21

18 a.a.O., S. 91-94. 19 a.a.O., S. 94. 20 a.a.O., S. 94-95. 21 a.a.O., S. 95.

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14.Beweismittelvernichtung und Vertuschung des kriminellen Netzwerks: Kloibmüller habe, nachdem er erfahren habe, dass gegen ihn ermittelt werde, gemeinsam mit Zöhrer und einer Kabinettsmitarbeiterin begonnen, Beweismittel zu vernichten. Zudem seien im Kabinett des BMI im Rahmen von Besprechungen Rechtfertigungen im Hinblick auf die Vorwürfe abgestimmt worden. Kloibmüller habe zudem das BAK und die Generaldirektion für die öffentliche Sicherheit angewiesen, betreffende Beweismittel zu vernichten.22

15.Sexuelle Gewalt und Nötigung innerhalb des BVT und des BMI: Zöhrer habe als damaliger Abteilungsleiter der Abteilung II des BVT eine seiner damaligen Sekretärinnen gewürgt und mit dem Tode bedroht. Zudem habe er eine weitere Sekretärin und eine weitere Mitarbeiterin des BVT sexuell belästigt. Sämtliche Opfer sowie potenzielle Zeugen hätten sich aus Angst nie geäußert.23

16.Plagiatsvorwürfe gegen Zöhrer im Rahmen seines Studiums an der FH Wiener Neustadt: Zöhrer habe ein im Frühjahr 2009 an der FH Wiener Neustadt abgegebenes Exposé sowie weitere Arbeiten im Rahmen seines Studiums „Strategisches Sicherheitsmanagement“ nicht selbst verfasst. Das betreffende Exposé sei von einem mittlerweile pensionierten Kriminalbeamten, andere Arbeiten von verschiedenen anderen Mitarbeitern des BMI für Zöhrer verfasst worden.24

17.Amtsmissbrauch durch Einflussnahme auf Ausschreibungen in Bezug auf das Unternehmen Group 4 Security (G4S): Kloibmüller habe G4S bei Ausschreibungen unterstützt und habe versucht, Strafverfahren gegen das Unternehmen zu unterdrücken. Im Gegenzug habe ihm Oskar Strohmeyer, ein Aufsichtsratsmitglied der G4S, zu Kontakten zur SPÖ verholfen. Des Weiteren habe Kloibmüller auch finanzielle Gegenleistungen erhalten.25

4.2. Causa BVT bis Jänner 2018 4.2.1. Ermittlungen der WKStA bis Jänner 2018 Die vier am 16.4.2017 bei der WKStA eingelangten anonymen Schreiben beinhalten die oben näher beschriebenen Sachverhalte betreffend „Werner Mauss“ (2.), „Wiener Stadterweiterungsfonds“ (4.), „Veruntreuung von Quellengeldern“ (6.) sowie „Sexuelle Gewalt und Nötigung im BVT“ (15.).26

22 a.a.O., S. 77. 23 a.a.O., S. 97, 107-109. 24 a.a.O., S. 73. 25 a.a.O., S. 122. 26 BMVRDJ, Informationsbericht Nr. 60 der WKStA, S. 26.

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Aufgrund der Geschäftsverteilung der WKStA wurde dieser Fall der Oberstaatsanwältin Ursula Schmudermayer zugeteilt. Als fallführende Staatsanwältin überprüfte sie für jede einzelne Anzeige ihre Zuständigkeit. Abgesehen von den Vorwürfen im Zusammenhang mit dem Wiener Stadterweiterungsfonds, die an einen weiteren Oberstaatsanwalt innerhalb der WKStA abgetreten wurden, leitete die WKStA laufend sämtliche Sachverhalte zur strafrechtlichen Prüfung an die StA Wien und andere Staatsanwaltschaften weiter.27

Von April 2017 bis September 2017 langten zahlreiche, teils idente anonyme Schreiben und Anzeigen bei der WKStA ein. Die darin enthaltenen Sachverhalte wurden laufend an die StA Wien und andere Staatsanwaltschaften weitergeleitet. Von der StA Wien sowie von anderen Staatsanwaltschaften wurden ebenfalls Sachverhalte an die WKStA übermittelt. Daneben wurden zum Teil auch jene Sachverhalte, die zuvor von der WKStA an andere Staatsanwaltschaften weitergeleitet worden waren, wieder an diese rückübermittelt.28

Aufgrund dieser zahlreichen (Rück-)Übermittlungen begann Schmudermayer im Herbst 2017 mit der Erstellung einer tabellarischen Übersicht der zu diesem Zeitpunkt bestehenden Sachverhalte. Mit Hilfe dieser Übersicht prüfte sie, zu welchen Vorwürfen bereits Ermittlungen eingeleitet worden waren und ob bereits erfolgte Erledigungen weitere Ermittlungen verhindern könnten. Ihre Prüfung ergab, dass die StA Wien bei sämtlichen von der WKStA abgetretenen Sachverhalten aufgrund mangelnden Anfangsverdachts ein Absehen von der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens nach § 35c StAG verfügt hatte. Schmudermayer wertete die Erledigungen der StA Wien nach § 35c StAG – zu Recht – dahin, dass es sich dabei nicht um formelle Einstellungen der Ermittlungsverfahren gehandelt habe und folglich eine Erledigung nach § 35c StAG für sie keine Bindungswirkung entfalte.29

Zum Sachverhalt betreffend die österreichische Radrundfahrt 2016 hatte die StA St. Pölten unabhängig vom Anzeigenkonvolut im Jahr 2016 ein Ermittlungsverfahren eingeleitet. Dieses war bereits vor dem Herbst 2017 nach § 190 Abs 2 StPO eingestellt worden. Daher gelangte Schmudermayer zum Ergebnis, dass es sich um eine inhaltliche Einstellung gehandelt habe und ihr aufgrund der damit einhergehenden Bindungswirkung keine erneute inhaltliche Prüfung möglich sei.30

27 111/KOMM XXVI. GP, 4, 44-46: Aussage Schmudermayer (1); BMVRDJ, Informationsbericht Nr. 60 der WKStA, S. 26-30; 133/KOMM XXVI. GP, 18: Aussage Schmudermayer (3); BMVRDJ, Informationsbericht Nr. 60 der WKStA, S. 26. 28 BMVRDJ, Informationsbericht Nr. 60 der WKStA, S. 26-30; 111/KOMM XXVI. GP, 44-46: Aussage Schmudermayer (1); 133/KOMM XXVI. GP, 18: Aussage Schmudermayer (3). 29 BMVRDJ, Informationsbericht Nr. 60 der WKStA, S. 26-30; 111/KOMM XXVI. GP, 44-46: Aussage Schmudermayer (1); 133/KOMM XXVI. GP, 18: Aussage Schmudermayer (3). 30 BMVRDJ, Informationsbericht Nr. 60 der WKStA, S. 26-30.

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Nachdem die Frage, zu welchen Fakten eine Fortführung von Ermittlungen zulässig sei, beantwortet war, begann Schmudermayer mit inhaltlichen Recherchen zu den in den anonymen Anzeigen enthaltenen Vorwürfen.31

Schmudermayer kam zum Ergebnis, dass die drei Korruptionsvorwürfe „Telekom“, „Rubicon“ und „Werner Mauss“ in die Eigenzuständigkeit der WKStA fielen. Die Themenkomplexe „Datenmissbrauch im BVT“ und „nordkoreanische Reisepässe“ waren Schmudermayer zu diesem Zeitpunkt bereits bekannt. Da es sich dabei nicht um Vorwürfe der Korruption, sondern des Amtsmissbrauchs handelte, hatte die WKStA für diese beiden Fakten keine Eigenzuständigkeit. Schmudermayer hätte aufgrund der Sonderstellung der WKStA gegenüber anderen Staatsanwaltschaften jedoch bereits zu diesem Zeitpunkt nach § 20b Abs 3 StPO die Zuständigkeit an sich ziehen können. Von dieser Möglichkeit machte Schmudermayer jedoch vorerst keinen Gebrauch, ermittelte aber zum Zweck der Zuständigkeitsprüfung, wie unten beschrieben, auch in diese Richtung weiter.32

Die fallführende Staatsanwältin Schmudermayer führte sämtliche Ermittlungen vorerst alleine. Sie setzte ihren Gruppenleiter Oberstaatsanwalt Wolfgang Handler, und die Leiterin der WKStA Ilse-Maria Vrabl-Sanda von Beginn an über den Fortschritt der Ermittlungen und die geplanten Verfügungen in Kenntnis. Insbesondere mit Handler besprach sie regelmäßig den aktuellen Stand der Ermittlungen.33 Am 10.11.2017 informierte Vrabl-Sanda den damaligen Leiter der Strafrechtssektion des BMJ Christian Pilnacek über die Anhängigkeit dieses Ermittlungsverfahrens und über das Ergebnis der erfolgten Zuständigkeitsprüfungen. 34

Schmudermayer stellte bereits im Dezember 2017 Überlegungen dazu an, welche Stelle innerhalb des BMI sie mit Ermittlungen beauftragen könnte. Aufgrund der im Anzeigenkonvolut enthaltenen Vorwürfe, die zahlreiche Dienststellen des BMI betrafen, kam sie zur Überzeugung, dass bei keiner der in Frage kommenden Ermittlungsbehörden eine Befangenheit ausgeschlossen werden könne. Daher sah sie von einer Beauftragung ab und beschränkte ihre Ermittlungsmaßnahmen bis Jänner 2018 auf eine Open-Source-Recherche (Abfrage im Internet und anderen öffentlich zugänglichen Informationsquellen) sowie auf das Ausforschen des Verfassers beziehungsweise der Verfasser der anonymen Schreiben.35

31 BMVRDJ, Informationsbericht Nr. 60 der WKStA, S. 26-30; 111/KOMM XXVI. GP, 44-46: Aussage Schmudermayer (1); 133/KOMM XXVI. GP, 18: Aussage Schmudermayer (3). 32 111/KOMM XXVI. GP, 4: Aussage Schmudermayer (1). 33 a.a.O., S. 5. 34 a.a.O., S. 5. 35 a.a.O., S. 5; OStA Wien, Tagebuch der WKStA zu 6 St 2/18f, S. 8.

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4.3. Exkurse 4.3.1. Exkurs I: Lansky Im Untersuchungsausschuss stellte sich mehrmals die Frage, welche Daten betreffend Gabriel Lansky das BVT im Zuge seiner Ermittlungen gegen Lansky gesammelt hatte und welche es zum Zeitpunkt der Hausdurchsuchung noch haben durfte. Auf Basis der zu diesem Thema bestehenden Gerichtsbeschlüsse in Zusammenschau mit den Aussagen der Auskunftspersonen und abweichenden Behauptungen wird die Sachlage betreffend die Lansky Daten in den folgenden Unterabschnitten überblicksmäßig dargestellt.

4.3.1.1. Ermittlungsverfahren und Ermittlungen des BVT Gegen Gabriel Lansky und andere Beschuldigte wurde von 2011 bis April 2017 ein staatsanwaltschaftliches Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts des Vergehens des geheimen Nachrichtendienstes zum Nachteil Österreichs nach § 256 3.Fall StGB sowie des Verbrechens der schweren Nötigung nach den §§ 105 Abs 1, 106 Abs 1 Z 1 StGB geführt.36

Ursprünglich wurde das Verfahren von der Staatsanwaltschaft Wien, danach kurzfristig von der Staatsanwaltschaft St. Pölten geführt, bevor es mit Note vom 28.4.2015 von der Generalprokuratur der Staatsanwaltschaft Linz übertragen und dort zum Aktenzeichen 6 St 60/15t geführt wurde. Das BVT wurde im Jahr 2011 von der Staatsanwaltschaft Wien mit Ermittlungen zum Verdacht des geheimen Nachrichtendienstes zum Nachteil der Republik Österreich gemäß § 256 StGB betreffend Lansky beauftragt. Daraufhin führte das BVT umfangreiche Ermittlungen in dieser Causa durch.37

4.3.1.2. Sicherstellung des anonymen USB-Sticks Im ersten Quartal 2015 wurden an verschiedene Behörden Datenträger (USB-Sticks) anonymer Herkunft verschickt und überbracht, auf denen sich Lansky betreffende Daten befanden. Am 5.3.2015 übergab eine unbekannte Person zwei BVT-Beamten einen grauen USB-Stick mit Daten betreffend Lansky. Das BVT stellte diesen USB-Stick daraufhin sicher. Gegen die Sicherstellung dieses USB-Sticks erhoben Lansky und andere Betroffene seiner Rechtsanwaltskanzlei am 7.5.2015 Widerspruch. Das Landesgericht Linz wies diesen wegen

36 BMVRDJ, Beschluss des Oberlandesgerichts Linz vom 27.12.2017, S. 6; 111/KOMM XXVI. GP, 30: Aussage Schmudermayer (1); 114/KOMM XXVI. GP, 24ff, 40f: Aussage Pilnacek; 116/KOMM XXVI. GP, 18f: Aussage Jirovsky. 37 OStA Wien, Beschluss des Landesgerichts Linz vom 25.9.2015, S. 2; 111/KOMM XXVI. GP, 30: Aussage Schmudermayer (1); 114/KOMM XXVI. GP, 24ff, 40f : Aussage Pilnacek; 116/KOMM XXVI. GP, 18f: Aussage Jirovsky; 111/KOMM XXVI. GP, 30: Aussage Schmudermayer (1); 114/KOMM XXVI. GP, 24ff, 40f: Aussage Pilnacek; 116/KOMM XXVI. GP, 18f: Aussage Jirovsky; 128/KOMM XXVI. GP, 37: Aussage Gridling (1); 125/KOMM XXVI. GP, 42: Aussage C. M. (BVT) (1).

www.parlament.gv.at 695 der Beilagen XXVI. GP - Ausschussbericht NR - Berichterstattung 45 von 298 41 fehlender Aktivlegitimation am 6.8.2015 zurück.38

Beamte des BVT übergaben den USB-Stick in der Folge am 18.6.2015 an die Staatsanwaltschaft Linz und am 19.6.2015 an das Landesgericht Linz. Die Beamten des BVT teilten mit, dass das BVT eine Sicherungskopie erstellt habe und die Auswertung der Daten in Arbeit sei. Das Landesgericht Linz trug dem BVT mit Schreiben vom 26.6.2015 auf, sämtliche bereits angefertigten Kopien beim Landesgericht Linz bis zur rechtskräftigen Entscheidung über den Widerspruch gegen die Sicherstellung zu hinterlegen.39 Diese Anordnung wurde dem BVT jedenfalls zugestellt, weshalb sich im BVT bereits ab diesem Zeitpunkt keine Daten vom USB-Stick mehr befinden durften.40

Am 16.7.2015 und am 20.7.2015 erhoben Lansky und andere Betroffene seiner Rechtsanwaltskanzlei Einsprüche wegen Rechtsverletzung gemäß § 106 StPO, weil vom BVT zwei DVD-Kopien von Daten, die der anwaltlichen Verschwiegenheit unterlägen, hergestellt worden seien.41

Das Landesgericht Linz gab beiden Einsprüchen teilweise Folge und trug dem BVT mit Beschluss vom 25.9.2015 auf, sämtliche allenfalls noch vorhandenen oder gespeicherten Kopien des am 5.3.2015 anonym übergebenen USB-Sticks, egal ob in Papierform oder gespeichert auf DVDs, Sticks, Festplatten oder anderen Speichermedien, dem Landesgericht Linz zu übermitteln.42 Aufgrund dieses Beschlusses durften sich im BVT spätestens ab diesem Zeitpunkt keine Daten von diesem USB-Stick mehr befinden.

4.3.1.3. Antrag auf Löschung von Daten Das Ermittlungsverfahren wurde am 4.4.2017 zur Gänze eingestellt. Ein Fortführungsantrag wurde vom Landesgericht Linz mit Beschluss vom 23.6.2017 abgewiesen. Am 5.7.2017 sowie am 4.8.2017 beantragten Lansky beziehungsweise ein anderer Antragsteller bei der Staatsanwaltschaft Linz die Löschung sämtlicher personenbezogener Daten auf im Akt

38 a.a.O., S. 1, 3; 111/KOMM XXVI. GP, 30: Aussage Schmudermayer (1); 114/KOMM XXVI. GP, 24ff, 40f: Aussage Pilnacek; 116/KOMM XXVI. GP, 18f: Aussage Jirovsky. 39 a.a.O., S. 3; 111/KOMM XXVI. GP, 30: Aussage Schmudermayer (1); 114/KOMM XXVI. GP, 24ff, 40f: Aussage Pilnacek; 116/KOMM XXVI. GP, 18f: Aussage Jirovsky. 40 111/KOMM XXVI. GP, 38: Aussage Schmudermayer (1). 41 OStA Wien, Beschluss des Landesgerichts Linz vom 25.9.2015, S. 3, 4, 7; 111/KOMM XXVI. GP, 30: Aussage Schmudermayer (1); 114/KOMM XXVI. GP, 24ff, 40f: Aussage Pilnacek; 116/KOMM XXVI. GP, 18f: Aussage Jirovsky; 128/KOMM XXVI. GP, 37: Aussage Gridling (1); 125/KOMM XXVI. GP, 42: Aussage C. M. (BVT) (1). 42 a.a.O., S. 1; 111/KOMM XXVI. GP, 30: Aussage Schmudermayer (1); 114/KOMM XXVI. GP, 24ff, 40f: Aussage Pilnacek; 116/KOMM XXVI. GP, 18f: Aussage Jirovsky; 128/KOMM XXVI. GP, 37: Aussage Gridling (1).

www.parlament.gv.at 46 von 298 695 der Beilagen XXVI. GP - Ausschussbericht NR - Berichterstattung 42

befindlichen Datenträgern. Als Begründung gaben sie an, dass es sich um sensible Daten der Kanzlei „Lansky, Ganzger + partner“ („LGP“) die der anwaltlichen Verschwiegenheit unterlägen, handle, deren weitere Verwendung aufgrund der Einstellung des Ermittlungsverfahrens unzulässig sei. Die Staatsanwaltschaft Linz teilte den Antragstellern mit Noten vom 19.7.2017, 16.8.2017 beziehungsweise 25.8.2017 mit, dass den Anträgen nicht Folge gegeben werde.43

Mit Schriftsatz vom 8.8.2017 brachten Lansky und LGP einen Einspruch wegen Rechtsverletzung gemäß § 106 StPO beim Landesgericht Linz ein. Sie machten geltend, dass sie durch die fortdauernde Unterlassung der Löschung durch die Staatsanwaltschaft Linz in ihrem subjektiven Recht auf Löschung von Daten gemäß §§ 74, 75 StPO, 27 DSG 2000 verletzt seien. Mit Schriftsätzen vom 30.8.2017 und 5.9.2017 erhoben Lansky und LGP zwei weitere Einsprüche wegen Rechtsverletzung gemäß § 106 StPO beim Landesgericht Linz. Dabei machten sie geltend, dass sie auch durch die abweisenden Entscheidungen der Staatsanwaltschaft Linz vom 19.7.2017, 16.8.2017 beziehungsweise 25.8.2017 in ihrem Grundrecht auf Datenlöschung verletzt worden seien.44

Das Landesgericht Linz als Erstgericht wies die Einsprüche mit der Begründung als unzulässig zurück, die behaupteten Rechtsverletzungen seien erst nach endgültiger Beendigung des Ermittlungsverfahrens erfolgt. Der gegen diesen Beschluss gerichteten Beschwerde gab das Oberlandesgericht Linz mit Beschluss vom 27.12.2017 nicht Folge. Es sprach aus, dass es sich bei den betreffenden Daten nicht um rechtswidrig erlangte Daten handle, weil diese nicht bei Lansky beziehungsweise in dessen Kanzlei sichergestellt worden seien, sondern von dritten Personen den Sicherheitsbehörden beziehungsweise der Staatsanwaltschaft unaufgefordert übermittelt worden seien. Eine Verpflichtung zur Rückgabe oder Löschung der Daten bestehe somit nicht. Betreffend vom Anwaltsgeheimnis geschützte Daten bestehe lediglich ein Beweisverwertungsverbot.45

4.3.1.4. Lansky-Daten aus Luxemburg Als das Ermittlungsverfahren gegen Lansky und andere noch von der StA Wien zu AZ 502 St 100/12f (später 6 St 60/15t) geführt wurde, ordnete diese am 14.8.2013 die

43 BMVRDJ, Beschluss des Oberlandesgerichts Linz vom 27.12.2017, S. 7; 111/KOMM XXVI. GP, 30: Aussage Schmudermayer (1); 114/KOMM XXVI. GP, 24ff, 40f : Aussage Pilnacek; 116/KOMM XXVI. GP, 18f: Aussage Jirovsky. 44 BMVRDJ, Beschluss des Oberlandesgerichts Linz vom 27.12.2017, S. 7-8; 111/KOMM XXVI. GP, 30: Aussage Schmudermayer (1); 114/KOMM XXVI. GP, 24ff, 40f : Aussage Pilnacek; 116/KOMM XXVI. GP, 18f: Aussage Jirovsky. 45 a.a.O., S. 12; 111/KOMM XXVI. GP, 30: Aussage Schmudermayer (1); 114/KOMM XXVI. GP, 24ff, 40f : Aussage Pilnacek; 116/KOMM XXVI. GP, 18f: Aussage Jirovsky.

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Durchsuchung von zwei Büroräumlichkeiten in Luxemburg an. Im Rahmen der Rechtshilfe stellte die Luxemburger Kriminalpolizei zwei Server, eine Festplatte und 129 Datenkassetten sicher.46

Lansky und weitere Betroffene erhoben gegen die Durchsuchungen und Sicherstellungen Widerspruch. Am 3.10.2013 erklärte die Ratskammer des Bezirksgerichts in Luxemburg die Widersprüche für zulässig. Aus Sicht der Ratskammer seien die Angaben in der Anordnung der StA Wien zu wenig konkretisiert gewesen, weshalb es sich um eine sogenannte „fishing expedition“ gehandelt habe. Die Ratskammer erklärte die Bewilligung der Anordnung zur Sicherstellung für nichtig und ordnete die Rückgabe aller beschlagnahmten Gegenstände an. Außerdem wurde betreffend der sichergestellten Gegenstände von der Ratskammer ein Beweisverwertungsverbot ausgesprochen.47

Am 4.10.2013 beantragte LGP eine einstweilige Verfügung zur Sicherstellung eines Eigentumsherausgabeanspruchs, wodurch er verhindern wollte, dass die sichergestellten Daten wieder an die beiden Luxemburger Adressen übermittelt werden. Aufgrund dieses Antrags ordnete das Bezirksgericht in Luxemburg die Sicherstellung des gesamten beschlagnahmten EDV-Materials an, das in der Folge im Büro der zuständigen Untersuchungsrichterin des luxemburgischen Bezirksgerichts in zwei versiegelten Metallkoffern aufbewahrt wurde. Am 18.10.2013 ordnete die StA Wien die Sicherstellung dieses EDV-Materials an und richtete ein weiteres Rechtshilfeersuchen an die luxemburgische Staatsanwaltschaft, diese Anordnung zu vollziehen.48

Lansky und andere erhoben gegen diese Sicherstellungsanordnung sowie die beiden Rechtshilfeersuchen Einspruch wegen Rechtsverletzung nach § 106 Abs 1 Z 2 StPO. Mit Beschluss vom 6.1.2014 wies das Landesgericht für Strafsachen Wien (LGSt Wien) die Einsprüche zurück. Mit Beschluss vom 14.8.2015 gab das OLG Wien den gegen den Beschluss des LGSt Wien gerichteten Beschwerden teilweise Folge und hob den Beschluss des LGSt Wien vom 6.1.2014 sowie die Anordnung zur Sicherstellung der StA Wien auf. Zudem wird der StA Wien aufgetragen, die aufgrund der Sicherstellungsanordnung sichergestellten Gegenstände an die Eigentümer herauszugeben.49

Am 3.3.2016 ordnete die StA Linz schließlich die Aufhebung der Sicherstellungsanordnung an

46 BMVRDJ, Beschluss des Oberlandesgerichts Wien vom 14.8.2014, S. 4. 47 a.a.O., S. 5-7; 111/KOMM XXVI. GP, 30: Aussage Schmudermayer (1); 114/KOMM XXVI. GP, 24ff, 40f : Aussage Pilnacek; 116/KOMM XXVI. GP, 18f: Aussage Jirovsky. 48 BMVRDJ, Beschluss des Oberlandesgerichts Wien vom 14.8.2014, S. 6-7. 49 a.a.O., S. 1-29; 111/KOMM XXVI. GP, 30: Aussage Schmudermayer (1); 114/KOMM XXVI. GP, 24ff, 40f: Aussage Pilnacek; 116/KOMM XXVI. GP, 18f: Aussage Jirovsky.

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und widerrief das Rechtshilfeersuchen nach Luxemburg. Zudem wurde die luxemburgische Justizbehörde ersucht, die Daten den berechtigten Eigentümern auszufolgen.

Wo sich die Daten aktuell befinden und ob jemals Daten auf welchem Wege auch immer nach Österreich gekommen sind, ist aus den vorliegenden Unterlagen sowie aufgrund der Befragungen nicht feststellbar. Auf offiziellem Wege konnten die in Luxemburg sichergestellten Daten jedoch nicht zu einer österreichischen Behörde oder Staatsanwaltschaft gelangen.

4.3.2. Exkurs II: Nordkoreanische Reisepassrohlinge 4.3.2.1. Sachverhalt Im Jahr 2015 wurden auf Bestellung der Demokratische Volksrepublik Korea (Nordkorea) 190.000 biometrische Reisepässe von der Österreichische Staatsdruckerei GmbH hergestellt. Der Lieferantrag wurde vom Wirtschaftsministerium, vom Außenministerium sowie vom Innenministerium kritisch beurteilt, weil Österreich durch die Lieferung der Reisepässe negative außenpolitische Konsequenzen drohen könnten.50

2016 wandte sich die südkoreanische Botschaft an das BMI und ersuchte um Übergabe von Musterexemplaren biometrischer nordkoreanischer Reisepässe. Dem BVT wurden von der Österreichischen Staatsdruckerei insgesamt 30 Muster nordkoreanischer Reispässe übergeben. Im April 2016 übergab der Leiter des Referats Nachrichtendienst, B. P. (BVT), drei Stück dieser Passmuster (ein Reisepassrohling, ein Dienstpassrohling sowie ein Diplomatenpassrohling) an den südkoreanischen Geheimdienst NIS. Die restlichen 27 Passrohlinge versperrte B. P. (BVT) in einem Stahlschrank in seinem Büro im BVT.51

4.3.2.2. Verfahren der StA Wien und Ermittlungen des BKA Die Generaldirektorin für die öffentliche Sicherheit Michaela Kardeis kam mit dem Sachverhalt zu den nordkoreanischen Reisepassrohlingen kurz nach ihrem Amtsantritt am 1.9.2017 in Kontakt. Ihr kam eine Anfrage eines „Profil“-Redakteurs vom 9.8.2017 an BVT-Direktor Peter Gridling betreffend die Vorfälle rund um das Thema der nordkoreanischen Reisepässe zu. Im Rahmen ihrer ersten Teambesprechung in ihrer neuen Rolle als Generaldirektoren für die öffentliche Sicherheit mit sämtlichen Abteilungsleitern des BMI gab Gridling auf Nachfrage von Kardeis an, dass er diese Anfrage nicht gekannt habe, weil er sich zu dieser Zeit im Urlaub befunden habe. Kardeis beauftragte Gridling und den damaligen Leiter der Abteilung II des

50 OStA Wien, Sachverhaltsdarstellung des BVT vom 8.9.2017, S. 12-15; „Profil“ vom 28.10.2017, „Innenministerium: Affäre um nordkoreanische Reisepässe“, https://www.profil.at/oesterreich/bmi- affaere-reisepaesse-8396133. 51 OStA Wien, Zusammenfassung des BKA vom 23.1.2018, S. 1-5; „Profil“ vom 28.10.2017, „Innenministerium: Affäre um nordkoreanische Reisepässe“, https://www.profil.at/oesterreich/bmi- affaere-reisepaesse-8396133.

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BVT, M. W. (BVT), mit der Prüfung der Vorwürfe und der Erstellung einer Sachverhaltsdarstellung. Innerhalb des BVT wurde der Leiter des Referats Nachrichtendienst in der Abteilung II, B. P. (BVT), beauftragt, eine Sachverhaltsdarstellung samt Zeitleiste zu erstellen, die am 8.9.2017 an Kardeis übermittelt wurde. Diese Unterlagen übergab Kardeis in der Folge an das BAK mit dem Ersuchen um rechtliche Prüfung.52

Im Rahmen der Zuständigkeitsprüfung kam das BAK zum Schluss, dass kein Amtsmissbrauchsdelikt vorliege und sah eine Zuständigkeit des BAK für nicht gegeben. Ermittlungen sind vom BAK somit nicht durchgeführt worden.53 Aufgrund der Meldung des BAK, dass es sich nicht für zuständig erachtete, schloss Kardeis das Vorliegen eines Amtsmissbrauchs aus. Da Kardeis jedoch ein Wirtschaftsdelikt nicht ausschloss, überreichte sie den Akt am 29.9.2017 an das BKA mit dem Ersuchen um strafrechtliche Beurteilung.54

Am 10.1.2018 übergab ein Vertreter des BKA im Auftrag von Kardeis eine Version des anonymen Anzeigenkonvoluts an die StA Wien und ersuchte um strafrechtliche Prüfung des Faktums „nordkoreanische Reisepässe“ und allfällige Auftragserteilung. Die StA Wien stellte fest, dass über diesen Sachverhalt bereits ein Verfahren angelegt worden war, das an die WKStA abgetreten und von dieser wieder an die StA Wien rückabgetreten worden war. Da der Akt zu diesem Zeitpunkt jedoch zur Einsicht bei der WKStA lag, nahm die zuständige Staatsanwältin der StA Wien telefonisch Kontakt mit Schmudermayer auf und ersuchte um Aktübermittlung. Außerdem wurde Schmudermayer informiert, dass von der StA Wien Ermittlungsaufträge an das BKA erteilt worden waren. Schmudermayer stimmte der von der StA Wien beantragten Aktübermittlung zu.55

Die StA Wien beauftragte im Anschluss das BKA, dort Andreas Holzer, mit Ermittlungen zur Abklärung des Anfangsverdachts gegen B. P. (BVT), den anonymen Schriftenverfasser und mögliche weitere unbekannte Täter. Am 23.1.2018 richtete Holzer eine Fragenliste an Gridling zu noch nicht geklärten Fragen im Zusammenhang mit den nordkoreanischen Reisepassrohlingen. Am 20.2.2018 gab Holzer der StA Wien bekannt, dass die Ermittlungen noch andauern würden.56

52 131/KOMM XXVI. GP, 5-7: Aussage Kardeis; OStA Wien, Aktenvermerk der StA Wien vom 10.1.2018, S. 1-2. 53 81/KOMM XXVI. GP, 37-38: Aussage Wieselthaler. 54 131/KOMM XXVI. GP, 5-7: Aussage Kardeis; OStA Wien, Aktenvermerk der StA Wien vom 10.1.2018, S. 1-2. 55 131/KOMM XXVI. GP, 6-7: Aussage Kardeis; OStA Wien, Aktenvermerk der StA Wien vom 10.1.2018, S. 1-2. 56 OStA Wien, Aktenvermerk der StA Wien vom 10.1.2018, S. 1-2.

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Schmudermayer war erst ab 6.3.2018 davon in Kenntnis, dass das BVT vom BKA betreffend die Causa nordkoreanische Reisepassrohlinge am 23.1.2018 kontaktiert worden war und somit Gridling und wohl auch weitere betroffene Personen Kenntnis davon hatten, dass in dieser Causa ermittelt wurde. Obwohl sie von der StA Wien am 10.1.2018 telefonisch darüber in Kenntnis gesetzt wurde, dass das BKA mit Ermittlungen beauftragt werde, und obwohl die sogenannte „Passaffäre“ seit November 2017 medial bekannt war57, informierte sich Schmudermayer vor der Hausdurchsuchung nicht darüber, welche Ermittlungsschritte vom BKA bereits gesetzt wurden und ob diese allenfalls neue Erkenntnisse ergeben haben. Hätte sich Schmudermayer darüber bei der StA Wien beziehungsweise beim zuständigen Sachbearbeiter im BKA informiert, wäre ihr schon einige Zeit vor der Hausdurchsuchung bekannt gewesen, dass zumindest Gridling und wohl auch weitere Mitarbeiter des BVT bereits Kenntnis von den Ermittlungen in der Causa nordkoreanische Reisepassrohlinge hatten. Dies wäre auch im Rahmen einer Google-Recherche feststellbar gewesen.58

Der von Schmudermayer als Begründung der Hausdurchsuchung angeführte Grund des drohenden Beweismittelverlustes ist somit zumindest betreffend das Faktum nordkoreanische Reisepassrohlinge in Frage zu stellen.

57 „Der Standard“ vom 27.10.2017, „Österreich übergab Südkorea nordkoreanische Pässe“, https://derstandard.at/2000066758219/Oesterreich-belieferte-Suedkorea-mit-nordkoreanischen- Reisepaessen. 58 OStA Wien, Stellungnahme zur BMI-internen Prüfung der Passaffäre vom 14.3.2018, S. 134.

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4.4. Causa BVT ab Jänner 2018 4.4.1. Kontakt Lansky – Goldgruber – Schmudermayer Am 8.1.2018 oder 9.1.2018, wobei das genaue Datum nicht mehr feststellbar ist, trat der Stadthauptmann des 1. Wiener Gemeindebezirks Josef Koppensteiner an den mit 18.12.2017 neu ernannten Generalsekretär des BMI Peter Goldgruber heran und ersuchte diesen, in die Rechtsanwaltskanzlei von Lansky zu kommen, weil Lansky ihm „etwas Wichtiges“ übergeben wolle.59

Das Treffen zwischen Goldgruber und Lansky fand kurz darauf in Lanskys Kanzleiräumlichkeiten statt. Bei diesem Treffen übergab Lansky ein 40-seitiges Konvolut inklusive einer sechsseitigen Zusammenfassung der Vorwürfe an Goldgruber. Lansky informierte Goldgruber auch darüber, dass bereits ein Ermittlungsverfahren betreffend der im Konvolut enthaltenen Verdachtslagen bei der WKStA anhängig sei. Vor diesem Treffen war Goldgruber weder die Existenz noch der Inhalt des Konvoluts bekannt. Im Anschluss an das Treffen mit Lansky informierte Goldgruber den Bundesminister für Inneres, Herbert Kickl, über den Erhalt des Konvoluts.60 Kickl selbst hatte keinen Kontakt zu Lansky.61

Am 16.1.2018 kontaktierte Lansky Schmudermayer telefonisch und teilte mit, dass Goldgruber um einen Gesprächstermin ersuche. Schmudermayer bat Lansky, ihre Telefonnummer für eine Terminvereinbarung an Goldgruber weiterzuleiten. Nach dem Telefonat mit Lansky berichtete Schmudermayer an ihre Vorgesetzten - Handler und Vrabl-Sanda - woraufhin Handler ihr mitteilte, bei einer Besprechung mit Goldgruber anwesend sein zu wollen.62

Am 18.1.2018 vereinbarte Goldgruber mit Schmudermayer telefonisch einen Termin für den 19.1.2018. Er sagte ihr nicht, worüber er mit ihr sprechen wolle. Am 19.1.2018 von circa 11:00 bis 12:30 Uhr fand die Besprechung zwischen Schmudermayer, Handler und Goldgruber in den Räumen der WKStA statt. Zu Beginn des Gesprächs legte Goldgruber das Konvolut, das er von Lansky erhalten hatte, vor und teilte mit, dass „er möchte, dass die Vorwürfe da drinnen verfolgt werden“.63 Schmudermayer blätterte das Konvolut noch während der Besprechung durch. Sie stellte dabei fest, dass dieses im Vergleich zu den bereits aktenkundigen Vorwürfen keine neuen Sachverhalte enthielt, teilte ihm diesen Umstand jedoch nicht mit.64

59 126/KOMM XXVI. GP, 5, 41: Aussage Goldgruber (1); OStA Wien, Informationsbericht Nr. 2 der WKStA, S. 1. 60 126/KOMM XXVI. GP, 4, 9, 37: Aussage Goldgruber (1); 130/KOMM XXVI. GP, 4: Aussage Kickl; OStA Wien, Tagebuch der WKStA zu 6 St 2/18f, Informationsbericht Nr. 2 vom 9.3.2018, S. 1. 61 130/KOMM XXVI. GP, 15f: Aussage Kickl. 62 111/KOMM XXVI. GP, 30: Aussage Schmudermayer (1). 63 111/KOMM XXVI. GP, 6: Aussage Schmudermayer (1). 64 OStA Wien, Tagebuch der WKStA zu 6 St 2/18f, S. 26; 111/KOMM XXVI. GP, 14: Aussage Schmudermayer (1).

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Während dieser Besprechung nahmen Schmudermayer und Handler Goldgruber trotz seiner Funktion als Generalsekretär des BMI als Anzeiger nach § 78 StPO wahr. Hingegen nahm sich Goldgruber seiner Aussage zufolge nicht als Anzeiger wahr. Vielmehr gab er an, es habe einer „wirtschaftlichen, zweckmäßigen und sparsamen Verwaltungsführung“ entsprochen, in seiner Funktion als oberster Beamter des BMI persönlich zur WKStA zu gehen und mit der zuständigen Staatsanwältin zu sprechen. Auffällig dabei ist, dass er weder über das Telefonat am 18.1.2018 noch über die Besprechung am 19.1.2018 Aktenvermerke anlegte, obwohl er in seiner amtlichen Funktion tätig geworden war.65

Innerhalb dieser Besprechung gab Goldgruber gegenüber Schmudermayer und Handler an, dass er von Kickl den Auftrag erhalten habe im BMI aufzuräumen. Dies bestritt Goldgruber zwar in seiner Aussage vor dem Untersuchungsausschuss am 6.11.2018, allerdings hielt Schmudermayer in einem unmittelbar nach der Besprechung angelegten Aktenvermerk in ihrem staatsanwaltschaftlichen Tagebuch Folgendes fest:

„Goldgruber: Er habe vom Minister den Auftrag, das BMI aufzuräumen.“66

Den nächsten Satz des Aktenvermerks bestritt er sinngemäß nicht:

„Er ist der Meinung, das BMI ist derzeit so korrupt wie noch nie, und die Hauptprotagonisten der kriminellen Organisation im BMI hätten es verstanden, die internen Strukturen so zu gestalten, dass sich die Macht in den Händen einiger weniger konzentriere.“67

Es gibt keinen Grund an der unmittelbaren Wahrnehmung von Schmudermayer am 19.1.2018 zu zweifeln, zumal kein vernünftiger Grund ersichtlich ist, dass sie diese Aussage erfinden hätte sollen. In ihrer Befragung vor dem Untersuchungsausschuss konnte sich Schmudermayer aufgrund der verstrichenen Zeit nicht mehr an den exakten, von Goldgruber verwendeten Wortlaut erinnern, konnte aber bestätigen, dass die Aussage inhaltlich so gefallen war.68 Die Detailliertheit des Aktenvermerks sowie die bereits erwähnte zeitliche Nähe sprechen zudem eindeutig dafür, dass Goldgruber diese Aussage am 19.1.2018 zur Gänze wie im Aktenvermerk dokumentiert traf.

Ein weiteres Thema der Besprechung am 19.1.2018 war die Problematik, welche Ermittlungsbehörde innerhalb des BMI herangezogen werden könne, weil sowohl das BAK,

65 126/KOMM XXVI. GP, 10: Aussage Goldgruber (1). 66 OStA Wien, Tagebuch der WKStA zu 6 St 2/18f, S. 26; 126/KOMM XXVI. GP, 11f: Aussage Goldgruber (1). 67 OStA Wien, Tagebuch der WKStA zu 6 St 2/18f, S. 26; 126/KOMM XXVI. GP, 11f: Aussage Goldgruber (1). 68 133/KOMM XXVI. GP, 20: Aussage Schmudermayer (3).

www.parlament.gv.at 695 der Beilagen XXVI. GP - Ausschussbericht NR - Berichterstattung 53 von 298 49 als auch das BVT und der Leiter des LKA Wien im Konvolut erwähnt seien. Daher gingen die Besprechungsteilnehmer zumindest von einer Anscheinsbefangenheit der erwähnten Behörden aus. Auch die Einrichtung einer Sonderkommission wurde von Goldgruber thematisiert.69

Am Ende der Besprechung wurde vereinbart, den Kontakt aufrechtzuerhalten. Die Kommunikation sollte jedoch nur per Festnetz erfolgen, weil Schmudermayer das Bekanntwerden des Verfahrens befürchtete und Goldgruber Bedenken hinsichtlich der möglichen Kontrolle von E-Mails durch das BMI oder das BVT äußerte.70

Diese Vereinbarung deutet darauf hin, dass Schmudermayer und Handler Goldgruber wohl nicht – wie von ihnen im Untersuchungsausschuss mehrfach behauptet – nur als Anzeiger, sondern auch in seiner Funktion als Generalsekretär wahrnahmen, da sonst die Aufrechterhaltung des Kontakts nicht nachvollziehbar wäre. Unter diesen Umständen sind ihre Aussagen, sie hätten Goldgruber lediglich als Anzeiger wahrgenommen, als Schutzbehauptungen zu werten.

4.4.2. Kenntnisstand von Bundesminister Kickl Herbert Kickl hat eine Version des Konvoluts im Spätsommer 2017 erhalten. In seiner Befragung vor dem Untersuchungsausschuss war es Kickl nicht mehr erinnerlich, von wem er dieses Konvolut erhalten hat. Kickl nahm an, dass ihm das Konvolut aufgrund seiner damaligen Funktion als Wahlkampfleiter der FPÖ zugespielt worden sei. Nach Durchsicht des Konvoluts sei er sehr schnell zum Ergebnis gekommen, dass das Konvolut zu diesem Zeitpunkt schon weite Kreise gezogen hat. Er habe also keine weiteren Veranlassungen getroffen.71

In seiner Funktion als Bundesminister für Inneres wurde Kickl das Konvolut erstmals nach dem Treffen zwischen Goldgruber und Lansky im Jänner 2018 vorgelegt. Goldgruber informierte Kickl auch darüber, dass er sich mit Lansky in dessen Kanzleiräumlichkeiten getroffen habe und das Konvolut von Lansky übergeben worden sei. Kickl gab Goldgruber daraufhin den Auftrag, sich das Konvolut anzusehen, dieses zu beurteilen und die von ihm für notwendig erachteten Schritte einzuleiten.72

69 OStA Wien, Tagebuch der WKStA zu 6 St 2/18f, S. 26. 70 111/KOMM XXVI. GP, 17,18: Aussage Schmudermayer (1); OStA Wien, Tagebuch der WKStA zu 6 St 2/18f, S. 27. 71 130/KOMM XXVI. GP, 3f: Aussage Kickl. 72 130/KOMM XXVI. GP, 3f, 16: Aussage Kickl.

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Kickl hat das Konvolut erstmals im Sommer 2017 gelesen und war somit bereits ab diesem Zeitpunkt in Kenntnis sämtlicher darin enthalten Vorwürfe gegen Mitarbeiter und Funktionäre des BMI beziehungsweise des BVT. Die Tatsache, dass Kickl zu diesem Zeitpunkt noch nicht Bundesministers für Inneres war ändert an der Kenntnis der Vorwürfe nichts.

In seiner Befragung vor dem Untersuchungsausschuss gab Kickl Folgendes zu Protokoll:

„Man kann ja nicht so tun, als ob man jetzt als Minister oder als Vorgesetzter keine Information über Vorwürfe gegen Mitarbeiter im eigenen Haus hat.“73

Nachweislich hatte Kickl bei Amtsantritt am 18.12.2017 Kenntnis von sämtlichen im Konvolut enthaltenen Vorwürfen. Ob eine Information einer Person in Ausübung ihres Amtes bekannt wird oder ob sie diese auf andere Weise erfahren hat, ist für die Frage, ob die Person Kenntnis von Sachverhalten hat, irrelevant. Festzuhalten ist, dass Kickl im Jänner 2018 Veranlassungen getroffen hat.

4.4.3. Weitere Ermittlungen In der Zeit von 19.1.2018 bis 20.2.2018 beschränkten sich die Ermittlungen der WKStA auf die Ausforschung des Verfassers des anonymen Konvoluts.

Schmudermayer war bekannt, dass der unbekannte Anzeiger die Anzeigen vermutlich über ein Mobiltelefon in Salzburg per E-Mail übermittelt hatte. Zudem wusste sie, dass die verwendete IP-Adresse dem Mobilfunkbetreiber T-Mobile zuzuordnen war.74

Als nächsten Ermittlungsschritt plante Schmudermayer, eine Anordnung an T-Mobile zu richten, mit der die Bekanntgabe des Nutzers dieser IP-Adresse angeordnet werden sollte. Diese Anordnung konnte gemäß § 76a StPO jedoch ausschließlich von einer Polizeibehörde in das Anfragesystem eingespeist werden.75 Aufgrund dieser Erkenntnis kontaktierte Schmudermayer einen ihr als vertrauenswürdig erscheinenden Ermittler des BAK. Dieser sicherte zu, die Anfrage zu übernehmen. Der Ermittler erklärte ihr in weiterer Folge, dass die Anordnung in ein im BMI eingerichtetes System eingespeist werden müsse und somit eine Aktenzahl bekommen würde. Schmudermayer entschied sich daraufhin gegen diese Vorgehensweise, weshalb sich das Erlassen der Anordnung zu diesem Zeitpunkt für sie erübrigte.76

73 130/KOMM XXVI. GP, 16: Aussage Kickl. 74 133/KOMM XXVI. GP, 37-39: Aussage Schmudermayer (3); OStA Wien, Staatsanwaltschaftliches Tagebuch Causa BVT, S. 29-30. 75 OStA Wien, Tagebuch der WKStA zu 6 St 2/18f, S. 29-30; 81/KOMM XXVI. GP, 24: Aussage Wieselthaler; 133/KOMM XXVI. GP, 37-39: Aussage Schmudermayer (3) 76 133/KOMM XXVI. GP, 37-39: Aussage Schmudermayer (3); OStA Wien, Tagebuch der WKStA zu 6 St 2/18f, S. 29-30.

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4.4.4. Kontakte des BMI mit den späteren Zeugen Vor der Hausdurchsuchung am 28.2.2018 wurden von der WKStA vier Personen als Zeugen einvernommen. Diese wurden in den Medien allgemein als Belastungszeugen bezeichnet. Dabei handelte es sich um R. P. (BVT) (ehemalige Mitarbeiterin BVT), A. H. (BVT) (Mitarbeiter BVT), M. W. (BVT) (ehemaliger Mitarbeiter BVT) und C. M. (BVT) (Mitarbeiter BVT). Jeder der vier Zeugen hatte vor der jeweiligen Einvernahme Kontakte mit Vertretern des BMI. Bei den Vertretern des BMI handelte es sich um den Bundesminister für Inneres Herbert Kickl, seinen Generalsekretär Peter Goldgruber, und einen Mitarbeiter des Kabinetts beziehungsweise des Generalsekretariats des BMI Udo Lett.

Eine nähere Differenzierung zwischen der Rolle des Generalsekretariats des BMI einerseits und des Kabinetts des BMI andererseits hinsichtlich dieser Vorgänge kann nicht vorgenommen werden, zumal das Amt des Generalsekretärs erst mit 1.1.2018 eingeführt sowie dessen Büro (das Generalsekretariat) erst danach eingerichtet und erst viele Monate später organisatorisch aus dem Kabinett herausgelöst wurde. Zum Zeitpunkt der Hausdurchsuchung bestand noch eine organisatorische Vermischung. Das Generalsekretariat hatte sich zu diesem Zeitpunkt als eigene organisatorische Einheit noch nicht aus dem Kabinett herausgelöst. Dieser Prozess der Herauslösung war erst im April 2018 abgeschlossen.77

Die Kontakte der späteren Zeugen mit den genannten Vertretern des BMI werden im Folgenden in chronologischer Reihenfolge dargestellt:

4.4.4.1. A. H. (BVT) A. H. (BVT) arbeitete seit 2016 im BVT. Er gehörte der von M. W. (BVT) geleiteten Abteilung II an und war dort für die mobile Datenforensik zuständig. Kurz nach der Hausdurchsuchung vom 28.2.2018 wurde A. H. (BVT) der Direktion für Sondereinheiten in Wiener Neustadt dienstzugeteilt.78

A. H. (BVT) und Lett kennen einander seit mehreren Jahren von ihrer gemeinsamen Tätigkeit bei der Polizei in 1020 Wien persönlich. Seither pflegten sie einen regelmäßigen privaten Kontakt. 79

77 126/KOMM XXVI. GP, 21, 62: Aussage Goldgruber (1); 130/KOMM XXVI. GP, 13f: Aussage Kickl; Anfragebeantwortung 1246/AB vom 3.9.2018, S. 3. 78 124/KOMM XXVI. GP, 4, 7: Aussage A. H. (BVT). 79 a.a.O., S. 4, 19.

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Im Jänner 2018 nahm A. H. (BVT) telefonisch Kontakt mit dem Kabinett des BMI auf und ersuchte um einen Gesprächstermin. A. H. (BVT) wurde von Lett am 31.1.2018 und ein weiteres Mal am 12.2.2018 zu das BVT betreffenden Themen angehört.80

Zwar stritt A. H. (BVT) in seiner Befragung durch den Untersuchungsausschuss in der 13. Sitzung am 17.10.2018 ab, am 31.1.2018 oder am 12.2.2018 Gespräche mit Lett geführt zu haben. Aufgrund seiner widersprüchlichen Angaben und zahlreicher unerklärlicher Erinnerungslücken erscheinen seine Ausführungen im Lichte der übrigen Beweisergebnisse nicht glaubwürdig. Vielmehr ist der diesbezüglich in sich schlüssigen und nachvollziehbaren Aussage von Lett vor dem Untersuchungsausschuss sowie den mit dieser übereinstimmenden Angaben des BMI in der Anfragebeantwortung zu 782/AB zu folgen, aus denen die genannten Kontakte zweifelsfrei hervorgehen.81

Auf Vorhalt der genannten Anfragebeantwortung gab A. H. (BVT) an:

„Also ich muss ganz ehrlich sagen, das kann sich nur um ein Missverständnis handeln. Mehr kann ich dazu nicht sagen.“82

Zumal er sagte, sich nicht erinnern zu können, wurde mehrmals nachgefragt, ob es nicht doch zu einem Treffen gekommen war. Trotz Vorhalt der Anfragebeantwortung und dieser Nachfragen blieb A. H. (BVT) dabei, dass es kein Treffen gegeben habe.

Inhaltlich ging es in beiden Gesprächen um die persönliche Arbeitssituation von A. H. (BVT), mit der er nach dem Eindruck von Lett sehr unzufrieden gewesen ist. A. H. (BVT) berichtete Lett von diversen Formen des Mobbings und der Diskriminierung seiner Person im BVT. Er fühlte sich in vielen Bereichen benachteiligt. Inhaltlich ging es dabei unter anderem um angebliche Probleme betreffend Überstunden, Fortbildungen, Dienstsysteme und Dienstzeiten. Nach den beiden Gesprächen konnte Lett in den Ausführungen von A. H. (BVT) keine Vorhalte mit strafrechtlicher Relevanz erkennen. Vielmehr hatte er den Eindruck, dass sein langjähriger Kollege das Bedürfnis hatte, seinem Ärger an höherer Stelle Ausdruck zu verleihen.83

4.4.4.2. M. W. (BVT) M. W. (BVT) war seit seiner Ernennung mit Wirksamkeit vom 1.10.201384 bis August 2017

80 a.a.O., S. 20-23; 127/KOMM XXVI. GP, 6: Aussage Lett. 81 a.a.O., S. 20-23; 127/KOMM XXVI. GP, 6: Aussage Lett. 82 124/KOMM XXVI. GP, 14: Aussage A. H. (BVT). 83 a.a.O., S. 6-8, 19-20, 26. 84 BMI, Akt des BMI zur Bestellung von M. W. (BVT) als Leiter der Abteilung II/BVT/2, S. 1-5.

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Leiter der Abteilung II im BVT. Aufgrund eines Unfalls befand sich M. W. (BVT) ab August 2016 für über ein Jahr im Krankenstand. Nach Ende des Krankenstands konsumierte M. W. (BVT) seinen Resturlaub, bis er am 31.3.2018 auf seinen eigenen Wunsch hin unter Entfall der Bezüge für fünf Jahre karenziert wurde. Seither ist M. W. (BVT) als Unternehmer in der Privatwirtschaft tätig.85

Anfang Dezember 2017 fand ein Treffen zwischen M. W. (BVT) und der Generaldirektorin für die öffentliche Sicherheit Michaela Kardeis statt, bei dem M. W. (BVT) seinen Wunsch nach einer Karenzierung äußerte. Kardeis teilte ihm einige Tage später mit, dass eine Karenzierung möglich sei. M. W. (BVT) stellte daraufhin, somit bereits Mitte Dezember 2017, einen Antrag auf Karenzierung.86

Im Zeitraum zwischen Dezember 2017 und Jänner 2018 führte M. W. (BVT) mit A. H. (BVT) zwei bis drei Telefonate. Der Inhalt dieser Telefonate ist aufgrund widersprüchlicher und unvollständiger Angaben von M. W. (BVT), der sich an die Telefonate offenbar nicht erinnern wollte, nicht feststellbar.87

Am 2.2.2018 fand ein Treffen zwischen M. W. (BVT) und Lett im BMI statt. M. W. (BVT) und Lett kannten einander bereits vor dieser Besprechung aufgrund beruflich bedingter Treffen. Ein persönliches Naheverhältnis bestand zwischen ihnen nicht.88

In der Anfragebeantwortung des BMI vom 7.7.2018 wird ausgeführt, dass A. H. (BVT) beim Gespräch mit Lett am 31.1.2018 das Ersuchen von M. W. (BVT) um einen Gesprächstermin an Lett übermittelt habe. Das Ersuchen von M. W. (BVT) habe A. H. (BVT) bei einer neuerlichen Kontaktaufnahme am 1.2.2018 wiederholt. Aufgrund des zweimaligen Ersuchens von A. H. (BVT) habe Lett mit M. W. (BVT) am 1.2.2018 einen Gesprächstermin für den 2.2.2018 vereinbart. 89 In seiner Befragung durch den Untersuchungsausschuss bestritt A. H. (BVT), dass er den Kontakt zwischen M. W. (BVT) und Lett hergestellt hat.90

M. W. (BVT) gab in seiner Befragung durch den Untersuchungsausschuss an, er habe mit A. H. (BVT) im Zeitraum vor der Hausdurchsuchung vom 28.2.2018 keinen Kontakt gehabt. Er habe auch keine Wahrnehmungen dazu, dass sein Ersuchen um einen Gesprächstermin von

85 121/KOMM XXVI. GP, 5: Aussage M. W. (BVT) (1). 86 a.a.O., S. 33-34. 87 a.a.O., S. 19, 29. 88 127/KOMM XXVI. GP, 6: Aussage Lett; 121/KOMM XXVI. GP, 14, 17-20: Aussage M. W. (BVT) (1). 89 Anfragebeantwortung des BMI an den Nationalrat zu 782/AB vom 9.7.2018 zu 780/J (XXVI.GP), S. 3. 90 124/KOMM XXVI. GP, 34-35: Aussage A. H. (BVT).

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A. H. (BVT) an Lett herangetragen worden sei. Vielmehr habe M. W. (BVT) Ende Jänner 2018 telefonisch Kontakt mit dem Kabinett des BMI aufgenommen und um einen Termin betreffend seine Karenzierung ersucht. Dabei sei ihm Lett genannt worden, der mit ihm einen Besprechungstermin für den 2.2.2018 vereinbart habe.91

Aufgrund der sich widersprechenden Angaben der Auskunftspersonen M. W. (BVT) und A. H. (BVT), die ihrerseits jeweils den Angaben in der Anfragebeantwortung vom 7.7.2018 widersprechen, kann nicht festgestellt werden, wie es zur ersten Besprechung zwischen M. W. (BVT) und Lett im BMI gekommen ist.

M. W. (BVT) und Lett unterhielten sich in dieser Besprechung, die eineinhalb Stunden dauerte, über die von M. W. (BVT) bereits im Dezember 2017 beantragte Karenzierung sowie über diverse das BVT betreffende Fragestellungen. Am Ende des Gesprächs sprach Lett M. W. (BVT) auf das Konvolut an und fragte ihn, ob er dieses verfasst habe, was er verneinte. Die weiteren Inhalte des Gesprächs sind aufgrund der mangelnden Auskunftsbereitschaft von M. W. (BVT) nicht feststellbar. Es ist nicht glaubwürdig, dass sich Lett und M. W. (BVT) – wie von M. W. (BVT) in seiner Befragung behauptet – eineinhalb Stunden lang lediglich über die von Kardeis bereits genehmigte Karenzierung und deren Ursachen unterhielten.92 Darüber hinaus räumte Lett in seiner Befragung ein, dass es neben der Karenzierung auch um Themen rund um das BVT und das LVT gegangen sei.93

Am 9.2.2018 fand ein weiteres ausführliches Gespräch in einem Gasthaus am Stadtrand von Wien statt, bei dem neben M. W. (BVT) und Lett auch Goldgruber anwesend war. Inhalt dieser Besprechung waren die Karenzierung von M. W. (BVT) sowie ausgewählte Themen des anonymen Anzeigenkonvoluts. Goldgruber wollte in diesem Gespräch von M. W. (BVT) wissen, ob er der Verfasser des anonymen Konvoluts sei. M. W. (BVT) verneinte dies. Am Ende des Treffens nach einer Dauer von über zweieinhalb Stunden teilte Goldgruber M. W. (BVT) mit, dass er bei der WKStA als Zeuge aussagen werde müssen.94

4.4.4.3. R. P. (BVT) R. P. (BVT) war in der Zeit von September 2015 bis September 2017 im BVT anfangs als Praktikantin und später als Analytikerin in der Asien-Gruppe in der Abteilung II

91 121/KOMM XXVI. GP, 14: Aussage M. W. (BVT) (1). 92 121/KOMM XXVI. GP, 20-21: Aussage M. W. (BVT) (1); Anfragebeantwortung des BMI an den Nationalrat zu 782/AB vom 9.7.2018 zu 780/J (XXVI.GP), S. 3. 93 127/KOMM XXVI. GP, 6: Aussage Lett. 94 121/KOMM XXVI. GP, 20-21: Aussage M. W. (BVT) (1); 126/KOMM XXVI. GP, 28: Aussage Goldgruber (1).

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„Nachrichtendienst und Proliferation“ tätig. Ihre direkten Vorgesetzten in diesem Zeitraum waren B. P. (BVT) als Referatsleiter und M. W. (BVT) als Leiter der Abteilung II. Mit 1.9.2017 wurde R. P. (BVT) auf ihren eigenen Wunsch für fünf Jahre karenziert.95

Im Jänner 2018 fand ein Treffen zwischen R. P. (BVT) und A. H. (BVT) im Café Schwarzenberg in Wien statt, bei dem R. P. (BVT) ihren Wunsch kundtat, mit „einem Minister“ über von ihr wahrgenommene Missstände im BVT sprechen zu wollen. Das genaue Datum des Treffens ist aufgrund von Erinnerungslücken der betreffenden Auskunftspersonen nicht mehr feststellbar. R. P. (BVT) und A. H. (BVT) kannten einander lediglich aufgrund ihrer beruflichen Tätigkeit. Ein darüberhinausgehender persönlicher Kontakt bestand nicht. Mangels eines persönlichen Naheverhältnisses ist nicht nachvollziehbar, wie und weshalb dieses Treffen zustande kam. Weil sich R. P. (BVT) beim Minister persönlich beschweren wollte, bot A. H. (BVT) ihr an, den Kontakt zu einem ihm persönlich bekannten Mitarbeiter des Kabinetts des BMI herzustellen. Nach dem Treffen rief A. H. (BVT) Lett an und erklärte diesem, dass R. P. (BVT) über im BVT bestehenden Missstände sprechen wolle, und ersuchte ihn, diese zu kontaktieren.96

Daraufhin rief Lett R. P. (BVT) am 13.2.2018 an. Bei diesem Telefonat ersuchte R. P. (BVT) um ein persönliches Gespräch, das am 16.2.2018 in einem Kaffeehaus in Wien stattfand. Inhalt des Gesprächs waren die von R. P. (BVT) während ihrer Tätigkeit im BVT wahrgenommenen Missstände. Zudem äußerte R. P. (BVT) den Wunsch, mit Innenminister Kickl persönlich zu sprechen. Am 20.2.2018, dem Tag vor der Einvernahme von R. P. (BVT) durch die WKStA, fand ein Gespräch zwischen R. P. (BVT), Kickl, Goldgruber und Lett in den Büroräumlichkeiten der FPÖ in der Reichratsstraße 7, 1010 Wien statt. Thema der Besprechung war unter anderem angebliches Mobbing sowie die nordkoreanischen Reisepassrohlinge. Kickl kannte die von R. P. (BVT) geäußerten Vorwürfe bereits aus dem ihm seit September 2017 bekannten Konvolut. Nach ungefähr zehn Minuten verließ Kickl die Besprechung, die ohne seine Anwesenheit weitergeführt wurde.97

4.4.4.4. C. M. (BVT) C. M. (BVT) ist Referatsleiter der Abteilung für Informationsauswertung und operative Analyse im BVT. Zum Zeitpunkt der Hausdurchsuchung war er aufgrund der Abwesenheit von

95 120/KOMM XXVI. GP, 34-35: Aussage R. P. (BVT) (1); OStA Wien, Zeugenvernehmung R. P. (BVT) vom 21.2.2018 vor der WKStA zu 6 St 2/18f, S. 214. 96 120/KOMM XXVI. GP, 23-25, 37, 43: Aussage R. P. (BVT) (1); 124/KOMM XXVI. GP, 5: Aussage A. H. (BVT). 97 120/KOMM XXVI. GP, 26: Aussage R. P. (BVT) (1); 127/KOMM XXVI. GP, 8-9: Aussage Lett; 130/KOMM XXVI. GP, 5: Aussage Kickl.

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M. W. (BVT) interimistischer Leiter der Abteilung II. Mit M. W. (BVT) pflegte C. M. (BVT) aufgrund ihrer langjährigen gemeinsamen beruflichen Tätigkeit ein freundschaftliches Verhältnis.98

C. M. (BVT) gab an, er habe sich vor seiner Einvernahme mit keinem Vertreter des BMI zu einer Vorabbesprechung getroffen.99 Auffällig ist jedoch, dass unmittelbar davor ein Gespräch mit Lett stattfand.100

4.4.4.5. Fazit Vertreter des BMI, insbesondere Lett, Goldgruber und in einem Fall auch Kickl, führten mit drei von vier Zeugen im Vorfeld der Einvernahmen durch die WKStA inhaltliche Gespräche. Kickl wurde über die Gespräche in Kenntnis gesetzt.101

Diese Vorbesprechungen zeugen von einem erheblichen Interesse des Kabinetts beziehungsweise des Generalsekretariats des BMI an der Bereitstellung von möglichen Zeugen für das Ermittlungsverfahren der WKStA.

Es ist aufgrund der Aussagen der Auskunftspersonen nicht davon auszugehen, dass die vier Zeugen vom Kabinett beziehungsweise vom Generalsekretariat des BMI unter Druck gesetzt worden sind. Demgegenüber konnte nicht restlos geklärt werden, was der genaue Inhalt jener Gespräche war, die Lett, Goldgruber und Kickl mit den drei späteren Belastungszeugen vor deren Einvernahme durch die WKStA führten.

Nicht hinwegzusehen ist über die Tatsache, dass zahlreiche Widersprüche zwischen den Aussagen im Untersuchungsausschuss und den Angaben in den Anfragebeantwortungen bestehen. Es gibt auch eine Vielzahl an Widersprüchen zwischen den Aussagen einzelner Auskunftspersonen. Besonders auffällig ist zudem die Häufigkeit von Erinnerungslücken zu Vorgängen, die nicht länger als sieben bis acht Monate zurücklagen.

4.5. Die Planungsphase – Vorbereitung der Hausdurchsuchungen 4.5.1. Chronologischer Überblick Datum Vorgänge 20.2.2018 Anruf von Goldgruber bei Schmudermayer – nunmehr sei „eine Akademikerin“ bereit, auszusagen

98 125/KOMM XXVI. GP, 3: Aussage C. M. (BVT) (1). 99 125/KOMM XXVI. GP, 9-10: Aussage C. M. (BVT) (1). 100 Vgl 4.5.4.1. 101 126/KOMM XXVI. GP, 7: Aussage Goldgruber (1).

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Anruf von Lett bei Schmudermayer – er werde als Vertrauensperson gemeinsam mit der Zeugin zur Vernehmung erscheinen 21.2.2018 Vernehmung der Zeugin R. P. (BVT) (ON 30) in Anwesenheit von Lett als Vertrauensperson auf Wunsch der Zeugin 22.2.2018 Vernehmung des Zeugen M. W. (BVT) in Anwesenheit von Lett als Vertrauensperson 23.2.2018 Dienstbesprechung zwischen Schmudermayer und Handler Ergebnis: Sicherstellungen sind notwendig, aber der Tatverdacht ist noch nicht ausreichend. 23.2.2018 Vernehmung des Zeugen A. H. (BVT) (ON 32) ohne Anwesenheit von Lett, der jedoch den telefonischen Kontakt herstellte. Besprechung mit dem IT-kundigen Zeugen und dem IT-Experten der WKStA zum Zweck der Erlangung von Informationen betreffend die IT- Ausstattung des BVT. Der Zeuge teilt mit, dass damit zu rechnen sei, dass Fernlöschungsmechanismen installiert seien. 26.2.2018 Vernehmung des Zeugen C. M. (BVT) (ON 33) ohne Anwesenheit von Lett 27.2.2018 Ansichziehung der Tatverdachtslagen, die nicht in die Eigenzuständigkeit der WKStA fallen, nach § 20b Abs 3 StPO durch die Leiterin der WKStA Anordnung der Hausdurchsuchungen, deren Erstellung den gesamten Nachmittag sowie Abend in Anspruch nahm Vorbesprechung in der WKStA mit Goldgruber, Lett und Preiszler seitens des BMI sowie Handler, Purkart, Schmudermayer sowie dem IT- Experten Nikola Knezevic von der WKStA EGS-interne Einsatzbesprechung am Sitz der EGS Bewilligung der Anordnungen durch den Journalrichter des Landesgerichts für Strafsachen Wien

4.5.2. Vorbemerkung Zwischen der Vernehmung der ersten Zeugin am 21.2.2018 (sie war von Goldgruber am 20.2.2018 angekündigt worden) und der Durchführung der Hausdurchsuchungen am 28.2.2018 verging lediglich eine Woche. Im Gegensatz zu dieser intensiven Phase des Ermittlungsverfahrens waren davor – bis zum Einschreiten Goldgrubers – äußerst wenige, dünn gesäte Ermittlungsschritte gesetzt worden. Aufgrund dieses Intensitätsunterschieds ist der „Planungsphase“ zwischen 20.2. und 27.2.2018 ein eigenes Unterkapitel gewidmet.

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4.5.3. Rechtliche Rahmenbedingungen 4.5.3.1. Vorgaben der StPO Nach § 2 Abs 1 StPO sind Kriminalpolizei und Staatsanwaltschaft im Rahmen ihrer Aufgaben verpflichtet, jeden ihnen zur Kenntnis gelangten Verdacht einer Straftat, die nicht bloß auf Verlangen einer hiezu berechtigten Person zu verfolgen ist, in einem Ermittlungsverfahren von Amts wegen aufzuklären. Hinreichende Anhaltspunkte für eine Straftat führen daher zur unbedingten Pflicht der Staatsanwaltschaft, nach den Bestimmungen der StPO tätig zu werden. Das Ermittlungsverfahren dient dazu, den Sachverhalt und den Tatverdacht durch Ermittlungen so weit zu klären, dass die Staatsanwaltschaft über Anklage, Rücktritt von der Verfolgung oder Einstellung des Verfahrens entscheiden kann (§ 91 Abs 1 StPO).102

Nach § 119 Abs 1 StPO ist die Durchsuchung von Orten im Sinne des § 117 Abs 2 lit b StPO – weitläufig auch Hausdurchsuchung genannt – zulässig, wenn aufgrund bestimmter, also konkreter Tatsachen anzunehmen ist, dass sich dort Gegenstände oder Spuren befinden, die sicherzustellen oder auszuwerten sind. Sicherzustellen sind Gegenstände mitunter aus Beweisgründen (§ 110 Abs 1 Z 1 StPO). Das Gesetz sieht vor, dass der Staatsanwalt aufgrund bestimmter Tatsachen inhaltlich begründen muss, dass sich an der Örtlichkeit entweder eine Person verbirgt, die einer Straftat verdächtig ist, oder sich dort Gegenstände oder Spuren befinden, die sicherzustellen oder auszuwerten sind (§ 119 Abs 1 StPO). Es muss also ein Sachverhaltsbezug zur vermuteten Tat bestehen. Formell gesehen bedarf eine Hausdurchsuchung der gerichtlichen Bewilligung. In der Regel erfolgt diese durch den Haft- und Rechtsschutzrichter (HR-Richter), in besonders dringenden Fällen auch durch den Journalrichter. Für die Hausdurchsuchung braucht es keinen dringenden Tatverdacht, sondern es ist vielmehr bereits eine einfache Verdachtslage ausreichend. Selbst das Bestehen eines bloßen Anfangsverdachts genügt, wenn dessen Begründung nachvollziehbar ist. Sogar eine anonyme Anzeige vermag die Grundlage für eine Hausdurchsuchung abzugeben. Nicht zulässig sind jedoch Durchsuchungen auf gut Glück oder erst zur Gewinnung von Verdachtsgründen.103

Die Anordnung einer Hausdurchsuchung ist ein Zwangsmittel, das in die Grundrechte der Beschuldigten und anderen Betroffenen eingreift. Daher muss die Anordnung auch verhältnismäßig sein, das heißt die Ermittlungsmaßnahme muss zum konkreten Tatverdacht in einem angemessenen Verhältnis stehen (§ 5 StPO). Bei der Verhältnismäßigkeitsprüfung ist eine Interessenabwägung vorzunehmen: Die Zwangsmaßnahme muss erforderlich und tauglich sein, um die Aufgabe zu erfüllen. Das Verhältnis zum Grad der Straftat muss

102 Paulitsch in: Paulitsch (Hrsg.), Praxishandbuch Hausdurchsuchung, Linde Verlag, 2018, S. 4. 103 a.a.O., S. 4f (mwN).

www.parlament.gv.at 695 der Beilagen XXVI. GP - Ausschussbericht NR - Berichterstattung 63 von 298 59 angemessen sein, und es muss sich um das gelindeste Mittel handeln, falls mehrere Möglichkeiten zur Verfügung stehen.104

Während der Hausdurchsuchung können sich Beschuldigte und Betroffene nicht gegen die Zwangsmaßnahme wehren. Im Nachhinein haben sie jedoch die Möglichkeit, gegen die gerichtliche Bewilligung, die formal einen Beschluss darstellt, das Rechtsmittel der Beschwerde an das übergeordnete Gericht einzulegen.

Sicherstellungen im staatlichen Bereich stellen einen Sonderfall dar, weil sie grundsätzlich nicht mittels Hausdurchsuchung, sondern im Wege der Amtshilfe erfolgen können. In der gesamten staatlichen Verwaltung ist das hierarchische Weisungsprinzip verfassungsgesetzlich festgelegt. Bei Erforderlichkeit einer strafprozessualen Sicherstellung von Gegenständen, Unterlagen und Daten (gemäß § 110 StPO) kann die Amtshilfe beziehungsweise die Weisung als weniger eingriffsintensives Instrument im Sinne des § 5 Abs 1 und 2 StPO geboten sein und dazu dienen, in den Gewahrsam der sicherzustellenden Gegenstände zu kommen. Amtshilfe verpflichtet nämlich staatliche Behörden (im Sinne des § 76 Abs 1 StPO) zur Kooperation. Durch die festgelegten obersten Verantwortlichkeiten und Weisungsbefugnisse besteht eine zusätzliche niederschwellige Möglichkeit beziehungsweise Verpflichtung für die Kriminalpolizei, auf das Instrument der Amtshilfe zurückzugreifen. Damit existiert aber auch generell eine Herausgabeverpflichtung für Gegenstände, Unterlagen und Daten staatlicher Behörden.105

4.5.3.2. Berichtspflichten zum Zeitpunkt des 28.2.2018 Die Berichtspflichten der Staatsanwaltschaften sind im Staatsanwaltschaftsgesetz (StAG), der Verordnung zur Durchführung des Staatsanwaltschaftsgesetzes (DV-StAG) und dazu ergangenen Erlässen geregelt, allen voran dem Berichtspflichtenerlass 2016106 idF 2017107 des BMJ (nunmehr BMVRDJ) sowie den Gruppenberichtspflichten der Oberstaatsanwaltschaften.108

Zentrale Norm ist § 8 Abs 1 StAG, wonach Staatsanwaltschaften aus Eigenem an die jeweils übergeordneten Oberstaatsanwaltschaften über Strafsachen zu berichten haben, an denen wegen der Bedeutung der aufzuklärenden Straftat oder der Funktion des Verdächtigen im

104 a.a.O., S. 5f (mwN). 105 Wieselthaler/Stecher, Die Kriminalpolizei im Haus – was nun?, Compliance Praxis 2018, 38, S. 3. 106 Erlass des BMJ vom 18.12.2015 über die Neuregelung der staatsanwaltschaftlichen Berichtspflichten (Berichtspflichtenerlass 2016), BMJ-S22/0005-IV 5/2015. 107 Erlass des BMJ vom 19.7.2017 über die Neuregelung der staatsanwaltschaftlichen Berichtspflichten (Berichtspflichtenerlass 2016 in der Fassung 2017), BMJ-S22/0001-IV 5/2017. 108 Vgl Radasztics/Sackmann, Berichtspflichten aus Sicht der Staatsanwaltschaft, ZWF 1/2017, S. 12.

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öffentlichen Leben ein besonderes öffentliches Interesse besteht oder in denen noch nicht hinreichend geklärte Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung zu beurteilen sind. Zur Beurteilung des öffentlichen Interesses an einer Straftat, die die Staatsanwaltschaften selbst vorzunehmen haben, wird in der Praxis auf das mediale Echo abgestellt.109

Die Oberstaatsanwaltschaften können zur Wahrnehmung ihrer Aufsichts- und Weisungsbefugnisse schriftlich anordnen, dass ihnen über bestimmte Gruppen von Strafsachen Bericht erstattet werde (Gruppenberichte gemäß § 8 Abs 2 StAG). Alle vier Oberstaatsanwaltschaften haben von dieser Ermächtigung Gebrauch gemacht und entsprechende Erlässe herausgegeben.110

Mit 1.1.2016 wurden die Berichtspflichten grundlegend neu geregelt. Ziel dieser Neuregelung war unter anderem die Verringerung der Berichtspflichten. Zu diesem Zweck wurden die Berichtspflichten des § 8 Abs 1 StAG im Wesentlichen auf die Fälle der Enderledigung eingeschränkt. Damit die Oberbehörden jedoch auch weiterhin in clamorosen Strafverfahren informiert werden, sieht § 8 Abs 3, letzter Satz StAG vor, dass die Staatsanwaltschaften bei grundsätzlicher Berichtspflicht nach § 8 Abs 1 StAG über bedeutende Verfahrensschritte, insbesondere Zwangsmaßnahmen, zu informieren haben, nachdem diese angeordnet worden sind.111

Da die Causa BVT aufgrund ihres öffentlichen Interesses eine grundsätzlich berichtspflichtige Strafsache darstellt und es sich bei der Anordnung der Durchsuchung und Sicherstellung um eine Zwangsmaßnahme handelt, war über die Anordnungen vom 27.2.2018 und deren Durchführung nach der Rechtslage vom 28.2.2018 erst im Nachhinein zu berichten.

4.5.4. Zeugenvernehmungen vor den Hausdurchsuchungen 4.5.4.1. Kontaktaufnahmen mit den Zeugen Vor der Hausdurchsuchung vom 28.2.2018 vernahm die WKStA in der Strafsache Causa BVT112 vier Personen als Zeugen ein. Die vier Personen, die die WKStA vor der Hausdurchsuchung als Zeugen einvernommen hat, wurden nicht mittels schriftlicher Ladung, sondern mündlich von der fallführenden Oberstaatsanwältin der Strafsache Causa BVT,

109 § 8 Abs 1 StAG; Radasztics/Sackmann, Berichtspflichten aus Sicht der Staatsanwaltschaft, ZWF 1/2017, S, 12. 110 a.a.O. 111 Radasztics/Sackmann, Berichtspflichten aus Sicht der Staatsanwaltschaft, ZWF 1/2017, S. 14. 112 Nunmehr Aktenzahl 6 St 2/18f, vor dem 27.2.2018 als UT-Verfahren gegen unbekannte Täter geführt; vgl OStA Wien, Tagebuch der WKStA zu 6 St 2/18f, S. 36; zur Veröffentlichung der Aktenzahl 6 St 2/18f vgl Anfragebeantwortung Moser 2289/AB vom 18.1.2019 zu 2303/J (XXVI.GP), S. 2, https://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXVI/AB/AB_02289/imfname_730654.pdf.

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Ursula Schmudermayer, zu ihrer jeweiligen Einvernahme geladen.113 Anzumerken ist, dass eine schriftliche Ladung zwar üblich, aber nicht verpflichtend ist. Besonders war in diesem Fall jedoch, dass die Kontaktaufnahme nicht durch Schmudermayer persönlich oder auf ihre Weisung hin durch Mitarbeiter der WKStA, sondern durch das Generalsekretariat beziehungsweise das Kabinett des BMI erfolgte. Bei den hierbei für das Generalsekretariat beziehungsweise Kabinett auftretenden Personen handelte es sich um den Generalsekretär des BMI Peter Goldgruber sowie den Fachreferenten Udo Lett.114

Am 20.2.2018 rief Goldgruber Schmudermayer persönlich an und gab bekannt, dass nunmehr in der Causa BVT „eine Akademikerin“ bereit sei, auszusagen, und mit einer Vertrauensperson erscheinen werde, die ihre Angaben „in einen Kontext stellen“ könne. Circa zehn Minuten später rief Lett bei Schmudermayer an, stellte sich als Mitarbeiter des Kabinetts des BMI vor und teilte ihr mit, dass er diese Vertrauensperson sein werde. Weiters ersuchte er darum, dass der Termin möglichst rasch stattfinden solle, bestenfalls sofort oder am nächsten Vormittag. Lett und Schmudermayer fixierten daraufhin für den Folgetag den Termin für die Zeugenvernehmung, nachdem Schmudermayer mit ihrem Gruppenleiter Wolfgang Handler Rücksprache gehalten hatte und die Leiterin der WKStA Ilse-Maria Vrabl-Sanda ebenfalls informiert worden war.115

Im Rahmen ihrer Vernehmung als Zeugin am 21.2.2018 gab R. P. (BVT) unter anderem den Namen einer weiteren Person an, die verfahrensrelevante Informationen besitze. Es handelte sich um den späteren zweiten Belastungszeugen M. W. (BVT), der am nächsten Tag, dem 22.2.2018 einvernommen wurde. Schmudermayer hatte mit Lett nach der Vernehmung von R. P. (BVT) vereinbart, dass er sich mit M. W. (BVT) in Verbindung setzen werde und sie telefonisch verständigen werde, wenn dieser für eine zeugenschaftliche Vernehmung zur Verfügung stehe. Noch am selben Nachmittag rief Lett Schmudermayer an und gab bekannt, dass der Zeuge am nächsten Tag, dem 22.2.2018, um 13:00 Uhr zur Vernehmung erscheinen werde.116 Es erfolgte also auch die Kontaktaufnahme mit dem zweiten vor den Hausdurchsuchungen einvernommenen Zeugen über das Generalsekretariat/Kabinett des BMI und nicht über die WKStA selbst.

Am 23.2.2018 um circa 10:00 Uhr rief Lett wiederum bei Schmudermayer an und gab bekannt,

113 111/KOMM XXVI. GP, 21: Aussage Schmudermayer (1); 119/KOMM XXVI. GP, 26f: Aussage Schmudermayer (2). 114 OStA Wien, Tagebuch der WKStA zu 6 St 2/18f, S. 31; 111/KOMM XXVI. GP, 19f: Aussage Schmudermayer (1); siehe auch 4.4. 115 a.a.O; 111/KOMM XXVI. GP, 18, 20 und 36: Aussage Schmudermayer (1). 116 OStA Wien, Tagebuch der WKStA zu 6 St 2/18f, Aktenvermerk von Schmudermayer vom 23.2.2018, S. 33; 133/KOMM XXVI. GP, 28f: Aussage Schmudermayer (3).

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dass der nächste Zeuge – A. H. (BVT) – an diesem Tag um 12:00 Uhr erscheinen werde.117

Nach seiner Zeugeneinvernahme rief M. W. (BVT) C. M. (BVT) an und teilte ihm mit, dass er mit hoher Wahrscheinlichkeit als Zeuge bei der WKStA aussagen werde müssen.118 Über den genauen Termin am 26.2.2018 wurde er von Lett am Vortag telefonisch in Kenntnis gesetzt.119 Zwischen Lett und C. M. (BVT) gab es am Tag der Zeugeneinvernahme ein berufliches Treffen in der Generaldirektion, das zeitlich unmittelbar vor dem Termin von C. M. (BVT) bei der WKStA stattfand. Zudem begleitete Lett C. M. (BVT) zu dessen Einvernahme bei der WKStA und zeigte ihm dort den Weg zu den Räumlichkeiten der Einvernahme. Vor der Zeugeneinvernahme unterhielt sich Lett kurz mit Schmudermayer, wobei der Inhalt des Gesprächs nicht mehr rekonstruierbar ist.120 Da C. M. (BVT) sich einige Meter entfernt befand, konnte er den Gesprächsinhalt nicht wahrnehmen. Bevor die Zeugeneinvernahme begann, verabschiedete sich Lett. Bei C. M. (BVT) trat er also nicht als Vertrauensperson auf.121 Aus den geschilderten Vorgängen rund um die Kontaktaufnahmen und Ladungen der vier Zeugen kann folgender Schluss gezogen werden: Lett übernahm als Mitarbeiter des Kabinetts/Generalsekretariats zumindest eine koordinierende Rolle122, indem er alle vier Zeugen persönlich kontaktierte. Zwar entschied Schmudermayer letztlich mittels mündlicher Anordnung, dass sie vor den Hausdurchsuchungen diese vier Zeugen und keine anderen oder zusätzlichen vernehmen wollte, allerdings hatte das Kabinett/Generalsekretariat aufgrund der koordinierenden Rolle Letts die Möglichkeit, Einfluss darauf zu nehmen, dass genau diese Zeugen auch tatsächlich bei der WKStA erschienen.123

4.5.4.2. Ablauf der vier Zeugenvernehmungen 4.5.4.2.1. Vernehmung von R. P. (BVT) am 21.2.2018 Am 21.2.2018 fand die Einvernahme der ersten Belastungszeugin, R. P. (BVT), in den Räumlichkeiten der WKStA statt.124 Bei dieser Vernehmung waren neben der Zeugin und Schmudermayer, die die Vernehmung leitete, auch deren Gruppenleiter Handler, eine Schriftführerin sowie Lett als Vertrauensperson anwesend.125 Lett gab vor Beginn der

117 a.a.O; 133/KOMM XXVI. GP, 30: Aussage Schmudermayer (3). 118 121/KOMM XXVI. GP, 39: Aussage M. W. (BVT) (1). 119 127/KOMM XXVI. GP, 6f: Aussage Lett.; 125/KOMM XXVI. GP, 4f, 11: Aussage C. M. (BVT) (1). 120 125/KOMM XXVI. GP, 4ff: Aussage C. M. (BVT) (1). 121 OStA Wien, Zeugenvernehmung C. M. (BVT) vom 26.2.2018 vor der WKStA zu 6 St 2/18f, S. 1f; 125/KOMM XXVI. GP, 11: Aussage C. M. (BVT) (1). 122 Vgl den Eindruck von C. M. (BVT) hierzu: 125/KOMM XXVI. GP, 10: Aussage C. M. (BVT) (1). 123 111/KOMM XXVI. GP, 19: Aussage Schmudermayer (1); 124 OStA Wien, Tagebuch der WKStA zu 6 St 2/18f, S. 31; 111/KOMM XXVI. GP, 19: Aussage Schmudermayer (1). 125 OStA Wien, Tagebuch der WKStA zu 6 St 2/18f, S. 33; OStA Wien, Zeugenvernehmung R. P. (BVT) vom 21.2.2018 vor der WKStA zu 6 St 2/18f, S. 1; 113/KOMM XXVI. GP, 14: Aussage Handler (1); 127/KOMM XXVI. GP, 7: Aussage Lett.

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Vernehmung gegenüber Schmudermayer an, dass er selbst keine eigenen Wahrnehmungen zu den Sachverhalten habe, die Gegenstand der Vernehmung sein würden und von denen er ausgehe, dass sie Gegenstand des Verfahrens seien. Diesbezüglich habe er lediglich informell Informationen von Goldgruber erhalten.126

Im Wesentlichen gab R. P. (BVT) – sofern für die Hausdurchsuchungen beziehungsweise für den Untersuchungsausschuss relevant – Folgendes an: Sie bemerkte eingangs der Vernehmung, dass es ihr wichtig sei, dass ihre Daten nicht bekannt werden, und beschrieb ihre berufliche Laufbahn: Sie sei Wirtschaftspsychologin und habe von September 2015 bis September 2017 im BVT im Referat für Nachrichtendienst gearbeitet. B. P. (BVT) sei ihr vorgesetzter Referatsleiter, M. W. (BVT) ihr vorgesetzter Abteilungsleiter gewesen. Sie sei in der Asiengruppe gewesen, weil sie zehn Jahre in Asien gelebt habe. Sie habe als Analytikerin die Informationen, die die Polizisten gebracht hätten, zusammengetragen und analysiert. Sie beschrieb B. P. (BVT) unter anderem als cholerisch, unkoordiniert, labil sowie ungeeignet als Führungsperson.127 Angaben zu strafrechtsrelevantem Verhalten wollte sie keine machen. Sie beschrieb ihre Wahrnehmungen zu den nordkoreanischen Reisepassrohlingen und gab an, diese im Safe von B. P. (BVT) gesehen zu haben, als sie mit ihm alleine im Zimmer gewesen sei. Ihrer Wahrnehmung nach sei es jedoch nicht ratsam, im BVT mit einem Mann allein in einem Zimmer zu sein. Zudem habe es Dienstreisen nach Südkorea gegeben, bei denen aus ihrer Sicht ungeeignete Personen mitfahren hätten dürfen.128 Weiters gab sie an, A. H. (BVT) zu kennen, der im IKT-Bereich arbeite und die Analysen der Mobiltelefone mache. Dieser habe ihr gesagt, dass die Mobiltelefone der Mitarbeiter im BVT gecheckt würden. A. H. (BVT) habe ihr auch gesagt, dass es nur einen einzigen Administrator, nämlich C. H. (BVT) gebe. Zur Leiterin des Extremismusreferats S. G. (BVT), sagte sie auf Frage der Staatsanwältin, diese richte ihren Fokus auf den rechtsextremen Rand. Am Ende der Vernehmung gab R. P. (BVT) auf Nachfrage an, nicht zu wissen, warum sie zur WKStA kommen sollte. Lett habe ihr einfach gesagt, dass sie hinkommen solle.129

In der Vernehmung stellte Schmudermayer, soweit aus dem nicht wörtlichen Resümee- Protokoll ersichtlich – wenig Zwischen- und Nachfragen. Auch etwaige Nachfragen des Gruppenleiters Handler sind nicht dokumentiert. Schmudermayer fragte nicht nach, inwiefern

126 OStA Wien, Zeugenvernehmung R. P. (BVT) vom 21.2.2018 vor der WKStA zu 6 St 2/18f, S. 5; 127/KOMM XXVI. GP, 35: Aussage Lett. 127 OStA Wien, Zeugenvernehmung R. P. (BVT) vom 21.2.2018 vor der WKStA zu 6 St 2/18f, S. 1; 120/KOMM XXVI. GP, 7, 14, 18, 29, 32, 35 : Aussage R. P. (BVT) (1). 128 OStA Wien, Zeugenvernehmung R. P. (BVT) vom 21.2.2018 vor der WKStA zu 6 St 2/18f, S. 6; 120/KOMM XXVI. GP 15, 40: Aussage R. P. (BVT) (1). 129 OStA Wien, Zeugenvernehmung R. P. (BVT) vom 21.2.2018 vor der WKStA zu 6 St 2/18f, S. 6f; 120/KOMM XXVI. GP 15, 21: Aussage R. P. (BVT) (1); 111/KOMM XXVI. GP, 6f: Aussage Schmudermayer (1).

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die Aussagen der Zeugin in einen Bezug zum Konvolut gesetzt werden können, und hakte auch nicht ein, als die Zeugin sagte, sie wolle zu etwaigem strafrechtswidrigem Verhalten von B. P. (BVT) keine Angaben machen. Trotz dieser Aussage, der generell unpräzisen Angaben von R. P. (BVT) sowie der Tatsache, dass R. P. (BVT) während der Vernehmung nicht wusste, warum sie bei der Zeugenvernehmung sei, hielt Schmudermayer die Zeugin für glaubwürdig, wie sie bei ihrer Befragung vor dem Untersuchungsausschuss ausführte. Auch die Begleitung durch einen Mitarbeiter des Generalsekretariats/Kabinetts des BMI, Lett, veranlasste Schmudermayer nicht dazu, die Angaben der Zeugin sowie die Gründe für ihr Erscheinen zu hinterfragen. Vielmehr hielt sie die Zeugin einfach für nervös, was für Schmudermayer eher den Eindruck der Glaubwürdigkeit förderte, als ihn zu erschüttern.130 Auch auf Nachfrage konnte sie bei ihrer dritten Befragung im Untersuchungsausschuss nicht erklären, warum sie R. P. (BVT) von sich aus, ohne dass R. P. (BVT) dazu vorher Angaben gemacht hatte, nach S. G. (BVT) fragte, obwohl S. G. (BVT) im Konvolut nicht erwähnt ist.131

4.5.4.2.2. Vernehmung von M. W. (BVT) am 22.2.2018 Am 22.2.2018 fand die Vernehmung von M. W. (BVT) als Zeuge in den Räumlichkeiten der WKStA von circa 13:00 bis 18:30 Uhr statt.132 Lett war auf Wunsch von M. W. (BVT) während der gesamten Vernehmung als Vertrauensperson anwesend.133

Schmudermayer befragte M. W. (BVT) nach einer einleitenden allgemeinen Befragung zu folgenden Themenkomplexen: Lansky-Verfahren, Datenforensik, Rubicon, Geiselbefreiungsgelder, Quellengelder, Weitergabe von Informationen an die Presse, Bernhard Treibenreif, Radrundfahrt 2016 Gut Ardagger, Werner Mauss, Datenmissbrauch, Fall Maurer 2013, zur Person S. G. (BVT), nordkoreanische Reisepässe und Telekomverfahren.134 Auffallend ist, dass sämtliche der genannten Themen außer der Person S. G. (BVT) im Konvolut vorkommen.

Zusammengefasst gab M. W. (BVT) – sofern für die Hausdurchsuchungen oder allgemein für den Untersuchungsausschuss relevant135 – bei seiner Vernehmung Folgendes an: Er kenne das Konvolut, habe es aber nicht geschrieben. Der ehemalige Kabinettschef Michael Kloibmüller habe ihn zum Leiter der Abteilung II (Informationsgewinnung, Ermittlung, Analyse

130 111/KOMM XXVI. GP, 4ff: Aussage Schmudermayer (1). 131 133/KOMM XXVI. GP, 23: Aussage Schmudermayer (3). 132 OStA Wien, Tagebuch der WKStA zu 6 St 2/18f, Aktenvermerk von OStA Schmudermayer vom 23.2.2018, S. 33; OStA Wien, Zeugenvernehmung M. W. (BVT) vom 22.2.2018 vor der WKStA zu 6 St 2/18f, S. 1ff; 111/KOMM XXVI. GP, 7: Aussage Schmudermayer (1). 133 OStA Wien, Zeugenvernehmung M. W. (BVT) vom 22.2.2018 vor der WKStA zu 6 St 2/18f, S. 1ff; 127/KOMM XXVI. GP, 19: Aussage Lett. 134 a.a.O., S. 1ff. 135 Die übrigen oben genannten Themen werden nicht dargestellt.

www.parlament.gv.at 695 der Beilagen XXVI. GP - Ausschussbericht NR - Berichterstattung 69 von 298 65 und Auswertung, verdeckte Ermittlungen und IKT) gemacht, weil Wolfgang Zöhrer seine Aufgabe aufgrund eines allgemein bekannten Alkoholproblems nicht erfüllt habe. In der Folge habe ihn Kloibmüller jedoch nicht mehr unterstützt. Er habe am Beginn seiner Funktion festgesellt, dass Daten nicht ordnungsgemäß geprüft beziehungsweise gelöscht worden seien, was er Peter Gridling und Kloibmüller gemeldet habe. Sein Stellvertreter C. M. (BVT) habe ihm mitgeteilt, dass B. P. (BVT), Leiter des Referats für Nachrichtendienst in der Abteilung von M. W. (BVT), sich eine Kopie der gelöschten Daten besorgt habe. Er habe dies Gridling mitgeteilt, dieser habe jedoch nicht reagiert. Der wahre „Schattendirektor“ im Haus sei nicht Gridling, sondern Zöhrer gewesen. Daher habe Gridling nichts unternommen, sonst wäre er in Konflikt mit Zöhrer, B. P. (BVT) und Kloibmüller geraten.136 B. P. (BVT) habe die nordkoreanischen Reisepassrohlinge in seinem Stahlschrank im Büro aufbewahrt.137

M. W. (BVT) habe ein Coaching absolvieren müssen, weil er sich nicht an den gesellschaftlichen Anlässen in der Abteilung beteiligt habe, bei denen viel Alkohol getrunken worden sei. Die Veranlassung dazu habe der damalige Generaldirektor Kogler getroffen, dahinter sei aber Kloibmüller gestanden.138

Im Strafverfahren gegen Lansky habe er von den Ermittlern ständig Berichte abverlangen müssen, sonst wäre nichts weitergegangen, weil die Ermittlungsergebnisse nicht den Wünschen von unter anderem B. P. (BVT), Zöhrer und Kloibmüller entsprochen hätten. Auf IT-Ebene sei C. H. (BVT) mit dem Fall Lansky betraut gewesen.139

S. G. (BVT) sei Referatsleiterin Extremismus, sie beschäftige sich zu 90% mit Rechtsextremismus und zu 10% mit Linksextremismus. Sie habe die Approbationsbefugnis, weshalb sie Berichte an M. W. (BVT) nur cc vorgelegt habe. Sie arbeite sehr viel. Sie sei mit Kloibmüller und Zöhrer in engem E-Mail-Kontakt gestanden. Sie drucke sich sehr viele E-Mails aus und hebe sie auf. Zöhrer habe ihn im Jahr 2015 auf Burschenschaften angesprochen und gesagt, dass man sich mit diesen auseinandersetzen müsse. M. W. (BVT) habe ihm gesagt, dass er dazu keine Rechtsgrundlage sehe, weil kein Bedarf aus Sicht der erweiterten Gefahrenerforschung bestehe. Er habe sich daraufhin bei S. G. (BVT) persönlich erkundigen wollen. Er habe gehört, dass es dazu Gespräche im Kabinett gegeben habe. Ob S. G. (BVT) dann ermittelt habe, wisse er nicht. Einen Bericht habe er nie erhalten.140

136 OStA Wien, Zeugenvernehmung M. W. (BVT) vom 22.2.2018 vor der WKStA zu 6 St 2/18f, S. 5f; 111/KOMM XXVI. GP, 7: Aussage Schmudermayer (1). 137 a.a.O., S. 6; 121/KOMM XXVI. GP, 35: Aussage M. W. (BVT) (1). 138 a.a.O., S. 7f. 139 a.a.O., S. 8f; 111/KOMM XXVI. GP, 7: Aussage Schmudermayer (1). 140 a.a.O., S. 16f; 117/KOMM XXVI. GP, 27: Aussage S. G. (BVT) (1).

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Zu B. P. (BVT) führte M. W. (BVT) aus, dass B. P. (BVT) eines Tages bei der Morgenbesprechung mit C. M. (BVT) und ihm selbst das Büro betreten und gesagt habe, dass er nordkoreanische Reisepässe habe. Daraufhin seien alle zu B. P. (BVT) ins Büro gegangen, wo er einen Karton mit Reisepässen gezeigt habe. C. M. (BVT) und er hätten ihn gefragt, was das solle. Er habe gemeint, er sei stolz, dass er die gemeinsam mit F. S. (BVT) habe besorgen können. B. P. (BVT) habe die Reisepässe in seinem Tresor verwahrt. M. W. (BVT) habe ihm gesagt, er solle sie wieder einsperren und dies Zöhrer und Gridling melden. B. P. (BVT) habe zu M. W. (BVT) gesagt, er brauche die Pässe für Südkorea. M. W. (BVT) wisse nicht, wer den Auftrag gegeben habe, die Reisepässe zu besorgen. B. P. (BVT) habe zu Hause vertrauliche Dokumente, die er in einem Safe verwahre.141

Zur Vernehmung von M. W. (BVT) notierte Schmudermayer am 23.2.2018 in ihrem staatsanwaltlichen Tagebuch, dass dieser weitere Namen von Personen genannt habe, die über verfahrensrelevante Informationen verfügen. Er habe sich auch bereit erklärt, den Kontakt zu diesen Personen herzustellen.142 Gemäß dem Befragungsprotokoll erwähnte M. W. (BVT) C. M. (BVT) sowie A. H. (BVT). Dass er bereit wäre Kontakt zu diesen oder anderen Personen herzustellen, ist nicht festgehalten.143

4.5.4.2.3. Vernehmung von A. H. (BVT) am 23.2.2.2018 Am 23.2.2018 um circa 10:00 Uhr rief Lett bei Schmudermayer an und gab bekannt, dass der nächste Zeuge A. H. (BVT), an diesem Tag um 12:00 Uhr erscheinen werde.144

Anders als in den Vernehmungen von R. P. (BVT) und M. W. (BVT) trat Lett bei der Zeugenvernehmung von A. H. (BVT) nicht als Vertrauensperson auf, war aber draußen anwesend und wartete auf A. H. (BVT).

In dieser Zeugenvernehmung folgte Schmudermayer nicht demselben inhaltlichen Fahrplan wie in jener von M. W. (BVT), was bereits daran erkennbar ist, dass das Protokoll keine inhaltlichen Unterüberschriften aufweist. 145

A. H. (BVT) gab zusammengefasst – sofern für die Hausdurchsuchungen beziehungsweise für den Untersuchungsausschuss relevant Folgendes an: Er arbeite in der Abteilung von

141 a.a.O., S. 17; 111/KOMM XXVI. GP, 7: Aussage Schmudermayer (1). 142 OStA Wien, Tagebuch der WKStA zu 6 St 2/18f, Aktenvermerk von OStA Schmudermayer vom 23.2.2018, S. 33; 111/KOMM XXVI. GP, 21: Aussage Schmudermayer (1). 143 OStA Wien, Zeugenvernehmung M. W. (BVT) vom 22.2.2018 vor der WKStA zu 6 St 2/18f, S. 1-18. 144 OStA Wien, Tagebuch der WKStA zu 6 St 2/18f, Aktenvermerk von OStA Schmudermayer vom 23.2.2018, S. 33. 145 OStA Wien, Zeugenvernehmung A. H. (BVT) vom 23.2.2018 vor der WKStA zu 6 St 2/18f, S. 1-14.

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M. W. (BVT) und sei für mobile Forensik zuständig. Das beinhalte, im Zuge von verdeckten Ermittlungen beziehungsweise nach Sicherstellungen bei Festnahmen und Hausdurchsuchungen eine unmittelbare technische Ermittlung von Endgeräten technisch korrekt und effizient zu gewährleisten. Er habe zuvor beim LKA Wien die mobile Forensik aufgebaut. Er habe M. W. (BVT) zuvor schon 25 Jahre gekannt.146 Die Sachverhaltsangaben von M. W. (BVT) in dessen Zeugeneinvernahme seien grob umrissen richtig.147

A. H. (BVT) erwähnte von sich aus, dass einige Akteure im Haus – auch S. G. (BVT) – versucht hätten, ihn hinauszudrängen.148 Er habe Grund zur Annahme, dass sein Handy und seine E-Mails kontrolliert werden würden. Über die Diensthandys habe nur C. H. (BVT) die Kontrolle. N. B. (BVT) habe ihm und anderen in einer Kaffeerunde erzählt, dass er Zugriff auf alle E-Mails habe und auch E-Mails durchsehe. Neben C. H. (BVT) verfügten auch N. B. (BVT) und F. K. (BVT) über Zugang zu diesen Servern. Diesen Personen sei es möglich, auf alle E- Mails der Bediensteten zuzugreifen.149

Nach der Zeugenvernehmung von A. H. (BVT) fand zwischen diesem und dem IT-Experten der WKStA Nikola Knezevic sowie Schmudermayer eine technische Besprechung satt, über die Schmudermayer einen Aktenvermerk in ihrem staatsanwaltlichen Tagebuch anlegte.150 Bei dieser Besprechung beschrieb A. H. (BVT) die Räumlichkeiten vor Ort im BVT, insbesondere den IT-Bereich. Er beschrieb laut den Aufzeichnungen Schmudermayers, dass das BMI keinen Zugriff auf die Daten des BVT habe. Hingegen könne das BVT auf Daten des BMI zugreifen. Alle Mitarbeiter des BVT hätten VPN-Zugänge, welche unkontrolliert auch von privaten Geräten einsetzbar seien. Es seien vermutlich private Server und Cloud-Dienste im Einsatz, die wahrscheinlich gemietet und nicht in Österreich befindlich seien. Kompletten Serverzugriff hätten nur zwei Personen im BVT. Außerdem sei damit zu rechnen, dass Fernlöschungsmechanismen installiert seien. Bei einer allfälligen Hausdurchsuchung müssten demnach Personen unmittelbar bewacht werden. Weiters müsse jede Verwendung elektronischer Geräte verhindert werden. Mobiltelefone, Schlüsselanhänger, USB-Sticks und so weiter müssten unmittelbar nach Eintreffen abgenommen werden. Geräte dürften nicht ausgeschaltet oder eingeschaltet werden, weil damit zu rechnen sei, dass Startprozeduren im

146 OStA Wien, Zeugenvernehmung A. H. (BVT) vom 23.2.2018 vor der WKStA zu 6 St 2/18f, S. 5; 111/KOMM XXVI. GP, 7: Aussage Schmudermayer (1). 147 OStA Wien, Zeugenvernehmung A. H. (BVT) vom 23.2.2018 vor der WKStA zu 6 St 2/18f, S. 9; 111/KOMM XXVI. GP, 7: Aussage Schmudermayer (1). 148 OStA Wien, Zeugenvernehmung A. H. (BVT) vom 23.2.2018 vor der WKStA zu 6 St 2/18f, S. 5. 149 AP N. B. (BVT), Anordnung der Durchsuchung und Sicherstellung der WKStA vom 27.2.2018, S. 5; OStA Wien, Zeugenvernehmung A. H. (BVT) vom 23.2.2018 vor der WKStA zu 6 St 2/18f, S. 5f; 124/KOMM XXVI. GP, 11f: Aussage A. H. (BVT). 150 OStA Wien, Tagebuch der WKStA zu 6 St 2/18f, Aktenvermerk von OStA Schmudermayer vom 23.2.2018, S. 32; 111/KOMM XXVI. GP, 37f: Aussage Schmudermayer (1).

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Einsatz seien, die eine Löschung aller Dateien bei falschem Verhalten anstoßen würden. Es werde empfohlen, den Internetzugang des Gebäudes vor dem Einschreiten zu unterbrechen sowie Störsender zu verwenden.151

4.5.4.2.4. Vernehmung von C. M. (BVT) am 26.2.2018 Der Zeuge C. M. (BVT) wurde am 26.2.2018 von Schmudermayer ohne Anwesenheit einer Vertrauensperson einvernommen.152 Lett begleitete C. M. (BVT) zur Zeugenvernehmung, besprach sich vor Ort kurz mit Schmudermayer und verließ daraufhin die WKStA. Inhaltlich gestaltete sich die Befragung von C. M. (BVT) wie folgt: Nach einer längeren Eingangsbefragung finden sich folgende von Schmudermayer vorgegebene Themen, die mit Unterüberschriften abgrenzbar sind: Lansky-Verfahren, private Gutachten, Rubicon, Geiselbefreiungsgelder, Quellenbewirtschaftung, Weitergabe von Informationen an die Presse, Radrundfahrt 2016 Gut Ardagger, Werner Mauss, Ermittlungen in der Sache Burschenschaften, nordkoreanische Pässe, Telekomverfahren, Zöhrer und die behaupteten Übergriffe.153

C. M. (BVT) gab zusammengefasst – sofern für die Hausdurchsuchungen beziehungsweise für den Untersuchungsausschuss relevant – Folgendes an: 2007 sei er ins BVT gekommen, zuerst in die Abteilung III, Referat Sicherheitsüberprüfung. Er habe dann in dieser Abteilung die Leitung des Fachbereichs Sicherheitsüberprüfung übernommen. Glaublich 2010 sei er in die Abteilung IV, Analyse gewechselt, dort habe er im Bereich Lage- und Informationszentrum gearbeitet und die stellvertretende Leitung innegehabt. M. W. (BVT) sei schon in der Abteilung III sein Chef gewesen. Als dieser in die Abteilung II gewechselt sei, sei C. M. (BVT) ihm gefolgt. Der Bereich Analyse sei zu einer eigenen Abteilung gemacht worden. C. M. (BVT) sei in der Abteilung II stellvertretender Leiter, zudem sei er für den Bereich Datenauswertung verantwortlich. Später sei eine eigene Planstelle eines stellvertretenden Abteilungsleiters geschaffen worden, diese sei derzeit unbesetzt. C. M. (BVT) vertrete sowohl den Leiter als auch den stellvertretenden Leiter der Abteilung.154

Betreffend das Konvolut wisse er von dessen Existenz, er habe es aber nie gelesen. C. M. (BVT) machte Erklärungen zum Unterschied zwischen der Speicherung von Daten, die gelöscht werden müssen, einerseits und der Skartierung von Altakten andererseits. Das Referat von C. M. (BVT) sei laufend damit beschäftigt, Daten zu löschen, für deren

151 OStA Wien, Tagebuch der WKStA zu 6 St 2/18f, Aktenvermerk von OStA Schmudermayer vom 23.2.2018, S. 32; 111/KOMM XXVI. GP, 7, 9f: Aussage Schmudermayer (1). 152 OStA Wien, Zeugenvernehmung C. M. (BVT) vom 26.2.2018 vor der WKStA zu 6 St 2/18f, S. 1-20; 125/KOMM XXVI. GP, 4 und 11: Aussage C. M. (BVT) (1). 153 a.a.O., S. 1-20. 154 a.a.O., S. 5.

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Aufbewahrung kein Grund mehr gegeben sei. Daneben hätten M. W. (BVT) und er festgestellt, dass es bei der Skartierung von Altakten große Rückstände gebe. Zum 31.8.2015 habe eine Massenskartierung von Altakten stattgefunden. Dieser Rückstand bei der Skartierung sei daraus entstanden, dass man irrtümlich geglaubt habe, EDIS lösche die zu skartierenden Akten automatisch. In den meisten Bereichen sei die Nichtskartierung eine Nachlässigkeit gewesen, es sei aber nicht auszuschließen, dass bewusst von einer Skartierung Abstand genommen worden sei. Aus dem Bereich Spionageabwehr sei die Sammelskartierung als unverantwortlich bezeichnet worden. Er habe den Eindruck gehabt, dass die Bedeutung der Aufbewahrung der Daten zu Strukturermittlungszwecken wesentlich wichtiger bewertet worden sei als die Einhaltung der Rechtsnormen. Mit Argumenten aus der Spionageabwehr sei wiederholt versucht worden, die weitere Aufbewahrung der Daten zu argumentieren, wobei sein Einwand, dass dies gesetzwidrig sei, immer heruntergespielt worden sei. Für ihn ergebe es keinen Sinn, Daten nicht zu löschen, zumal Akten ja aufbewahrt werden dürften und vor Ablauf der Skartierungsfrist nicht gelöscht werden dürften.155

S. G. (BVT) habe ihren Arbeitsschwerpunkt hauptsächlich im rechtsextremen Bereich gehabt, weil dort auch mehr strafrechtliche Anknüpfungspunkte bestünden. Zwischen Zöhrer und S. G. (BVT) habe natürlich direkter Kontakt bestanden. Diese Direktdurchgriffe, über die M. W. (BVT) in CC habe informiert werden wollen, habe es auch zu anderen Mitarbeitern wie zum Beispiel B. P. (BVT) gegeben. Dieses Problem der Direktzugriffe habe nicht nur in der Abteilung II bestanden.156

Unter Vorhalt der Vernehmung von M. W. (BVT), in der dieser gesagt hat, er habe eine Kopie der gelöschten Lansky-Daten, gab C. M. (BVT) an, B. P. (BVT) sei bei ihm gewesen und habe um eine derartig Kopie gebeten. Dies habe er damit begründet, dass die Informationen nicht verloren gehen sollten und zu Nachschlagszwecken aufbewahrt werden sollten. Eine derartige Anordnung an die EDV habe C. M. (BVT) nie erteilt. Er habe B. P. (BVT) gesagt, dass dies nicht möglich sei. Falls eine derartige Kopie hergestellt worden sei, sei dies ohne sein Zutun erfolgt. Hierfür wäre C. H. (BVT) der richtige Ansprechpartner. C. M. (BVT) habe M. W. (BVT) nicht gesagt, dass B. P. (BVT) eine Kopie der zu löschenden Daten besitze, sondern dass er eine hätte haben wollen. C. M. (BVT) gehe davon aus, dass B. P. (BVT) keine Kopie von der EDV bekommen hätte, wenn er nicht eine entsprechende Anweisung des Abteilungsleiters oder von höherer Stelle gehabt hätte.157

155 a.a.O., S. 6f; 111/KOMM XXVI. GP, 8: Aussage Schmudermayer (1). 156 a.a.O., S. 7; 125/KOMM XXVI. GP, 35: Aussage C. M. (BVT) (1). 157 a.a.O., S. 8; 125/KOMM XXVI. GP, 15f: Aussage C. M. (BVT) (1).

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B. P. (BVT) habe geäußert, dass es eine Festplatte mit Lansky-Daten gebe. Ob das vor oder nach der angeordneten Löschung gewesen sei, wisse C. M. (BVT) nicht. Ein derartiger Löschungsauftrag wäre durch die IKT durchzuführen.158

Zu Ermittlungen in der Sache Burschenschaften gab C. M. (BVT) an, dass Derartiges schon länger angedacht gewesen sei. S. G. (BVT) habe jedoch gesagt, es gebe hierfür keine Rechtsgrundlage.159

Zu den nordkoreanischen Reisepassrohlingen führte er aus, dass er sich an ein Gespräch in seinem Büro erinnere, bei dem M. W. (BVT) und B. P. (BVT) anwesend gewesen seien. B. P. (BVT) sei hereingekommen und habe gesagt, die Staatsdruckerei habe sich aufgrund dieses Auftrags an das Wirtschaftsministerium gewandt, welches B. P. (BVT) verständigt habe. Er habe die Reisepässe nicht bei sich gehabt. M. W. (BVT) sei mit B. P. (BVT) in sein Büro gegangen. C. M. (BVT) sei davon ausgegangen, dass es sich um Ansichtsexemplare handle. Zu einem späteren Zeitpunkt habe B. P. (BVT) ihm die Reisepässe gezeigt, diese seien aber zu diesem Zeitpunkt glaublich im Stahlschrank von F. S. (BVT) gelegen. Es sei möglich, dass B. P. (BVT) Gegenstände nicht in seinem eigenen Safe, sondern in jenem von F. S. (BVT) verwahre. C. M. (BVT) habe auch einen Passrohling in die Hand genommen. Es seien laut Aussage von B. P. (BVT) 27 Passrohlinge gewesen. C. M. (BVT) habe die Anweisung erteilt, dass die Reisepässe versperrt bleiben, bis eine weitere Entscheidung getroffen werde. B. P. (BVT) habe selbst angegeben, dass er drei der 30 Passrohlinge an Südkorea übergeben habe. Diese Weitergabe sei zu hinterfragen.160

4.5.4.3. Entbindung von der Amtsverschwiegenheit 4.5.4.3.1. Rechtliche Rahmenbedingungen 4.5.4.3.1.1. Begriff und Reichweite der Amtsverschwiegenheit Gemäß § 155 Abs 1 Z 2 StPO dürfen Beamte (§ 74 Abs 1 Z 4 bis 4c StGB) als Zeugen bei sonstiger Nichtigkeit über Umstände, die der Amtsverschwiegenheit unterliegen, soweit sie nicht von der Verschwiegenheitspflicht entbunden wurden, nicht vernommen werden. Die gesetzliche Grundlage der Amtsverschwiegenheit des Beamten findet sich in Art 20 Abs 3 B- VG, näher geregelt in § 46 BDG. Aufgrund von § 79 VBG, der auf § 46 BDG verweist, gelten die Regeln der zuletzt genannten Bestimmung auch für Vertragsbedienstete.

Der Beamtenbegriff des StGB (hier § 74 Abs 1 Z 4 bis 4c StGB) ist ein rein funktionaler.

158 a.a.O., S. 10; 125/KOMM XXVI. GP, 41ff: Aussage C. M. (BVT) (1). 159 a.a.O., S. 17; 117/KOMM XXVI. GP, 9: Aussage S. G. (BVT) (1); 125/KOMM XXVI. GP, 14f: Aussage C. M. (BVT) (1). 160 a.a.O., S. 17f; 111/KOMM XXVI. GP, 8: Aussage Schmudermayer (1).

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Beamter im Sinne des StGB ist demnach jede physische Person, die entweder bestellt ist, im Namen der im Gesetz aufgezählten Rechtsträger als deren Organ allein oder mit einem anderen Rechtshandlungen vorzunehmen oder die sonst mit Aufgaben der Bundes-,. Landes- oder Gemeindeverwaltung betraut ist.161 (Bestellte) Beamte und Vertragsbedienstete des BMI/BVT fallen daher jedenfalls unter den Beamtenbegriff des § 155 Abs 1 Z 2 StPO iVm § 74 Abs 1 Z 4 bis 4c StGB.

Das Amtsgeheimnis im Sinne des § 155 Abs 1 Z 2 StPO erfasst nur Umstände und Angelegenheiten, die dem Beamten dienstlich bekannt wurden und die wegen der möglichen Gefährdung von Dienstinteressen nicht veröffentlicht werden dürfen, an deren Geheimhaltung also ein solches Interesse besteht, dass das Interesse einer geordneten Strafrechtspflege dagegen zurückzutreten hat. Die Pflicht zur Amtsverschwiegenheit besteht auch nach Beendigung des Dienstverhältnisses und im Ruhestand (§ 46 Abs 2 BDG).162

Wahrnehmungen, die der Zeuge im Dienste der Strafrechtspflege zum Gegenstand des Verfahrens gemacht hat oder hinsichtlich derer Anzeigepflicht (§ 78 StPO) besteht, unterliegen nicht der Verschwiegenheitspflicht (§ 155 Abs 2 StPO). Eine Entbindung von der Amtsverschwiegenheitspflicht ist hier nicht erforderlich.163

4.5.4.3.1.2. Handhabung im Verfahren Hat der Beamte vor einer Staatsanwaltschaft, einem Gericht oder vor einer Verwaltungsbehörde auszusagen und lässt sich aus der Ladung erkennen, dass der Gegenstand der Aussage der Amtsverschwiegenheit unterliegen könnte, so hat er dies seiner Dienstbehörde (§ 2 DVG) zu melden. Die Dienstbehörde hat zu entscheiden, ob der Beamte von der Pflicht zur Amtsverschwiegenheit zu entbinden ist (§ 46 Abs 3 BDG).164

Ergibt sich erst bei der Vernehmung des Beamten, dass der Gegenstand der Aussage der Amtsverschwiegenheit unterliegen könnte, so hat er die Beantwortung weiterer Fragen zu verweigern. Bei fortdauerndem Interesse an der Aussage hat das Gericht die Entbindung des als Zeugen vorgesehenen Beamten von der Pflicht zur Amtsverschwiegenheit bei der

161 Jerabek/Reindl-Krauskopf/Ropper/Schroll in Höpfel/Ratz, Wiener Kommentar zum Strafgesetzbuch, Manz, StGB § 74 Rz 3. 162 Kirchbacher in Fuchs/Ratz, Wiener Kommentar zur Strafprozessordnung, Manz, StPO § 155 Rz 16. 163 Kirchbacher, a.a.O., Rz 17; vgl auch RIS-Justiz RS0054660: Betrifft der Gegenstand der Vernehmung nur solche dienstlichen Angelegenheiten, von denen der Beamte pflichtgemäß ohnehin bereits Mitteilung gemacht hat, so wäre es nicht folgerichtig, für die spätere Zeugenaussage die Aufhebung der Verschwiegenheitspflicht zu verlangen; deshalb gilt § 151 Z 2 StPO im allgemeinen nicht für die zeugenschaftliche Einvernahme von Angehörigen der Sicherheitsdienststellen (Gendarmeriebeamte und Polizeibeamte) über deren Wahrnehmungen im Dienst der Strafrechtspflege. 164 Kirchbacher, a.a.O., Rz 20 ff.

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Dienstbehörde zu beantragen (§ 46 Abs 4 BDG).165 Die Möglichkeit einer nachträglichen Entbindung besteht nicht.

Die Entscheidung einer Behörde über den Antrag auf Entbindung eines Beamten von der Amtsverschwiegenheit hat Bescheidcharakter, mag auch die Erledigung äußerlich betrachtet nicht in der Form eines Bescheides ergangen sein.166 In welcher Form die Entbindung mitgeteilt wird (schriftlich, telefonisch et cetera), ist ohne Bedeutung.167

Auch ein mündlicher Bescheid (vgl § 62 Abs 1 AVG) bedarf jedoch, um als solcher gelten zu können, einer schriftlichen Beurkundung, die allenfalls in einer besonderen Niederschrift zu erfolgen hat (vgl § 62 Abs 2 AVG).168 Auch eine mündliche Entbindung von der Amtsverschwiegenheit ist daher rechtlich gültig, es bedarf allerdings einer (nachträglichen) schriftlichen Bestätigung.

4.5.4.3.1.3. Rechtsschutz Eine kriminalpolizeiliche, staatsanwaltschaftliche oder gerichtliche Zeugenvernehmung im Ermittlungsverfahren entgegen § 155 Abs 1 StPO stellt eine nach dieser Bestimmung nichtige Beweisaufnahme dar. Wird das Vernehmungsprotokoll in der Hauptverhandlung gegen den erklärten Willen des Angeklagten oder des Anklägers verlesen, so ist das Urteil nichtig nach § 281 Abs 1 Z 2, es sei denn, die Formverletzung ist nach Lage des Falls bedeutungslos.169

4.5.4.3.2. Sachverhalt betreffend die Entbindung In keinem der Protokolle der vier Zeugenvernehmungen bei der WKStA, die vor dem 28.2.2018 in der Causa BVT stattfanden, findet sich eingangs ein Vermerk, dass die jeweils als Zeuge beziehungsweise Zeugin zu vernehmende Person von der Amtsverschwiegenheit entbunden worden wäre.170 Ein derartiger Vermerk im Protokoll zu Beginn einer Vernehmung von im öffentlichen Dienst tätigen Personen als Zeugen ist zu Beweiszwecken generell üblich. Dies gilt auch für die WKStA.171 Trotz dieser gängigen Praxis fragte die fallführende Oberstaatsanwältin Schmudermayer, die alle vier Zeugenvernehmungen vor dem 28.2.2018

165 Kirchbacher, a.a.O., Rz 27. 166 Fellner, BDG – Beamten-Dienstrecht, § 46 E 5. 167 RIS-Justiz RS0097836 = OGH 11 Os 162/78; Kirchbacher in Fuchs/Ratz, Wiener Kommentar zur Strafprozessordnung, StPO § 155 Rz 24. 168 OGH 1 Ob 93/72; SZ 22/92. 169 Kirchbacher, a.a.O., StPO § 155 Rz 35f. 170 116/KOMM XXVI. GP, 11: Aussage Jirovsky; OStA Wien, Zeugenvernehmung A. H. (BVT) vom 23.2.2018 vor der WKStA zu 6 St 2/18f, S. 5; OStA Wien, Zeugenvernehmung C. M. (BVT) vom 26.2.2018 vor der WKStA zu 6 St 2/18f, S. 5. 171 116/KOMM XXVI. GP, 11f: Aussage Jirovsky; 111/KOMM XXVI. GP, 8: Aussage Schmudermayer (1).

www.parlament.gv.at 695 der Beilagen XXVI. GP - Ausschussbericht NR - Berichterstattung 77 von 298 73 leitete, keinen der vier Zeugen, ob sie vorab von der Amtsverschwiegenheit entbunden worden seien.172 Sie unterließ diese Frage beziehungsweise einen Vermerk zur Dokumentation dieser Frage und deren Antwort deshalb, weil sie davon ausging, dass die vier Zeugen ohnehin von der Amtsverschwiegenheit entbunden worden waren. Dies nahm sie an, weil Goldgruber die Zeugen selbst namhaft gemacht und die Terminkoordination der Ladungen vorgenommen hatte beziehungsweise von seinem Mitarbeiter Lett vornehmen ließ.173 Zudem war sie der Rechtsmeinung, dass die Zeugen nicht von der Amtsverschwiegenheit entbunden werden mussten, weil sie über Sachverhalte Angaben machen sollten, die von ihrer Anzeigepflicht als Beamten nach § 78 StPO erfasst und somit von der Pflicht zur Amtsverschwiegenheit ausgenommen waren.174

Das BMI als oberste Dienstbehörde der vier Zeugen teilte allen vier Personen vor ihren jeweils ersten Vernehmungen als Zeugen mit, dass sie von der Amtsverschwiegenheit entbunden worden seien.175 Bei den Zeugen A. H. (BVT) und C. M. (BVT) erfolgte die mündliche Entbindungsmitteilung durch Lett. Bei den Zeugen R. P. (BVT) und M. W. (BVT) kann nicht mehr festgestellt werden, welche Person ihnen mitteilte, dass sie von der Amtsverschwiegenheit entbunden seien. Der jeweilige genaue Zeitpunkt, zu dem den vier späteren Zeugen vom BMI mitgeteilt wurde, dass sie von der Amtsverschwiegenheit entbunden seien, kann ebenfalls nicht mehr festgestellt werden.176

Von der mündlichen Entbindungsmitteilung an die vier Zeugen informierte das BMI die WKStA nicht bereits vor den jeweiligen Zeugenvernehmungen, sondern erst am 27.2.2018. Bei der Einsatzbesprechung für die Hausdurchsuchungen vom 28.2.2018, die am Nachmittag des 27.2.2018 in der WKStA stattfand und bei der mehrere Vertreter des BMI und der WKStA anwesend waren, teilte Goldgruber in seiner Funktion als Generalsekretär des BMI Schmudermayer auf ihre Nachfrage mit, dass alle Zeugen vorweg mündlich von der Amtsverschwiegenheit entbunden worden wären.177 Vor dieser Aussage Goldgrubers hatte

172 116/KOMM XXVI. GP, 11: Aussage Jirovsky; 111/KOMM XXVI. GP, 5f: Aussage Schmudermayer (1); OStA Wien, Zeugenvernehmung R. P. (BVT) vom 21.2.2018 vor der WKStA zu 6 St 2/18f, S. 5; OStA Wien, Zeugenvernehmung M. W. (BVT) vom 22.2.2018 vor der WKStA zu 6 St 2/18f, S. 5; OStA Wien, Zeugenvernehmung A. H. (BVT) vom 23.2.2018 vor der WKStA zu 6 St 2/18f, S. 5; OStA Wien, Zeugenvernehmung C. M. (BVT) vom 26.2.2018 vor der WKStA zu 6 St 2/18f, S. 5. 173 111/KOMM XXVI. GP, 6: Aussage Schmudermayer (1). 174 111/KOMM XXVI. GP, 8: Aussage Schmudermayer (1); Anfragebeantwortung Moser 2289/AB vom 18.1.2019 zu 2303/J (XXVI.GP), S. 1, https://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXVI/AB/AB_02289/imfname_730654.pdf. 175 Anfragebeantwortung Kickl 2293/AB vom 18.1.2019 zu 2304/J (XXVI. GP), S. 1- 7,https://iwww.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXVI/AB/AB_02293/imfname_730695.pdf. 176 a.a.O. 177 Anfragebeantwortung Moser 2289/AB vom 18.1.2019 zu 2303/J (XXVI.GP), S. 1, https://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXVI/AB/AB_02289/imfname_730654.pdf.

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Schmudermayer ihm gegenüber angemerkt, dass die formelle Entbindung von der Amtsverschwiegenheit noch nicht vorliege. Mit dem Wort „formell“ bezog sie sich auf die Form und meinte die schriftliche Entbindung.178 Goldgruber versprach ihr, die schriftliche Bestätigung der Entbindung von der Amtsverschwiegenheit nachzureichen.179

Die zwei Zeugen M. W. (BVT) und A. H. (BVT) sowie die Zeugin R. P. (BVT) bestätigten bei ihren späteren fortgesetzten Vernehmungen ausdrücklich, dass sie bereits bei ihren ersten Vernehmungen von der Amtsverschwiegenheit entbunden gewesen seien.180 Im Fall der Zeugin R. P. (BVT) erfolgte dieser Hinweis jedoch erst in ihrer dritten Vernehmung, die am 20.4.2018 stattfand, während er in ihrer zweiten Vernehmung, die am 11.3.2018 durchgeführt worden war, noch unterblieben war.181 Auch der vierte Zeuge C. M. (BVT) legte in der Folge bei seiner fortgesetzten Vernehmung vom 19.7.2018 eine schriftliche Entbindungsmitteilung vor. Diese Entbindungsmitteilung war von der Sektion I des BMI mit Datum 18.7.2018 ausgestellt worden.182

Am 12.3.2018 fand im BMVRDJ eine erste Dienstbesprechung zur Causa BVT statt, an der VertreterInnen des BMVRDJ, der OStA Wien und der WKStA teilnahmen. Bei dieser Dienstbesprechung ging es um die Vorbereitung und den Ablauf der Hausdurchsuchungen vom 28.2.2018. Auch das Thema der Entbindung von der Amtsverschwiegenheit wurde dabei behandelt. Robert Jirovsky, Leitender Staatsanwalt in der Abteilung IV 5 des BMVRDJ, zuständig für Großverfahren und berichtspflichtige Strafsachen, äußerte bei der Besprechung seinen Rechtsstandpunkt, dass eine Entbindung der Dienstbehörde vorliegen müsse und man dieser Gelegenheit zur Entbindung geben solle.183 Infolge dieser Dienstbesprechung kam es in der Causa BVT bei sämtlichen Vernehmungen von Personen als Zeugen, die Funktionen im öffentlichen Dienst ausüben oder ausübten, zu dem Hinweis im Protokoll, dass eine Entbindung der Dienstbehörde vorliege. Die erste Zeugenvernehmung, bei der dieser an sich übliche Verweis in der Causa BVT im Protokoll eingefügt wurde, war jene von S. G. (BVT) vom

178 111/KOMM XXVI. GP, 4: Aussage Schmudermayer (1); OStA Wien, Tagebuch der WKStA zu 6 St 2/18f, S. 40. 179 111/KOMM XXVI. GP, 6: Aussage Schmudermayer (1); OStA Wien, Tagebuch der WKStA zu 6 St 2/18f,S. 40. 180 Anfragebeantwortung Moser 2289/AB vom 18.1.2019 zu 2303/J (XXVI.GP), S. 1, https://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXVI/AB/AB_02289/imfname_730654.pdf; OStA Wien, Zeugenvernehmung M. W. (BVT) vom 30.3.2018 vor der WKStA zu 6 St 2/18f, S. 5; OStA Wien, Zeugenvernehmung A. H. (BVT) vom 28.3.2018 vor der WKStA zu 6 St 2/18f, S. 5; OStA Wien, Zeugenvernehmung R. P. (BVT) vom 20.4.2018 vor der WKStA zu 6 St 2/18f, S. 5. 181 OStA Wien, Zeugenvernehmung R. P. (BVT) vom 11.3.2018 vor der WKStA zu 6 St 2/18f, S. 5; OStA Wien, Zeugenvernehmung R. P. (BVT) vom 20.4.2018 vor der WKStA zu 6 St 2/18f, S. 5. 182 111/KOMM XXVI. GP, 7: Aussage Schmudermayer (1); BMVRDJ, fortgesetzte Zeugenvernehmung C. M. (BVT) vom 19.7.2018 samt Mitteilung der Entbindung von der Amtsverschwiegenheit, S. 31-41 183 116/KOMM XXVI. GP, 11: Aussage Jirovsky; 111/KOMM XXVI. GP, 19: Aussage Schmudermayer (1).

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16.3.2018.184

Nach Aufforderung durch die WKStA vom 20.3.2018 langte am 27.3.2018 bei der WKStA eine vom BMI erstellte schriftliche Entbindung von der Amtsverschwiegenheit in Bezug auf die drei männlichen Zeugen ein185. Die vierte Zeugin legte der WKStA eine schriftliche Entbindung von ihrer Amtsverschwiegenheit im Rahmen ihrer fortgesetzten Vernehmung vom 20.4.2018 vor.186 Diese schriftlichen Entbindungsmitteilungen sind undatiert.187 Der Verfasser Goldgruber vergaß auf die Datierung.188 Die schriftlichen Entbindungsmitteilungen waren in zeitlicher Hinsicht unbegrenzt, in sachlicher Hinsicht bezogen sie sich auf das Verfahren Causa BVT bei der WKStA.189

Der festgestellte Sachverhalt beruht auf den zitierten Urkunden in Zusammenhalt mit den Aussagen der Auskunftspersonen vor dem Untersuchungsausschuss. Trotz des Fehlens eines Entbindungsvermerks in den ersten vier Protokollen von Zeugenvernehmungen ist aufgrund der übereinstimmenden Aussagen sämtlicher betroffener Auskunftspersonen Schmudermayer, Goldgruber, Lett, R. P. (BVT), M. W. (BVT), A. H. (BVT) und C. M. (BVT) davon auszugehen, dass bei allen vier Zeugen vor ihren ersten Einvernahmen vor der WKStA eine mündliche Entbindungsmitteilung vorlag. Allein das Fehlen des Vermerks sowie der Mangel der Datierung der schriftlichen Bestätigungen mag die inhaltlich gleichlautenden Aussagen der Auskunftspersonen nicht zu erschüttern. Dass auf einem Schriftstück das Datum vergessen wird, ist zwar, besonders bei einer amtlichen Mitteilung, bedauerlich, kommt nach der Lebenserfahrung jedoch immer wieder vor und betrifft Schriftstücke aller Art, gleichgültig ob sie von großer Wichtigkeit für den Verfasser sind oder nicht. Dass die genaue Datierung der mündlichen Entbindungsmitteilung nicht mehr festgestellt werden konnte, liegt am Kommunikationsmittel der Mündlichkeit, das nach der verstrichenen Zeit eine einwandfreie Nachvollziehbarkeit oft vermissen lässt.

Es erscheint glaubwürdig, dass Schmudermayer auf das Vorliegen von

184 116/KOMM XXVI. GP, 12: Aussage Jirovsky; 185 116/KOMM XXVI. GP, 12: Aussage Jirovsky; OStA Wien, Aufforderung zur schriftlichen Bestätigung der Entbindung von der Amtsverschwiegenheit der WKStA an Goldgruber vom 20.3.2018, S. 2; OStA Wien, fortgesetzter AB-Bogen zu 6 St 2/18f, S. 28; BMVRDJ, schriftliche Entbindung von der Amtsverschwiegenheit durch Goldgruber betreffend M. W. (BVT), A. H. (BVT) und C. M. (BVT), S. 32. 186 116/KOMM XXVI. GP, 12: Aussage Jirovsky; BMVRDJ, schriftliche Entbindung von der Amtsverschwiegenheit durch Goldgruber betreffend R. P. (BVT), S. 41. 187 Anfragebeantwortung Moser 2289/AB vom 18.1.2019 zu 2303/J (XXVI.GP), S. 2, https://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXVI/AB/AB_02289/imfname_730654.pdf; OStA Wien, Entbindung von der Amtsverschwiegenheit; 111/KOMM XXVI. GP, 20: Aussage Schmudermayer (1). 188 Anfragebeantwortung Kickl 2293/AB vom 18.1.2019 zu 2304/J (XXVI. GP), S. 2, https://iwww.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXVI/AB/AB_02293/imfname_730695.pdf. 189 Anfragebeantwortung Moser 2289/AB vom 18.1.2019 zu 2303/J (XXVI.GP), S. 2, https://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXVI/AB/AB_02289/imfname_730654.pdf.

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Entbindungsmitteilungen vertraute, zumal Goldgruber ihr die ersten vier Zeugen aufgrund seiner Intervention zur Verfügung stellte, was er wohl nicht getan hätte, wenn für ihn dienstliche Gründe gegen eine Aussage der betreffenden BVT-Bediensteten vor der WKStA gesprochen hätten. Sein Interesse bestand vielmehr gerade darin, dass diese Personen vor der WKStA aussagten, was er mit seiner Anzeige des Konvoluts bei der WKStA und der Namhaftmachung von Zeugen samt Koordinierung der Ladungen unmissverständlich zum Ausdruck brachte.

4.5.4.3.3. Fazit Eine Beurteilung, ob die dargelegten Mitteilungen betreffend die Entbindung von der Amtsverschwiegenheit des BMI gegenüber den vier Personen, die vor dem 28.2.2018 von der WKStA in der Causa BVT als Zeugen einvernommen worden sind, rechtswirksam waren, steht dem Untersuchungsausschuss nicht zu, zumal eine derartige rechtliche Würdigung in die Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte fällt.190 Allerdings kann aus der Tatsache, dass erst nach Thematisierung des Problems bei der Dienstbesprechung vom 12.3.2018 auf die Einfügung eines Entbindungsvermerks geachtet wurde, darauf geschlossen werden, dass der vom BMI aufgebaute, von Schmudermayer in ihrem staatsanwaltschaftlichen Tagebuch selbst vermerkte Zeitdruck hierbei ebenso eine gewisse Rolle spielte wie die Tatsache, dass die Leiterin der WKStA die übergeordnete OStA beziehungsweise das BMVRDJ in die rechtlichen Beratungen vor Durchführung der Hausdurchsuchungen nicht einbezog. Die Ansichten der OStA beziehungsweise des BMVRDJ wichen in der Frage der Beurteilung, ob die Entbindung von der Amtsverschwiegenheit beziehungsweise deren Vermerk notwendig oder zumindest sinnvoll ist, augenscheinlich von jener der WKStA ab, weil diese sonst von Anfang an den Zeugenvernehmungen einen derartigen Vermerk vorangestellt hätte, um künftige Infragestellungen des Vorliegens der Entbindung hintanzuhalten.

4.5.5. Entscheidungsfindung vor den Hausdurchsuchungen 4.5.5.1. Notwendigkeit von Sicherstellungen Nach der Zeugenvernehmung von M. W. (BVT) zog Schmudermayer den Schluss, dass sie Sicherstellungen brauchen werde, um den erhobenen Vorwürfen nachgehen zu können. Allerdings lag zu diesem Zeitpunkt noch kein ausreichender Tatverdacht vor, sodass die weiteren Zeugenvernehmungen trotz der Befürchtung eines Beweismittelverlustes abzuwarten waren.191

190 Parlamentsdirektion (Hrsg.), Handbuch zum Recht der Untersuchungsausschüsse im Nationalrat (Stand: 1.3.2017), Rz 451. 191 111/KOMM XXVI. GP, 52f: Aussage Schmudermayer (1); 113/KOMM XXVI. GP, 8, 34: Aussage Handler (1); OStA Wien, Tagebuch der WKStA zu 6 St 2/18f, Aktenvermerk von OStA Schmudermayer vom 23.2.2018, S. 33.

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Am Morgen des 23.2.2018 hielt Schmudermayer eine Besprechung mit ihrem Gruppenleiter Handler ab, bei der sie die Ergebnisse der Zeugenvernehmung vom 22.2.2018 sowie die weitere Vorgangsweise besprachen. Zu diesem Zeitpunkt entschied sie gemeinsam mit Handler, dass in naher Zukunft ein Einschreiten notwendig sein werde, wobei sie Hausdurchsuchungen, Telefonüberwachung und Festnahmen in Betracht zog, sobald sich der aus ihrer Sicht nicht noch nicht ausreichend konkretisierte Tatverdacht erhärtet haben würde. Sie beschloss, vorerst die Ergebnisse der weiteren Zeugenvernehmungen abzuwarten und in Absprache mit Handler dem von Lett aufgebauten Zeitdruck jedenfalls nicht nachzugeben. Lett hatte angekündigt, dass in der folgenden Woche Suspendierungen ausgesprochen werden würden, womit notwendigerweise ein Bekanntwerden der Vorwürfe verbunden gewesen wäre.192

Nach der Vernehmung und informellen Befragung des Zeugen A. H. (BVT) war zwar immer noch kein ausreichender Tatverdacht für Schmudermayer und Handler vorhanden, allerdings führten die Ausführungen von A. H. (BVT) dazu, dass sich die Sorge der Staatsanwälte aufgrund des aus ihrer Sicht drohenden Beweismittelverlusts vergrößerte.193

Erst nach Vernehmung des vierten Zeugen C. M. (BVT) nahm die WKStA einen ausreichend konkretisierten Tatverdacht in Richtung Amtsmissbrauch mittels Kopieren beziehungsweise Nichtlöschen von sensiblen Daten als gegeben an und sah aufgrund dessen einen unmittelbaren Handlungsbedarf ihrerseits, entsprechende Sicherstellungen zu veranlassen.194

4.5.5.2. Ausschluss der Amtshilfe durch die WKStA Bevor sich die WKStA entschied, die Sicherstellungen im BVT-Gebäude im Wege einer Durchsuchungsanordnung und nicht mittels Amtshilfe zu erlangen, fand innerhalb der Behörde hierzu ein rechtlicher Überlegungsprozess statt, in den auch bestehende Judikatur zu diesem Thema mit einbezogen wurde.195

Ausgangspunkt dieses Überlegungsprozess war, dass der Zeuge A. H. (BVT) ausgesagt hatte, dass die Server des BVT vollkommen autark seien. Daher ging Schmudermayer davon aus, dass ein Zugriff auf die Server nicht über das BMI, sondern nur über das BVT selbst mithilfe dessen IT-Abteilung funktionieren könne. Da aber auch gegen Direktor Gridling ein Tatverdacht betreffend Datenmissbrauch bestand und Amtshilfe grundsätzlich über ihn als

192 111/KOMM XXVI. GP, 52f: Aussage Schmudermayer (1); 113/KOMM XXVI. GP, 34: Aussage Handler (1); OStA Wien, Tagebuch der WKStA zu 6 St 2/18f, Aktenvermerk von OStA Schmudermayer vom 23.2.2018, S. 33. 193 113/KOMM XXVI. GP, 13: Aussage Handler (1). 194 113/KOMM XXVI. GP, 13: Aussage Handler (1). 195 114/KOMM XXVI. GP, 15: Aussage Pilnacek.

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Behördenleiter zu administrieren gewesen wäre, sah sich die WKStA in dem Dilemma, keinen Ansprechpartner für die Amtshilfe zur Verfügung zu haben. Gridling fiel für die WKStA als Ansprechpartner aus, weil seine Involvierung die Gefahr einer etwaigen Selbstbelastung bedeutet hätte, die die WKStA tunlichst vermeiden wollte. Aus denselben Gründen konnte auch nicht auf die Mithilfe des damals ebenfalls beschuldigten IT-Chefs C. H. (BVT) zurückgegriffen werden. Weiters wäre bei Involvierung der genannten Personen, hätten sie wirklich inkriminierte Dateien versteckt gehabt, nicht damit zu rechnen gewesen, dass sie diese herausgeben. Somit rechnete die WKStA im Zuge eines Amtshilfeersuchens mit der hohen Gefahr eines Beweismittelverlusts.196

Neben der Gefahr der Selbstbelastung und des Beweismittelverlusts spielte das Argument für die WKStA eine Rolle, dass sie nicht nur auf die dienstlichen Computer, Handys und Speichermedien der Beschuldigten/Betroffenen zugreifen wollte, sondern auch auf deren private Datenträger, was nach der Rechtsansicht der WKStA nicht über den Amtshilfeweg möglich gewesen wäre. Weiters erachtete die WKStA den Rechtsschutz der Beschuldigten und Betroffenen im Fall einer Hausdurchsuchungsanordnung samt bewilligendem Gerichtsbeschluss als stärker, zumal ein Beschluss im Gegensatz zu einem Amtshilfeersuchen im Instanzenweg bekämpfbar ist.197

Die Fragen der Abwägung zwischen Amtshilfe einerseits und Hausdurchsuchungen in Amtsgebäuden andererseits und ob die Hausdurchsuchungen im BVT-Gebäude rechtmäßig waren, werden in den Entscheidungen des Oberlandesgerichts Wien zu den Hausdurchsuchungsbeschlüssen eingehend erörtert und in diesem Bericht im Kapitel zu den OLG-Beschlüssen näher dargestellt. (siehe unten)

4.5.5.3. Überlegungen zur (Journal-)Dringlichkeit Sobald die WKStA am 27.2.2018 entschieden hatte, dass Hausdurchsuchungen notwendig seien, stand für sie ein äußerst rasches Vorgehen im Vordergrund.198 Diese Dringlichkeit, die sich aus der Befürchtung eines Beweismittelverlustes ergab, führte letztlich aus Sicht der WKStA sogar zur Notwendigkeit der Befassung des Journalrichters, weil die Fertigstellung der schriftlichen Anordnung am 27.2.2018 nicht bis zum Ende des regulären Dienstbetriebs um 15:30 Uhr bewerkstelligt werden konnte.199

Für die WKStA gab es im Wesentlichen zwei Gründe für diese Angst vor einem

196 111/KOMM XXVI. GP, 9f: Aussage Schmudermayer (1). 197 a.a.O. S. 9f. 198 a.a.O. S. 23f. 199 a.a.O. S. 9f.

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Beweismittelverlust: Erstens rechneten die Staatsanwälte aufgrund der Brisanz des Verfahrens und der Vielzahl der angezeigten Personen, die zum Großteil hohe Funktionsträger des BMI waren, damit, dass jede Verzögerung zu einem möglichen Bekanntwerden des Verfahrens führen könnte.200 Andererseits hatte der Zeuge A. H. (BVT) bekanntgegeben, dass im BVT Fernlöschungsmechanismen installiert seien. Schmudermayer klärte die Frage, ob eine derartige Fernlöschung möglich sei, mit einem IT-Experten der WKStA Nikola Knezevic, ab, der diese bejahte. Bei Bekanntwerden des Verfahrens hätten aufgrund dieser vermuteten Fernlöschungsmöglichkeit sämtliche inkriminierenden elektronischen Dateien binnen Sekunden gelöscht werden können, weshalb ein rasches Einschreiten für die WKStA, insbesondere zwischen Bewilligung der Anordnungen und Durchführung der Hausdurchsuchungen, unumgänglich erschien.201

Die Frage, ob das BVT über Fernlöschungsmechanismen verfügt oder nicht, wurde in den Befragungen des Untersuchungsausschusses vielfach thematisiert, wobei die Auskunftspersonen hierzu unterschiedliche Wahrnehmungen wiedergaben. Für die Frage, ob die WKStA in nachvollziehbarer Weise von einer Fernlöschungsmöglichkeit ausgehen durfte, ist jedoch das tatsächliche Bestehen oder Nichtbestehen dieser Möglichkeit nicht entscheidend. Schmudermayer und Handler – beide Techniklaien – hatten gar keine andere Möglichkeit als sich zur Beantwortung dieser Frage eines Sachverständigen zu bedienen, der seinerseits wiederum bloß eine Einschätzung über das technisch Mögliche ohne Wahrnehmungen zu den örtlichen Gegebenheiten abgeben konnte. Die diesbezüglichen Überlegungen der WKStA erweisen sich daher als nachvollziehbar. Allerdings droht, wie die Auskunftsperson Wieselthaler zutreffend ausführte, bei jeder notwendigen Sicherstellung von elektronischen Daten ein Beweismittelverlust. Diese Gefahr kann alleine deshalb nie ganz gebannt werden, weil die Sicherstellung von elektronischen Daten immer der Mitwirkung des Datennutzers bedarf, sodass diese Gefahr keine Argumentation für eine über das normale Ausmaß hinausgehende Dringlichkeit darstellt.

Im Übrigen wurde die Frage zur Journaldringlichkeit vom Oberlandesgericht Wien behandelt, sodass auf die Ausführungen im Abschnitt zu den OLG-Entscheidungen verwiesen werden darf.

4.5.6. Kontakte der WKStA mit dem Präsidenten des LGSt Wien Bereits bevor Schmudermayer die Anordnungen zur Durchsuchung und Sicherstellung

200 a.a.O. S. 10f. 201 111/KOMM XXVI. GP, 10f: Aussage Schmudermayer (1); 115/KOMM XXVI. GP, 18: Aussage Vrabl- Sanda.

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fertiggestellt hatte, gab es Kontakte zwischen der WKStA und dem Landesgericht für Strafsachen Wien (LGSt Wien), im Rahmen derer die mögliche Abwicklung der Anträge auf Genehmigung der Anordnungen abgeklärt wurde. Schmudermayer nahm dabei nicht selbst Kontakt mit dem LGSt Wien auf, sondern übertrug diese Aufgabe an Staatsanwalt (mittlerweile Oberstaatsanwalt) Matthias Purkart, der in der WKStA die IT-Abteilung leitet. In dieser Funktion ist er für alle fallführenden Oberstaatsanwälte der WKStA Ansprechpartner, wenn diese eine umfassende Datensicherung planen, zumal er die Kapazitäten der IT-Experten einteilt und einschätzt, wie viel Vorlaufzeit eine geplante Ermittlungsmaßnahme benötigt. In dieser Eigenschaft band Schmudermayer Purkart in das Verfahren Causa BVT ein und informierte ihn zu diesem Zweck rudimentär über die Eckpunkte des Verfahrens.202

Um vorzufühlen, wie die Bewilligungsanträge größtmögliche Geheimhaltung erfahren könnten, setzte sich Purkart am 22.2.2018 direkt mit dem Präsidenten des LGSt Wien Friedrich Forsthuber telefonisch in Verbindung.203 Purkart teilte Forsthuber mit, dass eine Anordnung einer Hausdurchsuchung im Zusammenhang mit dem BVT und der Involvierung hoher Funktionsträger des BMI im Raum stehe. Um Geheimhaltung zu gewährleisten, sicherte Forsthuber zu, die Anordnung persönlich zu übernehmen und die Einbringung in der Einlaufstelle samt Eintragung ins elektronische Register zu beaufsichtigen. Es wurde besprochen, dass nach automatischer Zuteilung des Akts zum gesetzlichen Richter durch das elektronische Aktenverteilungssystem Forsthuber dem zuständigen Richter den Akt persönlich übergeben würde. Purkart erklärte, dass noch nicht feststehe, ob und wann eine Anordnung durch die Fallführerin bei der WKStA erfolgen werde und dass dies von weiteren Beweisergebnissen abhänge. Es könne aber jederzeit damit gerechnet werden. Forsthuber sagte die gewünschte Unterstützung zu.204

Am 27.2.2018 war für Schmudermayer bereits erkennbar, dass die Anordnungen der Hausdurchsuchung entweder an diesem oder am nächsten Tag fertiggestellt werden würden und daher auch die Beantragung der Bewilligung unmittelbar bevorstand. Daher rief Purkart am Vormittag nochmals bei Forsthuber an und teilte ihm diese Umstände mit. Man verständigte sich im Telefonat darauf, dass Schmudermayer bis 13:00 Uhr zum LGSt Wien

202 OStA Wien, Tagebuch der WKStA zu 6 St 2/18f, Aktenvermerk von Staatsanwalt Purkart über seine Kontakte mit dem LGSt Wien vom 13.3.2018, S. 81; 111/KOMM XXVI. GP, 12-14: Aussage Schmudermayer (1). 203 OStA Wien, Tagebuch der WKStA zu 6 St 2/18f, Aktenvermerk von Staatsanwalt Purkart über seine Kontakte mit dem LGSt Wien vom 13.3.2018, S. 81; 111/KOMM XXVI. GP, 12-14: Aussage Schmudermayer (1). 204 OStA Wien, Tagebuch der WKStA zu 6 St 2/18f, Aktenvermerk von Staatsanwalt Purkart über seine Kontakte mit dem LGSt Wien vom 13.3.2018, S. 81; 111/KOMM XXVI. GP, 12-14: Aussage Schmudermayer (1).

www.parlament.gv.at 695 der Beilagen XXVI. GP - Ausschussbericht NR - Berichterstattung 85 von 298 81 kommen werde, wenn es sich zeitlich ausgehe. Um 13:00 Uhr nahm Purkart abermals mit Forsthuber Kontakt auf und teilte ihm mit, dass die Fertigstellung der Anordnungen nicht bis vor Beginn des Journaldienstes um 15:30 Uhr bewerkstelligbar sein werde. Auf Frage Purkarts nannte ihm Forsthuber den für diesen Tag zuständigen Journalrichter Ulrich Nachtlberger und gab dessen Journaldiensthandynummer bekannt. Diese Information leitete Purkart anschließend an Schmudermayer weiter.205 Nach dem Telefonat um 13:00 Uhr informierte Purkart Schmudermayer über den Inhalt des Gesprächs. Am LGSt Wien teilte Forsthuber Nachtlberger mit, dass eine sensible Anordnung im Journaldienst zu erwarten sei.206

Um circa 13:30 Uhr gab Forsthuber Purkart telefonisch bekannt, dass er Nachtlberger über die Erwartbarkeit eines Antrags auf Bewilligung einer sensiblen Anordnung der WKStA informiert habe. Hierüber setzte Purkart wiederum Schmudermayer in Kenntnis. In die weiteren Schritte betreffend die Anordnungen war Purkart nicht mehr eingebunden.207

Über seine Kontaktaufnahmen mit Forsthuber am 22.2.2018 und 27.2.2018 fertigte Purkart am 13.3.2018 einen Aktenvermerk an.208 Der Umstand, dass nicht nur dieser Aktenvermerk, sondern auch weitere Aktenvermerke zur Causa BVT (zum Beispiel Aktenvermerk vom IT- Experten Knezevic vom 11.3.2018 zur informellen Befragung des Zeugen A. H. (BVT) am 23.2.2018209) nicht zeitnah zu den betreffenden Aktbearbeitungsvorgängen verfasst wurden, ist aus Sicht des Untersuchungsausschusses als problematisch zu bezeichnen. Es gibt keinen Hinweis darauf, dass die Bearbeiter des Aktes irgendwelche Vorgänge verschweigen hätten wollen. Viel eher ist anzunehmen, dass relevante Vorgänge im Verfahren nicht als so relevant eingestuft wurden, dass man sie sogleich dokumentiert hätte. Für künftige Verfahren, seien sie nun politisch beziehungsweise medial brisant oder nicht, ist eine möglichst vollständige Dokumentation jedenfalls erstrebenswert, damit die Entscheidungen der Staatsanwaltschaft bestmöglich nachvollzogen werden können.

205 OStA Wien, Tagebuch der WKStA zu 6 St 2/18f, Aktenvermerk von Staatsanwalt Purkart über seine Kontakte mit dem LGSt Wien vom 13.3.2018, S. 81; 111/KOMM XXVI. GP, 12-14: Aussage Schmudermayer (1). 206 OStA Wien, Tagebuch der WKStA zu 6 St 2/18f, Aktenvermerk von Staatsanwalt Purkart über seine Kontakte mit dem LGSt Wien vom 13.3.2018, S. 81; 111/KOMM XXVI. GP, 12-14: Aussage Schmudermayer (1). 207 OStA Wien, Tagebuch der WKStA zu 6 St 2/18f, Aktenvermerk von Staatsanwalt Purkart über seine Kontakte mit dem LGSt Wien vom 13.3.2018, S. 81; 111/KOMM XXVI. GP, 12-14: Aussage Schmudermayer (1). 208 OStA Wien, Tagebuch der WKStA zu 6 St 2/18f, Aktenvermerk von Staatsanwalt Purkart über seine Kontakte mit dem LGSt Wien vom 13.3.2018, S. 81; 111/KOMM XXVI. GP, 12-14: Aussage Schmudermayer (1). 209 OStA Wien, Tagebuch der WKStA zu 6 St 2/18f, Aktenvermerk des IT-Experten Knezevic über seine informelle Befragung des Zeugen A. H. (BVT) vom 23.2.2108, S. 32.

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Die Frage, wer am 27.2.2018 der diensthabende Journalrichter sei, war notwendig, weil Schmudermayer einerseits von einer Journaldringlichkeit ausging und es andererseits für die Causa BVT zu diesem Zeitpunkt noch keinen zuständigen Haft- und Rechtsschutzrichter gab. Dies lag daran, dass die WKStA bis zu diesem Zeitpunkt keine bewilligungspflichtigen Anordnungen erlassen hatte und sich sohin in diesem Akt noch keine Zuständigkeit des LGSt Wien ergeben hatte.210

4.5.7. Kommunikation innerhalb der WKStA211 Neben der fallführenden Oberstaatsanwältin Schmudermayer waren an der Bearbeitung der Causa BVT auch weitere Staatsanwälte der WKStA beteiligt, die im Team ermittelten. Zudem erfuhr das Ermittlungsteam technische Unterstützung von der IT-Abteilung. Schmudermayer besprach die Entwicklungen des Aktes laufend mit ihrem Gruppenleiter Handler und informierte auch regelmäßig die Leiterin der WKStA Vrabl-Sanda. Als sich die Ermittlungen im Februar 2018 intensivierten, erhöhte sich auch die Frequenz des Kontakte zwischen Vrabl- Sanda und Handler beziehungsweise Schmudermayer in dieser Causa. Von den geplanten Hausdurchsuchungen war Vrabl-Sanda am 27.2.2018, also vor deren Anordnung durch Schmudermayer informiert.212

Während Schmudermayer die operative Leitung der Causa innehat, sind Handler als Gruppenleiter und Vrabl-Sanda als Behördenleiterin nicht operativ tätig, sondern üben lediglich die interne Fachaufsicht aus.213 Während sich Vrabl-Sanda bloß informieren ließ, hielt Handler regelmäßig Besprechungen mit Schmudermayer ab, in denen er mit ihr das weitere Vorgehen besprach, und war auch bei der Vorbesprechung vom 27.2.2018 in der WKStA anwesend.214

4.5.8. Auswahl der Polizeieinheit für die Hausdurchsuchungen 4.5.8.1. Ausgangslage am 27.2.2018 Zum Zeitpunkt der Entscheidung vom Nachmittag des 27.2.2018, Hausdurchsuchungsanordnungen erlassen zu wollen, hatte Schmudermayer noch keine Polizeieinheit zur Verfügung, die sie bei der Umsetzung der Anordnungen unterstützen würde, weil die Auswahl der Polizeieinheit vom BMI getroffen wird.215 Üblicherweise arbeitet die WKStA mit dem BAK zusammen, weil dies im BAK-Gesetz so vorgesehen ist. In der

210 133/KOMM XXVI. GP, 44: Aussage Schmudermayer (3). 211 An dieser Stelle wird lediglich die Kommunikation innerhalb der WKStA erörtert. Zur Kommunikation mit den Oberbehörden siehe unten den Abschnitt zur Fachaufsicht. 212 111/KOMM XXVI. GP, 6, 45: Aussage Schmudermayer (1); 115/KOMM XXVI. GP, 8, 30: Aussage Vrabl-Sanda. 213 115/KOMM XXVI. GP, 8: Aussage Vrabl-Sanda. 214 115/KOMM XXVI. GP, 8: Aussage Vrabl-Sanda; 113/KOMM XXVI. GP, 9, 12f: Aussage Handler (1). 215 111/KOMM XXVI. GP, 22: Aussage Schmudermayer (1);

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Causa BVT kam für Schmudermayer das BAK aus unten noch darzustellenden Gründen nicht in Frage, sodass sie darauf angewiesen war, dass ihr das BMI eine andere Polizeieinheit zur Verfügung stellte. Letztendlich wies Goldgruber ihr die EGS zu, die die Hausdurchsuchungen vom 28.2.2018 operativ begleitete.

4.5.8.2. Allgemeines zum BAK Das BAK wurde 2010 gegründet und hat derzeit einen Mitarbeiterstand von circa 135 Mitarbeitern. Es führt kriminalpolizeiliche Ermittlungen durch und unterstützt dadurch Ermittlungsverfahren von Staatsanwaltschaften in einem sehr eng vorgegebenen Deliktskatalog, der im BAK-Gesetz definiert ist. Seit seiner Gründung hat das BAK rund 3.900 staatsanwaltschaftliche Ermittlungsverfahren begleitet. Es setzte bis 2018 385 Hausdurchsuchungsanordnungen an 511 Standorten um. Im staatlichen Bereich setzt das BAK Anordnungen zur Durchsuchung ausschließlich im Amtshilfeweg um. Nach der Erfahrung des BAK-Direktors Andreas Wieselthaler ist das Überraschungsmoment bei Durchsuchungen kein wesentlicher Faktor. Derartige Durchsuchungen bedürfen seiner Erfahrung nach einiger Vorbereitung und Nachbereitung.216

Nicht nur für die Staatsanwaltschaft, sondern auch für die mit dieser kooperierenden Polizeieinheit gilt das Prinzip der Verhältnismäßigkeit. Selbst wenn die zuständige Staatsanwaltschaft von sich aus kein Amtshilfeersuchen stellt, sondern eine Durchsuchungsanordnung erlässt und gerichtlich bewilligen lässt, muss die umsetzende Polizeieinheit nach Ansicht des BAK-Direktors Wieselthaler vor der Umsetzung abklären, ob nicht doch Amtshilfe als gelinderes Mittel infrage kommt. Bejahendenfalls ist seiner Meinung nach mit Amtshilfe vorzugehen und die Durchsuchungsanordnung nur im Hintergrund bereitzuhalten. Die taktische Entscheidung der Durchführung bleibt trotz formeller Anordnung der Staatsanwaltschaft immer auch Sache der umsetzenden Polizeieinheit. In einem konkreten Fall, in dem es ebenfalls um eine Sicherstellung im BVT ging, wollte der Staatsanwalt mittels Hausdurchsuchung vorgehen. Die zuständigen Beamten vom BAK besprachen jedoch mit dem Staatsanwalt die gelindere Möglichkeit der Amtshilfe, woraufhin tatsächlich mittels Amtshilfe vorgegangen wurde. Dabei war nicht nur das Verhältnismäßigkeitsprinzip ausschlaggebend, sondern auch das Interesse, nicht in die Schlagzeilen der Medien zu geraten, zumal jede Medienberichterstattung dem Ansehen des gesamten BMI schadet und mittels diskretem Vorgehen leicht vermieden werden kann.217

Beweismittelbeschaffungen in Amtsgebäuden erledigt das BAK immer im Wege der Amtshilfe

216 81/KOMM XXVI. GP, 3f: Aussage Wieselthaler. 217 a.a.O., S. 15.

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(§ 76 StPO iVM Art 22 B-VG). Hierzu sagte Wieselthaler aus, das BAK berufe sich immer auf die Amtshilfe, weil das Bundesverfassungsgesetz diese als Pflicht regle. Aus seiner Sicht ist es unzulässig, Beweise aufgrund von Anordnungen sicherzustellen, die hinsichtlich der Durchsuchungsörtlichkeit sowie hinsichtlich der sicherzustellenden Gegenstände, Unterlagen und Daten nicht genau spezifiziert sind.218 Wenn das BAK von Staatsanwaltschaften für die Umsetzung von Anordnungen herangezogen wird, so kontaktiert in der Praxis die ermittelnde Staatsanwaltschaft das BAK direkt und nicht im Wege der Spitze des BMI. Auftraggeberin des BAK ist daher immer die ermittelnde Staatsanwaltschaft. In 20% der Fälle handelt es sich dabei um die WKStA, ansonsten um die allgemeinen Staatsanwaltschaften.219

Das BAK war in der Vergangenheit in anderen Fällen bereits von der WKStA für die Sicherstellung von Dokumenten im BVT herangezogen worden. Allerdings ging das BAK hierbei nicht mittels Hausdurchsuchung vor, sondern wählte das Instrument der Amtshilfe, weil es sich im staatlichen Bereich ausschließlich der Amtshilfe bedient. Im Jahr 2017 hatte es zum Beispiel einen Fall gegeben, bei dem das BAK mittels Amtshilfe vom BVT für die WKStA Unterlagen und elektronische Daten im Büro eines BVT-Bediensteten sichergestellt hat. Aus Sicht des BAK wäre es generell nicht verhältnismäßig, das Instrument der Hausdurchsuchung zu wählen, weil man bei jeder Sicherstellung von Daten auf die Kooperation des Betreffenden beziehungsweise seiner Vorgesetzten angewiesen ist. Nur wenn ein Amtshilfeersuchen scheitert, wird mittels Hausdurchsuchung vorgegangen, was in den Einsätzen des BAK im Laufe seiner Geschichte jedoch noch nie der Fall war.220

4.5.8.3. Allgemeines zur EGS Die Wiener Einsatzgruppe zur Bekämpfung der Straßenkriminalität (kurz: EGS) ist ein Assistenzdienst der Landespolizeidirektion Wien, der derzeit aus circa 80 Beamten besteht. Sie unterteilt sich in vier Gruppen: zwei Suchtgiftgruppen und zwei Eigentumsgruppen.221 Die EGS trägt keine Uniformen, sondern arbeitet ausschließlich in Zivilkleidung.222

Derzeitiger Leiter der EGS ist und war auch zum Zeitpunkt der Hausdurchsuchungen nicht, wie medial mehrfach behauptet wurde, Wolfgang Preiszler, sondern Christian Huber. Hingegen ist Wolfgang Preiszler stellvertretender Leiter des Assistenzdienstes des Landeskriminalamtes Wien, zu welchem neben der EGS auch Bereiche wie Fahndung,

218 a.a.O., S. 7. 219 a.a.O., S. 6. 220 a.a.O., S. 7ff. 221 77/KOMM XXVI. GP, 4, 16: Aussage D. S. (EGS). 222 a.a.O. S. 7.

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Analyse und Sondereinsatztechnik gehören. Insofern wird die EGS zwar nicht von Preiszler geleitet, sie untersteht ihm jedoch hierarchisch.223

Die EGS wird von Staatsanwaltschaften häufig zur Unterstützung bei Hausdurchsuchungen herangezogen, vor allem im Suchtgift- und Eigentumsbereich. Während der Suchgiftbereich selbsterklärend Suchtgiftdelikte betrifft, umfasst der Eigentumsbereich Delikte wie Taschendiebstahl, Raub oder Einbruch, aber auch eine Heranziehung bei Delikten wie Betrug und Mord kommt in der Praxis vor.224

Die Mitarbeiter der EGS, die im Suchtgiftbereich eingesetzt sind, nehmen jeweils circa 10- 15 Mal pro Jahr an Hausdurchsuchungen teil. Im Eigentumsbereich liegt die Teilnahmequote weit höher.225

Vor den meisten Hausdurchsuchungen, die die EGS begleitet, gibt es keine Einsatzbesprechungen, weil die Einsätze ad hoc stattfinden. Wenn es ausnahmsweise doch Einsatzbesprechungen gibt, so laufen diese bei der EGS generell nicht einheitlich ab. Es existiert aufgrund der Verschiedenartigkeit der zu planenden Einsätze kein generelles Prozedere für eine Einsatzplanung bei der EGS. Die Intensität der Planung hängt stark von der Art des Einsatzes sowie davon ab, wie viele Informationen bereits bekannt sind.226

Vor dem 28.2.2018 wurde die EGS noch nie zur Unterstützung bei der Beweissicherung in Räumlichkeiten von staatlichen Behörden herangezogen.227 Sehr wohl regelmäßig herangezogen wird sie jedoch zu Hausdurchsuchungen in nicht-staatlichen Büroräumlichkeiten. Circa zwei Drittel der Hausdurchsuchungen, an denen die EGS beteiligt ist, finden in Wohnräumen und ein Drittel in Büroräumen statt.228

4.5.8.4. Annahme der Anscheinsbefangenheit Das BAK wurde in der Causa BVT weder von der WKStA noch vom Generalsekretariat oder Kabinett des BMI kontaktiert. Es war vor den Hausdurchsuchungen nicht in die Ermittlungen involviert.229

Der Grund, warum Schmudermayer das BAK sowohl für Ermittlungsaufträge als auch für das

223 84/KOMM XXVI. GP, 4: Aussage Preiszler. 224 77/KOMM XXVI. GP, 4, 7: Aussage D. S. (EGS); 84/KOMM XXVI. GP, 5: Aussage Preiszler. 225 77/KOMM XXVI. GP, 7: Aussage D. S. (EGS); 83/KOMM XXVI. GP, 40: Aussage G. S. (EGS). 226 77/KOMM XXVI. GP, 7: Aussage D. S. (EGS); 83/KOMM XXVI. GP, 129: Aussage G. S. (EGS). 227 77/KOMM XXVI. GP, 13: Aussage D. S. (EGS). 228 83/KOMM XXVI. GP, 40: Aussage G. S. (EGS). 229 81/KOMM XXVI. GP, 5: Aussage Wieselthaler.

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Einschreiten bei der Hausdurchsuchung ausschloss, bestand darin, dass aus ihrer Sicht das gesamte BAK einer Anscheinsproblematik unterlag. Aufgrund der Ausführungen im Konvolut zum Direktor und weiteren Mitarbeitern des BAK erachtete Schmudermayer die gesamte Behörde als befangen, zumindest jedoch als anscheinsbefangen. Diese Problematik ergab sich für sie unter anderem aus der Berichtsstruktur im BMI. Beamte auf technischer Ebene wären verpflichtet gewesen, in der Hierarchiekette nach oben über die Ermittlungen Bericht zu erstatten, was zu einem Bekanntwerden des Verfahrens bei Personen hätte führen können, die von den Ermittlungen direkt oder indirekt betroffen waren.230

Aufgrund der erwähnten Berichtspflichten und weil auch Personen aus dem LKA Wien im Konvolut vorkamen, schloss Schmudermayer sämtliche Landeskriminalämter zumindest von etwaigen Ermittlungsaufträgen aus. Aus ihrer Sicht war sie daher darauf angewiesen, dass ihr die mit ihr in diesem Verfahren kooperierenden Personen des BMI eine vertrauenswürdige Polizeieinheit zur Verfügung stellen, die die polizeiliche Assistenz bei den Hausdurchsuchungen übernehmen würde.231

Nach Ansicht des BAK-Direktors Wieselthaler, die er in seiner Befragung vor dem Untersuchungsausschuss äußerte, wäre es der WKStA möglich gewesen, die ins Treffen geführte Anscheinsbefangenheit des BAK durch Ermittlungen auszuräumen, bevor sie das BAK als Gesamtes von ihren Ermittlungen ausschloss. Dies wäre seiner Ansicht nach vor allem deshalb leicht möglich gewesen, weil das Kooperationsprinzip der StPO den Aufgabenbereich der WKStA und des BAK, der sich sehr stark überschneidet, in einem sehr eingeschränkten, sehr spezialisierten Bereich festlegt. Daher arbeiten die WKStA und das BAK ständig sehr eng zusammen, wobei es in der Vergangenheit keine Probleme in der Zusammenarbeit gab. Wenn man sich den Inhalt des Konvoluts vergegenwärtigt, das sehr viele Leute teilweise sehr unkonkret anschuldigt, hätte man die Anscheinsbefangenheit des BAK auf einfache Weise ausräumen können und diese Vorwürfe gegenüber dem BAK so nicht im Raum stehen lassen müssen. Befangenheiten kann man auch ausräumen.232

Der von Wieselthaler geäußerten Kritik ist grundsätzlich zuzustimmen. Die WKStA hat keinerlei Ermittlungen unternommen, ihre Zweifel an der Unbefangenheit des BAK aus der Welt zu schaffen. Es wäre der WKStA möglich gewesen, in diese Richtung unter Umständen mit Involvierung der Expertise der Fachaufsicht der Oberbehörden Ermittlungen anzustellen, um die Expertise des BAK als jene Behörde, die auf derartige Strafverfahren wie die Causa BVT spezialisiert ist, in Anspruch nehmen zu können.

230 111/KOMM XXVI. GP, 23: Aussage Schmudermayer (1). 231 111/KOMM XXVI. GP, 23f: Aussage Schmudermayer (1). 232 81/KOMM XXVI. GP, 31f: Aussage Wieselthaler.

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4.5.8.5. Vorgang der Auswahl der EGS Am 21.2.2018 informierte Goldgruber Preiszler, der sich an diesem Tag im Krankenstand befand, telefonisch darüber, dass die EGS am 28.2.2018 bei einem Einsatz herangezogen werden solle. Er nannte dabei keine Einsatzdetails und erwähnte weder, dass es sich um eine Hausdurchsuchung handeln würde, noch, dass der Einsatzort das BVT sein würde. Hingegen fragte er Preiszler, ob die EGS ohne Vorbereitungszeit 30-40 Beamte für einen Einsatz bei der Unterstützung von Gerichtsaufträgen zur Verfügung stellen könne. Goldgruber teilte Preiszler nicht mit, um welche Gerichtsaufträge es sich dabei handeln könnte. Aufgrund seiner dienstlichen Erfahrung vermutete er, dass es sich um die Unterstützung bei einer Amtshandlung gegen den IS-Terrorismus handeln könnte.233

Am 26.2.2018 informierte Goldgruber Preiszler telefonisch, dass eine für den 27.2.2018 geplante Ehrung der EGS abgesagt sei. Hierfür nannte er keinen Grund, sondern sagte lediglich, dass Preiszler es schon verstehen werde, wenn es so weit sei. Außerdem stellte Goldgruber für den 27.2.2018 eine Besprechung des möglichen Einsatzes in Aussicht, an der Preiszler teilnehmen solle. Daher vermutete Preiszler bereits zu diesem Zeitpunkt, dass der von Goldgruber angekündigte Einsatz, über den er auch am 26.2.2018 keine näheren Informationen erhielt, wohl bald stattfinden werde.234

Für die Mitarbeiter der EGS auf Ebene der Gruppenführer wurde es im Rahmen der Einsatzplanung nicht ersichtlich, warum sie für die Unterstützung der WKStA bei der Hausdurchsuchung im BVT ausgewählt worden war. Ihnen wurde auch kein Grund genannt, warum gerade sie für diesen Einsatz ausgewählt worden waren.235

4.5.9. Vorbesprechung am Sitz der WKStA am 27.2.2018 Schmudermayer vereinbarte mit Lett und Goldgruber für den Nachmittag des 27.2.2018 eine Vorbesprechung des Einsatzes, der am nächsten Tag stattfinden sollte. Sie ging davon aus, dass Goldgruber/Lett bei der Vorbesprechung vom 27.2.2018 Vertreter einer Polizeieinheit hinzuziehen würden, um die technischen Abläufe zu klären.236

Am 27.2.2018 rief Goldgruber Preiszler zwischen 13:00 und 13:30 Uhr an und informierte ihn, dass am selben Tag um 15:00 Uhr eine Besprechung am Sitz der WKStA stattfinden werde.

233 77/KOMM XXVI. GP, 10, 14: Aussage D. S. (EGS); 84/KOMM XXVI. GP, 8-9: Aussage Preiszler; Dringliche Anfrage – Beantwortung Kickl 11.6.2018. 234 84/KOMM XXVI. GP, 9-10: Aussage Preiszler. 235 77/KOMM XXVI. GP, 4: Aussage D. S. (EGS). 236 111/KOMM XXVI. GP, 23f: Aussage Schmudermayer (1).

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Goldgruber nahm Preiszler mit seinem Dienstkraftwagen zu dieser Besprechung mit. Weder im vorangehenden Telefonat noch auf dem Weg zur WKStA teilte er ihm den geplanten Inhalt der Besprechung mit.237

Die besagte Besprechung fand am Sitz der WKStA von 15:00 bis circa 17:00 Uhr zur Vorbesprechung der Hausdurchsuchungen vom 28.2.2018 statt. Vonseiten der WKStA waren neben Schmudermayer noch Handler und Knezevic, vonseiten des BMI neben Goldgruber noch Lett und Preiszler anwesend. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte Preiszler keinerlei Kontakt zur WKStA in dieser Sache gehabt. Seine einzige Kontaktperson war Goldgruber gewesen. Er hatte vor der Vorbesprechung in der WKStA weder Schmudermayer noch Handler persönlich gekannt.238

Zu Beginn der Besprechung stellte Goldgruber allen übrigen Besprechungsteilnehmern Preiszler fälschlicherweise als Leiter der EGS vor.239 Goldgruber teilte den übrigen Besprechungsteilnehmern mit, dass Preiszler am nächsten Tag die WKStA zu den Hausdurchsuchungen im BVT begleiten werde. Erst hierdurch erfuhr Preiszler, dass es sich beim dem Einsatz, für den er sich bereithalten sollte, um mehrere Hausdurchsuchungen im BVT handelte. Im weiteren Besprechungsverlauf wurden die äußeren Sicherheitsvorkehrungen im BVT-Gebäude rudimentär erörtert. Die Anwesenden waren sich einig, dass kein gewaltsames Eindringen in das Gebäude stattfinden solle. Preiszler verließ die Besprechung frühzeitig, um am selben Abend am Sitz der EGS noch eine erste Einsatzbesprechung abhalten zu können.240

4.5.10. Einsatzbesprechung am Sitz der EGS am 27.2.2018 Nach der Vorbesprechung bei der WKStA gab es bei der EGS noch eine Einsatzbesprechung am Abend des 27.2.2018 für die Hausdurchsuchungen vom 28.2.2018. Bei dieser Einsatzbesprechung, die von circa 18:00 bis 20:00 Uhr dauerte, waren circa 15 Personen anwesend, darunter der stellvertretende Leiter der Assistenzbereiche und spätere Einsatzleiter der Hausdurchsuchungen Wolfgang Preiszler, der EGS-Leiter Christian Huber sowie alle dienstführenden Beamten, die am nächsten Tag eingesetzt werden sollten. Im Lauf der Besprechung zusätzlich hinzugeholt wurde Revierinspektor W. R. (EGS), der als einziger nicht-dienstführender Beamter an der Besprechung teilnahm. 241

237 84/KOMM XXVI. GP, 10: Aussage Preiszler. 238 84/KOMM XXVI. GP, 9-10: Aussage Preiszler. 239 OStA Wien, Tagebuch der WKStA zu 6 St 2/18f, S. 40. 240 84/KOMM XXVI. GP, 5, 8, 10: Aussage Preiszler; OStA Wien, Tagebuch der WKStA zu 6 St 2/18f, S. 40; 77/KOMM XXVI. GP, 30f: Aussage D. S. (EGS). 241 77/KOMM XXVI. GP, 5, 11f: Aussage D. S. (EGS).

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Am Weg von der WKStA zum Sitz der EGS rief Preiszler den Dienststellenleiter der EGS Christian Huber an und informierte ihn, dass er am Weg zum Sitz der EGS sei und dort direkt nach seiner Ankunft eine Besprechung über einen für den nächsten Tag zu planenden Einsatz stattfinden werde und er alle dienstführenden Beamten hierüber in Kenntnis setzen solle.242 Daraufhin informierte Huber persönlich sämtliche dienstführenden Beamten hierüber und ordnete an, dass sie für die Dauer der Besprechung im Dienst zu bleiben hätten.243

Preiszler leitete die Besprechung und teilte die Anwesenden für den nächsten Tag ein.244 Er erklärte, dass der Einsatzgrund mehrere Anordnungen der WKStA von Hausdurchsuchungen im BVT seien, die am nächsten Tag mit Unterstützung der EGS sattfinden sollten. Nähere Details zu den Anordnungen nannte er nicht, weil er sie auch selbst gar nicht kannte.245 Er teilte den dienstführenden Beamten mit, dass sämtliche bisher für den nächsten Tag geplanten Aufgaben durch diese neue Aufgabe ersetzt werden würden.246

Inhaltlich wurden die einzelnen Aufgaben im Groben besprochen. Zuerst erteilte Preiszler eine Erstinformation, dass die EGS am nächsten Tag Hausdurchsuchungen im BVT und an mehreren Wohnorten von BVT-Mitarbeitern durchführen würde. Die Namen der Betroffenen wurden nicht genannt. Die Anwesenden versuchten, einen Grundplan zu erörtern. Den Besprechungsteilnehmern stand kein Lageplan zur Verfügung. Sie arbeiteten daher mit einem Flipchart und einem Google-Maps-Plan. Selbst Einsatzleiter Preiszler hatte keine detaillierte Ortskenntnis des BVT-Gebäudes, weil er selbst noch nie dort gewesen war. Ihm lag kein Gebäudeplan vor. Er wusste von Goldgruber lediglich, in welchem der beiden Gebäudeteile der Zutritt erfolgen sollte sowie welche Stockwerke und Stockwerksteile betroffen sein würden. Nicht bekannt war ihm die jeweilige Lage der betroffenen Büros.247

Der Google-Maps-Plan diente zur Veranschaulichung, wo es Sicherheitsschleusen gibt, wie man ins BVT hineinkommt und wie es im Gebäude innen aussieht. Weil keiner der Anwesenden je im BVT Dienst gemacht hatte und daher niemand die Örtlichkeiten kannte, wurde Revierinspektor W. R. (EGS) zur Besprechung hinzugeholt. W. R. (EGS) nahm als einziger nicht dienstführender Beamter an der Besprechung teil, um seine örtliche Expertise einzubringen. W. R. (EGS) steuerte das Wissen bei, dass es im BVT eine Sicherheitsschleuse

242 77/KOMM XXVI. GP, 6, 10, 24: Aussage D. S. (EGS); 83/KOMM XXVI. GP, 3, 13: Aussage G. S. (EGS). 243 83/KOMM XXVI. GP, 13, 18: Aussage G. S. (EGS). 244 77/KOMM XXVI. GP, 18: Aussage D. S. (EGS). 245 83/KOMM XXVI. GP, 14: Aussage G. S. (EGS). 246 77/KOMM XXVI. GP, 6, 10, 16, 24: Aussage D. S. (EGS). 247 77/KOMM XXVI. GP, 5, 11f, 22: Aussage D. S. (EGS); 83/KOMM XXVI. GP, 3: Aussage G. S. (EGS); 84/KOMM XXVI. GP, 5: Aussage Preiszler.

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gibt, die man überwinden muss, um in das Gebäude zu gelangen. Weiters wusste er, dass es eine Masterkeycard, eine Art elektronischen Generalschlüssel gibt, der in der Sicherheitszentrale vorhanden ist und den man benötigt, um in die weiteren Räumlichkeiten vorzudringen. W. R. (EGS) stellte auch sein Wissen zur Verfügung, wo sich die IKT-Abteilung und die Referate für Extremismus und Nachrichtendienst im Gebäude befinden, sodass dies bei der Besprechung bereits bekannt war.248 Außer W. R. (EGS) kannte niemand der Anwesenden die Räumlichkeiten des BVT.249

Bei der Besprechung entstand die Grundidee dafür, dass man sich mit einem Trick Zugang zur Sicherheitszentrale verschaffen könnte. Einen Trick musste man sich aus Sicht der an der Besprechung teilnehmenden EGS-Beamten aufgrund der Gefährdungseinschätzung einfallen lassen, dass die sicherzustellenden Daten per Fernlöschung beseitigt werden könnten. Daher lautete die Maßgabe, so schnell wie möglich die betreffenden Büros zu sichern und dort beweissichernd vorzugehen.250 Eine weitere Gefahrenlage, die allgemein besprochen wurde, war die Tatsache, dass die Betroffenen der Hausdurchsuchung im BVT ebenso wie die EGS- Beamten selbst bewaffnet sein würden. Hierauf wurde zwar nicht im Detail eingegangen, aber die Beamten sollten im Hinterkopf behalten, dass das Gegenüber ebenfalls bewaffnet sein würde. Aus diesem Grund sowie ebenso aufgrund der angenommenen Möglichkeit der Fernlöschung wurden die Beamten angewiesen, beim Einsatz am nächsten Tag immer auf die Hände der Betroffenen zu achten.251

Nicht besprochen wurde, welche Personen von den Hausdurchsuchungsanordnungen betroffen seien und welche Gegenstände sicherzustellen sein würden. Die Namen der Beschuldigten und Betroffenen waren den EGS-Beamten bei der Einsatzbesprechung nicht bekannt.252 Weiters war es kein Thema bei der Einsatzbesprechung, welche Beamten genau für welche Räumlichkeiten im BVT zuständig sein würden, wie beziehungsweise mit welchen Behältern die sicherzustellenden Daten und Gegenstände abtransportiert werden sollten. Datensicherheit war also kein Thema der Einsatzbesprechung.253 Ebenfalls nicht thematisiert wurde, wie die EGS-Beamten zu reagieren hätten, falls es seitens der betroffenen und bewaffneten BVT-Beamten bei der Amtshandlung zu physischer Gegenwehr gekommen wäre.254

248 77/KOMM XXVI. GP, 12f, 15: Aussage D. S. (EGS). 249 77/KOMM XXVI. GP, 24: Aussage D. S. (EGS); 83/KOMM XXVI. GP, 14: Aussage G. S. (EGS). 250 77/KOMM XXVI. GP, 13, 18: Aussage D. S. (EGS). 251 77/KOMM XXVI. GP, 27: Aussage D. S. (EGS). 252 83/KOMM XXVI. GP, 13f: Aussage G. S. (EGS). 253 77/KOMM XXVI. GP, 11, 18ff: Aussage D. S. (EGS). 254 77/KOMM XXVI. GP, 25: Aussage D. S. (EGS).

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Nach der Besprechung verständigten die Anwesenden ihre jeweiligen zugeteilten Beamten telefonisch darüber, dass für den nächsten Tag ein größerer Einsatz geplant sei und informierten sie über den Zeitpunkt des Dienstbeginns. Diese Vorgehensweise entspricht der üblichen Verständigungskette bei der EGS.255 Zusammenfassend gestaltete sich die Einsatzplanung der EGS sehr rudimentär, weil nicht viel Vorbereitungszeit zur Verfügung stand.256

4.5.11. Anordnungen der Durchsuchung und Sicherstellung Am 27.2.2018 erließ die WKStA sechs Anordnungen zur Durchsuchung und Sicherstellung gegen drei Beschuldigte und drei unbeteiligte Betroffene, allesamt BVT-Mitarbeiter. Die Durchsuchungsanordnungen betrafen sechs Büros von BVT-Mitarbeiter sowie vier private Wohnsitze. Bei zwei Betroffenen wurde keine Durchsuchung des Wohnsitzes angeordnet. Mit einer weiteren Anordnung verfügte die WKStA die Vorführung zur sofortigen Vernehmung von Wolfgang Zöhrer, der zu diesem Zeitpunkt noch Beschuldigter war.

Bevor Schmudermayer die Anordnungen erlassen konnte, musste die WKStA noch die Sachverhalte, die ursprünglich nicht in ihre Zuständigkeit fielen, nach § 20b Abs 3 StPO an sich ziehen, was ebenfalls am 27.2.2018 geschah.257

Schmudermayer bereitete die Anordnungen am 27.2.2018 vor, nachdem sich für sie der Tatverdacht nach der vierten Zeugenvernehmung vom 26.2.2018 ausreichend erhärtet hatte. (Siehe Ausführungen oben.) Die Vorbereitung dauerte von den frühen Nachmittags- bis in die späten Abendstunden und wurde von einer Vorbesprechung mit Vertretern des BMI in der WKStA unterbrochen. (Zur Besprechung siehe ebenfalls oben.)

Neben individualisierten Begründungsteilen enthielten alle Anordnungen folgende Begründung zum Tatverdacht:258

„Im Rahmen eines umfangreichen Konvoluts (ON 2), welches im Juli 2017 in der Zentralen Staatsanwaltschaft zur Verfolgung von Wirtschaftsstrafsachen und Korruption einlangte, erhob ein anonymer Anzeige [sic!] zahlreiche Vorwürfe verschiedener strafbarer Handlungen insbesondere gegen Bedienstete des Bundesamtes für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT), aber auch gegen andere Beschuldigte des Bundesministeriums für Inneres (BMI).

Zu einzelnen dieser strafbaren Handlungen konnten zwischenzeitlich mehrere

255 83/KOMM XXVI. GP, 10: Aussage G. S. (EGS). 256 84/KOMM XXVI. GP, 5: Aussage Preiszler. 257 111/KOMM XXVI. GP, 44: Aussage Schmudermayer (1). 258 AP N. B. (BVT), Anordnung der Durchsuchung und Sicherstellung der WKStA vom 27.2.2018, S. 1- 8.

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Zeugen, deren Identität der Staatsanwaltschaft bekannt ist, die jedoch im Hinblick auf eine ernste Gefahr für Leben, Gesundheit, körperliche Unversehrtheit oder Freiheit um Schutz der persönlichen Daten ersucht haben (§ 162 StPO), Angaben machen, sodass nunmehr aufgrund dieser Zeugenaussagen (ON 30 bis 33) und aufgrund der Angaben des anonymen Anzeigers von folgendem Tatverdacht auszugehen ist:

Demnach sind nachstehende Personen, allesamt Beamte, verdächtig, mit dem Vorsatz, dadurch einen anderen an seinen Rechten zu schädigen, ihre Befugnis im Namen des Bundes als deren Organe in Vollziehung der Gesetze Amtsgeschäfte vorzunehmen, wissentlich missbraucht und dadurch das Verbrechen des Missbrauchs der Amtsgewalt gemäß § 302 Abs 1 StGB begangen zu haben, und zwar:

I. Mag. B. P. (BVT), Referatsleiter für Nachrichtendienst im BVT, und CI F. S. (BVT), Mitarbeiter im BVT, im bewussten und gewollten Zusammenwirken als Mittäter zu einem noch festzustellenden Zeitpunkt im Jahr 2016 mit dem Vorsatz, die Sozialistische Republik Nordkorea als Auftraggeberin der Österreichischen Staatsdruckerei an ihrem Recht auf die Ausfolgung von exklusiv über Bestellung angefertigten Reisepassrohlingen ausschließlich an autorisierte Personen, somit in ihrem Anspruch auf ordnungsgemäße Erfüllung der werkvertraglichen Pflichten durch den Werkunternehmer, zu schädigen, indem sie sich in Ausübung ihrer nachrichtendienstlichen Befugnisse von der Österreichischen Staatsdruckerei rechtswidrig etwa 30 nordkoreanische Reisepassrohlinge verschafften, um anschließend zumindest 3 Stück davon an den südkoreanischen Geheimdienst weiterzugeben;

II. Mag. B. P. (BVT) und C. H. (BVT), Referatsleiter im BVT, im bewussten und gewollten Zusammenwirken als Mittäter zu einem noch festzustellenden Zeitpunkt zwischen Anfang 2014 und September 2015 mit dem Vorsatz, dadurch noch auszuforschende Personen an ihrem Recht auf Schutz von durch das BVT erlangten und verarbeiteten personenbezogenen Daten durch deren Vernichtung bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen zu schädigen, indem sich Mag. B. P. (BVT) vor Ablauf der Skartierungsfrist zu löschender Akten Kopien dieser Akten zu seiner persönlichen Verwendung anfertigen ließ und C. H. (BVT) ihn dabei dadurch unterstützte, dass er entweder selbst diese Kopien anfertigte oder den Auftrag zur Anfertigung der Kopien an noch auszuforschende Beamte des BVT erteilte;

III. Wolfgang ZÖHRER, als Leiter des Referats II/BVT/2 (Informationsgewinnung, Ermittlung, operative Analyse und Auswertung), von einem noch festzustellenden Zeitpunkt bis zum 30. September 2013 mit dem Vorsatz, dadurch noch auszuforschende Personen, deren Daten durch das BVT erlangt und verarbeitet wurden, in ihrem Recht auf Datenschutz zu schädigen, indem entgegen der ihn treffenden gesetzlich vorgesehenen Pflicht nach dem SPG die Löschung von personenbezogenen Daten mutwillig unterließ;

IV. Mag. B. P. (BVT) zu einem noch festzustellenden Zeitpunkt, vermutlich im Jahr 2015, mit dem Vorsatz, dadurch Rechtsanwalt Dr. Gabriel Lansky in seinem Recht auf Schutz von seinem Berufsgeheimnis unterliegenden Daten zu schädigen, indem er diese Daten, die im Zuge des Strafverfahrens gegen den genannten Rechtsanwalt sichergestellt worden waren und aufgrund eines

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Beschlusses des Oberlandesgerichtes Linz infolge des bestehenden Verwertungsverbots gelöscht werden mussten, kopieren ließ, um sie weiter verwenden zu können;

V. Peter GRIDLING, Direktor des BVT, A. zu einem noch festzustellenden Zeitpunkt im September 2014, mit dem Vorsatz, dadurch jene noch auszuforschenden Personen, deren Daten durch das BVT erlangt und verarbeitet worden waren, in ihrem Recht auf Datenlöschung zu schädigen, indem er es nach Kenntniserlangung des unter Punkt II. geschilderten Sachverhalts im Dienstweg entgegen seiner Verpflichtung als direkter Vorgesetzter des Mag. B. P. (BVT) mutwillig unterließ, diesem die Anweisung zu erteilen, die hergestellte Datenkopie zu löschen und somit den gesetzeskonformen Zustand wiederherzustellen;

B. zu einem noch näher festzustellenden Zeitpunkt im Jahr 2015, mit dem Vorsatz, dadurch Rechtsanwalt Dr. Gabriel Lansky in seinem Recht auf Schutz von seinem Berufsgeheimnis unterliegenden Daten zu schädigen, indem er es nach Kenntniserlangung des unter Punkt IV. geschilderten Sachverhalts im Dienstweg entgegen seiner Verpflichtung als direkter Vorgesetzter des Mag. B. P. (BVT) mutwillig unterließ, diesem die Anweisung zu erteilen, die hergestellte Datenkopie zu löschen und somit den gesetzeskonformen Zustand wiederherzustellen.“259

Die Beurteilung des Tatverdachts, den die WKStA und in der Folge auch der Journalrichter zum Zeitpunkt des 27.2.2018 annahmen, steht dem Untersuchungsausschuss nicht zu sondern obliegt der unabhängigen Rechtssprechung. In seinen Beschlüssen vom 28.8.2018 vertrat das OLG Wien, die weiter unten in einem eigenen Abschnitt erörtert werden, die Rechtsmeinung, dass der Tatverdacht in Bezug auf sämtliche Beschuldigte, mit Ausnahme des nunmehr ehemaligen Beschuldigten C. H. (BVT) zurecht angenommen wurde.

4.5.12. Gerichtliche Bewilligung der Anordnungen beim Journalrichter Die Beantragung der gerichtlichen Bewilligung der sechs Anordnungen zur Durchsuchung und Sicherstellung erfolgte am 27.2.2018 um circa 22:30 Uhr telefonisch beim zuständigen Journalrichter des LGSt Wien Ulrich Nachtlberger. Vor dem Telefonat war der Ausgang des Gesprächs für Schmudermayer ergebnisoffen. Sie wusste nicht, ob der unabhängige Richter die Anordnungen bewilligen würde oder nicht.260

In diesem Telefonat erfuhr Nachtlberger erstmals, dass der Ort der geplanten Hausdurchsuchungen unter anderem das BVT sein werde.261 Schmudermayer, die bis zu

259 AP N. B. (BVT), Anordnung der Durchsuchung und Sicherstellung der WKStA vom 27.2.2018, S. 1- 8. 260 111/KOMM XXVI. GP, 54: Aussage Schmudermayer (1). 261 112/KOMM XXVI. GP, 3: Aussage Nachtlberger.

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diesem Zeitpunkt in der Causa BVT persönlich noch keinen Kontakt mit Nachtlberger gehabt hatte und diesen rein dienstlich kannte, rief selbst bei Nachtlberger am Journalhandy an, nachdem sie die schriftlichen Anordnungen fertiggestellt hatte. Das Telefongespräch dauerte circa 10-15 Minuten.262

Inhaltlich verlief das Telefonat wie folgt: Schmudermayer trug den Sachverhalt gemäß den schriftlichen Anordnungen zusammengefasst mündlich vor. Sie teilte Nachtlberger mit, dass ein Teil der Anordnungen Beschuldigte und ein anderer Teil Betroffene betrafen. Sie sagte auch, dass sie im Büro von S. G. (BVT) ausgedruckte E-Mails sowie ihre Mailbox sicherstellen wolle, weil es ihr darum ging, alle elektronischen Daten sicherzustellen, die möglicherweise den Vorwurf gegen Zöhrer belegen würden.263 Schmudermayer betonte gegenüber Nachtlberger, dass es wichtig sei, dass von diesem Verfahren so wenige Personen wie möglich erführen.264

Nach dem Referat des Sachverhalts durch Schmudermayer bewilligte Nachtlberger sämtliche Anordnungen mündlich während desselben Telefonats.265

Im Journaldienst ist es im Gegensatz zum normalen Gerichtsbetrieb üblich, dass der Journalrichter seine Entscheidungen auf Basis von mündlichen Referaten durch die beantragenden Staatsanwälte trifft. Eine Übermittlung der Akten per E-Mail oder Boten ist nicht vorgesehen.266 Die Abwicklung der telefonischen Antragstellung und Bewilligung durch den Journalrichter wies nach den Erkenntnissen des Untersuchungsausschusses daher keine Auffälligkeiten auf.

4.5.13. Fazit Zwar sagten Schmudermayer und Handler in ihren Befragungen vor dem Untersuchungsausschuss, dass die Wünsche des BMI in Richtung Zwangsmaßnahmen und die Ankündigung von Suspendierungen keinen Einfluss auf ihre Ermittlungen gehabt hätten. Aus ihrer Sicht seien die Äußerungen der hochrangigen BMI-Bediensteten für das Strafverfahren nicht relevant gewesen. Die rasante Entwicklung und hohe Ermittlungsintensität in der Causa BVT in der letzten Woche vor den Hausdurchsuchungen sprechen jedoch unter Berücksichtigung der Interventionen von Lett und Goldgruber eine

262 111/KOMM XXVI. GP, 54: Aussage Schmudermayer (1); 112/KOMM XXVI. GP, 6, 9: Aussage Nachtlberger. 263 111/KOMM XXVI. GP, 54f: Aussage Schmudermayer (1). 264 112/KOMM XXVI. GP, 5: Aussage Nachtlberger. 265 112/KOMM XXVI. GP, 3: Aussage Nachtlberger. 266 112/KOMM XXVI. GP, 10, 24: Aussage Nachtlberger.

www.parlament.gv.at 695 der Beilagen XXVI. GP - Ausschussbericht NR - Berichterstattung 99 von 298 95 andere Sprache. Handler räumte in diesem Zusammenhang ein, dass etwaige vor den Hausdurchsuchungen ausgesprochene Suspendierungen nachteilig für den Verlauf des Strafverfahrens gewesen wären, weil die WKStA bei Bekanntwerden der Ermittlungen einen Beweismittelverlust fürchtete.267

Im staatsanwaltlichen Tagebuch zur Causa BVT sind die zahlreichen Kontaktaufnahmen durch Goldgruber und Lett dokumentiert. Es kann aufgrund der Dichte und der Art ihres Auftretens zum Beispiel in Form der Vermittlung und Begleitung von Zeugen durch Lett nicht von der Hand gewiesen werden, dass die Spitze des BMI versuchte, das Verfahren dahin zu beeinflussen, dass die WKStA mit gerichtlicher Bewilligung Hausdurchsuchungen im BVT durchführt.

Es gibt zwar keine eindeutigen Nachweise für diese Schlussfolgerung, doch deuten sämtliche Indizien darauf hin, dass das Kabinett/Generalsekretariat des BMI die WKStA in eine bestimmte Richtung drängen wollte und auch nicht über die Vorbesprechungen mit Zeugen informierte.

Bei dieser Einschätzung ist selbstverständlich zu berücksichtigen, dass jedes Ermittlungsverfahren mit Druck verbunden ist. Es herrscht im Strafverfahren stets eine allgemeine Drucksituation.268 Auch sind es die allesamt erfahrenen Staatsanwälte der WKStA mit Sicherheit gewohnt, mit Drucksituationen verschiedenster Art umzugehen, doch hatten sie es hier mit einem Verfahren mit einer Vielzahl an Besonderheiten zu tun. Eigentümlich war nicht nur das von innen, aus dem BVT heraus entstandene anonyme Anzeigenkonvolut, das zig Spitzenbeamte unter Generalverdacht stellte, sondern auch die Ansage des höchsten Beamten des BMI, Generalsekretär Goldgruber, er habe den Auftrag, das BMI „aufzuräumen“. Es wäre wünschenswert gewesen, wenn die ermittelnden Staatsanwälte ihren Ermittlungsdrang zugunsten von Objektivität und Folgenabschätzung etwas zurückgenommen hätten. Mit etwas weniger Tempo hätte der enorme Schaden, der durch das für einen Nachrichtendienst an sich abträgliche Medieninteresse am allgemeinen Vertrauen in das BVT entstanden ist, unter Umständen abgewendet werden können.

Künftig wird im Rahmen der fortzuentwickelnden Rechtsordnung und des Berichtswesens dafür Sorge zu tragen sein, dass eine derartige (unbemerkte) Beeinflussung möglichst nicht mehr geschehen kann. (Siehe hierzu die abschließenden Empfehlungen dieses Berichts.)

267 111/KOMM XXVI. GP, 52f: Aussage Schmudermayer (1); 113/KOMM XXVI. GP, 33f: Aussage Handler (1). 268 Vgl zB 132/KOMM XXVI. GP, 12: Aussage Moser.

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4.6. Durchführung der Hausdurchsuchungen am 28.2.2018 4.6.1. Einleitender Überblick Nach der ersten Einsatzbesprechung am 27.2.2018, bei der die Abwicklung der geplanten Hausdurchsuchungen besprochen wurde269, kam es am 28.2.2018 zur Durchführung von Hausdurchsuchungen an insgesamt fünf verschiedenen Standorten in Wien und Niederösterreich.270 Zur Unterstützung der fallführenden Oberstaatsanwältin Schmudermayer waren fünf weitere Staatsanwälte der WKStA im Einsatz. Ziel war es, an jedem Durchsuchungsort sowie in der WKStA jeweils einen Staatsanwalt vor Ort zu haben.271

Neben den Hausdurchsuchungen von sechs272 Büroräumlichkeiten im BVT-Hauptgebäude, (Rennwegkaserne, Landstraßer Hauptstraße 148B, 1030 Wien), fanden Hausdurchsuchungen an vier Privatwohnsitzen statt.273 Im BVT selbst waren die Büroräumlichkeiten von sechs Mitarbeitern betroffen: F. S. (BVT), B. P. (BVT), F. K. (BVT), N. B. (BVT), C. H. (BVT) und S. G. (BVT). Von diesen betroffenen Personen wurden B. P. (BVT), F. S. (BVT) und C. H. (BVT) als Beschuldigte in diesem Verfahren geführt, während F. K. (BVT), N. B. (BVT) und S. G. (BVT) lediglich Zeugen waren.274

Um 5:00 Uhr früh erfolgte die Informationsbekanntgabe der bevorstehenden Hausdurchsuchungen an die beteiligten Beamten der EGS durch die jeweiligen Teamleiter sowie durch die mit dem Vollzug der Hausdurchsuchungen befassten Staatsanwälte der WKStA.275 Grundprämisse für alle Hausdurchsuchungen war ein schnelles aber gewaltloses Vorgehen, um die Vernichtung und/oder Manipulationen von Beweismitteln möglichst zu verhindern.276 Die finale Einsatzbesprechung zur konkreten Planung der Vorgehensweise vor Ort fand am Morgen des 28.2.2018 um 6:30 Uhr statt.277

Die Hausdurchsuchungen dauerten von 9:00 Uhr bis circa 19:00 Uhr und endeten mit einer

269 111/KOMM XXVI. GP, 8: Aussage Schmudermayer (1). 270 170/KOMM XXVI. GP, 9: Aussage Prach; 80/KOMM XXVI. GP, 13f: Aussage B. P. (BVT) (1); 118/KOMM XXVI. GP, 4f, 18: Aussage Wruhs. 271 111/KOMM XXVI. GP, 38f: Aussage Schmudermayer (1). 272 Anfragebeantwortung Moser 1773/AB vom 26.11.2018 zu 1767/J (XXVI.GP), S. 2, https://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXVI/AB/AB_01773/imfname_723510.pdf. 273 170/KOMM XXVI. GP, 9: Aussage Prach; 80/KOMM XXVI. GP, 13f: Aussage B. P. (BVT) (1); 118/KOMM XXVI. GP, 4f, 18: Aussage Wruhs. 274 111/KOMM XXVI. GP, 5ff, 51: Aussage Schmudermayer (1); 76/KOMM XXVI. GP, 8: Aussage N. B. (BVT); OStA Wien, Tagebuch der WKStA zu 6 St 2/18f, Informationsbericht Nr. 2 vom 9.3.2018, S. 8. 275 84/KOMM XXVI. GP, 16f: Aussage Preiszler; 77/KOMM XXVI. GP, 22f: Aussage D. S. (EGS). 276 111/KOMM XXVI. GP, 7f: Aussage Schmudermayer (1); 84/KOMM XXVI. GP, 11: Aussage Preiszler. 277 84/KOMM XXVI. GP, 16: Aussage Preiszler.

www.parlament.gv.at 695 der Beilagen XXVI. GP - Ausschussbericht NR - Berichterstattung 101 von 298 97 ersten Nachbesprechung (unmittelbar nach Abschluss der Amtshandlung) in der WKStA sowie der Verwahrung der sichergestellten Gegenstände in einem eigens dafür vorgesehen Raum in der WKStA.278

278 OStA Wien, Tagebuch der WKStA zu 6 St 2/18f, Aktenvermerk vom 1.3.2018, S. 41.

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4.6.1.1. Chronologischer Ablauf 4.6.1.1.1. Vorbereitung der Hausdurchsuchungen Datum Uhrzeit Ort Betreff 28.2.2018 ca. 5:00 EGS-Kaserne Dienstantritt und Uhr 12. Bezirk Wien Informationsbekanntgabe an die EGS-Beamten ca. 6:30 EGS-Kaserne Finale Einsatzbesprechung mit den Staatsanwälten Uhr 12. Bezirk Wien (Schmudermayer, Ramusch, Schmitt, Purkart), den IT-Experten (Knezevic und Wruhs) und den EGS- Beamten

4.6.1.1.2. Durchsuchung des BVT-Gebäudes Datum Uhrzeit Ort Betreff 28.2.2018 ca. 8:30 Gegenüber vom Einsatzbereitschaft und Warten auf den Uhr Eingang BVT- Einsatzbefehl Gebäude ca. 9:00 Eingang Beginn der HD im BVT-Gebäude Uhr Rennweg Das Ersteinschreiterteam (Preiszler, Huber, König, W. R. (EGS), Schmudermayer) begehrt Einlass ca. 9:00 Sicherheits- Sicherheitszentrale wird außer Kraft gesetzt Uhr bis zentrale und 9:30 Uhr weitere Räume Verteilung der EGS-Beamten auf die Räumlichkeiten und Untersagung jeglicher Tätigkeiten für die von den Durchsuchungen betroffenen BVT-Mitarbeiter Einfahrtsbereich Ein Fahrzeug blockiert die Ein-und Ausfahrt zum der BVT-Zufahrt BVT-Gebäude unter Vortäuschung einer Autopanne ab 9:00 Uhr IKT-Bereich Sämtliche Handlungen der Bediensteten werden untersagt ca. 9:30 Büro S. G. (BVT) Schmudermayer händigt S. G. (BVT) die AO aus und Uhr ordnet die Durchsuchung des Extremismusreferates an ca. 10:00 BVT-Gebäude Eintreffen der IT-Teams der Steuerfahndung und Uhr Instruierung durch Knezevic ca. 11:00 Büro S. G. (BVT) Beginn der Durchsuchung des Extremismusreferates Uhr ca. 12:00 Büro S. G. (BVT) Neuerliche Weisung von Schmudermayer im Uhr Extremismusreferat: Suche nach Mailverkehr betreffend Zöhrer ca. 15:30 BVT-Gebäude Ende der Durchsuchungshandlungen Uhr

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ca. 16:40 BVT-Gebäude / Schmudermayer begleitet den ersten Uhr WKStA Datenabtransport zur WKStA ca. 18.00 Wohnort Journalrichter Nachtlberger unterzeichnet die am Uhr Nachtlberger Vorabend mündlich bewilligten AO ca.18:40 BVT-Gebäude / Schmudermayer begleitet den zweiten Uhr WKStA Datenabtransport zur WKStA Verlassen des Gebäudes und Ende der Durchsuchungen ca. 19:00 WKStA Nachbesprechung mit der Leiterin der WKStA Uhr ca. 21:00 WKStA Die letzten sichergestellten Gegenstände werden in Uhr die WKStA verbracht

4.6.1.1.3. Tabellarische Übersicht der Anordnungen Ende der Beginn der Staatsanwalt IT-Techniker Sicherheit Durchsuchun Durchsuchung gen Knezevic, zwei BVT-Gebäude OStA ca 35 EGS- ca 9:00 Uhr Teams der ca 19:00 Uhr (Wien): Schmudermayer Beamte Steuerfahndung

Wohnort N. B. (BVT) sechs EGS- (Niederösterreich): ca 9:15 Uhr StA Purkart Wruhs ca 19:30 Uhr Beamte

ein Team der Wohnort B. P. (BVT) Steuerfahndung sechs EGS- ca 9:30 Uhr OStA Schmitt ca 15:00 Uhr (Niederösterreich): (vom BVT-Gebäude Beamte abgezogen)

Wohnort F. K. (BVT) ein Team der acht EGS- ca 13:00 Uhr StA Purkart ca 17:00 Uhr (Niederösterreich): Steuerfahndung Beamte

Wohnort C. H. (BVT) zwei Mitarbeiter sechs EGS- (Wien): ca 11:15 Uhr OStA Ramusch ca 16:30 Uhr von Wruhs Beamte

Vernehmung des drei EGS- Beschuldigten ca 9:30 Uhr OStA Handler --- ca 13:00 Uhr Beamte Zöhrer in der WKStA

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4.6.2. Einsatzbesprechung am 28.2.2018 Die finale Einsatzbesprechung zur konkreten Planung der Vorgehensweise an den jeweiligen Örtlichkeiten der Hausdurchsuchung fand am Morgen des 28.2.2018 in den Räumlichkeiten der EGS statt.279 Die EGS-Beamten traten um 5:00 Uhr ihren Dienst an und versammelten sich zur Einsatzbesprechung. Nach und nach trafen die Staatsanwälte sowie die IT-Techniker ein.280

Bei der Besprechung waren die fallführende Oberstaatsanwältin Ursula Schmudermayer, Oberstaatsanwältin Alexandra Ramusch, Oberstaatsanwalt Marcus Schmitt, Staatsanwalt Matthias Purkart, Beamte der Landespolizeidirektion Wien, der IT-Techniker der WKStA Nikola Knezevic und der gerichtlich beeidete Sachverständige Andreas Wruhs anwesend.281

Schmudermayer wurde die Erstfassung des Einsatzplans, der bei der Besprechung der EGS- Beamten am Vortag konzipiert worden war, vorgestellt.282 Zudem wurden die EGS-Beamten in verschiedene Teams für die jeweiligen Örtlichkeiten eingeteilt.283

Bei dieser Einsatzbesprechung wurde vereinbart, dass bei den Durchsuchungen, insbesondere beim Eindringen in das Gebäude, keine Gewalt angewendet werden dürfe.284 Um gewaltlos, schnell und unauffällig in die Sicherheitszentrale des BVT-Gebäudes zu gelangen, war die Anwendung eines Tricks notwendig. Die Idee, sich als Kollegen beziehungsweise als Delegation auszugeben, um in das BVT-Gebäude zu gelangen, stammte von W. R. (EGS).285 Die Anwendung dieses Tricks wurde im Team besprochen und fand die Zustimmung aller Beteiligten.286 Für den Fall, dass der Trick nicht funktioniert hätte, vereinbarten Schmudermayer und Preiszler noch im Auto am Weg zum BVT-Gebäude, dass die Hausdurchsuchung abgebrochen werden müsse.287

Preiszler wies die EGS-Beamten an, aus Sicherheitsgründen Unterziehwesten zu tragen und beim Betreten der Sicherheitszentrale Polizeiüberziehwesten anzulegen. Dies solle ein leichtes Unterscheiden der einschreitenden EGS-Beamten von den BVT-Mitarbeitern ermöglichen.288

279 83/KOMM XXVI. GP, 34: Aussage G. S. (BVT). 280 84/KOMM XXVI. GP, 17: Aussage Preiszler. 281 83/KOMM XXVI. GP, 17, 23: Aussage G. S. (BVT); 85/KOMM XXVI. GP, 5: Aussage König. 282 83/KOMM XXVI. GP, 34: Aussage G. S. (BVT). 283 85/KOMM XXVI. GP, 5: Aussage König. 284 84/KOMM XXVI. GP, 29: Aussage Preiszler. 285 86/KOMM XXVI. GP, 6: Aussage W. R. (EGS). 286 84/KOMM XXVI. GP, 19: Aussage Preiszler. 287 a.a.O. S. 17. 288 a.a.O., S.28.

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Die EGS-Beamten wurden bei dieser Besprechung beauftragt, lediglich die Sicherheit vor Ort herzustellen, um eine etwaige Löschung von Daten zu verhindern.289 Die EGS-Beamten wurden hierfür angewiesen, den Betroffenen unmittelbar den Zugriff auf Handys zu verweigern und sie anzuweisen, alle elektronischen Datenträger auszufolgen.290 Die EGS-Beamten erhielten zu diesem Zeitpunkt keinen Auftrag zur Sicherstellung von Daten. Auch die Sensibilität und Klassifizierung der Daten ist nicht thematisiert worden.291

Schmudermayer und Preiszler erteilten den EGS-Beamten die Weisung, während der Hausdurchsuchung keine Notizen anzufertigen. Schmudermayer wies dezidiert darauf hin, allenfalls entstehende Schriftstücke nicht elektronisch zu verarbeiten beziehungsweise abzuspeichern, sondern sofort auszudrucken und weiterzugeben.292

Schmudermayer teilte den Besprechungsteilnehmern mit, dass es ein anonymes Anzeigenkonvolut gebe, das auch Vorwürfe gegen einzelne BVT-Beamte beinhalte. Schmudermayer verlas die Namen jener Personen, die von der Hausdurchsuchung betroffen waren. Ebenfalls gab sie bekannt, wonach zu suchen sei.293 Eine genaue Darstellung der betroffenen Büroräumlichkeiten gab es auch bei dieser Besprechung nicht.294

4.6.3. Hausdurchsuchungen in den Büroräumlichkeiten des BVT 4.6.3.1. Betreten des BVT-Gebäudes Am 28.2.2018 gegen 9:00 Uhr wurde mit Hilfe des vorab geplanten Tricks mit der Durchführung der Anordnungen begonnen. Das Ersteinschreitteam, bestehend aus Preiszler, Huber, König, W. R. (EGS) und Schmudermayer295, begehrte beim BVT-Gebäude beim Zugang Rennweg Einlass mit der Begründung, dass sie Kollegen vom LVT seien und zu einer Besprechung ins BVT kämen.296

Nach dem Anläuten zeigte Preiszler seinen Dienstausweis.297 Daraufhin wurde die Personenzutrittstüre geöffnet, und dem Ersteinschreitteam war es möglich, das Grundstück

289 86/KOMM XXVI. GP, 19: Aussage W. R. (EGS). 290 83/KOMM XXVI. GP, 17: Aussage G. S. (BVT). 291 86/KOMM XXVI. GP, 13: Aussage W. R. (EGS); 83/KOMM XXVI. GP, 19: Aussage G. S. (BVT). 292 85/KOMM XXVI. GP, 11: Aussage König. 293 86/KOMM XXVI. GP, 22: Aussage W. R. (EGS); 77/KOMM XXVI. GP, 22: Aussage D. S. (EGS); 85/KOMM XXVI. GP, 6: Aussage König. 294 77/KOMM XXVI. GP, 22: Aussage D. S. (EGS). 295 84/KOMM XXVI. GP, 19f: Aussage Preiszler. 296 BVT, Aktenvermerk BVT von K. G. (BVT) und W. L. (BVT) vom 28.2.2018, S. 1f; 84/KOMM XXVI. GP, 6: Aussage Preiszler. 297 84/KOMM XXVI. GP, 20: Aussage Preiszler; 75/KOMM XXVI. GP, 4: Aussage K. G. (BVT).

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des BVT und in weiterer Folge den Vorraum der Sicherheitszentrale zu betreten. Preiszler, wurde Zutritt in die Sicherheitszentrale gewährt. Er erklärte dem dort anwesenden BVT- Beamten, dass der wahre Grund seines Besuches eine Hausdurchsuchung sei und forderte die Aushändigung der Zentralkarte.298 Vor Aushändigung dieser Zentralkarte („Masterkey“), mit der der Zutritt zu allen Bereichen und Zimmern im BVT möglich ist, prüften und kopierten die BVT-Beamten der Sicherheitszentrale die Dienstausweise aller ersteinschreitenden Personen.299 Preiszler befahl den dort zuständigen BVT-Beamten, jegliche Kommunikation, Verständigung und Warnung anderer Mitarbeiter zu unterlassen und untersagte den Zugriff auf alle PCs. Preiszler legte ihnen dar, dass sie ihm weisungsunterstellt seien und jeglicher Widerstand dienstrechtliche Folgen haben könnte.300 Bei den rechtlichen Ausführungen verwies Preiszler sodann auf die anwesende Oberstaatsanwältin Schmudermayer.301 Schmudermayer bestätigte auf Nachfrage mündlich die Rechtmäßigkeit der Hausdurchsuchung. In weiterer Folge wurde weiteren circa 35 Einsatzbeamten302 der Zutritt in das BVT-Gebäude gewährt.303

W. R. (EGS) ging voran und war für die Zentralkarte, die ihm von Preiszler übergeben worden war, verantwortlich. Er öffnete alle Türen und machte die Räume zugänglich.304 Es gab keine detaillierte Aufteilung, welche Beamten für welche Räume zuständig seien.305 Die EGS- Beamten sahen das Eindringen ihrer Erfahrung als einen fließenden und taktischen Vorgang, bei dem die Positionen ständig wechseln würden. Es könne im Vorhinein bei einem derartigen Einsatz nie gesagt werden, wo welcher Beamte landen werde. Der Vorgang stelle einsatztaktisch ein „Fluten der Räumlichkeiten“ dar.306

Vor Betreten des Gebäudes hatten die für das BVT-Gebäude zugeteilten EGS-Beamten den Auftrag, in einem Stiegenhaus gegenüber vom Eingang den Einschreitbefehl abzuwarten. Nachdem per Funk die Freigabe gegeben wurde, gelangten alle Einsatzbeamten ins Gebäude. Dort fand eine kurze Versammlung zur weiteren Besprechung mit allen Exekutivbeamten statt.307

298 84/KOMM XXVI. GP, 20: Aussage Preiszler. 299 a.a.O. 300 a.a.O., S. 20f. 301 a.a.O., S. 20; 85/KOMM XXVI. GP, 12: Aussage König. 302 84/KOMM XXVI. GP, 21: Aussage Preiszler. 303 BVT, Aktenvermerk BVT von K. G. (BVT) und W. L. (BVT) vom 28.2.2018, S. 1f; 77/KOMM XXVI. GP, 20f: Aussage D. S. (EGS); 83/KOMM XXVI. GP, 15: Aussage G. S. (BVT). 304 86/KOMM XXVI. GP,11f: Aussage W. R. (EGS). 305 77/KOMM XXVI. GP, 18ff: Aussage D. S. (EGS). 306 83/KOMM XXVI. GP, 16: Aussage G. S. (BVT). 307 77/KOMM XXVI. GP, 21: Aussage D. S. (EGS); 83/KOMM XXVI. GP, 15: Aussage G. S. (BVT); 75/KOMM XXVI. GP, 4: Aussage K. G. (BVT).

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In der Zeit von 9:00 Uhr bis 9:30 Uhr während des Betretens des Gebäudes durch die Beamten war die gesamte Sicherheitszentrale des BVT stillgelegt, weil den dort zuständigen BVT- Mitarbeitern jegliche Kommunikation sowie die Bedienung der Computer inklusive der Überwachungskameras und Zutrittskontrollen untersagt war.308

Im selben Zeitfenster fuhr ein Fahrzeug der EGS in den Einfahrtsbereich der BVT-Zufahrt, Landstraßer Hauptstraße 148B, und blockierte die Ein- und Ausfahrt zum BVT-Gebäude unter Vortäuschung einer Autopanne.309 Dies hatte zur Konsequenz, dass auch nicht betroffenen Bediensteten des BVT ein Ein- und Ausfahren nicht möglich war.310 Ab dem Zeitpunkt, zu dem die Sicherheit hergestellt war, wurde diese Blockade wieder aufgehoben.311

Nach dem Betreten des Gebäudes ging ein Teil der EGS-Beamten in den im ersten Stock gelegenen Informations- und Kommunikationstechnikbereich (IKT-Bereich). Dort wurden die Mitarbeiter der IKT von zwei EGS-Beamten aufgefordert, sich von ihren Arbeitsgeräten zu entfernen. Dadurch war der gesamte IKT-Bereich für in etwa die Dauer einer halben Stunde lahmgelegt. Davon betroffen waren geschätzte 900 User von LVT und BVT, die von der IKT betreut werden.312 Netzwerktechnisch waren die Server erreichbar, das Telefonieren wurde jedoch unterbunden. Es konnten sohin keine Supportanfragen gestellt werden.313 Zudem mussten laufende Telefonate beendet werden, und die Mitarbeiter der IKT wurden angewiesen, dienstliche und private Mobiltelefone auszuhändigen und auf den Tischen abzulegen.314

Einen Arbeitsstillstand im IKT-Bereich gab es von Beginn der Hausdurchsuchung bis zum Ende der Hausdurchsuchung. Während dieses Zeitraums durften die Mitarbeiter des IKT- Referates keine Computer benutzen und konnten ihrer Tätigkeit sohin nicht nachkommen. Davon betroffen waren auch Supportanfragen, die nicht entgegengenommen werden durften.315

308 BVT, Aktenvermerk BVT von K. G. (BVT) und W. L. (BVT) vom 28.2.2018, S. 1f; 75/KOMM XXVI. GP, 4f, 7f, 14: Aussage K. G. (BVT); 309 BVT, Aktenvermerk BVT von K. G. (BVT) und W. L. (BVT) vom 28.2.2018, S. 1f; OStA Wien, Gedächtnisprotokoll über den Verlauf der Hausdurchsuchung vom 28.2.2018 im Büro RL II/BVT/2-1(EX) von S. G. (BVT), S. 14ff; 75/KOMM XXVI. GP, 6, 15: Aussage K. G. (BVT). 310 OStA Wien, Gedächtnisprotokoll über den Verlauf der Hausdurchsuchung vom 28.2.2018 im Büro RL II/BVT/2-1(EX) von S. G. (BVT), S.14ff; 117/KOMM XXVI. GP, 21: Aussage S. G. (BVT) (1). 311 85/KOMM XXVI. GP, 14: Aussage König. 312 79/KOMM XXVI. GP, 7: Aussage R. B. (BVT). 313 a.a.O., S. 16f. 314 BVT, Aktenvermerk BVT von R. B. (BVT) betreffend Unzulänglichkeiten im Zusammenhang mit der Hausdurchsuchung durch die WKStA am 28.2.2018, S. 1; 79/KOMM XXVI. GP, 4, 7: Aussage R. B. (BVT); 75/KOMM XXVI. GP, 4f: Aussage K. G. (BVT). 315 79/KOMM XXVI. GP, 16: Aussage R. B. (BVT).

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4.6.3.2. Vorwurf von Gewalt und Drohungen Sowohl bei der Einsatzbesprechung am 27.2.2018 als auch bei der Einsatzbesprechung am Morgen des 28.2.2018 kam man überein, dass das Eindringen in das Gebäude schnell und unauffällig geschehen müsse. Man war sich einig, dass ein gewaltsames Eindringen nicht zielführend sei, weil so ein vorzeitiges Löschen der Daten, die sichergestellt werden sollten, nicht garantiert werden könne. Ein gewaltsames Eindringen dauere zu lange und es sei mit einem Datenverlust zu rechnen.316

Bei Betreten des Gebäudes kündigte Preiszler den in der Sicherheitszentrale zu diesem Zeitpunkt anwesenden Beamten mit schroffem Ton die bevorstehenden Hausdurchsuchungen in den BVT-Räumlichkeiten an. Er untersagte den Beamten jegliches Handeln und drohte im Falle eines Zuwiderhandelns mit dienstrechtlichen Konsequenzen. Preiszler wies darauf hin, dass nicht telefoniert und niemand verständigt werden dürfe.317

Nachdem alle EGS-Beamten das BVT-Gebäude betreten hatten, entfernte sich Preiszler aus der Sicherheitszentrale und sagte auch den anderen EGS-Kollegen, dass den BVT- Mitarbeitern jegliche Kommunikation und dergleichen nicht zu gewähren sei und Widerstandsversuche allenfalls mit Gewalt zu verhindern seien.318

Der BVT-Mitarbeiter K. G. (BVT), der beim Eintreffen des Ersteinschreitteams in der Sicherheitszentrale seinen Dienst verrichtete, empfand die Anordnungen von Preiszler als Nötigung.319 Preiszler stellte darüber hinaus eine Suspendierung in den Raum, sollte seinen Anordnungen nicht Folge geleistet werden.320

Die EGS-Beamten trugen Zivilkleidung,321 über die sie beim Betreten des Gebäudes zur besseren Erkennung Polizeiüberwurfwesten gezogen hatten.322 Preiszler hatte dies zur Unterscheidung zwischen „Feind und Nichtfeind“ angeordnet. Aufgrund der Vorinformation von Schmudermayer, dass die Vorwürfe gegen die beschuldigten Beamten massiv seien, hielt Preiszler diese Maßnahme für notwendig.323

316 OStA Wien, Tagebuch der WKStA zu 6 St 2/18f, Amtsvermerk vom 27.2.2018, S. 40; 111/KOMM XXVI. GP, 7f: Aussage Schmudermayer (1). 317 85/KOMM XXVI. GP, 12: Aussage König; 84/KOMM XXVI. GP, 20: Aussage Preiszler. 318 75/KOMM XXVI. GP, 23: Aussage K. G. (BVT). 319 a.a.O., S. 11. 320 a.a.O., S.23. 321 77/KOMM XXVI. GP, 6: Aussage D. S. (EGS). 322 83/KOMM XXVI. GP, 15: Aussage G. S. (BVT). 323 84/KOMM XXVI. GP, 15: Aussage Preiszler.

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Die Dienstwaffen wurden versteckt unter der Kleidung getragen. Sturmhauben, Helme, schwere Überziehschutzwesten und schwere Bewaffnung wurden nicht verwendet.324 Eine Ramme wurde in einer Sporttasche mitgetragen, war jedoch nur für Notfälle gedacht und kam nicht zum Einsatz.325

Es kam während der gesamten Amtshandlung nicht zur Anwendung von Gewalt gegen Personen oder Sachen.326 Einzige Ausnahme stellte die Öffnung einer Stahllade eines Tresors im Büro B. P. (BVT) dar. Dieser stimmte der gewaltsamen Öffnung jedoch zu, weil er nach eigenen Angaben keinen Schlüssel für diese Lade besaß.327

Es ist verständlich, dass die in der Sicherheitszentrale des BVT tätigen Beamten das Verhalten der einschreitenden EGS-Beamten als bedrohlich empfanden, zumal die Androhung von dienstrechtlichen Konsequenzen mit Sicherheit eine unangenehme Situation darstellt. Allerdings darf nicht außer Acht gelassen werden, dass die Umsetzung einer Hausdurchsuchungsanordnung stets eine Ausübung staatlichen Zwangs darstellt. Dieser Zwang ist jedoch vom Gewaltmonopol legitimiert, solange die Grenzen der Verhältnismäßigkeit nicht überschritten werden. Eine unterschiedliche Wahrnehmung der Situation durch die BVT-Beamten einerseits sowie die einschreitenden EGS-Beamten ist sohin nachvollziehbar. Die Erkenntnis, dass sie von einer anderen Polizeibehörde mittels einer List getäuscht worden waren, hatte verständlicherweise für die BVT-Beamten einen negativen Beigeschmack.

4.6.3.3. Rolle der WKStA Schmudermayer gab bei ihrer Befragung vor dem Untersuchungsausschuss an, dass der Grund, warum sie selbst und fünf weitere Staatsanwälte im Einsatz waren, in der Besonderheit dieses Verfahrens lag.328 Als anordnender Staatsanwalt hat man grundsätzlich das Recht, bei einer Hausdurchsuchung selbst anwesend zu sein, in der überwiegenden Mehrzahl der Durchsuchungshandlungen beziehungsweise der Umsetzung von Durchsuchungsanordnungen ist der Staatsanwalt jedoch nicht selbst vor Ort.329 Im Falle der Anwesenheit eines Staatsanwaltes führt und leitet dieser den Einsatz.

324 84/KOMM XXVI. GP, 7: Aussage Preiszler; 77/KOMM XXVI. GP, 5: Aussage D. S. (EGS); 86/KOMM XXVI. GP, 6: Aussage W. R. (EGS). 325 84/KOMM XXVI. GP, 7: Aussage Preiszler; 83/KOMM XXVI. GP, 21f: Aussage G. S. (BVT); 77/KOMM XXVI. GP, 28: Aussage D. S. (EGS); 86/KOMM XXVI. GP, 6: Aussage W. R. (EGS). 32677/KOMM XXVI. GP, 9f: Aussage D. S. (EGS); 85/KOMM XXVI. GP, 17: Aussage König; 84/KOMM XXVI. GP, 7: Aussage Preiszler; 111/KOMM XXVI. GP, 39: Aussage Schmudermayer (1). 327 80/KOMM XXVI. GP, 10f: Aussage B. P. (BVT) (1). 328 111/KOMM XXVI. GP, 38f: Aussage Schmudermayer (1). 329 81/KOMM XXVI. GP, 16: Aussage Wieselthaler.

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Schmudermayer war als fallführende Staatsanwältin die Leiterin der Amtshandlung330 und war in dieser Funktion die Trägerin der Verantwortung. Sie selbst war aber dessen ungeachtet nicht durchgehend bei der Hausdurchsuchung anwesend. Am späteren Nachmittag verließ sie das Gebäude und begleitete den ersten von zwei Transporten der sichergestellten Daten zur WKStA. Am Rückweg zum BVT-Gebäude fuhr sie zum Wohnsitz des Journalrichters Nachtlberger, um die Unterschriften für die am Vorabend genehmigten Anordnungen der Hausdurchsuchungen einzuholen.331 Währenddessen bereiteten die EGS-Beamten die zweite Ladung für den Abtransport vor. Bei der zweiten Verladung – sowie beim Transport in die WKStA war Schmudermayer wieder persönlich anwesend.332 Während ihrer circa eineinhalbstündigen Abwesenheit beaufsichtigte der IT-Techniker der WKStA die sichergestellten Daten.333 Die EGS-Beamten brachten keine Daten ohne Schmudermayer in die WKStA und hatten keine Möglichkeit, den in der WKStA für die Daten vorgesehenen Raum zu öffnen.334

Fest steht, dass Schmudermayer die Leiterin der Amtshandlung war und großteils auch selbst im BVT-Gebäude anwesend war. In der Zeit, in der sie das Gebäude verließ, um den ersten Datentransport zu begleiten und zum Journalrichter zu fahren, waren die EGS-Beamten, die IT-Techniker und die BVT-Mitarbeiter mit den sichergestellten Daten unbeaufsichtigt. Aufgrund der dem Untersuchungsausschuss vorliegenden Unterlagen sowie der Ergebnisse der Befragungen liegen keine Hinweise vor, dass während der Abwesenheit von Schmudermayer unrechtmäßige Zugriffe, in welcher Form auch immer, auf die sichergestellten Daten vorgenommen wurden, es kann jedoch auch nicht ausgeschlossen werden.

4.6.3.4. Rolle der EGS Für die Durchführung der Hausdurchsuchung, explizit die Herstellung der Exekutivgewalt während des Einsatzes, waren 58335 Einsatzkräfte der Einsatzgruppe zur Bekämpfung der Straßenkriminalität beauftragt. Von den 58 beauftragen Beamten waren circa 35336 in den Räumlichkeiten des BVT-Gebäudes und der Rest an den privaten Wohnsitzen eingeteilt.

Ursprünglich bestand die einzige Aufgabe der EGS-Beamten in der Herstellung und Gewährleistung der Sicherheit während der Durchführung der Durchsuchungen.337 Die

330 111/KOMM XXVI. GP, 8: Aussage Schmudermayer (1). 331 119/KOMM XXVI. GP, 38: Aussage Schmudermayer (2). 332 a.a.O. 333 a.a.O. 334 a.a.O., S. 38f. 335 BMVRDJ, Informationen für den HBM, Dringliche Anfragebeantwortung, S. 9. 336 a.a.O.; 84/KOMM XXVI. GP, 21: Aussage Preiszler. 337 111/KOMM XXVI. GP, 8: Aussage Schmudermayer (1).

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Aufgabe der EGS-Beamten war, Sicherheit herzustellen und der Staatsanwaltschaft sowie den IT-Technikern eine ungestörte Arbeit zu ermöglichen. Unter der Herstellung der Sicherheit wurde verstanden, dass die betroffenen Räume insofern zu sichern waren, dass bis zum Eintreffen der IT-Experten keine unbefugte Datenlöschung, Datenwegnahme oder dergleichen durch BVT-Beamte vorgenommen werden konnte. Unmittelbare Zugriffe auf technische Geräte wurden unterbunden, um Manipulationen oder Manipulationsversuche zu verhindern. Ein zusätzliches Problem stellte die von der WKStA angenommene Möglichkeit der Fernlöschung von Daten dar, durch die eine Vernichtung von Beweismitteln befürchtet wurde.338 Aufgabe der EGS-Beamten war es, zu verhindern, dass betroffene Personen den gesicherten Bereich verlassen339 oder Zugriffe auf Daten unabhängig welcher Art tätigen.

Zu diesem Zweck wurde für jedes Bürozimmer, das von einer Durchsuchung betroffen war, ein dienstführender Beamter der EGS zugeteilt. In den Büros selbst suchte man im Beisein von BVT-Mitarbeitern nach physischen Datenträgern.340

Ursprünglich waren die EGS-Beamten nicht dafür gedacht, Sicherstellungen oder Transporte von sichergestellten Gegenständen vorzunehmen. Das war von Schmudermayer nicht geplant und ergab sich erst im Laufe des Verfahrens aufgrund der großen Masse an Daten und Datenträgern.341

Ein befragter EGS-Beamter bestätigte dazu im Ausschuss:

„Es war auch bei der Besprechung am darauffolgenden Tag, kurz vor dem Einsatz, nie das Thema, dass wir sicherstellen.“342

Aufgabe der EGS-Beamten war es lediglich, die Datenträger herauszusuchen. Die Sichtung erfolgte durch die anwesenden IT-Kräfte.343 Schmudermayer ordnete den EGS-Beamten an, dass diese die Datenträger keinesfalls sichten dürfen, weshalb die EGS-Beamten die Datenträger lediglich in eine Kiste gaben.344 Die einzige Ausnahme dieser Vorgehensweise stellte die Durchsuchung des Büros der Leiterin des Extremismusreferates dar.

Eine Sichtung der elektronischen Datenträger durch die EGS-Beamten fand zu keinem Zeitpunkt der Durchsuchungen statt. Demgegenüber wurde zumindest eine Grobsichtung der

338 85/KOMM XXVI. GP, 17: Aussage König. 339 83/KOMM XXVI. GP, 16: Aussage G. S. (BVT). 340 77/KOMM XXVI. GP, 6, 8: Aussage D. S. (EGS). 341 84/KOMM XXVI. GP, 7: Aussage Preiszler; 86/KOMM XXVI. GP, 6f: Aussage W. R. (EGS). 342 86/KOMM XXVI. GP, 13: Aussage W. R. (EGS). 343 83/KOMM XXVI. GP, 7: Aussage G. S. (BVT). 344 119/KOMM XXVI. GP, 37: Aussage Schmudermayer (2); 84/KOMM XXVI. GP, 14, 26: Aussage Preiszler.

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Papierunterlagen im Büro von S. G. (BVT) durch die EGS-Beamten durchgeführt. Dies ordnete Schmudermayer als „Reaktionsmaßnahme“ während laufender Durchsuchung ausdrücklich an und ist daher dem Verantwortungsbereich der Staatsanwältin und nicht jenem der EGS- Beamten zuzurechnen.

4.6.3.4.1. Aufgaben einzelner EGS-Beamten 4.6.3.4.1.1. Wolfgang Preiszler Oberst Preiszler war der Einsatzleiter/Einsatzkommandant der EGS-Beamten und mit diesen dafür verantwortlich, die Sicherheit herzustellen sowie die Anweisungen der Staatsanwältin umzusetzen. Er fungierte als Verbindungsglied zwischen den EGS-Beamten und Schmudermayer.345

4.6.3.4.1.2. Werner König Von den 35 Einsatzbeamten im BVT-Gebäude war der EGS-Beamte König im ersteinschreitenden Team eingesetzt. Seine einzige Aufgabe war es, mit den anderen vier Ersteinschreitenden den Zutritt ins Gebäude zu ermöglichen.346 Nachdem dies erledigt war, wurden König keine konkreten weiteren Aufträge erteilt. Für den restlichen Tag war König zur besonderen Verwendung und stand damit Preiszler oder anderen Beamten im Bedarfsfall zur Verfügung. König war der Verbindungsmann zwischen den Gruppenleitern der EGS und der Staatsanwaltschaft.347 Neben dieser Aufgabe hatte er keine klare Verantwortung.348

4.6.3.4.1.3. W. R. (EGS) Der EGS-Beamte W. R. (EGS), der ebenfalls Teil der Gruppe der Ersteinschreitenden war, war am 28.2.2018 aufgrund seiner „Ortskenntnisse“ durch seine frühere Tätigkeit im BVT wesentlich an der Hausdurchsuchung beteiligt. Seine Aufgabe war es, die beteiligten EGS- Beamten in die Räumlichkeiten und die Abteilungen, die der Anordnung zur Hausdurchsuchung unterlagen, zu führen.349 Er hatte den Generalschlüssel („Masterkey/Mastercard“), mit dem sämtliche Räume im BVT geöffnet werden konnten. Während der Durchsuchung hatte W. R. (EGS) den Auftrag, bei Bedarf Türen auf- oder zuzusperren.350

345 84/KOMM XXVI. GP, 41: Aussage Preiszler. 346 85/KOMM XXVI. GP, 4f: Aussage König. 347 a.a.O., S. 7. 348 a.a.O., S. 27. 349 86/KOMM XXVI. GP, 5: Aussage W. R. (EGS). 350 a.a.O., S. 11.

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4.6.3.4.1.4. G. S. (EGS) G. S. (EGS) war dienstführender Beamter der EGS und wurde während laufender Hausdurchsuchung per Funk von seinem Vorgesetzten Huber beauftragt, sich zum Büro der Leiterin der Extremismusabteilung zu begeben. Huber fragte per Funk nach den Beamten ohne Aufgabe und wies daraufhin G. S. (EGS) und D. S. (EGS) jeweils ein Büro zu.351 Die einzige Aufgabe für G. S. (EGS) war, die Datenträger in diesem Büro herauszusuchen.352

4.6.3.4.1.5. D. S. (EGS) Der EGS-Beamte D. S. (EGS) war als dienstführender Beamter einem der Büros im BVT zugeteilt353 und damit beauftragt, dort die Sicherheit herzustellen. Am Ende der Hausdurchsuchung wurde D. S. (EGS) für den Transport der sichergestellten Gegenstände in die WKStA-Räumlichkeiten hinzugezogen.354

Woraus sich die Notwendigkeit ergab, 58 EGS-Beamten für die Durchführung der Hausdurchsuchungen zu beauftragen, erschließt sich aus den Befragungen vor dem Untersuchungsausschuss nicht. Die einzige Aufgabe der EGS-Beamten war es, Sicherheit herzustellen. Dass die Beamten während laufender Durchsuchung auch für andere Aufgabenerfüllungen beauftragt wurden, war vorab nicht geplant. Diese Umstände sind ein weiteres Kennzeichen dafür, dass eine angemessene und umfangreiche Planung sowie Vorbereitung der Hausdurchsuchung nicht stattgefunden hat.

4.6.3.5. Rolle der IT-Techniker Zur Durchführung der IT-Tätigkeiten an allen zu durchsuchenden Orten waren am 28.2.2018 insgesamt zehn355 IT-Experten im Einsatz:

BVT-Büroräumlichkeiten: WKStA IT-Experte Knezevic356 und zwei Teams der IT- Steuerfahndung (Einsatzteams 1 und 2)357 Wohnort N. B. (BVT): IT-Experte Wruhs358 Wohnort F. K. (BVT): ein Team der IT-Steuerfahndung (Einsatzteam 3)359

351 83/KOMM XXVI. GP, 24: Aussage G. S. (BVT). 352 a.a.O., S. 7. 353 77/KOMM XXVI. GP, 8: Aussage D. S. (EGS). 354 a.a.O., S. 10. 355 118/KOMM XXVI. GP, 4: Aussage Wruhs; 170/KOMM XXVI. GP, 4ff: Aussage Prach; 168/KOMM XXVI. GP, 3f: Aussage Knezevic. 356 111/KOMM XXVI. GP, 38: Aussage Schmudermayer (1). 357 170/KOMM XXVI. GP, 9: Aussage Prach. 358 118/KOMM XXVI. GP, 5: Aussage Wruhs. 359 170/KOMM XXVI. GP, 9: Aussage Prach.

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Wohnort C. H. (BVT): zwei Mitarbeiter des IT-Experten Wruhs360 Wohnort B. P. (BVT): ein Team der IT-Steuerfahndung (abgezogen vom BVT Einsatzteam 2)361

Für die Durchführung der IT-Arbeiten waren der IT-Experte der WKStA, drei IT-Experten der Firma DFG (Digitale Forensik GmbH) sowie drei Teams der Steuerfahndung im Einsatz. Die Steuerfahndung stellte eine Gruppe von insgesamt sechs IT-Experten zur Verfügung. Es gab drei Teams zu je zwei Experten, die am Morgen des 28.2.2018 einsatzbereit waren. Eines der Teams war bei einem der Privatwohnsitze eingeteilt, die anderen zwei Teams waren im BVT zugeteilt.362

Zur Unterstützung im BVT-Gebäude waren der IT-Techniker der WKStA und zwei Teams der Steuerfahndung zugeteilt, während der private Sachverständige Wruhs und seine zwei Mitarbeiter an den Privatwohnsitzen tätig waren.363

Der Einsatz im BVT-Gebäude begann um 10:00 Uhr, davor waren die IT-Experten auf Abruf in ihren Büros.364 Bis zu diesem Zeitpunkt waren die IT-Kräfte weder über den Ort noch den Grund der Hausdurchsuchung informiert.365 Der IT-Verantwortliche der WKStA Knezevic war aufgrund seiner vorherigen Zusammenarbeit mit Schmudermayer in diesem Verfahren schon ein paar Tage vor der Hausdurchsuchung informiert. Er wusste, dass die Hausdurchsuchung im BVT stattfinden soll und Mitarbeiter des BVT betroffen sind. Knezevic wurde schon vor der Hausdurchsuchung von Schmudermayer beauftragt, herauszufinden, woher das Konvolut stammte und war später teilweise in die Planung miteinbezogen.366 Schmudermayer beauftragte die IT-Kräfte, sich an Knezevic zu wenden. Nach Eintreffen im BVT-Gebäude instruierte und beauftragte Knezevic alle IT-Experten.367

4.6.4. Sicherstellung und Sichtung der Daten Nachdem von der EGS die Gebäudesicherheit hergestellt worden war, waren die IT-Techniker für die Sicherung der Daten verantwortlich.368 Schmudermayer ordnete an, dass die EGS- Beamten die Datenträger nicht sichten, sondern nur sicherstellen dürfen. Die EGS-Beamten

360 118/KOMM XXVI. GP, 5: Aussage Wruhs. 361 170/KOMM XXVI. GP, 16: Aussage Prach. 362 a.a.O., S. 9. 363 Anfragebeantwortung Moser 1773/AB vom 26.11.2018 zu 1767/J (XXVI.GP), S. 2, https://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXVI/AB/AB_01773/imfname_723510.pdf. 364 170/KOMM XXVI. GP, 13f: Aussage Prach. 365 a.a.O., S. 14. 366 168/KOMM XXVI. GP, 4f: Aussage Knezevic. 367 170/KOMM XXVI. GP, 5: Aussage Prach. 368 111/KOMM XXVI. GP, 38f: Aussage Schmudermayer (1).

www.parlament.gv.at 695 der Beilagen XXVI. GP - Ausschussbericht NR - Berichterstattung 115 von 298 111 vollzogen diesen Auftrag, indem sie in den Räumlichkeiten nach Datenträgern suchten und diese dann in Kisten verstauten.369

Schmudermayer ging davon aus, dass für die Feststellung, was sich auf einem Datenträger befindet, eine Grobsichtung erforderlich sei.370 Das Öffnen einer CD und die Feststellung, was sich auf einer CD befindet, stelle bereits eine Sichtung dar. Dafür waren ausschließlich die IT- Kräfte zuständig.371

Gegenstand der Durchsuchung waren alle vorhandenen elektronischen Datenträger.372 Bei den Datenträgern, bei denen es möglich war, wurde schon vor Ort eine datenforensische Kopie angefertigt.373 Wenn während der Hausdurchsuchung nicht mit einer hundertprozentigen Sicherheit festgestellt werden konnte, dass der betreffende Datenträger Informationen enthielt, die nicht relevant waren, so wurde der Datenträger im Zweifel mitgenommen, um eine gezielte Sichtung zu einem späteren Zeitpunkt vornehmen zu können.374

Aufgrund der Menge der Datenträger erschien es unmöglich, jeden einzelnen Datenträger vor Ort anzuschließen, zu öffnen, zu sichten und zu entscheiden, ob eine Fallrelevanz besteht oder nicht. Dies führte dazu, dass sich die Staatsanwältin nach Beratung mit dem IT-Techniker Knezevic dazu entschloss, alle Datenträger ohne eindeutige Fallbezeichnung sicherzustellen.375

Die BVT-Mitarbeiter wurden während der Durchführung der Sicherstellungen immer wieder nach dem Inhalt der Datenträger gefragt und kooperierten während der gesamten Amtshandlung.376

Die IT-Teams der Steuerfahndung wussten bis zum Beginn der Hausdurchsuchung beziehungsweise dem Eintreffen im BVT-Gebäude nicht, wo die Hausdurchsuchung stattfinden soll.377 Ihre Aufgaben waren die Dokumentation und Beschlagnahme der vorhandenen Datenträger.378 Für die Dokumentation des Vorgehens führten die Mitarbeiter

369 a.a.O, S. 55f; 119/KOMM XXVI. GP, 37: Aussage Schmudermayer (2). 370 119/KOMM XXVI. GP, 37: Aussage Schmudermayer (2). 371 111/KOMM XXVI. GP, 50f: Aussage Schmudermayer (1). 372 170/KOMM XXVI. GP, 5, 8, 12: Aussage Prach. 373 111/KOMM XXVI. GP, 50: Aussage Schmudermayer (1). 374 a.a.O., S. 52f. 375 168/KOMM XXVI. GP, 43: Aussage Knezevic. 376 77/KOMM XXVI. GP, 24: Aussage D. S. (EGS); 85/KOMM XXVI. GP, 9: Aussage König. 377 170/KOMM XXVI. GP, 7: Aussage Prach. 378 a.a.O., S. 5.

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der Steuerfahndung ein händisches Datenerfassungsprotokoll, das BVT-Mitarbeiter vor Ort kontrollierten und mit einer Unterschrift bestätigten.379 Für jeden durchsuchten Raum wurden Sicherstellungsprotokolle – teils von den EGS-Beamten und teils von den Mitarbeitern der Steuerfahndung – angefertigt.380 Hierfür wurden, wenn möglich, die Seriennummer sowie der Fundort des Datenträgers protokolliert und teilweise eine Fotodokumentation angefertigt.381 Am Ende der Amtshandlung kontrollierten die Mitarbeiter der Steuerfahndung mit je einem Mitarbeiter des BVT und einem der EGS die Protokolle der verschiedenen Räume auf Vollständigkeit. Am Ende zeichneten die BVT-Mitarbeiter die Protokolle ab.382 Auch die IT- Steuerfahndung war nicht beauftragt, eine Sichtung der Datenträger durchzuführen.383 In den Räumlichkeiten, in denen die IT-Teams der Steuerfahndung zugeteilt waren, wurden die Datenträger nicht von den EGS-Beamten, sondern von der IT selbst zusammengetragen.384

Zur Vorgehensweise bei Hausdurchsuchungen unter Beteiligung des BAK führte dessen Leiter Andreas Wieselthaler in seiner Befragung vor dem Untersuchungsausschuss aus:

„Wir dokumentieren so gut wie möglich alles, ist die Prämisse. – Wir fotografieren Räume, bevor wir in den Raum hineingehen, allein deswegen, um nachher Streitigkeiten, da ist man Wertgegenständen verlustig gegangen oder wie auch immer, um solchen Dingen entgegenzuwirken, aber auch, um den Standort von Dingen oder die Lage von Dingen in diesem Raum zu dokumentieren.

Wir protokollieren, wer welche Aufgabe hat. Das beginnt aber schon mit der Planung, denn bei Durchsuchungen, auf die wir uns vorbereiten können, und das sind weit über jenseits der 90 Prozent, ist es so, dass wir eine sehr klare Aufgabenteilung haben, wer vor Ort was macht, wer der Support dahinter ist, wer die Kisten beschriftet, wer die Kisten abholt, wer die Kisten wohin verbringt, einfach um eine geschlossene Kette, wer es sichergestellt hat, wer es verbracht hat und wer es wohin gebracht hat, zu haben, einfach auch, um Vorwürfen entgegenzuwirken.“385

Vergleicht man die von Wieselthaler dargestellte Vorgehensweise des BAK bei Hausdurchsuchungen mit der Vorgehensweise am 28.2.2018, zeigen sich deutliche Unterschiede sowohl in der Protokollierung als auch in der Durchführung.

Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass die Sicherstellung ausschließlich durch IT-Experten erfolgte. Die EGS-Beamten waren damit beauftragt, die Sicherstellung der Datenträger durch Begründung der Gewahrsame an diesen zu gewährleisten. Dies bedeutet,

379 a.a.O., S. 6 und 10. 380 168/KOMM XXVI. GP, 44: Aussage Knezevic. 381 170/KOMM XXVI. GP, 15: Aussage Prach. 382 a.a.O., S. 15. 383 a.a.O., S. 15. 384 a.a.O., S. 20f. 385 81/KOMM XXVI. GP, 19: Aussage Wieselthaler.

www.parlament.gv.at 695 der Beilagen XXVI. GP - Ausschussbericht NR - Berichterstattung 117 von 298 113 die EGS-Beamten haben die elektronischen Datenträger in den entsprechenden Räumlichkeiten lediglich gesucht und zusammengetragen, ohne Einsicht in den Inhalt zu nehmen. Dies erfolgte teilweise ohne Anwesenheit von Schmudermayer.386

Insgesamt wurden alleine vom Server des BVT Daten mit einem Gesamtvolumen von 86,9 GB sichergestellt. Alle weiteren sichergestellten Daten stammen aus physisch sichergestellten Datenträgern, wie PCs, Notebooks, Mobiltelefonen, USB-Sticks, Festplatten et cetera. Wie groß die gesamte Menge an sichergestelltem Datenvolumen am 28.2.2018 tatsächlich war, kann nicht abschließend bestimmt werden.387

4.6.5. Durchsuchung der einzelnen Büroräumlichkeiten 4.6.5.1. Büro der Leiterin des Extremismusreferats 4.6.5.1.1. Ablauf der Durchsuchung Zu Beginn der Durchsuchung am 28.2.2018, gegen 9:00 Uhr, befand sich S. G. (BVT) bei einer Besprechung in einem Aufenthaltsraum im BVT-Gebäude. Kurz nach 9:00 Uhr forderten sie drei EGS-Beamte auf, mitzukommen und das Betreten ihres Büros zu ermöglichen. Im Büro wurde S. G. (BVT) aufgefordert, Handys, Datenträger und USB-Sticks auszufolgen. Zudem untersagten ihr die EGS-Beamten, irgendetwas anzugreifen oder ihren Computer zu bedienen.388 S. G. (BVT) kam der Aufforderung nach und händigte ihre Mobiltelefone sowie zwei USB-Sticks aus.389 S. G. (BVT) war durch das Auftreten der EGS-Beamten sofort bewusst, dass es sich um eine Hausdurchsuchung handelte. Ihr war jedoch weder der Grund dafür bekannt, noch hatte sie eine Erklärung dafür.390

S. G. (BVT) wartete gemeinsam mit vier EGS-Beamten in ihrem Büro auf das Eintreffen der Staatsanwältin.391 Nach ihrer Dienstwaffe und deren Lagerung wurde S. G. (BVT) zu keiner Zeit der Durchsuchung gefragt.392

Nach ihrem Eintreffen händigte Schmudermayer S. G. (BVT) die – zu diesem Zeitpunkt noch nicht unterfertigte – vom Journalrichter Nachtlberger vorab mündlich genehmigte Anordnung der Hausdurchsuchung aus. Schmudermayer verwies darauf, dass S. G. (BVT) nicht Beschuldigte, sondern lediglich Zeugin sei, die Hausdurchsuchung aber zulassen müsse, und

386 Anfragebeantwortung Moser 1773/AB vom 26.11.2018 zu 1767/J (XXVI.GP), S. 2, https://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXVI/AB/AB_01773/imfname_723510.pdf. 387 a.a.O, S. 1. 388 117/KOMM XXVI. GP, 5f: Aussage S. G. (BVT) (1). 389 83/KOMM XXVI. GP, 7: Aussage G. S. (BVT). 390 117/KOMM XXVI. GP, 7: Aussage S. G. (BVT) (1). 391 a.a.O., S. 5. 392 a.a.O., S. 7 und 20.

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weitere Informationen der Anordnung zu entnehmen seien. Nach diesem kurzen Gespräch mit S. G. (BVT) verließ Schmudermayer wieder das Büro.393

Bis 11:00 Uhr warteten die EGS-Beamten auf das Eintreffen der IT-Techniker. 394 Die IT- Techniker begannen mit der Sichtung und Dokumentation der bereits ausgefolgten Mobiltelefone und USB-Sticks und verließen daraufhin wieder das Büro. Danach begann die konkrete Durchsuchung nach Datenträgern durch die anwesenden EGS-Beamten395, deren Auftrag anfangs die Suche nach sämtlichen Datenträgern war. Während die EGS-Beamten ihren Auftrag vollzogen, saß S. G. (BVT) auf einem Stuhl vor ihrem Bürozimmer und beobachtete die Vorgänge.396

S. G. (BVT) war während der gesamten Durchsuchung anwesend und kooperierte von Beginn an. S. G. (BVT) war bei der Sichtung der Dokumente anwesend und gab an, um welche Dokumente es sich handelte.397 Sie versuchte mitzuwirken, gab dazu jedoch in ihrer Sachverhaltsdarstellung an:

„Eine zielorientierte Mitwirkungsmöglichkeit meinerseits war – trotz mehrfachen Angebotes und mehrmaliger Inhaltshinweise – zu keinem Zeitpunkt möglich, was auch dazu führte, dass aus meiner Sicht nur unnötige physische Gegenstände/Unterlagen sichergestellt wurden, da diese – soweit für mich nach außen ersichtlich – überhaupt keinen Bezug zum Anlass für die Durchsuchung haben.“398 Alle in diesem Büro gefundenen Datenträger wurden von fünf399 EGS-Beamten auf einem Platz vor dem Büro gelagert. Der zuständige IT-Techniker beurteilte, was mitgenommen wurde. Unter den sichergestellten Datenträgern befanden sich neben zahlreichen Musik-CDs aus einem „Kinderpräventionsprojekt“, das von S. G. (BVT) jahrelang betrieben worden war,400 auch Datenträger, die Beweismittel und Informationen aus anderen aktiven oder bereits eingestellten Verfahren des BVT beinhalteten, die aus der Sicht von S. G. (BVT) jedenfalls nicht für dieses Verfahren relevant waren.401 Dazu gehörte unter anderem eine CD-Spindel, die Beweismittel aus dem Fall „Isabella K.“ – eine Frau, die nach Erkenntnissen des Dokumentationsarchivs des Österreichischen Widerstandes seit Jahren Teil der Wiener

393 a.a.O., S. 5f. 394 a.a.O, S. 6. 395 83/KOMM XXVI. GP, 7: Aussage G. S. (BVT). 396 117/KOMM XXVI. GP, 6: Aussage S. G. (BVT) (1). 397 83/KOMM XXVI. GP, 6: Aussage G. S. (BVT). 398 83/KOMM XXVI. GP, 6: Aussage G. S. (BVT); BMVRDJ, Gedächtnisprotokoll über den Verlauf der Hausdurchsuchung vom 28.2.2018 im Büro RL II/BVT/2-1(EX) von S. G. (BVT), S. 25; „Der Standard vom 22.9.2018, „Der Tag der BVT-Razzia in den Worten der Beteiligten“; https://derstandard.at/2000087764426/Der-Tag-der-BVT-Razzia-in-den-Worten-der-Beteiligten . 399 83/KOMM XXVI. GP, 6: Aussage G. S. (BVT). 400 117/KOMM XXVI. GP, 6: Aussage S. G. (BVT) (1). 401 a.a.O.

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Neonazi-Szene ist402 – beinhaltete403 sowie zwei CDs ausländischer Partnerdienste, die mit einem deutschen Bundesadler und der Beschriftung „Bundesamt für Verfassungsschutz“ gekennzeichnet waren.404 Auch eine DVD mit der Beschriftung „Foto Ulrichsberg 2015“ wurde sichergestellt.405 S. G. (BVT) wies dabei explizit darauf hin, dass es sich um Daten anderer Fälle handle.406 Trotz der Information von S. G. (BVT) wurden auch diese Daten sichergestellt.407

Die EGS-Beamten nahmen bei den Datenträgern keine Differenzierung vor, da der explizite Auftrag war, nach allen möglich relevanten Datenträgern zu suchen.408 Einer der EGS- Beamten teilte Schmudermayer die Bedenken von S. G. (BVT) mit, dass es sich teilweise um geheime Daten handle. Trotz dieser Mitteilung entschied Schmudermayer, dass alles mitgenommen werde.409

Insgesamt wurden im Zuge der Durchsuchung im Büro S. G. (BVT) rund 80.000 E-Mails sichergestellt.410 Außerdem wurden Zugangsprotokolle aus dem internen Aktenverwaltungssystem EDIS, aus welchen lediglich festgestellt werden kann, auf welche Akten zugegriffen und Einsicht genommen worden war, sichergestellt. Dazu muss festgehalten werden, dass S. G. (BVT) im Zusammenhang mit ihrer Arbeit täglich auf mehrere Hundert Akten zugriff.411

Im BVT verfügt jeder Mitarbeiter über ein privates Postfach und darüber hinaus über einen Zugriff auf die Referatsmailboxen. Jedes Referat verfügt über eine Referatsmailbox, auf die jeder Mitarbeiter des Referats Zugriff hat. Da es vorkommt, dass sich dienstliche Mails in den persönlichen Mailboxen wiederfinden, ordnete Schmudermayer an, auch die persönlichen Mailboxen sicherzustellen. Aufgrund der nicht zielgerichteten Suche und aufgrund der Tatsache, dass der IT-Experte anordnete, die gesamte Mailbox seit Beginn des Mailservers

402 „Profil“ vom 28.4.2018, „Fall BVT: Eine Art Verfolgungswahn“; https://www.profil.at/oesterreich/fall- bvt-art-verfolgungswahn-10045364. 403 117/KOMM XXVI. GP, 16f: Aussage S. G. (BVT) (1); „Der Standard“ vom 10.3.2018, „BVT- Affäre: Ermittler nahmen laut Protokoll 19 CDs mit "aktuellen Fällen“ mit“; https://derstandard.at/2000075765475/Van-der-Bellen-zur-BVT-Affaere-Hoechst-ungewoehnliche- und-irritierende. 404 117/KOMM XXVI. GP, 43: Aussage S. G. (BVT) (1). 405 a.a.O., S. 38. 406 a.a.O., S. 26. 407 a.a.O., S. 38; 83/KOMM XXVI. GP, 31f: Aussage G. S. (BVT). 408 83/KOMM XXVI. GP, 6: Aussage G. S. (BVT). 409 a.a.O., S. 21; „Der Standard“ vom 22.9.2018, „Der Tag der BVT-Razzia in den Worten der Beteiligten“; https://derstandard.at/2000087764426/Der-Tag-der-BVT-Razzia-in-den-Worten-der- Beteiligten. 410 117/KOMM XXVI. GP, 13: Aussage S. G. (BVT) (1). 411 a.a.O.

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sicherzustellen, zog sich die Sicherstellung am Tag der Hausdurchsuchung über mehrere Stunden hin.412

Explizit die Leiterin des Extremismusreferates besaß eine sehr große Mailbox, weshalb eine gezielte Suche in ihren archivierten E-Mails mehrere Stunden in Anspruch genommen hätte.413 Eine Einschränkung der Suche wäre im gegebenen Fall aus mehreren technischen Gründen nicht möglich gewesen, weshalb die gesamten Mailboxdaten sichergestellt wurden.414

4.6.5.1.2. Neuerliche Durchsuchung des Büros Nachdem die Suche nach physischen Datenträgern gegen Mittag abgeschlossen war, fand ein Telefongespräch zwischen dem EGS-Beamten G. S. (EGS) und seinem Vorgesetzten Huber, der sich zu diesem Zeitpunkt mit Schmudermayer und Preiszler in der IT-Abteilung des BVT aufhielt, statt.415

Zu diesem Telefonat notierte Schmudermayer Folgendes:

„Um 12:05 Uhr fragt die LPD Wien nach, ob im Büro von S. G. (BVT) sämtliche dort vorhandenen schriftlichen Papierunterlagen ebenso sichergestellt werden sollen. Konkret handelt es sich hier um viele tausend Blätter, wobei ausgedruckte E-Mails anscheinend mit Aktenteilen vermischt sind.

Daraufhin wird abgeklärt, dass der Schwerpunkt auf ihrer Kommunikation liegt, weswegen eine grobe Sichtung durchgeführt werden soll, die sich auf sicherzustellende E-Mail-Kommunikation konzentriert, offensichtliche Aktenteile sind nicht sicherzustellen.“416

Das Büro von S. G. (BVT) wurde im Auftrag der Staatsanwältin erneut durchsucht. Diesmal suchten die EGS-Beamten nicht nach externen beziehungsweise physischen Datenträgern, sondern gezielt nach ausgedrucktem E-Mail-Verkehr. Die Durchsuchung und Sichtung jedes einzelnen Papierdokuments – darunter auch klassifizierte Dokumente - vollzogen fünf417 EGS- Beamte ohne Beisein der Staatsanwältin.418

Zum Zeitpunkt des Telefonats wusste Schmudermayer bereits, dass sich in diesem Büro ungefähr 70.000 Seiten Papier befanden. Schmudermayer beauftragte die EGS-Beamten

412 79/KOMM XXVI. GP, 17: Aussage R. B. (BVT). 413 166/KOMM XXVI. GP, 45: Aussage F. K. (BVT). 414 OStA Wien, Tagebuch der WKStA zu 6 St 2/18f, Informationsbericht Nr. 2 vom 9.3.2018, S. 9f; 79/KOMM XXVI. GP, 17, 20: Aussage R. B. (BVT). 415 85/KOMM XXVI. GP, 20f: Aussage König. 416 a.a.O., S. 30f; OStA Wien, Bericht über den Verlauf der Hausdurchsuchung, S. 188. 417 83/KOMM XXVI. GP, 6: Aussage G. S. (BVT). 418 OStA Wien, Gedächtnisprotokoll über den Verlauf der Hausdurchsuchung vom 28.2.2018 im Büro RL II/BVT/2-1(EX) von S. G. (BVT); S. 14ff.

www.parlament.gv.at 695 der Beilagen XXVI. GP - Ausschussbericht NR - Berichterstattung 121 von 298 117 daher, allenfalls ausgedruckten E-Mail-Verkehr sicherzustellen. Es sollten jedoch nicht alle Papiere wahllos mitgenommen werden, weshalb Schmudermayer die EGS-Beamten beauftragte, die ausgedruckten Papiere auf den Namen Zöhrer zu durchsuchen. Sichergestellt werden sollten E-Mails, die im Absender, Empfänger oder in cc den Namen Zöhrer enthielten.419 Zu diesem Zweck war es notwendig, dass die Beamten alle ausgedruckten Dokumente sichteten und relevanten E-Mail-Verkehr aussortierten. Sämtliche Papiere, die aufgrund des Layouts nicht einem E-Mail glichen, wurden ohne Sichtung unmittelbar ausgeschlossen. Alle Papierdokumente wurden aufgrund dieses Umstands von den EGS- Beamten grob gesichtet, weshalb auch eine Sichtung der E-Mails an sich stattfand.420 Die EGS-Beamten nahmen jeden Akt in die Hand und sichteten jedes einzelne Blatt. Sofern ein typischer E-Mail-Schriftkopf zu sehen war, suchten sie nach dem Namen Zöhrer und legten es auf die Seite.421 Von den Tausenden Papierdokumenten im Büro S. G. (BVT) blieben schlussendlich ungefähr 400 relevante Blätter mit E-Mailverkehr, die auch sichergestellt wurden, übrig.422

In ihrer Befragung vor dem Untersuchungsausschuss gab Schmudermayer an, dass die Sichtung der Daten durch die EGS-Beamten von ihr anfangs strikt untersagt gewesen sei.423 Die davon abweichende spätere Anordnung an die EGS-Beamten, nach ausgedrucktem E- Mail-Verkehr zu suchen und eine Grobsichtung durchzuführen, sei durch das vorgefundene Chaos und die erhebliche Menge an Datenträgern und Papierunterlagen im Büro S. G. (BVT) bedingt gewesen.424

4.6.5.1.3. Stellungnahmen zur Durchsuchung des Büros In einer Aussendung vom 8.3.2018 nahm der Generalsekretär des BMI wie folgt Stellung:

„Welche Daten bei den Hausdurchsuchungen beschlagnahmt wurden, entzieht sich der Kenntnis des Innenministeriums sowie auch der der eingesetzten EGS- Polizisten, die zu keinem Zeitpunkt in Besitz dieser Daten waren.“425

Auch der damalige Bundesminister für Inneres Herbert Kickl äußerte sich zu diesem Thema: „Dass ,irgendwelche Polizisten‘ auf sensible Daten zugegriffen hätten, sei ,schlicht

419 133/KOMM XXVI. GP, 34: Aussage Schmudermayer (3). 420 a.a.O., S. 34f. 421 83/KOMM XXVI. GP, 20: Aussage G. S. (BVT). 422 133/KOMM XXVI. GP, 34: Aussage Schmudermayer (3). 423 111/KOMM XXVI. GP, 50f: Aussage Schmudermayer (1). 424 133/KOMM XXVI. GP, 34: Aussage Schmudermayer (3). 425 Aussendung von BMI-Generalsekretär Peter Goldgruber vom 8.3.2018, „Verfahren gegen BVT- Mitarbeiter: BMI widerspricht medialen ‘Fake News‘“ https://www.ots.at/presseaussendung/OTS_20180308_OTS0195/verfahren-gegen-bvt-mitarbeiter- bmi-widerspricht-medialen-fake-news; „Profil“ vom 2.6.2018, „BVT: Wie Innen- und Justizministerium die Öffentlichkeit in die Irre führen“; https://www.profil.at/oesterreich/bvt-innenministerium- justizministerium-oeffentlichkeit-irrefuehren-10107208.

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und ergreifend‘ falsch. „Dieser Einsatz ist absolut lupenrein durchgeführt worden“.“426

„Die einzige Aufgabe der EGS war die Herstellung der Exekutivgewalt. Die Anwesenheit der Polizeikräfte beschränkte sich also darauf, den unmittelbaren Zugriff der Betroffenen auf das der Sicherung unterliegende technische Gerät und jede Manipulationsmöglichkeit zu unterbinden.“427

Die Leitende Staatsanwältin Vrabl-Sanda hat am 20.3.2018 ein E-Mail an Generalsekretär Pilnacek verfasst, in der sie festhält, dass die Hausdurchsuchung vom jeweils anwesenden Staatsanwalt geleitet worden sei und dass dieser allenfalls nach Beratung mit den IT-Experten entschieden habe, welche Datenträger sichergestellt werden.428 Zur Sichtung der Daten im Büro S. G. (BVT) schrieb Vrabl-Sanda ergänzend:

„Die Sichtung der Datenträger welcher Art auch immer nach Inhalten fand niemals durch die LPD Wien statt.“429

Der Aussage Goldgrubers, die EGS-Beamten seien nicht im Besitz der Daten gewesen, kann zugestimmt werden. Dennoch sichteten die EGS-Beamten zumindest die ausgedruckten Papierunterlagen und hatten Zugriff auf teils klassifizierte Dokumente. Die dahingehenden Aussagen von Kickl und Vrabl-Sanda sind sohin aufgrund der festgestellten Ergebnisse zumindest in Frage zu stellen.

Es konnte sich der Kenntnis der EGS-Beamten nicht entziehen, welche Daten schlussendlich sichergestellt wurden. Dies ergibt sich daraus, dass die EGS-Beamten in den Sicherstellungsprozess involviert waren und darüber hinaus händische Sicherstellungsprotokolle anfertigten.

Dass es den EGS-Beamten beim Durchblättern zumindest theoretisch möglich gewesen wäre, sich Amtshandlungen einzuprägen oder Inhalte zu lesen, liegt auf der Hand. Es liegen dem Untersuchungsausschuss jedoch keine konkreten Hinweise vor, dass dies auch tatsächlich geschehen ist.

426 „Profil“ vom 2.6.2018, „BVT: Wie Innen- und Justizministerium die Öffentlichkeit in die Irre führen“; https://www.profil.at/oest erreich/bvt-innenministerium-justizministerium-oeffentlichkeit-irrefuehren-10107208. 427 „Der Standard“ vom 22.9.2018, „Der Tag der BVT-Razzia in den Worten der Beteiligten“; https://derstandard.at/2000087764426/Der-Tag-der-BVT-Razzia-in-den-Worten-der-Beteiligten, zitiert aus dem Bundesrat vom 15.3.2018. 428 117/KOMM XXVI. GP, 31f: Aussage S. G. (BVT) (1); OStA Wien, E-Mail von der Leiterin der WKStA Vrabl-Sanda an Generalsekretär Pilnacek vom 20.3.2018, S. 55. 429 117/KOMM XXVI. GP, 31: Aussage S. G. (BVT) (1); OStA Wien, E-Mail von der Leiterin der WKStA Vrabl-Sanda an Generalsekretär Pilnacek vom 20.3.2018, S. 55.

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4.6.5.1.4. Sichergestellte Daten und Gegenstände Nach Abschluss der Durchsuchungen im Büro S. G. (BVT), gegen 16:00 Uhr, erstellten die EGS-Beamten ein Sicherstellungsprotokoll.430 Die Papierdokumente wurden durchnummeriert, bevor die entsprechende Seitenanzahl in das Sicherstellungsprotokoll eingetragen wurde.431 Bei den Fallakten bestand S. G. (BVT) darauf, diese entsprechend zu beschriften und im Sicherstellungsprotokoll zu kennzeichnen, dass es sich um Beweismittel aus anderen Verfahren handelte.432 Am Ende unterzeichnete S. G. (BVT) die Sicherstellungsprotokolle und behielt eine der Ausfertigungen bei sich.433

Das Ergebnis der Durchsuchungen bei S. G. (BVT) ergab gemäß dem von einem EGS- Beamten händisch ausgefüllten Sicherstellungsprotokoll folgende Sicherstellungen:434

„1 x I-Phone 7 schwarz 3 x USB-Sticks 8 x Floppy Disks 397 Seiten diverse Mails Schriftverkehr 92 x CD Remember Vienna 141 x CD Cop Teens 42 x DVD + CD diverse 1 x Stand PC 1 x Kuvert mit 19 CD´s (aktuelle Fälle – Beweismittel!!) 1 x CD-Spindel mit 21 CD´s Fall „Isabella KORDAS“ Beweismittel!! 1 x Handy LG schwarz“

Zur Verteidigung der Mitnahme von teils nicht für diesen Fall relevanten Datenträgern und dem Auftrag an die EGS-Beamten, nach sämtlichen möglichen Datenträgern zu suchen, hielt Schmudermayer folgendes fest:

„Da eine präzise Auswahl der sicherzustellenden Datenträger aufgrund der teilweise ungeordneten Aufbewahrungsverhältnisse in den betroffenen Büroräumen, insbesondere bei der Leiterin der Extremismus-Abteilung, nicht möglich war, wurden alle möglichen relevanten Datenträger sichergestellt“435.

430 117/KOMM XXVI. GP, 6: Aussage S. G. (BVT) (1). 431 165/KOMM XXVI. GP, 32: Aussage R. G. (BVT). 432 a.a.O. 433 a.a.O., S. 11. 434 OStA Wien, Durchsuchung - Sicherstellungsprotokoll Büro S. G. (BVT), S. 1ff; https://peterpilz.at/die- zweifaerbige-affaere/. 435 „Profil“ vom 28.4.2018, „Fall BVT, Eine Art Verfolgungswahn“; https://www.profil.at/oesterreich/fall- bvt-art-verfolgungswahn-10045364; BMVRDJ, Informationen für den HBM, Dringliche Anfragebeantwortung, S. 10.

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Von den 400 sichergestellten Seiten im Büro S. G. (BVT) stellte sich für die Staatsanwältin bei der Sichtung in der WKStA eine einzige E-Mail als für das Verfahren relevant heraus. In dieser elfzeiligen E-Mail vom 6.10.2018 ging es um den Datenspeicherungsvorgang Sigrid Maurer im BVT, der Bestandteil des Konvoluts ist und damit für Schmudermayer Aktenbestandteil und Verfahrensbestandteil war.436

Nach der Sichtung in der WKStA wurden alle sichergestellten Datenträger, CDs und DVDs aus dem Büro der Leiterin des Extremismusreferates aufgrund mangelnder Verfahrensrelevanz wieder zurückgegeben.437

4.6.5.1.5. Vorwurf „Chaos-Büro“ Der im Büro S. G. (BVT) vorgefundene Zustand wurde von den EGS-Beamten als chaotisch beschrieben. Konkret gab einer der Beamten an:

„Wie gesagt, ich kann nur für mein Büro reden. Ich war schon bei einigen Hausdurchsuchungen dabei und so ein Chaos wie in diesem Büro habe ich noch nie erlebt.“438

S. G. (BVT) rechtfertigte sich demgegenüber, dass das Chaos großteils erst im Zuge der Hausdurchsuchung und das nicht standardisierte Vorgehen der Beamten entstanden sei.439 Zur Fotodokumentation wird festgehalten, dass die Aufnahmen des Zustands nicht – wie normalerweise üblich - vor der Durchsuchung gemacht worden seien, sondern erst während laufender Durchsuchung.440 Zudem sei in keiner Weise eine detailreiche Fotodokumentation erfolgt.441

Die teilweise großen Aktenberge im Büro rechtfertigte S. G. (BVT) wie folgt:

„Ich weiß, das Chaos in meinem Büro ist ein Thema gewesen, und ich muss sagen, natürlich habe ich auf meinem Schreibtisch, ich glaube, fünf, sechs Aktenstöße liegen gehabt, ein Aktenbock beim Fenster ist auch vollgeräumt; aber ich hatte zu dem Zeitpunkt sieben aktuelle StPO-Verfahren mit bis zu 300 Beschuldigten laufen, und da kommt natürlich etwas zusammen. Dann sind in meinem Büro natürlich auch StPO-Akten von uns zwar schon abgeschlossenen Fällen, die aber beim Gericht noch nicht abgeschlossen sind. Und bis das alles abgeschlossen ist, behalte ich mir das natürlich auch auf, weil man immer wieder gefordert ist, irgendetwas vorzulegen, nachzuberichten, noch auszuheben und dergleichen. Also ich habe natürlich einen großen Aktenberg bei mir.“442

436 119/KOMM XXVI. GP, 27f: Aussage Schmudermayer (2); 133/KOMM XXVI. GP, 47f: Aussage Schmudermayer (3). 437 119/KOMM XXVI. GP, 28: Aussage Schmudermayer (2). 438 83/KOMM XXVI. GP, 29: Aussage G. S. (BVT). 439 117/KOMM XXVI. GP, 6: Aussage S. G. (BVT) (1). 440 a.a.O.; 165/KOMM XXVI. GP, 21: Aussage R. G. (BVT). 441 117/KOMM XXVI. GP, 6: Aussage S. G. (BVT) (1). 442 a.a.O.

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Die Kollegen von S. G. (BVT) kannten den Zustand des Büros und wussten, dass sie nach ihrem eigenen System arbeite. Die Kollegen von S. G. (BVT) aus dem BVT bestätigten jedoch auch, dass es sich um eine Art geordnetes Chaos handle, über welches S. G. (BVT) einen sehr guten Überblick behalte:443

„Sie muss sich halt alles ausdrucken, sie macht sich handschriftliche Notizen drauf, und das schmeißt sie halt nicht weg, und im Anlassfall hat sie ihre Gedanken, die sie da gehabt hat, griffbereit, schlägt auf und hat ihre Zettel. Es hat aber natürlich für einen Außenstehenden durchaus möglicherweise den Eindruck von Unordentlichkeit, das muss man auch offen und ehrlich dazusagen.“444

4.6.5.2. N. B. (BVT) N. B. (BVT) ist einer der vier betroffenen BVT-Mitarbeiter, bei dem nicht nur im Büro, sondern auch am Privatwohnsitz eine Durchsuchung angeordnet und durchgeführt wurde.

N. B. (BVT) befand sich am Tag der Hausdurchsuchung an seinem Privatwohnsitz und war daher von Beginn an persönlich bei der Durchsuchung anwesend.445 Der am Privatwohnsitz N. B. (BVT) verantwortliche Staatsanwalt war Purkart, der zuständige IT-Techniker Wruhs. Für die Herstellung der Exekutivgewalt waren sieben EGS-Beamte im Einsatz. Während der Amtshandlung waren außerdem die beiden Töchter und die Ehefrau von N. B. (BVT) anwesend.446

Die Hausdurchsuchung begann gegen 9:15 Uhr.447 Nachdem die EGS-Beamten angeläutet hatten, öffnete eine Tochter von N. B. (BVT) die Haustüre. N. B. (BVT) selbst wurde dann im Kellergeschoß bei seiner Werkbank angetroffen. Gleich bei Antreffen teilte Purkart N. B. (BVT) mit, dass es sich um eine Hausdurchsuchung handelte und forderte N. B. (BVT) auf, vom Computer zurückzutreten, um etwaige Zugriffe auf den Datenbestand zu verhindern. N. B. (BVT) wurde angewiesen, ihnen in das Erdgeschoß des Wohnhauses zu folgen, wo ihm die zu diesem Zeitpunkt noch nicht unterfertigte aber mündlich bewilligte Anordnung übergeben wurde. Nach einer Personendurchsuchung forderten die EGS-Beamten alle Anwesenden auf, alle etwaigen noch eingesteckten elektronischen Datenträger wegzulegen.448 Während N. B. (BVT) Zeit gegeben wurde, die Anordnung durchzulesen,

443 125/KOMM XXVI. GP, 35: Aussage C. M. (BVT) (1); 165/KOMM XXVI. GP, 21: Aussage R. G. (BVT). 444 165/KOMM XXVI. GP, 21: Aussage R. G. (BVT). 445 76/KOMM XXVI. GP, 5: Aussage N. B. (BVT). 446 118/KOMM XXVI. GP, 5: Aussage Wruhs; 76/KOMM XXVI. GP, 7f: Aussage N. B. (BVT); BMVRDJ, Aktenvermerke betreffend alle Hausdurchsuchungen, S. 44. 447 76/KOMM XXVI. GP, 22: Aussage N. B. (BVT); OStA Wien, Amtsvermerk von Purkart vom 28.2.2018 betreffend Privatwohnsitz N. B. (BVT) zu 6 St 2/18f, S. 172. 448 76/KOMM XXVI. GP, 5: Aussage N. B. (BVT); OStA Wien, Amtsvermerk von Purkart vom 28.2.2018

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wurde mit der tatsächlichen Durchsuchung in Begleitung einer der Töchter als Vertrauensperson begonnen.449

Beim Lesen der Anordnung bemerkte N. B. (BVT), dass er in dem in der Anordnung angegebenen Zeitraum nicht im BVT tätig gewesen ist, und teilte diesen Umstand umgehend dem zuständigen Staatsanwalt mit. Damals war er beruflich beim Bundeskriminalamt tätig und hatte keinen Zugriff auf BVT-Akten. Purkart führte in Folge dessen ein Telefonat mit Schmudermayer, um zu erfragen, ob dieser Umstand Auswirkungen auf die Durchsuchung hat.450 Die Staatsanwältin, der die Zuteilungszeiten von N. B. (BVT) vor der Hausdurchsuchung nicht bekannt waren, konnte diesen Umstand ad hoc weder verifizieren noch falsifizieren451, weswegen sie anordnete, mit der Durchsuchung unverändert weiterzumachen.452 In ihrer Befragung vor dem Untersuchungsausschuss am 2.10.2018 bestätigte Schmudermayer eine zeitliche Überschneidung von vier Wochen.453 Für die Sicherstellung von Daten war am Privatwohnsitz von N. B. (BVT) der gerichtlich beeidete Sachverständige Wruhs anwesend, der sich selbst als IT-Experte bezeichnet. Er sei seit zehn Jahren in der Forensik tätig, unter anderem auch für die Justiz.454 Wruhs erfuhr erst bei der finalen Einsatzbesprechung am Morgen des 28.2.2018 in der EGS-Kaserne, im 12. Bezirk in Wien, um welchen Einsatzort es sich handelte.455 In dieser Einsatzbesprechung wurde flüchtig besprochen, was gesucht wird. Wruhs wurde mitgeteilt, dass es sich zum einen um einen Akt, der eigentlich hätte vernichtet werden sollen, und zum anderen um den Themenkomplex der nordkoreanischen Reisepässe handelte. Genauere Informationen standen dem IT-Techniker nicht zur Verfügung.456 Wruhs gab dazu in seiner Befragung vor dem Untersuchungsausschuss an:

„Der Auftrag war, noch einmal ganz – Konkret ist natürlich jetzt die falsche Aussage, aber im Endeffekt: Es gab, es gibt einen Akt, der gelöscht hätte werden sollen und nicht gelöscht wurde. Und jetzt ging es darum, zu suchen, ob in den Daten Akten sind.“457

Wruhs fuhr nach dieser Einsatzbesprechung mit seinem eigenen Pkw nach Niederösterreich

betreffend Privatwohnsitz N. B. (BVT) zu 6 St 2/18f, S. 172f. 449 76/KOMM XXVI. GP, 5: Aussage N. B. (BVT). 450 a.a.O., S. 4f; OStA Wien, Amtsvermerk von Purkart vom 28.2.2018 betreffend Privatwohnsitz N. B. (BVT) zu 6 St 2/18f, S. 173. 451 111/KOMM XXVI. GP, 11: Aussage Schmudermayer (1). 45276/KOMM XXVI. GP, 5: Aussage N. B. (BVT); OStA Wien, Amtsvermerk von Purkart vom 28.2.2018 betreffend Privatwohnsitz N. B. (BVT) zu 6 St 2/18f, S. 173. 453 111/KOMM XXVI. GP, 11: Aussage Schmudermayer (1). 454 118/KOMM XXVI. GP, 15: Aussage Wruhs. 455 a.a.O., S. 4f. 456 a.a.O., S. 5f. 457 a.a.O., S. 7.

www.parlament.gv.at 695 der Beilagen XXVI. GP - Ausschussbericht NR - Berichterstattung 127 von 298 123 und wartete vor der Ortstafel auf den Einsatzbefehl.458 Gegen 10:30 Uhr traf Wruhs beim Wohnsitz N. B. (BVT) ein und begann mit seiner Arbeit.459

Auch am Privatwohnsitz von N. B. (BVT) durchsuchten die EGS-Beamten das ganze Haus und trugen alle gefunden Datenträger im Erdgeschoß des Hauses zusammen.460 Die Aufgabe des IT-Technikers war es, sämtliche von der EGS zusammengetragenen Datenträger zu qualifizieren. Darunter wird die Feststellung verstanden, welche der vorhandenen Datenträger relevant waren und welche nicht. Um nicht alle Datenträger sicherzustellen, steckte Wruhs die Datenträger am Computer an, öffnete sie und verschaffte sich anhand der Dateinamen und der Ordner einen groben Überblick.461 Wruhs arbeitete mit einem negativen Ausschlussverfahren. Jene Daten, die auf den ersten Blick keinen Akt darstellten oder die private Arbeit von N. B. (BVT) betrafen, schloss er unmittelbar als irrelevant aus. Alle anderen Daten stufte er als relevant ein. Bei diesem Vorgang stand Wruhs in ständiger Rücksprache mit dem zuständigen Staatsanwalt Purkart.462 Eindeutig irrelevante Daten schloss Wruhs ohne Rückfrage aus, bei allen anderen gab es vor Ausschluss eine Rücksprache mit Purkart.463

Wruhs gab in seiner Befragung vor dem Untersuchungsausschuss an, dass keine Zeit vorhanden war, sich jedes Dokument einzeln anzuschauen.464 Wruhs habe im Nachhinein festgestellt, dass er für jedes Asservat zwei Minuten Zeit hatte, um zu qualifizieren, ob es relevant war oder nicht. Eine gezielte Schlagwortsuche stelle sich bei dieser Menge an Daten als unmöglich dar.465 Von allen Datenträgern, die bei N. B. (BVT) gefunden worden seien, habe Wruhs circa 30 Prozent als relevant eingestuft. Den Rest der Daten habe er als irrelevant eingestuft. Dieser Teil sei nicht sichergestellt worden.466

Sichergestellt wurde unter anderem die private Festplatte von N. B. (BVT), auf der private Daten gespeichert waren. Von der Sicherstellung eines alten Notebooks wurde abgesehen, da N. B. (BVT) mitteilte, dass dieses mittlerweile von seiner Tochter verwendet werde und er vor Übergabe an die Tochter alle Daten gelöscht habe. Auch von der Sicherstellung des gesamten Netzwerkspeichers wurde Abstand genommen, zumal dieser so langsam war, dass ein Kopieren Stunden in Anspruch genommen hätte.467 Anzumerken ist, dass die Sachlichkeit

458 a.a.O., S. 6, 18. 459 a.a.O., S. 18. 460 76/KOMM XXVI. GP, 21: Aussage N. B. (BVT). 461 118/KOMM XXVI. GP, 8f: Aussage Wruhs. 462 a.a.O., S. 11. 463 a.a.O, S. 15f. 464 a.a.O., S. 17. 465 a.a.O., S. 24. 466 a.a.O., S. 28. 467 76/KOMM XXVI. GP, 16: Aussage N. B. (BVT).

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dieser Begründung für das Absehen von der Sicherstellung in Frage zu stellen ist.

N. B. (BVT) gab an, dass er keine strikte Trennung zwischen dienstlichen, privaten und über sein Unternehmen erhaltene Daten walten habe lassen, weshalb auch während der Hausdurchsuchung eine strikte Trennung der vorgefunden Daten nicht möglich gewesen sei.468

Gefunden und sichergestellt wurden bei N. B. (BVT) auch Falldaten aus dem BVT. Dazu gab N. B. (BVT) in seiner Befragung vor dem Untersuchungsausschuss an, dass es sich bei den Falldaten um Daten gehandelt habe, die er im Rahmen seiner Tätigkeit im BVT, der forensischen Analyse, bearbeitet habe. Es handle sich um Falldaten aus diversen Referaten, hauptsächlich aber aus dem Extremismusreferat. Bei den Extremismusdaten gehe es um Daten, die bei Beschuldigten sichergestellt worden seien. Es sei auch vorgekommen, dass N. B. (BVT) diese Daten auf einer verschlüsselten Festplatte mit nach Hause genommen habe und zu Hause weiterbearbeitet habe.469

Partiell wurden von diesen Festplatten, die nur N. B. (BVT) entschlüsseln konnte, Kopien erstell, teilweise wurden sie zur Gänze sichergestellt. Diese IT-Vorgänge nahm Wruhs zum Teil auch ohne Aufsicht des Staatsanwalts vor.470 Es kam während der Durchsuchung vor, dass Wruhs die Festplatten nicht öffnen beziehungsweise lesen konnte. N. B. (BVT) wollte verhindern, dass alles mitgenommen wird und versuchte mit seinem Notebook die Datenträger lesbar zu machen. Er wollte damit demonstrieren, dass es sich um keine relevanten Daten handelte. Jene Datenträger, die dennoch unlesbar waren, wurden sogleich sichergestellt.471

Die für relevant qualifizierten Daten verpackten die EGS- Beamten für den Abtransport in Plastiksackerl472 und verluden sie in Fahrzeuge.473 Purkart, der bis zum Ende der Durchsuchung – mit einer circa zweieinhalb stündigen Unterbrechung – anwesend war, begleitete den Abtransport der Daten.474 Purkart verließ die Amtshandlung bei N. B. (BVT) einmal, um zur Durchsuchung am Privatwohnsitz von F. K. (BVT) zu fahren. Während der zweieinhalbstündigen Abwesenheit beauftragte Purkart Wruhs, die Datenträger, die von den

468 a.a.O., S. 27; OStA Wien, Amtsvermerk von Purkart vom 28.2.2018 betreffend Privatwohnsitz N. B. (BVT) zu 6 St 2/18f, S. 174. 469 76/KOMM XXVI. GP, 19f: Aussage N. B. (BVT). 470 a.a.O., S. 21. 471 a.a.O. 472 a.a.O. 473 a.a.O., S. 21f. 474 a.a.O., S. 22.

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EGS-Beamten bereits zusammengesammelt waren, zu qualifizieren.475

Am 5.3.2018 übermittelte Wruhs ein Verzeichnis der sichergestellten Datenträger in der Form einer Excel-Liste an die Staatsanwaltschaft. Damit schloss er seine und die Arbeit seiner Mitarbeiter ab.476 Für den gesamten Einsatz und den seiner zwei Mitarbeiter verrechnete Wruhs (Firma DFG Digitale Forensik GmbH) gesamt 7.900 Euro.477

Während der Hausdurchsuchung, die knappe zehn Stunden478 andauerte, fühlte sich N. B. (BVT), der in diesem Verfahren lediglich Zeugenstellung hatte, von den zuständigen EGS-Beamten, wie vom zuständigen Staatsanwalt wie ein Beschuldigter behandelt.479 N. B. (BVT) zeigte sich dennoch mitwirkend und fragte beim Staatsanwalt mehrmals nach, was genau gesucht werde, und bot überdies eine freiwillige Herausgabe an.480 N. B. (BVT) kooperierte während der gesamten Durchsuchung, verdeutlichte aber mehrmals, dass er mit den Vorwürfen in der Anordnung nichts anfangen könne und zum in der Anordnung angegebenen Zeitpunkt nicht im BVT tätig gewesen sei.481

Als Reaktion auf die persönliche Wahrnehmung der Hausdurchsuchung und die weitere mediale Berichterstattung, die für N. B. (BVT) ein massives Kommunikationsproblem zwischen der WKStA und dem Generalsekretär des BMVRDJ Pilnacek aufzeigte, verfasste N. B. (BVT) am 15.3.2018 ein E-Mail an Pilnacek.482 N. B. (BVT) kritisierte, dass von der Staatsanwaltschaft keine Ermittlungen gemacht worden seien und die Staatsanwältin aufgrund von nicht überprüften Zeugenaussagen Hausdurchsuchungen angeordnet und durchgeführt habe.483 N. B. (BVT) schrieb in dieser E-Mail, dass er nicht davon ausgegangen sei, dass so etwas in Österreich möglich sei. Die Reaktion von Pilnacek war eine Antwortmail mit dem Rat, wegen der Hausdurchsuchung Beschwerde einzulegen.484

475 a.a.O, S. 23. 476 118/KOMM XXVI. GP, 9: Aussage Wruhs. 477 a.a.O., S. 29; https://peterpilz.at/die-zweifaerbige-affaere/. 478 76/KOMM XXVI. GP, 22: Aussage N. B. (BVT). 479 a.a.O., S. 7f. 480 a.a.O., S. 26. 481 a.a.O., S. 5f und 23; OStA Wien, Amtsvermerk von Purkart vom 28.2.2018 betreffend Privatwohnsitz N. B. (BVT) zu 6 St 2/18f, S. 173. 482 76/KOMM XXVI. GP, 7: Aussage N. B. (BVT); BMVRDJ, E-Mail von N. B. (BVT) an Pilnacek vom 15.3.2018, betreffend Ermittlungen im BVT, S. 29ff. 48376/KOMM XXVI. GP, 7f: Aussage N. B. (BVT); BMVRDJ, E-Mail von N. B. (BVT) an Pilnacek vom 15.3.2018, betreffend Ermittlungen im BVT, S. 29ff. 484 76/KOMM XXVI. GP, 28: Aussage N. B. (BVT).

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4.6.5.3. B. P. (BVT) 4.6.5.3.1. Privatwohnsitz B. P. (BVT) Auch B. P. (BVT), der Leiter des Referats Spionageabwehr und Proliferationsbekämpfung485, der seit 28.2.2018 in der Causa BVT als Beschuldigter geführt wird486, war von den Durchsuchungen an seinem Privatwohnsitz und in seinem Büro betroffen.487 Die Vorwürfe betrafen unter anderem die Weitergabe von Passrohlingen, Datenaufbewahrung und Ermittlungen in der Causa Lansky.488

B. P. (BVT) befand sich am 28.2.2018 im Pflegeurlaub und war deshalb zu Hause bei seinen zwei Kindern. Am Morgen des 28.2.2018, gegen 9:30 Uhr489 wurde B. P. (BVT) per Telefon von einem seiner Mitarbeiter verständigt, dass im BVT gegenwärtig Polizisten anwesend seien. Kurz darauf übernahm Preiszler das Telefonat und teilte B. P. (BVT) mit, dass in ein paar Minuten Kollegen auch vor seiner Haustür stehen würden, und forderte B. P. (BVT) auf, die Türe zu öffnen.490 B. P. (BVT) öffnete die Haustüre, vor der bereits der zuständige Oberstaatsanwalt Schmitt491 und die zuständigen EGS-Beamte standen.492 Die EGS-Beamten waren mit üblichen Polizeiüberziehwesten bekleidet und trugen eine Dienstwaffe. Eine Ramme habe B. P. (BVT) nicht wahrgenommen.493 Auch die beiden Kinder von B. P. (BVT), die an diesem Tag krank zu Hause waren, waren während der Durchführung der Durchsuchung anwesend. Sie hielten sich in einem der Kinderzimmer, die auch durchsucht worden sind, im ersten Obergeschoß des Hauses auf.494

B. P. (BVT) wurde die zu diesem Zeitpunkt mündlich bewilligte, aber noch nicht unterschriebene Anordnung ausgehändigt. Bevor mit der Durchsuchung begonnen worden war, bat B. P. (BVT) um Kontaktaufnahme mit seinem Anwalt Dr. Dietrich, der kurze Zeit später auch beim Privatwohnsitz eintraf.495

Die EGS-Beamten durchsuchten das gesamte Haus nach sämtlichen möglichen relevanten Datenträgern und trugen diese im Esszimmer des Hauses zusammen. Der zuständige Oberstaatsanwalt Schmitt schilderte in einem Aktenvermerk den von ihm vorgefundenen

485 80/KOMM XXVI. GP, 4: Aussage B. P. (BVT) (1). 486 a.a.O., S. 5. 487 a.a.O., S. 6. 488 a.a.O., S. 5. 489 a.a.O., S. 14. 490 a.a.O., S. 6f. 491 a.a.O., S. 35. 492 a.a.O., S. 7. 493 a.a.O., S. 15. 494 a.a.O., S. 9f. 495 a.a.O., S. 7f.

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Zustand. Auf dem Esstisch in der Küche sowie auf der Eckbank seien Papierstapel, die einen ungeordneten Eindruck gemacht hätten, gelegen. Zwischen den Papierstapeln habe Schmitt neben privaten Unterlagen und Prospekten auch berufliche Unterlagen mit dem Stempel „streng geheim“ sowie befüllte und leere Briefumschläge mit dem Aufdruck „vertraulich“, gefunden.496

B. P. (BVT) rechtfertigte sich damit, dass Schmitt ihn in einer Arbeitssituation vorgefunden habe. Er habe sich aufgrund des Pflegeurlaubs Unterlagen mit nach Hause genommen.497 Zu den vorgefunden geheimen und vertraulichen Unterlagen gab B. P. (BVT) in seiner Befragung vor dem Untersuchungsausschuss an:

“Trotzdem muss ich noch etwas ergänzen: Ich muss Ihnen natürlich schon sagen, dass es in acht Jahren meiner Tätigkeit als Referatsleiter Nachrichtendienst, die ich wirklich mit großer Freude und großer Demut ausgeübt habe, nie Probleme in Bezug auf die Informationssicherheit gab. Im Gegenteil, es ist auch protokolliert und es ist, glaube ich, auch nachlesbar: Man hat mir vorgeworfen, dass ich keine Informationen hergebe.“498

Schmitt sichtete gemeinsam mit B. P. (BVT) die vorgefundenen Unterlagen und stellte fest, dass bei keiner der Unterlagen ein Bezug zum Tatverdacht hergestellt werden könne und es sich dementsprechend um keine beweisrelevanten Unterlagen gehandelt habe. Von einer Sicherstellung wurde Abstand genommen.499

Eines der Einsatzteams der Steuerfahndung war bis 12:00 Uhr beim BVT-Hauptgebäude zugeteilt und wurde später nach Kaltenleutgeben abgezogen. Beim Eintreffen des IT-Teams war die Durchsuchung durch die EGS-Beamten bereits abgeschlossen und sämtliche vorgefundenen Datenträger zusammengetragen.500

4.6.5.3.2. Büro B. P. (BVT) Nach Beendigung der Durchsuchung des Privatwohnsitzes gegen 15:00 Uhr501 führten die EGS-Beamten die Durchsuchung im Büro von B. P. (BVT) im BVT fort. Hierfür wurde B. P. (BVT) im Polizeiauto zum BVT-Gebäude gebracht. Dort erwartete ihn Schmudermayer502 in seinem Büro. Sie verließ das Büro jedoch kurz darauf wieder, während drei bis fünf EGS- Beamte im Büro verblieben, um dort sämtliche Papierakten zu sichten. Hierfür nahmen sie

496 a.a.O., S. 35; OStA Wien, Amtsvermerk von OStA Schmitt vom 28.2.2018, S. 2. 497 80/KOMM XXVI. GP, 35f: Aussage B. P. (BVT) (1). 498 a.a.O., S. 18. 499 a.a.O., S. 8. 500 BMF, Bericht über den Ablauf der Durchsuchung von Prach, S. 4. 501 80/KOMM XXVI. GP, 14: Aussage B. P. (BVT) (1). 502 a.a.O., S. 8.

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jeden Akt – teilweise auch klassifiziert - in die Hand und sichteten Seite für Seite.503 Die Durchsuchung im Büro dauerte circa zwei Stunden, bis sie um circa 17:30/18:00 Uhr beendet war.504

Bereits zu Beginn der Hausdurchsuchung an seinem Privatwohnsitz gab B. P. (BVT) bekannt, dass sich die gesuchten Reisepässe in einem Stahlschrank in seinem Büro befänden. Bei Eintreffen in den Büroräumlichkeiten öffnete B. P. (BVT) freiwillig diesen Schrank und übergab die Reisepässe beziehungsweise Reisepassrohlinge der Staatsanwältin.505

Darüber hinaus wurde bei B. P. (BVT) eine Excel-Liste gefunden, die in einem Ordner mit der Bezeichnung „Weihnachten“ gespeichert war. Auf dieser Liste befanden sich Daten von ungefähr 5.000 Altakten aus dem BVT, die schon skartiert werden hätten müssen.506 Am Ende der Hausdurchsuchung bekam B. P. (BVT) ein Schreiben ausgehändigt, wonach er das BVT nicht mehr betreten durfte und vom Dienst freigestellt war.507 B. P. (BVT) gab seinen Dienstausweis und seine Dienstgegenstände ab und hat das BVT seitdem nicht mehr betreten.508

4.6.5.4. C. H. (BVT) Auch bei C. H. (BVT), dem Leiter der IT-Abteilung im BVT509, wurde eine Durchsuchung im Büro und am Privatwohnsitz durchgeführt. Am 28.2.2018 befand er sich im Dienst in den Räumlichkeiten des BVT, als Beamte der EGS ihn aufforderten, von den Computern zurückzutreten und sämtliche Mobiltelefone am Tisch abzulegen.510

An der Durchsuchung bei C. H. (BVT) nahmen sechs EGS-Beamte und zwei Mitarbeiter des IT-Experten Wruhs teil.511 A. H. (BVT) fungierte als Vertrauensperson bei der Durchsuchung am Privatwohnsitz,512 dies trotz der Tatsache, dass A. H. (BVT) einer der vier Hauptbelastungszeugen in diesem Verfahren war.513 Während der Durchsuchung hielt sich A. H. (BVT) ausschließlich im Vorzimmer des Hauses auf, andere Räume betrat er nicht.514

503 a.a.O., S. 33. 504 a.a.O., S. 34. 505 a.a.O., S. 10f. 506 111/KOMM XXVI. GP, 39f: Aussage Schmudermayer (1); 119/KOMM XXVI. GP, 18: Aussage Schmudermayer (2). 507 80/KOMM XXVI. GP, 9: Aussage B. P. (BVT) (1). 508 a.a.O. 509 111/KOMM XXVI. GP, 7: Aussage Schmudermayer (1). 510 BVT, Aktenvermerk von R. B. (BVT) vom 2.3.2018, S. 1ff. 511 118/KOMM XXVI. GP, 7: Aussage Wruhs. 512 124/KOMM XXVI. GP, 30f: Aussage A. H. (BVT). 513 a.a.O., S. 31. 514 a.a.O., S. 39.

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Die zuständige Oberstaatsanwältin der WKStA war Ramusch. Sie war es auch, die sämtliche Informationen betreffend die Durchführung der Durchsuchung an die IT-Mitarbeiter von Wruhs, die nicht bei den Einsatzbesprechungen teilgenommen haben, weiterleitete.515

Mit der tatsächlichen Durchsuchung wurde bis 11:30 Uhr zugewartet, um dem Betroffenen die Möglichkeit zu gewähren, selbst bei der Hausdurchsuchung anwesend zu sein. Sämtliche bei der Durchsuchung gefundenen Datenträger wurden von den zwei IT-Experten vor Ort geprüft und alle relevanten Datenträger inventarisiert und sichergestellt. Nach beendeter Durchsuchung gegen 16:00 Uhr wurden alle sichergestellten Datenträger direkt zur WKStA gebracht. Dort übernahm Ramusch, die den Einsatzort schon gegen 14:00 Uhr verlassen hatte, die Datenträger und deponierte sie in der WKStA.516

4.6.5.5. F. K. (BVT) 4.6.5.5.1. Privatwohnsitz F. K. (BVT) F. K. (BVT) ist Systemadministrator im BVT. Seine Aufgaben bestehen in der Wartung der Server- und Netzwerklandschaften sowie in der Reparatur und dem ständigen Ausbau bei Kapazitätsengpässen.517 Am 28.2.2018 war auch F. K. (BVT) sowohl in seinem Büro im BVT als auch an seinem Privatwohnsitz in Niederösterreich von den Durchsuchungen betroffen. F. K. (BVT) verließ gegen 10:30 Uhr das BVT-Gebäude, um an seine Privatadresse zu fahren und bei den Durchsuchungen selbst anwesend zu sein.518 Den weiteren Vorgang der Durchsuchung im BVT-Gebäude in seinem Büro beaufsichtigte in seiner Abwesenheit einer seiner Kollegen.519 F. K. (BVT) wurde eine Kopie der Anordnung ausgehändigt, der Grund der Hausdurchsuchung ist ihm nicht genannt worden.520 F. K. (BVT) kooperierte während der gesamten Hausdurchsuchung und bot mehrmals an, die gesuchten Gegenstände freiwillig herauszugeben. Er bekam von den EGS-Beamten dessen ungeachtet mehrmals die Auskunft, „dass sie nicht wissen, wonach sie suchen“.521

Leiter der Durchsuchung am Privatwohnsitz war Purkart.522 Purkart befand sich anfangs bei der Durchsuchung am Privatwohnsitz von N. B. (BVT), verließ die Durchsuchung für etwa

515 118/KOMM XXVI. GP, 10: Aussage Wruhs. 516 OStA Wien, Amtsvermerk vom 28.2.2018 von Ramusch betreffend der Durchsuchung beim Beschuldigten C. H. (BVT), S. 1. 517 166/KOMM XXVI. GP, 4: Aussage F. K. (BVT). 518 a.a.O. 519 a.a.O., S. 31. 520 a.a.O., S. 3. 521 a.a.O., S. 4 und 21. 522 a.a.O., S. 28.

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zweieinhalb Stunden, um zur Durchsuchung am Privatwohnsitz bei F. K. (BVT) zu fahren.523 Für die Herstellung der Sicherheit waren acht EGS-Beamte im Einsatz, für die IT-Arbeiten ein Team der Steuerfahndung.524 Neben F. K. (BVT) selbst waren auch noch seine beiden Eltern anwesend.525

F. K. (BVT) gab in seiner Befragung vor dem Untersuchungsausschuss an, dass er in seiner Freizeit Computerreparaturen als kostenlose Freundschaftsdienste durchführe.526 Die aufgrund dessen bei ihm zu Hause herumliegenden alten Festplatten wurden bei der Hausdurchsuchung sichergestellt. Vom Laptop und der Workstation wurden Kopien angefertigt, alle anderen Datenträger wurden mitgenommen.527

Für den Transport der sichergestellten Datenträger waren weder die EGS-Beamten noch das IT-Team entsprechend ausgerüstet. Zum Umgang mit den sichergestellten Datenträgern und dem Ablauf der Durchsuchung gab F. K. (BVT) in seiner Befragung vor dem Untersuchungsausschuss an528:

„[…] Ich war etwas verwundert, muss ich sagen, weil die Kollegen wirklich nichts mitgehabt haben, also weder Schachteln noch Sackerln noch sonst irgendetwas. Die haben sich alles von mir - - Also sie haben mich einfach ersucht, ob ich ihnen Schachteln und Sackerln borgen kann, und das haben sie dann genommen. Sie haben nicht einmal einen Edding und solche Sachen gehabt, das haben sie sich dann auch ausgeborgt, damit sie die Dinge beschriften können.

Ich sage jetzt einmal – ich möchte aber wirklich, muss ich jetzt dazusagen, den Kollegen keinen Vorwurf machen –, ich habe einfach das Gefühl, denen hat niemand gesagt, wie man eine Hausdurchsuchung richtig macht. Sie sind bei mir einfach - - Ich glaube, sie waren noch bei sehr wenigen dabei, so hat es auf mich den Eindruck gemacht. Es hat ihnen auch im Vorfeld niemand gesagt, wie man eine Hausdurchsuchung richtig durchführt. Also jeder ist halt irgendwo hingestürmt und hat eine Lade auf- und wieder zugemacht. Von einem System, dass man bei einem anfängt und so im Uhrzeigersinn durch den Raum geht, war einfach nichts erkennbar.

Die Kollegen haben sich gespielt. Ich habe so kleine Zaubertricks, so eine Holzschachtel, da ist ein Kugerl drinnen, und man muss halt mit einem bestimmten Ding schauen, dass man das aufkriegt. Das hat er nicht aufgekriegt, darum hat er es mit Kraft gemacht. Dann hat es einen Kracher gemacht, und das Holzkistl, die Verriegelung, war kaputt, und das Kugerl ist hinter den Kasten gerollt. Das war ihm dann peinlich.[…]

Das hat nichts zu tun gehabt damit, sage ich einmal, wie man eigentlich eine

523 76/KOMM XXVI. GP, 23,29: Aussage N. B. (BVT). 524 166/KOMM XXVI. GP, 8: Aussage F. K. (BVT). 525 a.a.O., S. 28. 526 a.a.O., S. 10. 527 a.a.O., S. 6. 528 a.a.O.

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Hausdurchsuchung macht, weil mich, wenn ich irgendetwas suche, diese Dinge dann nicht interessieren.“529

Am Ende der Durchsuchung wurde F. K. (BVT) eine Übernahmebestätigung ausgehändigt, zu deren Entstehung er ergänzend angab:

„Ja, aber die ist auf eine ganz eigenartige Weise zustande gekommen. Wie gesagt, die Kollegen haben nichts mitgehabt. Jeder hat irgendwo auf kleinen Zetterln herumgeschrieben, am Schluss ist einer durchgegangen und hat alle Zetterln von den Kollegen abgesammelt. Sie haben nicht einmal einen Laptop mitgehabt, sodass sie bei mir ein Sicherstellungsprotokoll hätten schreiben können, geschweige denn, dass die Daten, die Träger, die ganzen sichergestellten Sachen noch dagewesen wären, wie die Kollegen dann zurückgekommen sind.

Die sind nämlich am Gendarmerieposten – Entschuldigung, Polizeiinspektion heißt es mittlerweile – in Langenlois gewesen und haben dort die Zettel irgendwie auf einer Excel-Tabelle zusammengefasst. Mit dieser Excel-Tabelle sind sie dann gekommen, da sind aber die Kollegen, die meine Datenträger sichergestellt haben, schon lange nicht mehr da gewesen.

Also ich habe das praktisch blanko unterschrieben – ich will denen ja sowieso nichts Böses unterstellen, aber, wie gesagt, ich habe nicht vergleichen können, was auf der Liste steht und welche Datenträger von mir sie jetzt wirklich sichergestellt haben.

Ich muss aber dazusagen, zu 99 Prozent waren das lauter alte, teilweise kaputte Datenträger, denn, wie gesagt, ich mache für Freunde - - Wenn man in der EDV arbeitet, gibt es immer jemanden, der sich erinnert und sagt: Geh bitte, könntest du nicht schnell meinen Laptop anschauen, der ist kaputt, oder ihn schneller machen?, und daher, wie gesagt, habe ich eine riesige Schachtel voll mit diesen Datenträgern zu Hause gehabt.“530

4.6.5.5.2. Büro F. K. (BVT) F. K. (BVT) verließ seine Büroräumlichkeiten gegen 10:30 Uhr, um bei den Durchsuchungen an seiner Privatadresse persönlich anwesend zu sein.531 Bevor F. K. (BVT) das Gebäude verließ, befragte ihn der IT-Techniker der WKStA zum IT-System im BVT. F. K. (BVT) führte ihn in den Serverraum und versuchte, ihn darüber aufzuklären, wofür welcher Server zuständig ist.532

Die Frage, wonach gesucht werde und was der Grund der Hausdurchsuchung war, blieb für F. K. (BVT) unbeantwortet. Die Staatsanwältin folgte F. K. (BVT) lediglich eine Kopie der Anordnung aus und gab bekannt, dass er lediglich Zeuge in diesem Verfahren sei.533

529 a.a.O., S. 6. 530 a.a.O., S. 7. 531 a.a.O., S. 4. 532 a.a.O., S. 4. 533 a.a.O., S. 5.

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4.6.5.5.2.1. Sicherstellung teils hochsensibler Daten Im Büro F. K. (BVT) lagen zur Zeit der Hausdurchsuchungen zwei Festplatten auf dem Schreibtisch, die sich normalerweise in anderen Abteilungen des BVT befinden. F. K. (BVT) fertigte nach seinen eigenen Angaben aus Sicherheitsgründen jährlich zwischen Februar und März ein Back-Up der CommCenter-Daten an, da diese offline sind und es sich um sehr sensible Daten des BVT handelt. F. K. (BVT) wurde hierfür von einem Kollegen verständigt, die Festplatten abzuholen, die Daten zu kopieren und dann wieder zurückzubringen. Am 28.2.2018 wollte F. K. (BVT) entsprechende Back-Ups machen und hatte aus diesem Grund diese Festplatten auf seinem Schreibtisch liegen.534

Bei den auf den Festplatten gespeicherten Daten handelt es sich unter anderem um die Daten von Neptun. Neptun ist ein verschlüsseltes Informationsaustauschsystem zwischen dem BVT und anderen europäischen Geheimdiensten. Diese Daten zählen zu den sensibelsten Daten des BVT und sind streng geschützt. Auch Daten der ZQB, der Zentralen Quellenbewirtschaftung des BVT, befanden sich auf diesen Festplatten. Auch dabei handelt es sich um sehr sensible Daten. Die Zentrale Quellenbewirtschaftung ist ein Programm, mit dem feststellbar ist, welche Informanten das BVT bezahlt hat.535

Zwei Wochen nach der Hausdurchsuchung am 14.3.2018 stellte F. K. (BVT) fest, dass diese Festplatten mit hochsensiblen Daten am 28.2.2018 sichergestellt worden waren und begab sich mit der Leiterin der Rechtsabteilung M. K. (BVT) zur WKStA, um diese Festplatten wieder ausgefolgt zu bekommen.536

Am 23.3.2018 schrieb F. K. (BVT) ein E-Mail an M. K. (BVT) und G. P. (BVT) mit folgendem Wortlaut:

„[…] Es tut mir leid, dass ich euch vor dem Wochenende noch eine schlechte Nachricht übermitteln muss, Aber: Ich habe mir die CommCenter-Backup-Platte, die ich von der WkStA zurück bekommen habe jetzt genau angesehen. Ich stellte soeben fest, dass diese Platte auch noch eine Sicherung der ZQB (Zentrale Quellenbewirtschaftung) samt Daten bis zum 29.8.2013 enthält. Weiters eine uralte Sicherung eines längst nicht mehr in Betrieb befindlichen Mailservers […] mit den Mailboxen der Benutzer von damals mit dem Stand bis vermutlich 8.11.2010. Weiters die NEPTUNE-Kommunikation […], die Neptune-Exchange- Datenbank [..], die CommCenter-Outlook-Archive […]. Auch befinden sich 2

534 a.a.O., S. 22. 535 a.a.O., S. 22ff; „Falter“ vom 6.6.2018, „Was bei der BVT-Razzia mitgenommen wurde“, https://www.falter.at/archiv/FALTER_20180606D6AD8119CF/was-bei-der-bvt-razzia-mitgenommen- wurde. 536 166/KOMM XXVI. GP, 22: Aussage F. K. (BVT); OStA Wien, fortgesetzter Anordnungs- und Bewilligungsbogen der WKStA, Amtsvermerk vom 23.3.2018, S. 33.

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Sicherungen der PWGT (Police Working Group of Terrorism), […]“537

F. K. (BVT), der erst einen Monat nach der Hausdurchsuchung und knappe zehn Tage, nachdem er die Festplatten von der WKStA wieder ausgefolgt bekam, bemerkte, welche Daten sich auf diesen Festplatten befanden und dass es sich dabei um teils hochsensible Daten des BVT handelte, zeigte als einzige Reaktion ein E-Mail, in dem er lediglich auf den Inhalt und auf die Wichtigkeit der Geheimhaltung dieser Daten hinwies.538

M. K. (BVT) informierte in der Folge den damaligen Direktor des BVT Dominik Fasching und setzte sich in diesem Zusammenhang mit der WKStA in Verbindung, um aufzuklären, dass es sich bei den Datenträgern um teils hochsensible Daten handelt.539

Weiters stellte F. K. (BVT) fest, dass die beiden Festplatten, auf welchen Daten wie die Zentrale Quellenbewirtschaftung, die Neptun-Datenbank, Sicherungen der Police Working Group of Terrorism und weitere hochsensible Daten gespeichert sind, nicht mit einem Passwort geschützt waren.540

Aufgrund dieser Feststellung ist ersichtlich, dass die Informationen – sowohl aus dem Justizministerium als auch aus dem Innenministerium –, bei der Hausdurchsuchung seien keine sensiblen Daten sichergestellt worden, schlichtweg falsch waren. Beim BVT-Gebäude handelt es sich naturgemäß um einen Hochsicherheitstrakt, der nicht frei zugänglich ist. Trotzdem stellt die Tatsache, dass eine Festplatte mit hochsensiblen Daten des BVT unverschlüsselt auf dem Schreibtisch eines Mitarbeiters lag, eine Sicherheitslücke dar. Darüber hinaus stellt sich auch die Frage, wieso erst zwei Wochen nach erfolgter Sicherstellung bemerkt wurde, dass die Festplatten fehlten und erst einen Monat später auf dieses Problem reagiert wurde. Wie in der WKStA mit diesen Daten umgegangen wurde, kann aufgrund der Beweisergebnisse nicht abschließend festgestellt werden.

4.6.6. Sofortige Vernehmung von Wolfgang Zöhrer Neben den Anordnungen für die Hausdurchsuchungen wurde zur Vermeidung von Verdunkelungsgefahr eine weitere Anordnung zur Vorführung zur sofortigen Vernehmung von Wolfgang Zöhrer erlassen. Auch diese Anordnung wurde am 28.2.2018 vollzogen.541

537 OStA Wien, E-Mail von F. K. (BVT) an M. K. (BVT) und G. P. (BVT) vom 23.3.2018 betreffend sichergestellte Daten von der WKStA, S. 18; 166/KOMM XXVI. GP, 23ff: Aussage F. K. (BVT). 538 a.a.O. 539 226/KOMM XXVI. GP, 4f: Aussage M. K. (BVT) (2). 540 166/KOMM XXVI. GP, 24f: Aussage F. K. (BVT). 541 133/KOMM XXVI. GP, 6: Aussage Schmudermayer (3).

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Zöhrer, der früher stellvertretender Direktor des BVT war, war zum Zeitpunkt der Hausdurchsuchung nicht mehr im BVT tätig, sondern arbeitete in der Sicherheitsakademie. In der Causa BVT wurde Zöhrer als Beschuldigter geführt.542

Am 28.2.2018 wurde er von EGS-Beamten in der Sicherheitsakademie aufgesucht und für seine Einvernahme in die WKStA gebracht. Dort wurde er von Oberstaatsanwalt Handler vernommen.543

4.6.7. Datensicherheit 4.6.7.1. Verpackung der Daten Die sichergestellten Datenträger mit teils hochsensiblen Informationen, deren Bekanntwerden einen erheblichen Schaden sowohl für einzelne Personen als auch für die Republik Österreich nach sich ziehen könnte544, wurden bei der Sicherstellung in Plastiksackerl verpackt. Diese Plastikbeutel werden standardmäßig vom BMI für Sicherstellungen der Polizei zur Verfügung gestellt.545 Besondere Maßnahmen für die Verpackung von besonders schutzwürdigen Informationen wurden nicht getroffen.

Einer der BVT-Mitarbeiter beschrieb die Durchführung als nicht professionell, da weder die IT- Techniker der Finanzverwaltung noch die der WKStA mit Behältnissen zur Sicherstellung der teils hochsensiblen Daten ausgestattet gewesen seien. Kartons und Plastiksäcke zur Verwahrung der Datenträger seien vom BVT zur Verfügung gestellt worden.546

Wieselthaler gab bei seiner Befragung vor dem Untersuchungsausschuss an, wie der Transport von sichergestellten Datenträgern im BAK funktioniere. Behälter würden immer selbst mitgenommen werden. Oft sei es auch so, dass zu viele Behälter und Fahrzeuge vorrätig seien.547

Der BVT Beamte R. B. (BVT) führte bei seiner Befragung aus, wie Sicherstellungen vom BVT durchgeführt werden. Grundsätzlich passiere eine Sicherstellung im BVT nur nach dem Vieraugenprinzip. Datenträger würden eindeutig nummeriert, fotografiert und in eigens dafür vorgesehenen verschließbaren Boxen verschlossen gelagert. Vom Zeitpunkt der Sicherstellung bis zur Wiederausfolgung müsse alles lückenlos nachvollziehbar sein.548

542 111/KOMM XXVI. GP, 49f: Aussage Schmudermayer (1). 543 228/KOMM XXVI. GP, 14: Aussage Zöhrer. 544 Anfrage der Abgeordneten Krisper, Kolleginnen und Kollegen, 1456/J betreffend der Datensicherheit im BVT vom 18.7.2018. 545 111/KOMM XXVI. GP, 56: Aussage Schmudermayer (1). 546 79/KOMM XXVI. GP, 6: Aussage R. B. (BVT). 547 81/KOMM XXVI. GP, 19f: Aussage Wieselthaler. 548 79/KOMM XXVI. GP, 17: Aussage R. B. (BVT).

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Aufgrund der Tatsache, dass es sich um eine Hausdurchsuchung im BVT und damit in einem hochsensiblen Bereich handelte, hätte die Staatsanwältin schon bei der Planung davon ausgehen müssen, dass es sich bei den sicherzustellenden Daten auch um sensible Daten handeln könnte. Dass eine standardmäßige Verpackung für den Transport von klassifizierten Dokumenten nicht ausreicht, wäre bei einer entsprechenden Vorbereitung der Hausdurchsuchung erkennbar gewesen.

4.6.7.2. Verladung der Daten Für die Verladung der sichergestellten Datenträger am 28.2.2018 waren alleine die EGS- Beamten zuständig.549 Ursprünglich war die EGS nicht mit dem Abtransport der sichergestellten Gegenstände beauftragt. Auch diese Aufgabe ergab sich erst im Zuge der Amtshandlung. Dementsprechend trafen die EGS-Beamten im Vorhinein auch keine Vorkehrungen für den Transport der sichergestellten Datenträger.550 Nachdem die Datenträger in Plastiksackerl verpackt worden waren, wurden diese in Kartons gegeben und von den EGS- Beamten in die entsprechenden Fahrzeuge verladen.551 Die verwendeten Kartons wurden zum Teil erst direkt vor Ort vom BVT zur Verfügung gestellt.552

Die Überstellung der Datenträger zur WKStA erfolgte mit zwei Transporten, die beide von Schmudermayer persönlich begleitet wurden.553

4.6.7.3. Antrag auf Versiegelung Während laufender Hausdurchsuchung, ungefähr gegen Mittag, stellte die zuständige Referatsleiterin der Rechtsabteilung M. K. (BVT) bei Schmudermayer den Antrag auf Versiegelung der sichergestellten Gegenstände. Als Reaktion auf diese Diskussion besorgte Preiszler aus eigenem Antrieb einen VW-Bus mit Schachteln, Siegelbändern, Kuverts, Rundsiegeln und sämtlichen für eine Versiegelung notwendigen Materialien. Sein von ihm geäußertes Angebot, alles zu versiegeln, wurde jedoch abgelehnt.554

M. K. (BVT) erklärte Schmudermayer, dass es sich beim BVT um eine äußerst sensible Behörde handle und mit klassifizierten Informationen gearbeitet werde. M. K. (BVT) setzte die Staatsanwältin in Kenntnis, dass Dokumente vorhanden sein können, die einer Klassifizierung nach der Geheimschutzordnung oder nach dem Informationssicherheitsgesetz unterlägen.

549 170/KOMM XXVI. GP, 15f: Aussage Prach; 77/KOMM XXVI. GP, 10: Aussage D. S. (EGS). 550 84/KOMM XXVI. GP, 7: Aussage Preiszler. 551 76/KOMM XXVI. GP, 17: Aussage N. B. (BVT). 552 79/KOMM XXVI. GP, 5f: Aussage R. B. (BVT). 553 119/KOMM XXVI. GP, 38: Aussage Schmudermayer (2). 554 84/KOMM XXVI. GP, 28: Aussage Preiszler; 78/KOMM XXVI. GP, 31: Aussage M. K. (BVT) (1).

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M. K. (BVT) machte Schmudermayer ausdrücklich darauf aufmerksam, dass sich unter den sichergestellten Daten auch Daten ausländischer Partnerdienste befinden könnten. Das BVT habe dafür zu sorgen, dass diese Informationen das BVT nicht verlassen.555 M. K. (BVT) ging bereits während der Hausdurchsuchung davon aus, dass es für das BVT nach außen Schwierigkeiten geben könne, wenn bekannt werde, dass sensible Informationen sichergestellt worden seien.556

M. K. (BVT) ging davon aus, dass ihr Antrag auf Versiegelung als Widerspruch gemäß § 112 StPO gewertete werde.557 Der Antrag wurde abgelehnt.558

4.6.7.4. Verwahrung der Daten in der WKStA Die sichergestellten Daten beziehungsweise Datenträger wurden von den EGS-Beamten unter Beisein der Staatsanwältin in die Räumlichkeiten der WKStA verbracht.559 In der WKStA wurden die Datenträger in einem speziell verschlossenen Raum, der jedoch, wie sich herausstellte, nur mit einer Glastür verschlossen war, gelagert. Anfangs konnte dieser Raum nur von der Staatsanwältin sowie von Handler geöffnet werden.560

Aufgrund des Aufgabenbereichs des IT-Experten Knezevic, der darin bestand, die sichergestellten Daten beziehungsweise Datenträger aufzubereiten, ermöglichte die Staatsanwältin nach ein paar Monaten auch diesem den Zutritt zu diesem Raum. 561

Dass vor der Hausdurchsuchung nicht überlegt wurde, wie mit den beschlagnahmten, teils hochsensiblen Daten umgegangen werden soll, zeigt ein Aktenvermerk der Staatsanwältin. Aus diesem geht hervor, dass die Staatsanwältin erst am 1.3.2018 – einen Tag nach den Hausdurchsuchung im BVT – veranlasste, einen Sichtschutz an der Glastür anzubringen.562

4.6.7.5. Weiterer Vorgang in der WKStA Die sichergestellten Daten wurden in der WKStA auf extra angekaufte Speichergeräte kopiert, die an kein Netz angebunden waren. Ein Zugriff auf die Daten von außen sollte damit

555 78/KOMM XXVI. GP, 17: Aussage M. K. (BVT) (1). 556 a.a.O., S. 8. 557 a.a.O., S. 5 und 10. 558 a.a.O., S. 5 und 8. 559 77/KOMM XXVI. GP, 10, 23: Aussage D. S. (EGS). 560 119/KOMM XXVI. GP, 38: Aussage Schmudermayer (2). 561 168/KOMM XXVI. GP, 45: Aussage Knezevic. 562 „Der Standard“ vom 27.6.2018, „Justiz zeigte Parlament, was Staatsanwaltschaft für BVT-Ausschuss schwärzen will“; https://derstandard.at/2000082362907/Justiz-zeigte-Parlament-was- Staatsanwaltschaft-fuer-BVT-Ausschuss-schwaerzen-will; Anfrage der Abgeordneten Krisper, Kolleginnen und Kollegen, 1456/J betreffend der Datensicherheit im BVT vom 18.7.2018.

www.parlament.gv.at 695 der Beilagen XXVI. GP - Ausschussbericht NR - Berichterstattung 141 von 298 137 verhindert werden. Um die Daten einzusehen und aufzubereiten, ist eine physische Anwesenheit des Bearbeiters unumgänglich. Die Speichergeräte müssen vor Ort entschlüsselt werden, um auf die Daten zugreifen zu können.563

Als ersten Arbeitsschritt begann Knezevic mit einer Grobsichtung der sichergestellten Datenträger. In seiner Befragung vor dem Untersuchungsausschuss gab Knezevic an, unter einer Grobsichtung die Einsichtnahme in die Datenstruktur zu verstehen. Bei einer so großen Menge an Daten sei es nicht möglich, alle gleichzeitig zu bearbeiten. Knezevic beschrieb den Vorgang als schnelles Durchgehen der Datenträger. Die Ordner, die sofort ins Auge gesprungen seien, seien nach Abstimmung mit den Staatsanwälten und Ermittlern vorrangig bearbeitet worden. Dieser Vorgang sei schriftlich in einem Grobsichtungsprotokoll festgehalten worden, um später nachvollziehen zu können, warum manche Datenträger zuerst bearbeitet worden sind.564

Wenn für Knezevic schon daran erkennbar war, dass ein Datenträger offensichtlich unbeschrieben war oder keinen Bezug zu dem in der Sicherstellungsanordnung beschriebenen Sachverhalt aufweisen konnte, wurde dieser wieder an die jeweiligen Verfügungsberechtigten zurückgegeben. In diesen Fällen wurde aufgrund mangelnder Relevanz auf die Herstellung einer Datenkopie gänzlich verzichtet.565

In der ersten Woche nach der Hausdurchsuchung erstellten Mitarbeiter des BVT eine Prioritätenliste mit den Geräten und Datenträgern, die sie am dringendsten für ihre Arbeit benötigten. Knezevic versuchte, diese Liste so schnell wie möglich abzuarbeiten und alles, was in der WKStA nicht benötigt wurde, so schnell als möglich rückzustellen.566 Trotz dieser Vorgehensweise dauerte die Rückstellung teils auch länger. Die WKStA rechtfertigte die Zeitverzögerung mit zahlenmäßig beschränktem IT-Personal. Da es sich um sensible Daten handelte und vom BVT gefordert wurde, dass keine externen Mitarbeiter zugezogen werden, war Knezevic der Einzige, der auf diese Daten Zugriff567 hatte und die Spiegelungen durchführte. Der Zugriff auf den gesamten Akt war schon von Beginn an beschränkt, da er von der Staatsanwältin als Verschlusssache geführt wurde. Das bedeutete einerseits, dass der Zugriff innerhalb der WKStA beschränkt war und andererseits, dass nach außen keine Informationen

563 168/KOMM XXVI. GP, 45: Aussage Knezevic. 564 a.a.O., S. 4f. 565 Anfragebeantwortung Moser 1773/AB vom 26.11.2018 zu 1767/J (XXVI.GP), S. 1, https://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXVI/AB/AB_01773/imfname_723510.pdf. 566 168/KOMM XXVI. GP, 15: Aussage Knezevic; 78/KOMM XXVI. GP, 18, 27: Aussage M. K. (BVT) (1). 567 78/KOMM XXVI. GP, 18: Aussage M. K. (BVT) (1).

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über den Akt gegeben wurden.568 Auch den Medien werden bei einem Verschlussakt keine Auskünfte erteilt.569

Am 3.3.2018 fand eine Besprechung betreffend die weitere Vorgehensweise der Sichtung der sichergestellten Datenträger, insbesondere klassifizierter Dokumente statt. Bei dieser Besprechung waren Schmudermayer, M. K. (BVT) und ein weiterer BVT-Beamter anwesend. M. K. (BVT) erklärte der Staatsanwältin ausführlich, wie mit Dokumenten, die der Geheimschutzordnung unterliegen, also eine entsprechende Klassifizierung haben oder nach Informationssicherheitsgesetz klassifiziert sind, umzugehen sei. Zudem erklärte M. K. (BVT), dass Personen, die mit solchen klassifizierten Dokumenten arbeiten, grundsätzlich eine Sicherheitsüberprüfung nach § 55ff SPG benötigen. M. K. (BVT) klärte die WKStA sehr ausführlich über Sicherheitsvorschriften des BVT auf.570

4.6.8. Hinzuziehung von Ermittlern Aufgrund der umfangreichen Aktenlage und des großen Arbeitsumfangs bei der Durchführung der weiteren Ermittlungen, ersuchte die WKStA beim BMI um personelle Unterstützung. Neben einem BAK-Mitarbeiter wurden der WKStA zur Unterstützung mehrere Kriminalpolizisten aus verschiedenen Landespolizeidirektionen dienstzugeteilt.571

4.6.8.1. Ermittler des BAK Kurze Zeit nach der Hausdurchsuchung, am 7.3.2018,572 kontaktierte Lett den BAK-Mitarbeiter Werner Biller. Lett teilte diesem mit, dass die WKStA den Wunsch an das Ministerbüro herangetragen habe, dass Biller die Leitung der kriminalpolizeilichen Ermittlungen in der Causa BVT übernehmen solle.573 Weiters sei es der ausdrückliche Wunsch der WKStA, eine Sonderkommission einzurichten. Dieses sogenannte Ermittlungsteam sollte direkt in den Räumlichkeiten der WKStA eingerichtet sein und die Aufarbeitung der Vorwürfe in der Causa BVT unterstützen.574 Biller sagte in diesem Gespräch spontan zu, woraufhin Lett sein Interesse an der Mitarbeit des Kollegen Spitzer kundtat.575

568 111/KOMM XXVI. GP, 14: Aussage Schmudermayer (1). 569 a.a.O., S. 15. 570 78/KOMM XXVI. GP, 27: Aussage M. K. (BVT) (1); OStA Wien, Tagebuch der WKStA zu 6 St 2/18f, Amtsvermerk vom 3.3.2018, S. 44. 571 167/KOMM XXVI. GP, 29: Aussage Hutter. 572 171/KOMM XXVI. GP, 23: Aussage Biller. 573 a.a.O., S. 4. 574 81/KOMM XXVI. GP, 20f: Aussage Wieselthaler; BMI, Amtsvermerk von Biller vom 8.3.2018, betreffend Anruf des KBM, Lett, Beabsichtigte Vorgehensweise bei Ermittlungen gegen Verantwortliche des BVT, S. 2-4. 575 171/KOMM XXVI. GP, 4: Aussage Biller.

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Lett kontaktierte daraufhin auch Spitzer persönlich und bot diesem ebenfalls die Mitarbeit im Ermittlungsteam in der WKStA an. Spitzer vermutete damals, dass sich der Aktenvorgang zu einem Politikum entwickeln könnte und entschloss sich nach anfänglicher Zusage ein paar Tage später dazu, doch wieder abzusagen.576

Darüberhinausgehend hielt Biller in einem Aktenvermerk fest:

„Meinerseits wurde im Zuge des Gespräches nachgefragt, wie die Haltung des HD Mag. WIESELTHALER und dessen Stellvertreters AL Mag. AICHBERGER, dazu sei. Dazu wurde mitgeteilt, dass diese noch nicht informiert seien. Entsprechende Informationen werden demnach im Wege des SC ergehen. Ich habe daraufhin vorgeschlagen, dass ich Mag. WIESELTHALER und Mag. AICHBERGER kontaktiere und informiere. Dazu wurde seitens Dr. LETT zunächst um Abstandnahme ersucht, [...].“577

In seiner Befragung vor dem Untersuchungsausschuss gab Biller an, dass es für ihn eine Frage des Anstands sei, seinen Vorgesetzten zu informieren. Lett habe sinngemäß geäußert, dass es Wunsch des Generalsekretärs Goldgruber sei, von der Verständigung abzusehen. Eine entsprechende Verständigung werde am nächsten Tag, 8.3.2018, über den Dienstweg erfolgen.578

4.6.8.1.1. Üblicher Ablauf gemäß BAK-Gesetz und erste Reaktionen Im BAK-Gesetz ist statuiert, dass Weisungen durch den Bundesminister für Inneres oder durch die Weisungskette an den Direktor des BAK, in diesem Fall an Wieselthaler, ausschließlich schriftlich und begründet zu erfolgen haben. Üblicherweise bekommt das BAK eine schriftliche Anordnung oder Verständigung, dass ein Sachverhalt der WKStA zur Kenntnis gekommen sei und das BAK mit Ermittlungen beauftragt werde. Die Beauftragung und Einteilung erfolgt dann durch das interne Ressourcenmanagement.579

Auf den Direktzugriff durch Lett auf Ermittler des BAK reagierte die Führung des BAK mit einem Schreiben an das Kabinett des Innenministers. In diesem Schreiben wurde auf die Unzulässigkeit der direkten Kontaktaufnahme hingewiesen und mitgeteilt, dass der richtige Weg wäre, den Direktor zu kontaktieren und diesen offiziell zu beauftragen.580

Neben diesem Schreiben wurde am 9.3.2018 per E-Mail zusätzlich folgende interne

576 a.a.O., S. 4 und 11. 577 81/KOMM XXVI. GP, 20: Aussage Wieselthaler; BMI, Amtsvermerk von Biller vom 8.3.2018, betreffend Anruf des KBM, Lett, Beabsichtigte Vorgehensweise bei Ermittlungen gegen Verantwortliche des BVT, S. 3. 578 171/KOMM XXVI. GP, 4f: Aussage Biller. 579 81/KOMM XXVI. GP, 11: Aussage Wieselthaler. 580 a.a.O., S. 10.

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Weisung581 vom stellvertretenden BAK-Direktor Aichberger, der auch der Leiter der Ermittlungsabteilung ist, an alle BAK-Mitarbeiter erteilt582:

„Über Weisung des stellvertretenden Direktors [...], Mag. Manfred Aichberger, ist jede Kontaktaufnahme von Mitarbeitern des Kabinetts des“ Herrn Bundesministers „oder seitens Generalsekretär mit Mitarbeitern des BAK unverzüglich und zwingend dem Abteilungsleiter sowie dem Referatsleiter zu melden! Eine eigenständige Kontaktierung ohne Wissen des Abteilungsleiters wird ohnehin strikt untersagt!“583

Eine derartige Meldung eines Mitarbeiters des BAK gab es nicht. Dennoch musste diese Weisung kurze Zeit später aufgrund einer Weisung von Generalsekretär Goldgruber wieder zurückgenommen werden.584

Der Grund für die Weisung des Generalsekretärs, die interne Weisung zu widerrufen, war, dass im Beamten-Dienstrechtsgesetz vorgesehene Ausnahmen in der Weisung nicht berücksichtigt wurden. Solche Ausnahmen, wann eine direkte Kontaktaufnahme nicht gemeldet werden muss, stellen folgende zwei Fälle dar: Gefahr im Verzug oder eine mögliche Strafbarkeit der Weisung.585 Nach strenger Auslegung der Weisung hätte sohin nicht einmal bei Gefahr im Verzug direkt auf Mitarbeiter des BAK zugegriffen werden können.586

Eine derartige Kontaktaufnahme beziehungsweise Beauftragung habe der BAK-Direktor Wieselthaler in den letzten acht Jahren seiner Tätigkeit niemals erlebt. „Dass das Kabinett direkt Mitarbeiter des BAK mit der Organisation einer Ermittlungsgruppe unter Leitung sowie Dienst- und Fachaufsicht der WKStA, beauftragte“587, stellte für den betroffenen Abteilungsleiter sowie Wieselthaler eine völlig überraschende Tatsache dar.588 Noch überraschender sei gewesen, dass trotz Kenntnis des Kabinetts und der bereits erfolgten Weisung eine weitere Kontaktaufnahme durch Lett stattgefunden hat.589

4.6.8.2. Weiterer Verlauf Am 15.3.2018 fand eine Besprechung in der WKStA statt, an welcher Vrabl-Sanda, ihr

581 a.a.O., S. 21. 582 a.a.O., S. 12f. 583 a.a.O., S. 21; BAK, E-Mail vom 9.3.2018 von Aichberger, stellvertretender Direktor des BAK an alle Mitarbeiter des BAK betreffend Meldepflicht bei Kontaktaufnahme, Weisung, S. 4. 584 81/KOMM XXVI. GP, 13: Aussage Wieselthaler. 585 a.a.O., S. 12f. 586 a.a.O., S. 21. 587 BAK, Amtsvermerk zu Weisungen betreffend Kontaktaufnahme seitens des KBM von Aichberger, stellvertretender Direktor des BAK vom 13.4.2018, S. 2. 588 81/KOMM XXVI. GP, 22: Aussage Wieselthaler; BAK, Amtsvermerk zu Weisungen betreffend Kontaktaufnahme seitens des KBM von Aichberger, stellvertretender Direktor des BAK vom 13.4.2018, S. 2. 589 81/KOMM XXVI. GP, 22: Aussage Wieselthaler.

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Stellvertreter Oberstaatsanwalt Eberhard Pieber, Wieselthaler und sein Stellvertreter Manfred Aichberger teilnahmen. Auch bei dieser Besprechung waren die Direktzugriffe thematisiert worden. Vrabl-Sanda ersuchte mehrmals, Ermittler zur Verfügung zu stellen. Vrabl-Sanda wollte eine Trennung der Dienst- und Fachaufsicht. Die Fachaufsicht der Ermittler sollte unter Abschneidung der Berichtswege bei der WKStA liegen. Wieselthaler wies mehrmals auf verfassungsrechtliche Bedenken hin, da dies aus seiner Sicht weder möglich noch zulässig sei. Wieselthaler erklärte, dass das BAK bereit sei, Ermittlungsaufträge anzunehmen und diese abzuarbeiten. Einen bestimmten Ermittler auszusuchen und zu beauftragen, sei jedoch genauso unmöglich, wie die Wahrnehmung einer Dienstaufsicht, wenn der Mitarbeiter rein physisch bei der WKStA arbeite.590

Am selben Tag rief Sektionschef Hutter Lett an und bat um Unterstützung im Zusammenhang mit der Einrichtung einer allfälligen Soko beziehungsweise der Zuteilung von Ermittlern zur WKStA, um den Fall aufzuarbeiten. Hutter hatte in diesem Zusammenhang mehrmals Kontakt mit Lett, da seine Dienstbehörde die Ermittler der WKStA dienstzuteilen sollte.591

Aufgrund des Verdachts von Goldgruber, dass die BAK-Führung Druck auf Ermittler ausübe, damit diese nicht an den Ermittlungen der WKStA teilnehmen, erteilte Goldgruber Hutter am 29.3.2018 eine Weisung. Gemäß dieser Weisung habe Hutter bei Kenntniserlangung derartiger Sachverhalte sofort Meldung an Goldgruber zu erstatten.592

Am 20.3.2018 erhielt Biller per E-Mail die Information, dass seine Dienstzuteilung zur WKStA schlussendlich erfolgen werde. Mit Stichtag 21.3.2018 wurde die Zuteilung verfügt.593 Ab diesem Zeitpunkt war Biller der Dienst- und Fachaufsicht der WKStA unterstellt.594

Zum Aufgabenbereich von Biller gehört das Sichten von Daten und die Vernehmung von Zeugen und Beschuldigten. Es handelt sich bei seiner Arbeit um klassische kriminalpolizeiliche Ermittlungstätigkeit.595 Biller ist Schmudermayer direkt unterstellt und erhält sämtliche Ermittlungsaufträge direkt von ihr.596 Zwischen Biller und Schmudermayer besteht ein ständiger Austausch. Im Rahmen dieses Austauschs werden sämtliche Ermittlungsschritte besprochen.597

590 a.a.O., S. 10f. 591 167/KOMM XXVI. GP, 28f: Aussage Hutter. 592 a.a.O., S. 28ff. 593 171/KOMM XXVI. GP, 24f: Aussage Biller. 594 167/KOMM XXVI. GP, 48: Aussage Hutter. 595 171/KOMM XXVI. GP, 5: Aussage Biller. 596 a.a.O., S. 12f 597 a.a.O., S. 12f.

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4.7. Folgen – Dienstrechtliche Maßnahmen des BMI 4.7.1. Zusammenfassende Vorbemerkung Im folgenden Kapitel werden die dienstrechtlichen Maßnahmen beleuchtet, die das BMI im Zuge der Causa BVT (WKStA 6 St 2/18f) und des parallel geführten Strafverfahrens gegen Michael Kloibmüller und andere (WKStA 6 St 10/18g) sowie der Strafverfahren aufgrund von Folge- und Gegenanzeigen ergriff beziehungsweise unterließ.

Zusammenfassend vorausgeschickt werden kann, dass das BMI in der Causa BVT gegen vier von fünf beschuldigte – aktive beziehungsweise ehemalige – BVT-Mitarbeiter dienstrechtliche Maßnahmen ergriff. Von vorläufigen Suspendierungen durch den Bundesminister sowie Suspendierungen durch die Disziplinarkommission waren drei BVT-Beamte betroffen: der im Referat Nachrichtendienst und Proliferation tätige Hauptsachbearbeiter F. S. (BVT), der Leiter des Referats IKT C. H. (BVT), und zu einem späteren Zeitpunkt auch der Direktor des BVT Peter Gridling. Gegen den Leiter des Referats Nachrichtendienst und Proliferation B. P. (BVT), sprach das BMI keine – vorläufige oder endgültige – Suspendierung aus, da dieser kein Beamter, sondern Vertragsbediensteter war. Das BMI bediente sich bezüglich B. P. (BVT) daher einer Dienstfreistellung und zweier Entlassungen.

Gegen den fünften Beschuldigten in der Causa BVT, den ehemaligen Vizedirektor und nunmehrigen Leiter der SIAK Wolfgang Zöhrer, ergriff das BMI keine dienstrechtlichen Maßnahmen.

Anders als in der Causa BVT unterließ das BMI – soweit dies dem Untersuchungsausschuss bekannt wurde – im Rahmen des parallel von der WKStA geführten Strafverfahrens der WKStA gegen Michael Kloibmüller und andere beschuldigte BMI-Bedienstete ebenso wie im Zuge der zahlreichen Strafverfahren jegliche dienstrechtliche Maßnahmen, die aufgrund von Zufallsfunden bei beziehungsweise Gegenanzeigen aufgrund der Hausdurchsuchungen bei verschiedenen Staatsanwaltschaften anhängig gemacht wurden.

4.7.2. Rechtliche Rahmenbedingungen 4.7.2.1. Suspendierung von Beamten 4.7.2.1.1. Vorläufige Suspendierung Nach § 112 Abs 1 BDG 1979 hat die Dienstbehörde die vorläufige Suspendierung einer Beamtin oder eines Beamten zu verfügen, 1. wenn über sie oder ihn die Untersuchungshaft verhängt wird oder 2. wenn gegen sie oder ihn eine rechtswirksame Anklage wegen eines in § 20 Abs 1 Z 3a angeführten Delikts vorliegt und sich die Anklage auf die Tatbegehung ab dem 1. Jänner

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2013 bezieht oder 3. wenn durch ihre oder seine Belassung im Dienst wegen der Art der ihr oder ihm zur Last gelegten Dienstpflichtverletzungen das Ansehen des Amtes oder wesentliche Interessen des Dienstes gefährdet würden.

4.7.2.1.2. Endgültige Suspendierung Nach § 112 Abs 3 BDG 1979 ist jede vorläufige Suspendierung unverzüglich der Disziplinarkommission mitzuteilen, die über die Suspendierung innerhalb eines Monats zu entscheiden hat. Die vorläufige Suspendierung endet spätestens mit rechtskräftiger Entscheidung der Disziplinarkommission oder des Bundesverwaltungsgerichts über die Suspendierung. Ab dem Einlangen der Disziplinaranzeige bei der Disziplinarkommission hat diese bei Vorliegen der in Abs 1 genannten Voraussetzungen die Suspendierung zu verfügen.

4.7.2.1.3. Materielle Voraussetzungen Im Suspendierungsverfahren genügt es zur Rechtfertigung des Ausspruchs einer Suspendierung, wenn gegen den Beschuldigten ein begründeter Verdacht einer Dienstpflichtverletzung besteht, die „ihrer Art nach“ geeignet ist, das Ansehen des Amtes oder wesentliche dienstliche Interessen zu gefährden (VwGH 24.4.2014, 2013/09/0195). Es braucht daher nicht nachgewiesen zu werden, dass der Beamte die ihm zur Last gelegte Dienstpflichtverletzung tatsächlich begangen hat (VwGH 23.4.2013, 2012/09/0072).598

Ein „begründeter Verdacht“ liegt vor, wenn hinreichende tatsächliche Anhaltspunkte die Annahme der Wahrscheinlichkeit des Vorliegens einer Dienstpflichtverletzung rechtfertigen. Ein Verdacht kann nur aufgrund einer Schlussfolgerung aus Tatsachen entstehen. Die Berechtigung zur Verfügung der Suspendierung liegt allein in dem Bedürfnis, noch vor der endgültigen Klärung der Frage des Vorliegens einer Dienstpflichtverletzung in der das Disziplinarverfahren abschließenden Entscheidung eine den Verwaltungsaufgaben und dem Dienstbetrieb dienende, vorübergehende Sicherungsmaßnahme zu treffen. (VwGH 24.4.2014, 2013/09/0195, VwGH 23.4.2013, 2012/09/0072).599

Nach der ständigen Rechtsprechung des VwGH handelt es sich bei einem konkreten Verdacht um „hinreichende tatsächliche Anhaltspunkte“, aus denen nach der Lebenserfahrung mit Wahrscheinlichkeit auf ein Vergehen geschlossen werden kann (VwGH 7.6.2002, 2001/09/0012; 29.4.2004, 2001/09/0086; 16.9.2009, 2009/09/0121). In der Begründung des Suspendierungsbescheides ist darzulegen, warum sich nach dem geschilderten Verhalten der

598 Erkenntnis des BVwG zur vorläufigen Suspendierung von F. S. (BVT), 17.4.2018, W136 2190633-1, Pkt II. 2. A 599 a.a.O.

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Verdacht einer die Suspendierung rechtfertigenden Dienstpflichtverletzung ergibt (VwGH 27.6.2002, 2000/09/0053 und 27.2.2003, 2001/09/0226, und die jeweils darin angegebene Judikatur).600

Von diesem rechtlichen Rahmen ausgehend ist im Suspendierungsverfahren beziehungsweise im Beschwerdeverfahren daher zu prüfen, ob für die vorgeworfene Dienstpflichtverletzung tatsächlich hinreichende Anhaltspunkte für deren Begehung bestehen und ob diese Pflichtverletzung ihrer Art nach geeignet ist, das Ansehen des Amtes oder wesentliche Interessen des Dienstes bei Belassung des Beamten im Dienst zu gefährden.601

Solche Anhaltspunkte liegen dann vor, wenn nach der Lebenserfahrung mit Wahrscheinlichkeit auf ein Vergehen geschlossen werden kann, wobei der Verdacht immer nur aufgrund einer Schlussfolgerung aus Tatsachen entstehen kann (VwGH 16.9.2009, 2009/09/0121) und somit für die Schöpfung eines rechtsrelevanten Verdachtes weder bloße Gerüchte noch vage Vermutungen ausreichen können (VwGH 27.6.2002, 2001/09/0012; 9.11.2009, 2008/09/0298).602

4.7.2.2. Dienstfreistellung von Vertragsbediensteten Im VBG findet sich keine Regelung für eine Dienstfreistellung auf Wunsch des Dienstgebers. Nach allgemeinen zivilrechtlichen Regeln ist jedoch ein Verzicht auf die Arbeitsleistung eines Vertragsbediensteten unter Fortzahlung der Bezüge denkbar. Gemäß § 1155 Abs 1 ABGB gebührt einem Dienstnehmer auch für Dienstleistungen, die nicht zustande gekommen sind, das Entgelt, wenn er zur Leistung bereit war und durch Umstände, die aufseiten des Dienstgebers liegen, daran verhindert worden ist. Derartige Umstände können in einer vom Dienstgeber gewünschten Dienstfreistellung bestehen.

4.7.2.3. Entlassung von Vertragsbediensteten Das Dienstverhältnis eines Vertragsbediensteten kann nach § 34 Abs 1 letzter VBG aus wichtigen Gründen ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist vorzeitig gelöst werden. Nach Abs 2 liegt ein wichtiger Grund, der den Dienstgeber zur vorzeitigen Auflösung des Dienstverhältnisses – einer Entlassung – berechtigt, insbesondere vor, a) wenn sich nachträglich herausstellt, dass der Vertragsbedienstete die Aufnahme in das Dienstverhältnis durch unwahre Angaben, ungültige Urkunden oder durch Verschweigen von Umständen erschlichen hat, die seine Aufnahme nach den Bestimmungen dieses Gesetzes oder anderer Vorschriften ausgeschlossen hätten;

600 a.a.O. 601 a.a.O. 602 a.a.O.

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b) wenn der Vertragsbedienstete sich einer besonders schweren Verletzung der Dienstpflichten oder einer Handlung oder einer Unterlassung schuldig macht, die ihn des Vertrauens des Dienstgebers unwürdig erscheinen lässt, insbesondere wenn er sich Tätlichkeiten oder erhebliche Ehrverletzungen gegen Vorgesetzte oder Mitbedienstete zuschulden kommen lässt oder wenn er sich in seiner dienstlichen Tätigkeit oder im Zusammenhang damit von dritten Personen Vorteile zuwenden lässt; c) wenn der Vertragsbedienstete seinen Dienst in wesentlichen Belangen erheblich vernachlässigt oder ohne einen wichtigen Hinderungsgrund während einer den Umständen nach erheblichen Zeit die Dienstleistung unterlässt; d) wenn der Vertragsbedienstete sich weigert, seine Dienstverrichtungen ordnungsgemäß zu versehen oder sich dienstlichen Anordnungen seiner Vorgesetzten zu fügen; e) wenn der Vertragsbedienstete eine Nebenbeschäftigung betreibt, die dem Anstand widerstreitet oder die ihn an der vollständigen oder genauen Erfüllung seiner Dienstpflichten hindert und er diese Beschäftigung trotz Aufforderung nicht aufgibt; f) wenn der Vertragsbedienstete sich eine im § 27g Abs 2 angeführte Bescheinigung arglistig beschafft oder missbräuchlich verwendet.

Abs 3 leg cit besagt: Ist ein strafgerichtliches Urteil gegen eine Vertragsbedienstete oder einen Vertragsbediensteten ergangen, das bei einer Beamtin oder einem Beamten 1. den Amtsverlust gemäß § 27 StGB zur Folge hätte oder 2. gemäß § 20 Abs 1 Z 3a BDG 1979 zur Auflösung des Beamtendienstverhältnisses führen würde, so gilt das Dienstverhältnis mit dem Zeitpunkt des Eintritts der Rechtskraft des strafgerichtlichen Urteils als aufgelöst, sofern es nicht bereits nach Abs 2 vorzeitig aufgelöst wurde. Dies ist für aus der Auflösung des Dienstverhältnisses resultierende Ansprüche einer Entlassung gemäß Abs 2 gleichzuhalten.

Das Gleiche gilt nach Abs 4 leg cit 1. bei Vertragsbediensteten in einer gemäß § 6c Abs 1 Inländern vorbehaltenen Verwendung für den Fall des Verlustes der österreichischen Staatsbürgerschaft; 2. bei anderen Vertragsbediensteten für den Fall des Wegfalls der Erfüllung der Aufnahmeerfordernisse gemäß § 3 Abs 1 Z 1 lit b, wenn nicht die Nachsicht nach § 3 Abs 2 vor dem Wegfall erteilt worden ist.

4.7.2.4. Weiterbestellung von Beamten in hohen Führungsfunktionen Nach § 16 Ausschreibungsgesetz ist ein – unter anderem – Beamter der Verwendungsgruppe A1/7 aufwärts, der befristet mit einer Funktion betraut worden ist und bei

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dem der Leiter der zuständigen Zentralstelle nicht beabsichtigt, den Inhaber dieser Funktion neuerlich mit dieser Funktion zu betrauen – weiterzubestellen –, spätestens drei Monate vor Ablauf der Bestellungsdauer schriftlich hierüber zu informieren.

Wird dem Inhaber der Funktion mitgeteilt, dass eine Weiterbestellung nicht erfolgt, so kann dieser nach § 17 leg cit binnen zwei Wochen ab Zustellung dieser Mitteilung die Erstellung eines Gutachtens über seine Bewährung in der Funktion – insbesondere hinsichtlich der fachlichen Qualifikation, der Fähigkeit zur Menschenführung und der organisatorischen Fähigkeiten - und die Eignung zur weiteren Ausübung der Funktion, durch eine Weiterbestellungskommission beantragen. Stellt der Bedienstete einen derartigen Antrag, hat der Leiter der zuständigen Zentralstelle dafür zu sorgen, dass für den Anlassfall innerhalb von vier Wochen bei der Zentralstelle eine Weiterbestellungskommission eingerichtet wird.

Gemäß § 19 Ausschreibungsgesetz bedarf es im Falle einer Weiterbestellung keines neuerlichen Ausschreibungsverfahrens. Nur wenn der Inhaber der Funktion im Fall der Mitteilung der nicht beabsichtigten Weiterbestellung von seinem Antragsrecht innerhalb der Frist von zwei Wochen keinen Gebrauch macht, er eine neuerliche Betrauung mit der Funktion schriftlich ablehnt, oder der Leiter der zuständigen Zentralstelle nach Abgabe des Gutachtens der Weiterbestellungskommission neuerdings auf Nichtweiterbestellung entscheidet, ist ein Ausschreibungsverfahren durchzuführen.

4.7.3. Vorläufige dienstrechtliche Maßnahmen vom 28.2.2018 4.7.3.1. Entscheidungsfindungsprozess im BMI Das BMI hatte nicht erst aufgrund des medialen Bekanntwerdens der Causa BVT mit den Hausdurchsuchungen vom 28.2.2018 ein Interesse daran, dienstrechtliche Maßnahmen gegen BVT-Bedienstete zu prüfen. Es bestand innerhalb des Generalsekretariats/Kabinetts schon vorab die Intention, Beschuldigte im genannten Strafverfahren zu suspendieren.603 Dieses Ansinnen ist dadurch dokumentiert, dass Lett am 23.2.2018 gegenüber Oberstaatsanwältin Schmudermayer telefonisch sagte, es würden in der darauffolgenden Woche Suspendierungen ausgesprochen werden, falls kein baldiges Einschreiten der WKStA erfolge. Schmudermayer hielt diese Aussage Letts in einem Aktenvermerk fest, sodass kein Zweifel an deren inhaltlicher Richtigkeit besteht.

Suspendierungen ohne vorheriges Einschreiten der WKStA hätten zur Folge gehabt, dass das Strafverfahren bekannt geworden wäre und die Beschuldigten dadurch gewarnt werden

603 111/KOMM XXVI. GP, 53: Aussage Schmudermayer (1); OStA Wien, Tagebuch der WKStA zu 6 St 2/18f, Aktenvermerk von OStA Schmudermayer vom 23.2.2018, S. 33.

www.parlament.gv.at 695 der Beilagen XXVI. GP - Ausschussbericht NR - Berichterstattung 151 von 298 147 würden, was naturgemäß nicht im Sinne der WKStA sein konnte. Zwar bestreitet Schmudermayer, sich von der Ankündigung Letts beeinflussen haben zu lassen und ist eine derartige Beeinflussung auch nicht nachvollziehbar, dennoch kann Lett mit seiner Ankündigung von Suspendierungen daher nur das Ziel verfolgen, bei der Staatsanwaltschaft Druck auszuüben, konkrete, eingriffsintensive Ermittlungsschritte zu setzen. Laut dem zitierten Aktenvermerk verstand Schmudermayer die Äußerung Letts auch so, dass er augenscheinlich damit Zeitdruck aufbauen wollte. Nur dadurch ist zu erklären, dass sie in ihrem Aktenvermerk notierte, dass dem „von Lett aufgebaute[n] Zeitdruck […] jedenfalls nicht nachgegeben“ werde.604 Goldgruber bestreitet zwar, Lett einen Auftrag zu diesen Aussagen erteilt zu haben605, es ist aber aufgrund der allgemeinen Lebenserfahrung dennoch davon auszugehen, dass diese Aussagen von ihm mitgetragen wurden, weil er in der Folge sämtliche vom BMI getroffenen dienstrechtlichen Maßnahmen mittrug beziehungsweise zum Teil eigeninitiativ veranlasste.

Am Vormittag des 28.2.2018 erhielten Beamte der EGS von der WKStA die Durchsuchungs- und Sicherstellungsanordnungen und übergaben sie ihrerseits an Goldgruber. Dieser reichte sie um circa 12:30 Uhr an Kardeis weiter. Später übergab Goldgruber die Anordnungen zudem an den damaligen Leiter der (Präsidial-)Sektion I, Michael Kloibmüller, der seinen damaligen Stellvertreter Karl Hutter, vom Erhalt der Anordnungen informierte.606

Michael Kloibmüller war ab Dezember 2008 bis 15.10.2017 durchgehend Leiter des Kabinetts des BMI. Dies betraf die Bundesminister , Johanna Mikl-Leitner und Wolfgang Sobotka. Daneben war er von Februar 2007 bis 21.3.2018 Leiter der (Präsidial-)Sektion I im BMI. In dieser Funktion war er auch für Personalangelegenheiten zuständig.

Am 28.2.2018 fand im Laufe des Nachmittages eine Besprechung statt, bei der sich die Anwesenden Kloibmüller, Hutter, Kardeis und Goldgruber über die notwendigen dienstrechtlichen Maßnahmen aufgrund des der Hausdurchsuchung zugrundeliegenden Strafverfahrens berieten.607 Weiters besprochen wurde in dieser Unterredung vom 28.2.2018 die Frage, ob auch Gridling und Zöhrer sofort vorläufig suspendiert werden sollten. Goldgruber sprach sich für eine sofortige vorläufige Suspendierung aus, während Kardeis und Hutter dagegen waren. Kardeis plädierte dafür, die Beschuldigtenvernehmungen abzuwarten. Bei Gridling führte sie ins

604 a.a.O.; vgl auch 4.5.5.1. 605 126/KOMM XXVI. GP, 52: Aussage Goldgruber (1). 606 131/KOMM XXVI. GP,8: Aussage Kardeis . 607 167/KOMM XXVI. GP, 5, 19: Aussage Hutter; BMI, E-Mail von Kardeis an Kloibmüller vom 28.2.2018, S. 3f.

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Treffen, dass ihm die WKStA nur eine Unterlassung – nicht eine aktive Tathandlung – vorwerfe. Bei Zöhrer sah sie keinen Suspendierungsbedarf, weil dieser nicht mehr im BVT arbeitete.608

Aufgrund des Gesprächsergebnisses beauftragte Kardeis die Sektion I in Abstimmung mit allen Besprechungsteilnehmern noch am selben Tag schriftlich mit der „vorläufigen Suspendierung“ von B. P. (BVT), C. H. (BVT) und F. S. (BVT). Bei B. P. (BVT) kam jedoch letztlich keine Suspendierung – sondern nur eine Dienstfreistellung - in Frage, da er Vertragsbediensteter war.609

Am Abend des 28.2.2018 wurden die vorläufigen Suspendierungsbescheide von F. S. (BVT) und C. H. (BVT) sowie die Benachrichtigung über die Dienstfreistellung von B. P. (BVT), welche allesamt binnen Stunden von der Abteilung I/1 ausgearbeitet und von Kardeis für Kickl als Dienstbehörde unterschrieben worden waren, im Rahmen einer Besprechung im BVT an die Genannten übergeben.610

4.7.3.2. Vorläufige Suspendierung des Hauptsachbearbeiters F. S. (BVT) 4.7.3.2.1. Bescheid der Dienstbehörde In seinem Bescheid begründete der Bundesminister für Inneres die vorläufige Suspendierung wie folgt: F. S. (BVT) sei verdächtig, im Jahr 2016 als Hauptsachbearbeiter im bewussten und gewollten Zusammenwirken gemeinsam mit seinem vorgesetzten Referatsleiter mit dem Vorsatz, die Sozialistische Republik Nordkorea als Auftraggeberin der Österreichischen Staatsdruckerei an ihrem Recht auf die Ausfolgung von exklusiv auf Bestellung angefertigten Reisepassrohlingen ausschließlich an autorisierte Personen, somit in ihrem Anspruch auf ordnungsgemäße Erfüllung der werkvertraglichen Pflichten durch den Werkunternehmer, als Mittäter geschädigt zu haben, indem er sich in Ausübung seiner nachrichtlichen Befugnisse von der Österreichischen Staatsdruckerei rechtswidrig etwa 30 nordkoreanische Reisepassrohlinge verschafft hätte, um anschließend zumindest drei Stück davon an den südkoreanischen Geheimdienst weiterzugeben. F. S. (BVT) stünde aufgrund der Anordnung der Durchsuchung und der Sicherstellung der Zentralen Staatsanwaltschaft zur Verfolgung von Wirtschaftsstrafsachen und Korruption vom 27.2.2018 im Verdacht, die Reisepassrohlinge im Stahlschrank in seinem Büro verwahrt zu haben. In der genannten Anordnung der Staatsanwaltschaft werde diesbezüglich angeführt, dass mehrere Zeugen – deren Identität der

608 167/KOMM XXVI. GP, 7, 19: Aussage Hutter. 609 a.a.O. 610 167/KOMM XXVI. GP, 5ff, 19, 40f, 55f: Aussage Hutter; 80/KOMM XXVI. GP, 9: Aussage B. P. (BVT) (1).

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Staatsanwaltschaft bekannt sei, die jedoch im Hinblick auf eine ernste Gefahr für Leben, Gesundheit, körperliche Unversehrtheit oder Freiheit um Schutz der persönlichen Daten ersucht hätten – Angaben zu diesem Verdachtsmoment gemacht hätten. Auf dieser Grundlage werde der Beamte verdächtigt, das Delikt des § 302 StGB – Missbrauch der Amtsgewalt – begangen zu haben.611

Durch den Verdacht der Verwirklichung von strafrechtlich zu ahndenden Vorsatzdelikten nach dem StGB stünde der Beamte im Verdacht einer Dienstpflichtverletzung nach § 43 Abs 1 BDG 1979. Die Verletzung des Grundsatzes der Erfüllung der dienstlichen Aufgaben unter Beachtung der geltenden Rechtsordnung sei als besonders verwerflich anzusehen, wodurch auch wesentliche Interessen des Dienstes gefährdet seien.612

Das Verhältnis zwischen einem Bediensteten und seinem Dienstgeber beruhe auf dem Vertrauen, dass der Beamte seine Dienstpflichten unter Bedachtnahme der geltenden Rechtsordnung treu und gewissenhaft erfülle. Durch den entstandenen Tatverdacht der Verletzung der strafgesetzlichen Rechtsnormen werde das Vertrauensverhältnis massiv beeinträchtigt und somit wesentliche dienstliche Interessen gefährdet. Unter Berücksichtigung des bisherigen Erhebungsstandes sei überdies der im § 43 Abs 2 BDG 12979 enthaltene Begriff „Vertrauen der Allgemeinheit in die sachliche Wahrnehmung der dienstlichen Aufgaben“ – der nichts anderes bedeute, als die allgemeine Wertschätzung, die das Beamtentum in der Öffentlichkeit genießt – erheblich gestört. Wegen der Art der zur Last gelegten Dienstpflichtverletzung unter Berücksichtigung der Funktion des Beamten würde durch seine Belassung im Dienst das Ansehen des Amtes und wesentliche Interessen des Dienstes gefährdet werden, sodass die vorläufige Suspendierung zu verfügen sei.613

Die Sicherheitsbehörden und ihre Organe unterlägen einer besonders kritischen Beobachtung durch die Bevölkerung. Wenn nun gegen einen Beamten – nach ergänzenden Erhebungen – der erhärtete Tatverdacht bestünde, dass dieser gerichtlich strafbare Handlungen gesetzt habe, schade dies dem Ansehen der Sicherheitsbehörden. Dieser Schaden würde sich durch die Belassung des Beschwerdeführers im Dienst vergrößern und könne daher nicht hingenommen werden.614

Obwohl grundsätzlich nach dem VwGH alleine die Anhängigkeit eines Strafverfahren eine

611 Erkenntnis des BVwG zur vorläufigen Suspendierung von F. S. (BVT), 17.4.2018, W136 2190633-1, Pkt I.2. 612 a.a.O. 613 a.a.O. 614 a.a.O.

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Suspendierung nicht zu begründen vermöge, sei der vorliegende Fall mit jenem, der dem Judikat zugrunde liege, nicht vergleichbar. Im vorliegenden Fall würden die Angaben eines Anonymus sogar von Zeugenaussagen bestätigt, weshalb der erkennende Senat aufgrund dieses – von der Staatsanwaltschaft – ermittelten Beweisergebnisses, alleine aufgrund der Ausführungen in der Begründung für die Anordnung der Durchsuchung und Sicherstellung den – gegen den Beamten geäußerten – Verdacht für ausreichend begründet erachte. Die – anonymen – Zeugenaussagen lägen dem Senat zwar nicht vor, doch seien sie die Grundlage für die Entscheidung der Staatsanwaltschaft zur Erlassung der Anordnungen gewesen. Der Senat erachte daher die Bezugnahme der Staatsanwaltschaft auf diese Zeugenaussagen in der Anordnung der Hausdurchsuchung für das Vorliegen eines begründeten Verdachtes der Begehung einer Dienstpflichtverletzung für ausreichend.615

4.7.3.2.2. Erkenntnis des BVwG Gegen den vorläufigen Suspendierungsbescheid erhob F. S. (BVT) fristgerecht Beschwerde beim BVwG.616

Mit Erkenntnis vom 17.4.2018 hob das BVwG durch die zuständige Einzelrichterin den vorläufigen Suspendierungsbescheid mit der Begründung auf, dass es keine hinreichend begründeten Verdachtsmomente für eine die Suspendierung rechtfertigende Dienstpflichtverletzung erkennen könne.617

Trotz dieses aufhebenden Erkenntnisses konnte F. S. (BVT) seinen Dienst vorerst nicht wieder antreten, weil die vorläufige Suspendierung mittlerweile von der Disziplinarkommission in eine noch aufrechte – endgültige – Suspendierung umgewandelt worden war. Zum Zeitpunkt der Aufhebung der vorläufigen Suspendierung hatte das BVwG noch nicht über die Beschwerde von F. S. (BVT) gegen die – endgültige – Suspendierung entschieden.618 In seinem Erkenntnis vom 17.4.2018 stellte das BVwG zur Verdachtslage gegen F. S. (BVT) Folgendes fest: Die WKStA ermittle wegen des Verdachtes des Amtsmissbrauchs nach § 302 Abs 1 StGB gegen fünf namentlich genannte Personen, die im BVT Dienst versehen würden beziehungsweise hätten. F. S. (BVT) sei eine dieser Personen. Anlass für diese Ermittlungen sei eine im Juli 2017 bei der WKStA eingegangene anonyme Anzeige gewesen, in der gegen eine Vielzahl von Bediensteten des BVT zahlreiche Vorwürfe verschiedener strafbarer

615 a.a.O. 616 Erkenntnis des BVwG zur vorläufigen Suspendierung von F. S. (BVT), 17.4.2018, W136 2190633-1. 617 a.a.O. 618 „Kurier“ vom 24.4.2018, „BVT-Affäre: Gericht zerpflückt Suspendierung eines Beamten“, https://kurier.at/chronik/bvt-affaere-gericht-zerpflueckt-suspendierung-eines-beamten/400026226.

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Handlungen erhoben werden würden. Zu einem späteren Zeitpunkt seien dazu mehrere Zeugen, deren Identität aus zeugenschutzrechtlichen Gründen von der WKStA nicht bekannt gegeben werde, einvernommen worden.619

Gegen F. S. (BVT) werde staatsanwaltlich ermittelt, da er im Verdacht stehe, sich im Jahr 2016 als Mittäter in Ausübung seiner nachrichtendienstlichen Befugnisse rechtswidrig von der Österreichischen Staatsdruckerei (OESD) nordkoreanische Reisepassrohlinge verschafft zu haben und diese an den südkoreanischen Geheimdienst weitergegeben zu haben, wodurch die Republik Nordkorea in ihren Rechten auf ordnungsgemäße Erfüllung der werkvertraglichen Pflichten durch den Werkunternehmer geschädigt worden sein soll. Diese Reisepassrohlinge sollen sich nach Zeugenaussagen zu einem nicht näher genannten Zeitpunkt im Stahlschrank im Büro von F. S. (BVT) befunden haben.

Weiters traf das BVwG folgende Feststellungen: Im Jahr 2015 habe die OESD einen Auftrag Nordkoreas zur Anfertigung von 190.000 elektronischen Pässen übernommen. In weiterer Folge habe eine Kontaktperson der OESD einem Mitarbeiter des BVT (B. P. (BVT), Anm.) 30 Stück nordkoreanische Passrohlinge, das heißt, Pässe ohne Seriennummer und ohne Personendaten übergeben. Der Genannte habe im April 2016 drei Reisepassrohlinge – für einen Reise-, einen Dienst- und einen Diplomatenpass – Vertretern des südkoreanischen Nachrichtendienstes zum Zwecke der sicherheitspolizeilichen Aufgabenerfüllung übergeben.620

Dieser Vorgang sei der Dienstbehörde spätestens seit September 2017 bekannt gewesen. Im Oktober 2017 sei dieser Vorgang Gegenstand von Medienberichterstattung in Print- und Onlinemedien621 sowie einem Beitrag in der „ZIB 2“ gewesen. Am 27.10 habe das BMI in einer Presseaussendung angegeben, dass der dargestellte Vorgang in dieser Form stattgefunden habe, dieser üblich und regulär und nach Einschätzung eines namhaften Verfassungsjuristen rechtlich korrekt gewesen sei. Wörtlich sei in dieser Presseaussendung zum gegenständlichen Sachverhalt ausgeführt worden: 622

„[…] Es überrascht, dass übliche und reguläre Vorgänge auf Grundlage anonymer

619 Erkenntnis des BVwG zur vorläufigen Suspendierung von F. S. (BVT), 17.4.2018, W136 2190633-1, Pkt II.1. 620 a.a.O. 621 „APA-OTS“, BMI vom 27.10.2017, „Klarstellung zu Berichterstattung über Pass-Weitergabe an Südkorea“,https://www.ots.at/presseaussendung/OTS_20171027_OTS0118/klarstellung-zu- berichterstattung-ueber-pass-weitergabe-an-suedkorea. 622 Erkenntnis des BVwG zur vorläufigen Suspendierung von F. S. (BVT), 17.4.2018, W136 2190633-1, Pkt II.1.

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Skandalisierungen und weiterer nicht konkretisierter Behauptungen in vorliegender Form Gegenstand der Berichterstattung anerkannter Medien sein können. Nach Informationen des Innenministeriums stammen die Behauptung aus anonymen Schreiben, die in anderem Zusammenhang längst widerlegt worden sind. […]“623

In seiner rechtlichen Beurteilung führte das BVwG iW aus: Im vorliegenden Fall habe die belangte Behörde, der Bundesminister für Inneres das Vorliegen eines Verdachtes einer Dienstpflichtverletzung nach § 43 BDG 1979 im Wesentlichen damit begründet, dass die Staatsanwaltschaft gegen F. S. (BVT) wegen des Verdachtes des Amtsmissbrauches ermittle und habe sich diesbezüglich darauf beschränkt, die in der Anordnung der Durchsuchung dargestellte Verdachtslage wiederzugeben. Allerdings ergebe sich allein aus dem dargestellten Sachverhalt keineswegs ohne Weiteres nach der Lebenserfahrung der Verdacht einer Pflichtverletzung, selbst wenn diesbezüglich strafrechtliche Ermittlungen laufen würden. Denn die belangte Behörde habe noch im Oktober 2017 den dem Beschwerdeführer nunmehr als Pflichtverletzung im Verdachtsbereich angelasteten Sachverhalt – nämlich die Weitergabe von durch die OESD ausgehändigten nordkoreanischen Passrohlingen an Vertreter Südkoreas – in einer Presseaussendung als rechtlich korrektes Amtsgeschäft des Bundesministeriums für Inneres bezeichnet. Wörtlich sei dazu seitens des BMI ausgeführt worden:

„[…]Die drei Musterexemplare wurden den südkoreanischen Sicherheitsbehörden auf deren Ersuchen übergeben. Der Zweck lag im Aufbau von Kontrollkapazitäten in Bezug auf Fälschungsmerkmale. Die Musterexemplare dienten dem Vergleich, um eventuelle Falschdokumente erkennen zu können. Das ist ein üblicher und regulärer Vorgang. […]“624

Wenn die belangte Behörde den grundsätzlich außer Streit stehenden Vorgang nunmehr offenkundig anders beurteile und darin den Verdacht einer Pflichtverletzung erkenne, hätte sie die näheren Erwägungen dafür im Sinne der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, wonach in der Begründung eines Suspendierungsbescheides darzulegen ist, warum sich der Verdacht einer Pflichtverletzung ergibt, offenzulegen gehabt.625

Überdies bleibe im Gegenstand völlig offen, inwiefern der Beschwerdeführer als Mittäter an der im Verdachtsbereich angelasteten Pflichtverletzung mitgewirkt haben sollte, da die belangte Behörde diesbezüglich lediglich darauf verweise, dass er laut staatsanwaltlicher Anordnung der Durchsuchung die Reisepassrohlinge in seinem Stahlschrank verwahrt gehabt

623 a.a.O. 624 Erkenntnis des BVwG zur vorläufigen Suspendierung von F. S. (BVT), 17.4.2018, W136 2190633-1, Pkt II.3. 625 a.a.O.

www.parlament.gv.at 695 der Beilagen XXVI. GP - Ausschussbericht NR - Berichterstattung 157 von 298 153 hätte. Inwiefern darin jedoch der Verdacht einer Pflichtverletzung zu ersehen sei, bleibe offen.626

Insoweit die belangte Behörde in ihrer Begründung zumindest implizit zum Ausdruck bringe, dass allein der Umstand, dass gegen den Beschwerdeführer strafrechtliche Ermittlungen wegen Amtsmissbrauch geführt werden, den Verdacht einer Dienstpflichtverletzung begründen, sei zu bemerken, dass es für die Suspendierung eines Beamten nicht genüge, dass die Behörde den Tatverdacht gegen den Beamten ausschließlich mit einem gerichtlich anhängigen Strafverfahren gegen diesen begründe (vgl VwGH vom 5.4.1990, 90/09/0008).627

4.7.3.3. Vorläufige Suspendierung des Referatsleiters C. H. (BVT) Am 28.2.2018 sprach der Bundesminister für Inneres gegenüber dem Referatsleiter der IKT, C. H. (BVT), ebenso – wie gegenüber F. S. (BVT) – die vorläufige Suspendierung aus.628

Im Gegensatz zu F. S. (BVT) verzichtete C. H. (BVT) auf die Anfechtung der vorläufigen Suspendierung und bekämpfte lediglich die Suspendierung durch die Disziplinarkommission.

4.7.3.4. Dienstfreistellung des Referatsleiters B. P. (BVT) Betreffend B. P. (BVT) kam für das BMI das dienstrechtliche Instrument der –vorläufigen – Suspendierung nicht in Betracht, da er kein Beamter, sondern ein Vertragsbediensteter war.629 Am Ende der Hausdurchsuchungen vom 28.2.2018 im BVT wurde er mit sofortiger Wirkung unter Wahrung der Bezüge dienstfrei gestellt. Hierüber wurde ihm ein bereits vorbereitetes Schreiben der Dienstbehörde ausgehändigt.630

4.7.4. Vorläufige Suspendierung des BVT-Direktors Peter Gridling vom 12.3.2018 4.7.4.1. Vorgeschichte: Weiterbestellung als BVT-Direktor Am 24.1.2018 beantragte der Bundesminister für Inneres – nunmehr Herbert Kickl – beim Bundespräsidenten die Weiterbestellung von Peter Gridling als Leiter des BVT, dessen Amtsperiode ohne Weiterbestellung mit 20.3.2018 ausgelaufen wäre.631 Am 19.2.2018 bestätigte Bundespräsident Alexander Van der Bellen die Weiterbestellung Gridlings auf weitere fünf Jahre. Diese Entschließung wurde dem BMI am 28.2.2018 – sohin am selben Tag, an dem bekannt wurde, dass Gridling Beschuldigter in der Causa BVT war –

626 a.a.O. 627 a.a.O. 628 Erkenntnis des BVwG zur Suspendierung von C. H. (BVT), 8.6.2018, W116 2194740-1, Pkt I.2. 629 80/KOMM XXVI. GP, 5 und 24: Aussage B. P. (BVT) (1); 167/KOMM XXVI. GP, 5: Aussage Hutter. 630 167/KOMM XXVI. GP, 5, 19, 40f, 55: Aussage Hutter; 80/KOMM XXVI. GP, 9: Aussage B. P. (BVT) (1). 631 167/KOMM XXVI. GP, 30f: Aussage Hutter.

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zugestellt. Zunächst wurde Gridling seine Weiterbestellungsurkunde, auch Bestallungsurkunde genannt, jedoch nicht überreicht. Die Zustellung erfolgte – wie unten näher ausgeführt – erst am 13.3.2018 zeitgleich mit Aushändigung des Bescheids über die vorläufige Suspendierung.632

Am 5.3.2018 führte Gridling mit Goldgruber ein Gespräch, in dem er diesem die Komplexität des Sachverhalts der gegen ihn erhobenen strafrechtlichen Vorwürfe zu erklären versuchte. Goldgruber wollte davon nichts hören, sondern sagte sinngemäß zu Gridling, dieser solle aufpassen, was er sage, sonst müsse er – Goldgruber – als Zeuge gegen Gridling aussagen, was er tun würde. Gleichzeitig gab Goldgruber Gridling zu verstehen, dass der Bundesminister für Inneres die Weiterbestellung Gridlings als BVT-Direktor nicht unterschreiben würde. Weiters gab Goldgruber gegenüber Gridling an, es werde im BMI überlegt, eine Weiterbestellungskommission einzuberufen, deren Entscheidung definitiv sei. Es gäbe aber auch gesichtswahrende Möglichkeiten. Gridling wies Goldgruber darauf hin, dass er dessen Rechtsmeinung nicht teile, und beendete das Gespräch. Bei diesem Gespräch wusste Goldgruber, dass der Bundespräsident die Weiterbestellung Gridlings bereits genehmigt hatte, und dass die Einberufung einer Weiterbestellungskommission jeder Rechtsgrundlage entbehrt hätte.633

Die Feststellungen zum Gespräch vom 5.3.2018 folgen den Äußerungen Gridlings vor dem Untersuchungsausschuss. Hingegen kann der Wahrnehmung Goldgrubers, er habe lediglich alle rechtlichen Möglichkeiten mit Gridling erörtert, nicht gefolgt werden. Diese Darstellung erscheint im Gegensatz zu Gridlings Aussage hierzu nicht glaubwürdig, zumal Gridling die Unterredung beinahe wörtlich wiedergeben konnte. In der Aussage Gridlings kam seine klare Erinnerung daran deutlich hervor, dass der Bundespräsident die Weiterbestellung bereits unterschrieben hatte und Goldgruber ihm diese Tatsache einfach verschwieg. Hingegen blieben die Ausführungen Goldgrubers zu der Unterhaltung allgemein und eher auf rechtlicher Ebene. Viel eher ist dem Eindruck Gridlings beizupflichten, dass Goldgruber ihn zu einem Verzicht auf sein Amt bewegen oder ihn zumindest unter Druck setzen wollte.

Es erscheint weiters die Wahrnehmung Hutters nicht glaubwürdig, dass die Prüfung der Rechtsfrage, ob eine bereits erfolgte Weiterbestellung rückgängig gemacht werden kann oder nicht, zwei Wochen in Anspruch nahm. Zwar argumentierte Hutter – aus seiner Sicht durchaus

632 167/KOMM XXVI. GP, 30f: Aussage Hutter; „Kurier“ vom 22.5.2018, „BVT-Affäre: Gericht hebt Kickls Suspendierung von Gridling auf“, https://kurier.at/politik/inland/bvt-affaere-gericht-hebt-gridlings- suspendierung-auf/400039087. 633 128/KOMM XXVI. GP, 6f: Aussage Gridling (1); 173/KOMM XXVI. GP, 13f: Aussage Goldgruber (2).

www.parlament.gv.at 695 der Beilagen XXVI. GP - Ausschussbericht NR - Berichterstattung 159 von 298 155 plausibel – vor dem Untersuchungsausschuss, dass die lange rechtliche Prüfung der Grund gewesen sei, warum Gridling die Weiterbestellungsinformation nicht erhalten hatte. Er sagte aus, dass er Kickl – persönlich – über die rechtliche Situation informieren habe müssen.634 Diese Anforderung einer Direktinformation ist aber in Zusammenschau mit der Unterredung Goldgrubers mit Gridling vom 5.3.2018 so zu deuten, dass Goldgruber und Kickl ein Wunschergebnis für die Lösung dieser Rechtsfrage hatten. Das Wunschergebnis, das zwar Goldgruber in seiner Unterredung mit Gridling vom 5.3.2018 eindeutig erkennen ließ, aber Hutter rechtlich nicht beibringen konnte, wäre das Bestehen der Möglichkeit gewesen, Gridlings Weiterbestellung trotz erfolgter Entschließung des Bundespräsidenten zu verhindern. Es besteht aufgrund dieser Beweisergebnisse kein Zweifel daran, dass Goldgruber die Weiterbestellung Gridlings verhindern wollte und dies von Kickl inhaltlich zumindest mitgetragen wurde.

4.7.4.2. Zustellung der Weiterbestellung und der vorläufigen Suspendierung Nach den Hausdurchsuchungen vom 28.2.2018 bemühte sich die für Suspendierungen zuständige Abteilung I/1 des BMI bei der WKStA darum, Akteneinsicht in die Gridling betreffenden Vorwürfe zu erhalten.635 Die WKStA gewährte jedoch bis 26.4.2018 keine Akteneinsicht. Mit der vorläufigen Suspendierung Gridlings wurde – im Gegensatz zu jenen von F. S. (BVT) und C. H. (BVT) – vorerst abgewartet, da Gridling nur einer Unterlassung und keiner aktiven Tathandlung beschuldigt worden war. Der ursprünglich vereinbarte – von Kardeis vorgeschlagene – Plan war es, die Beschuldigtenvernehmung Gridlings abzuwarten, um dort hervorkommendes be- oder entlastendes Material in die Entscheidung über die vorläufige Suspendierung mit einzubeziehen. Auch Hutter war zu diesem Zeitpunkt noch der Meinung, man solle die Gewährung der Akteneinsicht bei der WKStA abwarten, um für die Disziplinarkommission mehr Informationen bereitstellen zu können.636

Am 12.3.2018 wollte Goldgruber jedoch plötzlich die Einsicht in die Beschuldigtenvernehmung Gridlings nicht mehr abwarten. Er ließ Kardeis durch Lett informieren, dass Gridling nun doch vorläufig zu suspendieren sei. Die Abteilung I/1 konzipierte daraufhin noch am selben Tag den vorläufigen Suspendierungsbescheid. Hutter suchte den Generalsekretär auf und übergab ihm den vorbereiteten Bescheid. Dabei merkte er an, dass er noch zuwarten würde, bis das Protokoll der Beschuldigtenvernehmung Gridlings verfügbar sei. Goldgruber bestand jedoch darauf, nicht mehr zuzuwarten, sondern die vorläufige Suspendierung auszusprechen.637

634 167/KOMM XXVI. GP, 41ff: Aussage Hutter. 635 130/KOMM XXVI. GP, 15: Aussage Kickl. 636 167/KOMM XXVI. GP, 5ff, 34: Aussage Hutter. 637 a.a.O.

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Mit Bescheid vom 12.3.2018, zugestellt am 13.3.2018, suspendierte der Bundesminister für Inneres als oberste Dienstbehörde den BVT-Direktor Peter Gridling, vorläufig vom Dienst. Wie oben dargestellt, wurde Gridling der vorläufige Suspendierungsbescheid gemeinsam mit der Information über seine Weiterbestellung am 12.3.2018 übergeben.638

Das Schreiben, mit dem Kickl Gridling über die Weiterbestellung in Kenntnis setzte, enthielt im ursprünglichen Entwurf der Abteilung I/1 die Grußformel „mit meinen besten Glückwünschen“. Dieser Zusatz wurde aber im Rahmen der Abzeichnung durch Kickl oder eine von ihm zur Überprüfung des Schreibens beauftragten Bediensteten gestrichten.639

Am 13.3.2018 gab der Bundesminister für Inneres gemeinsam mit der Generaldirektorin für die öffentliche Sicherheit eine Pressekonferenz zur vorläufigen Suspendierung Gridlings. Für Kickl sei die vorläufige Suspendierung „unausweichlich“, gewesen, weil sich nunmehr herausgestellt habe, dass auch Gridling Beschuldigter der WKStA in der Causa BVT sei. Für Kardeis ging es vor allem um das „Vertrauen der ausländischen Partner“, das durch die Suspendierung Gridlings gestärkt werden sollte. In der Kooperation mit ausländischen Diensten habe der sorgsame Umgang mit sensiblen Daten besondere Wichtigkeit. Formalrechtlich sei es für sie deshalb richtig gewesen, Gridling vorläufig zu suspendieren, denn durch die Belassung im Dienst wäre das Ansehen des Amtes gefährdet worden.640

Ebenfalls am 13.3.2018 wies der Verfassungsrechtsexperte Bernd Christian Funk in einem Gespräch mit der „Wiener Zeitung“ darauf hin, dass das Zuwarten mit der Aushändigung der Weiterbestellungsurkunde von 1.3.2018 bis 12.3.2018 rechtswidrig gewesen sei.641

4.7.5. Entlassung des B. P. (BVT) vom 22.5.2018 4.7.5.1. Ausspruch der Entlassung Am 22.5.2018 wurde B. P. (BVT) vom Bundesminister für Inneres mit sofortiger Wirkung entlassen. Seine Entlassung wurde jedoch nicht mit jenen Vorwürfen begründet, die zur Hausdurchsuchung vom Büro und Wohnsitz von B. P. (BVT) geführt hatten. Vielmehr führte

638 Erkenntnis des BVwG zur Suspendierung von Gridling, 22.5.2018, W136 2192456-1, Pkt I.2; „Kurier“ vom 22.5.2018, „BVT-Chef Gridling kündigt an: „Morgen gehe ich wieder ins Amt““, 22.5.2018, https://kurier.at/chronik/oesterreich/bvt-chef-peter-gridling-darf-zurueck-morgen-gehe-ich-wieder-ins- amt/400039225. 639167/KOMM XXVI. GP, 38ff: Aussage Hutter; BMI, Schreiben des Bundesministers für Inneres an den BVT-Direktor vom 19.2.2018, S. 3. 640 „Kurier“ vom 13.3.2018, „Kickl zu BVT-Affäre: Behördenchef Gridling suspendiert“, https://kurier.at/politik/inland/bvt-affaere-kickl-suspendiert-bvt-chef-gridling/313.733.665; 130/KOMM XXVI. GP, 15: Aussage Kickl. 641 128/KOMM XXVI. GP, 7: Aussage Gridling (1); „Wiener Zeitung“ vom 13.3.2018, „Wiederbestellt und suspendiert“, https://www.wienerzeitung.at/nachrichten/politik/oesterreich/952453-Wiederbestellt- und-suspendiert.html.

www.parlament.gv.at 695 der Beilagen XXVI. GP - Ausschussbericht NR - Berichterstattung 161 von 298 157 das BMI ins Treffen, B. P. (BVT) habe nach dem Informationssicherheitsgesetz als geheim klassifizierte Akten zu Hause aufbewahrt.642 Am 18.7.2018 verfügte das BMI eine zweite Entlassung von B. P. (BVT), deren Begründung nicht bekannt ist. Diese Vorgangsweise wird jedoch üblicherweise gewählt, wenn ein Dienstgeber die Gründe für die erste Entlassung konkretisieren möchte.643

4.7.5.2. Gerichtliche Anfechtung B. P. (BVT) focht die Entlassungen beim Arbeits- und Sozialgericht Wien an.644 Er räumte zwar ein, die genannten Akten zu Hause aufbewahrt zu haben, denn er habe häufig von zu Hause aus gearbeitet. So auch am 28.2.2018, als er einen Pflegefreistellungstag genommen hatte und bei der Hausdurchsuchung bei ihm zu Hause die besagten Dokumente gefunden wurden. Das Arbeiten zu Hause auch außerhalb der Dienstzeiten und selbst im Pflegeurlaub sei unumgänglich gewesen, da trotz erhöhter Terrorgefahrenlage Personalknappheit geherrscht habe. Es sei absurd, einen Mitarbeiter für seinen erhöhten Arbeitseinsatz zu entlassen. Auch andere Mitarbeiter hätten von zu Hause aus gearbeitet. Dies sei vom Arbeitgeber nicht nur geduldet, sondern sogar erwünscht gewesen. Schriftstücke habe B. P. (BVT) stets sorgfältig aufbewahrt, sodass kein widerrechtlicher Zugriff durch Dritte erfolgen habe könne. Die Entlassung sei auch verfristet, denn das BMI habe bereits seit Monaten von den Vorwürfen, die im Rahmen der Hausdurchsuchung vom 28.2.2108 aufgekommen waren, gewusst.645

4.7.5.3. Umwandlung in eine einvernehmliche Auflösung Am Ende des Jahres 2018 wurde der Rechtsstreit zwischen B. P. (BVT) und dem BMI mit einem außergerichtlichen Vergleich beendet. In dem Vergleich stimmte das BMI der Umwandlung der Entlassung in eine einvernehmliche Auflösung sowie der Einstellung sämtlicher disziplinarrechtlicher Ermittlungen zu.646

642 131/KOMM XXVI. GP, 13: Aussage Kardeis; 80/KOMM XXVI. GP, 5-6: Aussage B. P. (BVT) (1); „News“ vom 24.5.2018, „BVT-Spionage-Chef entlassen: Aber nicht im Zusammenhang mit BVT-Affäre“, https://www.news.at/a/bvt---spionage-chef-entlassen-10092913; „Die Presse“ vom 25.5.2018, „Causa BVT: Spionage-Chef entlassen“, https://diepresse.com/home/innenpolitik/5434917/Causa- BVT_SpionageChef-entlassen. 643 80/KOMM XXVI. GP, 6: Aussage B. P. (BVT) (1); „Die Presse“ vom 11.1.2019, „Ex-Spionage-Chef im BVT wurde doch nicht entlassen“, https://diepresse.com/home/innenpolitik/5559244/ExSpionageChef-im-BVT-wurde-doch-nicht- entlassen; „Der Standard“ vom 11.1.2019, „Innenministerium entließ Beschuldigten in BVT-Affäre doch nicht“, https://derstandard.at/2000095948016/Innenministerium-entliess-Beschuldigten-in-BVT- Affaere-doch-nicht. 644 80/KOMM XXVI. GP, 6: Aussage B. P. (BVT) (1). 645 80/KOMM XXVI. GP, 5-6: Aussage B. P. (BVT) (1); „News“ vom 24.5.2018, „BVT-Spionage-Chef entlassen: Aber nicht im Zusammenhang mit BVT-Affäre“, https://www.news.at/a/bvt---spionage-chef- entlassen-10092913; „Die Presse“ vom 25.5.2018, „Causa BVT: Spionage-Chef entlassen“, https://diepresse.com/home/innenpolitik/5434917/Causa-BVT_SpionageChef-entlassen. 646 „Die Presse“ vom 11.1.2019, „Ex-Spionage-Chef im BVT wurde doch nicht entlassen“, https://diepresse.com/home/innenpolitik/5559244/ExSpionageChef-im-BVT-wurde-doch-nicht-

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4.7.6. Suspendierungen durch die Disziplinarkommission 4.7.6.1. Erhebungen und Akteneinsicht Für die – endgültigen – Suspendierungen der BVT-Beamten F. S. (BVT), C. H. (BVT) und Gridling war die Disziplinarkommission beim BMI zuständig. Dabei handelt es sich um ein auf fünf Jahre bestelltes unabhängiges Gremium, das im Senat entscheidet. Wenn der Disziplinarkommission eine vorläufige Suspendierung zur Prüfung vorgelegt wird, kann sie Auskünfte einholen und/oder Erhebungen durchführen (lassen).647

Vor keiner der unten inhaltlich zu erläuternden endgültigen Suspendierungen führte die Disziplinarkommission eigene Erhebungen durch, obwohl ihr diese Möglichkeit offen gestanden wäre. Sie beauftragte lediglich die Sektion I des BMI damit, in ihrem Namen um Akteneinsicht bei der WKStA anzusuchen, setzte aber keine eigenen Bemühungen, um den jeweiligen Sachverhalt zu ermitteln.648

Bereits am 28.2.2018 äußerte Kardeis in einem E-Mail an Kloibmüller den Wunsch, der Disziplinarkommission betreffend die Suspendierungen von F. S. (BVT) und C. H. (BVT) noch „mehr ,Fleisch‘ zukommen zu lassen. Der Sachverhalt, der der vorläufigen Suspendierung zugrunde liegt, reicht sicher nicht für die Prüfung der DK“ –gemeint: Disziplinarkommission – „aus.“649 Am 1.3.2018 fand ein Telefonat zwischen Lett und Schmudermayer statt, bei dem er um Übermittlung der anonymen Zeugenaussagen ersuchte. Dieses Ersuchen erfolgte aufgrund eines Auftrags des Generalsekretärs, der diese Zeugenaussagen in anonymisierter Form der Disziplinarkommission zur Verfügung stellen wollte.650 Am 12.3.2018 richtete Hutter für die Abteilung I/1 des BMI im Auftrag der Disziplinarkommission ein Erhebungsersuchen an Oberstaatsanwältin Schmudermayer, in dem er ausführt, dass der Senat der Disziplinarkommission als Grundlage für seine Entscheidung nur die Hausdurchsuchungsanordnungen gegeben habe. Aufgrund der Anordnung für C. H. (BVT) sei es zum Beispiel nicht

„nachvollziehbar, wieso, wenn Akte kopiert worden sind, dann nicht bereits jene

entlassen; „Der Standard“ vom 11.1.2019, „Innenministerium entließ Beschuldigten in BVT-Affäre doch nicht“, https://derstandard.at/2000095948016/Innenministerium-entliess-Beschuldigten-in-BVT- Affaere-doch-nicht. 647 128/KOMM XXVI. GP, 7: Aussage Gridling (1). 648 128/KOMM XXVI. GP, 7: Aussage Gridling (1); 167/KOMM XXVI. GP, 5f: Aussage Hutter. 649 167/KOMM XXVI. GP, 8f, 20: Aussage Hutter; BMI, E-Mail von Kardeis an Kloibmüller vom 28.2.2018, S. 2f. 650 127/KOMM XXVI. GP, 17: Aussage Lett ; OStA Wien, Tagebuch der WKStA zu 6 St 2/18f, Aktenvermerk von OStA Schmudermayer vom 1.3.2018, S. 42.

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Personen bekannt sind, die in ihren Rechten auf Vernichtung ihrer Daten verletzt worden sind. Im Moment ist für den Senat nicht erkennbar, inwiefern ein Schädigungsvorsatz vorliegt, wenn nicht einmal die geschädigten Personen feststehen.“651

Die mehrfachen Anfragen des BMI bei der WKStA auf Akteneinsicht blieben vorerst unbeantwortet. Erst am 19.3.2018 erteilte Schmudermayer dem BMI die Auskunft, dass keine Akteneinsicht gewährt werden könne, da die vernommenen Zeugen anonym seien. Daher musste die Disziplinarkommission ihre Entscheidung auf Basis der vorliegenden Akten – ohne Einsicht in die Zeugenaussagen – treffen.652 Das BMI erhielt schließlich am 26.4.2018 – circa einen Monat nach den Entscheidungen der Disziplinarkommission – Akteneinsicht durch die WKStA.653

4.7.6.2. Suspendierung des Hauptsachbearbeiters F. S. (BVT) 4.7.6.2.1. Bescheid der Disziplinarkommission Am 23.3.2018 sprach die Disziplinarkommission des BMI die Suspendierung nach § 112 Abs 3 BDG 1979 gegenüber F. S. (BVT) aus.654 Hierdurch wurde die vorläufige in eine – endgültige - Suspendierung umgewandelt.

Hinsichtlich der Bescheidbegründung kann auf die oben referierten Ausführungen zum Bescheid über die vorläufige Suspendierung verwiesen werden, die im Wesentlichen gleich lautet.655

4.7.6.2.2. Erkenntnis des BVwG Gegen den Suspendierungsbescheid erhob F. S. (BVT) fristgerecht Beschwerde beim BVwG.

Mit Erkenntnis vom 5.6.2018 hob das BVwG durch die zuständige Einzelrichterin auch den – endgültigen - Suspendierungsbescheid mit der Begründung auf, dass es keine hinreichend begründeten Verdachtsmomente für eine die Suspendierung rechtfertigende Dienstpflichtverletzung erkennen könne.656

Im Übrigen kann auf die oben referierten Ausführungen zum Erkenntnis über die Aufhebung

651 167/KOMM XXVI. GP, 8: Aussage Hutter; OStA Wien, Schreiben von Hutter im Auftrag der Disziplinarkommission an die WKStA vom 12.3.2018, S. 54f. 652 167/KOMM XXVI. GP, 5ff, 8ff: Aussage Hutter. 653 167/KOMM XXVI. GP, 8f, 19, 40: Aussage Hutter. 654 Erkenntnis des BVwG zur Suspendierung von F. S. (BVT), 5.6.2018, W136 2193063-1. 655 Erkenntnis des BVwG zur Suspendierung von F. S. (BVT), 5.6.2018, W136 2193063-1,Pkt I.2. 656 Erkenntnis des BVwG zur Suspendierung von F. S. (BVT), 5.6.2018, W136 2193063-1,Pkt II.3; vgl auch „Kurier“ vom 22.5.2018, „BVT-Affäre: Gericht hebt Kickls Suspendierung von Gridling auf“, https://kurier.at/politik/inland/bvt-affaere-gericht-hebt-gridlings-suspendierung-auf/400039087

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der vorläufigen Suspendierung verwiesen werden, deren Begründung im Wesentlichen gleich lautet.

4.7.6.3. Suspendierung des Chefinspektors C. H. (BVT) 4.7.6.3.1. Bescheid der Disziplinarkommission Am 23.3.2018 sprach die Disziplinarkommission des BMI auch gegenüber C. H. (BVT) die Suspendierung aus. Hierdurch wurde die vorläufige in eine – endgültige - Suspendierung umgewandelt.657

In ihrem Bescheid begründete die Disziplinarkommission beim BMI die Suspendierung im Wesentlichen wie folgt: Der Verdacht, Dienstpflichtverletzungen begangen zu haben, gründe sich auf den Beschluss des Bundesministeriums für Inneres, Sektion I-Präsidium vom 28.2.2018, mit welchem aufgrund des im Spruch bezeichneten Verhaltens über den Beamten die vorläufige Suspendierung verhängt worden sei, im Zusammenhalt mit der von der WKStA am 27.2.2018 verfügten und angeschlossenen Anordnung der Durchsuchung und der Sicherstellung.658

Der Durchsuchungsanordnung der WKStA sei der Tatverdacht gegen den Beamten zu entnehmen. Danach stehe der Beamte im Verdacht, dass er und B. P. (BVT) im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit dem Vorsatz dadurch – noch auszuforschende – Personen an ihrem Recht auf Schutz von durch das BVT erlangten und verarbeiteten personenbezogenen Daten durch deren Vernichtung bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen zu schädigen, indem sich B. P. (BVT) vor Ablauf der Skartierungsfrist Kopien von zu löschenden Akten anfertigen habe lassen und C. H. (BVT) ihn dabei unterstützt habe, indem er entweder diese selbst angefertigt habe oder den Auftrag dazu anderen Beamten des BVT erteilt habe. Zwei Zeugen hätten übereinstimmend behauptet, dass die Herstellung von Kopien in diesem Umfang nur durch das IT-Referat, dessen Leiter der Beamte sei, bewerkstelligt werden könne. Deshalb sei davon auszugehen, dass er an der Herstellung beteiligt gewesen sei, zumal einem Zeugen zufolge dieser dafür eine Anweisung des Abteilungsleiters verlangt, aber nicht erhalten hätte, womit zumindest die für das Vorliegen eines Amtsmissbrauchs erforderliche Wissentlichkeit erfüllt sein dürfte.659

C. H. (BVT) werde die Begehung eines Amtsmissbrauchs zum Vorwurf gemacht und er stehe damit in Verdacht, Dienstpflichtverletzungen begangen zu haben. Der Umgang mit Daten sei ohnehin ein äußerst sensibler, umso mehr, wenn es sich um vom BVT erlangte und

657 a.a.O., Pkt I.3. 658 a.a.O. 659 a.a.O.

www.parlament.gv.at 695 der Beilagen XXVI. GP - Ausschussbericht NR - Berichterstattung 165 von 298 161 verarbeitete Daten handle. Das dem Beamten angelastete Verhalten sei daher durchaus geeignet, nicht nur das Funktionieren des Dienstbetriebes infrage zu stellen und damit wesentliche Interessen des Dienstes zu gefährden, sondern auch das Vertrauen der Allgemeinheit in die sachliche Wahrnehmung der Aufgaben durch einen Beamten des BVT nachhaltig zu erschüttern. Die Begehung eines Amtsmissbrauchs stelle eine derart schwere Dienstpflichtverletzung dar, sodass nach Ansicht des Senates jedenfalls mit Suspendierung vorzugehen sei.660

Im Übrigen darf auf die oben referierte Bescheidbegründung verwiesen werden, die im Wesentlichen gleich lautet.

4.7.6.3.2. Erkenntnis des BVwG Gegen den Suspendierungsbescheid erhob C. H. (BVT) fristgerecht Beschwerde beim BVwG.661

Mit Erkenntnis vom 8.6.2018 hob das BVwG die Suspendierung von C. H. (BVT) auf. Ebenso wie in den Erkenntnissen betreffend die Suspendierung von F. S. (BVT) lautete die Begründung des BVwG zusammengefasst, dass es für eine Suspendierung nicht genüge, dass die Behörde den Tatverdacht gegen den Beamten ausschließlich damit begründet, dass gegen diesen ein gerichtliches Strafverfahren anhängig sei. Es könne keine hinreichend begründeten Verdachtsmomente für eine die Suspendierung rechtfertigende Dienstpflichtverletzung erkennen könne.662

Im Übrigen kann auf die oben referierten Ausführungen zum Erkenntnis über die Aufhebung der vorläufigen Suspendierung von F. S. (BVT) verwiesen werden, deren Begründung im Wesentlichen gleich lautet.

4.7.6.4. Suspendierung des BVT-Direktors Peter Gridling 4.7.6.4.1. Bescheid der Disziplinarkommission Mit Bescheid der Disziplinarkommission im BMI vom 23.3.2018 wurde Gridling gemäß § 112 Abs 3 BDG 1979 vom Dienst suspendiert, da er im Verdacht stehe, er habe im Rahmen seiner dienstlichen Tätigkeit

660 a.a.O. 661 a.a.O. 662 Erkenntnis des BVwG zur Suspendierung von C. H. (BVT), 8.6.2018, W116 2194740-1, Pkt II.3.; vgl auch „Der Standard“ vom 11.6.2018, „BVT-Affäre: Auch dritte Suspendierung aufgehoben“, https://derstandard.at/2000081364890/BVT-Affaere-Auch-dritte-Suspendierung-aufgehoben.

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1. zu einem noch näher festzustellenden Zeitpunkt im September 2014 mit dem Vorsatz, dadurch jene noch auszuforschende Personen, deren Daten durch das BVT erlangt und verarbeitet worden seien, in deren Recht auf Datenlöschung zu schädigen, indem sie nach Kenntniserlangung darüber, dass B. P. (BVT) und C. H. (BVT) im bewussten und gewollten Zusammenwirken als Mittäter zwischen Anfang 2014 und September 2015 von vor Ablauf der Skartierungsfrist zu löschenden Akten Kopien zur persönlichen Verwendung angefertigt hätten beziehungsweise den Auftrag zur Anfertigung von Kopien an noch auszuforschende Beamte des BVT erteilt hätten, im Dienstweg entgegen seiner Verpflichtung als direkter Vorgesetzter des Herrn B. P. (BVT) es mutwillig unterlassen habe, diesem die Anweisung zu erteilen, die hergestellten Datenkopien zu löschen und somit den gesetzeskonformen Zustand wiederherzustellen, 2. zu einem noch näher festzustellenden Zeitpunkt im Jahr 2015, mit dem Vorsatz, dadurch Rechtsanwalt Lansky in seinem Recht auf Schutz seinem Berufsgeheimnis unterliegenden Daten zu schädigen, indem er nach Kenntniserlangung darüber, dass B. P. (BVT) zu einem noch festzustellenden Zeitpunkt, vermutlich im Jahr 2015, mit dem Vorsatz, dadurch Lansky in dessen Recht auf Schutz seinem Berufsgeheimnis unterliegenden Daten zu schädigen, indem B. P. (BVT) Daten, die im Zuge des Strafverfahrens gegen Lansky sichergestellt worden seien – und die aufgrund eines Beschlusses des Oberlandesgerichtes Linz infolge bestehenden Verwertungsverbotes gelöscht hätten werden müssen –, habe kopieren lassen, um diese weiter zu verwenden, es im Dienstweg entgegen seiner Verpflichtung als direkter Vorgesetzter des Herrn B. P. (BVT) mutwillig unterlassen habe, diesem die Anweisung zu erteilen, die hergestellte Datenkopie zu löschen und somit den gesetzeskonformen Zustand wiederherzustellen.663

Gridling sei der höchste Beamte und Leiter des BVT, weshalb durchaus der begründete Verdacht bestehe, dass er von den beschriebenen Vorgängen Kenntnis erlangt habe, diese jedoch nicht unterbunden habe. Dass die Kopien von Daten vor Ablauf der Skartierungsfrist, beziehungsweise trotz einer in einem Strafverfahren beschlussmäßig verordneten Löschung derselben, grundsätzlich als Missbrauch der Amtsgewalt zu qualifizieren sei, stehe wohl außer Zweifel.664

Im Übrigen darf auf die oben referierte Bescheidbegründung verwiesen werden, die im Wesentlichen gleich lautet.665

663 Erkenntnis des BVwG zur Suspendierung von Gridling, 22.5.2018, W136 2192456-1, Pkt I.3. 664 a.a.O. 665 a.a.O.

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4.7.6.4.2. Erkenntnis des BVwG Gridling focht seine Suspendierung durch die Disziplinarkommission beim BVwG an.666

Am 22.5.2018 hob das BVwG die Suspendierung Gridlings mit Erkenntnis auf. Das BVwG führte aus, dass sich das BMI bei der Begründung der Suspendierung nicht bloß mit der Anhängigkeit eines Strafverfahrens und der Wiedergabe der Vorwürfe der Hausdurchsuchungsanordnung hätte begnügen dürfen. Das BMI habe bloß angeführt, dass BVT-Mitarbeiter angeblich illegale Kopien von Daten angefertigt hätten. Die Behörde habe allerdings nicht behauptet, dass Gridling dieser Umstand überhaupt bekannt gewesen wäre. Nur weil Gridling Behördenleiter sei, könne nicht davon ausgegangen werden, dass ihm die angeblich rechtswidrigen Amtshandlungen seiner Mitarbeiter bekannt geworden wären. Diesen Schluss der Disziplinarkommission erachtet das BVwG in seiner Pauschalität lebensfremd. Es hätte einer nachvollziehbaren Begründung bedurft.667

Im Übrigen kann auf die oben referierten Ausführungen zum Erkenntnis über die Aufhebung der vorläufigen Suspendierung verwiesen werden, deren Begründung im Wesentlichen gleich lautet.668

Am Tag nach der Aufhebung der Suspendierung trat Gridling seinen Dienst im BVT wieder an.669

4.7.6.4.3. Prüfung einer neuerlichen Suspendierung Nach Aufhebung der Suspendierung Gridlings am 22.5.2018 prüfte die Abteilung I/1 im Auftrag des Bundesministers für Inneres als Dienstbehörde, ob eine neuerliche Suspendierung indiziert sei und holte diesbezüglich am 23.5.2018 Auskünfte bei der WKStA ein. In der Folge verneinten die involvierten Beamten diese Frage jedoch, sodass es zu keiner neuerlichen Suspendierung Gridlings kam.670

Die Prüfung einer neuerlichen Suspendierung nach der Aufhebung einer Suspendierung auf

666 a.a.O. 667 Erkenntnis des BVwG zur Suspendierung von Gridling, 22.5.2018, W136 2192456-1, Pkt II.3.; 130/KOMM XXVI. GP, 46: Aussage Kickl; „Kurier“ vom 22.5.2018, „BVT-Chef Gridling kündigt an: „Morgen gehe ich wieder ins Amt““, 22.5.2018, https://kurier.at/chronik/oesterreich/bvt-chef-peter- gridling-darf-zurueck-morgen-gehe-ich-wieder-ins-amt/400039225. 668 Erkenntnis des BVwG zur Suspendierung von Gridling, 22.5.2018, W136 2192456-1, Pkt II.3. 669 „Kurier“ vom 22.5.2018, „BVT-Chef Gridling kündigt an: „Morgen gehe ich wieder ins Amt““, 22.5.2018, https://kurier.at/chronik/oesterreich/bvt-chef-peter-gridling-darf-zurueck-morgen-gehe-ich- wieder-ins-amt/400039225. 670 128/KOMM XXVI. GP, 42: Aussage Gridling (1).

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Grundlage neu hervorgekommener Sachverhalte ist ein üblicher Vorgang, und auch in diesem Fall als unproblematisch zu erachten.671

4.7.7. Unterlassung dienstrechtlicher Maßnahmen gegen andere Beamte des BMI Weder in der Causa BVT noch im Parallelverfahren gegen Kloibmüller und andere, noch in den Verfahren aufgrund der zahlreichen Gegenanzeigen672 – zum Beispiel gegen Preiszler und Goldgruber –, wurden weitere dienstrechtliche Maßnahmen durch das BMI ergriffen. Die zuständige Abteilung I der Sektion I prüfte in Absprache mit der Generaldirektorin und dem Generalsekretär jeden einzelnen Namen von Beamten im anonymen Konvolut, sowie auch weitere Namen, die später in diesen Verfahren zur Anzeige gebracht wurden. Diese Prüfungen ergaben jedoch keine Notwendigkeit von Suspendierungen.673

Im Fall von Zöhrer, einem ehemals Beschuldigten in der Causa BVT, ergab sich – wie oben bereits ausgeführt – aufgrund der Tatsache, dass er nicht mehr im BVT, sondern nunmehr in der SIAK tätig war, für das BMI die mangelnde Notwendigkeit einer Suspendierung. Im Fall von Preiszler und Goldgruber, die beide unter anderem wegen Amtsmissbrauchs angezeigt worden waren und bei der Staatsanwaltschaft Korneuburg als Beschuldigter (ersterer) sowie Verdächtiger (zweiterer) geführt werden, wurde jeweils bei der Staatsanwaltschaft um Aktenabschriften angesucht und daraufhin eine disziplinarrechtliche Prüfung vorgenommen, ob eine vorläufige Suspendierung auszusprechen sei. 674 In beiden Fällen sah das BMI – zumindest bisher – keine Notwendigkeit einer – vorläufigen – Suspendierung, wobei dem Untersuchungsausschuss die Gründe hierfür nicht bekannt wurden.

Bei sämtlichen karenzierten Beamten und Vertragsbediensteten kamen keine vorläufigen dienstrechtlichen Maßnahmen infrage. Die Gründe, warum andere infrage kommende Beamte und Vertragsbedienstete, gegen die Strafverfahren in Zusammenhang mit der Causa BVT anhängig waren oder sind, nicht – vorläufig – suspendiert beziehungsweise dienstfreigestellt oder entlassen wurden, sind im Zuge des Untersuchungsausschusses nicht hervorgekommen.

4.7.8. Fazit Im Untersuchungsausschuss wurde mehrmals die Frage aufgeworfen, aus welchen Gründen das BMI im Fall der Causa BVT bei den Suspendierungsprüfungen einen derart strengen

671 128/KOMM XXVI. GP, 42: Aussage Gridling (1). 672 84/KOMM XXVI. GP, 4, 6: Aussage Preiszler; 133/KOMM XXVI. GP, 3, 4, 5: Aussage Schmudermayer (3); 132/KOMM XXVI. GP, 5, 14: Aussage Moser; 173/KOMM XXVI. GP, 20f: Aussage Goldgruber (2). 673 167/KOMM XXVI. GP, 22: Aussage Hutter. 674 a.a.O., S. 16f.

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Maßstab anlegte, während in anderen, thematisch verknüpften Strafverfahren – vor allem bezüglich der Gegenanzeigen – keine einzige Suspendierung erfolgte. In der Tat fällt die unterschiedliche dienstrechtliche Behandlung der verschiedenen Beschuldigten ins Auge. Ohne jeden einzelnen Disziplinarakt individuell zu prüfen, kann aber kein abschließender Vergleich unternommen werden.

Ohne Zweifel auffällig war das Engagement und die Involvierung der Weisungsspitze im Fall der Suspendierung Gridlings, die von Goldgruber – zumindest mit dem Wissen Kickls – ohne Änderung des Sachverhalts trotz der Zweifel von Kardeis und Hutter verfügt wurde.

4.8. Auswirkungen der Hausdurchsuchungen 4.8.1. Nationale Verunsicherung Die Auswirkungen der Hausdurchsuchungen und die daraus resultierenden Maßnahmen im BVT sind vielfältig. Neben einer allgemeinen Verunsicherung der BVT-Mitarbeiter war auch deren Arbeitsalltag beeinträchtigt. Aufgrund der Sicherstellung von Datenträgern und Arbeitsgeräten, die für die tägliche Arbeit benötigt werden, konnte die Bearbeitung einzelner Fälle nicht fortgesetzt werden. Die Rückausfolgung der Arbeitsgeräte dauerte teils Wochen bis Monate, sodass einzelne Mitarbeiter ihrer Tätigkeit nicht nachkommen konnten.675

Die Leiterin des Extremismusreferats S. G. (BVT) beschrieb bei ihrer Befragung im Untersuchungsausschuss den Zustand im BVT nach der Hausdurchsuchung. Es herrschten großes Misstrauen und Verunsicherung. Die Mitarbeiter wussten nicht, wem sie noch vertrauen konnten. Dies auch aufgrund dessen, dass man erfahren habe, dass der eigene Abteilungsleiter M. W. (BVT) einer der vier Hauptbelastungszeugen gewesen sei.676 Das habe sich auch negativ auf die Arbeitsmotivation und das Engagement der einzelnen Mitarbeiter ausgewirkt.677

Gridling gab bei seiner dritten Befragung vor dem Untersuchungsausschuss im Juni 2019 an, dass die Verunsicherung im Amt unumstritten eine der Auswirkungen der Hausdurchsuchung sei und diese nach wie vor zu spüren sei.678

Auch ein anderer Mitarbeiter bestätigte die interne Verunsicherung der BVT-Mitarbeiter, betonte jedoch auch, dass das BVT nicht gänzlich handlungsunfähig sei und nach wie vor

675 78/KOMM XXVI. GP, 32: Aussage M. K. (BVT) (1). 676 117/KOMM XXVI. GP, 10: Aussage S. G. (BVT) (1); 125/KOMM XXVI. GP, 7: Aussage C. M. (BVT) (1). 677 117/KOMM XXVI. GP, 11: Aussage S. G. (BVT) (1). 678 237/KOMM XXVI. GP, 3: Aussage Gridling (3).

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Ermittlungserfolge und gute Amtshandlungen erziele.679

4.8.2. Internationale Verunsicherung 4.8.2.1. Isolation des BVT Der Austausch von Informationen zwischen dem BVT und seinen Partnerdiensten ist eine höchst sensible Angelegenheit.680 M. K. (BVT), die ehemalige Leiterin der Rechtsabteilung des BVT, beschreibt bei ihrer Befragung vor dem Untersuchungsausschuss, dass der Informationsaustausch zwischen den Partnern nicht auf einer rechtlichen Verpflichtung fuße, sondern vielmehr auf einem Vertrauensverhältnis. Das Vertrauen beruhe darauf, dass wechselseitig für die Informationen der anderen Partner Sorge getragen werde. Eine Erschütterung dieses Vertrauensverhältnisses könne negative Auswirkungen681, insbesondere auf die künftige Zusammenarbeit und den weiteren Informationsaustausch mit den Partnerdiensten, mit sich bringen. Ein Abschneiden Österreichs vom Informationsfluss könne in weiterer Folge auch Auswirkungen auf die Ermittlungstätigkeiten im BVT haben.682

Bereits im April 2018, kurz nach der Hausdurchsuchung wies M. K. (BVT) Schmudermayer in einem E-Mail darauf hin, welche Folgen das Bekanntwerden der Informationen aus dem BVT für dessen internationale Beziehungen haben könnte:

„Das Bekanntwerden weiterer Details über Tatsachen, die die internationale Zusammenarbeit betreffen (zB Art und Weise der Übermittlung oder Informationen, die Rückschlüsse auf die kooperierenden Partnerdienst[e] zulassen), werden unweigerlich zu einer weiterführenden Beeinträchtigung der Aufgabenwahrnehmung (und einem weiteren Reputationsschaden) des Verfassungsschutzes führen.“683

In ihrer Befragung vor dem Untersuchungsausschuss gab M. K. (BVT) ergänzend dazu an, dass durch die Hausdurchsuchung im BVT bereits von einem gewissen Reputationsschaden für Österreich und das BVT ausgegangen werden müsse.684

Zu Beginn der Befragungen im Untersuchungsausschuss, Ende des Jahres 2018, gab ein BVT-Mitarbeiter an, von seinen Kollegen erfahren zu haben, dass der internationale Informationsaustausch seit der Hausdurchsuchung definitiv zurückgegangen sei:

679 125/KOMM XXVI. GP, 44: Aussage C. M. (BVT) (1). 680 78/KOMM XXVI. GP, 30: Aussage M. K. (BVT) (1); OStA Wien, E-Mail von M. K. (BVT) an Schmudermayer vom 19.4.2018, S. 1f. 681 78/KOMM XXVI. GP, 30: Aussage M. K. (BVT) (1). 682 78/KOMM XXVI. GP, 32: Aussage M. K. (BVT) (1). 683 78/KOMM XXVI. GP, 8: Aussage M. K. (BVT) (1); OStA Wien, E-Mail von M. K. (BVT) an Schmudermayer vom 19.4.2018, S. 1f. 684 78/KOMM XXVI. GP, 19: Aussage M. K. (BVT) (1).

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„Es ist ungefähr so, wie wenn man sagt, dass wir heute schönes Wetter haben. Das heißt, es kommen keine relevanten, also nicht mehr so viele relevante Informationen wie früher.“685

Bei einer Sondersitzung des Nationalrats am 11.6.2018 versicherte jedoch der damalige Bundesminister für Inneres Herbert Kickl, dass das Vertrauen ausländischer Nachrichtendienste in das BVT nach wie vor unbeeinträchtigt sei und gab dazu wörtlich an, dass „das Gerede von der internationalen Isolation unseren Partnern gegenüber eine reine parteipolitisch motivierte Show ist und nichts mit den Tatsachen zu tun hat“.686

Ebenso will auch sein damaliger Generalsekretär Peter Goldgruber keinerlei Einschränkungen wahrgenommen haben und gab auf eine Anfrage der APA an:

„Ein Risiko, dass die Zusammenarbeit mit den Nachrichtendiensten in Europa und weltweit nicht funktionieren würde, habe ich nicht wahrgenommen".687

Dass die Zusammenarbeit und der Informationsfluss mit befreundeten Nachrichtendiensten seit den Hausdurchsuchungen am 28.2.2018 nicht mehr reibungslos funktioniert und das BVT international isoliert ist, zeigt neben den Ergebnissen der Befragungen im Untersuchungsausschuss auch die mediale Berichterstattung. Danach äußerten schon vor der Razzia im Februar 2018 befreundete Partnerdienste Bedenken. Dies hätte aufgrund der zeitlichen Komponente nichts mit der Hausdurchsuchung zu tun, sondern läge an der russlandfreundlichen Politik der FPÖ, die damals (neben der ÖVP) seit Längerem wieder eine Regierungsfunktion neu übernommen hatte. Die mediale Berichterstattung, durch die bekannt wurde, dass unter den am 28.2.2018 sichergestellten Daten auch Informationen von ausländischen Geheimdiensten mitgenommen worden waren, würde nicht zur Vertrauensbildung beitragen.688 Gridling gab bereits im Juni 2018 in der ORF-Sendung „Report“ bekannt, dass die Causa BVT auch im Ausland für Bedenken sorge. Schon damals sei die Frage, ob dem BVT

685 76/KOMM XXVI. GP, 10: Aussage N. B. (BVT). 686 Steno Protokoll 27.Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich XXIV.Gesetzgebungsperiode vom Monatg 11.Juni 2018, Seite 38; „Salzburger Nachrichten“ vom 6.9.2018, “BVT-Affäre: Kein Kommentar von Kickl zu „Berner Gruppe““, https://www.sn.at/politik/innenpolitik/bvt-affaere-kein- kommentar-von-kickl-zu-berner-gruppe-39716230. 687„Salzburger Nachrichten“ vom 6.9.2018, “BVT-Affäre: Kein Kommentar von Kickl zu „Berner Gruppe““, https://www.sn.at/politik/innenpolitik/bvt-affaere-kein-kommentar-von-kickl-zu-berner- gruppe-39716230. 688 „Der Standard“ vom 28.8.2018, „Chat: Worum geht es in der Causa BVT“, https://derstandard.at/jetzt/livebericht/2000082541891/chat-worum-geht-es-in-der-causa-bvt; „Der Standard“ vom 8.4.2018, „Russland-Nähe der FPÖ sorgt für Isolation des BVT“, https://derstandard.at/2000101031061/Russland-Naehe-der-FPOe-sorgt-fuer-Isolation-des-BVT-von; „Der Standard“ vom 1.4.2019, „BVT-Chef bestätigt: Verfassungsschutz im Ausland isoliert“, https://derstandard.at/2000100574075/Prozess-Kickl-Pilz-Pilz-nennt-Kickl-Innenminister-der- Neonazis.

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entsprechendes Vertrauen entgegengebracht werden könne, im Raum gestanden. Konkret ging es darum, ob Informationen, die dem BVT vertraulich zur Verfügung gestellt werden, auch dementsprechend vertraulich gewahrt werden können.689 Damals sprach Gridling davon, dass kritische Fragen an Österreich gestellt werden würden.690 Er habe Fragen aus dem Ausland beantworten müssen, ob das BVT in der Lage sei, die Informationen, die das Ausland zur Verfügung stelle, entsprechend zu schützen. Dabei ging es auch um die Kopie der Neptun- Datenbank.691

Bereits im März 2018 stellte das deutsche Bundesamt für Verfassungsschutz die Frage an das BVT, ob bei den Hausdurchsuchungen auch deutsche Daten beschlagnahmt worden seien. Bei einer etwaigen Zustimmung aus dem BVT, so das Innenministerium, müsse „eine neue Prüfung erfolgen, wie die Kooperation mit dem BVT in Zukunft fortgesetzt werden kann“.692 Der deutsche Verfassungsschutz betonte, dass die Zusammenarbeit mit anderen Partnerdiensten auf der Grundlage eines Vertrauensgrundsatzes beruhe, wonach Geheimdienstinformationen nur dann weitergegeben werden dürfen, wenn der Urheber der Daten der Weitergabe zustimme. Die Sicherstellung von Daten anderer Geheimdienste am 28.2.2018 könnte eine Verletzung dieses Grundsatzes bedeuten.693

Der Präsident des Bundesamts für Verfassungsschutz (BfV) Thomas Haldenwang äußerte im Mai 2019 sein Misstrauen in der nachrichtendienstlichen Zusammenarbeit mit Österreich. Haldenwang sprach sein Misstrauen zum wiederholten Male aus und gab Bedenken wegen möglicher Informationsweitergabe an Russland bekannt. Auch die Kopie der Datenbank Neptun, die bei der Hausdurchsuchung im BVT sichergestellt worden war, sorgte beim deutschen Verfassungsschutz für Unruhe.694

689 „Kurier“ vom 2.11.2018, „Insider: Rauswurf des BVT aus „Berner Club“ war nicht geplant“, https://kurier.at/politik/inland/causa-bvt-insider-sieht-keinen-vertrauensverlust-in-berner- club/400312905. 690 „Kurier“ vom 2.11.2018, „Insider: Rauswurf des BVT aus „Berner Club“ war nicht geplant“, https://kurier.at/politik/inland/causa-bvt-insider-sieht-keinen-vertrauensverlust-in-berner- club/400312905. 691 128/KOMM XXVI. GP, 11: Aussage Gridling (1). 692 „Kurier“ vom 2.11.2018, „Insider: Rauswurf des BVT aus „Berner Club“ war nicht geplant“, https://kurier.at/politik/inland/causa-bvt-insider-sieht-keinen-vertrauensverlust-in-berner- club/400312905; „Der Standard“ vom 21.3.2018, „Deutsche Geheimdienste wollen Kooperation mit BVT neu prüfen“, https://derstandard.at/2000076546183/Deutsche-Geheimdienste-pruefen-Kooperation- mit-Oesterreichs-BVT. 693 „Der Standard“ vom 21.3.2018, „Deutsche Geheimdienste wollen Kooperation mit BVT neu prüfen“, https://derstandard.at/2000076546183/Deutsche-Geheimdienste-pruefen-Kooperation-mit- Oesterreichs-BVT. 694„Kleine Zeitung“ vom 18.5.2018, „Deutscher Verfassungsschutz spricht Österreich Misstrauen aus“, https://www.kleinezeitung.at/politik/aussenpolitik/5630495/Welt-berichtet_Deutscher- Verfassungsschutz-spricht-Oesterreich.

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Ebenso berichtete die „New York Times“ im Mai 2019 über das BVT: Im Artikel „As Europe’s Far Right Rises, a Battle Over Security Agencies Grows” berichtete die Zeitung über den Kampf um den österreichischen Nachrichtendienst und den „Aufstieg der Rechten“ in Österreich. Die Zeitung schrieb sowohl über den Einfluss auf die Leiterin des Extremismusreferats des BVT als auch über den eingeschränkten Informationsfluss mit befreundeten Nachrichtendiensten. Zitiert wurde zudem ein anonymer europäischer Geheimdienstbeamter, der gesagt habe, dass man sich sehr genau überlege, welche Informationen man mit dem österreichischen Partner noch teilen könne, weil man sich nicht sicher sein könne, wo diese Informationen landen würden.695 Mitte August 2018 berichtete auch die „Washington Post“696 darüber, dass andere Geheimdienste Österreich von ihren Informationen ausschließen würden und das BVT gelähmt sei. Sensible Informationen würden aus Angst, diese könnten in falsche Hände geraten, nicht mehr geteilt werden.697

August Hanning, ehemaliger Präsident des deutschen Bundesnachrichtendienstes (BND), mahnte Vorsicht bei der Zusammenarbeit mit Österreich ein:

„Bei einem Dienst, der seine sensiblen Geheimnisse, Informationen und Quellen von Partner-Diensten nicht schützen kann, ist Vorsicht geboten.“698 Zum Informationsaustausch gab er an:

„Da ist nun natürlich beim Informationsaustausch extreme Vorsicht geboten! Denn es ist unabdingbar für die internationale Zusammenarbeit der Dienste, dass jeder sicher sein kann, dass seine sensiblen Informationen auch beim Partnerdienst sicher sind. Die Geheimhaltung muss gewahrt bleiben. Das ist bei solchen Vorgängen wie in Österreich natürlich nun unglaublich schwierig.“699

695 „Der Standard“ vom 8.5.2019, „New York Times schreibt über isoliertes BVT unter Türkis-Blau“, https://derstandard.at/2000102724614/New-York-Times-schreibt-ueber-isoliertes-BVT-unter-Tuerkis- Blau; „New York Times“ vom 7.5.2019, „As Far Right Rises, a Battle Over Sevurity Agencies Grows”, https://www.nytimes.com/2019/05/07/world/europe/austria-far-right-freedom-party.html. 696https://www.washingtonpost.com/world/national-security/austrias-far-right-government-ordered-a- raid-on-its-own-intelligence-service-now-allies-are-freezing-the-country-out/2018/08/17/d20090fc- 9985-11e8-b55e-5002300ef004_story.html?noredirect=on&utm_term=.0da4cd7b752c. 697 „Kurier“ vom 2.11.2018, „Insider: Rauswurf des BVT aus „Berner Club“ war nicht geplant“, https://kurier.at/politik/inland/causa-bvt-insider-sieht-keinen-vertrauensverlust-in-berner- club/400312905. 698 „Kurier“ vom 2.11.2018, „Insider: Rauswurf des BVT aus „Berner Club“ war nicht geplant“, https://kurier.at/politik/inland/causa-bvt-insider-sieht-keinen-vertrauensverlust-in-berner- club/400312905; „Kleine Zeitung“ vom 22.8.2018, „EX-BND-Chef warnt vor Nachrichten-Austausch mit Österreich“, https://www.kleinezeitung.at/politik/aussenpolitik/5483845/Kanzler-sieht-kein- Problem_ExBNDChef-warnt-vor. 699 „Kurier“ vom 2.11.2018, „Insider: Rauswurf des BVT aus „Berner Club“ war nicht geplant“, https://kurier.at/politik/inland/causa-bvt-insider-sieht-keinen-vertrauensverlust-in-berner- club/400312905; „Kleine Zeitung“ vom 22.8.2018, „EX-BND-Chef warnt vor Nachrichten-Austausch mit Österreich“, https://www.kleinezeitung.at/politik/aussenpolitik/5483845/Kanzler-sieht-kein- Problem_ExBNDChef-warnt-vor.

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Auch Andrej Hunko, ein Mitglied des Deutschen Bundestags, stellte im August 2018 eine Anfrage an das deutsche Innenministerium und erkundigte sich über die Konsequenzen, die vom deutschen Verfassungsschutz aufgrund dieser Causa gezogen worden seien. Das deutsche Innenministerium beantworte die Anfrage jedoch dahin, dass kein Schaden für das deutsche Bundesamt für Verfassungsschutz eingetreten sei und die Sache als abgeschlossen betrachtet werde. Die Zusammenarbeit mit dem BVT sei nach wie vor aufrecht.700

Zur Zusammenarbeit mit anderen Partnerdiensten äußerte sich auch der ehemalige Vizedirektor des BVT Wolfgang Zöhrer in seiner Befragung vor dem Untersuchungsausschuss. Er sagte, dass etwas viel Schlimmeres als die Beschlagnahme der Datenbanken, wie es bei der Hausdurchsuchung passiert sei, dem Verfassungsschutz nicht passieren könne.701

Auch S. G. (BVT) bemerkte im September 2018, dass das BVT im Informationsfluss eingeschränkt worden sei und bereits mehrere Treffen ohne ihr Wissen stattgefunden hätten. Auf Nachfrage, warum dem BVT die Informationen verwehrt worden seien, habe sie folgende Antwort bekommen: „Wir durften mit euch nicht Kontakt aufnehmen“.702 Auch eine Einladung zu einer Fachtagung ging an alle Partner „except Austria“.703

Anfang des Jahres 2019 gab Gridling erneut bekannt, dass die Summe an Ereignissen und Leaks an die Medien genauso wenig zur Vertrauensbildung beigetragen habe wie immer wieder aufflammende Diskussionen und Spekulationen, ob oder wie die Zusammenarbeit mit anderen europäischen Sicherheitsbehörden funktioniere.704

In seiner dritten Befragung vor dem Untersuchungsausschuss am 3.6.2019 bekräftigte Gridling erneut seine Stellungnahmen betreffend die Zusammenarbeit mit internationalen Partnerdiensten. Eine so problematische Situation wie die nach der Hausdurchsuchung im Februar 2018 habe er in seiner zehnjährigen Amtszeit nie erlebt.705

700 „Kurier“ vom 2.11.2018, „Insider: Rauswurf des BVT aus „Berner Club“ war nicht geplant“, https://kurier.at/politik/inland/causa-bvt-insider-sieht-keinen-vertrauensverlust-in-berner- club/400312905; „Der Standard“ vom 21.3.2018, „Deutsche Geheimdienste wollen Kooperation mit BVT neu prüfen“, https://derstandard.at/2000076546183/Deutsche-Geheimdienste-pruefen-Kooperation- mit-Oesterreichs-BVT. 701 228/KOMM XXVI. GP, 15f: Aussage Zöhrer. 702 117/KOMM XXVI. GP, 42ff: Aussage S. G. (BVT) (1). 703 „Kurier“ vom 2.11.2018, „Insider: Rauswurf des BVT aus „Berner Club“ war nicht geplant“, https://kurier.at/politik/inland/causa-bvt-insider-sieht-keinen-vertrauensverlust-in-berner- club/400312905. 704 „Der Standard“ vom 8.4.2018, „Russland-Nähe der FPÖ sorgt für Isolation des BVT“, https://derstandard.at/2000101031061/Russland-Naehe-der-FPOe-sorgt-fuer-Isolation-des-BVT-von. 705 Steno Protokoll Gridling vom 3.6.2018; „Der Standard“ vom 3.6.2019, „“Geheime“ Sondereinheit im

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Ein nach wie vor spürbarer Vertrauensverlust der befreundeten Partnerdienste kann nicht abgestritten werden. Das gesamte BVT, allen voran Direktor Gridling, arbeitet jedoch intensiv daran, dieses Vertrauen der internationalen Partnerdienste und den Ruf des BVT – unter anderem mit vielen vertrauensbildenden Gesprächen – wieder aufzubauen. Dies ist jedoch ein längerer Prozess, der noch andauern wird.

4.8.2.2. Rückzug aus dem Berner Club Der Berner Club ist ein Zusammentreffen der Chefs der Nachrichtendienste Europas. Österreich, das über keinen eigenen Inlandsnachrichtendienst verfügt, wird bei diesen Treffen, die zwei Mal im Jahr stattfinden, vom BVT vertreten. Der konkrete Vertreter variiert je nach Thema des Treffens, die Teilnahme des Direktors des BVT ist selbstverständlich. Während der Suspendierung Gridlings vertrat Fasching das BVT.706

Der Fokus des Berner Club liegt in der Arbeitskooperation und in Arbeitsgruppen in unterschiedlichsten Bereichen.707 Je nach Themenvorgabe werden in den Arbeitsgruppen des Berner Club Erfahrungswerte ausgetauscht sowie Strategien, Gegenstrategien und Präventionsmaßnahmen entwickelt.708 In diesen Arbeitsgruppen geht es um einzelne Themengebiete und um die tatsächliche Arbeitsebene zu einzelnen Themeninhalten.709

Nach der Hausdurchsuchung im Februar 2018 und aufgrund des daraus resultierenden Vertrauensverlustes der ausländischen Partnerdienste stand Österreich auch im Zusammenhang mit seiner Mitgliedschaft im Berner Club beziehungsweise mit der Teilnahme an den Treffen des Berner Club im Fokus.

Der deutsche Insider Bernd Schmidbauer, der jahrelang als Staatsminister im deutschen Kanzleramt die Geheimdienste koordinierte, gab in einem Interview mit der „ZIB 2“ im Oktober 2018 an, dass Österreich selbst Zweifel an seiner Position im EU-Netzwerk der Nachrichtendienste geäußert habe. Das Vertrauensverhältnis sei von Österreich selbst thematisiert worden. Die Mitglieder des Berner Club hätten nicht an Sanktionsdrohungen gedacht.710

BVT sorgt für Aufregung“, https://derstandard.at/2000104281826/Selbst-fuer-BVT-Chef-geheime- Sondereinheit-sorgt-fuer-Aufregung. 706 129/KOMM XXVI. GP, 34: Aussage Fasching (1). 707 129/KOMM XXVI. GP, 38: Aussage Fasching (1). 708 195/KOMM XXVI. GP, 28: Aussage S. G. (BVT) (2). 709 131/KOMM XXVI. GP, 37f: Aussage Kardeis. 710 „Kurier“ vom 2.11.2018, „Insider: Rauswurf des BVT aus „Berner Club“ war nicht geplant“, https://kurier.at/politik/inland/causa-bvt-insider-sieht-keinen-vertrauensverlust-in-berner- club/400312905.

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Fasching gab dazu bei seiner Befragung im Untersuchungsausschuss an, sein Hauptanliegen nach der Hausdurchsuchung sei gewesen, die Arbeitsfähigkeit des Verfassungsschutzes aufrechtzuerhalten und von Informationen nicht ausgeschlossen zu werden. Aus diesem Grund bot er im Frühjahr 2018 aus gegebenen Umständen an, sich temporär aus den Arbeitsgruppen des Berner Club zurückzuziehen.711 Große Vorgespräche und Absprachen für diese Entscheidung habe es nicht gegeben.712 Weder er noch das BVT seien jemals von einer Sitzung des Berner Club ausgeschlossen worden.713

Ob das Angebot, sich zurückzuziehen, als freiwillig gesehen werden kann, stellt sich als fraglich dar und kann aufgrund der Umstände wohl mehr als Notwendigkeit gesehen werden. Bei einem nicht erfolgten Rückzug wären Österreich beziehungsweise das BVT wohl unfreiwillig ausgeschlossen beziehungsweise suspendiert worden. Eine Suspendierung aus dem Berner Club, stand aufgrund des Vertrauensverlustes – entgegen den Ausführungen des Bundesministers für Inneres – jedoch jedenfalls im Raum, wenn sich das BVT nicht freiwillig zurückgezogen hätte.

Gridling gab bei seiner Befragung vor dem Untersuchungsausschuss zur Frage des Rückzugs aus dem Berner Club an:

„[…] die Zusammenarbeit von Nachrichtendiensten basiert auf der Basis von Vertrauen – ich habe das schon deutlich gemacht –, und Ausführungen über die Gründe würden dieses Vertrauen stören.“714

Die Verantwortung für den Rückzug im Frühjahr 2018 lag jedenfalls bei Fasching, der während der Abwesenheit von Gridling damit beauftragt war, die Rolle Gridlings zu übernehmen.715 Fasching war es auch, der stellvertretend an der Tagung des Berner Club im April in Helsinki teilnahm.716 Gridling betonte im Ausschuss, dass Österreich sich freiwillig aus den Arbeitsgruppen zurückgezogen habe, der Informationsaustausch jedoch weiterhin stattgefunden habe.717

Im Juni 2018 beauftragte Gridling die damalige Leiterin der Rechtsabteilung des BVT M. K. (BVT) mit der WKStA in Sachen Berner Club Kontakt aufzunehmen. Konkret sollte sie

711 129/KOMM XXVI. GP, 38: Aussage Fasching (1). 712 131/KOMM XXVI. GP, 37f: Aussage Kardeis. 713 129/KOMM XXVI. GP, 40: Aussage Fasching (1). 714 128/KOMM XXVI. GP 15: Aussage Gridling (1). 715 128/KOMM XXVI. GP, 33: Aussage Gridling (1). 716 128/KOMM XXVI. GP, 33: Aussage Gridling (1). 717 128/KOMM XXVI. GP, 29: Aussage Gridling (1).

www.parlament.gv.at 695 der Beilagen XXVI. GP - Ausschussbericht NR - Berichterstattung 177 von 298 173 der Leiterin der WKStA Ilse-Maria Vrabl-Sanda ein von Gridling unterfertigtes Schreiben übergeben, in dem er um Informationen zur Erstellung einer Schadensanalyse für die Partnerdienste ersuchte.718

Direktor Gridling informierte die damalige Generaldirektorin für die Öffentliche Sicherheit Michaela Kardeis vom Schritt des Rückzugs im Juni oder Juli719 2018. Kardeis erachtete den Schritt als sinnvoll und nachvollziehbar. Der Vorsitz der Ratspräsidentschaft, der Vorsitz der CTG (Counter Terrorism Group) und die Teilnahme an einzelnen Arbeitsgruppen im Berner Club seien aufgrund von personellen und zeitlichen Kapazitäten nach ihren Angaben nicht gleichzeitig bewältigbar gewesen.720 Für Kardeis sei der Rückzug freiwillig aber notwendig gewesen, um den Vertrauensdiskussionen721 und einer Suspendierung zuvorzukommen.

Der Bundesminister für Inneres Herbert Kickl gab bei der Beantwortung einer Dringlichen Anfrage am 7.9.2018 vor dem Nationalrat an, am 26.6.2018 von einer möglichen Suspendierung (als letzte Konsequenz722) von Österreich beziehungsweise dem BVT aus dem Berner Club erfahren zu haben.723 Die von Gridling initiierte Schadensanalyse sei Teil von vertrauensbildenden Maßnahmen gewesen.724

Erst im November 2018 habe er von Kardeis erfahren, dass die Irritationen der Partnerdienste nicht aufgrund der Hausdurchsuchungen, sondern aufgrund eines Anlassfalls aus dem Jahre 2017 bestünden. Daraus und nicht aus den Hausdurchsuchungen resultiere aus seiner Sicht die Verunsicherung der Partnerdienste. Als einzige Konsequenz habe das BVT sich sohin aus den Arbeitsgruppen des Berner Club zurückzuziehen müssen. Vom tatsächlichen Rückzug sei er erst im November 2018 informiert worden.725

Kickl sei informiert gewesen, dass eine Schadensanalyse gefordert war, um darzustellen, welche Informationen von Partnerdiensten am 28.2.2018 sichergestellt worden waren, um eine

718 78/KOMM XXVI. GP, 24: Aussage M. K. (BVT) (1); Abg. Pilz, Schreiben von Vrabl-Sanda an Gridling vom 26.6.2018, S.1f. 719 131/KOMM XXVI. GP, 57: Aussage Kardeis. 720 131/KOMM XXVI. GP, 37f: Aussage Kardeis. 721 131/KOMM XXVI. GP, 37f: Aussage Kardeis. 722 „Kurier“ vom 2.11.2018, „Insider: Rauswurf des BVT aus „Berner Club“ war nicht geplant“, https://kurier.at/politik/inland/causa-bvt-insider-sieht-keinen-vertrauensverlust-in-berner- club/400312905. 723 Dringliche Anfrage der Abgeordneten Kai Jan Krainer, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Innenminister Kickl Drahtzieher bei rechtswidriger Razzia im BVT vom 7.9.2018, Anfrage 1590/J, Frage 40; 130/KOMM XXVI. GP, 7: Aussage Kickl. 724 „Kurier“ vom 2.11.2018, „Insider: Rauswurf des BVT aus „Berner Club“ war nicht geplant“, https://kurier.at/politik/inland/causa-bvt-insider-sieht-keinen-vertrauensverlust-in-berner- club/400312905. 725 130/KOMM XXVI. GP, 7f: Aussage Kickl.

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mögliche Suspendierung hintanzuhalten. Er gab jedoch ergänzend dazu an:

„Ich glaube, dass dieses Ausschließen aus dem Berner Club etwas war, das in den Raum gestellt worden ist, das aber real nach meinem Wissenstand nicht gegeben gewesen ist.“726

Er habe vom BVT immer die Information bekommen, dass das Vertrauensproblem im Wesentlichen durch eine vollkommen überzogene mediale Berichterstattung der Ereignisse ausgelöst worden sei.727

Aufgrund der referierten Aussagen von Gridling, M. K. (BVT) und Kardeis, die im Wesentlichen hinsichtlich der Auswirkungen der Hausdurchsuchung auf das Vertrauensverhältnis der Partnerdienste in das BVT übereinstimmen, ist die Aussage Kickls, dass die Hausdurchsuchung keine (wesentliche) Auswirkung auf dieses Vertrauen gehabt hätte, als reine Schutzbehauptung zu werten.

Bei der Befragung vor dem Untersuchungsausschuss im November 2018 gaben unabhängig voneinander sowohl Gridling als auch Kickl an, dass die volle Mitarbeit des BVT im Berner Club im Oktober 2018 wieder aufgenommen werden konnte.728 Im Verfahren wegen einer Unterlassungs- und Widerrufsklage am Handelsgericht Wien729 im Frühjahr 2019 widersprach Gridling seiner Aussage vor dem Untersuchungsausschuss und sagte aus, dass das BVT noch immer nur eingeschränkt Partner beim Berner Club sei.730 Das BVT habe sich im Frühjahr 2018 aufgrund der drohenden Suspendierung aus allen Arbeitsgruppen freiwillig zurückgezogen. Im Herbst 2018 hätte Österreich wieder beitreten sollen. Grund für den verlängerten Rückzug sei ein Papier aus dem Berner Club gewesen, das in der Wochenzeitschrift „Falter“ aufgetaucht sei und sich negativ auf die erneute vollständige Teilnahme an den Arbeitsgruppen ausgewirkt hätte.731 In diesem Schreiben ersuchte der finnische Geheimdienst bei den Partnern um Kooperation und Hilfe bei den Ermittlungen gegen russische Spione. Österreich wurde jedoch dezidiert mit „Except BVT Vienna“ ausgeschlossen.732

726 130/KOMM XXVI. GP, 10: Aussage Kickl. 727 130/KOMM XXVI. GP, 9: Aussage Kickl. 728 128/KOMM XXVI. GP, 15: Aussage Gridling (1); 130/KOMM XXVI. GP, 8: Aussage Kickl. 729 „Die Presse“ vom 14.1.2019, „Prozessstart: Kickl klagt „Jetzt“ auf Unterlassung und Widerruf“, https://diepresse.com/home/innenpolitik/5560551/Prozessstart_Kickl-klagt-Jetzt-auf-Unterlassung- und-Widerruf. 730 ORF News vom 1.4.2019, „Gridling: BVT nur eingeschränkt beim Berner Club“, https://orf.at/stories/3117214/. 731 ORF News vom 1.4.2019, „Gridling: BVT nur eingeschränkt beim Berner Club“, https://orf.at/stories/3117214/. 732 „Der Standard“ vom 1.4.2019, „BVT-Chef bestätigt: Verfassungsschutz im Ausland isoliert“, https://derstandard.at/2000100574075/Prozess-Kickl-Pilz-Pilz-nennt-Kickl-Innenminister-der-

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Gridling sagte vor dem Handelsgericht weiters, dass Österreich noch immer Mitglied im Berner Club und vom Informationsfluss nicht gänzlich ausgeschlossen sei. Er betonte jedoch, dass es selbstverständlich jedem Mitglied freistehe, inwieweit mit anderen Partnerdiensten und Mitgliedern zusammengearbeitet werde. Eine Einschränkung im Fall Österreich sei demnach nicht gänzlich auszuschließen.733

Inwieweit diese Tatsachen einem faktischen Ausschluss aus dem Berner Club gleichgestellt werden können, bleibt selbst am Ende der Beweisaufnahme des Untersuchungsausschusses nach wie vor offen. Fest steht jedenfalls, dass Österreich, hätte man nicht angeboten, sich freiwillig aus den Arbeitsgruppen zurückzuziehen, aus den Arbeitsgruppen und möglicherweise auch aus dem Club selbst ausgeschlossen worden wäre. Es ist auch kaum widerlegbar, dass die europäischen Partnerdienste die Zusammenarbeit mit Österreich nach wie vor kritisch sehen und die Kooperation daher derzeit als eingeschränkt betrachtet werden muss.

Auch der ehemalige Bundeskanzler Sebastian Kurz nahm den Vertrauensverlust, den das BVT erlitt, sowohl über die Medien als auch über Gespräche mit Verantwortlichen im BMI wahr. Er setzte keine aktiven Maßnahmen, sondern vertraute nach eigener Aussage vor dem Untersuchungsausschuss auf das Funktionieren des Rechtsstaates, insbesondere die Aufklärung durch die Justiz und den Untersuchungsausschuss.734 Nach seinem Informationsstand sei es Wunsch anderer Länder gewesen die Causa BVT nicht auf politische Ebene zu heben.735 Nach seiner Einschätzung sei es eine Entscheidung, die ein Politiker zu treffen habe, ob er politisch aktiv wird oder nicht.736 Er gab an die Medienberichterstattung verfolgt zu haben737, konnte sich jedoch an keine Details erinnern738 und erachtete sich im Ergebnis nicht als zuständig etwas Besonderes zu unternehmen.739

Neonazis; „Falter“ vom 7.11.2018, „„Except BVT Vienna“ Ein Streng vertrauliches Dokument zeigt, dass dem Bundesamt für Verfassungsschutz bei Ermittlungen gegen russische Spione von EU-Partnern offenbar nicht mehr vertraut wird. Die Putin-Nähe der FPÖ gilt offenbar als Sicherheitsrisiko“; https://www.falter.at/archiv/wp/except-bvt-vienna; Abg.Pilz, Except BVT Vienna“, S. 1f. 733 ORF News vom 1.4.2019, „Gridling: BVT nur eingeschränkt beim Berner Club“, https://orf.at/stories/3117214/. 734 236/KOMM XXVI. GP, 8ff, 40: Aussage Kurz. 735 a.a.O., S. 20. 736 a.a.O. S. 18. 737 a.a.O. S. 22. 738 a.a.O. S. 39. 739 a.a.O. S. 11, 15, 39.

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4.9. Institutionelle Reaktionen nach den Hausdurchsuchungen 4.9.1. Einleitung An den Vorgängen rund um die Hausdurchsuchungen vom 28.2.2018 wurde viel politische und mediale Kritik geübt. In diesem Abschnitt werden die Reaktionen der involvierten Ressorts – BMVRDJ und BMI – dargestellt. Angekündigte und/oder umgesetzte Maßnahmen der Ministerien werden ebenso erläutert wie Reaktionen, die nicht direkt den Ministerien zuzuordnen sind. In die letztgenannte Kategorie fallen neben den Beschlüssen des Oberlandesgerichts Wien betreffend die Haussuchungen auch die Reaktionen der justiziellen Standesvertretungen.

4.9.2. Die Entscheidungen des OLG Wien vom 22.8.2018 4.9.2.1. Vorbemerkung Am 22.8.2018 entschied das Oberlandesgericht Wien über die Beschwerden gegen die Bewilligungen der Hausdurchsuchungen im BVT und an Privatwohnsitzen, die die WKStA am 27.2.2018 angeordnet und der Journalrichter des LG für Strafsachen Wien am selben Tag jeweils mit Beschluss genehmigt hatte.740

Die genannten Entscheidungen des Oberlandesgerichts Wien werden im Bericht des Untersuchungsausschusses lediglich referiert, jedoch keiner Wertung unterzogen. Die Unterlassung jeglicher wertender Kommentierung ist verfassungsrechtlich geboten, weil es sich bei den genannten Beschlüssen um Akte der Rechtsprechung handelt, die der Beurteilung durch den Untersuchungsausschuss nach Art 53 Abs 2 letzter Satz B-VG entzogen sind. Der Vollständigkeit halber werden die Entscheidungen des OLG Wien dennoch im Bericht dargestellt, weil sie im Laufe des Untersuchungsausschusses bei zahlreichen Befragungen von Auskunftspersonen thematisiert wurden.741

Im Laufe des weiteren Ermittlungsverfahrens in der Causa BVT gab es zahlreiche weitere gerichtliche Entscheidungen, etwa aufgrund von Einsprüchen wegen Rechtsverletzungen

740 Reinhard Hinger (Mediensprecher des OLG Wien), Aktuell – „Causa BVT“: Das Oberlandesgericht Wien hat über die Beschwerden gegen die Hausdurchsuchungen in der Causa „BVT“ entschieden, 28.8.2018, https://www.justiz.gv.at/web2013/olg-wien/oberlandesgericht-wien/aktuell~dd.de.html (abgerufen am 28.8.2018). 741Vgl 76/KOMM XXVI. GP, 30: Aussage N. B. (BVT); 78/KOMM XXVI. GP, 34: Aussage M. K. (BVT) (1); 111/KOMM XXVI. GP, 10f, 30, 32, 39, 47, 54: Aussage Schmudermayer (1); 112/KOMM XXVI. GP, 9, 12, 24-26: Aussage Nachtlberger; 113/KOMM XXVI. GP, 4f, 23, 25, 27f, 31, 37f, 46: Aussage Handler (1); 114/KOMM XXVI. GP, 5, 8, 15-17, 20, 32-34: Aussage Pilnacek; 115/KOMM XXVI. GP, 4-7: Aussage Vrabl-Sanda; 116/KOMM XXVI. GP, 10, 16, 22f: Aussage Jirovsky; 117/KOMM XXVI. GP, 13f, 48f: Aussage S. G. (BVT) (1); 119/KOMM XXVI. GP, 3, 10, 22, 39f: Aussage Schmudermayer (2); 126/KOMM XXVI. GP, 32f, 48: Aussage Goldgruber (1); 131/KOMM XXVI. GP, 31: Aussage Kardeis, 132/KOMM XXVI. GP, 6-9, 13f, 19-27, 31, 33f: Aussage Moser; 133/KOMM XXVI. GP, 10-13, 26, 43: Aussage Schmudermayer (3).

www.parlament.gv.at 695 der Beilagen XXVI. GP - Ausschussbericht NR - Berichterstattung 181 von 298 177 durch die Beschuldigten. Diese weiteren gerichtlichen Entscheidungen wurden jedoch im Untersuchungsausschuss nicht thematisiert, sodass sie in diesen Bericht nicht einfließen.

4.9.2.2. Gegenstand der Beschwerden und Entscheidungen Gegenstand der Beschwerden waren die Beschlüsse, mit denen der Journalrichter des Landesgerichts für Strafsachen Wien am 27.2.2018 die Anordnungen der WKStA auf Durchsuchung und Sicherstellung an sechs Büroarbeitsplätzen und vier Wohnorten bewilligt hatte. Aus diesem Grund hatte das Oberlandesgericht Wien lediglich die Entscheidungen des erstinstanzlichen Gerichts zu beurteilen, nicht aber das Vorgehen der WKStA.742

4.9.2.3. Inhalt der Entscheidungen 4.9.2.3.1. Zum Spruch Das OLG Wien hob alle sechs Bewilligungen zur Durchsuchung von Büroräumlichkeiten von Betroffenen beziehungsweise Beschuldigten im BVT sowie drei der vier Bewilligungen zur Durchsuchung der Wohnorte von Betroffenen beziehungsweise Beschuldigten auf. Im Hinblick auf einen Beschuldigten (den ehemaligen Nachrichtendienstchef B. P. (BVT)743) bestätigte es die Durchsuchung des Wohnortes. Für eine als Einspruch wegen Rechtsverletzung zu wertende Beschwerde war das OLG Wien nicht zuständig.744

4.9.2.3.2. Zum Anfangsverdacht Ein Anfangsverdacht beruht auf bestimmten Möglichkeiten dafür, dass eine Straftat begangen wurde. Grundsätzlich sind Hausdurchsuchungen zulässig, wenn zum Zeitpunkt der Bewilligung aufgrund bestimmter Tatsachen wahrscheinlich ist, dass Gegenstände oder Spuren gefunden werden, die zu Beweiszwecken sicherzustellen oder auszuwerten sind. Das OLG prüft die Bewilligung nur auf Basis dessen, was zum Zeitpunkt der Bewilligung aktenkundig war. Wenn das OLG einen Anfangsverdacht bejaht, bedeutet dies im Umkehrschluss nicht, dass eine Straftat tatsächlich begangen wurde. Die Unschuldsvermutung bleibt bis zur rechtskräftigen Verurteilung aufrecht.745

Im konkreten Fall ging das OLG Wien hinsichtlich folgender Tathandlungen von einem Anfangsverdacht aus, der dem LG für Strafsachen Wien als Gericht erster Instanz zum Zeitpunkt der Bewilligung aus den Akten erkennbar war:  Kopieren und Speichern von Daten und Aufforderung hierzu, die zu löschen oder nicht weiterzuverwenden gewesen wären;

742 Hinger, a.a.O. 743 132/KOMM XXVI. GP, 19: Aussage Moser. 744 Hinger, a.a.O. 745 Hinger, a.a.O.

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 Unterlassen einer Anweisung, rechtswidrig kopierte und dienstlich nicht erforderliche Daten zu löschen;  Überlassen von nordkoreanischen Reisepassrohlingen an Südkorea, die die Österreichische Staatsdruckerei hergestellt hatte.746

Zusammenfassend bestätigte das OLG mit einer Ausnahme betreffend den IT-Chef C. H. (BVT) den von Staatsanwältin Schmudermayer in ihren Anordnungen und Journalrichter Nachtlberger in seinen Beschlüssen angenommenen Tatverdacht hinsichtlich aller Beschuldigter.747

4.9.2.3.3. Zur Journaldringlichkeit Zur Bewilligung der Anordnungen im Journal hielt das OLG Wien fest, dass die Journaldringlichkeit nicht aus dem Akt erkennbar sei.748 Sohin wurde die Frage der Journaldringlichkeit vom OLG, das nur die Aktenlage beurteilen kann, verneint.749

4.9.2.3.4. Zur Zulässigkeit der Hausdurchsuchungen 4.9.2.3.4.1. Hausdurchsuchungen am Sitz einer Behörde Die Kriminalpolizei, die Staatsanwaltschaften und die Gerichte sind berechtigt, die Unterstützung aller Behörden unmittelbar in Anspruch zu nehmen. Aus Amtsräumen wird grundsätzlich nicht beschlagnahmt.750

Braucht das Gericht Akten von Behörden, hat es um Amtshilfe zu ersuchen. Behördenintern sind, wenn nötig, Weisungen zu erteilen. Ein Verstoß gegen die Verpflichtung zur Amtshilfe ist disziplinarrechtlich zu bekämpfen.751

Eine Ausnahme besteht, wenn gegen jenen Beamten ermittelt wird, der selbst die Amtshilfe leisten müsste. Da zum damaligen Zeitpunkt auch gegen den Leiter des BVT ermittelt wurde, hätte er sich durch die Amtshilfe selbst belasten müssen, was seine Rechte als Beschuldigter aushebeln würde. Allerdings ist das BVT organisatorisch ins BMI eingegliedert und untersteht dessen Dienst- und Fachaufsicht. Die Amtshilfe wäre daher durch diese übergeordnete Organisationseinheit zu leisten.752

746 Hinger, a.a.O. 747 Abg. Amon, OLG-Beschluss betreffend das Büro der Leiterin des Extremismusreferats, S. 9ff; 111/KOMM XXVI. GP, 11: Aussage Schmudermayer (1); 166/KOMM XXVI. GP, 17: Aussage F. K. (BVT). 748 Abg. Amon, OLG-Beschluss betreffend das Büro der Leiterin des Extremismusreferats, S. 2. 749 114/KOMM XXVI. GP, 8: Aussage Pilnacek. 750 Hinger, a.a.O. 751 Hinger, a.a.O. 752 Hinger, a.a.O.

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Zwar hat die Strafverfolgungsbehörde dafür Sorge zu tragen, dass die Beweismittel gesichert werden, und gerade im Falle deliktischen Datenmissbrauchs könnte die Gefahr der Löschung durch den Überraschungseffekt einer Durchsuchung gering gehalten werden. Es ist jedoch Sache der Strafverfolgungsbehörde, das Ersuchen so konkret und nachvollziehbar unter Aufzeigen der Gefahren und der notwendigen Rahmenbedingungen zu verfassen, dass die ersuchte Behörde in der Lage ist, dem Ersuchen effizient nachzukommen.753

Nur wenn sich schlüssige Anhaltspunkte fänden, dass die Behörde das Gericht oder die Staatsanwaltschaft nicht unterstützen kann oder will, könnte ein Ersuchen um Amtshilfe nicht denselben Ermittlungserfolg erzielen wie eine Hausdurchsuchung.754

Das OLG hielt wörtlich fest:

„Da […] die Amtshilfe im Sinne des § 76 StPO nicht nur auf Grund des Umstandes [möglich war], dass […] es im Zeitpunkt der Beschlussfassung durch den Journalrichter auch an aktenmäßigen Anhaltspunkten mangelte, dass im Falle eines Amtshilfeersuchens die ersuchte Behörde ihrem gesetzlichen Auftrag nicht nachkommen werde oder könne, erweist sich fallbezogen der Eingriff in den Wirkungsbereich einer mit hoheitlichen Befugnissen ausgestatteten Behörde durch gerichtlich bewilligte Anordnung der Durchsuchung – mag auch das prozessuale Zwangsmittel der Durchsuchung bei einer Behörde nicht explizit im Gesetz ausgeschlossen sein –, als nicht verhältnismäßig.“755

4.9.2.3.4.2. Hausdurchsuchung wegen der Reisepassrohlinge Zum Thema Reisepassrohlinge sprach das OLG aus, dass zur Beschaffung der vorhandenen Rohlinge und damit zusammenhängender Unterlagen das Ersuchen um Amtshilfe genügt hätte.756

4.9.2.3.4.3. Hausdurchsuchung im Extremismusreferat Für die Notwendigkeit der Durchsuchung des Büros der Leiterin des Extremismusreferats, S. G. (BVT), fand das OLG Wien keine konkreten Anhaltspunkte. Zwar könne zwischen dem regen E-Mail-Verkehr zwischen dem ehemaligen BVT-Vizedirektor Zöhrer und S. G. (BVT) sowie den nicht auszuschließenden Anweisungen an S. G. (BVT) auf diesem Weg auf einen Missstand in der Weisungskette geschlossen werden, diese Umstände stellen jedoch keine konkreten Tatsachen dar, die eine gegründete Wahrscheinlichkeit der Auffindung von E-Mail- Konversation indizieren, aus der sich der Tatverdacht gegen Zöhrer erhärten lasse. Es sei von keinem der vernommenen Zeugen die Annahme geäußert worden, dass sich im Büro und den

753 Hinger, a.a.O. 754 Hinger, a.a.O. 755 Hinger, a.a.O. 756 Hinger, a.a.O.

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Speichermedien von S. G. (BVT) beweisrelevante Gegenstände (E-Mails) finden würden. Demzufolge ermangle es an der essentiellen Voraussetzung für die Durchsuchung von Orten, nämlich der gegründeten Wahrscheinlichkeit der Auffindung von sicherzustellenden oder auszuwertenden Beweismitteln im Büro von S. G. (BVT).757

4.9.2.3.4.4. Hausdurchsuchung der Privatwohnungen In drei Fällen sah das OLG keine gegründete Wahrscheinlichkeit dafür, dass sich an den Wohnorten beweisrelevante Gegenstände befänden. In diesen drei Fällen war die Durchsuchung unzulässig.758

Im vierten Fall billigte das OLG die Hausdurchsuchung des Wohnorts und sah eine ausreichende Verdachtslage, dass der Betroffene dort rechtswidrig gespeicherte Daten (Speichermedien) aufbewahrt.759

4.9.2.4. Auswirkung der Entscheidungen auf die sichergestellten Beweismittel Für die bei den Hausdurchsuchungen vom 28.2.2018 sichergestellten Unterlagen und Daten gibt es nach dem Obersten Gerichtshof (OGH) kein Gebot, die Beweismittel zu vernichten. Es existiert auch kein Verwertungsverbot, obwohl das Oberlandesgericht Wien entschieden hat, dass die Hausdurchsuchungen großteils unverhältnismäßig waren. Das Erstgericht entscheidet im Ermittlungsverfahren, ob sichergestellte Beweismittel beschlagnahmt werden. Gegen diesen Beschluss kann Beschwerde erhoben werden. Im Fall einer Anklage entscheidet das Erstgericht in der Hauptverhandlung, ob die beschlagnahmten Beweismittel verwendet werden dürfen. Diese Entscheidung ist im Rechtsmittelverfahren bekämpfbar.760

757 Abg. Amon, OLG-Beschluss betreffend das Büro der Leiterin des Extremismusreferats, S. 18; 114/KOMM XXVI. GP, 34: Aussage Pilnacek; 132/KOMM XXVI. GP, 6: Aussage Moser. 758 Hinger, a.a.O. 759 Hinger, a.a.O. 760 Hinger, a.a.O.; „Wiener Zeitung“ vom 28.8.2018, „Moser kündigt Prüfung durch Staatsanwaltschaft Korneuburg an“, https://www.wienerzeitung.at/nachrichten/politik/oesterreich/985469-Moser-kuendigt- Pruefung-durch-Staatsanwaltschaft-Korneuburg-an.html;

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4.9.2.5. Politische Reaktionen auf die OLG-Beschlüsse 4.9.2.5.1. Reaktion von Bundesminister Moser Nach Bekanntwerden der Beschlüsse des Oberlandesgerichts Wien vom 28.8.2018 zu den Beschlüssen des Landesgerichts Wien vom 27.2.2018 auf Sicherstellung und Durchsuchung in der Causa BVT gab Bundesminister Moser in Alpbach/Tirol eine Pressekonferenz. Dabei gab er als Konsequenz bekannt, dass bei Ermittlungen gegen bedeutende Einrichtungen der Republik die Oberstaatsanwaltschaft, die Fachaufsicht und der Bundesminister künftig früher informiert und eingebunden werden sollten. Weiters wolle er die Entscheidungsstrukturen innerhalb der WKStA beleuchten.761

Bei der Pressekonferenz kritisierte Moser die mangelnde Einbindung von Oberstaatsanwaltschaft und BMVRDJ. Er sprach sogar davon, dass die übergeordneten Kontrollinstanzen bewusst ausgeschlossen worden seien, räumte jedoch ein, dass dies laut Staatsanwaltschaftsgesetz (StAG) rechtens sei. Die dahin gehenden Änderungen seien 2015 beschlossen worden, um mögliche politische Interventionen an der Wurzel zu unterbinden, so Moser. Dass die WKStA weder die OStA Wien noch die Fachaufsicht im BMVRDJ beziehungsweise Generalsekretär Pilnacek über bevorstehende Ermittlungen und Hausdurchsuchungen informiert habe, kommentierte Moser dennoch negativ. Generalsekretär Pilnacek hätte aus Gründen der Waffengleichheit informiert werden müssen, zumal der Generalsekretär des BMI, Goldgruber, bei der WKStA Zeugen vermittelt habe. Bei künftigen Ermittlungen der WKStA über bedeutende Einrichtungen der Republik wünsche sich Moser eine frühere Berichtspflicht an höhere Instanzen. Weiters solle zwischen Staatsanwaltschaft und Journalrichter außer bei absoluter Notwendigkeit nur mehr schriftlich und nicht mehr fernmündlich kommuniziert werden. Eine derartige Beweisaufnahmeanordnung wie jene vom 27.2.2018 solle nur mehr im Einvernehmen mit der Oberstaatsanwaltschaft beantragt werden können, allerdings solle der Bundesminister auch weiterhin keinen Einfluss auf die Ermittlungen nehmen können.762

4.9.2.5.2. Reaktion von Bundesminister Kickl Nach Bekanntwerden der Beschlüsse des OLG Wien vom 22.8.2018 äußerte sich der damalige Bundesminister für Inneres Herbert Kickl, in einem Interview mit der Tageszeitung „Österreich“ kritisch über den Inhalt der Beschlüsse.763

761 Wiener Zeitnug a.a.O. 762 „OÖ Nachrichten“ vom 29.8.2018, „BVT-Affäre: Moser fühlt sich bewusst ausgeschlossen“, https://www.nachrichten.at/politik/innenpolitik/BVT-Affaere-Moser-fuehlt-sich-bewusst- ausgeschlossen;art385,2991716. 763 „Österreich“ vom 29.8.2018, „Kickl in ÖSTERREICH: OLG-Urteil „weltfremd““, https://www.ots.at/presseaussendung/OTS_20180829_OTS0159/kickl-in-oesterreich-olg-urteil- weltfremd.

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„Ich nehme es selbstverständlich zur Kenntnis. Ich merke aber auch an, dass man sich ein bisschen wundern darf über das eine oder andere, was da drinnen steht. Wenn ich dort lese, dass man etwa belastende Unterlagen, Beweismittel, in Form eines Amtshilfeersuchens hätte bekommen können – auf gut Deutsch, dass man diejenigen die verdächtigt werden, bittet, einem zu geben, was sie belastet – dann scheint mir das, vorsichtig formuliert, etwas weltfremd zu sein.“764

Nach Meinung Kickls sei das BMI durch die Beschlüsse nicht betroffen:

„Da ist die Justiz mit der Justiz zu Gericht gesessen. Das hat mit dem Innenministerium überhaupt nichts zu tun. Hausdurchsuchungen sind eine Aufgabe, die der Staatsanwaltschaft zufällt. Es ist völlig klar, dass die der Kriminalpolizei anschafft. Das heißt, das Justizressort dem Innenressort und nicht umgekehrt. Das lernt jeder, der Jus studiert, im ersten Semester. Ich bin erstaunt, dass die selbsternannten Aufdecker sich beharrlich weigern, das zur Kenntnis zu nehmen.“765

Diese Stellungnahme Kickls ist im Hinblick auf seine Kritik an den Beschlüssen des Oberlandesgerichts Wien hinterfragenswert. Weder einem Untersuchungsausschuss als Teil der Gesetzgebung noch einem Minister als Organ der Bundesverwaltung steht es in unserem System der Gewaltenteilung zu, die Entscheidungen von unabhängigen Gerichten in der oben dargestellten Unsachlickheit zu dokumentieren. Im Sinne des Grundrechts auf freie Meinungsäußerung kann dem ehemaligen Bundesminister eine derartige Äußerung nicht untersagt werden, doch sollte ein respektvoller Umgang mit den nicht durch die Verwaltung zu kontrollierenden Entscheidungen von Gerichten sich auch in der Wortwahl widerspiegeln.

4.9.3. Reaktionen der Fachaufsicht des BMVRDJ 4.9.3.1. Allgemeines zur Wahrnehmung der Fachaufsicht Christian Pilnacek machte in seiner Funktion als Generalsekretär und Leiter der Strafrechtssektion des BMVRDJ von seinen Kontrollrechten im Rahmen der Fachaufsicht engmaschig Gebrauch. Auch die OStA Wien spielte ab diesem Zeitpunkt in der äußerst medienwirksamen Causa BVT eine aktive Rolle. Bis zur Amtseinführung des neuen Leitenden Oberstaatsanwalts Johann Fuchs im September 2018, nahm der Erste Oberstaatsanwalt Michael Klackl diese Aufgabe für die OStA Wien wahr.

764 a.a.O. 765 a.a.O.

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4.9.3.2. Dienstbesprechungen und Aufträge zur Berichterstattung Sowohl Dienstbesprechungen als auch Berichtsaufträge sind Instrumente der Fachaufsicht, die den Oberbehörden gegenüber den untergeordneten Staatsanwaltschaften zur Verfügung stehen. Erstmals erstattete die WKStA im Oktober 2017 Bericht an die OStA Wien beziehungsweise den damaligen Leiter der Strafrechtssektion Christian Pilnacek.766 Grundsätzlich wusste die Fachaufsicht daher über die Existenz des Verfahrens Bescheid, lange bevor die Durchsuchungsanordnungen überhaupt erwogen wurden. Brisanz erlangte die Causa BVT jedoch erst mit den medienwirksamen Hausdurchsuchungen vom 28.2.2018, über die die WKStA Wien der Rechtslage entsprechend erst im Nachhinein die Fachaufsicht informierte.767

Seit (Wieder-)Einbindung der OStA Wien und des BMVRDJ mit Informationsbericht der WKStA vom 28.2.2018 gab es zahlreiche von Pilnacek eingeforderte Dienstbesprechungen, bei denen Vertreter der Strafrechtssektion, der OStA Wien und der WKStA zusammentrafen, um aktuelle Fragen der Causa BVT zu besprechen.768 Neben den erwähnten Dienstbesprechungen gab es auch zahlreiche Informationsberichte der WKStA an die OStA Wien, die ihrerseits an die Fachaufsicht im BMVRDJ weiterberichtete, deren Vielzahl ebenfalls als Folge der Brisanz der Hausdurchsuchungen gesehen werden kann. Seit dem 28.2.2018 wurde der WKStA eine engmaschige Berichtspflicht auferlegt. Allein bis 28.8.2018 fertigte die WKStA über 50 Informationsberichte in der Causa aus.769 Bis zum 27.11.2018 gab es bereits 70 Berichte der WKStA in der Causa BVT. Dies bedeutet, dass die Fachaufsicht sehr eng eingebunden wurde.770

Die große Anzahl der Berichte ergab sich daraus, dass die Fachaufsicht sich jeden neuen Informationsstand berichten ließ, um hinsichtlich der Ermittlungen aktuell informiert zu bleiben. Weiters erteilte die Fachaufsicht Berichtsaufträge, wenn Beschwerden einlangten, um diesen nachzugehen. Die WKStA muss seit dem 28.2.2018 auch allfällige weitere Zwangsmaßnahmen, die beabsichtigt sind, an die Oberbehörden mitteilen.771

Ein besonderes Augenmerk im Rahmen der Fachaufsicht durch Dienstbesprechungen und

766 132/KOMM XXVI. GP, 8f: Aussage Moser; 111/KOMM XXVI. GP, 6: Aussage Schmudermayer (1). 767 115/KOMM XXVI. GP, 7: Aussage Vrabl-Sanda. 768 „OÖ Nachrichten“ vom 29.8.2018, „BVT-Affäre: Moser fühlt sich bewusst ausgeschlossen“, https://www.nachrichten.at/politik/innenpolitik/BVT-Affaere-Moser-fuehlt-sich-bewusst- ausgeschlossen;art385,2991716. 769 „OÖ Nachrichten“ vom 29.8.2018, „BVT-Affäre: Moser fühlt sich bewusst ausgeschlossen“, https://www.nachrichten.at/politik/innenpolitik/BVT-Affaere-Moser-fuehlt-sich-bewusst- ausgeschlossen;art385,2991716. 770 132/KOMM XXVI. GP, 8f: Aussage Moser. 771 132/KOMM XXVI. GP, 9: Aussage Moser; 114/KOMM XXVI. GP, 8: Aussage Pilnacek.

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Berichtsaufträge wurde auf die Sicherheit der beschlagnahmten Daten gelegt. 772 Auch die Art und die Anzahl der sichergestellten Daten wurden immer wieder thematisiert. So wurden etwa zum Büro der Referatsleiterin für Extremismus über die Fachaufsicht Informationen eingeholt. Dabei versicherte die WKStA, dass es ihr bei den Sicherstellungen im Büro von S. G. (BVT) nicht um Einzelfalldaten oder die Extremismusdatei, sondern lediglich um private Laufwerke beziehungsweise Ordner gegangen sei,773 in denen Daten enthalten sein hätten können, die die Verdachtslage gegenüber dem ehemals beschuldigten BVT-Vizedirektor Zöhrer beleuchten hätten können.

Ein weiteres Thema, das immer wieder im Rahmen der Fachaufsicht erörtert wurde, waren die Interventionen des Kabinetts/Generalsekretariats bei der WKStA. So bezeichnete es Pilnacek in einer Dienstbesprechung vom 12.3.2018 als Skandal, dass Generalsekretär Goldgruber nicht ihn als sein Gegenüber auf gleicher Hierarchieebene kontaktiert hatte, um die Causa BVT mit ihm zu besprechen, sondern sich direkt an die fallführende Oberstaatsanwältin der WKStA Ursula Schmudermayer gewandt hatte.774 Zur Frage eines möglicherweise von Kabinetts- beziehungsweise Generalsekretariatsmitarbeiter Lett ausgeübten Ermittlungsdruck auf die WKStA wurden der WKStA in der Folge zwei Berichtsaufträge erteilt, diesbezügliche Aktenvermerke zum Ermittlungsakt zu nehmen. Erst auf nochmalige Nachfrage, die erfolgte, weil bei den Befragungen Schmudermayers am 2.10.2018775 und 11.10.2018776 im Untersuchungsausschuss über das Festnahmebegehren von Lett gesprochen wurde, berichtete die WKStA an die Oberbehörden, dass Lett gegenüber Schmudermayer konkret nach Festnahmen gefragt hatte.777

4.9.3.3. Reformankündigung durch Bundesminister Moser Wie Moser bei seiner Pressekonferenz nach Veröffentlichung der OLG-Entscheidungen am 28.8.2018 ankündigte, wünsche er sich bei künftigen Ermittlungen der WKStA über bedeutende Einrichtungen der Republik eine frühere Berichtspflicht an höhere Instanzen. Weiters solle zwischen Staatsanwaltschaft und Journalrichter außer bei absoluter Notwendigkeit nur mehr schriftlich und nicht mehr fernmündlich kommuniziert werden. Eine derartige Beweisaufnahmeanordnung wie jene vom 27.2.2018 solle nur mehr im Einvernehmen mit der Oberstaatsanwaltschaft beantragt werden können, allerdings solle der

772 132/KOMM XXVI. GP, 9: Aussage Moser. 773 132/KOMM XXVI. GP, 18: Aussage Moser. 774 OStA Wien, Protokoll der Dienstbesprechung vom 12.3.2018, S. 278f; 114/KOMM XXVI. GP, 6: Aussage Pilnacek. 775 111/KOMM XXVI. GP, 52: Aussage Schmudermayer (1). 776 119/KOMM XXVI. GP, 30: Aussage Schmudermayer (2). 777 132/KOMM XXVI. GP, 13, 27, 36: Aussage Moser.

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Bundesminister auch weiterhin keinen Einfluss auf die Ermittlungen nehmen können.778 Diese Reformbestrebungen bekräftigte Moser bei seiner Befragung vor dem Untersuchungsausschuss am 28.11.2018. Er wolle entsprechende Reformvorschläge in einer Arbeitsgruppe ausarbeiten lassen. Gegebenenfalls sollen auf Basis der Ergebnisse der Arbeitsgruppe sowie des Untersuchungsausschusses Gesetzesvorschläge unterbreitet werden.779

4.9.3.4. Neufassung des Berichtspflichtenerlasses der OStA Wien Zum Zeitpunkt der Hausdurchsuchungen vom 28.2.2018 musste die WKStA über geplante Ermittlungsmaßnahmen, wie oben bereits ausgeführt, nicht vorab mittels Vorhabensbericht an die OStA Wien berichten. Nach dem Berichtspflichtenerlass 2016 des BMJ (nunmehr BMVRDJ) genügte eine Berichterstattung im Nachhinein mittels Informationsbericht an die OStA Wien, die ihrerseits weiter an das BMVRDJ berichten musste.

Seit 1.1.2019 gelten jedoch aufgrund des neuen Gruppenberichtspflichten-Erlasses der Oberstaatsanwaltschaft Wien strengere Regeln für alle Staatsanwaltschaften, die in den Sprengel der OStA Wien fallen sowie auch für die WKStA. Der Berichtspflichtenerlass 2019 der OStA Wien780 schreibt nunmehr im neu geschaffenen Punkt II.B.4.d. vor, dass in Ergänzung des Berichtspflichtenerlasses 2016 (nunmehr idF 2017) des BMJ (nunmehr BMVRDJ) alle Staatsanwaltschaften im Sprengel der OStA Wien sowie die WKStA, sofern es sich nicht um offenkundig haltlose Anzeigen ohne konkreten Tatverdacht handelt, Bericht an die Oberstaatsanwaltschaft Wien zu erstatten haben, wenn sie beabsichtigen, einen Antrag (§ 101 Abs 2 erster Satz StPO) hinsichtlich einer Anordnung der Durchsuchung von Orten und Gegenständen (§ 117 Z 2 StPO) in Räumlichkeiten von allen Behörden und Dienststellen des Bundes, der Länder und der Gemeinden sowie anderer durch Gesetz eingerichteter Körperschaften und Anstalten des öffentlichen Rechts, die gemäß § 76 StPO zur Leistung von Amtshilfe verpflichtet sind, zu stellen.781

Laut Johann Fuchs, Leiter der Oberstaatsanwaltschaft Wien, der hierüber mit der Rechercheplattform „Addendum“ sprach, bestand die spezielle Berichtspflicht über eine geplante Hausdurchsuchung bei Banken und Medienunternehmen bereits bisher. Neu

778 „OÖ Nachrichten“ vom 29.8.2018, „BVT-Affäre: Moser fühlt sich bewusst ausgeschlossen“, https://www.nachrichten.at/politik/innenpolitik/BVT-Affaere-Moser-fuehlt-sich-bewusst- ausgeschlossen;art385,2991716. 779 132/KOMM XXVI. GP, 36: Aussage Moser. 780 Erlass der OStA Wien vom 21.12.2018 über die gemäß § 8 Abs 2 StAG angeordnete Berichterstattung an die Oberstaatsanwaltschaft Wien über bestimmte Gruppen von Strafsachen (Berichtspflichtenerlass der OStA Wien 2019), Jv 10390/18b-01. 781 Berichtspflichtenerlass der OStA Wien 2019, S. 4f.

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hinzugekommen sei der Punkt in Bezug auf Einrichtungen, die zur Leistung von Amtshilfe verpflichtet sind. Im Unterschied zur reinen Informationspflicht bei sonstigen besonderen Ermittlungsschritten muss bei einer geplanten Hausdurchsuchung in einem Amt laut Fuchs vorher der gesamte Akt an die Oberstaatsanwaltschaft übermittelt werden. Es werde nicht jeder derartige Vorhabensbericht automatisch von der OStA ans BMVRDJ weitergeleitet. Dies ergebe sich aus dem jeweiligen Fall.782

Zusammenfassend handelt es sich bei der neuen Berichtspflicht um eine sogenannte Vorhabensberichtspflicht, bei der die berichtende Staatsanwaltschaft auf die Genehmigung der OStA Wien warten muss, wenn sie künftig eine Hausdurchsuchung in Amtsräumlichkeiten durchführen möchte.

4.9.3.5. Strafrechtliche Folgeermittlungen Seit April 2018 sind bei der Staatsanwaltschaft Korneuburg mehrere Strafverfahren wegen verschiedener Amtsdelikte anhängig, die sich mit den Gegenanzeigen aufgrund der Causa BVT beschäftigen. Von den Ermittlungen betroffen sind neben Oberstaatsanwältin Schmudermayer und Journalrichter Nachtlberger sowie weiteren Vertretern der Justiz auch diverse Beamte des BMI, allen voran Generalsekretär Goldgruber und Hausdurchsuchungseinsatzleiter Preiszler. Betreffend die Beteiligten aus der Justiz prüft die StA Korneuburg unter anderem die Entscheidungsstrukturen innerhalb der WKStA sowie die Rolle des BMI in der Causa BVT.783

Auf sämtliche Folgeverfahren wird im Bericht des Untersuchungsausschusses nicht näher eingegangen. Erstens wurde im Ausschuss nur ein kleiner Teil der zahlreichen Folgeverfahren thematisiert, wobei selbst die angesprochenen Strafverfahren vorwiegend im Rahmen der Prüfung von Entschlagungsgründen bei Fragen an Auskunftspersonen Erwähnung fanden, während sie bei der inhaltlichen Beschäftigung des Ausschuss eine untergeordnete Rolle spielten. Zweitens sind im Ausschuss auch nicht sämtliche Folgeverfahren thematisiert worden, sodass eine vollständige Aufzählung an dieser Stelle nicht unternommen werden kann. Drittens hängt die weitere Entwicklung der Folgeverfahren auch wesentlich vom zum Teil noch offenen Ausgang der Causa BVT ab, sodass hier auf einen Vorgriff verzichtet wird.

782 „Addendum“ vom 23.1.2019, „Update – Der BVT-Erlass: Hausdurchsuchungen müssen wieder vorangemeldet werden“, https://www.addendum.org/bvt/bvt-erlass. 783 „Wiener Zeitung“ vom 28.8.2018, „Moser kündigt Prüfung durch Staatsanwaltschaft Korneuburg an“, https://www.wienerzeitung.at/nachrichten/politik/oesterreich/985469-Moser-kuendigt-Pruefung-durch- Staatsanwaltschaft-Korneuburg-an.html; „OÖ Nachrichten“ vom 29.8.2018, „BVT-Affäre: Moser fühlt sich bewusst ausgeschlossen“, https://www.nachrichten.at/politik/innenpolitik/BVT-Affaere-Moser- fuehlt-sich-bewusst-ausgeschlossen;art385,2991716.

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4.9.4. Reaktionen der Fachaufsicht des BMI 4.9.4.1. Verbesserung der Zutrittsbeschränkungen zum BVT Nach der Aufhebung der Suspendierung von Peter Gridling veranlasste dieser umgehend die Ausarbeitung neuer Regelungen für den Zutritt zum BVT-Gebäude. Künftig sollten Situationen wie jene am 28.2.2018 in der Sicherheitszentrale unbedingt vermieden werden. Nunmehr gibt es strikte Anweisungen für den Zutritt von hausfremden Personen zum BVT-Gebäude. Bei Amtshandlungen innerhalb des BVT müssen Externe die amtshandlungsführende Person bekanntgeben. Diese hat in weiterer Folge beim Direktor beziehungsweise beim Vizedirektor vorzusprechen und diesem das Begehr zu erläutern, bevor allfälligen übrigen Personen Einlass gewährt wird.784

4.9.4.2. Veranlassung einer Prüfung durch die Interne Revision Peter Goldgruber, Generalsekretär des BMI, veranlasste in Folge der Hausdurchsuchungen vom 28.2.2018 eine Prüfung der Zentralen Quellengeldbewirtschaftung durch die Interne Revision. Grund für die Prüfung war, dass aufgrund des anonymen Anzeigenkonvoluts der Verdacht bestanden hatte, dass die Geldmittel der Zentralen Quellengeldbewirtschaftung unter anderem für private Partys zweckentfremdet worden waren. Die Interne Revision stellte diesem Bereich der Verwaltung ein sehr gutes Zeugnis aus. Diese Vorwürfe des anonymen Anzeigenkonvoluts konnten den Aussagen von Goldgruber und Fasching zufolge entkräftet werden.785

4.9.4.3. Verbesserung der Datensicherheit im BVT Im Umgang mit klassifizierten Daten wurden im BMI als Reaktion auf die Hausdurchsuchungen im BVT sowie die dabei hervorgekommenen Zustände hinsichtlich Datenverwahrung auf mehreren Hierarchieebenen innerhalb des BMI Veranlassungen getroffen.

Generalsekretär Goldgruber erteilte den Auftrag, die Datensicherheit im BVT zu verbessern.786

Aufgrund dieses Auftrags kündigte Generaldirektorin Kardeis im März 2018 im Rahmen der Pressekonferenz zur Suspendierung Gridlings an, dass im April 2018 neue Maßnahmen im BVT eingeführt werden sollten. Insbesondere sollten Schulungen ausgeweitet werden, vor allem der Umgang mit sensiblen Daten, Cybersecurity, Rechtssicherheit und Amtsdelikten. Zudem würden Informationsvertrauenspersonen installiert, die bei der Wahrung der

784 128/KOMM XXVI. GP, 11: Aussage Gridling (1). 785 126/KOMM XXVI. GP, 12: Aussage Goldgruber (1); 129/KOMM XXVI. GP, 30: Aussage Fasching (1). 786 128/KOMM XXVI. GP, 42: Aussage Gridling (1).

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gesetzlichen Vorgaben helfen sollen.787

Vizedirektor Fasching erteilte im Interesse der Informationssicherheit und aufgrund der Zustände der Datenverwahrung, wie sie sich bei der Hausdurchsuchung gezeigt hatten, eine Weisung an alle BVT-Mitarbeiter. Er ordnete an, sicherzustellen, dass sämtliche Datenträger ordnungsgemäß, insbesondere klassifizierte Dokumente entsprechend dem InfoSiG beziehungsweise der Geheimschutzordnung verwahrt werden.788

Nach Aufhebung seiner Suspendierung ergriff auch BVT-Direktor Gridling Maßnahmen zur Steigerung der Informationssicherheit. Er verfügte mehrere Verbesserungsmaßnahmen, beispielsweise im Bereich der Schulungen. Aufgrund der von ihm umgesetzten Maßnahmen ist nunmehr jeder BVT-Mitarbeiter im Umgang mit klassifizierten Informationen einmal im Jahr verpflichtend zu schulen. Diese Schulung wird monatlich angeboten, sodass ausreichend Termine vorhanden sind.789

Ebenfalls entsprechend einem Auftrag von Goldgruber traf Gridling als Reaktion auf die Hausdurchsuchung verstärkte Vorsorge, dass BVT-Mitarbeiter keine Akten und Unterlagen mit nach Hause nehmen. Dies wurde notwendig, weil bei einem BVT-Mitarbeiter zu Hause klassifizierte Informationen gefunden worden waren, obwohl diese nur in den Diensträumlichkeiten zu bearbeiten und aufzubewahren sind beziehungsweise nur in Ausnahmefällen und nach Verständigung des Informationssicherheitsbeauftragten an andere Orte gebracht werden dürfen.790 Zusätzlich zur Intensivierung der Schulungen über die Informationssicherheit kündigte Gridling gegenüber den BVT-Mitarbeitern an, künftig unverschlossene Büros daraufhin zu kontrollieren, ob klassifizierte Dokumente ordnungsgemäß versperrt aufbewahrt werden oder ob sie frei herumliegen. Er behielt sich weiters vor, Taschenkontrollen zu veranlassen, wenn es notwendig werden würde, um einen erhöhten Beitrag zur Informationssicherheit im BVT zu leisten.791

Auf organisatorischer Ebene wurde im BVT ein eigenes Referat für interne Sicherheit geschaffen. Dieses Referat vereint nunmehr die verschiedensten Aspekte der Sicherheit im BVT. Es überblickt alle Sicherheitskomponenten des BVT, insbesondere die Sicherheitsüberprüfungen, die physische Sicherheit und die Cybersicherheit.792

787 „Kurier“ vom 22.5.2018, „BVT-Chef Gridling kündigt an: „Morgen gehe ich wieder ins Amt““, 22.5.2018, https://kurier.at/chronik/oesterreich/bvt-chef-peter-gridling-darf-zurueck-morgen-gehe-ich- wieder-ins-amt/400039225. 788 129/KOMM XXVI. GP, 8-10: Aussage Fasching (1). 789 128/KOMM XXVI. GP, 11: Aussage Gridling (1). 790 128/KOMM XXVI. GP, 42: Aussage Gridling (1). 791 128/KOMM XXVI. GP, 42: Aussage Gridling (1); 130/KOMM XXVI. GP, 13: Aussage Kickl. 792 237/KOMM XXVI. GP, 3: Aussage Gridling (3).

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Ergänzend wurde im BVT ein Evaluierungsprozess zur weiteren Verbesserung von Sicherheitsangelegenheiten gestartet. Es wurden mehrere neue Tresore zur sicheren Datenlagerung angeschafft. Das Thema Sicherheit, insbesondere Datensicherheit, hat im BVT seit der Hausdurchsuchung einen größeren Stellenwert, zumal diesbezüglich bei den Mitarbeitern und auf der Führungsebene des BVT und des BMI eine beträchtliche Sensibilisierung stattgefunden hat.793

4.9.4.4. Bemühen um Zurückerlangung sensibler Daten von der WKStA Nach den Hausdurchsuchungen vom 28.2.2018 wies die damalige Leiterin der Rechtsabteilung des BVT im Auftrag der Leitung des BVT gegenüber Schmudermayer durch laufende schriftliche und telefonische Warnungen darauf hin, dass sich unter den sichergestellten Gegenständen Datenträger mit hochsensiblen Informationen befanden.794 Unter anderen Maßnahmen zur Sensibilisierung der WKStA übergab sie Mitte März eine Sammlung an diversen das BVT betreffenden gesetzlichen Vorschriften. Im Auftrag von Fasching forderte sie mehrfach die Rückgabe aller sensibler Daten an das BVT samt Löschung aller Kopien in der WKStA.795

4.9.4.5. Prüfung dienstrechtlicher Schritte gegen S. G. (BVT) Nach der Hausdurchsuchung im Büro des Extremismusreferats standen mehrere Vorwürfe gegen die Leiterin des Referats S. G. (BVT), im Raum. Dabei ging es um drei Vorhalte: Chaos der Aktenlage, Besitz von Ermittlungsakten, die bereits gerichtsanhängig waren und gesetzlich nicht gedeckte Informationsbeschaffung zur „Liederbuch Causa Germania“.796

Gridling, als direkter Vorgesetzter von S. G. (BVT), relativierte die chaotische Aktenlage im Büro von S. G. (BVT). Bei der Bearbeitung von komplexen Vorgängen mit vielen Ordnern, brauche man auch die jeweiligen Ordner. Wenn S. G. (BVT) viele Ordner in ihrem Büro hat, so sei das deshalb, weil sie der Meinung sei, diese für die Bearbeitung auch zu brauchen. Gridling sehe keine Verfehlung, wenn S. G. (BVT) sich damit wohlfühle und das Büro bei Verlassen entsprechend verschließe.797

793 226/KOMM XXVI. GP, 5: Aussage M. K. (BVT) (2); 234/KOMM XXVI. GP, 6: Aussage C. M. (BVT) (2). 794 78/KOMM XXVI. GP, 8: Aussage M. K. (BVT) (1). 795 78/KOMM XXVI. GP, 8f: Aussage M. K. (BVT) (1); 129/KOMM XXVI. GP, 10: Aussage Fasching (1); 226/KOMM XXVI. GP, 18f: Aussage M. K. (BVT) (2). 796 167/KOMM XXVI. GP, 35: Aussage Hutter; Abg.Krisper, Niederschrift Kardeis betreffend Gespräch mit S. G. (BVT), S.1. 797 128/KOMM XXVI. GP, 30: Aussage Gridling (1).

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Zum Vorwurf der chaotischen Aktenlage gab ein anderer BVT-Mitarbeiter an:

„Kollegin S. G. (BVT) ist in ihrer Arbeit anders als so manch jüngerer Mitarbeiter, sagen wir es so. Sie hat ein anderes Ablagesystem. […] Es wird immer wieder gesagt, ihr Büro ist so chaotisch. Sie kennen diese Vorwürfe, sie sind medial verbreitet worden, ihr Büro sei so chaotisch. Für einen Außenstehenden mag das so wirken. Sie wären überrascht, wenn Sie in ihr Büro gehen und mit ihr über eine Amtshandlung sprechen, wie schnell sie den richtigen Zettel aus diesen Stößen findet. Also Chaos ist ein subjektiver Begriff.“798

Auch ein weiterer BVT-Mitarbeiter beschreibt den Zustand im Büro von S. G. (BVT) als „geordnetes Chaos“, das für einen Außenstehenden als chaotisch wirken mag:

„Das Phänomenale an der Referatsleiterin ist allerdings: Wenn man etwas braucht, geht sie dorthin und zieht es dort heraus. Für sie ist es halt ein geordnetes Chaos, wobei ich oder andere es natürlich durchaus als nicht sehr aufgeräumt titulieren würden. Sie hat allerdings ihre Ordnung darin und sie findet ihre Sachen da drinnen, wie auch immer sie das macht, […].“799

Zu den im Raum stehenden Vorwürfen gegen S. G. (BVT) fand am 13.3.2018 ein erstes Gespräch zwischen der Generaldirektorin für die öffentliche Sicherheit, Michaela Kardeis, und S. G. (BVT) statt. Kardeis erteilte S. G. (BVT) in diesem Gespräch unter anderem die Weisung, ihr Büro aufzuräumen und Ordnung zu schaffen. Aufgrund der weiteren medialen Berichterstattung betreffend „chaotischer Zustände“ sowie einer Dringlichen Anfrage im Nationalrat sprach am 27.3.2018 der Generalsekretär des Innenministeriums Goldgruber Kardeis auf diese Thematik an800 und forderte sie auf, die Missstände zu beheben.801

In der Zeit um den 28.3.2018 führte Fasching ein Gespräch mit Kardeis betreffend diese Problematik. In einer persönlichen Notiz zu diesem Gespräch hielt Kardeis fest: „Dominik, mit Stil loswerden“.802 In ihrer Befragung vor dem Untersuchungsausschuss gab Kardeis an, dass in diesem Gespräch diskutiert worden sei, wie mit S. G. (BVT) umzugehen sei. Fasching habe nach einer Möglichkeit gesucht, S. G. (BVT) mit Stil loszuwerden. Neben einer Verwendungsänderung seien auch noch eine Versetzung oder Dienstzuteilung besprochen.803

Aus der Niederschrift von Kardeis geht zudem die Aussage von Fasching, der zu diesem Zeitpunkt stellvertretender Direktor des BVT war, hervor:

„Bereits vorher, das genaue Datum ist mir nicht mehr erinnerlich, hat mir

798 125/KOMM XXVI. GP, 35: Aussage C. M. (BVT) (1). 799 165/KOMM XXVI. GP, 21: Aussage R. G. (BVT). 800 131/KOMM XXVI. GP, 10: Aussage Kardeis. 801 131/KOMM XXVI. GP, 11: Aussage Kardeis. 802 131/KOMM XXVI. GP, 10: Aussage Kardeis. 803 131/KOMM XXVI. GP, 10: Aussage Kardeis.

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Dr. Fasching berichtet, dass er aus dem Generalsekretariat den Auftrag habe, dienstrechtliche, disziplinäre Maßnahmen gegen S. G. (BVT) einzuleiten. Er habe im Zuge dieses Gespräches auch auf Grund des Alters von Koll. S. G. (BVT) eine mögliche Ruhestandsversetzung ins Spiel gebracht, um weitere negative mediale Schlagzeilen zu verhindern.“804

In seiner Befragung vor dem Untersuchungsausschuss gab Fasching dazu ergänzend an, den Auftrag bekommen zu haben, den rechtmäßigen Zustand in den betroffenen Referaten wiederherzustellen. Dazu gehöre jedenfalls auch das Referat von S. G. (BVT). Dass er den Auftrag bekommen habe, ein Disziplinarverfahren gegen S. G. (BVT) einzuleiten, verneinte er. Die Information, dass S. G. (BVT) in Pension gehen wollte, ergaben sich für Fasching aufgrund ihres Alters, aus gesundheitlichen Gründen und aus der starken Betroffenheit durch die Vorfälle und waren für ihn nachvollziehbar.805

In seiner Befragung vor dem Untersuchungsausschuss gab Lett an, dass es Ende März beziehungsweise Anfang April auch ein Gespräch mit Goldgruber und Fasching gegeben haben soll. Bei diesem Gespräch habe es Informationen darüber gegeben, dass S. G. (BVT) selbst aufgrund der Vorkommnisse vom 28.2.2018 darüber nachgedacht habe, freiwillig in Pension zu gehen beziehungsweise eine persönliche Veränderung vornehmen zu wollen. Darüber hinaus gab Lett bei seiner Befragung an, dass ein gezieltes Loswerden von S. G. (BVT) nie Thema gewesen wäre.806

Lett informierte am 4.4.2018 bei einem regelmäßigen Jour-fixe-Termin807 Kardeis darüber, dass eine Verwendungsänderung von S. G. (BVT) angedacht sei. Kardeis hielt in einer Niederschrift fest „Dr. Lett hat mich am 4.4.2018 über angedachte Verwendungsänderung von Kollegin S. G. (BVT) in Kenntnis gesetzt: Pension oder Übernahme der Sportabteilung.“808 Kardeis, die S. G. (BVT) persönlich und näher kannte, bot daraufhin an, mit S. G. (BVT) persönlich ein Gespräch zu führen.809

Am 6.4.2018 fand dann das Gespräch zwischen Kardeis und S. G. (BVT) statt.810 Kardeis warnte, dass es jetzt „brutal“ werde und erklärte S. G. (BVT), dass sie mit einer Verwendungsänderung rechnen müsse.811 Kardeis legte S. G. (BVT) darüber hinaus nahe,

804 Abg.Krisper, Niederschrift Kardeis betreffend Gespräch mit S. G. (BVT), S.1; 129/KOMM XXVI. GP, 23: Aussage Fasching (1). 805 129/KOMM XXVI. GP, 24: Aussage Fasching (1). 806 127/KOMM XXVI. GP, 9f: Aussage Lett. 807 131/KOMM XXVI. GP, 11: Aussage Kardeis. 808 127/KOMM XXVI. GP, 9: Aussage Lett. 809 127/KOMM XXVI. GP, 10: Aussage Lett. 810 131/KOMM XXVI. GP, 9: Aussage Kardeis. 811 131/KOMM XXVI. GP, 9: Aussage Kardeis.

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freiwillig in Pension zu gehen, da das Generalsekretariat sie aus dem BVT loswerden wolle.812 Kardeis empfahl S. G. (BVT) über die Pensionierung nachzudenken, da dies aus ihrer Sicht neben einer Verwendungsänderung oder Dienstzuteilung die sanftere Variante sei.813

S. G. (BVT) verdeutlichte, diesem Vorschlag jedenfalls nicht nachzukommen. Sie sei schon gar nicht in dieser Phase bereit, in Pension zu gehen und der Sündenbock für andere zu sein.814

S. G. (BVT) gab in ihrer Befragung vor dem Untersuchungsausschuss zudem an, sich durch die „Empfehlung“ von Kardeis nicht bedroht gefühlt zu haben, dennoch aber den Eindruck gehabt zu haben, dass ihr ein Ultimatum gesetzt werde.815

Am 23.4.2018, nachdem unter anderem auch Beweismittel gegen die rechte Szene, die bei S. G. (BVT) sichergestellt worden waren, zwei Monate bei der Justiz lagen816, verfasste S. G. (BVT) betreffend der Vorwürfe gegen sie ein Beschwerdemail an Schmudermayer. In diesem E-Mail äußerte sie, dass ihr signalisierte worden sei, dass man ihr etwas „anhängen“ wolle. Als gelinderes Mittel habe man ihr die freiwillige Pensionierung nahegelegt.817

„S.g. Frau OSta. Mag. Schmudermayer, nachdem bereits wieder eine geraume Zeit vergangen ist, ersuche ich um einen neuerlichen Termin für die gemeinsame Sichtung […].

Ich habe mittlerweile die persönliche Situation dass man mir seitens des Dienstgebers signalisiert, dass man mir etwas anhängen möchte (ev. auch nur disziplinär), als gelinderes Mittel mir konkret die Pension nahelegt, […].“818

Darüberhinausgehend gab sie bekannt, dass sie in ihrer Ermittlungsarbeit eingeschränkt sei:

„Es ist leider so, dass ich in meinen dienstlichen Verantwortungen auch tatsächlich eingeschränkt werde und darüber hinaus auch von rechtsorientierten Vertretern und verurteilten Straftätern […] willkürlich angezeigt werde bzw. auch versucht wird, mich ungerechtfertigt öffentlich zu diskreditieren, mir aufgrund der medial berichteten politischen Gesinnung (SPÖ-Nähe) unsachliches und einseitiges Handeln unterstellt wird, nur weil ich – logischerweise nicht zu deren Freude – jahrelang meiner Aufgabenstellung beim Staatsschutz mit bestem Wissen und

812 131/KOMM XXVI. GP, 9: Aussage Kardeis; 131/KOMM XXVI. GP, 15: Aussage Kardeis. 813 131/KOMM XXVI. GP, 16 : Aussage Kardeis. 814 117/KOMM XXVI. GP, 46f: Aussage S. G. (BVT) (1). 815 117/KOMM XXVI. GP, 47: Aussage S. G. (BVT) (1). 816 „Falter“ vom 29.5.2018, „„Hetzjagd“, „Stasi-Krimi“, „Angriff“: Die Protestbriefe der BVT-Mitarbeiter“, https://www.falter.at/archiv/wp/hetzjagd-stasi-krimi-angriff-die-protestbriefe-der-bvt-mitarbeiter. 817 117/KOMM XXVI. GP, 46f: Aussage S. G. (BVT) (1); Abg. Krisper, E-Mail vom 24.4.2018 von S. G. (BVT) an Schmudermayer, S. 1ff. 818 „Falter“ vom 29.5.2018, „„Hetzjagd“, „Stasi-Krimi“, „Angriff“: Die Protestbriefe der BVT-Mitarbeiter“, https://www.falter.at/archiv/wp/hetzjagd-stasi-krimi-angriff-die-protestbriefe-der-bvt-mitarbeiter, Abg. Krisper, E-Mail vom 24.4.2018 von S. G. (BVT) an Schmudermayer, S. 2f.

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Gewissen nachgekommen bin.“819

Die Reaktion von Schmudermayer auf die von S. G. (BVT) befürchtete Hetzjagd gegen ihre Person war eine Antwortmail mit folgendem Wortlaut:

„Betreffend die Veröffentlichung Ihres Namens und der von Ihnen geschilderten damit verbundenen „Hetzjagd“ gegen Sie darf ich Sie bitten, sich an Ihren Rechtsanwalt zu wenden, der Sie bezüglich des weiteren Vorgehens juristisch beraten kann.“820

Nach Veröffentlichung eines Artikels in der Zeitung „Falter“, wurde auch der Leiter des Präsidiums im BMI, Karl Hutter, tätig. Für ihn war abzuklären, ob hier Sachverhalte vorliegen, die als Dienstbehörde wahrzunehmen seien, ob es eine Dienstgeberfürsorgepflicht gebe und ob S. G. (BVT) geholfen werden müsse. Aus diesem Grund lud Hutter S. G. (BVT) für den 5.6.2018 zu einer Einvernahme.821

Am Tag nach der Einvernahme von S. G. (BVT), am 6.6.2018 wurde auch Kardeis zu einer Einvernahme zu Hutter geladen.822

Hutter hatte zu überprüfen, ob tatsächlich versucht worden war, S. G. (BVT) „etwas anzuhängen“ beziehungsweise sie in Pension schicken zu wollen. Darüber hinaus überprüfte er ob eine Beeinträchtigung ihrer dienstlichen Tätigkeiten in ihrer Position als Referatsleitung bestehe.823

Das Ergebnis von Hutter nach den beiden Einvernahmen war, dass keine dienstrechtlichen Maßnahmen – weder bei S. G. (BVT) noch bei Kardeis824 – zu setzen waren.825 Eine Pensionierung habe S. G. (BVT) strikt abgelehnt und für die Sportabteilung sei sie nicht qualifiziert gewesen.826 Die Vorwürfe gegen S. G. (BVT) waren keine Grundlage für die Setzung dienstrechtlicher Maßnahmen.827 Aus diesen Gründen sah Hutter die Thematik als erledigt an.828

819 „Falter“ vom 29.5.2018, „„Hetzjagd“, „Stasi-Krimi“, „Angriff“: Die Protestbriefe der BVT-Mitarbeiter“, https://www.falter.at/archiv/wp/hetzjagd-stasi-krimi-angriff-die-protestbriefe-der-bvt-mitarbeiter, Abg. Krisper, E-Mail vom 24.4.2018 von S. G. (BVT) an Schmudermayer, S. 2f. 820 „Falter“ vom 29.5.2018, „„Hetzjagd“, „Stasi-Krimi“, „Angriff“: Die Protestbriefe der BVT-Mitarbeiter“, https://www.falter.at/archiv/wp/hetzjagd-stasi-krimi-angriff-die-protestbriefe-der-bvt-mitarbeiter., Abg. Krisper, E-Mail vom 24.4.2018 von S. G. (BVT) an Schmudermayer, S. 1f. 821 167/KOMM XXVI. GP, 11: Aussage Hutter. 822 a.a.O. S.11. 823 a.a.O. S.11f. 824 a.a.O. S.26. 825 a.a.O. S.11. 826 a.a.O. S.27. 827 a.a.O. S.25ff. 828 a.a.O. S.27.

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Dass eine Verwendungsänderung von S. G. (BVT) vom BMI gezielt geplant gewesen wäre, konnte anhand der Befragungen und Dokumente nicht eindeutig manifestiert werden. Den Ergebnissen zu Folge, insbesondere aufgrund der Aussagen von S. G. (BVT), kann man allerdings davon ausgehen, dass ein gezieltes „Loswerden“ – aus welchen Gründen auch immer – im Raum gestanden ist. Festgestellt werden kann, dass S. G. (BVT) den Eindruck hatte vor ein Ultimatum gestellt worden zu sein. Es konnte nicht nachgewiesen werden, dass S. G. (BVT) jemals selbst daran gedacht hat oder geäußert hat vorzeitig in Pension gehen zu wollen und kann aus diesen Gründen davon ausgegangen werden, dass ein gewisser Druck auf S. G. (BVT) ausgeübt wurde.

4.9.4.6. Reformbestrebungen von Bundesminister Kickl Am 29.5.2018 kündigte der damalige Bundesminister für Inneres Herbert Kickl in einer Pressekonferenz an, das BVT einer Strukturreform unterziehen zu wollen. Ziel der Weiterentwicklung im BVT seien strukturelle und organisatorische Reformen mit dem Fokus auf die Kernkompetenzen. Die Strukturen des Staats- und Verfassungsschutzes sollen gestärkt werden, wie im Regierungsprogramm angekündigt, sagte Kickl. Es gehe primär um die Prävention und die Gefahrenidentifikation, ergänzte der Innenminister.829

Unter dem Vorsitz von BVT-Direktor Peter Gridling solle eine knapp 20-köpfige Reformgruppe eingesetzt werden, deren Ergebnisse bis Sommer 2019 in Vollbetrieb gehen sollten. Die operative Umsetzung obliege dem stellvertretenden BVT-Direktor Dominik Fasching und dem stellvertretenden BK-Direktor Michael Fischer.830

Bei seiner Befragung vor dem Untersuchungsausschuss vom 27.11.2018 führte Kickl zu den Reformbestrebungen betreffend das BVT aus, dass hierbei als Konsequenz der Hausdurchsuchungen vom 28.2.2018 auch die Erhöhung der Informationssicherheit eine Rolle spiele.831 Er merkte allerdings auch an, dass eine Reformierung des BVT bereits in die Regierungsverhandlungen im Herbst 2017 eingeflossen seien.832

Ob und inwieweit bei diesen Reformplänen die Hausdurchsuchung im BVT eine Rolle gespielt hat, ist offen geblieben.

829 „BMI“ vom 30.5.2018 (Nr. 15931), „BVT: Fokus auf Kernkompetenzen“, https://www.bmi.gv.at/news.aspx?id=70697075796453447051453D. 830 BMI, a.a.O. 831 130/KOMM XXVI. GP, 13: Aussage Kickl. 832 130/KOMM XXVI. GP, 36: Aussage Kickl.

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4.10. Einstellungen von Ermittlungen in der Causa BVT Im Laufe des Ermittlungsverfahrens in der Causa BVT stellte die WKStA immer wieder Teile der Ermittlungen gegen verschiedene Personen ein.

Sämtliche Ermittlungen gegen BVT-Direktor Peter Gridling wurden am 2.11.2018 nach einer entsprechenden Weisung der OStA Wien eingestellt.833

Die Ermittlungen gegen den Leiter des IKT-Referats C. H. (BVT) wurden am 10.12.2018 eingestellt.834 Die Einstellung betreffend C. H. (BVT) verfügte die WKStA von sich aus, ohne vorangehende Weisung der Oberstaatsanwaltschaft.835 Die Ermittlungen gegen den ehemaligen Kabinettschef des BMI Michael Kloibmüller wurden betreffend drei Faktenkreise geführt. Von diesen wurden bereits zwei Faktenkreise Anfang Jänner 2019 eingestellt.836

Das Ermittlungsverfahren gegen den ehemaligen BVT-Vizedirektor Wolfgang Zöhrer wurde am 12.4.2019 eingestellt.837

Zum Zeitpunkt der Beendigung der Beweisaufnahme durch den Untersuchungsausschuss wurden noch vier Personen, darunter B. P. (BVT) und Michael Kloibmüller, als Beschuldigte in der Causa BVT geführt. Die Ermittlungen betreffend die übrigen Personen wurden entweder eingestellt oder aus dem Verfahren ausgeschieden.838

Aus einer Pressemeldung vom 24.4.2019 geht hervor, dass die WKStA nach weit mehr als einem Jahr an Ermittlungen ein Amtshilfeersuchen an das BVT gestellt habe. Das

833 OStA Wien, Einstellungsweisung der OStA Wien vom 2.11.2018, S. 1ff; 133/KOMM XXVI. GP, 42: Aussage Schmudermayer (3); „Kleine Zeitung“ vom 2.11.2018: „Vorwürfe gegen Behörden-Chef Gridling vom Tisch“, https://www.kleinezeitung.at/politik/innenpolitik/5523315/BVTAffaere_Vorwuerfe- gegen-BehoerdenChef-Gridling-vom-Tisch, „Die Presse“ vom 2.11.2018, „Ermittlungen gegen BVT- Direktor Gridling eingestellt“, https://diepresse.com/home/innenpolitik/5523313/Ermittlungen-gegen- BVTDirektor-Gridling-eingestellt;l „Der Standard“ vom 15.4.2019, „Justiz stellt auch Verfahren gegen BVT-Vizechef ein“, https://derstandard.at/2000101446707/Justiz-stellt-auch-Verfahren-gegen-BVT- Vizechef-ein“; 128/KOMM XXVI. GP, 36: Aussage Gridling (1). 834 OStA Wien, Deckblatt zum Ermittlungsverfahren Causa BVT, S. 1. 835 Ö1 Abendjournal vom 11.12.2018, 18:00 Uhr, „BVT-Affäre: Ermittlungen gegen IT-Chef eingestellt“, https://oe1.orf.at/programm/20181211/538074. 836 Ö1 Morgenjournal vom 23.4.2019, 7:00 Uhr, „Was blieb von der BVT-Affäre?“, https://oe1.orf.at/programm/20190423#550341. 837 OStA Wien, Abschlussbericht zum Tatverdacht gegen Zöhrer vom 21.3.2019, S. 1ff; „Der Standard“ vom 15.4.2019, „Justiz stellt auch Verfahren gegen BVT-Vizechef ein“, https://derstandard.at/2000101446707/Justiz-stellt-auch-Verfahren-gegen-BVT-Vizechef-ein; „Die Presse“ vom 15.4.2019, „Ermittlungen gegen Ex-BVT-Vizechef Zöhrer eingestellt“, https://diepresse.com/home/innenpolitik/5612978/Ermittlungen-gegen-ExBVTVizechef-eingestellt. 838 Ö1 Morgenjournal vom 23.4.2019, 7:00 Uhr, „Was blieb von der BVT-Affäre?“, https://oe1.orf.at/programm/20190423#550341.

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Amtshilfeersuchen enthalte simple Rechtsfragen zu Themenkomplexen, wegen derer von Beginn an ermittelt wurde – etwa der Weitergabe von nordkoreanischen Reisepässen an den südkoreanischen Geheimdienst.839 Es ist nicht nachvollziehbar, warum ein derartiges Amtshilfeersuchen nicht zu einem wesentlich früheren Zeitpunkt gestellt wurde.

Laut einer APA-Meldung vom 26.4.2019 richtete die WKStA insgesamt zehn Vorhabensberichte in der Causa BVT an das BMVRDJ. Ein Teil dieser Berichte liege im BMVRDJ, der andere Teil liege beim Weisungsrat zur Prüfung.840

Der Inhalt der Vorhabensberichte sowie die geplante weitere Vorgehensweise der WKStA in der Causa BVT ist dem Untersuchungsausschuss zum Zeitpunkt der Berichterstattung nicht bekannt. Aufgrund der zahlreichen Einstellungen betreffend diverse Fakten ist es jedoch evident, dass die Ermittlungen der WKStA zum Großteil abgeschlossen sind.841 Im Widerspruch zu diesen Ermittlungsergebnissen gab Oberstaatsanwältin Schmudermayer in all ihren Befragungen vor dem Untersuchungsausschuss an, dass sich die Vorwürfe im Konvolut sowie die Aussagen der ersten vier Zeugen „grosso modo“ bestätigt hätten:

„Es hat sich herausgestellt, dass die Angaben im Konvolut grosso modo bei einzelnen Dingen auch richtig sind.“842

„In Summe, ich habe es letztes Mal eh schon gesagt, haben sich die Angaben der ersten vier Zeugen grosso modo bestätigt. Natürlich gibt es immer Unschärfen, das ist immer so, aber grundsätzlich haben sie sich bestätigt.“843

„In den weiteren Ergebnissen dieses Ermittlungsverfahrens stellt sich heraus, dass grosso modo – wie gesagt mit Unschärfen – die Angaben der Zeugen korrekt waren. Auch sehr viel von dem, was im Konvolut steht, ist durchaus korrekt. Es ist teilweise übertrieben, keine Frage, aber es ist teilweise inzwischen auch im Zuge der Ermittlungen festgestellt worden, dass auch da sehr viele Angaben richtig sind.“844

Die oben beschriebenen zahlreichen Einstellungen von Ermittlungen und die Aussagen von Schmudermayer stehen zueinander in einem gewissen Widerspruch. Besonders irritiert, dass Schmudermayer auch in ihrer dritten Befragung noch davon sprach, dass sich ein Großteil der Vorwürfe bestätigt hätte, obwohl zu diesem Zeitpunkt sämtliche Ermittlungen gegen Gridling

839 „Die Presse“ vom 24.4.2019, „BVT: Ermittlungen fast abgeschlossen“, https://diepresse.com/home/innenpolitik/5616975/BVT_Ermittlungen-fast-abgeschlossen. 840 ORF News vom 26.4.2019, „BVT-Affäre: Zehn Vorhabensberichte werden geprüft“, https://orf.at/stories/3120163/. 841 Ö1 Morgenjournal vom 23.4.2019, 7:00 Uhr, „Was blieb von der BVT-Affäre?“, https://oe1.orf.at/programm/20190423#550341. 842 111/KOMM XXVI. GP, S. 5: Aussage Schmudermayer (1). 843 119/KOMM XXVI. GP, S. 17: Aussage Schmudermayer (2). 844 133/KOMM XXVI. GP, S. 42: Aussage Schmudermayer (3).

www.parlament.gv.at 695 der Beilagen XXVI. GP - Ausschussbericht NR - Berichterstattung 201 von 298 197 bereits eingestellt waren und wenige Tage darauf, am 10.12.2018, auch sämtliche Ermittlungen gegen C. H. (BVT) eingestellt wurden.

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4.11. Anhang: Die Hausdurchsuchungen in Zahlen 0 Erwähnung von S. G. (BVT) im anonymen Anzeigenkonvolut 0 Gewalt gegen Personen 0 Thematisierung der Datensicherheit bei den Einsatzbesprechungen 0 von der WKStA mitgebrachte Behälter für den Datenabtransport 1 abgelehnter Versiegelungsantrag durch die Rechtsexpertin des BVT 1 EGS-Mitarbeiter, der im BVT „ortskundig“ war 1 E-Mail der im Büro S. G. (BVT) sichergestellten E-Mails war relevant 1 Google-Maps-Plan für die Darstellung des BVT-Gebäudes 1 rechtmäßig durchsuchter Wohnort 1 Trick, um in das BVT-Gebäude zu gelangen 1 vorgetäuschte Autopanne vor dem BVT 1 Woche zwischen der Vernehmung der ersten Zeugin und der Durchführung der HD 2 Transportfahrten der sichergestellten Daten vom BVT zur WKStA 3 unrechtmäßig durchsuchte Wohnorte 4 Zeugeneinvernahmen vor der HD 5 verschiedene Standorte in Wien und NÖ an denen HDs durchgeführt wurden 6 Anordnungen zur Durchsuchung und Sicherstellung 6 Staatsanwälte im Einsatz 10 IT-Experten im Einsatz 10 Stunden Dauer der HD 27 sichergestellte nordkoreanische Reisepassrohlinge 30 Minuten Blockade der IT im BVT 30 Minuten Blockade der Sicherheitszentrale im BVT 40 Seiten Konvolut wurde von Lansky an Goldgruber übergeben 56 Erwähnungen von Goldgruber und Lett im Tagebuch der WKStA 58 EGS-Beamte insgesamt im Einsatz 70 ca Informationsberichte der WKStA bis Ende November 2018 86,9 GB sichergestellte Daten vom Server des BVT 397 Papierseiten im Büro S. G. (BVT) sichergestellt 900 User vom BVT und den LVTs von der halbstündigen Blockade der IT betroffen 80.000 E-Mails im Büro S. G. (BVT) sichergestellt

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5. Causa Maurer 5.1. Feststellungen845 5.1.1. Chronologischer Überblick 2010 Demonstrationen der ÖH und Gespräche mit Mitgliedern der Bundesregierung 22.12.2010 Protestaktion der ÖH im Parlament 23.12.2010 Übermittlung der Anzeige des LVT Wien an das BVT und Protokollierung des Vorfalls in der EDIS-Aktenverwaltung sowie im EDIS-Auswertungstool im BVT 01/2011 – 02/2011 Erstes Auskunftsbegehren Garstenauer 02/2011 Auskunft des BMI an Garstenauer, dass ihn betreffende Daten in der EDIS-Datei im BVT gespeichert sind 02/2011 – 03/2011 Auskunftsbegehren vier weiterer an der Protestaktion beteiligter Personen 5.4.2011 Löschung der Daten zu jenen 14 Personen, die kein Auskunftsbegehren gestellt hatten 19.9.2011 Beschwerde bei der Volksanwaltschaft durch Sigrid Maurer und anschließende Einleitung eines Prüfverfahrens durch Volksanwältin Therezija Stoisits 26.9.2011 Ersuchen um Stellungnahme der Volksanwaltschaft an Bundesministerin Johanna Mikl-Leitner 14.10.2011 Löschung der Daten im EDIS-Auswertungstool zu sämtlichen an der Protestaktion beteiligten Personen 11.11.2011 Besprechung in der Volksanwaltschaft (Gridling, Grosinger, Maurer, Stoisits) 5.12.2011 Schreiben Stoisits an Maurer – samt Stellungnahme von Mikl- Leitner – und Information, dass das Prüfverfahren aufgrund des Wegfalls des Beschwerdegrundes als abgeschlossen erachtet wird 26.10.2015 Zweites Auskunftsbegehren Garstenauer 19.11.2015 Auskunft des BMI an Garstenauer, dass weiterhin ihn betreffende Daten im BVT gespeichert sind 20.6.2016 Löschungsantrag Garstenauer Sommer 2016 Endgültige Löschung der Daten betreffend Garstenauer 13.12.2016 Auskunft des BMI betreffend eines dritten Auskunftsbegehrens von Garstenauer:– zum Stichtag 4.12.2016 alle Daten gelöscht

845 OStA Wien, Anonymes Anzeigenkonvolut, S. 2ff.

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5.1.2. Vorwürfe im anonymen Anzeigenkonvolut Nach der vom damaligen Vorsitzteam der Österreichischen Hochschülerschaft unter Leitung von Sigrid Maurer organisierten Protestaktion während einer Budgetdebatte im Parlament im Dezember 2010, seien die Daten der an der Aktion teilnehmenden Personen vom BVT rechtswidrig in der „Extremismusdatei“ gespeichert worden. Die Daten seien nach einer Datenschutzanfrage von Maurer vorschriftswidrig nicht gelöscht worden. Verantwortlich dafür sei der damalige Leiter der Abteilung II/BVT Wolfgang Zöhrer gewesen. Vor der endgültigen Löschung der Daten im Jahr 2015, habe sich der damalige Referatsleiter des Referats Nachrichtendienst, B. P. (BVT), eine Kopie der Daten anfertigen lassen, die er in einem Safe in seinem Privathaus aufbewahrte.846

5.1.3. Die Protestaktion Im Jahr 2010 legte die damalige Bundesregierung ein Konsolidierungsbudget vor, das Veränderungen im Bereich der Familienbeihilfe vorsah. Die ÖH organisierte daraufhin Demonstrationen und führte Gespräche mit Mitgliedern der Bundesregierung. Das Budget sollte am 22.12.2010 im Nationalrat beschlossen werden.847

Die 91. Sitzung des Nationalrats am 22.12.2010 wurde um 9:00 Uhr eröffnet. Um 11:30 Uhr wurde die Sitzung durch laute Rufe von insgesamt 19 Personen, die sich auf der Galerie des Sitzungssaals des Nationalrats befanden, gestört. Die Aktivisten entrollten ein Transparent, riefen Sprechchöre und warfen Flyer im Din-A5-Format in den Sitzungssaal. Daraufhin wurde die Nationalratssitzung um 11:30 Uhr für insgesamt drei Minuten bis 11:33 Uhr unterbrochen.848

Unter den Aktivisten befand sich unter anderem die damalige ÖH-Vorsitzende Sigrid Maurer, ihr Stellvertreter Thomas Wallerberger, sowie Georg Garstenauer, einer der damaligen Pressesprecher der ÖH.849

Die Exekutive rechnete bereits im Vorhinein mit einer Störaktion und positionierte mehrere Exekutivbeamte auf der Besuchergalerie. Diese Beamten schritten unmittelbar nach Beginn der Protestaktion ein und forderten die Demonstrationsteilnehmer auf, die Galerie zu verlassen. Nach anfänglicher Weigerung der Demonstranten, den Sitzungssaal zu verlassen, wurden die Aktionisten nach wenigen Minuten von den Exekutivbeamten und von

846 OStA Wien, Anonymes Anzeigenkonvolut, S. 91. 847 176/KOMM XXVI. GP, 4ff: Aussage Wallerberger; 192/KOMM XXVI. GP, 7: Aussage Garstenauer. 848 AP Garstenauer, Anzeige des LVT Wien vom 22.12.2010, S. 27; 192/KOMM XXVI. GP, 3f, 11: Aussage Garstenauer. 849 192/KOMM XXVI. GP, 11f: Aussage Garstenauer; 176/KOMM XXVI. GP, 4ff: Aussage Wallerberger.

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Sicherheitsbeamten der Parlamentsdirektion von der Besuchergalerie zum Ausgang des Parlaments begleitet. Dort wurde von der Parlamentsdirektion ein Hausverbot gegen die Demonstrationsteilnehmer ausgesprochen. Zudem setzten die Exekutivbeamten die Demonstrationsteilnehmer davon in Kenntnis, dass Anzeige wegen Störung der öffentlichen Ordnung gegen sie erstattet werden wird.850

Über die Aktivisten wurde eine Ordnungsstrafe in Höhe von 70 Euro wegen Störung der öffentlichen Ordnung gemäß § 83 SPG verhängt.851

5.1.4. Erstes Auskunftsbegehren 2011 In einem nicht mehr feststellbaren Zeitpunkt zwischen Jänner und Februar 2011 stellte Georg Garstenauer ein Auskunftsbegehren nach dem Datenschutzgesetz 2000 an das BMI. Das BMI erteilte Garstenauer im Februar 2011 die Auskunft, dass seine Daten in der EDIS-Datenbank des BVT gespeichert sind. Als Begründung für die Speicherung seiner Daten wurde die Störung der öffentlichen Ordnung sowie die Abwehr krimineller Verbindungen nach § 53 SPG im Zusammenhang mit der Protestaktion angeführt. Zum Nachweis der Speicherung schloss das BMI der Auskunft einen Auszug aus der EDIS-Datenbank an.852

Im Februar 2011 stellten vier weitere an der Protestaktion beteiligte Personen ein Auskunftsbegehren an das BMI.853

5.1.5. Bearbeitung der Causa im BVT Am 23.12.2010 übermittelte das LVT Wien dem BVT eine Anzeige über die Protestaktion vom 22.12.2010. Bei der Übermittlung der Anzeige an das BVT handelte es sich um eine routinemäßige Befassung des BVT als Zentralstelle.854 Die Anzeige enthielt eine Sachverhaltsdarstellung und die Information, dass alle 19 Aktivisten, die an der Protestaktion beteiligt waren, wegen Störung der öffentlichen Ordnung gemäß § 81 Abs 1 SPG angezeigt worden seien.855

Ebenfalls merkte das LVT Wien in der Anzeige an, dass es beim Hinausbegleiten der Aktivisten zu Handgreiflichkeiten zwischen Sicherheitsbeamten der Parlamentsdirektion und Aktivisten kam. Nach eigenen Angaben der Betroffenen sei dabei ein Bediensteter der

850 AP Garstenauer, Anzeige des LVT Wien vom 22.12.2010, S. 27-32. 851 192/KOMM XXVI. GP, 4: Aussage Garstenauer. 852 a.a.O. 853 a.a.O. 854 196/KOMM XXVI. GP, 4: Aussage Gridling (2). 855 195/KOMM XXVI. GP, 5ff: Aussage S. G. (BVT) (2); OStA Wien, Stellungnahme der Leitung des Extremismusreferats zur Speicherung der Daten von Sigrid Maurer, S. 2.

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Parlamentsdirektion sowie eine Aktivistin verletzt worden.856 Die behauptete Körperverletzung habe darin bestanden, dass eine Aktivistin Kratzer am Arm erlitten habe. Die Aktivistin zeigte den Parlamentsmitarbeiter in der Folge an. Das Ermittlungsverfahren wurde jedoch kurze Zeit später wieder eingestellt.857

Die Aktenbehandlung unterlag im BVT zu diesem Zeitpunkt einem zweistufigen System. Einerseits war ein System der Aktenverwaltung im EDIS eingerichtet, in dem jedes Eingangsstück automatisch gespeichert wurde. Daneben gab es –- ebenfalls im EDIS – ein Auswertungstool für Analysezwecke, in dem Personen ausgewertet und Informationen zur Analyse gesammelt werden konnten.858 Das damals existierende Auswertungstool war bis zur Einführung des Polizeilichen Staatsschutzgesetzes (PStSG) und der damit einhergehenden Einführung der Standarddatenbank im BVT in Verwendung.859

Nach Eingang der Meldung des LVT Wien am 23.12.2010 wurde der Vorfall zuerst in der EDIS- Aktenverwaltung protokolliert. Aufgrund der Einschätzung des Sachbearbeiters wurden zudem alle 19 Personen im EDIS-Auswertungstool ausgewertet. Als Auswertungsgrund zog der Sachbearbeiter § 53 Abs 1 Z 2 SPG – Abwehr einer kriminellen Vereinigung – aufgrund des vom LVT protokollierten Verdachts auf Körperverletzung heran.860 Im EDIS-Auswertungstool wurden die Namen der Personen mit Zusatzinformationen gespeichert. Zusätzlich wurde zu jeder Person ein Auswertungsgrund und eine Skartierungsfrist eingetragen.861

Aufgrund der ersten fünf Auskunftsbegehren und des Umstandes, dass keine weiteren Erkenntnisse zum Verdacht der Körperverletzung vorlagen, gelangte das BVT zur Überzeugung, dass die Speicherung sowie die Auswertung der Daten auf einer falschen rechtlichen Grundlage basierten und somit unzulässig waren. Aus diesem Grund wurden die Daten im Auswertungstool betreffend jene 14 Personen, die zu diesem Zeitpunkt noch kein Auskunftsbegehren gestellt hatten, am 5.4.2011 gelöscht.862 Die Daten der weiteren fünf Personen konnten aufgrund der gesetzlich vorgesehenen, viermonatigen Sperrfrist gemäß § 27 Abs 1 Z 1 iVm § 26 Abs 7 DSG 2000, die mit der Stellung

856195/KOMM XXVI. GP, 5ff: Aussage S. G. (BVT) (2); OStA Wien, Stellungnahme der Leitung des Extremismusreferats zur Speicherung der Daten von Sigrid Maurer, S. 2; AP Garstenauer, Anzeige des LVT Wien vom 22.12.2010, S. 32. 857 VA, Protokoll der Besprechung in der Volksanwaltschaft vom 11.11.2011, S. 10-11. 858 195/KOMM XXVI. GP, 4f: Aussage S. G. (BVT) (2). 859 195/KOMM XXVI. GP, 7: Aussage S. G. (BVT) (2). 860 VA, Protokoll der Besprechung in der Volksanwaltschaft vom 11.11.2011, S. 10. 861195/KOMM XXVI. GP, 4ff: Aussage S. G. (BVT) (2); OStA Wien, Stellungnahme der Leitung des Extremismusreferats zur Speicherung der Daten von Sigrid Maurer, S. 2. 862 OStA Wien, Stellungnahme der Leitung des Extremismusreferats zur Speicherung der Daten von Sigrid Maurer, S. 2.

www.parlament.gv.at 695 der Beilagen XXVI. GP - Ausschussbericht NR - Berichterstattung 207 von 298 203 der Auskunftsbegehren ausgelöst worden war, nicht gelöscht werden.863

Die Löschung der Daten im Auswertungstool zu diesen fünf Personen hätte somit vier Monate nach Stellung des jeweiligen Auskunftsbegehrens erfolgen müssen. Aufgrund technischer Schwierigkeiten ist die Löschung erst am 22.9.2011 beziehungsweise am 29.9.2011 erfolgt.864

Von der Löschung der Daten im Auswertungstool ist die Speicherung in der Aktenverwaltung im EDIS zu unterscheiden. In der Aktenverwaltung im EDIS wurde die Meldung des LVT Wien vom 23.12.2010 bis zum Ende der gesetzlichen Skartierungsfrist gespeichert. Im Rahmen der Prüfung der Zulässigkeit der Datenspeicherung fiel zudem auf, dass zu den 19 Personen unterschiedliche Skartierungsfristen eingetragen waren. Dieser Fehler, der auf eine inkorrekte Eingabe eines Sachbearbeiters zurückgeführt werden konnte, wurde schließlich amtswegig korrigiert.865

5.1.6. Weitere Auskunftsbegehren 2015/2016 Am 26.10.2015 stellte Garstenauer ein weiteres Auskunftsbegehren an das BMI. Aus der am 19.11.2015 erfolgten Auskunftserteilung des BMI ging hervor, dass mit Stichtag 27.10.2015 weiterhin Daten von Garstenauer zur Protestaktion im Parlament im BVT gespeichert waren.866 Aus der Beilage der Auskunftserteilung des BMI ist ersichtlich, dass es sich dabei um Dateneinträge der EDIS-Aktenverwaltung des BVT handelte. Aus diesen Einträgen geht hervor, dass spätestens am 14.10.2011 alle Daten im EDIS-Auswertungstool gelöscht waren.867

Garstenauer stellte am 20.6.2016 einen Antrag auf Löschung gemäß § 1, 27 Abs 1 Z 2 DSG der aufgrund der Protestaktion gespeicherten Datensätze an das BMI.868 Zur Überprüfung, ob das BMI dem Löschungsantrag nachgekommen ist, wurde von Garstenauer noch ein weiteres Auskunftsbegehren gestellt. Mit Auskunft vom 13.12.2016 wurde Garstenauer bestätigt, dass mit Stichtag 4.12.2016 alle ihn betreffenden Daten gelöscht worden waren.869

863 OStA Wien, Stellungnahme der Leitung des Extremismusreferats zur Speicherung der Daten von Sigrid Maurer, S. 2; § 26 Abs 7 Datenschutzgesetz 2000 BGBl. I Nr. 165/1999; VA, Protokoll der Besprechung in der Volksanwaltschaft vom 11.11.2011, S. 11. 864 OStA Wien, Stellungnahme der Leitung des Extremismusreferats zur Speicherung der Daten von Sigrid Maurer, S. 2. 865 195/KOMM XXVI. GP, 8f: Aussage S. G. (BVT) (2). 866 AP Garstenauer, Auskunft des BVT vom 19.11.2015 zum Auskunftsbegehren Garstenauer, S. 10, 15-24. 867 AP Garstenauer, Beilage 2 zur Auskunft des BVT vom 19.11.2015 zum Auskunftsbegehren Garstenauer, S. 21. 868 AP Garstenauer, Antrag auf Löschung vom 20.6.2016, S. 21-22. 869 AP Garstenauer, Auskunft des BVT vom 13.12.2016 zum Auskunftsbegehren Garstenauer, S. 13- 15.

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5.1.7. Extremismusliste In den aufgrund der gestellten Auskunftsbegehren erteilten Auskünften wurde jeweils die betreffende Aktenzahl angeführt. Diese beinhaltete ein Kürzel, welches die BVT-interne Zuordnung zum fallbearbeitenden Referat bezeichnete. In diesem Fall wurde der Akt vom Extremismusreferat des BVT bearbeitet, weshalb die Aktenzahl das Kürzel EX beinhaltete.870

Eine – wie von den auskunftsbegehrenden Personen aufgrund dieses Kürzels angenommene Eintragung – in eine Extremismusliste beziehungsweise Extremismusdatenbank ist nicht erfolgt. Eine derartige Liste beziehungsweise Datenbank existiert im BVT nicht. Aufgrund dieses Missverständnisses wurde dieses System der Aktbezeichnung im BVT zur Vermeidung zukünftiger Fehlinterpretationen geändert.871

5.1.8. Verfahren der Volksanwaltschaft Maurer erhob am 19.9.2011 aufgrund der Verarbeitung ihrer personenbezogenen Daten durch das BVT eine Beschwerde bei der Volksanwaltschaft. Die Volksanwältin Therezija Stoisits, leitete daraufhin ein Prüfverfahren ein und ersuchte die damalige Bundesministerin für Inneres Johanna Mikl-Leitner, mit Schreiben vom 26.9.2011 um Stellungnahme.872

Am 11.11.2011 fand von 9:30 Uhr bis 11:30 Uhr eine Besprechung in der Volksanwaltschaft statt, an der unter anderem Peter Gridling, Walter Grosinger (Leiter der Gruppe II/A BMI – Legistik und Recht), Sigrid Maurer sowie Therezija Stoisits teilnahmen. In dieser Besprechung erklärte Gridling, dass es sich bei der Auswertung der personenbezogenen Daten um einen Fehler eines BVT-Beamten gehandelt habe. Der Beamte habe aufgrund des Verdachts auf Körperverletzung, der in der Meldung des LVT Wien enthalten war, zu Unrecht eine sicherheitspolizeiliche Auswertung der Personendaten gemäß § 53 Abs 1 Z 2 SPG – Abwehr einer kriminellen Verbindung – veranlasst.873

Gridling gab weiters an, dass nunmehr sämtliche Personendaten im Zusammenhang mit der Protestaktion im EDIS gelöscht worden seien. Grosinger erklärte zudem, dass auch die jeweiligen Bezüge in der Aktenverwaltung zu den einzelnen Personen gelöscht worden seien, sodass die Beteiligten im System nicht mehr auffindbar seien und Verknüpfungen mit anderen

870 OStA Wien, Stellungnahme der Leitung des Extremismusreferats zur Speicherung der Daten von Sigrid Maurer, S. 3; 195/KOMM XXVI. GP, 7: Aussage S. G. (BVT) (2). 871195/KOMM XXVI. GP, 7: Aussage S. G. (BVT) (2); OStA Wien, Stellungnahme der Leitung des Extremismusreferats zur Speicherung der Daten von Sigrid Maurer, S. 3. 872 VA, Aufforderung der Volksanwaltschaft zur Stellungnahme vom 26.9.2011, S. 8. 873 VA, Protokoll der Besprechung in der Volksanwaltschaft vom 11.11.2011, S. 10-13.

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Datenanwendungen nicht mehr möglich seien. Am Ende der Besprechung entschuldigte sich Grosinger im Namen des BMI bei Maurer für den Vorfall.874

Am 5.12.2011 übermittelte Stoisits ein Schreiben – samt Stellungnahme der Bundesministerin für Inneres Johanna Mikl-Leitner – an Maurer. Stoisits teilte in diesem Schreiben mit, dass aufgrund der Stellungnahme der Bundesministerin sowie den Erkenntnissen aus der Besprechung vom 11.11.2011 als Ergebnis festzuhalten sei, dass die Beschwerde von Maurer begründet gewesen sei. Die Voraussetzungen für eine sicherheitspolizeiliche Auswertung der personenbezogenen Daten der an der Protestaktion teilnehmenden Aktivisten gemäß § 53 Abs 1 Z 2 SPG seien zweifelsfrei nicht vorgelegen. Das Prüfverfahren werde aufgrund des Wegfalls des Beschwerdegrundes durch die mittlerweile erfolgte Löschung der Daten als abgeschlossen erachtet.875

5.2. Reaktionen und Maßnahmen Im Herbst 2011 gab die damalige Bundesministerin für Inneres Johanna Mikl-Leitner bekannt, dass die Speicherung der Daten rechtswidrig erfolgt sei und sämtliche Daten gelöscht werden würden.876

Die Konsequenz dieses Vorfalls war, dass im BVT das Vier-Augen-Prinzip eingeführt wurde. Danach muss die Einschätzung eines Sachbearbeiters, ob eine Auswertung personenbezogener Daten gemäß § 53 Abs 1 Z 1 bis 6 SPG zulässig ist, in jedem Einzelfall von seinem Vorgesetzten überprüft werden. Zudem ist seither von jedem Sachbearbeiter eine kurze Ausführung des Speichergrundes gemäß § 53 Abs 1 SPG anzugeben, sofern nicht ohnehin eine umfassende Gefährderanalyse vorliegt, auf die Bezug genommen werden kann.877

Zur Prävention solcher Vorfälle wurden im BVT folgende Maßnahmen umgesetzt: die Erstellung eines Handbuchs mit Richtlinien zur Datenauswertung, die Anpassung des EDIS, die Einführung eigener Schulungsprogramme, die Evaluierung gespeicherter Datensätze sowie die Einrichtung eines eigenen Auswertungsreferats.878

5.3. Fazit In dieser Causa konnte weder eine abgestimmte, politisch motivierte Einflussnahme auf die

874 a.a.O. 875 VA, Schreiben der Volksanwaltschaft an Maurer vom 5.12.2011, S. 14-15. 876 192/KOMM XXVI. GP, 4: Aussage Garstenauer. 877 a.a.O.; 196/KOMM XXVI. GP, 14: Aussage Gridling (2). 878 196/KOMM XXVI. GP, 14: Aussage Gridling (2).

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Datenverwendung durch das BVT nachgewiesen, noch konnten Beteiligungen von Organwaltern, Mitarbeitern politischer Büros oder sonstigen Bediensteten des BMI an Rechtsverletzungen durch Beamte des BVT manifestiert werden.

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6. Causa Tierschützer 6.1. Einleitung Beim Wiener Neustädter Tierschützerprozess handelt es sich um eines der größten Gerichtsverfahren der Zweiten Republik, das sowohl rechtlich als auch medial und wissenschaftlich bereits umfassend aufgearbeitet wurde. Aufgabe des Untersuchungsausschusses war es in Zusammenhang mit der Causa Tierschützer daher nicht, den Gerichtsprozess neu aufzurollen, sondern die Frage einer möglichen politischen Einflussnahme zu beleuchten. In diesem Kapitel des Berichts werden daher keinesfalls sämtliche Aspekte des Ermittlungs- und des Hauptverfahrens dargestellt beziehungsweise analysiert. Die Fragen, die hier beleuchtet werden, müssen vielmehr erstens die Möglichkeit einer abgestimmten parteipolitischen Einflussnahme betreffen sowie zweitens einen Konnex zu einem oder mehreren von folgenden Punkten aufweisen:

 zum BVT als Behörde im Allgemeinen,  zu Datenverwendung im BVT,  zur den Ermittlungen im Extremismusreferat des BVT und/oder  zur Zusammenarbeit des BVT mit anderen inländischen Behörden, insbesondere mit den Landesämtern für Verfassungsschutz.

Nicht bewerten darf der Untersuchungsausschuss nach Art 53 Abs 2 B-VG hingegen Fragen, die der unabhängigen Rechtsprechung unterliegen. Insbesondere zählt hierzu die Beurteilung von Tatverdachtslagen, über die bereits rechtskräftig entschieden wurde. Die rechtskräftigen Freisprüche der ehemals angeklagten Tierschutzaktivisten werden daher nicht hinterfragt. Im Unterschied dazu stellt die Einstellung von Verfahren regelmäßig Verwaltungshandeln und kein Handeln der unabhängigen Rechtssprechung dar.

Im Verlauf der Befragungen durch den Untersuchungsausschuss zur Causa Tierschützer äußerten mehrere Auskunftspersonen, insbesondere Martin Balluch879, Christian Moser880, Stefan Traxler881 und Jürgen Stadler882 in unterschiedlicher Intensität den Verdacht, dass eine abgestimmte, politisch motivierte Einflussnahme auf die Ermittlungen vor dem Tierschützerprozess stattgefunden habe. Diesen Verdacht machten sie vor allem an unsachlichen Argumentationen der Ermittlungsbehörden für Verdachtsmomente, hochintensiven Ermittlungsmaßnahmen, Verweigerung von Rechten wie Akteneinsicht oder Zurückerlangung beschlagnahmter Daten sowie der aus der Komplexität und Vielzahl der

879 201/KOMM XXVI. GP, 7f: Aussage Balluch. 880 202/KOMM XXVI. GP, 6ff: Aussage Moser. 881 203/KOMM XXVI. GP, 4ff: Aussage Traxler. 882 210/KOMM XXVI. GP, 4ff: Aussage Stadler.

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Vorwürfe resultierenden langen Verfahrensdauer fest. Im Wesentlichen gilt es, dieser Frage nach unsachlicher, politisch motivierter, abgestimmter Einflussnahme auf die Causa Tierschützer nachzugehen, indem jene Sachverhalte, die Indizien für eine derartige Einflussnahme darstellen könnten, aufgezeigt und anschließend gewürdigt werden.

6.2. Grundsätzlicher Überblick über den Tierschützerprozess Als Wiener Neustädter Tierschützerprozess wird ein im ersten Rechtsgang von März 2010 bis Mai 2011 geführter Strafprozess gegen 13 Tierschutzaktivisten vor dem Landesgericht Wiener Neustadt bezeichnet, dem polizeiliche Ermittlungen seit Ende 2006 vorangegangen waren. Die Anklage beruhte – neben konkreten Einzelvorwürfen wie Nötigung und Sachbeschädigung – vorwiegend auf dem pauschalen Vorwurf, die Tierschützer hätten eine kriminelle Organisation nach § 278a StGB gebildet, die für mehr als 200 Straftaten über einen Zeitraum von zwölf Jahren verantwortlich gewesen sei.883 Der Sachbearbeiter der Causa Tierschützer bei der Staatsanwaltschaft Wiener Neustadt war im Übrigen Wolfgang Handler. Es handelt sich um denselben Staatsanwalt, der zehn Jahre später als Gruppenleiter der WKStA in der Causa BVT tätig wurde.

Die lange Ermittlungsdauer, die Verhaftungen von zehn beschuldigten Tierschützern und die Vielzahl der Hausdurchsuchungen vom 21.5.2008 verursachten österreichweit Proteste und mediale Kritik. Die Öffentlichkeit stieß sich zudem an der langen Dauer der Untersuchungshaft, zumal die Beschuldigten bis zu 105 Tage inhaftiert worden waren.884 Weiters wurde im Zuge des Verfahrens der „Mafiaparagraf“ – § 278a StGB – öffentlich kritisiert, weil dieser zwar zur Bekämpfung der organisierten Kriminalität eingeführt worden war, aber aufgrund seiner weiten Formulierung auch gegen NGOs verwendet werden konnte, wie der Tierschützerprozess gezeigt hatte.885

Am 2.5.2011 wurden die Angeklagten in erster Instanz in sämtlichen Anklagepunkten freigesprochen.886 Trotz einer teilweisen Berufung durch die Staatsanwaltschaft Wiener

883 BMVRDJ, erstinstanzliches Urteil des LG Wiener Neustadt vom 2.5.2011 im Tierschützerprozess mit der Aktenzahl 41 Hv 68/09z = 41 Hv 3/10t, S. 54ff. 884 vgl zB Metzker, „Widerstand unerwünscht“: Der Wiener Neustädter Tierschützerprozess im Spiegel der österreichischen Printmedien, Magisterarbeit an der Universität Wien, 2015, http://othes.univie.ac.at/39484/1/2015-09-16_0608275.pdf; „Die Presse“ vom 14.7.2008, „Skandal oder Justizalltag: Der Klub der toten Tierschützer“, https://diepresse.com/home/panorama/oesterreich/398260/Skandal-oder-Justitzalltag_Der-Klub-der- toten-Tierschuetzer. 885 vgl zB „Der Standard“ vom 14.7.2013, „ Mafia-Paragraf: Das Sieben-Worte-Reförmchen“, https://derstandard.at/1373512582622/Mafiaparagraf-Das-Sieben-Worte-Refoermchen. 886 BMVRDJ, erstinstanzliches Urteil des LG Wiener Neustadt vom 2.5.2011 im Tierschützerprozess mit der Aktenzahl 41 Hv 68/09z = 41 Hv 3/10t, S. 54ff.

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Neustadt gegen dieses Urteil und eines darauffolgenden zweiten Rechtsgangs (hinsichtlich der konkreten Einzelvorfälle) wurde auch in der letzten verbleibenden Teilanklage am 27.5.2014 der Freispruch in allen Punkten bestätigt.887

Das Erstgericht stellte in seinem Urteil vom 2.5.2011 klar, dass die Angeklagten durch legale Aktivitäten beziehungsweise Aktionen des zivilen Ungehorsams im Rahmen einer Protestbewegung politische Ziele für den Tierschutz verfolgen, jedoch keineswegs eine kriminelle Organisation bilden.888

Eine Folge des Verfahrens war eine Reform des § 278a StGB, die dazu dienen sollte, dass künftig NGOs oder gemeinnützige Vereine nicht mehr unter den „Mafiaparagrafen“ subsumiert werden können.889

6.3. Die Auseinandersetzung des BVT mit militanten Tierrechtsaktivisten 6.3.1. Die Verfassungsschutzberichte von 1997 bis 2009 1997 erfasste das BVT erstmals Aktivitäten militanter Tierrechtsgruppen im jährlichen Verfassungsschutzbericht. Ab diesem Zeitpunkt ist daher von einer Beobachtung der militanten Tierrechtsszene durch das BVT auszugehen.890 Die Beobachtungen der Tierrechtsszene durch das BVT erfolgten unter anderem durch die verdeckte Beteiligung von BVT- und LVT-Beamten an Demonstrationen und anderen Veranstaltungen von Tierschützern.891

Für das BVT sind militante Tierschützer Personen, die grundsätzlich ein anerkanntes Ziel, nämlich den Tierschutz, verfolgen. Jedoch verstoße die Art, wie sie ihre Ziele zu erreichen gedenken, gegen die Rechtsordnung. Diese Aktivisten würden die verfassungsmäßig gewährleisteten Grundrechte in Bezug auf die von ihnen vertretenen Bereiche ablehnen und versuchen, ihre Ziele auch gewaltsam durchzusetzen.892 Propagiertes Ziel militanter Tierschützer sei es, die Rechte der Tiere zu schützen und mit öffentlichen Aktionen die Bevölkerung auf die Leiden der Tiere, verursacht durch nicht artgerechte Aufzucht, Haltung oder Transport sowie grausamer Tierversuche, aufmerksam zu machen. Um über

887 Metzker, 64f; „Kurier“ vom 27.5.2014, „Justiz-Pleite im Tierschützer-Prozess“, https://kurier.at/chronik/niederoesterreich/justiz-pleite-im-tierschuetzer-prozess/67.623.516. 888 BMVRDJ, erstinstanzliches Urteil des LG Wiener Neustadt vom 2.5.2011 im Tierschützerprozess mit der Aktenzahl 41 Hv 68/09z = 41 Hv 3/10t, S. 190. 889 „Der Standard“ vom 14.7.2013, „ Mafia-Paragraf: Das Sieben-Worte-Reförmchen“, https://derstandard.at/1373512582622/Mafiaparagraf-Das-Sieben-Worte-Refoermchen. 890 Verfassungsschutzbericht 1997, S. 37, https://www.bvt.gv.at/401/files/Verfassungsschutzbericht1997.pdf. 891 201/KOMM XXVI. GP, 8f: Aussage Balluch. 892 a.a.O.

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Medienberichterstattung Druck auf den Gesetzgeber und die Wirtschaft auszuüben, bediene man sich Provokationen bei öffentlichen Kundgebungen, die in Beschimpfungen und Beleidigungen von Passanten, gewaltsamen und rechtswidrigen Anhaltungen von Tiertransportern, bei denen Sachbeschädigungen begangen werden, sowie Drohungen und Anschlägen gipfelten.893

Nach der Einschätzung des BVT bis zum Jahr 2009 handelte es sich bei militanten Tierrechtsgruppen um ein weltweites Phänomen, das von einer „Dualstrategie“ geprägt sei. Die radikalen Tierschützer würden sich einerseits an legalen Tätigkeiten wie Versammlungen beteiligen, andererseits aber auch Straftaten zur Zielerreichung begehen.894

In den jährlichen Verfassungsschutzberichten bis zum Jahr 2008 dokumentierte das BVT zahlreiche Straftaten, darunter schwere Sachbeschädigungen, Brandstiftungen und Nötigungen, die aufgrund von Anschlagszielen, modi operandi und Bekennerschreiben militanten Tierrechtlern zugeordnet wurden.895

Ab dem Jahr 2008 gingen die Straftaten aus dem Bereich der Tierrechtsszene stark zurück, während die legalen Protestaktionen und Demonstrationen fortgeführt wurden, was sich auch in den jährlichen Verfassungsschutzberichten niederschlug.896

6.3.2. Kritik der Volksanwaltschaft an Verfassungsschutzberichten Das BVT unterschied in seinen jährlichen Berichten grundsätzlich zwischen gewalttätigen Handlungen radikaler Aktivisten einerseits und friedlichen Aktionen von rechtstreuen Anhängern des Tierschutzes andererseits. In mehreren Berichten wurde darauf hingewiesen, dass über die Jahre zwar immer wieder Mitglieder radikaler Tierschutzorganisationen wegen der Begehung gerichtlich strafbarer Handlungen in Zusammenhang mit Demonstrationen angezeigt worden seien, sich aber kein Hinweis dafür ergebe, dass diese Aktivisten auch für Sachbeschädigungen gegen Geschäfte der Pelz-, Nahrungs- und Genussmittelindustrie verantwortlich oder an solchen beteiligt gewesen seien.897

893 Verfassungsschutzbericht 1998, S. 54f, https://www.bvt.gv.at/401/files/Verfassungsschutzbericht1998.pdf. 894 BMVRDJ, erstinstanzliches Urteil des LG Wiener Neustadt vom 2.5.2011 im Tierschützerprozess mit der Aktenzahl 41 Hv 68/09z = 41 Hv 3/10t, S.173. 895 Verfassungsschutzbericht 1998, S. 54f, https://www.bvt.gv.at/401/files/Verfassungsschutzbericht1998.pdf; BVT, Verfassungsschutzberichte, https://www.bvt.gv.at/401/. 896 Verfassungssuchtzbericht 2009, S. 18f, https://www.bvt.gv.at/401/files/Verfassungsschutzbericht2010Berichtszeitraum2009.pdf; 214/KOMM XXVI. GP, 16: Aussage S. G. (BVT) (3). 897 a.a.O.

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Trotz dieser grundsätzlichen Unterscheidung zwischen friedlichen und gewaltbereiten Tierschützern kritisierte im Jahr 2007 die Volksanwaltschaft (VA) das BVT aufgrund einer Beschwerde von Martin Balluch, Obmann des Vereins gegen Tierfabriken (VGT), in ihrem Bericht an den Nationalrat und den Bundesrat. Der Kritikpunkt bestand in der mangelnden Präzision in den Verfassungsschutzberichten 2005 und 2006 betreffend Tierschutzaktionen.898

Martin Balluch hatte sich bei der VA unter anderem über die aus seiner Sicht unpräzise Berichterstattung über den VGT durch das BVT beschwert. Er brachte vor, dass in den Verfassungsschutzberichten 2005 und 2006 nicht hinreichend zwischen militanten und friedlichen Aktivisten unterschieden worden sei. Der Bericht 2005 habe sogar den Eindruck erweckt, dass der VGT in direktem Zusammenhang mit terroristischen Aktivitäten stehe, obwohl dieser Punkt im Verfassungsschutzbericht 2007 nach einer Beschwerde von Balluch an das BMI bereits entschärft worden sei.899

Nach Einschreiten der VA räumte das Bundesministerium für Inneres ein, dass die unklare Abgrenzung zwischen Tierschützern, die sich im Rahmen der Rechtsordnung bewegen, und militanten Tierrechtlern zu Missverständnissen führen könne. Dementsprechend habe man sich zu einer präziseren Terminologie durchgerungen und werde ab dem Verfassungsschutzbericht 2007 die relevante Szene durch Beifügung des Attributs „militant“ genauer beschreiben.900

Diese Kritik der Volksanwaltschaft, über die Maria Fekter in ihrer Befragung vor dem Untersuchungsausschuss Auskunft gab, erfolgte nicht in einem formellen Prüfverfahren, weil sich Balluch grundsätzlich über aktuelle Vorgänge der Vollziehung beschwert hatte. Es ist der VA nämlich nicht erlaubt, eine begleitende Kontrolle über ein laufendes Verfahren auszuüben. Formelle Prüfverfahren können immer erst im Nachhinein eingeleitet werden. Um die berechtigte Kritik dennoch in den Bericht der Volksanwaltschaft aufnehmen zu können, stützte sich die VA auf bereits abgeschlossene Verfassungsschutzberichte, nämlich jene aus 2005 und 2006.901

Die Kritik der VA ist als Anregung einer semantischen Klarstellung zu verstehen und bezog sich darauf, das Wort „militant“ zu verwenden, um eindeutig zwischen friedlichen und radikalen

898 Bericht der Volksanwaltschaft an den Nationalrat und Bundesrat 2007, S. 214f, https://volksanwaltschaft.gv.at/downloads/cfhu7/Parlamentsbericht%202007.pdf; 219/KOMM XXVI. GP, 4f: Aussage Fekter. 899 Bericht der Volksanwaltschaft an den Nationalrat und Bundesrat 2007, S. 214f, https://volksanwaltschaft.gv.at/downloads/cfhu7/Parlamentsbericht%202007.pdf. 900 a.a.O. 901 219/KOMM XXVI. GP, 4f: Aussage Fekter.

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Tierschützern unterscheiden zu können. Das BVT folgte dieser Anregung in künftigen Verfassungsschutzberichten.902

6.3.3. Fazit Es gibt keinerlei Hinweise darauf, dass die ursprünglich unpräzise, mittlerweile aufgrund der Kritik der VA präzisierte, Ausdrucksweise des BVT betreffend die Tierrechtsszene einen Ursprung in irgendeiner Form der abgestimmten, (partei)politisch motivierten Einflussnahme hätte. Da weder die gelieferten Akten noch die Befragungen der Auskunftspersonen zur Causa Tierschützer auch nur ansatzweise in Richtung abgestimmter, politisch motivierter Einflussnahme auf die Verfassungsschutzberichte beziehungsweise die allgemeine Auseinandersetzung des BVT mit militanten Tierrechtsgruppen hindeuteten, kann davon ausgegangen werden, dass keine derartige Einflussnahme in diesem Bereich erfolgte.

6.4. Die Anti-Pelz-Kampagne der OGPI gegen Kleider Bauer Ab Oktober 2006 war die Textilkette Kleider Bauer das Ziel einer Anti-Pelz-Kampagne verschiedener Tierrechtsvereine (darunter der VGT903 und Vier Pfoten904) im Rahmen der Offensive gegen die Pelzindustrie (OGPI).905

Die Offensive gegen die Pelzindustrie ist eine seit 2001 bestehende internationale Kampagnengruppe, die für die vollständige Abschaffung des Pelzhandels eintritt. Sie ist hauptsächlich in Deutschland, Österreich und der Schweiz aktiv und war seit ihrer Gründung am Ausstieg aus dem Pelzhandel von Unternehmen wie Escada, Vögele, Gerry Weber, Peek & Cloppenburg, C&A, Schöps, KarstadtQuelle, Otto-Versand et cetera maßgeblich beteiligt.906 Die Kampagnentätigkeit der OGPI besteht aus legalen Protestformen sowie Aktionen des zivilen Ungehorsams, bei denen auch Verwaltungsübertretungen, nicht aber strafrechtlich relevantes Verhalten in Kauf genommen werden.907

902 219/KOMM XXVI. GP, 4f: Aussage Fekter. 903 204/KOMM XXVI. GP, 4f: Aussage Graf; Vgl die Website des VGT, https://vgt.at/actionalert/KleiderBauer/index.php. 904 204/KOMM XXVI. GP, 8: Aussage Graf. 905 Metzker, Widerstand unerwünscht: Der Wiener Neustädter Tierschützerprozess im Spiegel der österreichischen Printmedien (Magisterarbeit), 2015, S. 46, http://othes.univie.ac.at/39484/1/2015-09- 16_0608275.pdf. 906 201/KOMM XXVI. GP, 48f: Aussage Balluch; 204/KOMM XXVI. GP, 4f, 17fff, 33f: Aussage Graf; N.N., Offensive gegen die Pelzindustrie: Erfolgreiche Kampagnen, 2009, https://offensive-gegen-die- pelzindustrie.net/wordpress/?s=bauer; auch zitiert in Metzker, Widerstand unerwünscht: Der Wiener Neustädter Tierschützerprozess im Spiegel der österreichischen Printmedien (Magisterarbeit), 2015, S. 47, http://othes.univie.ac.at/39484/1/2015-09-16_0608275.pdf. 907 N.N., Offensive gegen die Pelzindustrie: Erfolgreiche Kampagnen, 2009, https://offensive-gegen-die- pelzindustrie.net/wordpress/?s=bauer; auch zitiert in Metzker, Widerstand unerwünscht: Der Wiener Neustädter Tierschützerprozess im Spiegel der österreichischen Printmedien (Magisterarbeit), 2015, S.

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Kleider Bauer war 2006 Österreichs größtes Modeunternehmen. Die OGPI wollte mit ihrer Kampagne die Beendigung des Verkaufs von Echtpelzen in sämtlichen Filialen des Modehauses erreichen.908 Die Wahl der Firma Kleider Bauer als Protestziel begründet die OGPI wie folgt:

„Auf wiederholte schriftliche Anfragen der Offensive gegen die Pelzindustrie hat die Geschäftsführung nicht reagiert. Auch war es VertreterInnen der Offensive, obwohl sie darum gebeten hatten, nie möglich mit relevanten EntscheidungsträgerInnen von Kleider Bauer zu sprechen. Telefonische Anfragen wurden stets abgelehnt, obwohl die jeweiligen Personen offensichtlich vor Ort waren. All dies zeigt, dass die Geschäftsführung von Kleider Bauer kein Interesse daran hat, das Thema Pelz, und damit das Schicksal von unzähligen Tieren, zu diskutieren oder nur zu überdenken. Aus diesem Grund wurde Kleider Bauer als nächstes Ziel der Offensive gegen die Pelzindustrie in Österreich ausgewählt. Mit vielfältigen Protesten werden wir auch Kleider Bauer dazu bewegen, den Pelzhandel zu beenden.“909

Die Proteste gegen Kleider Bauer durch die OGPI waren vielfältig und vor allem zahlreich. Im Aktionsarchiv der OGPI finden sich von Oktober 2006 bis März 2009 Hunderte eingetragene Aktionen. Den mit Abstand größten Teil bildeten Demonstrationen vor Geschäftsfilialen der Firma Kleider Bauer. Damit einhergehend wurde die Geschäftsführung des Unternehmens immer wieder per E-Mail dazu aufgefordert, den Handel mit Echtpelzen zu beenden. Es wurden auch Informationsstände über die Pelzindustrie gemacht, welche unmittelbar vor den Bekleidungsgeschäften aufgebaut wurden. Zudem gab es Flugblattaktionen und Kundgebungen.910

Der Großteil der Protestkundgebungen erfolgte angemeldet. Am 26.4.2007 kam es zu einer nicht angemeldeten Demonstration vor dem Wohnhaus des Kleider-Bauer-Geschäftsführers Peter Graf, bei der es laut anschließendem Polizeibericht weder zu Sachbeschädigungen noch Bedrohungsäußerungen kam. Allerdings fühlte sich der betroffene Firmenchef durch die Proteste vor seiner Haustüre massiv unter Druck gesetzt.911

47, http://othes.univie.ac.at/39484/1/2015-09-16_0608275.pdf. 908 Metzker, Widerstand unerwünscht: Der Wiener Neustädter Tierschützerprozess im Spiegel der österreichischen Printmedien (Magisterarbeit), 2015, S. 46, http://othes.univie.ac.at/39484/1/2015-09- 16_0608275.pdf. 909 N.N., Offensive gegen die Pelzindustrie: Erfolgreiche Kampagnen, 2009, https://offensive-gegen- die-pelzindustrie.net/wordpress/?s=bauer; auch zitiert in Metzker, Widerstand unerwünscht: Der Wiener Neustädter Tierschützerprozess im Spiegel der österreichischen Printmedien (Magisterarbeit), 2015, S. 46, http://othes.univie.ac.at/39484/1/2015-09-16_0608275.pdf. 910 204/KOMM XXVI. GP, 4ff: Aussage Graf; N.N., Offensive gegen die Pelzindustrie: Erfolgreiche Kampagnen, 2009, https://offensive-gegen-die-pelzindustrie.net/wordpress/?s=bauer; auch zitiert in Metzker, „Widerstand unerwünscht“: Der Wiener Neustädter Tierschützerprozess im Spiegel der österreichischen Printmedien (Magisterarbeit), 2015, S. 47, http://othes.univie.ac.at/39484/1/2015-09- 16_0608275.pdf. 911 „Falter“ vom 10.9.2008: „Der Terror gegen Peter Graf“, S. 10, https://www.falter.at/archiv/wp/der- terror-gegen-peter-graf; zitiert in Metzker, „Widerstand unerwünscht“: Der Wiener Neustädter

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Auch Aktionen des zivilen Ungehorsams gehören zum Methodenspektrum der OGPI. Darunter ein „run-in“, bei dem Papierschnipsel mit Parolen gegen Pelz verstreut wurden, eine „direct action“, bei der sich zwei Aktivisten vor dem Eingang einer Filiale auf der Wiener Mariahilfer Straße anketteten, während Mitstreiter Flugblätter verteilen, die auf den Pelzverkauf bei Kleider Bauer hinwiesen, mehrere Plakataktionen an stark frequentierten Plätzen sowie unangemeldete Kundgebungen und Flugblattaktionen bei Modeschauen.912

Die Kampagne der OGPI gegen Kleider Bauer begann im Oktober 2006 mit einem Voting. Nachdem die vorhergehende Kampagne gegen Peek & Cloppenburg mit dem Ergebnis beendet worden war, dass das genannte Unternehmen seinen Pelzverkauf einstellte, suchte die OGPI nach neuen Zielen. Bei einem Onlinevoting wurde Kleider Bauer als das Ziel auserkoren.913

In einem Aufforderungsschreiben per E-Mail vom 4.10.2006 teilte der VGT für die OGPI den Geschäftsführern von Kleider Bauer Folgendes mit:

„Sie haben jetzt bis Montag nächster Woche Zeit sich zu entscheiden. Im Moment ist Kleider Bauer der Favorit. Das bedeutet, dass wir wahrscheinlich eine Kampagne gegen Kleider Bauer starten werden, außer es gibt einen Pelzausstieg. Der VGT ist einer der größten und wahrscheinlich der aktivsten Tierschutzvereine in Österreich. Unsere Reichweite ist enorm, der Imageschaden für Kleider Bauer wäre beträchtlich: [...] Abschließend möchte ich noch sagen, dass es noch nie einer Firma gelungen ist, weiterhin Pelz zu verkaufen, wenn die Offensive eine Kampagne gestartet gegen sie hat. Ich würde ihnen deshalb dringend empfehlen bald auszusteigen, so ersparen Sie sich einiges!“914

In einem weiteren E-Mail vom 13.10.2006 ließ die OGPI Kleider Bauer wissen, dass nun die letzte Möglichkeit einer Stellungnahme bestehe:

„Daher bieten wir Ihnen an, sich innerhalb von drei Tagen bei uns mit einem Angebot zum Ausstieg aus dem Pelzhandel zu melden.“915

Vier Tage später, am 17.10.2006, erhielt Graf ein weiteres E-Mail: „Wenn Sie nicht bis Donnerstag ein von den Graf Gebrüdern unterschriebenes Fax an“ folgende Adresse „schicken, welches dieses Attachment enthält, geht’s los.“916

Tierschützerprozess im Spiegel der österreichischen Printmedien (Magisterarbeit), 2015, S. 47, http://othes.univie.ac.at/39484/1/2015-09-16_0608275.pdf. 912 Metzker, Widerstand unerwünscht: Der Wiener Neustädter Tierschützerprozess im Spiegel der österreichischen Printmedien (Magisterarbeit), 2015, S. 47, http://othes.univie.ac.at/39484/1/2015-09- 16_0608275.pdf. 913 204/KOMM XXVI. GP, 4f: Aussage Graf. 914 a.a.O., S. 5. 915 a.a.O., S. 5. 916 a.a.O., S. 5.

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Da Kleider Bauer den Aufforderungen nicht entsprach, begann die OGPI mit Demonstrationen.917 Anders als frühere Adressaten von Anti-Pelz-Kampagnen, wie etwa Peek & Cloppenburg, konnte OGPI die Geschäftsführer von Kleider Bauer bis zum Ende der Beweisaufnahme durch den Untersuchungsausschuss nicht zum Ausstieg aus dem Pelzhandel bewegen.918

6.5. Demonstrationen und Demonstrationsverbote 2006/2007 6.5.1. Allgemeines Seit Beginn der Kampagne der OGPI gegen den Pelzverkauf durch das Unternehmen Kleider Bauer hielten Beteiligte der genannten Kampagne regelmäßig Demonstrationen vor Kleider- Bauer-Filialen ab.919 Die erste derartige Demonstration fand am 27.10.2006 vor der Unternehmenszentrale in Perchtoldsdorf statt.920

Ab dem darauffolgenden Tag, dem 28.10.2006, wurden vor den Filialen in Graz, Wels, Linz, Salzburg, Innsbruck, Bruck an der Mur, Wiener Neustadt, St. Pölten und an vier Standorten in Wien Demonstrationen durchgeführt. Es wurden bis zum Jahr 2013 beziehungsweise an manchen Orten sogar 2023 Demonstrationen im Vorhinein angemeldet. Es gibt nach wie vor noch sporadisch Demonstrationen vor Kleider-Bauer-Geschäften.921

6.5.2. Untersagung von Demonstrationen Da er die Demonstrationen der Tierschützer direkt vor den Eingangsportalen der Kleider- Bauer-Filialen als geschäftsschädigend und störend empfand, trat Peter Graf im November 2006 in Kontakt mit dem Büro für Vereins-, Versammlungs- und Medienrechtsangelegenheiten der Bundespolizeidirektion Wien (BVVM). Er wollte sich darüber erkundigen, wie mit Anmeldungen von Demonstrationen für mehrere Jahre im Voraus umzugehen sei und was man dagegen tun könne.922

Am 17.11.2006 fand zwischen Rudolf Müllebner, dem damaligen Leiter des BVVM Stefan Kittinger, einem Referenten des BVVM, und Peter Graf eine kurzfristig anberaumte Besprechung statt. Besprechungsgegenstand waren die „Dauerdemos“ (gemeint: die für viele Jahre im Voraus angekündigten Versammlungen) vor den Filialen von Kleider Bauer. Graf

917 a.a.O., S. 5. 918 a.a.O., S. 5. 919 201/KOMM XXVI. GP, 8: Aussage Balluch. 920 204/KOMM XXVI. GP, 5: Aussage Graf. 921 a.a.O., S. 5. 922 BPD Wien, Aktenvermerk von Rudolf Müllebner vom 24.11.2006 über eine Besprechung mit Peter Graf vom 17.11.2006, http://albertsteinhauser.at/wp-content/uploads/2011/01/PK- Tiersch%C3%BCtzerprozess-Pressemappe.pdf; 204/KOMM XXVI. GP, 16f: Aussage Graf.

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wurde von den beiden Polizeibeamten darüber belehrt, dass es sich bei den Demonstrationen rechtlich gesehen um Versammlungen handle, die nicht untersagt werden könnten, wenn nicht bereits in der Anzeige Gefährdungselemente erkennbar seien. Die Versammlungen seien daher zur Kenntnis zu nehmen, und es sei generell davon auszugehen, dass der Veranstalter die Versammlungen im gesetzlichen Rahmen durchführe und gegebenenfalls durch Ordner für die Einhaltung der gesetzlichen Bestimmungen sorge. Eine Anzeige von Versammlungen über mehrere Jahre im Voraus könne jedoch keine Reservierung des Versammlungsortes darstellen. Falls ein anderer Veranstalter eine Versammlung am selben Ort anmelden würde, würde eine Besprechung durchgeführt und gegebenenfalls eine Aufforderung zur Verlegung des Ortes oder der Zeit der Versammlung erteilt werden. Weiters wurde Graf über mögliche Versammlungsverläufe und deren Rechtsfolgen informiert. Ihm wurde mitgeteilt, dass ein Behördenauftrag gegenüber dem Landespolizeikommando Wien bestehe, entsprechend einzuschreiten und Vorfälle zu dokumentieren. Graf solle im Übrigen Selbstvorsorge durch Maßnahmen des Personen- und Objektschutzes treffen.923

Nach dieser Besprechung gab es im Dezember 2006 eine Phase von circa zwei Monaten, in der keine Demonstrationen vor Eingängen von Kleider-Bauer-Filialen stattfinden durften.924 Das damalige „Demo-Verbot“ wurde nicht nur von Peter Graf als solches wahrgenommen, sondern auch von den Tierschützern selbst. Die Untersagung der Versammlungen wurde auch medial dokumentiert, wobei die Medien die Untersagungen großteils als schikanös gegenüber den Tierschützern darstellten.925

Es kann nicht festgestellt werden, ob zwischen der Besprechung und der kurzfristigen Untersagung ein kausaler Zusammenhang bestand. Die Auskunftsperson Peter Graf hatte dazu keine Wahrnehmungen. Andere Auskunftspersonen wurden hierzu nicht befragt, sodass die übrigen Befragungen keinen Beitrag zur Beantwortung dieser Frage leisten konnten. In den Dokumenten findet sich ebenfalls kein ersichtlicher Hinweis darauf, dass das BVVM irgendwelche Wünsche von Graf umgesetzt hätte. Das zitierte Besprechungsprotokoll enthält auch keine Hinweise darauf, dass Graf Wünsche für ein bestimmtes Verhalten der Versammlungsbehörde geäußert hätte. Für die Neutralität des BVVM spricht, dass Graf auf

923 BPD Wien, Aktenvermerk von Rudolf Müllebner vom 24.11.2006 über eine Besprechung mit Peter Graf vom 17.11.2006, http://albertsteinhauser.at/wp-content/uploads/2011/01/PK- Tiersch%C3%BCtzerprozess-Pressemappe.pdf; BMVRDJ, Zeugenvernehmung von Rudolf Müllebner im Tierschützerprozess, S. 26; 204/KOMM XXVI. GP, 16f, 28f: Aussage Graf. 924 204/KOMM XXVI. GP, 16f: Aussage Graf; 201/KOMM XXVI. GP, 4, 21: Aussage Balluch; 207/KOMM XXVI. GP, 6: Aussage Bogner; 208/KOMM XXVI. GP, 8f, 14f: Aussage E. Z. (LVT); 284/J XXIII. GP, Parlamentarische Anfrage vom 26.1.2007 zu den Untersagungen von Versammlungen zum Thema „Aufklärung über das Leid der Pelztiere“, https://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXIII/J/J_00284/fname_072197.pdf. 925 „Der Standard“ vom 20.2.2007: „Demo-Verbot“, https://derstandard.at/2705678/Demo-Verbot- aufgehoben.

www.parlament.gv.at 695 der Beilagen XXVI. GP - Ausschussbericht NR - Berichterstattung 221 von 298 217 die Rechtslage hinsichtlich der Anmeldung, Untersagung und Abhaltung von Versammlungen hingewiesen wurde.

6.5.3. Parlamentarische Anfrage zur Untersagung von Versammlungen 6.5.3.1. Inhalt der Anfrage vom 26.1.2007 Aufgrund des Demonstrationsverbotes stellte eine ehemalige Abgeordnete zum Nationalrat eine parlamentarische Anfrage betreffend Untersagungen von Versammlungen zum Thema „Aufklärung über das Leid der Pelztiere“ an den damaligen Bundesminister für Inneres Günther Platter.926

Gemäß der Anfrage seien dem VGT von der Bundespolizeidirektion Wien (Büro für Vereins-, Versammlungs- und Medienrechtsangelegenheiten) Demonstrationen zur „Aufklärung über das Leid der Pelztiere“ vor Kleider-Bauer-Filialen untersagt worden. Als Begründung sei im Bescheid vom 8.12.2006 (Zahl III-Vs-242/VVM/2006) angeführt worden, dass der VGT in den letzten Jahren der „Bannerträger“ der länderübergreifend organisierten Kampagne „Offensive gegen die Pelzindustrie“ in Wien gewesen sei. Ferner sei darauf hingewiesen worden, dass in der Nacht vom 30.11.2006 in einer Kleider-Bauer-Filiale in Wien 12 von unbekannten Tätern sämtliche Schaufensterscheiben zerstört worden seien und die Täter eindeutig dem Dunstkreis von radikalen Tierschützern zuzuordnen seien. Es sei zu befürchten, dass durch die Abhaltung der angezeigten Versammlung das Eigentum der Firma Kleider Bauer und die persönliche Integrität deren Mitarbeiter, sohin die öffentliche Sicherheit gefährdet sei. Auch sei nicht auszuschließen, dass sich diesen Versammlungen militant eingestellte Tierschützer anschließen und es wiederum zu schweren Beschädigungen oder sogar zu Angriffen auf die Mitarbeiter kommen könnte, die möglicherweise auch von der Exekutive nicht mehr verhindert werden könnten.927

Nach Argumentation der Anfragestellerin seien die Befürchtungen der Versammlungsbehörde im Lichte der vorher zahlreich erfolgten Demonstrationen des VGT (Infotisch mit Zelt, Flugblättern, Plakatständern und Filmen, die das Leid der Pelztiere dokumentieren), die vollkommen friedlich verlaufen wären, völlig überzogen gewesen. Im Vorfeld einer Kundgebung am 14.12.2006 seien sogar Aktivisten, die Flugblätter verteilt hätten, von Beamten des Landesamtes für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (LVT) angehalten, zur Ausweisleistung aufgefordert, mit Festnahme bedroht und vom Platz

926 201/KOMM XXVI. GP, 4, 21: Aussage Balluch; 207/KOMM XXVI. GP, 6: Aussage Bogner; 208/KOMM XXVI. GP, 8f, 14f: Aussage E. Z. (LVT); 284/J XXIII. GP, Parlamentarische Anfrage vom 26.1.2007 zu den Untersagungen von Versammlungen zum Thema „Aufklärung über das Leid der Pelztiere“, https://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXIII/J/J_00284/fname_072197.pdf. 927 a.a.O.

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verwiesen worden. Eine daraufhin erfolgte telefonische Anfrage bei der Polizeidirektion Wien sei dahingehend beantwortet worden, dass jede Person, die als TierschützerIn erkennbar sei und in der Nähe der Kleider-Bauer-Filiale gesehen werde, unter Androhung einer Festnahme des Platzes verwiesen werde mit der Begründung, dass Gefahr im Verzug bestehe und jeder Tierschützer ein potenzieller Scheibeneinschlager sei beziehungsweise Radikale anlocken könne.928

Nach dieser einleitenden Begründung wurden unter anderen folgende Fragen an den Bundesminister für Inneres gestellt:

1. „Die Behörde schließt offenbar aus der Tatsache, dass die unbekannten Täter, die Schaufensterfilialen zerstört hatten, sich bei der Kundgebung des VGT einfinden und das Eigentum der Firma Kleider-Bauer beschädigen bzw. die MitarbeiterInnen angreifen werden. Inwiefern ist diese Annahme plausibel, da Täter, die unbekannt sind, es in der Regel auch bleiben wollen und sich nicht ausgerechnet jener Versammlung anschließen würden, bei der sie sich der größten Gefahr aussetzten, entdeckt zu werden?

2. Worauf begründet sich die Annahme, dass MitarbeiterInnen der Firma Kleider- Bauer während der Versammlung angegriffen würden und Sachbeschädigungen stattfinden sollten?

3. […]

4. […]

5. Gab es in den letzten Jahren bei Demonstrationen für Tierschutzangelegenheiten jemals Gewalttaten seitens der DemonstrantInnen oder eine Gefährdung der im VersG bzw. der MRK erwähnten Schutzgüter? Wenn ja, wie oft und wann haben diese stattgefunden?

6. […]

7. Aus einer Niederschrift vom 6.12.2006 geht hervor, dass die Behörde die Anmeldung von Versammlungen an vier verschiedenen Orten bis zum 2.9.2011 untersagt. Stattdessen schlägt die Behörde vor, die Versammlungen 50 Meter entfernt vom geplanten Ort abzuhalten. a) Wie begründen Sie diese massive Beeinträchtigung der Interessen der VeranstalterInnen? b) Worauf begründet sich die Annahme, dass die Versammlung andernorts mit weniger Gefährdung stattfinden könnte? c) Wie verträgt sich diese Entscheidung mit dem Recht der Versammlungsfreiheit, den Versammlungsort wählen zu können?“929

6.5.3.2. Anfragebeantwortung durch Bundesminister Platter Der Bundesminister für Inneres Günther Platter beantwortete die parlamentarische Anfrage

928 a.a.O. 929 a.a.O.

www.parlament.gv.at 695 der Beilagen XXVI. GP - Ausschussbericht NR - Berichterstattung 223 von 298 219 nach den ihm vorliegenden Informationen wie folgt:

„Zu den Fragen 1 und 2: Wie auch die Versammlungsbehörde in ihrem Bescheid nachvollziehbar festgehalten hat, finden sich auf der Homepage des Vereins gegen Tierfabriken (VGT) regelmäßig anonyme Bekennerschreiben, welche teilweise gewalttätige Aktionen beschreiben. Die der Untersagung zugrunde gelegten Prognosen betreffend die Gefährdung von Menschen und Sachen resultierten zunächst aus der in der Nacht vom 30.11.2006 auf 01.12.2006 vorgefallenen Sachbeschädigung sowie einem auf der erwähnten Homepage festgestellten Bekennerschreiben, welches eindeutig radikalen Türschützern [sic!] zuzuordnen war. In diesem Bekennerschreiben wurden die gewalttätigen Aktionen wie folgt beschrieben: „um die kampagne der tierrechtsbewegung gegen die bekleidungskette kleiderbauer zu unterstützen, haben wir gestern nacht „PELZ = MORD“ in die eingangstür der wiener filiale in der meidlinger hauptstraße geätzt. anschliessend haben wir 3 weitere schaufensterscheiben verätzt und 15 auslagenscheiben eingeschlagen. somit wurden bei der Aktion alle Scheiben beschädigt oder zerstört. ……. kleiderbauer kann sich auf einen heißen Dezember einstellen! Es gibt nur eine lösung dies zu verhindern: öffentlich bekannt geben, dass kleiderbauer/otto graf und hämmerle komplett aus dem pelzhandel aussteigen! – den pelzhandel abschaffen!“ Nachdem auf dieser Homepage auch Personen, die nicht dem VGT angehören, nachdrücklich aufgefordert wurden, an der gegen die Firma Kleider-Bauer initiierten Kampagne mitzuwirken, folgerte die Versammlungsbehörde, dass sich radikale Tierschützer an den jeweiligen Aktionen beteiligen und in deren Verlauf Gewalttätigkeiten gegen Angestellte und Einrichtungen dieser Firma setzen könnten. Im Übrigen ist die Prüfung der Rechtsrichtigkeit der Entscheidung der Bundespolizeidirektion Wien derzeit Gegenstand eines bei der Sicherheitsdirektion für Wien anhängigen Berufungsverfahrens.

[…]

Zu Frage 5: Nach den Aufzeichnungen der Bundespolizeidirektion Wien kam es in ihrem Bereich im Verlauf von angemeldeten und nicht angemeldeten Kundgebungen des VGT zum Thema „Tierschutz“ zu folgenden Vorfällen: 02.12.2000 Verletzung eines Kunden vor einem Pelzgeschäft (§ 83 StGB) 23.12.2000 Verletzung eines Angestellten einer Sicherheitsfirma vor einem Pelzgeschäft (§ 83 StGB) 21.11.2002 Besetzung einer Parteizentrale (§ 2 iVm § 19 VersG) 28.04.2003 Hausbesetzung; Verletzung von 7 Personen; Diebstahl (§§ 83, 109/3 und 127 StGB); vorläufige Festnahme von 3 Tierrechtsaktivisten 23.11.2005 Verletzung einer Person bei einer Veranstaltung (§ 83 StGB) 13.07.2006 Hausfriedensbruch durch Besetzung der Büroräumlichkeiten einer Pharmafirma; Verletzung einer Büroangestellten (§§ 83 und 109 StGB)

[…]

Zu Frage 7, lit a: Die Begründung der Untersagung ist aus dem Bescheid der Bundespolizeidirektion Wien ersichtlich.

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Zu Frage 7, lit b: Seitens der Behörde wurde die Verlegung des Versammlungsortes um 50 Meter als ausreichend angesehen, um militanten Tierschützern radikale Handlungen gegen Filialen und Mitarbeitern der Firma Kleider-Bauer als potenzielle Zielobjekte zu erschweren bzw diese überhaupt zu unterbinden. Trotzdem wäre durch die Nähe zur Kleider-Bauer Filiale der Konnex zum Anliegen der angemeldeten Versammlung gewahrt geblieben.

Zu Frage 7, lit c: Nach der höchstgerichtlichen Judikatur ist die Behörde nicht berechtigt, von sich aus die Versammlungsanzeige zu ändern oder zu modifizieren. Sie hat die Versammlung in der angezeigten Weise entweder zur Gänze zu untersagen oder zur Gänze nicht zu untersagen. Wenn die Behörde meint, auch nur eine der Modalitäten der beabsichtigten Versammlung (etwa der Kundgebungsort) sei derart, dass eines der in Artikel 11 Abs 2 EMRK aufgezählten Schutzgüter gefährdet würde, hat sie die Versammlung zu untersagen (vgl VfSlg 9103/81, VfSlg 15362/98, VfSlg 17120/04). Im vorliegenden Fall hat sie den Veranstalter vorher darauf aufmerksam gemacht und ihm die Änderung der Versammlungsanzeige (Verlegung des Versammlungsortes um 50 Meter) vorgeschlagen. Dieser Vorschlag wurde seitens des Veranstalters nicht akzeptiert.“930

6.5.3.3. Kritik der Volksanwaltschaft In ihrem Bericht an den Nationalrat und den Bundesrat aus dem Jahr 2007 kritisierte die Volksanwaltschaft – neben den oben bereits erwähnten Verfassungsschutzberichten 2005 und 2006 – auch die unpräzise Beantwortung einer parlamentarischen Anfrage durch den Bundesminister für Inneres. Die Anfrage sei zumindest nicht mit ganz korrekten Angaben über den beschwerdeführenden Verein (den VGT) beantwortet worden. 931

Das Bundesministerium für Inneres meinte in seiner Stellungnahme, die Kritik an der Beantwortung einer parlamentarischen Anfrage hinsichtlich des Internetauftritts des beschwerdeführenden Vereines folgendermaßen entkräften zu können: In der Beantwortung sei nicht behauptet worden, die Bekennerschreiben befänden sich auf der Homepage des VGT beziehungsweise seien dort abgebildet. Vielmehr sei lediglich ausgeführt worden, dass die Bekennerschreiben eben dort zu finden seien. Es liege auf der Hand, dass auf einer Homepage installierte Links, welche den Benutzer zum Öffnen der Seite, auf die verwiesen wird, auffordern, inhaltlich als Bestandteil der verwiesenen Seite zu betrachten seien.932

Die VA folgte der Argumentation des BMI nicht. Laut VA könne man den Betreiber einer bestimmten Homepage jedenfalls nicht ohne Weiteres und pauschal unterstellen, er sympathisiere mit Inhalten verlinkter Homepages oder identifiziere sich sogar vollständig

930 262/AB XXIII. GP – Anfragebeantwortung vom 20.3.2007 des Bundesministers für Inneres, https://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXIII/AB/AB_00262/fname_074417.pdf. 931 Bericht der Volksanwaltschaft an den Nationalrat und Bundesrat 2007, S. 214f, https://volksanwaltschaft.gv.at/downloads/cfhu7/Parlamentsbericht%202007.pdf. 932 a.a.O.

www.parlament.gv.at 695 der Beilagen XXVI. GP - Ausschussbericht NR - Berichterstattung 225 von 298 221 damit. Vielmehr wäre je nach Umständen zu differenzieren: Sollte die verlinkte Homepage regelmäßig extremistische Inhalte aufweisen und eine Verlinkung ohne Distanzierung erfolgen, dann wäre die Annahme einer Sympathisierung grundsätzlich zulässig. Sollte die verlinkte Homepage aber zum Beispiel nur ausnahmsweise militante Inhalte (zB in „Postings“, die womöglich vom Betreiber der verlinkten Homepage selbst bald gelöscht werden) aufweisen, sodass der Verlinkende den Inhalt ständig überprüfen müsste, so könne ein solcher Schluss zumindest nicht ohne Weiteres gezogen werden.933

Auch die Rechtfertigung der Beantwortung des Anfragepunktes 7 hält nach Meinung der VA einer näheren Überprüfung nicht stand: Von den mutmaßlich rechtswidrigen Vorfällen, mit denen der beschwerdeführende Verein in der Anfragebeantwortung in Verbindung gebracht wurde, weist selbst laut Stellungnahme lediglich die Besetzung einer Parteizentrale insofern eine Verbindung mit dem Verein auf, als dort der Geschäftsführer des Vereins angetroffen worden sei.934

Auch hier wären nach dem Dafürhalten der VA die Zusammenhänge differenzierter und nicht pauschalierend darzustellen gewesen, wenngleich einzuräumen sei, dass der beschwerdeführende Verein auch laut Eigendarstellung auf seiner Homepage teilweise tatsächlich in rechtlich unzulässige Aktionen ("Befreiung" von Tieren gegen den Willen des Eigentümers, Besetzung von Räumlichkeiten) involviert war.935

6.6. Strafrechtlich relevante Vorfälle betreffend Kleider Bauer In zeitlichem Zusammenhang mit dem Beginn der zahlreichen Protestaktionen der Kampagne der OGPI gegen Kleider Bauer fanden – nach wie vor unaufgeklärte – strafrechtlich relevante Vorfälle zum Nachteil der Firma Kleider Bauer sowie seiner Inhaber, deren Familien und Mitarbeiter statt. Das Landesgericht Wiener Neustadt stellte folgende Vorfälle fest:936

 1.12.2006 in der Filiale in der Meidlinger Hauptstraße in Wien: 16 eingeschlagene Auslagenscheiben, Schriftzug „Pelz ist Mord“ mit ätzender Flüssigkeit  10.12.2012 in der Filiale in der Ottakringer Straße in Wien: Beschädigung einer Auslagenscheibe mit vermutlich einem Bolzenschussapparat  13.-14.12.2006 im Hämmerle Modehaus in der Mariahilfer Straße in Wien: Verätzen von Auslagenscheiben, Besprühen dieser mit Anarchiesymbol und den Schriftzügen

933 a.a.O. 934 a.a.O. 935 a.a.O. 936 BMVRDJ, erstinstanzliches Urteil des LG Wiener Neustadt vom 2.5.2011 im Tierschützerprozess mit der Aktenzahl 41 Hv 68/09z = 41 Hv 3/10t, S. 161ff.

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„Mord“ und „Pelz“  10.1.2007 in der Filiale in Graz: Buttersäureanschlag  29.1.2007 am Wohnort von Peter Graf: Beschmieren der Hausmauer mit roter Farbe, Anbringen des Zeichens der Animal Liberation Front (ALF) in roter Farbe sowie von Schriftzügen „Pelz ist Mord“, „Stoppt den Kleiderhandel“, „Kleider Bauer mordet“ in roter Farbe  3.-5.2.2007 in der Filiale Mantelkönig in der Thaliastraße in Wien: Buttersäureanschlag  21.2.2007 in der Filiale am Hofferplatz in 1160 Wien: Beschädigen der Auslagenscheibe durch Zufügen eines Lochs  24.-26.2.2007 in der Filiale am Hofferplatz in Wien: Beschädigen der Auslagenscheibe durch Zufügen eines Lochs  5.3.-6.3.2007 in der Filiale in der Mariahilfer Straße in Wien: Einschießen einer Auslagenscheibe  3.4.-4.4.2007 am Wohnort von Peter Graf: Sachbeschädigung an einem nicht als solches erkennbaren Firmenfahrzeug durch Übergießen mit Lackfarben, Aufstechen der Reifen und Anwenden von Buttersäue  11.4.2007 an einem weiteren Wohnort der Gebrüder Graf: Sachbeschädigungen an einem Fahrzeug durch Übergießen mit Lackfarben und Aufstechen der Reifen  22.6.2007 bei Helly-Moden Am Spitz in Wien: Buttersäureanschlag; Verkleben des Schlosses  10.9.2007 zum Nachteil der damaligen Pressesprecherin der Firma Kleider Bauer, Marjan Firouz: Sachbeschädigung ihres Pkw an der Privatadresse durch Aufstechen der Reifen, Anbringen von Buttersäure sowie Auftragen von Lacklösungsmittel  7.12.2007 in der Hämmerle-Filiale in der Mariahilfer Straße in Wien: Verätzen der Auslagenscheibe  22.-24.12.2007 in der Filiale in der Favoritenstraße in Wien: Buttersäueanschlag  24.-27.12.2007 in der Filiale in der Mariahilfer Straße in Wien: Verätzen von Auslagenscheiben  7.-8.1.2008 in der Filiale in der Meidlinger Hauptsraße in Wien: Buttersäureanschlag

Gegen sämtliche dieser Vorfälle erstatteten die Gebrüder Graf beziehungsweise deren Mitarbeiter Anzeige bei der jeweiligen Polizeidienststelle. Die Täter wurden bis heute nicht ausgeforscht.937

In ihren Befragungen vor dem Untersuchungsausschuss zählten Peter Graf und Marjan Firouz

937 204/KOMM XXVI. GP, 6: Aussage Graf.

www.parlament.gv.at 695 der Beilagen XXVI. GP - Ausschussbericht NR - Berichterstattung 227 von 298 223 eine Vielzahl an strafrechtlich relevanten Vorfällen auf, die sich im Wesentlichen mit jenen Taten unbekannter Täter deckten, die in die Feststellungen des Urteils des Landesgerichts Wiener Neustadt Eingang fanden. Aufgrund des Urteils und der Aussagen der beiden Auskunftspersonen ist für den Untersuchungsausschuss jedenfalls evident, dass es vor Gründung der SOKO Bekleidung eine Vielzahl derartiger Vorfälle in verschiedenen Bundesländern und zum Nachteil verschiedener Personen gab.938

Durch die gegen sie von unbekannten Tätern verübten Straftaten wurden die Unternehmensgruppe Kleider Bauer sowie deren Mitarbeiter in ihrem Vermögen geschädigt. Der im Urteil festgestellte Sachschaden von Kleider Bauer betrug – sofern im Strafverfahren relevant – zumindest 347.000 Euro, wobei das Gericht festhielt, dass der reale Schaden weitaus höher sei.939

Nach der Festnahme von zehn Beschuldigten im Ermittlungsverfahren bei der Staatsanwaltschaft Wiener Neustadt am 21.5.2008 kam es im März 2010 zu zwei weiteren Sachbeschädigungen gegen Kleider Bauer. Zum Nachteil einer Person eines anderen Unternehmens, der Firma Novartis, wurde in Tirol ebenfalls nach diesem Zeitpunkt eine Jagdhütte in Brand gesetzt.940

6.7. Ermittlungsverfahren 6.7.1. Zuständigkeit der Staatsanwaltschaft Wiener Neustadt Nach den Festnahmen von zehn Beschuldigten und den über 20 Hausdurchsuchungen vom 21.5.2008, die in der Öffentlichkeit äußerst kritisch gesehen wurden, gab es mediale Mutmaßungen darüber, ob die Staatsanwaltschaft Wiener Neustadt aufgrund ihres Rufs als besonders strenge Behörde unerlaubterweise zuständig gemacht worden sei, obwohl ursprünglich keine Zuständigkeit bestanden habe.941

Zur Frage der Zuständigkeit der Staatsanwaltschaft Wiener Neustadt kann Folgendes festgehalten werden:

Die polizeilichen Ermittlungen begannen im November 2006.942 Am 1.3.2007 beantragte die

938 204/KOMM XXVI. GP, 6f: Aussage Graf; 212/KOMM XXVI. GP, 8: Aussage Firouz; vgl auch 223/KOMM XXVI. GP, 4: Aussage Stiedl. 939 BMVRDJ, erstinstanzliches Urteil des LG Wiener Neustadt vom 2.5.2011 im Tierschützerprozess mit der Aktenzahl 41 Hv 68/09z = 41 Hv 3/10t, S. 169. 940 BMVRDJ, erstinstanzliches Urteil des LG Wiener Neustadt vom 2.5.2011 im Tierschützerprozess mit der Aktenzahl 41 Hv 68/09z = 41 Hv 3/10t, S. 178. 941 201/KOMM XXVI. GP, 35f: Aussage Balluch; 216/KOMM XXVI. GP, 18: Aussage Handler (2). 942 BMVRDJ, erstinstanzliches Urteil des LG Wiener Neustadt vom 2.5.2011 im Tierschützerprozess mit

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Staatsanwaltschaft Wiener Neustadt nach der damals noch in Geltung stehenden „alten“ Strafprozessordnung die Durchführung von Vorerhebungen gegen einen der 13 späteren Angeklagten im Tierschützerprozess wegen des Vorwurfs einer Sachbeschädigung in Gumpoldskirchen, das im Gerichtssprengel von Wiener Neustadt liegt.943

Am 4.5.2007 leitete die Staatsanwaltschaft Wiener Neustadt vorerst gegen unbekannte Täter aufgrund mehrerer Anzeigen ein Ermittlungsverfahren wegen schwerer Nötigung, schwerer Sachbeschädigung und Bildung einer kriminellen Vereinigung ein. In weiterer Folge kam es auch zur Durchführung von Vorverfahren gegen die anderen späteren Angeklagten.944

Die Zuständigkeit der Staatsanwaltschaft Wiener Neustadt für sämtliche Vorwürfe ergab sich aufgrund der am 1.3.2007 beantragten Vorerhebungen gegen einen der späteren Angeklagten.945 Im Wege der Fachaufsicht der OStA Wien (unter der Führung des damaligen Leitenden Oberstaatsanwalts Werner Pleischl946) und des BMJ (unter der damaligen Ministerin Maria Berger) wurde aufgrund der kritischen Medienberichte die Zuständigkeit eingehend überprüft und bejaht. Die Oberbehörden erachteten die Staatsanwaltschaft Wiener Neustadt für zuständig und wiesen das Verfahren gegen die Tierschützer daher auch nicht einer anderen Staatsanwaltschaft zu.947

Die Auskunftspersonen Handler, Pleischl und Berger sagten im Untersuchungsausschuss übereinstimmend aus, dass es bezüglich der Zuständigkeit der Staatsanwaltschaft Wiener Neustadt keine Unregelmäßigkeiten gab.948 Es besteht daher kein vernünftiger Grund, daran zu zweifeln, dass es hinsichtlich der Zuständigkeit der Staatsanwaltschaft Wiener Neustadt keine wie auch immer gearteten Manipulationen oder Unregelmäßigkeiten gab.

6.7.2. Überblick über das Ermittlungsverfahren Zusammengefasst kam es bei den Vorerhebungen beziehungsweise dem Ermittlungsverfahren zur Einholung von DNA-Gutachten zu zeugenschaftlichen Vernehmungen, zur Überwachung der Telekommunikation und Nachrichten, zur Observation

der Aktenzahl 41 Hv 68/09z = 41 Hv 3/10t, S. 176. 943 BMVRDJ, erstinstanzliches Urteil des LG Wiener Neustadt vom 2.5.2011 im Tierschützerprozess mit der Aktenzahl 41 Hv 68/09z = 41 Hv 3/10t, S. 174. 944 BMVRDJ, erstinstanzliches Urteil des LG Wiener Neustadt vom 2.5.2011 im Tierschützerprozess mit der Aktenzahl 41 Hv 68/09z = 41 Hv 3/10t, S. 174. 945216/KOMM XXVI. GP, 18: Aussage Handler (2); 217/KOMM XXVI. GP, 30: Aussage Pleischl. 946 217/KOMM XXVI. GP, 12ff: Aussage Pleischl. 947 216/KOMM XXVI. GP, 18: Aussage Handler (2); 217/KOMM XXVI. GP, 30f: Aussage Pleischl. 948 216/KOMM XXVI. GP, 18: Aussage Handler (2); 221/KOMM XXVI. GP, 4: Aussage Berger; 217/KOMM XXVI. GP, 30f: Aussage Pleischl.

www.parlament.gv.at 695 der Beilagen XXVI. GP - Ausschussbericht NR - Berichterstattung 229 von 298 225 und optischen Überwachung, zum Einsatz eines Peilsenders hinsichtlich Martin Balluch, zu Rechtshilfeersuchen nach Deutschland, zu Sicherstellungen und Beschlagnahmen, zu Untersuchungen von diversen sichergestellten Lacken und Flüssigkeiten, zum Einsatz einer verdeckten Ermittlerin mit der Legende „Danielle Durand“ und zum Einsatz einer Vertrauensperson VP 481, zu Durchsuchungsanordnungen und Festnahmen am 21.5.2008.949

Die Ermittlungen waren so intensiv, dass geradezu von einer „Ermittlungsmaschinerie“ gesprochen werden kann, wie die zuständige Richterin des Landesgerichts Wiener Neustadt im Ersturteil festhielt.950

Die Angeklagten schöpften im Ermittlungsverfahren Rechtsmittel/Rechtsbehelfe gegen einen Großteil der gerichtlich bewilligten Ermittlungsmaßnahmen umfassend aus, zum Beispiel gegen Überwachungen der Telekommunikation und optische Überwachungen. Die Entscheidungen des Landesgerichts Wiener Neustadt im Ermittlungsverfahren wurden vom Oberlandesgericht allesamt bestätigt.951

Allerdings verletzte die Kriminalpolizei hinsichtlich mehrerer Angeklagten das Recht auf Akteneinsicht nach § 51 StPO, zumal die Kriminalpolizei die Akteneinsicht pauschal und unbegründet verweigerte, wie der Haft- und Rechtsschutzrichter mittels Beschlüssen vom 24.2.2009 und 14.10.2010 feststellte. In diesen Entscheidungen wurde ausgeführt, dass den Beschuldigten im Oktober 2008 noch immer die Einsicht in den kompletten Akt verweigert worden sei, obwohl das Ermittlungsverfahren bereits seit November 2006 anhängig gewesen sei. Dies zeuge von einer maßlos überbordenden Heranziehung der als äußerst vorsichtig anzuwendenden Ausnahmen von der Akteneinsicht wegen Gefährdung der Ermittlungen. Die Staatsanwaltschaft habe im Gegensatz zur Polizei im Wesentlichen den gesamten staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsakt der Einsicht unterworfen. Die Kriminalpolizei werde umgehend die Rechte des Beschwerdeführers auf ein faires Verfahren zu akzeptieren haben.952

949 BMVRDJ, erstinstanzliches Urteil des LG Wiener Neustadt vom 2.5.2011 im Tierschützerprozess mit der Aktenzahl 41 Hv 68/09z = 41 Hv 3/10t, S. 174ff.. 950 BMVRDJ, erstinstanzliches Urteil des LG Wiener Neustadt vom 2.5.2011 im Tierschützerprozess mit der Aktenzahl 41 Hv 68/09z = 41 Hv 3/10t, S. 175. 951 BMVRDJ, erstinstanzliches Urteil des LG Wiener Neustadt vom 2.5.2011 im Tierschützerprozess mit der Aktenzahl 41 Hv 68/09z = 41 Hv 3/10t, S. 176. 952 BMVRDJ, erstinstanzliches Urteil des LG Wiener Neustadt vom 2.5.2011 im Tierschützerprozess mit der Aktenzahl 41 Hv 68/09z = 41 Hv 3/10t, S. 176f; 224/KOMM XXVI. GP, 13ff: Aussage Pablik.

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6.8. Die Rolle der SOKO Bekleidung 6.8.1. Auslöser für die Einrichtung der SOKO Nachdem Peter Graf aufgrund der diversen Sachbeschädigungen gegen sein Unternehmen, seine Mitarbeiter sowie ihn selbst und seine Familie mit den polizeilichen Ermittlungsergebnissen bereits längere Zeit höchst unzufrieden war, überlegte er im Frühling 2007, welche Schutzmaßnahmen er (zusätzlich zu den getätigten Anzeigen) ergreifen könne. Aus seiner Sicht hatten die Anzeigen in der Vergangenheit wenig bis gar nichts bewirkt. 953

Graf versuchte mehrmals, Bundesminister für Inneres Günther Platter persönlich telefonisch zu sprechen. Einer der mehrmaligen Anrufe ereignete sich am 12.3.2007. Seine Motivation für die Anrufe bei der Spitze des BMI war es, den „Chef“ der Organisation zu sprechen und ihn über die Missstände betreffend die Anschläge auf Kleider Bauer zu informieren. Peter Graf kannte Minister Platter nicht persönlich und hatte auch keine sonstigen Beziehungen zu ihm. Graf hat weiters keine Verbindungen zur ÖVP. Er wollte schlicht bewirken, dass die Polizei endlich etwas gegen die unbekannten Täter unternehme, die schon mehrmals strafrechtlich relevante Handlungen gegen ihn, seine Familie, sein Unternehmen und seine Mitarbeiter gesetzt hatten. Seine Anrufe wurden vom Ministerbüro zwar höflich entgegengenommen, Graf erhielt jedoch vorerst keinen Rückruf aus dem BMI, weder von Mitarbeitern noch vom Minister.954 Weder Minister Platter noch seine Nachfolgerin Maria Fekter waren jemals persönlich in die Causa Tierschützer involviert und trafen auch keine Veranlassungen.955

Der Vorfall in der Nacht vom 3.4.2007 auf den 4.4.2007, bei dem unbekannte Täter eines seiner Kfz, das sie vorher ausspioniert hatten, an seinem Wohnort im 19. Wiener Gemeindebezirk mit Lack und Farbe übergossen, ließ bei Peter Graf schließlich den sprichwörtlichen Geduldsfaden mit der Polizei „reißen“.956 Auch diesen Vorfall zeigte Peter Graf vorerst am Morgen des 4.4.2007 bei der örtlich zuständigen Polizei an, die ihm jedoch mitteilte, er möge erst mal zur Polizeiinspektion kommen. Weil er mit diesem Vorschlag äußerst unzufrieden war – sein Kfz stand beschädigt und fahrunbereit an einer vielbefahrenen Straße am Straßenrand – rief Graf am Vormittag des 4.4.2007 neuerlich im BMI an und verlangte, den Bundesminister für Inneres Günther Platter zu sprechen.957

Graf drang auch am 4.4.2007 nicht direkt zum Minister persönlich durch, sprach jedoch mit

953 204/KOMM XXVI. GP, 6f: Aussage Graf. 954 204/KOMM XXVI. GP, 6ff, 20f: Aussage Graf. 955 219/KOMM XXVI. GP, 3f: Aussage Fekter; 213/KOMM XXVI. GP, 3ff: Aussage Platter. 956 204/KOMM XXVI. GP, 6f: Aussage Graf. 957 A.a.O., S. 6f, 20.

www.parlament.gv.at 695 der Beilagen XXVI. GP - Ausschussbericht NR - Berichterstattung 231 von 298 227 einem Kabinettsmitarbeiter, dem er mitteilte, er würde sein Auto am Ballhausplatz abstellen, und der Minister könne es sich dann in der ZIB 2 ansehen, wenn er nicht bald zurückrufe.958 Zwar rief Platter Graf wieder nicht zurück, aber dieses Mal setzte sich im BMI etwas in Bewegung: Der Kabinettsmitarbeiter, mit dem Peter Graf gesprochen hatte, informierte sogleich Erik Buxbaum, den damaligen Generaldirektor für die öffentliche Sicherheit, und beauftragte ihn im Namen des Ministers, sich der Sache anzunehmen.959

6.8.2. Gründung der SOKO Erik Buxbaum kümmerte sich sogleich um den Auftrag aus dem Kabinett960 des Bundesministers, von Graf nähere Details zu seiner Beschwer zu erfragen. Der Minister oder das Ministerkabinett erteilte Buxbaum vorab keine inhaltlichen Vorgaben hinsichtlich des Gesprächs beziehungsweise der daraufhin zu unternehmenden Schritte.961 Anschließend beraumte Buxbaum per E-Mail eine Sitzung für den nächsten Tag, den 5.4.2007, mit den höchsten BMI-Beamten sowie den Gebrüdern Graf an. Seine E-Mail richtete sich unter anderen an den damaligen BVT-Direktor Gert Polli, den damaligen Polizeipräsidenten für Wien Peter Stiedl den damaligen Leiter des LVT Wien, Ewald Bachinger, den damaligen Landespolizeidirektor Karl Mahrer sowie weitere hochrangige BMI- Beamte:

„Morgen um 10.00 Uhr findet im Sitzungszimmer des GD eine Gesprächsrunde mit dem Eigentümer der Firma Kleider Bauer, Herrn Peter GRAF, statt.

Der Anlass ergibt sich insbesondere aus dem beiliegenden Behördenauftrag des LVT Wien. Wesentlicher Zweck dieses Gespräches ist eine gebündelte Information über die von den Sicherheitsbehörden getroffenen Maßnahmen zum Schutze der Firma Kleider Bauer [...]. Dabei sollte auch angedacht werden, ob es aus versammlungsrechtlicher Sicht zumindest vertretbar ist ab sofort jedwede Versammlung in einem bestimmten Umkreis von Filialen der Firma Kleider Bauer zu untersagen bzw. aufzulösen. Es muss nämlich eine Interessenabwägung zwischen der Versammlungsfreiheit und den berechtigten wirtschaftlichen Interessen einer nach der österreichischen Rechtsordnung völlig legalen Geschäftstätigkeit getroffen werden. Ohne der letztlich in die Zuständigkeit der Sektion III fallenden Beurteilung dieser Frage vorgreifen zu wollen ist der Gefertigte der Ansicht, dass es nicht vertretbar erscheint, dass ständige Versammlungen unmittelbar vor einem Geschäft – selbstverständlich mit der Absicht den Geschäftsgang zu behindern bzw. zu erschweren – ihre Deckung im Prinzip der Versammlungsfreiheit finden. […]“962

958 204/KOMM XXVI. GP, 6f, 8: Aussage Graf. 959 a.a.O., S. 6f, 8f; E-Mail von Ruth Terzieff an Bernhard Treibenreif, Erik Buxbaum ua vom 4.4.20017 mit dem Betreff „WG: Kleiderbauer – Sachbeschädigungen“, S. 1. 960 206/KOMM XXVI. GP, 5f: Aussage Treibenreif. 961222/KOMM XXVI. GP, 9f: Aussage Buxbaum. 962 Abg. Zadic, E-Mail von Ruth Terzieff an Bernhard Treibenreif, Erik Buxbaum ua vom 4.4.20017 mit dem Betreff „WG: Kleiderbauer – Sachbeschädigungen“, S. 1; 201/KOMM XXVI. GP, 20f: Aussage Balluch.

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Hauptzweck der avisierten Besprechungen war zwar nicht die Veranlassung eines Einschreitens bei künftigen Demonstrationen vor Kleider-Bauer-Filialen, doch war dies das Einzige, was aus Sicht des damaligen Generaldirektors sofort in Auftrag gegeben werden konnte. Buxbaum zielte nicht auf eine Untersagung aller Versammlungen generell ab, sondern gab eine Prüfung der Rechtsfrage in Auftrag, deren Ausgang er offen ließ.963 Er wies ausdrücklich auf die vorzunehmende Interessenabwägung hin, sodass hier kein einseitiges Vorgehen seinerseits zu erblicken ist. In der Folge wurde dann auch gemeinsam mit dem Wiener Polizeipräsidenten Peter Stiedl eine – vom Verfassungsgerichtshof bestätigte964 – Lösung gefunden. Gemäß dieser Lösung, an die sich die Demonstrierenden künftig freiwillig hielten, wurden ihre Versammlungen nicht untersagt, wenn sie laut Anmeldung einen gewissen Abstand zum Eingang der jeweiligen Kleider-Bauer-Filiale hielten.965

Am 5.4.2018 fand von 10:00 bis 11:35 Uhr die am Vortag anberaumte Besprechung im Sitzungszimmer des Generaldirektors statt. Es nahmen folgende Personen teil: Peter Graf und

Werner Graf (Kleider Bauer), Erik Buxbaum, Franz Lang, A. H. 3 (BVT), Wolfgang Zöhrer, Robert Stocker und E. Z. (LVT) (alle BMI), Peter Stiedl, Karl Mahrer, Ewald Bachinger und Werner Autericky (BPD/LPK Wien).966 Kubarth

Besprechungsgegenstand waren die Sachbeschädigungen gegen das Unternehmen Kleider Bauer. Peter Graf führte in der Besprechung aus, dass es bei Kleider Bauer seit Oktober 2006 immer wieder zu Anschlägen von militanten Tierschützern gekommen sei. Seit 27.10.2006 fänden zudem vor den Filialen von Kleider Bauer ständig Demonstrationen von Tierschützern, vor allem vom VGT, statt. Bei diesen Demonstrationen würden die Kunden beim Betreten des Geschäfts angesprochen, beschimpft und bedroht. Die Auslagen würden mit Stoffbahnen und Fotos verhängt werden. Außerdem sei es zu Anschlägen gegen die Auslagenscheiben durch Steinschleudern und Buttersäure gekommen. Zuletzt sei in der Nacht von 3.4. auf 4.4.2007 ein Kfz von Kleider Bauer am Wohnsitz von Peter Graf schwer beschädigt worden. Das Kfz sei aber nicht als Firmenwagen erkennbar gewesen, sodass es vorher wohl zu Observationen gekommen sei. Graf bezifferte den Gesamtschaden aller Anschläge mit 500.000 Euro, wobei der Imageschaden sicher um ein Vielfaches höher sei. Peter und Werner Graf forderten Schutz

963 222/KOMM XXVI. GP, 9f: Aussage Buxbaum. 964 VfGH B1695/07 vom 9.10.2008: Leitsatz: „Keine Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte durch die Untersagung einer gegen Pelzhandel und -bekleidung gerichteten Versammlung von Tierschützern vor einem Bekleidungsgeschäft in der Mariahilfer Straße in Wien; Untersagung zum Schutz der Erwerbsfreiheit geboten in Hinblick auf zu erwartende Behinderungen des Kunden- und Fußgängerverkehrs aufgrund der Nähe der Versammlung zum Eingangsbereich des Textilunternehmens“ 965 222/KOMM XXVI. GP, 9f: Aussage Buxbaum. 966 Abg. Zadic, Resümeeprotokoll vom 5.4.2007 über die Besprechung im BMI betreffend Kleider Bauer, S. 2-5.

www.parlament.gv.at 695 der Beilagen XXVI. GP - Ausschussbericht NR - Berichterstattung 233 von 298 229 für ihre Geschäfte und Familien. Kleider Bauer und seine Eigentümer hätten nicht vor, sich den Forderungen der militanten Tierschützer zu beugen, da sich diese immer wieder neue Ziele für ihre gewalttätigen Kampagnen suchen würden. Es könne nicht sein, dass eine kleine Gruppe durch rechtswidrige Angriffe bestimmen könne, was Kleider Bauer verkaufe und wie sich die Bevölkerung kleide.967

Nach den Erläuterungen durch Peter Graf verließen die Gebrüder Graf die Sitzung. Die Beamten besprachen daraufhin die zu unternehmenden Schritte. Buxbaum forderte Stiedl auf, alle administrativen Möglichkeiten auszuschöpfen, um die Demonstrationen vor den Filialen zu untersagen. Das Versammlungsrecht dürfe nicht in Geschäftsblockaden ausufern und nicht zum De facto Ruin eines Unternehmens führen. Stiedl erwiderte, dass dies bereits geschehe und derzeit etwa 70 Berufungen gegen Untersagungen von Versammlungen bei der Sicherheitsdirektion anhängig seien. Der VGT ergreife regelmäßig Rechtsmittel an den VfGH. Stiedl habe vor, mit den Anmeldern der Versammlungen in Verhandlungen zu treten, sodass die Demos nicht in unmittelbarer Nähe der Geschäftseingänge angemeldet würden, sondern mit einem gewissen Abstand. Sollten die Anmelder darauf nicht eingehen, sei dies immerhin ein starkes Argument für Untersagungen.968

Hinsichtlich der Sachbeschädigungen führte Stiedl aus, dass bisher kein klarer Zusammenhang zwischen den Demonstrationen und den Sachbeschädigungen hergestellt werden konnte. Der Verdacht eines Zusammenhanges liege zwar auf der Hand, ein Beweis oder ganz starke Indizien hätten aber bisher nicht ermittelt werden können.969

Generaldirektor Buxbaum traf am Ende der Besprechung folgende Anordnungen:

 „Ausschöpfen sämtlicher administrativen Möglichkeiten im Hinblick auf die Untersagung der Demonstrationen […]  Übernahme der Koordination der Ermittlungstätigkeit, national und international durch das .BK, wobei das BVT einzubinden ist  Übernahme der allfällig notwendigen Pressearbeit durch das .BK […]  Einrichtung einer operativen SOKO im Bereich der BPD/des LPK Wien […]  Kontaktaufnahme mit der WKO und der Wirtschaftskammer Wien, sofern von KBM befürwortet  Einrichtung der angeordneten Struktur im Laufe der nächsten Woche  Info des KBM über die angeordneten Maßnahmen“970

967 Abg. Zadic, Resümeeprotokoll vom 5.4.2007 über die Besprechung im BMI betreffend Kleider Bauer, S. 2f. 968 Abg. Zadic, Resümeeprotokoll vom 5.4.2007 über die Besprechung im BMI betreffend Kleider Bauer, S. 2f. 969 Abg. Zadic, Resümeeprotokoll vom 5.4.2007 über die Besprechung im BMI betreffend Kleider Bauer, S. 2f. 970 Abg. Zadic, Resümeeprotokoll vom 5.4.2007 über die Besprechung im BMI betreffend Kleider Bauer,

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Am 10.4.2007 fand die Gründungsbesprechung der Sonderkommission zur Bekämpfung der organisierten Kriminalität zum Nachteil des Bekleidungshandels (kurz: SOKO Bekleidung) statt. Die Initiative971 zur SOKO-Gründung ging von Generaldirektor Buxbaum aus. Er erteilte an E. Z. (LVT) den Auftrag zur Bildung der SOKO. In diese Entscheidung band er weder den Bundesminister für Inneres noch dessen Kabinett ein.972

Ziel der SOKO war die Aufklärung der Straftaten zum Nachteil des Bekleidungshandels, insbesonders schwere Sachbeschädigungen, gefährliche Drohungen, schwere Nötigungen sowie die Bildung einer kriminellen Organisation sowie auch die Verhinderung weiterer Anschläge.973

Für die Mitglieder der SOKO stellte die Tatsache der Einrichtung keine Überraschung dar, zumal die Kriterien für die Einrichtung einer SOKO erfüllt waren: Es gab zahlreiche unaufgeklärte Straftaten zum Nachteil der Firma Kleider Bauer, die sich über ganz Österreich erstreckten und eine hohe kriminelle Energie aufwiesen.974

6.8.3. Zusammensetzung der SOKO Leiter der SOKO war E. Z. (LVT), der von Buxbaum beauftragt wurde, sich die geeigneten Beamten für die Zusammenstellung der SOKO zu suchen.975 Operativer Leiter war bis Sommer 2008 Josef Böck. 976

Die Leitung der SOKO beim Bundeskriminalamt war angesiedelt, die Einsatzleitung befand sich hingegen beim Landeskriminalamt.977 Die SOKO Bekleidung bestand also aus Beamten aus diversen Bereichen. Vom BVT beteiligte sich neben S. G. (BVT), der stellvertretenden Leiterin der SOKO, noch eine weitere BVT-Mitarbeiterin. S. G. (BVT) wurde ausgewählt, um als Extremismusexpertin Fachinformationen beizusteuern. Sie erhielt von ihrem Vorgesetzten Wolfgang Zöhrer einen Dienstauftrag, an der SOKO mitzuwirken. Fallweise wurden auch LVT- Beamte eingebunden. Der Kern der SOKO bestand aus 15 Beamten.978

S. 2f. 971 222/KOMM XXVI. GP, 6f: Aussage Buxbaum. 972 208/KOMM XXVI. GP, 8: Aussage E. Z. (LVT); 222/KOMM XXVI. GP, 6f: Aussage Buxbaum; BMVRDJ, erstinstanzliches Urteil des LG Wiener Neustadt vom 2.5.2011 im Tierschützerprozess mit der Aktenzahl 41 Hv 68/09z = 41 Hv 3/10t, S. 169ff. 973 BMVRDJ, erstinstanzliches Urteil des LG Wiener Neustadt vom 2.5.2011 im Tierschützerprozess mit der Aktenzahl 41 Hv 68/09z = 41 Hv 3/10t, S. 171. 974 214/KOMM XXVI. GP, 23: Aussage S. G. (BVT) (3); 222/KOMM XXVI. GP, 6f: Aussage Buxbaum. 975 208/KOMM XXVI. GP, 8: Aussage E. Z. (LVT); 222/KOMM XXVI. GP, 6f: Aussage Buxbaum. 976 214/KOMM XXVI. GP, 4f: Aussage S. G. (BVT) (3). 977 a.a.O., S. 4f. 978 222/KOMM XXVI. GP, 5ff: Aussage Buxbaum; 214/KOMM XXVI. GP, 5: Aussage S. G. (BVT) (3);

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Den Gesamtüberblick in der SOKO hatten vor allem E. Z. (LVT) als Leiter, Josef Böck als operativer Leiter (bis zu seinem Ausscheiden) und Herbert Landauf, der vor allem für die Unterstützung der Telefonüberwachungen zuständig war.979

Keines der Kernmitglieder der SOKO wies eine besondere Nähe zur Familie Graf, zur Pelzindustrie, zur Bauernschaft oder Jägerschaft auf, die auf eine politische Einflussnahme auf das Verfahren mittels SOKO-Beamten schließen lassen würde.980 Die Gründung der SOKO erfolgte nicht aus unsachlichen Motiven und ist im Lichte der zahlreichen Vorfälle gegen Kleider Bauer nachvollziehbar.

6.8.4. Entscheidungsfindung in der SOKO Die Entscheidungen über Ermittlungsschritte traf im Wesentlichen Josef Böck, der sich mit E. Z. (LVT) absprach.981 Buxbaum war nach der Gründung der SOKO in deren Belange nur noch äußerst sporadisch eingebunden. Er hatte sich zwar vorbehalten, das Kabinett gegebenenfalls über wichtige Schritte zu informieren, machte davon aber wenig Gebrauch. Platter kontaktierte er lediglich ein einziges Mal in der Causa Tierschützer, nämlich kurz vor den Hausdurchsuchungen und Festnahmen vom 21.5.2008, um ihn auf allfällige Medienberichterstattung vorzubereiten.982 Platter erteilte in Zusammenhang mit der SOKO Bekleidung keinerlei Weisungen.983

Mitglieder der SOKO fuhren gemeinsam mit Böck regelmäßig zur StA Wiener Neustadt und besprachen dort den Stand der Ermittlungen sowie die weitere Vorgehensweise. Es wurden keine Akten postalisch oder elektronisch verschickt, sondern sämtliche Unterlagen persönlich abgegeben.984

6.8.5. Zusammenarbeit mit dem BVVM Zwischen dem BVVM und der SOKO Bekleidung gab es einen regelmäßigen Erfahrungsaustausch. Mitglieder der SOKO trafen sich zu Besprechungen mit dem BVVM, um jeweils Erkenntnisse für ihre Einsatzbereiche (Versammlungen einerseits beziehungsweise strafrechtliche Ermittlungen und allgemeine Gefahrenabwehr andererseits) zu gewinnen. Eine

BMVRDJ, erstinstanzliches Urteil des LG Wiener Neustadt vom 2.5.2011 im Tierschützerprozess mit der Aktenzahl 41 Hv 68/09z = 41 Hv 3/10t, S. 169ff. 979 BMVRDJ, erstinstanzliches Urteil des LG Wiener Neustadt vom 2.5.2011 im Tierschützerprozess mit der Aktenzahl 41 Hv 68/09z = 41 Hv 3/10t, S. 172. 980 214/KOMM XXVI. GP, 5f, 36: Aussage S. G. (BVT) (3). 981 214/KOMM XXVI. GP, 6ff: Aussage S. G. (BVT) (3). 982 222/KOMM XXVI. GP, 6: Aussage Buxbaum; 206/KOMM XXVI. GP, 18: Aussage Treibenreif. 983 213/KOMM XXVI. GP, 3ff: Aussage Platter. 984 209/KOMM XXVI. GP, 10f: Aussage Böck.

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derartige Besprechung fand am 14.11.2007 statt. Bei diesem Treffen waren unter anderen der Leiter des BVVM Rudolf Müllebner sowie der operative SOKO-Leiter Josef Böck anwesend.985 Aufgrund der Vielzahl an Demonstrationen in Zusammenhang mit Tierschutzthemen sowie in der Nähe von Kleider-Bauer-Filialen – also an Örtlichkeiten, an denen auch Sachbeschädigungen stattfanden – ist es nachvollziehbar, dass diese beiden Bereiche des BMI in regelmäßiger Verbindung standen.

6.8.6. Zusammenarbeit mit der Steuerfahndung Da die SOKO zu untersuchen hatte, ob die Beschuldigten eine kriminelle Organisation nach § 278a StGB bildeten, arbeitete sie im Ermittlungsverfahren mit der Steuerfahndung zusammen. Staatsanwalt Handler richtete ein entsprechendes Amtshilfeersuchen an die Steuerfahndung, sodass diese im Ermittlungsverfahren tätig werden konnte. Franz Stark von der Steuerfahndung überprüfte für die SOKO die Gemeinnützigkeit der betroffenen Tierschutzvereine. Bei entsprechender Verdachtslage hinsichtlich Verneinung der Gemeinnützigkeit aufgrund von betrieblichen Tätigkeiten und Spenden wäre eine Abgabenprüfung vorgesehen gewesen.986 Die durchgeführte Prüfung ergab jedoch keine Ergebnisse in Richtung Aberkennung der Gemeinnützigkeit.987

Die Wurzel dieser – aus heutiger Sicht bedenklich anmutenden – Involvierung der Finanz dürfte wohl darin bestanden haben, dass das Delikt des § 278a StGB überhaupt von den ermittelnden Behörden für das Tierschützerverfahren herangezogen wurde. Wendet man diesen Paragrafen – in seiner damaligen Fassung – jedoch konsequent auf die Verdachtslage, von der die ermittelnden Beamten ausgingen, an, so ist es durchaus nachvollziehbar, dass die Gemeinnützigkeit von Vereinen, in denen die Beschuldigten aktiv sind, untersucht wurde. Dies deshalb weil eine Gemeinnützigkeit dem Vorliegen einer kriminellen Organisation entgegenstehen würde.

Für die freigesprochenen Tierschützer ist diese Finanzprüfung im Rahmen des Ermittlungsverfahrens verständlicherweise höchst befremdlich und erweckt den Anschein, dass die SOKO und der Staatsanwalt wahrlich alle Hebel in Bewegung setzten, um Ermittlungsergebnisse gegen die Tierschützer zu erzielen.988

985 209/KOMM XXVI. GP, 8: Aussage Böck; BVT, Aktenvermerk vom 14.11.2007 zur informativen Besprechung des BVVM mit der SOKO Bekleidung vom 14.11.2007, S. 2-3. 986 Bundeskriminalamt/SOKO Kleider, Aktenvermerk von W. Müller vom 19.6.2008 über ein Treffen der SOKO mit Franz Stark von der Steuerfahndung, http://albertsteinhauser.at/wp- content/uploads/2011/01/PK-Tiersch%C3%BCtzerprozess-Pressemappe.pdf; 201/KOMM XXVI. GP, 43f: Aussage Balluch. 987 208/KOMM XXVI. GP, 29f: Aussage E. Z. (LVT); 220/KOMM XXVI. GP, 4f: Aussage Stark. 988 vgl hierzu 201/KOMM XXVI. GP, 8: Aussage Balluch.

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6.9. Die verdeckten Ermittlungen 6.9.1. Begriffe Die SOKO Bekleidung führte im Rahmen ihrer Tätigkeit verdeckte Ermittlungen durch. Einerseits wurde zwischen Ende April 2007 und Juli 2008 eine verdeckte Ermittlerin eingesetzt und in die Tierrechtsszene eingeschleust, andererseits bediente sich die SOKO für circa ein halbes Jahr auch einer Vertrauensperson.989

Eine Verdeckte Ermittlung ist der Einsatz von polizeilichen Organen oder anderen Personen, in der Folge Vertrauensperson genannt, im Auftrag der Polizei, die ihre amtliche Stellung oder ihren Auftrag weder offen legen noch erkennen lassen.990

Während es sich bei verdeckten Ermittlern um Polizeibeamte mit Spezialausbildung handelt, sind Vertrauenspersonen Privatpersonen, die bereit sind, auf längere Zeit, freiwillig und unter Zusicherung der Vertraulichkeit im Auftrag der Polizei Informationen zur Aufklärung einer strafbaren Handlung oder zur Gefahrenabwehr an verdeckten Einsätzen teilzunehmen.991

6.9.2. Rechtliche Grundlagen nach dem SPG und der StPO Vor der großen StPO-Reform 2008 waren verdeckte Ermittlungen lediglich zur Gefahrenabwehr nach dem Sicherheitspolizeigesetz (§ 54 Abs 3 SPG), nicht aber zur Aufklärung von Straftaten nach der Strafprozessordnung (StPO) vorgesehen und daher dort auch nicht gesetzlich geregelt. Dies lag daran, dass die StPO-alt grundsätzlich von einem offenen Ermittlungsverfahren ausging.

Seit 2008 sind verdeckte Ermittlungen während eines Ermittlungsverfahrens nach §§ 129 bis 133 StPO zulässig; ansonsten ist eine verdeckte Ermittlung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes auf Basis der Bestimmungen des Sicherheitspolizeigesetzes weiterhin möglich (§ 54 Abs 3 bis 4a SPG). Nach der StPO-neu muss die Kriminalpolizei den Einsatz eines verdeckten Ermittlers im Fall von Strukturermittlungen nach § 131 Abs 2 StPO, das sind systematische, über längere Zeit durchgeführte verdeckte Ermittlungen, von der Staatsanwaltschaft anordnen lassen. Dies bedeutet, dass sie einen Antrag bei der Staatsanwaltschaft stellen muss, die entscheidet, ob der verdeckte Ermittler eingesetzt wird oder nicht.

989 201/KOMM XXVI. GP, 3ff: Aussage Balluch. 990 Grundsatzerlass des BMI über Verdeckte Ermittlung, GZ: BMI-KP1000/0008/BK/5.3/2011, S. 1f, https://www.ris.bka.gv.at/Dokumente/Erlaesse/ERL_07_000_20110406_001_590000S_9_IV3_11/07_ 20110406_Beilage_Erlass_des_BMI_01.pdf. 991 Grundsatzerlass des BMI über Verdeckte Ermittlung, GZ: BMI-KP1000/0008/BK/5.3/2011, S. 1f, https://www.ris.bka.gv.at/Dokumente/Erlaesse/ERL_07_000_20110406_001_590000S_9_IV3_11/07_ 20110406_Beilage_Erlass_des_BMI_01.pdf.

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6.9.3. Verdeckte Ermittlungen in der Causa Tierschützer Das Landesgericht Wiener Neustadt erfuhr vom Einsatz von „Danielle Durand“ erst Ende November 2010, nachdem die Verteidiger der Angeklagten im Rahmen ihrer Verteidigungsstrategie deren Existenz hervorgebracht hatten. Mit 1.12.2010 langte der circa 100 Seiten umfassende, äußerst detaillierte Bericht der verdeckten Ermittlerin bei Gericht ein. Daraufhin vernahm die Richterin „Danielle Durand“ am 16.12.2010, 24.1.2011 und 25.1.2011 sowie am 3.2.2.2011 als Zeugin ein. Der Bericht der Vertrauensperson wurde erst im Zuge der Hauptverhandlung beigeschafft und langte am 25.1.2011 bei Gericht ein.992

Der Ermittlungsbericht von E. Z. (LVT) und Böck vom 18.12.2007 führte als Ausgangslage für die Errichtung der SOKO an, dass diese zur Verhinderung weiterer Anschläge sowie zur Aufklärung bisheriger Anschläge eingesetzt worden war. Im Bereich der „Strukturermittlungen“ habe man große Fortschritte gemacht. Im Hinblick auf § 278a StGB sei ein großes Augenmerk auch künftig auf Strukturermittlungen (Anschlagsziele, Kommunikation, Finanzierung, Planung, Arbeitsteilung, geistige Abschottung) zu legen. Des Weiteren findet sich der Passus:

„Fortsetzung des VE-Einsatzes (ab 1.1.2008 von StA genehmigungspflichtig, was auch geschehen wird)“.993

Daraus leitete das Gericht im Tierschützerprozess beweiswürdigend ab, dass der Leiter der SOKO E. Z. (LVT) sehr wohl wusste, dass ab 1.1.2008 eine geänderte Rechtslage für den weiteren Einsatz der verdeckten Ermittlerin vorlag und für die Fortsetzung eine Genehmigung der Staatsanwaltschaft erforderlich gewesen wäre. Eine diesbezügliche Genehmigung wurde jedoch nie eingeholt.994

Die verdeckte Ermittlerin war für das Gericht als Zeugin äußerst glaubwürdig, sodass es aufgrund ihres Berichts und ihrer Aussage letztlich zum umfassenden Freispruch kam. Trotz ihres tiefen Eindringens in die Tierrechtsszene für die Dauer von 15 Monaten nahm „Danielle Durand“ keinerlei strafrechtlich relevantes Verhalten der ehemals Angeklagten wahr.995

Für das Gericht war es nicht nachvollziehbar, warum die Ergebnisse der verdeckten Ermittlerin nicht von der SOKO in den Ermittlungsakt eingebracht wurden. Es erschloss sich ihm die

992 BMVRDJ, erstinstanzliches Urteil des LG Wiener Neustadt vom 2.5.2011 im Tierschützerprozess mit der Aktenzahl 41 Hv 68/09z = 41 Hv 3/10t, S. 224, 227. 993 BMVRDJ, erstinstanzliches Urteil des LG Wiener Neustadt vom 2.5.2011 im Tierschützerprozess mit der Aktenzahl 41 Hv 68/09z = 41 Hv 3/10t, S. 224. 994 BMVRDJ, erstinstanzliches Urteil des LG Wiener Neustadt vom 2.5.2011 im Tierschützerprozess mit der Aktenzahl 41 Hv 68/09z = 41 Hv 3/10t, S. 226, 230. 995 BMVRDJ, erstinstanzliches Urteil des LG Wiener Neustadt vom 2.5.2011 im Tierschützerprozess mit der Aktenzahl 41 Hv 68/09z = 41 Hv 3/10t, S. 228.

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Argumentation von E. Z. (LVT) als Leiter der SOKO nicht, dass die Ergebnisse deshalb nicht vorgelegt worden seien, weil die verdeckte Ermittlerin ausschließlich nach dem SPG geführt worden sei. Es hielt nicht nur fest, dass die verdeckte Ermittlerin Strukturermittlungen (wie das Sicherstellen von DNA-Spuren oder das Ergründen von Vereinsstrukturen) durchführte, sondern teilte mit, dass seiner Einschätzung nach auch E. Z. (LVT) selbst von Strukturermittlungen (und nicht von reiner Gefahrenabwehr) ausgegangen sei. Das Gericht glaubte dem SOKO-Leiter E. Z. (LVT) im Zeugenstand nicht, dass ihn andere Informationen als solche, die man zur Gefahrenabwehr verwenden könne, nicht interessiert hätten.996

Im Untersuchungsausschuss sprach E. Z. (LVT) – ebenso wie die übrigen ehemaligen Beteiligten des Ermittlungsverfahrens997 soweit sie noch Erinnerungen daran hatten – weiterhin davon, dass die verdeckte Ermittlerin nur nach dem SPG eingesetzt worden sei. Er führte aber auch aus, dass die rechtliche Situation Anfang 2008 sehr schwierig gewesen sei, weil niemand so recht gewusst habe, wie man mit der StPO-neu umzugehen habe.998

E. Z. (LVT) leitete keine Informationen über die Erkenntnisse der verdeckten Ermittlerin aktiv an Handler weiter.999 Handler wurde jedoch von der SOKO-Leitung zumindest gelegentlich über die Aktivitäten der verdeckten Ermittlerin unterrichtet.1000 Böck sagte vor dem Untersuchungsausschuss aus, dass er sämtliche Ermittlungsschritte mit Handler abgesprochen habe, so auch die Aktivitäten der verdeckten Ermittlerin.1001 Dieser Wahrnehmung Böcks widersprach Handler in seiner Aussage vor dem Untersuchungsausschuss. Die Intensität des Austauschs über die Aktivitäten der verdeckten Ermittlerin zwischen der SOKO und Handler kann heute nicht mehr genau festgestellt werden. Gesichert ist jedoch, dass Handler die Tatsache, dass eine verdeckte Ermittlerin im Einsatz befindlich war, spätestens seit September 2007 bekannt war. Hingegen wusste er nicht, dass die verdeckte Ermittlerin einen Bericht verfasste. Die Berichtsteile wurden ihm nie vorgelegt. Er ordnete ab 2008 keine verdeckte Ermittlung nach der StPO an, weil sich der Sinn dieser Ermittlungsmaßnahme für ihn nicht erschloss.1002

Hier wurde der Grundsatz des § 3 Abs 2 StPO zu wenig beachtet, wonach alle Richter,

996 BMVRDJ, erstinstanzliches Urteil des LG Wiener Neustadt vom 2.5.2011 im Tierschützerprozess mit der Aktenzahl 41 Hv 68/09z = 41 Hv 3/10t, S. 228ff. 997 214/KOMM XXVI. GP, 16: Aussage S. G. (BVT) (3); 207/KOMM XXVI. GP, 30: Aussage Bogner; 208/KOMM XXVI. GP, 19ff: Aussage E. Z. (LVT); 216/KOMM XXVI. GP, 9f: Aussage Handler (2). 998 208/KOMM XXVI. GP, 20: Aussage E. Z. (LVT). 999 a.a.O., S. 19ff. 1000 OStA Wien, E-Mail von Christian Pilnacek vom 25.11.2010 betreffend verdeckte Ermittlungen bei den Tierschützern, S. 444; 208/KOMM XXVI. GP, 19ff: Aussage E. Z. (LVT); 209/KOMM XXVI. GP, 21f: Aussage Böck. 1001 209/KOMM XXVI. GP, 21: Aussage Böck. 1002 209/KOMM XXVI. GP, 21: Aussage Böck; 216/KOMM XXVI. GP, 33f: Aussage Handler (2).

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Staatsanwälte und kriminalpolizeilichen Organe [...] die zur Belastung und die zur Verteidigung des Beschuldigten dienenden Umstände mit der gleichen Sorgfalt zu ermitteln haben. Es geht nicht an, wenn sich ein Staatsanwalt sagt, „ich ermittle nur das belastende Material, für die Entlastung sorgt die Unschuldsvermutung.“

Es wäre aus rechtsstaatlicher Sicht wünschenswert gewesen, wenn sich sowohl die SOKO- Leitung als auch Handler darum gekümmert hätten, dass die Ergebnisse der verdeckten Ermittlerin Eingang in den Ermittlungsakt finden. Dass dies nicht passierte, ist nicht auf eine politisch motivierte Einflussnahme (von wem auch immer) zurückzuführen, sondern wohl auf mangelndes Bewusstsein der Ermittlungsbehörden für die Notwendigkeit der Bekanntgabe dieser entscheidungsrelevanten Grundrechtseingriffe.

Festzuhalten ist, dass die Oberstaatsanwaltschaft Wien der Staatsanwaltschaft Wiener Neustadt selbst nach dem medialen Bekanntwerden des Einsatzes einer verdeckten Ermittlerin keine Weisung erteilte, die Anklage zurückzuziehen.1003

6.10. Die Hausdurchsuchungen und Festnahmen vom 21.5.2008 6.10.1. Allgemeines Am 21.5.2008 erfolgten bundesweit zehn Festnahmen von Tierschützern. Ihnen wurde von der Staatsanwaltschaft Wiener Neustadt vorgeworfen, in zahlreiche Brandstiftungen, Gasanschläge und andere schwere Sabotageakte auf Lebensmittelkonzerne, Bekleidungshandelsketten, pharmazeutische Unternehmen, Produzenten landwirtschaftlicher Produkte et cetera involviert gewesen zu sein und eine kriminelle Organisation nach § 278a StGB gebildet zu haben. Die Festgenommenen wurden verdächtigt, „radikale Mitglieder einer militanten, unter mehreren Pseudonymen verdeckt auftretenden und international vernetzten Personengruppe zu sein“, die während der vergangenen Jahre zahlreiche der angeführten Taten begangen und dabei „große Schäden verursacht“ haben soll.“1004 Gleichzeitig wurden an mehreren Orten in ganz Österreich über 20 Hausdurchsuchungen bei Privatpersonen und Tierschutzorganisationen durchgeführt.1005

Von den später freigesprochenen Tierschützern wurde diese konzertierte Polizeiaktion als unangemessene Vorgangsweise und „Willkürakt“ empfunden, der darauf ausgelegt gewesen

1003 216/KOMM XXVI. GP, 24: Aussage Handler (2). 1004 „Die Presse“ vom 23.5.2008, „U-Haft über zehn Aktivisten verhängt“, https://diepresse.com/home/panorama/oesterreich/385826/UHaft-ueber-zehn-Aktivisten-verhaengt. 1005 „Die Presse“ vom 14.7.2008, „Skandal oder Justizalltag: Der Klub der toten Tierschützer“, https://diepresse.com/home/panorama/oesterreich/398260/Skandal-oder-Justitzalltag_Der-Klub-der- toten-Tierschuetzer.

www.parlament.gv.at 695 der Beilagen XXVI. GP - Ausschussbericht NR - Berichterstattung 241 von 298 237 sei, bestimmte Vereine mit unlauteren Mitteln auszulöschen. Es wurde bereits zu diesem Zeitpunkt von den Beschuldigten der Vorwurf laut, die Behörden würden sich für politische Interessen missbrauchen lassen.1006 6.10.2. Zeitpunkt der Amtshandlung Bei einer Dienstbesprechung nach den Hausdurchsuchungen und Festnahmen im Kabinett der damaligen Justizministerin Maria Berger, bei der Vertreter des BMJ, der OStA Wien und der StA Wiener Neustadt anwesend waren, mutmaßte Kabinettschef Albin Dearing darüber, ob der Zeitpunkt der Amtshandlungen in Zusammenhang mit den kurz danach anstehenden Tiroler Landtagswahlen stehen könnte, bei denen Platter als Landeshauptmann kandidierte:

„Insbesondere könnte es sich um eine vom ÖVP-Innenminister Platter gesteuerte Aktion handeln, deren Zweck es sei, den ‚Grünen‘ zu schaden.“ 1007

Obwohl sich Dearing vor dem Untersuchungsausschuss nicht mehr an diese Besprechung erinnerte, ist davon auszugehen, dass er diese Äußerung am 27.5.2007 tatsächlich getätigt hatte, weil dies in zwei verschiedenen Aktenvermerken festgehalten ist. Zudem erinnerte sich Handler noch an die Dienstbesprechung und bestätigte die damalige Aussage Dearings.

Es gibt jedoch außer der damaligen Mutmaßung Dearings keine Anhaltspunkte dafür, dass die Hausdurchsuchungen und Festnahmen wirklich durch die Tiroler Landtagswahlen motiviert gewesen wären. Entgegen diesen Vermutungen wurde der Zeitpunkt der Amtshandlungen von der SOKO aus kriminaltaktischen Gründen gewählt. Die gleichzeitig durchgeführten Durchsuchungen dienten der Vermeidung einer möglichen Vernichtung von Beweismitteln wie zB Verstecken oder Vernichten von Datenträgern, Löschen von Daten et cetera.1008

6.10.3. Einbeziehung von „Kinderpornografie“-Experten Zur Vorbereitung der Hausdurchsuchungen und Festnahmen vom 21.5.2008 fand am 5.5.2008 im BVT eine Planungssitzung der SOKO statt. In einem Amtsvermerk über die Besprechung wurde unter anderem Folgendes festgehalten:

„Vorschlag Böck: bei jedem Einschreitteam sollen Leute vom a) Betrug b) Wirtschaft c) Kinderpornographie“ dabei sein Einwand Bogner: will bei jeder HD Datensicherer anwesend haben. Vorschlag Bogner wurde angenommen: 7 Datensicherer BKA + 1 Datensicherer

1006 4521/J XXIII. GP; Parlamentarische Anfrage an den Bundesminister für Inneres betreffend Strafverfahren gegen „Tierschützer" vom 05.06.2008, https://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXIII/J/J_04521/fname_111948.pdf. 1007 218/KOMM XXVI. GP, 4, 17: Aussage Dearing; 209/KOMM XXVI. GP, 34f: Aussage Böck; BMVRDJ, Aktenvermerk des fallführenden Staatsanwaltes Handler, S. 71; BMVRDJ, Aktenvermerk von Maria-Luise Nittel (OStA Wien) vom 27.5.2008. 1008 209/KOMM XXVI. GP, 34ff: Aussage Böck; BMVRDJ, erstinstanzliches Urteil des LG Wiener Neustadt vom 2.5.2011 im Tierschützerprozess mit der Aktenzahl 41 Hv 68/09z = 41 Hv 3/10t, S. 172.

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vom BVT“1009

Aufgrund dieses Aktenvermerks, dessen Verfasser unbekannt geblieben ist, stand der Vorwurf im Raum, dass die SOKO ohne jeden Anhaltspunkt bei den Hausdurchsuchungen bei den ehemals beschuldigten Tierschützern nach kinderpornografischem Material habe suchen wollen. Verständlicherweise waren die Auskunftspersonen Balluch, Traxler und Moser entsetzt, als sie im Untersuchungsausschuss mit diesem Aktenvermerk konfrontiert wurden.1010

Sämtliche zu dieser Thematik befragten Auskunftspersonen sagten aus, dass es im gesamten Ermittlungsakt gegen die Tierschützer keinen einzigen Hinweis auf Kinderpornografie gegeben habe und derartige Vorwürfe nicht im Raum gestanden seien.1011 Auch in sämtlichen dem Untersuchungsausschuss vorgelegten Dokumenten (mit Ausnahme des zitierten Aktenvermerks) finden sich keinerlei Hinweise auf die genannte Thematik. Es ist daher mit Sicherheit anzunehmen, dass die ehemals beschuldigten Tierschützer nichts mit kinderpornografischem Material zu tun hatten sowie dass sich im Akt auch keine Hinweise auf derartige Verdachtsmomente befunden haben.

Die ehemaligen SOKO-Mitglieder Böck,1012 Bogner,1013 Breitsching1014 und S. G. (BVT)1015 sagten vor dem Untersuchungsausschuss allesamt sinngemäß aus, dass sich das Wort Kinderpornografie nur aufgrund eines unglücklichen Missgeschicks im zitierten Aktenvermerk befinden könne. Dieses Missgeschick beruhe darauf, dass die polizeilichen Experten für Kinderpornografie zugleich meist Spezialisten für Datensicherung seien.

Diese Erklärung ist nachvollziehbar, sodass der Untersuchungsausschuss zur Überzeugung gelangte, dass die SOKO zu keinem Zeitpunkt wegen Kinderpornografie gegen die Tierschützer ermittelte. Dennoch muss festgehalten werden, dass die saloppe Ausdrucksweise, die sich im zitierten Aktenvermerk zeigt, äußerst unglücklich ist, zumal sie geeignet ist, die betroffenen Personen – in diesem Fall die freigesprochenen Tierschützer – (neuerlich) ungerechtfertigt in Misskredit zu ziehen.

1009 BVT, Aktenvermerk über die SOKO-Besprechung vom 5.5.2008, S. 2; 201/KOMM XXVI. GP, 15: Aussage Balluch. 1010 201/KOMM XXVI. GP, 9: Aussage Balluch; 202/KOMM XXVI. GP, 34: Aussage Moser; 203/KOMM XXVI. GP, 31f: Aussage Traxler. 1011 201/KOMM XXVI. GP, 9: Aussage Balluch; 202/KOMM XXVI. GP, 34: Aussage Moser; 203/KOMM XXVI. GP, 31f: Aussage Traxler; 204/KOMM XXVI. GP, 36: Aussage Graf; 215/KOMM XXVI. GP, 6: Aussage Breitsching; 207/KOMM XXVI. GP, 7: Aussage Bogner; 209/KOMM XXVI. GP, 8f: Aussage Böck; 214/KOMM XXVI. GP, 19: Aussage S. G. (BVT) (3). 1012 209/KOMM XXVI. GP, 8f: Aussage Böck. 1013 207/KOMM XXVI. GP, 7: Aussage Bogner. 1014 215/KOMM XXVI. GP, 6: Aussage Breitsching. 1015 214/KOMM XXVI. GP, 19: Aussage S. G. (BVT) (3).

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6.11. Dauer der Untersuchungshaft Nachdem zehn Beschuldigte am 21.5.2008 festgenommen worden waren, mussten sie über mehrere Monate in Untersuchungshaft ausharren.1016 Die Beschuldigten erhoben in der Untersuchungshaft mehrere Haftbeschwerden. Das Oberlandesgericht Wien gab den Beschwerden über die Verhängung beziehungsweise Fortsetzung der Untersuchungshaft in einer 112-seitigen Entscheidung vom 13.7.2008 jedoch nicht Folge. Es bestätigte das Vorliegen eines dringenden Tatverdachts in Richtung des § 278a StGB und das Vorliegen von Haftgründen.1017

Christian Moser wurde am 13.8.2008 vom Haftrichter enthaftet.1018 Die übrigen neun Beschuldigten wurden am 2.9.2008 über Antrag der Staatsanwaltschaft Wiener Neustadt aufgrund einer Weisung der Oberstaatsanwaltschaft Wien enthaftet.1019 Dieser Weisung war eine Dienstbesprechung vorangegangen, bei der sich herauskristallisierte, dass die Staatsanwaltschaft Wiener Neustadt einerseits und die Oberstaatsanwaltschaft Wien andererseits unterschiedliche Rechtsmeinungen zur Verhältnismäßigkeit der Untersuchungshaft hatten. Ergebnis dieser unterschiedlichen Auffassungen war die Weisung des Leitenden Oberstaatsanwaltes Pleischl auf Enthaftung aller übrigen Beschuldigten.1020

Der OGH wies mit Entscheidungen vom 21.10.2008 und 26.11.2008 die Grundrechtsbeschwerden der Angeklagten gegen die Untersuchungshaft ab. Laut OGH sei das Grundrecht auf persönliche Freiheit der Angeklagten nicht verletzt worden.

6.12. Persönliche Folgen für die Betroffenen Für sämtliche der freigesprochenen Tierschützer bedeuteten die lange Untersuchungshaft, die Notwendigkeit der rechtsanwaltlichen Vertretung und die Verunmöglichung einer Erwerbstätigkeit einen enorm hohen finanziellen und persönlichen Schaden.1021

1016 BMVRDJ, erstinstanzliches Urteil des LG Wiener Neustadt vom 2.5.2011 im Tierschützerprozess mit der Aktenzahl 41 Hv 68/09z = 41 Hv 3/10t, S. 175. 1017 BMVRDJ, erstinstanzliches Urteil des LG Wiener Neustadt vom 2.5.2011 im Tierschützerprozess mit der Aktenzahl 41 Hv 68/09z = 41 Hv 3/10t, S. 175f. 1018 BMVRDJ, erstinstanzliches Urteil des LG Wiener Neustadt vom 2.5.2011 im Tierschützerprozess mit der Aktenzahl 41 Hv 68/09z = 41 Hv 3/10t, S. 175. 1019 216/KOMM XXVI. GP, 35: Aussage Handler (2); BMVRDJ, erstinstanzliches Urteil des LG Wiener Neustadt vom 2.5.2011 im Tierschützerprozess mit der Aktenzahl 41 Hv 68/09z = 41 Hv 3/10t, S. 175. 1020 216/KOMM XXVI. GP, 34ff: Aussage Handler (2); 217/KOMM XXVI. GP, 15f: Aussage Pleischl. 1021 201/KOMM XXVI. GP, 6f: Aussage Balluch.

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6.13. Mögliche Einflussnahme auf die Ermittlungen durch ÖVP-nahe Kreise Im Laufe des Untersuchungsausschusses stand immer wieder der Vorwurf im Raum, ÖVP- nahe Personenkreise, insbesondere Vertreter der Bauern- oder Jägerschaft, hätten Einfluss auf die Ermittlungsbehörden genommen. Für diesen Vorwurf findet sich in den Aussagen der Auskunftspersonen und den vorgelegten Akten jedoch kein Hinweis.

Alfons Mensdorff-Pouilly, ein ÖVP-naher Lobbyist und Großjagd- und -grundbesitzer im Burgenland, kannte Günther Platter beispielsweise vor 2015 nicht persönlich. Auch sonst ergaben sich keine Anhaltspunkte dafür, dass er mit Entscheidungsträgern im Ermittlungsverfahren Kontakt gehabt hätte.1022

Der ehemalige Kabinettsmitarbeiter Treibenreif gab an, zwar privat Jäger zu sein, aber keine Jagdeinladungen anzunehmen. Zudem war er betreffend die SOKO Bekleidung kein Entscheidungsträger.1023

Eine wie auch immer geartete Einflussnahme der Auskunftsperson Michael Artner1024, Schweinebauer im Burgenland, auf die Ermittlungen wurde von keiner Seite behauptet.

Die übrigen SOKO-Mitglieder hatten – soweit feststellbar – weder Verbindungen zur Jägerschaft noch nennenswerte Naheverhältnisse zu Vertretern der Landwirtschaft, wenn man davon absieht, dass Staatsanwalt Handlers Schwiegereltern Weinbauern sind, was keinen Einfluss auf die Ermittlungen gegen die Tierschützer gehabt haben dürfte. Auch Handlers Mitgliedschaft zu einem Mittelschülerkartellverband ist nicht dazu geeignet, ihm eine wie auch immer geneigte Parteilichkeit für bestimmte Interessen zu unterstellen.1025

Die Untersuchungen haben weiters kein Naheverhältnis der einschreitenden Ermittlungsorgane zur Pelzindustrie gezeigt. Auch eine besondere Verbindung zur ÖVP trat bei keiner der operativ tätigen Personen in Erscheinung.

6.14. Fazit Trotz der diversen festgestellten Unregelmäßigkeiten im Ermittlungsverfahren (sowie im hier nur am Rande thematisierten Hauptverfahren) des Tierschützerprozesses war eine (partei)politisch motivierte, abgestimmte Einflussnahme auf das Strafverfahren im

1022 205/KOMM XXVI. GP, 6, 1-32: Aussage Mensdorff-Pouilly; 213/KOMM XXVI. GP, 15, 27: Aussage Platter. 1023 206/KOMM XXVI. GP, 13: Aussage Treibenreif. 1024 211/KOMM XXVI. GP, 1-23: Aussage Artner. 1025 216/KOMM XXVI. GP, 4, 22f: Aussage Handler (2).

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Allgemeinen beziehungsweise auf das BVT im Besonderen nicht nachweisbar.

Unabhängig vom Ergebnis dieser Untersuchung kann festgehalten werden, dass die freigesprochenen Tierschützer ein Martyrium durchmachen mussten, für das sie der Staat zwar so entschädigte, wie dies gesetzlich vorgesehen ist. Die gezahlten Entschädigungen vermögen jedoch nicht annähernd jenen Schaden gutzumachen, den die betroffenen Personen erlitten haben. Alleine durch die notwendig gewordene rechtsanwaltliche Vertretung sowie die genommene Möglichkeit, am Erwerbsleben teilzunehmen, war der tatsächlich erlittene finanzielle Schaden bedeutend höher als die geleisteten Entschädigungszahlungen. Der gesellschaftliche und emotionale Schaden, mit dem die Betroffenen wohl ein Leben lang zu kämpfen haben werden müssen, steht ohnehin auf einem anderen Blatt.

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7. Organisation – Politische Netzwerke 7.1. Anfrage zu Ermittlungen betreffend Burschenschaften 7.1.1. Anfrage von Generalsekretär Goldgruber Am 2.10.2018 veröffentlichte die Zeitung „Falter“ einen BVT-internen Aktenvermerk vom 29.1.2018 über ein Gespräch zwischen Gridling und Goldgruber. Darin waren fünf Fragen betreffend Ermittlungen bei Burschenschaften notiert, die Goldgruber an Gridling gestellt haben soll:

„29.1.2018 Gespräch Gridling mit HGS:

Welche Burschenschaften waren zwischen 2012-2017 Gegenstand von Ermittlungen?

Gab es in dieser Zeit Ermittlungen gegen Personen, die Mitglieder einer Burschenschaft sind?

Wenn ja – gibt es bezughabende Anzeigen (strafrechtliche Anzeigen / verwaltungsrechtliche Anzeigen)?

Welche Maßnahmen im Zusammenhang mit Vereinsauflösungen – untersagungen wurden in der letzten Regierungsperiode seitens EX-Referat gesetzt?

Wo wurden im Bereich REX verdeckte Ermittler eingesetzt?“1026

Insbesondere die Frage, in welchem Bereich verdeckte Ermittler eingesetzt wurden, führte zu starken Irritationen und wurde daher im Untersuchungsausschuss behandelt.

7.1.2. Sachverhalt Am 28.1.2018 fand in Niederösterreich eine vorgezogene Landtagswahl statt1027 aus der die ehemalige Bundesministerin für Inneres Mikl-Leitner als Landeshauptfrau hervorging. Zwei Tage später, am 30.1.2018, tagte der Nationale Sicherheitsrat zum Thema Rechtsextremismus und Burschenschaften aufgrund der am 23.1.20181028 bekanntgewordenen Liederbuchcausa rund um den damaligen Spitzenkandidaten der FPÖ bei der Landtagswahl in Niederösterreich Udo Landbauer und die Burschenschaft Germania.1029 Im Bundesministerium für Inneres wurde bereits am 26.1.2018 mit den

1026 „Falter“ vom 2.10.2018: „Brisante Akten aus dem Innenministerium, Herbert Kickl wollte vom Bundesamt für Verfassungsschutz nach der Liederbuchaffäre wissen, welche Under-Cover- Ermittlungen bei Burschenschaften anhängig waren“, https://www.falter.at/archiv/wp/brisante-akten- aus-dem-innenministerium. 1027 Aussendung der Niederösterreichischen Landesregierung, 5.2.2018, http://www.noe.gv.at/noe/Wahlen/Landtagswahl_2018.html 1028 „Falter“ vom 23.1.2018: „Schwere Vorwürfe gegen Spitzenkandidaten der FP-Niederösterreich“, https://www.falter.at/archiv/wp/schwere-vorwuerfe-gegen-spitzenkandidaten-der-fp-niederoesterreich. 1029 131/KOMM XXVI. GP, 22: Aussage Kardeis.

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Vorbereitungen für den Nationalen Sicherheitsrat begonnen. Aus diesem Anlass übermittelte Kardeis am 26.1.2018 eine Nachricht per SMS an Goldgruber mit der Information, dass sie ihn inhaltlich für den Nationalen Sicherheitsrat vorbereite.1030

Die Federführung der Vorbereitungen für den Nationalen Sicherheitsrat lag bei der Sektion I des BMI (Präsidium). Zwischen 26.1.2018 und 30.1.2018 fanden mehrere Vorbesprechungen statt, in denen besprochen wurde, welche Themen vorzubereiten und von welchen Stellen Unterlagen zu liefern seien.1031

Am 29.1.2018 fand um 16:00 Uhr eine Besprechung zwischen Goldgruber und Gridling im Büro von Goldgruber im BMI statt.1032 In dieser Besprechung formulierte Goldgruber insgesamt fünf Fragen, die er vom BVT beantwortet haben wollte. Unter anderem begehrte Goldgruber die Auskunft, wo im Bereich Rechtsextremismus verdeckte Ermittler eingesetzt worden seien. Gridling machte Goldgruber darauf aufmerksam, dass die Beantwortung dieser Frage eine unmittelbare Gefährdung von Leib und Leben der Mitarbeiter nach sich ziehen könne. Goldgruber ignorierte diese Warnung, wiederholte die Frage und bestand auf deren Beantwortung.1033

Unmittelbar nach der Besprechung teilte Gridling dem damals zuständigen interimistischen Leiter der Abteilung II/BVT C. M. (BVT) telefonisch mit, dass von Goldgruber Fragen an das BVT gestellt worden seien. Über den Inhalt dieses Telefonats legte C. M. (BVT) einen Aktenvermerk an.1034 Es handelte sich dabei um jenen Aktenvermerk, der am 2.10.2018 vom „Falter“ veröffentlicht wurde und der die fünf Fragen betreffend Ermittlungen gegen Burschenschaften enthielt.

Gridling besprach mit C. M. (BVT) die Form der Beantwortung der von Goldgruber gestellten Fragen. Sie kamen überein, dass eine Position, die das BVT auch im Parlament regelmäßig vertreten habe, eingenommen werde. Die Auskunft solle sich dementsprechend auf die Mitteilung beschränken, dass Vereine oder Burschenschaften per se keine Beobachtungsgegenstände des BVT seien, sondern es entweder Verhalten gebe, das den Vereinen oder Burschenschaften zurechenbar sei, oder es Ermittlungen gegen den Verein selbst gebe. Zudem sollten jene Ermittlungsfälle bekannt gegeben werden, die auch Gegenstand staatsanwaltlicher Ermittlungen waren, da in diesen Fällen für die Betroffenen die

1030 131/KOMM XXVI. GP, 22: Aussage Kardeis. 1031 131/KOMM XXVI. GP, 22, 23: Aussage Kardeis. 1032 131/KOMM XXVI. GP, 23: Aussage Kardeis. 1033 128/KOMM XXVI. GP, 36, 37: Aussage Gridling (1). 1034 131/KOMM XXVI. GP, 23: Aussage Kardeis; 128/KOMM XXVI. GP, 25: Aussage Gridling (1).

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Tatsache, dass ermittelt wurde, bekannt gewesen sei und das Risiko für verdeckte Ermittler somit geringer sei.1035

Gridling gab in seinen Befragungen vor dem Untersuchungsausschuss an, dass er die von Goldgruber formulierte Frage nach verdeckten Ermittlern keinesfalls beantworten habe wollen, da diese Auskunft Amtshandlungen des BVT gefährdet hätte und eine unmittelbare Gefährdung für die Mitarbeiter nach sich gezogen hätte. Wenn die Identitäten von verdeckten Ermittlern bekannt würden, seien diese Ermittler nicht mehr einsetzbar und müssten zurückgezogen werden. Darüber hinaus seien sowohl die Ermittler als auch deren Umfeld unmittelbar gefährdet. Dies sei auch der Grund gewesen, die Auskunft auf jene Fälle zu beschränken, die im Auftrag der Staatsanwaltschaft geführt wurden.1036

Er habe diese Vorgehensweise einer bewussten „Nicht-Vollauskunft“ zudem aufgrund des von ihm unterzeichneten Verhaltenskodex gewählt. In diesem Kodex des BMI sind Regelungen zur Amtsverschwiegenheit angeführt, die explizit vorsehen, dass die Amtsverschwiegenheit auch gegenüber Kolleginnen und Kollegen gilt, die mit der Führung einer Amtshandlung nichts zu tun haben.1037

Nach dem Telefonat zwischen Gridling und C. M. (BVT) fand um 18:06 Uhr ein ungefähr fünfminütiges Telefongespräch zwischen Gridling und Kardeis statt. In diesem Telefonat informierte Gridling Kardeis über den Inhalt der Besprechung mit Goldgruber. Er teilte ihr mit, dass er die Beantwortung der Frage von Goldgruber, wo verdeckte Ermittler eingesetzt seien, als äußerst kritisch erachte. Die Beantwortung dieser Frage würde zu einer massiven Gefährdung der Sicherheit der als verdeckte Ermittler eingesetzten Personen führen, selbst wenn man sich in der Auskunft lediglich auf bereits abgeschlossene verdeckte Ermittlungen beschränken würde. Gridling und Kardeis kamen überein, dass man sich in der Beantwortung dieser Frage aufgrund des Sicherheitsrisikos lediglich auf Themen und Überschriften beschränken werde.1038

C. M. (BVT) leitete die Fragen per E-Mail an die zuständige Leiterin des Referats Extremismus S. G. (BVT) weiter und beauftragte sie mit deren Beantwortung.1039 S. G. (BVT) arbeitete die Fragen aus und übermittelte die Stellungnahme per E-Mail an Gridling. Gridling sah bewusst

1035 128/KOMM XXVI. GP, 25: Aussage Gridling (1). 1036 128/KOMM XXVI. GP, 36: Aussage Gridling (1). 1037 128/KOMM XXVI. GP, 25: Aussage Gridling (1); AP Gridling, Verhaltenskodex für Mitarbeiter des Bundesministerium für Inneres, S. 13. 1038 131/KOMM XXVI. GP, 23, 24: Aussage Kardeis. 1039 128/KOMM XXVI. GP, 25: Aussage Gridling (1); 234/KOMM XXVI. GP, 10: Aussage C. M. (BVT) (2).

www.parlament.gv.at 695 der Beilagen XXVI. GP - Ausschussbericht NR - Berichterstattung 249 von 298 245 von einer Weiterleitung der Ausarbeitung an Goldgruber ab. Er informierte ihn in weiterer Folge lediglich mündlich und nur in jenem Ausmaß, das er für notwendig erachtete.1040

Am 30.1.2018 fand unmittelbar vor Beginn des Nationalen Sicherheitsrats eine weitere Vorbesprechung statt, an der Goldgruber, Kardeis und ein Vertreter der Sektion I Wilhelm Sandrisser teilnahmen. Verdeckte Ermittler im Bereich Rechtsextremismus waren im Nationalen Sicherheitsrat kein Thema.1041

In seinen Befragungen vor dem Untersuchungsausschuss erklärte Gridling, dass er von der Frage von Goldgruber nach verdeckten Ermittlern überrascht gewesen sei. Dies insbesondere, da kurze Zeit nach der Einrichtung des Generalsekretariats im BMI Gridling mit Goldgruber über die zukünftige Form der Berichterstattung und Information des Generalsekretariats gesprochen habe. Goldgruber habe Gridling in diesem Zusammenhang angewiesen, von einer Vorabinformation des Generalsekretariats zu operativen Handlungen des BVT abzusehen. Goldgruber habe damit verhindern wollen, dass der Verdacht aufkomme, das Generalsekretariat würde diese Informationen politisch nutzen. Gerade aufgrund dieser Weisung sei Gridling umso mehr überrascht gewesen, dass Goldgruber kurz darauf Informationen über verdeckte Ermittler in Burschenschaften erhalten wollte.1042

7.1.3. Ausgewählte Aussagen zum Auftrag Im Untersuchungsausschuss wurden mehrere Auskunftspersonen zum Auftrag des Generalsekretariats des BMI an das BVT befragt.

Im Folgenden werden die relevantesten Aussagen überblicksmäßig dargestellt:

Peter Goldgruber: In seiner ersten Befragung vor dem Untersuchungsausschuss gab Goldgruber an, dass im Vorfeld des Nationalen Sicherheitsrats am 30.1.2018 mehrere Gespräche mit BVT-Direktor Gridling stattgefunden hätten. In diesen Besprechungen habe er jedoch keinen konkreten Auftrag an ihn erteilt. Er könne nicht sagen, ob am 29.1.2018 tatsächlich eine Besprechung mit Gridling stattgefunden habe. Innerhalb der Besprechungen habe er Gridling gefragt, ob gegen Burschenschaften Ermittlungen geführt würden. Ebenfalls seien Vereinsauflösungen im rechtsextremen Bereich Thema gewesen. Er habe Gridling nicht gefragt, ob in der Zeit 2012- 2017 gegen spezielle Personen, die Mitglieder von Burschenschaften waren,

1040 128/KOMM XXVI. GP, 35, 36: Aussage Gridling (1). 1041 131/KOMM XXVI. GP, 24: Aussage Kardeis. 1042 128/KOMM XXVI. GP, 25, 36: Aussage Gridling (1).

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Ermittlungen geführt worden seien. Goldgruber sei sich mit hoher Wahrscheinlichkeit sicher, dass er keine Frage nach Ermittlern gestellt habe.1043

In seiner zweiten Befragung vor dem Untersuchungsausschuss erklärte Goldgruber, dass er Gridling vor dem Nationalen Sicherheitsrat zu einem Gespräch eingeladen habe. Gridling habe ihn beraten sollen, wie der Nationale Sicherheitsrat ablaufen solle und welche Fragen dort thematisiert werden würden. Gridling habe das per Telefon einem Mitarbeiter des BVT weitererzählt. Dieser Mitarbeiter des BVT habe das in einem E-Mail zu Papier gebracht. Er habe mit diesen Frageformulierungen daher nichts zu tun.1044

Auf Nachfrage, ob er Gridling konkret danach gefragt habe, wo im Bereich Rechtsextremismus verdeckte Ermittler eingesetzt seien, verweigerte Goldgruber die Aussage gemäß § 43 Abs 1 Z 1 VO-UA (Aussageverweigerung aufgrund der Gefahr einer strafgerichtlichen Verfolgung).1045

Peter Gridling: Aufgrund der Dienstanweisung von Goldgruber, es seien keine Vorabinformationen zu operativen Vorgängen an ihn zu richten, habe es ihn überrascht, dass Goldgruber in der Besprechung vom 29.1.2018 explizit Fragen zu Ermittlungen betreffend Burschenschaften gestellt habe. Gridling habe Goldgruber darauf aufmerksam gemacht, dass die Beantwortung der Frage, wo im Bereich Rechtsextremismus verdeckte Ermittler eingesetzt seien, eine unmittelbare Gefährdung von Leib und Leben der Mitarbeiter nach sich ziehen könne. Goldgruber habe dies zur Kenntnis genommen und trotzdem auf einer Auskunft bestanden.1046

Auf Frage, ob ihn Generalsekretär Goldgruber expressis verbis nach Namen von verdeckten Ermittlern gefragt habe, antwortete Gridling: „Das ist meine Erinnerung.“1047

S. G. (BVT): Die ersten Fragen in der Anfrage von Goldgruber stufe sie als unbedenklich ein. Lediglich die Frage, wo verdeckte Ermittler eingesetzt gewesen seien, sei aus ihrer Sicht kritisch zu sehen. Eine solche Frage habe sie noch nie erlebt. Im E-Mail, in welchem C. M. (BVT) am 29.1.2018 die von Goldgruber gestellten Fragen an S. G. (BVT) übermittelt habe, habe C. M. (BVT) hinzugefügt, dass der Direktor die Fragen nicht abwehren habe können. Mündlich habe ihr

1043 126/KOMM XXVI. GP, 17: Aussage Goldgruber (1). 1044 173/KOMM XXVI. GP, 8: Aussage Goldgruber (2). 1045 173/KOMM XXVI. GP, 8: Aussage Goldgruber (2). 1046 128/KOMM XXVI. GP, 42: Aussage Gridling (1). 1047 128/KOMM XXVI. GP, 48: Aussage Gridling (1).

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C. M. (BVT) mitgeteilt, er werde diese Frage nicht beantworten, da er aber weisungsgebunden sei, müsse er irgendeine Antwort geben.1048

C. M. (BVT): Er habe den Auftrag von Gridling an S. G. (BVT) weitergeleitet. Es sei noch nie der Fall gewesen, dass das politische Kabinett nach verdeckten Ermittlern in der rechtsextremen Szene gefragt habe. Auch BVT-Beamte seien weisungsgebundene Organe und müssten, sofern eine Information zu erteilen sei, dieser Weisung auch nachkommen. Die Weitergabe von Namen von verdeckten Ermittlern sei für ihn jedoch ein absolutes No-Go.1049

Michaela Kardeis: Sie habe am 29.1.2018 um 18:06 Uhr ein Telefonat mit Gridling geführt, in dem ihr Gridling mitgeteilt habe, dass Goldgruber in der vorangegangenen Besprechung gefragt habe, wo verdeckte Ermittler eingesetzt worden seien. Gridling habe dazu erklärt, dass er die Beantwortung der Frage kritisch sehe. Auch aus ihrer Sicht sei die Nennung von Namen von verdeckten Ermittlern beziehungsweise die Bekanntgabe, wo verdeckte Ermittler eingesetzt seien, äußerst gefährlich. Sie sei mit Gridling übereingekommen, dass man sich in der Auskunft lediglich auf die Nennung von Themen und Überschriften beschränken solle.1050

Herbert Kickl: Kickl könne nicht beurteilen, von wem er auf den Nationalen Sicherheitsrat am 30.1.2018 vorbereitet worden sei. Es seien die Vorbereitungen in schriftlicher Form auf seinem Schreibtisch gelegen. Bei dem Gespräch zwischen Goldgruber und Gridling sei er nicht dabei gewesen und habe somit auch keine Wahrnehmung zu dessen Inhalt.1051

Reinhard Teufel: Teufel sei nicht in die Vorbereitungen zum Nationalen Sicherheitsrat am 30.1.2018 eingebunden gewesen. Er habe ebenfalls keine Wahrnehmungen zur Anfrage von Goldgruber an Gridling.1052

Werner Faymann: Zum Prozedere bei der Einholung von Informationen auf technischer Ebene sagte der

1048 117/KOMM XXVI. GP, 8: Aussage S. G. (BVT) (1). 1049 125/KOMM XXVI. GP, 34: Aussage C. M. (BVT) (1). 1050 131/KOMM XXVI. GP, 23, 24: Aussage Kardeis. 1051 130/KOMM XXVI. GP, 22-25: Aussage Kickl. 1052 197/KOMM XXVI. GP, 7, 16: Aussage Teufel.

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ehemalige Bundeskanzler Werner Faymann in seiner Befragung vor dem Untersuchungsausschuss, dass er den zuständigen Bundesminister kontaktiert hätte und nicht über sein Kabinett auf Mitarbeiter direkt zugegriffen hätte.1053

7.1.4. Fazit Aufgrund der dem Untersuchungsausschuss vorliegenden Unterlagen sowie der durchgeführten Befragungen ist davon auszugehen, dass die Frage, in welchen Bereichen im Bereich REX (Rechtsextremismus) verdeckte Ermittler eingesetzt sind, von Goldgruber in dieser Form innerhalb der Besprechung am 29.1.2018 um 16:00 Uhr an Gridling gestellt wurde. Diese Feststellung gründet sich auf die schlüssigen und übereinstimmenden Aussagen der Auskunftspersonen Gridling, C. M. (BVT), Kardeis und S. G. (BVT) sowie auf den unmittelbar nach dem Telefonat mit Gridling von C. M. (BVT) erstellten Aktenvermerk. Die sich zum Teil widersprechenden Aussagen von Goldgruber erscheinen im Hinblick auf dessen zahlreiche Erinnerungslücken und Aussageverweigerungen als nicht glaubwürdig.

Nicht festgestellt werden konnte, ob Goldgruber Gridling auch konkret nach Namen von verdeckten Ermittlern fragte. Gridling gab in seiner Befragung vor dem Untersuchungsausschuss zwar an, dass Goldgruber – seiner Erinnerung – ausdrücklich nach Namen von verdeckten Ermittlern gefragt habe. Da dies jedoch Gridling selbst nicht mit ausreichender Sicherheit bestätigen konnte und auch sonst keine bekräftigenden Beweise vorliegen, konnte dieser Verdacht weder bestätigt noch entkräftet werden.

Ebenfalls nicht abschließend festgestellt werden konnte, ob Goldgruber die Fragen im Auftrag des Bundesministers für Inneres Herbert Kickl an das BVT stellte oder ob er aus Eigenem handelte.

Die Tatsache, dass Goldgruber explizit danach fragte, in welchen Bereichen im Rechtsextremismusbereich verdeckte Ermittler eingesetzt waren, stellt eine nicht unerhebliche Überschreitung seiner Befugnisse dar. Es ist aufgrund der Beweisergebnisse nicht nachvollziehbar, aus welchem Grund Goldgruber auf die Beantwortung dieser Frage bestand. Als Vorbereitung für den Nationalen Sicherheitsrat kann diese Information nicht gedient haben. Im Hinblick auf die potenzielle Gefahr für Leib und Leben von Beamten sowie deren Umfeld, die durch das Bekanntwerden von Namen von verdeckten Ermittlern beziehungsweise allein aufgrund der Tatsache, dass in gewissen konkreten Bereichen verdeckte Ermittler eingesetzt sind beziehungsweise waren, entstehen kann, erscheint das Vorgehen von Goldgruber als

1053 233/KOMM XXVI. GP, 6: Aussage Faymann; Ohne weitere gesetzliche Ausgestaltung sieht das Bundesministeriengesetz seit BGBl. I Nr. 164/2017 ein Auskunftsrecht für den Bundeskanzler und den Vizekanzler in Angelegenheiten der allgemeinen Regierungspolitik unter anderem beim BVT vor.

www.parlament.gv.at 695 der Beilagen XXVI. GP - Ausschussbericht NR - Berichterstattung 253 von 298 249 nicht nachvollziehbar. Der Umstand, dass ihn Gridling im Gespräch vor den möglichen Konsequenzen warnte, er diese Warnung ignorierte und auf die Beantwortung bestand, verdeutlicht die mangelnde Sensibilität seines Handelns.

7.2. Auftrag zur Erarbeitung von Wahlkampfthemen 7.2.1. Grund der Vorwürfe Aus zwei dem Untersuchungsausschuss vorliegenden E-Mail-Korrespondenzen kann geschlossen werden, dass im Jahr 2017 ein Auftrag aus dem Kabinett des BMI an das BVT ergangen sein könnte, Wahlkampfthemen für den damaligen Bundesminister für Inneres Wolfgang Sobotka auszuarbeiten.1054

Aus der dem Untersuchungsausschuss vorliegenden E-Mail-Korrespondenz sind insbesondere folgende Passagen beachtlich:

 E-Mail von M. K. (BVT) an Scherscher (cc an Gridling, Zöhrer und A. M. (BVT)) vom 3.8.2017 mit dem Betreff: „KBM-Auftrag“:

„Lieber Manuel, Auftragsgemäß darf ich Dir nachstehend die Überlegungen aus dem Bereich II/BVT/1-Recht betreffend „Wahlkampfthemen für HBM“ übermitteln:“ 1055

 E-Mail von M. K. (BVT) an Gridling und Zöhrer (cc an Kardeis und Kloibmüller) vom 16.11.2017 mit dem Betreff: „Auftrag FGD betreffend KBM-Aufträge“:

„Kurze Hintergrundinfo: Im Juli 2017 erging ein KBM-Auftrag an 1-RE, 5 (legistische) Punkte für das Wahlprogramm zu erarbeiten. Diesem Auftrag wurde, vorrangig in Anlehnung an das neue franz. Antiterrorgesetz, im August 2017 entsprochen.“1056 In beiden E-Mails schreibt M. K. (BVT), dass es sich beim betreffenden Auftrag um die Erarbeitung von „Wahlkampfthemen“ beziehungsweise „Punkte für das Wahlprogramm“ gehandelt habe.

7.2.2. Feststellungen Im Frühsommer 2017 fand eine gemeinsame Besprechung zwischen M. K. (BVT) und dem zu

1054 BMI, E-Mail von M. K. (BVT) an Scherscher vom 3.8.2017, S. 1; 240/KOMM XXVI. GP: Aussage B. P. (BVT) (2); BMI, E-Mail von M. K. (BVT) an Gridling und Zöhrer vom 16.11.2017, S. 1; 226/KOMM XXVI. GP, 6: Aussage M. K. (BVT) (2). 1055 BMI, E-Mail von M. K. (BVT) an Scherscher vom 3.8.2017, S. 1, 240/KOMM XXVI. GP: Aussage B. P. (BVT) (2). 1056 BMI, E-Mail von M. K. (BVT) an Gridling und Zöhrer vom 16.11.2017, S. 1; 226/KOMM XXVI. GP, 6: Aussage M. K. (BVT) (2).

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dieser Zeit für das BVT zuständigen Kabinettsreferenten Manuel Scherscher statt. In dieser Besprechung erteilte Scherscher M. K. (BVT) den Auftrag, das französische Antiterrorgesetz, das zum damaligen Zeitpunkt beschlossen wurde und strengere Regelungen vorsah, dahin zu überprüfen, ob darin vorgesehene Regelungen ins österreichische Rechtssystem übertragen werden können.1057

Am 3.8.2017 übermittelte M. K. (BVT) Überlegungen zum von Scherscher erteilten Auftrag per E-Mail. Bei den Überlegungen handelte es sich um eine Darstellung jener Rechtsvorschriften des französischen Antiterrorgesetzes, bei denen M. K. (BVT) eine Einführung in das österreichische Rechtssystem für möglich hielt. Darüber hinaus finden sich in dem E-Mail Formulierungsvorschläge zu zwei Regelungen, zu denen M. K. (BVT) erklärte, dass es sich um reine Gedankenanstöße gehandelt habe.1058

Es fand daraufhin eine weitere Besprechung zwischen M. K. (BVT), Scherscher und Vertretern der Legistik der Sektion III statt, bei der die Umsetzbarkeit der in der Zwischenzeit vom BVT erarbeiteten und vorgeschlagenen Punkte in Österreich besprochen wurde.1059

Am 15.11.2017 erteilte Gridling folgende Weisung per E-Mail an die Abteilungen I/BVT, II/BVT, III/BVT und IV/BVT:

„Liebe Kollegen, Derzeit kommt es vermehrt zu Aufträgen des KBM die direkt an Personen im Amt weitergeleitet werden. Im gestrigen Vorstand hat FGD“ – Frau Generaldirektorin – „angewiesen, dass alle Beantwortungen, die nicht nur einer kurzen telefonischen Beantwortung oder Klärung sondern einer inhaltlichen schriftlichen Beantwortung bedürfen, nachrichtlich auch an Birgit Kloibmüller und Michaela Kardeis sowie Wolfgang und mich zu richten sind.“1060

Gridling erteilte die Weisung, sämtliche schriftlichen Beantwortungen von Kabinettsaufträgen durch BVT-Mitarbeiter an Gridling, Zöhrer, Kardeis und Birgit Kloibmüller zu berichten. Als Grund für diese Weisung führte Gridling an, dass es vermehrt zu Aufträgen des Kabinetts gekommen sei und ihn Kardeis in einer Besprechung angewiesen habe, eine dementsprechende Weisung zu erteilen.1061

1057 226/KOMM XXVI. GP, 6: Aussage M. K. (BVT) (2). 1058 BMI, E-Mail von M. K. (BVT) an Scherscher vom 3.8.2017, S. 1; 240/KOMM XXVI. GP, 24: Aussage B. P. (BVT) (2); 226/KOMM XXVI. GP, 6: Aussage M. K. (BVT) (2). 1059 226/KOMM XXVI. GP, 6: Aussage M. K. (BVT) (2). 1060 OStA Wien, E-Mail von Gridling vom 15.11.2017, S. 13, 20; 240/KOMM XXVI. GP, 24: Aussage B. P. (BVT) (2). 1061 OStA Wien, E-Mail von Gridling vom 15.11.2017, S. 13, 20; 240/KOMM XXVI. GP, 24: Aussage B. P. (BVT) (2).

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Aufgrund dieser Weisung informierte M. K. (BVT) Gridling, Zöhrer, Kardeis und Birgit Kloibmüller mit E-Mail vom 16.11.2017 darüber, dass das Kabinett des BMI im Juli 2017 den Auftrag erteilt habe, fünf Punkte für das Wahlprogramm zu erarbeiten.1062

7.2.3. Ausgewählte Aussagen zum Kabinettsauftrag Im Untersuchungsausschuss wurden mehrere Auskunftspersonen zum Auftrag des Kabinetts des BMI an das BVT befragt. Im Folgenden werden die relevantesten Aussagen überblicksmäßig dargestellt:

M. K. (BVT): Für M. K. (BVT) habe es sich um einen „normalen Auftrag“ gehandelt. Ob es sich um ein Wahlkampfthema gehandelt habe oder nicht, sei für sie nicht relevant gewesen. Das französische Antiterrorgesetz habe sehr strenge Regelungen vorgesehen. Der Auftrag habe darin bestanden, das Gesetz daraufhin zu prüfen, ob darin vorgesehene Regelungen auch in die österreichische Rechtsordnung übertragen werden können und ob damit allenfalls vorhandene Sicherheitslücken geschlossen werden können.1063

Im BVT sei man davon ausgegangen, dass Scherscher im Auftrag des Ministers gehandelt habe. M. K. (BVT) sehe es so, dass Scherscher zweifellos im Auftrag des Ministers agiert habe.1064

Manuel Scherscher: Die Terrorgesetzgebung sei 2017 ein großes Thema gewesen. Es haben zur Thematik rund um das französische Antiterrorgesetz mehrere Besprechungen, unter anderem mit M. K. (BVT), die eine ausgewiesene Expertin in der Terrorlegistik sei, stattgefunden. Scherscher könne sich nicht erklären, weshalb M. K. (BVT) in ihrem E-Mails von Wahlkampfthemen schrieb. Es habe sich ausschließlich um Diskussionen rund um die französische Antiterrorgesetzgebung gehandelt. 1065

Wolfgang Sobotka: Es sei in der Verfassung geregelt, dass den Ministern in ihrer Funktion die Ministerien zur Auskunft und Unterstützung zur Verfügung stünden.1066

1062 BMI, E-Mail von M. K. (BVT) an Gridling und Zöhrer vom 16.11.2017, S. 1; 226/KOMM XXVI. GP, 13: Aussage M. K. (BVT) (2). 1063 226/KOMM XXVI. GP, 6: Aussage M. K. (BVT) (2). 1064 226/KOMM XXVI. GP, 7: Aussage M. K. (BVT) (2). 1065 227/KOMM XXVI. GP, 5: Aussage Scherscher. 1066 225/KOMM XXVI. GP, 10: Aussage Sobotka (1).

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Im Sommer 2017 haben sich einzelne Thementeile in der Frage der Sicherheit auch in der Öffentlichkeit abgespielt. Es sei für ihn notwendig gewesen, zu wissen, was das Ministerium im Wahlkampf erwarten werde. Da die Sicherheit auch in dieser Zeit ein großes Thema gewesen sei, habe er wissen wollen, was für das Haus damals wichtig gewesen sei und welche gesetzlichen Rahmenbedingungen erforderlich gewesen seien.1067

Sobotka sei es nicht erinnerlich, Scherscher eine Weisung erteilt zu haben, das BVT mit der Erarbeitung von Punkten für das Wahlprogramm zu beauftragen. Es sei für das BMI wesentlich gewesen, dass man in Zeiten des Wahlkampfs darüber Bescheid gewusst habe, mit welchen Themen das Ministerium konfrontiert werden könnte.1068 Es sei lediglich um Anregungen von legistischen Änderungen der österreichischen Rechtsordnung gegangen. Auch wenn von ihm kein Auftrag ergangen sei, trage er als Minister natürlich die politische Verantwortung. Er sei jedoch davon überzeugt, dass nicht sämtliche Handlungen von Kabinettsmitarbeitern im Namen des Ministers geschehen würden.1069

Im Wahlprogramm der ÖVP habe sich schließlich nichts von jenen Themen, die von M. K. (BVT) ausgearbeitet worden sind und an Scherscher übermittelt worden seien, befunden. 1070

Wolfgang Zöhrer: Zöhrer habe in diesem Zusammenhang keine Wahrnehmung. Er könne sich lediglich erinnern, dass es um das Antiterrorgesetz gegangen sei. Er schließe aber aus, dass M. K. (BVT) ein Wahlprogramm geschrieben habe.1071

Andreas Achatz: Er könne sich nicht erinnern, dass es einen Auftrag zur Erstellung eines Wahlprogrammes an das BVT durch das Kabinett oder durch Mitarbeiter des Hauses gegeben hätte.1072

Peter Gridling: Das BVT sei nicht dafür da, Wahlprogramme für Parteien auszuarbeiten. Kabinettsaufträge an das BVT seien durchaus üblich. Diese hätten aber grundsätzlich nichts mit der Aufbereitung von Inhalten für Parteiinteressen zu tun. Das BVT werde in der Regel dadurch tätig, dass es

1067 225/KOMM XXVI. GP, 9: Aussage Sobotka (1). 1068 225/KOMM XXVI. GP, 111: Aussage Sobotka (1). 1069 225/KOMM XXVI. GP, 4f: Aussage Sobotka (1). 1070 225/KOMM XXVI. GP, 10: Aussage Sobotka (1). 1071 225/KOMM XXVI. GP, 37: Aussage Sobotka (1). 1072 229/KOMM XXVI. GP, 8: Aussage Achatz.

www.parlament.gv.at 695 der Beilagen XXVI. GP - Ausschussbericht NR - Berichterstattung 257 von 298 253 seine Bedürfnisse artikuliere und hoffe, dass diese Bedürfnisse auch bei den Regierungsverhandlungen allenfalls berücksichtigt würden. Das Ziel sei es dabei, die Interessen des Amtes zum Ausdruck zu bringen und Defizite aufzuzeigen, die entsprechend zu schließen seien.1073

Es habe ihn gestört, dass es immer wieder direkte Zugriffe aus dem Kabinett Sobotka auf Mitarbeiter gegeben habe. Die Direktzugriffe seien ihm und auch Generaldirektorin Kardeis irgendwann zu viel geworden. Kardeis und er hätten daher darauf bestanden, dass es über die Linie gehen müsse, weil es aus ihrer Sicht ein Unding sei, dass die vorgesetzten Stellen im Fall von Rückfragen nicht Bescheid wüssten. Das BVT sei immer bemüht, Aufträge des Kabinetts bestmöglich zu beantworten, jedoch nicht unbedingt immer in dessen Sinne oder in der gewünschten Detailliertheit. Wenn es um Fragen der rechtlichen Situation und von Defiziten in der Terrorismusbekämpfung geht, sei es die Aufgabe des BVT, den Minister und das Kabinett darüber zu informieren, dass es einen Bedarf gebe.1074

Gridling gehe davon aus, dass es durchaus normal sei, dass solche Überlegungen auch Eingang in Regierungsverhandlungen fänden.1075

7.2.4. Fazit Aufgrund der dem Untersuchungsausschuss vorliegenden Unterlagen sowie der durchgeführten Befragungen kann festgestellt werden, dass im Juli 2017 ein Auftrag von Scherscher an M. K. (BVT) erteilt wurde. Der Auftrag bestand jedenfalls darin, das französische Antiterrorgesetz dahin zu prüfen, ob dieses Regelungen enthalte, die in die österreichische Rechtsordnung übernommen werden könnten. M. K. (BVT) entsprach diesem Auftrag durch Übermittlung einer Stellungnahme mit E-Mail vom 3.8.2017, in der sie den Terminus „Wahlkampfthemen für HBM“ verwendete.

Bei näherer Betrachtung der von M. K. (BVT) erstellten Stellungnahme zeigt sich, dass es sich weniger um eine Ausarbeitung von Punkten für ein Wahlprogramm einer Partei, sondern vielmehr um eine Aufzählung von Gesetzesvorschlägen handelte.

7.3. Besetzungsvorgang betreffend R. P. (BVT) 7.3.1. Anonyme Anzeigen und Schreiben In einem anonymen Schreiben an Udo Lett wurde dargestellt, dass es bei der Besetzung einer

1073 237/KOMM XXVI. GP, 13: Aussage Gridling (3). 1074 a.a.O., S. 26. 1075 a.a.O.

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Planstelle im Referat Nachrichtendienst im BVT zu massiver politischer Einflussnahme gekommen sei.1076

Im Referat Nachrichtendienst und Proliferation in der Abteilung II/BVT sei eine Planstelle für einen Analytiker geschaffen worden, für deren Besetzung bereits im Vorhinein die damalige Verwaltungspraktikantin im BVT T. H. (BVT) vorgesehen gewesen sei. T. H. (BVT), die zu diesem Zeitpunkt als Verwaltungspraktikantin im BVT angestellt gewesen sei, sei eigens aus diesem Grund in das Referat Nachrichtendienst und Proliferation versetzt worden. T. H. (BVT) sei zu diesem Zeitpunkt eine hochqualifizierte Juristin gewesen, die bereits eine große Analyseabteilung in der Österreichischen Nationalbank geleitet habe und somit die besten Voraussetzungen für die geschaffenen Planstelle erfüllt habe.1077

Noch vor Besetzung der geschaffenen Planstelle sei auch R. P. (BVT) als Verwaltungspraktikantin in das Referat Nachrichtendienst versetzt worden. Den Grund der Versetzung von R. P. (BVT) habe man innerhalb des Referats nicht nachvollziehen können, da kein Bedarf für eine Verwendung von R. P. (BVT) bestanden habe und für diese auch keine Planstelle in Aussicht gestanden sei. Im Versetzungsakt zur neu geschaffenen Planstelle, der in der Personalstelle im BVT eingeleitet worden sei, sei T. H. (BVT) als Bestgeeignete für die Besetzung der Planstelle angeführt worden. Kurz bevor der Leiter der Personalstelle im BVT A. M. (BVT) den Versetzungsakt an die Personalstelle des BMI weiterleiten habe wollen, sei A. M. (BVT) vom Kabinett des BMI angewiesen worden, im Versetzungsakt den Namen T. H. (BVT) durch R. P. (BVT) zu ersetzen. Dieser Auftrag sei vom damaligen Kabinettschef Michael Kloibmüller beziehungsweise aufgrund dessen Weisung ergangen. Eine gleichlautende Anweisung sei ebenfalls vom damaligen Leiter der Abteilung II/BVT M. W. (BVT) an A. M. (BVT) ergangen.1078

Im Ergebnis habe R. P. (BVT) die Planstelle durch amtsmissbräuchliches Handeln von Kloibmüller und M. W. (BVT) erhalten, obwohl sie für die Planstelle nicht geeignet und vorgesehen gewesen sei.1079 Im Oktober 2018 erging ein inhaltlich zu großen Teilen gleichlautendes Schreiben an den Bundesminister für Verfassung, Reformen, Deregulierung und Justiz, Josef Moser. Dieses Schreiben enthielt darüber hinaus den Vorwurf, dass Goldgruber und Lett durch das Verletzen

1076 BMI, Anonymes Schreiben an Udo Lett. S. 37-38; 120/KOMM XXVI. GP, S. 18: Aussage R. P. (BVT) (1). 1077 a.a.O.; 175/KOMM XXVI. GP, 14ff: Aussage T. H. (BVT). 1078 BMI, Anonymes Schreiben an Udo Lett. S. 37-38; 120/KOMM XXVI. GP, S. 18: Aussage R. P. (BVT) (1); 175/KOMM XXVI. GP, 14ff: Aussage T. H. (BVT). 1079 BMI, Anonymes Schreiben an Udo Lett. S. 37-38; 120/KOMM XXVI. GP, S. 18: Aussage R. P. (BVT) (1); 175/KOMM XXVI. GP, 14ff: Aussage T. H. (BVT).

www.parlament.gv.at 695 der Beilagen XXVI. GP - Ausschussbericht NR - Berichterstattung 259 von 298 255 ihrer Anzeigeverpflichtung aufgrund des ihnen angezeigten Sachverhalts zur Besetzung von R. P. (BVT) amtsmissbräuchlich gehandelt hätten.1080

7.3.2. Allgemeine Ausführungen zu Besetzungen im BVT Für Personalentscheidungen ist immer die Sektion I letztverantwortlich.1081 Vor der Entscheidung, mit welchen Personen Planstellen im BVT besetzt werden, befasst das BMI die Leiter der jeweiligen Abteilung. Diesen wird der Akt übermittelt und um Bekanntgabe ersucht, welche Person für die Besetzung gemäß § 4 Abs 3 BDG fachlich und persönlich am besten geeignet sei. Die Stellungnahme des Abteilungsleiters ist für die Endentscheidung maßgeblich. Wenn ein Abteilungsleiter in seiner Stellungnahme plausibel ausführt, aus welchen Gründen eine Person höchst geeignet und eine andere Person lediglich geeignet oder weniger geeignet sei, stellt dies in der Praxis eine Vorentscheidung dar, von der die Abteilung I/1, die Personalabteilung des BMI, schwer abgehen kann.1082

Im BVT wird in einem Großteil der Fälle kein Hearing durchgeführt. Nach Übermittlung des Akts von der Sektion I an den Abteilungsleiter im BVT obliegt es diesem, wie er die Auswahl der bestgeeigneten Person gestaltet. Dies kann durch Vorstellungsgespräche geschehen, wobei in den meisten Fällen die Abteilungsleiter lediglich anhand der vorgelegten Bewerbungsunterlagen entscheiden.1083

Verpflichtende Hearings sind bei internen Besetzungsvorgängen nicht vorgesehen. Daher bestehen keine Vorschriften zur Zusammensetzung von Kommissionen, die solche Hearings durchführen. Sollte ein Abteilungsleiter ein Hearing für notwendig erachten, entscheidet dieser alleine über die Zusammensetzung der Kommission. Bei der Entscheidung, welche Personen an solchen Hearings teilnehmen, ist der Abteilungsleiter ebenso frei wie bei der Entscheidungsfindung, welche Kandidaten wie bewertet werden.1084 Diese Rahmenbedingungen eröffnen den Raum für nachträglich nicht nachvollziehbare Personalentscheidungen und damit verbundene Verdachtsmomente.

Es besteht die Vorgabe, dass zu jedem Bewerber Stellung genommen werden muss. Dabei ist jeder Bewerber ausführlich zu beschreiben. Es muss daraus für die Personalabteilung des BMI nachvollziehbar sein, weshalb ein Kandidat als am besten geeignet erachtet wird. Das Ergebnis muss jedenfalls schlüssig und objektiv nachvollziehbar sein.1085

1080 BMVRDJ, Anonymes Schreiben an Justizminister Josef Moser, S. 3-5. 1081 200/KOMM XXVI. GP, 12: Aussage A. M. (BVT). 1082 a.a.O., S. 12. 1083 a.a.O., S. 33f. 1084 a.a.O. 1085 200/KOMM XXVI. GP, 33: Aussage A. M. (BVT).

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Eine Genehmigung der vorgenommenen Reihung durch den Direktor des BVT ist nicht vorgesehen. Innerhalb des BVT werde der Akt in fast allen Fällen durch den Leiter der Personalstelle A. M. (BVT) genehmigt. Bei der Genehmigung handelt es sich um eine reinen Formalakt, der in der Weiterleitung des Vorschlages des Abteilungsleiters an die Personalabteilung des BMI besteht.1086 Insgesamt ist der Eindruck entstanden, dass der Direktor des BVT bei Personalbesetzungen nicht seiner Position entsprechend eingebunden wurde.1087

7.3.3. Allgemeine Feststellungen zur Besetzung der Planstelle R. P. (BVT) war in der Zeit von 1.9.2015 bis 1.9.2017 im BVT, anfangs als Verwaltungspraktikantin und später als Fallanalytikerin in der Asien-Gruppe im Referat Nachrichtendienst und Proliferation in der Abteilung II/BVT tätig.1088 Ihre direkten Vorgesetzten in diesem Zeitraum waren B. P. (BVT) als Referatsleiter und M. W. (BVT) als Leiter der Abteilung II/BVT. R. P. (BVT) war bis 30.4.2016 als Verwaltungspraktikantin angestellt und wurde per 1.5.2016 in den Planstellenbereich des BMI aufgenommen.1089 Mit 1.9.2017 wurde R. P. (BVT) auf ihren eigenen Wunsch für fünf Jahre karenziert.1090

R. P. (BVT) ist die Tochter eines ÖVP-Politikers und ehemaligen stellvertretenden Landeshauptmanns des Landes Niederösterreich und ist mit einem österreichischen Diplomaten und Generalsekretär des Außenministeriums verheiratet.1091

T. H. (BVT) besetzte vom 1.9.2015 bis Jänner 2017 eine Verwaltungspraktikantenstelle und ab Jänner 2017 bis zu ihrer Kündigung am 31.8.2018 eine Stelle als Karenzvertretung im Referat Nachrichtendienst und Proliferation in der Abteilung II/BVT.1092 Auch ihre direkten Vorgesetzten waren B. P. (BVT) als Leiter des Referats Nachrichtendienst und Proliferation und M. W. (BVT) als Leiter der Abteilung II/BVT.1093 T. H. (BVT) wurde zwischenzeitig der Landespolizeidirektion dienstzugeteilt und kehrte im Februar 2018 an ihre ursprüngliche Stelle im BVT zurück.1094 Kurze Zeit später kündigte T. H. (BVT) und wechselte beruflich zu einem

1086 a.a.O., S. 34. 1087 196/KOMM XXVI. GP, 22: Aussage Gridling (2). 1088 200/KOMM XXVI. GP, 8f: Aussage A. M. (BVT). 1089 OStA Wien, Aktenvermerk zur Besetzung R. P. (BVT), S. 126. 1090 120/KOMM XXVI. GP, S. 35: Aussage R. P. (BVT) (1); OStA Wien, Zeugeneinvernahme R. P. (BVT) vom 21.2.2018 vor der WKStA zu 6 St 2/18f, S. 214; 193/KOMM XXVI. GP, 17: Aussage R. P. (BVT) (2). 1091 193/KOMM XXVI. GP, 18ff: Aussage R. P. (BVT) (2). 1092 200/KOMM XXVI. GP, 8f: Aussage A. M. (BVT). 1093 175/KOMM XXVI. GP, 4ff: Aussage T. H. (BVT). 1094 a.a.O. S. 22f.

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Arbeitgeber außerhalb des BMI.1095

Sowohl R. P. (BVT) als auch T. H. (BVT) waren somit ab September 2015 im Referat Nachrichtendienst und Proliferation im BVT als Verwaltungspraktikantinnen angestellt.1096 Beide waren als operative Fallanalytikerinnen tätig und hatten laut eigenen übereinstimmenden Angaben ähnliche Aufgaben zu erfüllen. Eine unmittelbare Zusammenarbeit zwischen R. P. (BVT) und T. H. (BVT) gab es jedoch nicht.1097 Zur Tätigkeit von Fallanalytikern im BVT führte T. H. (BVT) in ihrer Befragung vor dem Untersuchungsausschuss aus, dass diese darin bestehe, komplexe Sachverhalte sowie deren rechtliche Grundlagen zu prüfen, zukünftige Ermittlungsschritte sowie weitere Vorgehensweisen zu planen und Ermittlungstaktiken mit den zuständigen Ermittlern im BVT zu besprechen.1098

Am 28.4.2016 wurden sowohl R. P. (BVT) als auch T. H. (BVT) am selben Tag durch Verfügung der Abteilung I/1 in ein befristetes Dienstverhältnis übernommen, wodurch sich die besoldungsrechtliche Stellung für beide verbesserte.1099

Mit Verfügung der Abteilung I/1 vom 5.8.2016 wurde das befristete Dienstverhältnis von R. P. (BVT) auf unbestimmte Zeit verlängert. Die unbefristete Verlängerung bei R. P. (BVT) erfolgte nach einer Anfrage über den Verwendungserfolg der Abteilung I/1 durch Gerold Szopinski. Zu dieser Anfrage nahm B. P. (BVT) als zuständiger Referatsleiter in einem Schreiben Stellung und attestierte, dass R. P. (BVT) den Verwendungserfolg in allen Punkten aufgewiesen habe. R. P. (BVT) habe sich innerhalb kürzester Zeit in die ihr zugewiesenen fachlichen Tätigkeiten eingearbeitet und habe durch ihre Kenntnisse einen wichtigen und unverzichtbaren Beitrag zur Umsetzung der Operativziele des Fachreferats geleistet. B. P. (BVT) schlug ausdrücklich vor, das Dienstverhältnis von R. P. (BVT) zu verlängern.1100

Die positive Stellungnahme von B. P. (BVT) über den Verwendungserfolg von R. P. (BVT) war für die Besetzung der Planstelle ausschlaggebend. In seiner Befragung durch den Untersuchungsausschuss erklärte A. M. (BVT), dass im Falle einer negativen Stellungnahme R. P. (BVT) nur schwer übernommen hätte werden können. Die Letztentscheidung liege in solchen Fällen immer bei der Sektion I des BMI.1101

1095 175/KOMM XXVI. GP, 10: Aussage T. H. (BVT). 1096 200/KOMM XXVI. GP, 8f: Aussage A. M. (BVT). 1097 193/KOMM XXVI. GP, 7: Aussage R. P. (BVT) (2). 1098 175/KOMM XXVI. GP, 18: Aussage T. H. (BVT). 1099 200/KOMM XXVI. GP, 8ff: Aussage A. M. (BVT). 1100 a.a.O. 1101 200/KOMM XXVI. GP, 12: Aussage A. M. (BVT).

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Vier Monate später, am 20.12.2016, wurde auch das Dienstverhältnis von T. H. (BVT) auf unbestimmte Zeit verlängert.1102

R. P. (BVT) wurde mit 1.9.2017 auf ihren eigenen Wunsch hin für eine Dauer von fünf Jahren karenziert. Als Begründung für die Karenzierung gab R. P. (BVT) in ihrer Befragung durch den Untersuchungsausschuss an, dass der Leidensdruck für sie zu groß gewesen sei.1103

7.3.4. Ausgewählte Aussagen zur Besetzung betreffend R. P. (BVT) Peter Gridling: Gridling sei in die Besetzung von R. P. (BVT) nicht involviert gewesen, da er für Personalsachen nicht zuständig sei. Das Erstgespräch nach ihrer Einstellung sei von Fasching geführt worden. Nach diesem Erstgespräch seien Gridling und Fasching der Meinung gewesen, dass R. P. (BVT) für eine Funktion in der Analyse wenig geeignet gewesen sei. Gridling ging davon aus, dass R. P. (BVT) über Intervention des Kabinetts des BMI ins BVT gekommen sei. Er könne dies aber lediglich vermuten.1104

A. M. (BVT): Die Stellungnahme von B. P. (BVT) zur Anfrage über den Verwendungserfolg sei aus seiner Sicht die entscheidende Stellungnahme. Hätte B. P. (BVT) attestiert, dass R. P. (BVT) ungeeignet sei, dann hätte die Abteilung I/1 sie vermutlich nicht so leicht übernehmen können.1105

Karl Hutter: Die Sektion I habe diese Akten damals seines Wissens vorgelegt. Hutter habe zum Bewerbungsprozess von R. P. (BVT) beziehungsweise zu einer möglichen Einflussnahme auf die Besetzung keine Wahrnehmungen.1106

C. M. (BVT): B. P. (BVT) habe regelmäßig auf mehr Personal gedrängt. C. M. (BVT) sei daher davon ausgegangen, dass B. P. (BVT) eine Einstellung von T. H. (BVT) und R. P. (BVT) angestrebt habe. C. M. (BVT) sei in die Besetzung von R. P. (BVT) nicht involviert gewesen.1107

1102 a.a.O., S. 8f. 1103 120/KOMM XXVI. GP, 49: Aussage R. P. (BVT) (1). 1104 128/KOMM XXVI. GP, 49-50: Aussage Gridling (1). 1105 200/KOMM XXVI. GP, 12: Aussage A. M. (BVT). 1106 167/KOMM XXVI. GP, 38: Aussage Hutter. 1107 234/KOMM XXVI. GP, 22f: Aussage C. M. (BVT) (2).

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C. M. (BVT) schrieb in einer Stellungnahme zum von R. P. (BVT) beantragten fünfjährigen Karenzurlaub ab 1.9.2017, dass keine dienstlichen Gründe gegen die Gewährung des Karenzurlaubs sprechen würden. Zudem führte er aus, dass R. P. (BVT) beabsichtige, als Geschäftsführerin der Ernest Gabmann GmbH tätig zu sein und die dadurch erworbenen Fähigkeiten bei ihrem Wiedereinstieg nach der Karenzierung für das BVT einen Mehrwert darstellen würden.1108

Aus diesem Grund habe C. M. (BVT) die Anrechenbarkeit des Karenzurlaubes von R. P. (BVT) für die sonstigen zeitabhängigen Rechte befürwortet, insbesondere die gehaltsmäßige Vorrückung. Die dabei gewonnenen Erfahrungen, wie Know-how, Führungsqualitäten, vertiefende Hintergrundkenntnisse anderer politischer Systeme, Kenntnis über sicherheitsrelevante Strukturen und unterschiedliche kulturelle Eigenheiten sowie die Verfestigung und Vertiefung von bereits bestehenden Kontakten zu relevanten Entscheidungsträgern würden eine Bereicherung für ihre spätere Tätigkeit im BVT darstellen.1109 Der Tätigkeitsbereich der Ernest Gabmann GmbH liegt laut Firmenbuch in der Vermietung und Verpachtung eigener Objekte und Liegenschaften sowie in der Image- und Stilberatung. Inwiefern eine Tätigkeit als Geschäftsführerin eines Unternehmens mit derartigem Tätigkeitsbereich die von C. M. (BVT) angeführten Bereicherungen für das BVT bringen sollte, ist nicht ersichtlich. C. M. (BVT) gab in seiner zweiten Befragung vor dem Untersuchungsausschuss an, er habe die Angaben von R. P. (BVT) sowie den Tätigkeitsbereich der Ernest Gabmann GmbH nicht überprüft.1110

R. P. (BVT): Im Rahmen ihrer Bewerbung als Verwaltungspraktikantin habe sie ein erstes Bewerbungsgespräch gehabt und sei im Anschluss zu einem weiteren Gespräch mit M. W. (BVT) ins BVT geladen worden. Insgesamt habe sie drei Bewerbungsgespräche absolvieren müssen.1111 Zu ihrem Wunsch nach einer längeren Karenzierung, die ihr schlussendlich mit Stichtag 1.9.2017 für fünf Jahre bewilligt wurde, nahm R. P. (BVT) in ihrer Befragung vor dem Untersuchungsausschuss wie folgt Stellung:

„Ich musste in Karenz gehen, weil der Leidensdruck für mich zu groß war.“1112

1108 OStA Wien, Stellungnahme C. M. (BVT) zur Karenzierung R. P. (BVT), S. 138; 234/KOMM XXVI. GP, 37: Aussage C. M. (BVT) (2). 1109 OStA Wien, Stellungnahme C. M. (BVT) zur Karenzierung R. P. (BVT), S. 138; 234/KOMM XXVI. GP, 37: Aussage C. M. (BVT) (2). 1110 234/KOMM XXVI. GP, 37, 40: Aussage C. M. (BVT) (2). 1111 193/KOMM XXVI. GP, 17: Aussage R. P. (BVT) (2). 1112 120/KOMM XXVI. GP, 49: Aussage R. P. (BVT) (1).

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Auf die Nachfrage, weshalb sie nicht endgültig gekündigt habe:

„Na ja, ich habe mir gedacht, ich gehe jetzt einmal in Karenz. […] Ich habe dort als Praktikantin begonnen, habe dann fast ein Jahr Praktikum gemacht, was in meinem Alter ja auch nicht so lustig ist, dann habe ich die Dienstprüfung gemacht, und deshalb wollte ich eigentlich zu diesem Zeitpunkt nicht kündigen, sondern habe mir gedacht, ich gehe einmal in Karenz. […] ich muss ja nicht ins BVT zurückgehen, ich könnte auch ins BMI.“1113

Eine Einflussnahme auf den Besetzungsvorgang habe R. P. (BVT) zu keiner Zeit wahrgenommen.1114

B. P. (BVT): R. P. (BVT) sei eine Mitarbeiterin in seinem Referat gewesen. Sie habe ein wirtschaftspsychologisches Studium absolviert, weshalb er annehme, dass sie in diesem Bereich über Kompetenzen verfügte. 1115

Es habe ein Ersuchen von M. W. (BVT) gegeben, eine positive Stellungnahme zum Verwendungserfolg von R. P. (BVT) zu verfassen, damit diese eine Planstelle erhalte. B. P. (BVT) habe R. P. (BVT) keinesfalls in seinem Referat haben wollen und dies auch in einem Gespräch mit A. M. (BVT) geäußert. A. M. (BVT) habe ihm zugesichert, dass R. P. (BVT) eine Planstelle im IT-Bereich erhalten werde. Als B. P. (BVT) nach seiner Abwesenheit wieder zurück im BVT gewesen sei, habe R. P. (BVT), entgegen der Zusage von A. M. (BVT) eine Planstelle im BVT besetzt. Aus der Sicht von B. P. (BVT) habe A. M. (BVT) maßgeblich dazu beigetragen, dass R. P. (BVT) die Planstelle bekommen hat.1116

7.3.5. Weitergabe der Prüfungsfragen Gegen R. P. (BVT) kursierte der Vorwurf, ihr damaliger Vorgesetzter, der damalige Leiter der Abteilung II/BVT M. W. (BVT) habe ihr vor ihrer Dienstprüfung sowohl die Prüfungsfragen als auch die entsprechenden Antworten in schriftlicher Form übergeben.1117 Die A1/v1-Grundausbildung umfasst insgesamt 20 Module, wobei für die Absolvierung jedes einzelnen Moduls entweder eine schriftliche oder eine mündliche Prüfung zu absolvieren ist. Die einzelnen Prüfungen werden von den jeweiligen Leitern der Lehrveranstaltung zusammengestellt. Auch die Bewertung der jeweiligen Leistung erfolgt durch das jeweilige

1113 120/KOMM XXVI. GP, 49: Aussage R. P. (BVT) (1). 1114 193/KOMM XXVI. GP, 18f: Aussage R. P. (BVT) (2). 1115 240/KOMM XXVI. GP, 23: Aussage B. P. (BVT) (2). 1116 240/KOMM XXVI. GP, 11, 23, 58f: Aussage B. P. (BVT) (2). 1117 OStA Wien, Bericht des BAK vom 13.3.2019 zu 717 St 3/19g, S. 1-11; 193/KOMM XXVI. GP, 22ff: Aussage R. P. (BVT) (2).

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Lehrpersonal aus einem aus ungefähr 25 Personen bestehenden Lehrkörper.1118

7.3.6. Ermittlungen der StA Wien Aufgrund mehrerer Anzeigen gegen R. P. (BVT) wurde von der StA Wien ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts auf § 302 Abs 1 und § 310 Abs 1 StGB eingeleitet. Die StA Wien beauftragte das BAK am 22.1.2019 mit Sachverhaltsermittlungen. 1119

Die Ermittlungen betreffen die Ernennung von R. P. (BVT) auf die Planstelle im BVT, die Ablegung der für die Ernennung auf eine Planstelle erforderlichen Prüfungen durch R. P. (BVT) sowie das Unterlassen der Anzeige durch Lett und Goldgruber aufgrund der an sie ergangenen anonymen Schreiben.1120 Der Stand des Ermittlungsverfahrens ist dem Untersuchungsausschuss zum Zeitpunkt der Berichterstattung nicht bekannt.

7.3.7. Fazit Aufgrund der dem Untersuchungsausschuss vorliegenden Unterlagen und der durchgeführten Befragungen konnte eine unmittelbare politische Einflussnahme auf die Besetzung der Planstelle im Referat Nachrichtendienst im BVT mit R. P. (BVT) nicht nachgewiesen werden. Es konnten keine ausreichenden Nachweise erbracht werden, die die Vorwürfe in den anonymen Schreiben und Anzeigen erhärtet oder entkräftet hätten.

Im Hinblick auf die Tatsache, dass T. H. (BVT) im Vergleich zu R. P. (BVT) die wesentlich besseren Voraussetzungen für die zu besetzende Planstelle vorweisen konnte, ist die Besetzungsentscheidung durch die Sektion I des BMI sowie die auffallend positive Stellungnahme von B. P. (BVT) zur Anfrage über den Verwendungserfolg von R. P. (BVT) jedenfalls kritisch zu betrachten, zumal er sie selbst nicht in seinem Referat haben wollte.

7.4. Vorwürfe betreffend B. P. (BVT) B. P. (BVT) war bis zu seiner Dienstfreistellung am 28.2.2018 Leiter des Referates Nachrichtendienst und Proliferation. Aufgrund der vorliegenden Unterlagen, insbesondere des anonymen Anzeigenkonvoluts sowie der Unterlagen aus dem Ermittlungsakt der WKStA sowie der durchgeführten Befragungen entstand der Verdacht einer politischen Einflussnahme auf die Besetzungsvorgänge betreffend den ehemaligen Leiter des Referats Nachrichtendienst und Proliferation B. P. (BVT). Es stand sowohl eine mögliche politische Einflussnahme bei

1118 OStA Wien, Bericht des BAK vom 13.3.2019 zu 717 St 3/19g, S. 10; 193/KOMM XXVI. GP, 8, 22: Aussage R. P. (BVT) (2). 1119 OStA Wien, Bericht des BAK vom 13.3.2019 zu 717 St 3/19g, S. 1-11; 193/KOMM XXVI. GP, 7ff: Aussage R. P. (BVT) (2). 1120 a.a.O.

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seinem Wechsel ins BMI als auch bei seiner Beförderung zum Referatsleiter im Raum.

Neben einer möglichen Einflussnahme auf die Besetzungsvorgänge stand B. P. (BVT) im Verdacht, Teil eines politischen Netzwerks im BMI zu sein. Dieser Verdacht entstand insbesondere durch die regelmäßige Korrespondenz zwischen B. P. (BVT) und dem damaligen Kabinettschef des BMI Michael Kloibmüller, dem Abgeordneten Werner Amon und weiteren ÖVP-nahen Personen.

7.4.1. Einflussnahme auf die Besetzungsvorgänge betreffend B. P. (BVT) B. P. (BVT) war bis 30.8.2006 Mitarbeiter im Parlamentsklub der ÖVP. Mit 1.9.2006 wurde B. P. (BVT) vom BMI als vollzeitbeschäftigter Vertragsbediensteter angestellt und dem BVT zugewiesen. Mit 1.9.2010 wurde B. P. (BVT) nach einer Interessentensuche als einziger Bewerber zum Leiter des Referats Nachrichtendienst und Proliferation II/BVT/2-ND bestellt.1121 7.4.1.1. Korrespondenz zu den Postenbesetzungen Es ist aufgrund der regen Korrespondenz zwischen B. P. (BVT) und Kloibmüller evident, dass zwischen ihnen ein freundschaftliches Verhältnis bestand.1122 Im Folgenden werden ausgewählte, im Untersuchungsausschuss thematisierte Kontakte zwischen B. P. (BVT) und Kloibmüller dargestellt und untersucht.

Am 10.12.2004 richtete B. P. (BVT) ein E-Mail an Kloibmüller mit dem Ersuchen um Unterstützung bei dem von B. P. (BVT) beabsichtigten beruflichen Wechsel in das BMI:

„Lieber Michael! Wie bei unserem Mittagessen besprochen darf ich Dich per email noch einmal um Unterstützung bei meinem persönlichen Anliegen ersuchen: Ich würde mich gerne im nächsten Jahr beruflich verändern und gerne – soweit es möglich ist – in das BMI wechseln. Wir haben damals die Situation erörtert und die EU-Präsidentschaft bzw. das BKA und das BVT angesprochen. Dieses Interesse ist natürlich ungebrochen aufrecht... Ich bedanke mich für die wohlwollende Behandlung dieser Angelegenheit, gerade weil die Situation natürlich nicht so einfach ist. lg B. P. (BVT)“ 1123

Am gleichen Tag antwortete Kloibmüller B. P. (BVT) wie folgt:

„Lieber B. P. (BVT)! Habe ich aufgenommen. Werde dich nicht vergessen. Mal schauen, was sich durch diese neue Situation ergibt.“1124

1121 OStA Wien, Amtsvermerk der WKStA vom 8.11.2018, S. 1-4; 240/KOMM XXVI. GP, 45: Aussage B. P. (BVT) (2). 1122 171/KOMM XXVI. GP, 29f: Aussage Biller. 1123 OStA Wien, E-Mail-Korrespondenz zwischen B. P. (BVT) und Kloibmüller, S. 39-40; 230/KOMM XXVI. GP, 13: Aussage Kloibmüller. 1124 OStA Wien, E-Mail-Korrespondenz zwischen B. P. (BVT) und Kloibmüller, S. 39-40; 177/KOMM

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Zu diesem Zeitpunkt war Kloibmüller Leiter der Personalabteilung im BMI.1125 Der Argumentation von Kloibmüller, es habe sich auch beim gemeinsamen Mittagessen oder beim Ersuchen von B. P. (BVT) um Unterstützung bei seinem Wechsel ins BMI um Treffen mit dienstlicher Veranlassung gehandelt, widersprechen sowohl die gewählten Formulierungen in der schriftlichen Korrespondenz als auch die allgemeine Lebenserfahrung.1126

Abgesehen davon, dass die Form der Korrespondenz ein freundschaftliches Verhältnis zwischen B. P. (BVT) und Kloibmüller vermuten lässt, kann daraus kein Nachweis einer unzulässigen Einflussnahme auf die zwei Jahre später erfolgte Postenbesetzung gewonnen werden. Der Umstand, dass B. P. (BVT) Kloibmüller um wohlwollende Behandlung ersuchte und dieser antwortete, er werde ihn nicht vergessen, lässt für sich allein auf keine beabsichtigte unzulässige Einflussnahme schließen.

7.4.1.2. Anrechnung von Vordienstzeiten Kurze Zeit nach seiner Anstellung im BVT beantragte B. P. (BVT) im Oktober 2006 die Anrechnung der Vordienstzeiten als parlamentarischer Mitarbeiter der ÖVP. In einem Aktenvermerk vom 13.10.2006 hielt die damalige Sachbearbeiterin im BMI Margit Schmidl, fest:

„AV: Nach Rücksprache mit AL Mag. Kloibmüller findet zur Berechnung d. Vorrückungsstichtages § 26/Abs. 3 seine Anwendung. Diese Zeit wird auch für d. Ausbildungsphase angerechnet (§ 66/Abs. 3/3), 13.10.06, Schmidl“1127

Aus dem Aktenvermerk ist ersichtlich, dass Kloibmüller in die Entscheidung, ob die Vordienstzeiten von B. P. (BVT) angerechnet werden, involviert war. Schmidl gab in ihrer Einvernahme vor der WKStA am 19.11.2018 an, dass an diesem Tag ein Einlaufstück für den zu erstellenden Akt mit einem handschriftlichen Vermerk von Kloibmüller auf ihrem Tisch gelegen sei, dass die Parlamentszeiten von B. P. (BVT) zur Gänze anzurechnen seien. Es sei damals durchaus üblich gewesen, dass derartige Neuberechnungen vom Abteilungsleiter angeregt wurden.1128

In seiner Befragung vor dem Untersuchungsausschuss gab B. P. (BVT) an, dass er keine Wahrnehmungen zu einer Einflussnahme durch Kloibmüller habe. Gerold Szopinski,

XXVI. GP, 50f: Aussage Fischer. 1125 230/KOMM XXVI. GP, 13: Aussage Kloibmüller. 1126 230/KOMM XXVI. GP, 10: Aussage Kloibmüller. 1127 OStA Wien, Amtsvermerk der WKStA vom 8.11.2018, S. 1-4; 240/KOMM XXVI. GP, 46: Aussage B. P. (BVT) (2). 1128 OStA Wien, Zeugenvernehmung Schmidl vom 19.11.2018 vor der WKStA zu 6 St 2/18f; S. 5-7; 198/KOMM XXVI. GP, 12f: Aussage Szopinski.

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Bediensteter des Referats I/1/b und zuständig für Dienstrechtsangelegenheiten der Zentralleitung des Innenministeriums, gab in seiner Befragung vor dem Untersuchungsausschuss an, dass es bei der Anrechnung der Vordienstzeiten bei B. P. (BVT) nichts Besonderes gegeben habe. Es sei nicht unüblich, parlamentarische Tätigkeiten als Vordienstzeiten anzurechnen.

Es kann nicht festgestellt werden, dass es im Zusammenhang mit der Anrechnung von Vordienstzeiten zu einer unzulässigen Einflussnahme durch Kloibmüller oder anderer Personen gekommen wäre. Der Verdacht gründet sich ausschließlich auf den Aktenvermerk vom 13.10.2006, in dem festgehalten wurde, dass in dieser Entscheidung Rücksprache mit Kloibmüller gehalten worden sei. Kloibmüller war zu diesem Zeitpunkt als Abteilungsleiter der zuständige Vorgesetzte der Sachbearbeiterin. Eine Rücksprache mit dem Abteilungsleiter bei dienstrechtlichen Entscheidungen ist keinesfalls unüblich. Dass Kloibmüller als Abteilungsleiter über die Anrechnung von Vordienstzeiten entschieden hat, ist nicht ungewöhnlich, weshalb eine unzulässige Einflussnahme nur aufgrund dieser Tatsache nicht angenommen werden kann.

Gridling gab in seiner zweiten Befragung vor dem Untersuchungsausschuss an, dass er zum Zeitpunkt des Wechsels von B. P. (BVT) ins BVT noch nicht im BVT gewesen sei.1129 Zur Bewerbung als Leiter des Referats Nachrichtendienst und Proliferation mit 1.9.2010 sagte Gridling Folgendes aus:

„Es ist richtig, dass B. P. (BVT) sich als Referatsleiter ND beworben hat. Es ist auch richtig, dass der Abgeordnete Kössl diesbezüglich mit mir Kontakt aufgenommen und gemeint hat, dass er so ein guter Kandidat wäre. Ich war insofern nicht seiner Meinung, da Mag. B. P. (BVT) weder Polizist noch Jurist war. Ich hatte daher gewisse Bedenken, ihn auf einer Stelle zu verwenden, wo es möglicherweise auch dazu kommt, Befehls- und Zwangsgewalt auszuüben. Ich habe meine Bedenken dem Abgeordneten Kössl gesagt, ich habe meine Bedenken auch dem damaligen Generaldirektor Anderl gesagt, und ich habe meine Bedenken auch dem Kabinettschef Kloibmüller gesagt.“1130

Gridling sei von der Qualifikation von B. P. (BVT) nicht überzeugt gewesen. Dies habe Gridling vor der Besetzung der Referatsleitung auch an Kloibmüller, Kössl und den damaligen Generaldirektor für die öffentliche Sicherheit Herbert Anderl kommuniziert. Trotz der von Gridling geäußerten Zweifel an der Qualifikation von B. P. (BVT) wurde dieser mit 1.9.2010 von der Sektion I des BMI zum Leiter des Referats Nachrichtendienst und Proliferation bestellt.1131

1129 196/KOMM XXVI. GP, 17: Aussage Gridling (2). 1130 a.a.O., S. 17. 1131 a.a.O., S. 17f.

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7.4.2. Weitere Kontakte zwischen B. P. (BVT) und Michael Kloibmüller Aus einer SMS-Korrespondenz aus dem bei B. P. (BVT) sichergestellten Mobiltelefon ist ersichtlich, dass B. P. (BVT) und Kloibmüller einen durchaus freundschaftlichen Umgangston pflegten und nicht, wie dies von B. P. (BVT) und Kloibmüller in ihren Befragungen vor dem Untersuchungsausschuss zu suggerieren versucht wurde, lediglich über dienstliche Angelegenheiten gesprochen hatten. Am 8.9.2017 schrieb B. P. (BVT) Folgendes:

„Bin gerade bei der schulanfangsmesse von meinem Buben. Da ist ein Pfarrer, der schaut genauso aus wie DU! Du bist das nicht? Lg B. P. (BVT)“1132

Kloibmüller beschrieb diesen Schriftverkehr als eindeutig private Korrespondenz. Am 20.10.2017 – somit kurz nach der Nationalratswahl 2017 – fragte B. P. (BVT) bei Kloibmüller nach, ob „Gridling bleibe“. B. P. (BVT) meinte damit, ob Gridling als Direktor des BVT wiederbestellt werde. Kloibmüller antwortete Gridling mit „Na“. In seiner Befragung vor dem Untersuchungsausschuss erklärte Kloibmüller, dass er von diversen ähnlichen Anfragen anderer Kollegen genervt gewesen sei und B. P. (BVT) mit dieser kurzen Nachricht lediglich schnell abfertigen habe wollen. Mit der Formulierung „Na“ habe er nicht die Frage von B. P. (BVT), ob Gridling als Direktor bleibe, beantworten wollen.1133

Die Rechtfertigung von Kloibmüller, er habe B. P. (BVT) lediglich schnell abfertigen wollen, liegt außerhalb jeglicher Lebenserfahrung und erscheint insbesondere im Hinblick auf das freundschaftliche Verhältnis zwischen B. P. (BVT) und Kloibmüller und die regelmäßige Korrespondenz unglaubwürdig.

7.4.3. Kontakt zwischen B. P. (BVT) und dem Generaldirektor Anderl 7.4.3.1. Feststellungen Kurz nach dem Wechsel von B. P. (BVT) ins BVT wendete er sich mit einem postalischen Schreiben vom 8.2.2009 an den damaligen Generaldirektor für die öffentliche Sicherheit Herbert Anderl mit folgendem Inhalt:

„Sehr geehrter Herr Generaldirektor!

Ich erlaube mir, mich mit diesem Brief als Bundesbruder im BMI bei Dir vorzustellen. Dieses Schreiben erreicht Dich aus Sicherheitsgründen an Deiner Privatadresse, da ich davon ausgehe, dass postalische Stücke im Bundesministerium nicht von Dir persönlich geöffnet werden und auch der Email- Verkehr offensichtlich nicht den sicherheitsspezifischen Anforderungen entspricht.“

1132 OStA Wien, Extraktionsbericht Apple iPhone B. P. (BVT), S. 45; 230/KOMM XXVI. GP, 10: Aussage Kloibmüller. 1133 230/KOMM XXVI. GP, 10f: Aussage Kloibmüller.

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Ich stamme aus Waidhofen an der Ybbs, habe meine berufliche Laufbahn als parlamentarischer Mitarbeiter von Günter Kössl begonnen und bin anschließend aus familiären Gründen in das Bundeskriminalamt zur SIRENE Österreich gewechselt. Seit rund 2½ Jahren bin ich nun im Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung tätig, bei Mag. Wolfgang Zöhrer in der Abt. II/BVT/2. Mit Günter Kössl verbindet mich noch immer eine sehr enge persönliche Freundschaft, politisch habe ich mich“ – Klammer – „(nach einer Karriere als Vizepräsident der Jungen Europäischen Volkspartei)“ – Klammer – „auch aufgrund der Tätigkeit im BVT aus der Öffentlichkeit zurückgezogen. Im Hintergrund bin ich allerdings nach wie vor äußerst aktiv, so stehe ich mit dem Herrn KC in einer entsprechender Verbindung.

Diese Vernetzungsarbeit ist auch gleichzeitig meine Intention, Dir zu schreiben. Ich will Dich nicht nur über meine ‚Existenz‘ im BVT informieren, sondern Dir auch mitteilen, dass ich Dir selbstverständlich jederzeit für authentische Informationen abseits der formellen Kanäle und ebenso für eine persönliche Vorstellung meiner Möglichkeiten – sofern es Deine Zeit erlaubt – zur Verfügung stehe. Ich bin privat unter“ so und so und unter E-Mail so und so „für Dich erreichbar. Mit herzlichen bbr Grüßen“1134

Dieses Schreiben wurde von B. P. (BVT) auf dem Postweg an die Privatadresse von Anderl übermittelt. Als Begründung führte B. P. (BVT) im Schreiben an, dass er diese Vorgehensweise aus Sicherheitsgründen so gewählt habe, da er davon ausgegangen sei, dass postalische Stücke im BMI nicht von Anderl persönlich geöffnet werden würden.1135

B. P. (BVT) war in seinen Befragungen vor dem Untersuchungsausschuss nicht in der Lage, zu erklären, weshalb er sich mit diesem Schreiben persönlich an Anderl wendete und dieses an seine Privatadresse übermittelte. B. P. (BVT) versuchte sich zu rechtfertigen, indem er angab, sich aufgrund seiner Tätigkeit für die Fraktion Christlicher Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter im ÖGB (FCG) an Anderl gewandt zu haben.1136 Da im gesamten Schreiben keine Verbindung zur FCG zu erkennen ist und dieser nicht einmal erwähnt wurde, ist diese Erklärung als reine Schutzbehauptung zu werten.

B. P. (BVT) führte im Schreiben weiters an, dass er im Hintergrund nach wie vor aktiv sei und mit Herrn KC in einer entsprechenden Verbindung stehe. Es ist davon auszugehen, dass B. P. (BVT) mit KC den ehemaligen Kabinettschef des BMI Michael Kloibmüller gemeint hat. Dies bekräftigt den Eindruck, dass zwischen B. P. (BVT) und Kloibmüller kein rein dienstliches Verhältnis, sondern ein darüberhinausgehendes freundschaftlich beziehungsweise durch die

1134 OStA Wien, Brief von B. P. (BVT) an Anderl vom 8.2.2009, S. 31; 240/KOMM XXVI. GP, 21-23: Aussage B. P. (BVT) (2). 1135 OStA Wien, Brief von B. P. (BVT) an Anderl vom 8.2.2009, S. 31; 240/KOMM XXVI. GP, 21-23: Aussage B. P. (BVT) (2). 1136 240/KOMM XXVI. GP, 21-23: Aussage B. P. (BVT) (2).

www.parlament.gv.at 695 der Beilagen XXVI. GP - Ausschussbericht NR - Berichterstattung 271 von 298 267 gemeinsame Parteizugehörigkeit geprägtes Verhältnis bestand.1137

Am Ende des Briefes führte B. P. (BVT) an, dass er Anderl nicht nur über seine Existenz im BVT informieren habe wollen, sondern bot ihm darüber hinaus an, jederzeit für „authentische Informationen abseits der formellen Kanäle“ zur Verfügung zu stehen. Auch diese Formulierung konnte B. P. (BVT) in seinen Befragungen nicht glaubwürdig erklären. In seiner ersten Befragung vor dem Untersuchungsausschuss entschlug sich B. P. (BVT) der Aussage mit dem Hinweis auf ein laufendes Strafverfahren.1138 In seiner zweiten Befragung vor dem Untersuchungsausschuss gab B. P. (BVT) dazu an, dass es sich dabei lediglich um die Frage, welche Personen für eine Wahl zur Personalvertretung in Frage kommen würden, gehandelt habe.1139

Da aus dem Schreiben eindeutig hervorgeht, dass es sich nicht um ein Thema der Personalvertretung beziehungsweise der FCG handelte, kann diese Erklärung lediglich als Schutzbehauptung qualifiziert werden. Vielmehr ist davon auszugehen, dass B. P. (BVT) Informationen am offiziellen Dienstweg vorbei an Anderl weitergeben wollte.

7.4.3.2. Fazit Aufgrund des eindeutigen Inhalts des Briefes von B. P. (BVT) an Anderl vom 8.2.2009 sowie der durchgeführten Befragungen ergibt sich unzweifelhaft, dass B. P. (BVT) anbot, Informationen außerhalb des Dienstwegs an Anderl weiterzugeben. Das Angebot eines BVT- Mitarbeiters –noch dazu in einem der sensibelsten Bereiche des BVT – Informationen außerhalb des Dienstwegs zu liefern, kann nicht kritisch genug gesehen werden.

Der Umstand, dass sowohl Anderl als auch B. P. (BVT) Mitglieder des Österreichischen Cartellverbands waren und B. P. (BVT) dies auch explizit in seinem Schreiben anführt, lässt darauf schließen, dass dies der Grund für die private Kontaktaufnahme gewesen sein muss. Dies bestärkt den Verdacht der Existenz eines politischen Netzwerkes im BMI. Ob es aufgrund dieses Angebots von B. P. (BVT) tatsächlich zur Übermittlung von Informationen kam, konnte aufgrund mangelnder Beweise nicht festgestellt werden. Die Beurteilung der strafrechtlichen Relevanz dieses Schreibens liegt jedenfalls nicht in der Kompetenz des Untersuchungsausschusses.

1137 OStA Wien, Brief von B. P. (BVT) an Anderl vom 8.2.2009, S. 31; 240/KOMM XXVI. GP, 23: Aussage B. P. (BVT) (2). 1138 80/KOMM XXVI. GP, 30: Aussage B. P. (BVT) (1). 1139 240/KOMM XXVI. GP, 6, 21f, 35: Aussage B. P. (BVT) (2).

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7.4.4. Kontakte betreffend Lansky Die Staatsanwaltschaft Wien verfügte am 13.10.2014 die Aufhebung der Sicherstellung der in Luxemburg beschlagnahmten Daten der Server der Rechtsanwaltskanzlei Lansky.1140 Ebenfalls am 13.10.2014 schrieb B. P. (BVT) um 09:18 Uhr ein E-Mail mit dem Betreff „Aufhebung Sicherstellung Server“ mit folgendem Inhalt an Kloibmüller:

„Lieber Michael!

In Anlage: Jetzt ist es definitiv. GL bekommt den Computer retour. Wir sind alle ziemlich down.“1141 Kloibmüller antwortete darauf drei Minuten später:

„Macht nichts Schlacht verloren aber den krieg gewinnen wir :-)“1142

In seiner Befragung vor dem Untersuchungsausschuss gab Kloibmüller an, dass es sich bei dem Kürzel „GL“ um Gabriel Lansky handle. Darüber hinaus könne sich Kloibmüller nicht an diese Korrespondenz erinnern. Es habe sich seines Wissens um eine „saloppe, rasche Antwort“ gehandelt. Es sei eine „Motivationsgeschichte“ gewesen. Er sei in keinem Krieg mit Lansky gestanden. Es sei darüber hinaus nicht um Lansky gegangen, sondern um die Ermittlungen betreffend Alijew und den kasachischen Geheimdienst. Bei diesen Ermittlungen sei das Emotionsniveau bei den ermittelnden Beamten sehr hoch gewesen. In seiner Funktion als Kabinettschef des BMI seien ihm öfters Informationen aus den Ermittlungen betreffend Lansky beziehungsweise Alijew übermittelt worden.1143

B. P. (BVT) gab in seiner Befragung vor dem Untersuchungsausschuss dazu an, dass der Fall Kasachstan eine enorm komplexe Sache gewesen sei, mit der sich das BVT bereits seit 2007 beschäftigt habe. Es habe sich bei dem Schreiben um einen unvorhergesehenen Ausbruch von Emotionalität gehandelt.1144

Die Korrespondenz zeigt deutlich, dass es sich bei den Ermittlungen betreffend Alijew und Lansky um ein äußerst emotional besetztes Thema im BVT handelte. Der Hintergrund, weshalb B. P. (BVT) Kloibmüller unmittelbar von der Aufhebung der Sicherstellung informierte, ist nicht ersichtlich, zumal keine Berichtspflicht in das Kabinett des BMI bestand. Auch aufgrund der von B. P. (BVT) gewählten Formulierung und der verwendeten Kürzel ist davon

1140 230/KOMM XXVI. GP, 20: Aussage Kloibmüller. 1141 OStA Wien, E-Mail Korrespondenz zwischen B. P. (BVT) und Kloibmüller, S. 4; 230/KOMM XXVI. GP, 19f: Aussage Kloibmüller. 1142 OStA Wien, E-Mail Korrespondenz zwischen B. P. (BVT) und Kloibmüller, S. 4; 230/KOMM XXVI. GP, 19f: Aussage Kloibmüller. 1143 230/KOMM XXVI. GP, 20: Aussage Kloibmüller. 1144 240/KOMM XXVI. GP, 34: Aussage B. P. (BVT) (2).

www.parlament.gv.at 695 der Beilagen XXVI. GP - Ausschussbericht NR - Berichterstattung 273 von 298 269 auszugehen, dass die Causa Lansky auch vor dieser Korrespondenz Thema gewesen sein muss.

Aus den dem Untersuchungsausschuss vorliegenden Unterlagen ist ebenfalls ersichtlich, dass Treffen zwischen B. P. (BVT) und dem ehemaligen Abgeordneten Werner Amon stattgefunden haben. Beispielsweise traf sich B. P. (BVT) mit Amon am 16.1.2015 und am 15.7.2015 bei einer Autobahnraststätte in Guntramsdorf. Zum Termin am 16.1.2015 trug B. P. (BVT) in seinen Kalender ein „Ermittlungen Gab.L.“, wozu B. P. (BVT) in seiner Befragung vor dem Untersuchungsausschuss angab, dass es sich um Gabriel Lansky handelte. Zum Treffen mit Amon am 15.7.2015 stellte B. P. (BVT) ein Refundierungsersuchen an das BVT und gab dabei an, dass es sich um ein Treffen mit einer Vertrauensperson zur „Causa GL“ handelte. Auch dazu bestätigte B. P. (BVT) in seiner Befragung vor dem Untersuchungsausschuss, dass es sich um Gabriel Lansky handelte.1145

B. P. (BVT) gab in seiner zweiten Befragung vor dem Untersuchungsausschuss an, dass er mit Amon eine breite Palette an Themen diskutiert habe. Das habe vom Staatsschutzgesetz, über Fragen der Sensibilisierung im Bereich Spionage, Proliferation bis zu internationalen Sicherheitspolitikfragen gereicht. Es könne sein, dass Kasachstan am Rande besprochen worden sei. Dies erkläre, weshalb er die Treffen unter Gab.L. beziehungsweise Causa GL vermerkt habe.1146

Es konnte nicht festgestellt werden, was bei den diversen Treffen zwischen B. P. (BVT) und Amon tatsächlich besprochen wurde. Die Erklärung von B. P. (BVT), er habe die Treffen unter der Causa Lansky oder ähnlichen Kürzeln vermerkt, weil Kasachstan kurz als Randthema erwähnt worden sei, erscheint jedoch äußerst unglaubwürdig.

Welche Interessen von den beteiligten Personen betreffend Gabriel Lansky tatsächlich verfolgt wurden, kann ebenso wie die Fragen, ob unzulässig Einfluss auf das Ermittlungsverfahren genommen wurde oder ob Informationen aus dem Verfahren für politische Zwecke benutzt wurden, aufgrund mangelnder Beweise und Verdachtsmomente nicht beantwortet werden.

7.4.5. Einflussnahme auf das PStSG Am 1.7.2016 trat das Polizeiliche Staatsschutzgesetz (PStSG) in Kraft, das Normen betreffend die Organisation, die Aufgaben, die Befugnisse und den Rechtsschutz des polizeilichen Staatsschutzes enthält.

1145 240/KOMM XXVI. GP, 29f: Aussage B. P. (BVT) (2). 1146 240/KOMM XXVI. GP, 31f: Aussage B. P. (BVT) (2).

www.parlament.gv.at 274 von 298 695 der Beilagen XXVI. GP - Ausschussbericht NR - Berichterstattung 270

In § 2 Abs 4 PStSG ist normiert, dass Bedienstete in Leitungsfunktionen nach erfolgreicher Absolvierung einer speziellen Ausbildung für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung zur Ausübung von unmittelbarer Befehls- und Zwangsgewalt ermächtigt werden können, sofern es sich bei ihnen nicht bereits um Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes handelt. In diesem Fall gelten sie als Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes nach § 5 Abs 2 PStSG.1147

B. P. (BVT) war in der Zeit des Entstehungsprozesses des Gesetzes bereits Leiter des Referates Nachrichtendienst und Proliferation II/BVT/2-ND. Am 28.6.2017 wurde B. P. (BVT) vom BMI gemäß § 2 Abs 4 PStSG für die Dauer seiner Funktion als Leiter des Referates zur Ausübung von Befehls- und Zwangsgewalt ermächtigt.

Da durch die Einführung der Regelung des § 2 Abs 4 PStSG insbesondere B. P. (BVT) profitierte, stand der Vorwurf im Raum, diese Regelung sei aufgrund unzulässiger politischer Einflussnahme in das Gesetz aufgenommen worden und man sprach von einer sogenannten „Lex B. P. (BVT)“.

Aufgrund der durchgeführten Befragungen steht fest, dass B. P. (BVT) während der Entstehung des Gesetzes mit diversen Vertretern aus dem BMI sowie mit Politikern Gespräche führte, in denen es inhaltlich um das PStSG ging.

Aus einer E-Mail-Korrespondenz zwischen B. P. (BVT) und Kloibmüller von März 2014 geht hervor, dass B. P. (BVT) bereits damals sein Anliegen, Führungskräfte, die keine Polizeiausbildung absolviert haben, mit unmittelbarer Befehls- und Zwangsgewalt auszustatten, an Kloibmüller herangetragen hatte.1148 Im weiteren Verlauf der Korrespondenz setzte B. P. (BVT) Kloibmüller in Kenntnis, dass er mit Werner Amon in Kontakt wegen eines Termins sei. Insbesondere der Inhalt des E-Mails von B. P. (BVT) an Kloibmüller vom 3.3.2014, 11:26 Uhr, verdeutlicht, dass B. P. (BVT) großes Interesse an der Einführung einer entsprechenden Bestimmung hatte:

„Danke nochmals. Ich meine das wirklich so.

Denke, wenn Du als KC sagst, Du willst da eine Lösung, wird das auch umgesetzt. Ich bemühe mich jedenfalls auch auf der pol. Linie (WA einmal vorerst, der ist nur derzeit selten in Wien), und werde da sicher nicht auf taube Ohren stoßen, was ich

1147 § 2 Abs 4 PStSG, BGBl. Nr. 5/2016. 1148 OStA Wien, E-Mail-Korrespondenz zwischen B. P. (BVT) und Kloibmüller, S. 20f; 231/KOMM XXVI. GP, 7: Aussage Pirker.

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so weiß.

Lg B. P. (BVT)“1149

Aus der dem Untersuchungsausschuss vorliegenden SMS-Korrespondenz, die vom privaten Mobiltelefon von B. P. (BVT) extrahiert wurde, ist ersichtlich, dass B. P. (BVT) am 19.1.2016 Werner Amon danach fragte, ob es mit dem Gesetz gut gegangen sei. Am 19.1.2016 berichtete der Innenausschuss über die Regierungsvorlage zur Erlassung des PStSG. 1150 Werner Amon war betreffend das PStSG als Chefverhandler der ÖVP tätig. Aus den Unterlagen ist ersichtlich, dass es zwischen Amon und B. P. (BVT) zum Thema PStSG neben telefonischer Korrespondenz auch zu persönlichen Treffen kam.1151

In seiner Befragung vor dem Untersuchungsausschuss teilte B. P. (BVT) mit, dass das PStSG für ihn eine sehr wichtige Sache gewesen sei, weil es das BVT auf neue Beine gestellt habe. Er habe mit vielen Personen über das Gesetz gesprochen. Er habe auch mit Werner Amon diesbezügliche Gespräche geführt. Mit Vertretern anderer Parteien habe er lediglich deshalb nicht gesprochen, weil er keine Kontakte gehabt habe.1152

Aufgrund der dem Untersuchungsausschuss vorliegenden Akten und Unterlagen sowie der durchgeführten Befragungen kann festgestellt werden, dass B. P. (BVT) ein durchaus erhebliches Interesse an der Einführung einer Regelung hatte, die es ermöglicht, dass mit Leitungsfunktionen betraute Bedienstete des BVT mit Befehls- und Zwangsgewalt ausgestattet werden können. Auch B. P. (BVT) selbst gab in seiner Befragung vor dem Untersuchungsausschuss an, dass das PStSG ein wichtiges Thema für ihn gewesen sei. Es muss in diesem Zusammenhang jedoch festgehalten werden, dass es zulässig ist, sich für seine eigenen Interessen beziehungsweise seine eigenen Vorstellungen einzusetzen und Wünsche an Entscheidungsträger heranzutragen.

7.4.6. Verein Pro Patria In der zweiten Befragung vor dem Untersuchungsausschuss wurde B. P. (BVT) befragt, in welchen Vereinen er Mitglied sei. Im Laufe der Befragung stellte sich heraus, dass B. P. (BVT) einerseits Mitglied des Cartellverbands und andererseits Obmann des Vereins „Heimatverein ProPatria – Für Niederösterreich“ mit Sitz in St. Pölten ist. Aus dem Vereinsregister ist

1149 OStA Wien, E-Mail-Korrespondenz zwischen B. P. (BVT) und Kloibmüller, S. 20f; 231/KOMM XXVI. GP, 7: Aussage Pirker. 1150 240/KOMM XXVI. GP, 43: Aussage B. P. (BVT) (2). 1151 OStA Wien, Zeugenvernehmung Amon vom 26.11.2018 vor der WKStA zu 6 St 2/18f, S. 13; 231/KOMM XXVI. GP, 7: Aussage Pirker. 1152 240/KOMM XXVI. GP, 43-45: Aussage B. P. (BVT) (2).

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ersichtlich, dass die Zustellanschrift des Vereins in Kaltenleutgeben und somit am Hauptwohnsitz von B. P. (BVT) liegt. Weitere organschaftliche Vertreter des Vereins sind

seine Ehefrau sowie die beiden BVT-Mitarbeiter P. B. 1 (BVT) und M. H. (BVT). Der Vereinszweck dieses Vereins liegt laut B. P. (BVT) in der Unterstützung der ÖVP bei den Nationalratswahlen sowie in der Weiterentwicklung des konservativen Wertbilds.1153

Festzustellen ist, dass der Zeck dieses Vereins in der Unterstützung der ÖVP bei den Nationalratswahlen sowie in der Weiterentwicklung des konservativen Wertbilds liegt und der Vorstand ausschließlich aus BVT-Beamten (sowie der Ehefrau eines BVT-Beamten) besteht. Zu erwähnen ist in diesem Zusammenhang, dass B. P. (BVT) an einen Bundesbruder aus dem Cartellverband im Jahr 2009 schrieb, dass er im BVT eine Schlüsselstelle innehabe und bereit sei, Informationen, vorbei am offiziellen Dienstweg, zu berichten.1154

7.5. Verbindung des BVT zur Ibizaaffäre Am 17.5.2019 wurde von den beiden deutschen Zeitschriften „Spiegel“ und „Süddeutsche Zeitung“ ein Video veröffentlicht, auf dem der ehemalige Vizekanzler und FPÖ- Chef Heinz-Christian Strache sowie der ehemalige Abgeordnete zum Nationalrat und geschäftsführende Klubobmann der FPÖ Johann Gudenus zu sehen sind. Das Video war bereits zwei Jahre vor dessen Veröffentlichung im Juli 2017 in einer Villa auf Ibiza aufgenommen worden. 1155

Nach der Veröffentlichung des Videos kursierten Vermutungen, dass das BVT oder einzelne Mitarbeiter des BVT bereits vor der Veröffentlichung des Videos Kenntnis von dessen Existenz gehabt haben. Aufgrund der dem Untersuchungsausschuss vorliegenden Unterlagen sowie der durchgeführten Befragungen gibt es keine Hinweise darauf, dass das BVT beziehungsweise einzelne Mitarbeiter des BVT Kenntnis von der Existenz des Videos hatten.

Ebenfalls wurden Theorien geäußert, dass das Video zur Ibizaaffäre Mitgrund für die Hausdurchsuchung gewesen sein könnte. Die Begründungen sowie die Umstände der Hausdurchsuchungen vom 28.2.2018 wurden in diesem Bericht bereits ausführlich dargestellt und erörtert.1156 Es liegen keinerlei Hinweise vor, die eine derartig Theorie stützen würden.

1153 240/KOMM XXVI. GP, 26-29, 44f: Aussage B. P. (BVT) (2); Vereinsregisterauszug vom 12.6.2019, https://citizen.bmi.gv.at/at.gv.bmi.fnsweb-p/zvn/public/print/Vereinsregisterauszug.pdf 1154 Vgl. 7.4.3.1. 1155 „Der Standard“ vom 17.5.2019, „Strache soll Staatsaufträge für Wahlkampfspenden in Aussicht gestellt haben“; https://derstandard.at/2000103364196/Strache-soll-Staatsauftraege-fuer- Wahlkampfspenden-in-Aussicht-gestellt-haben. 1156 Siehe oben: Kapitel 2. Hausdurchsuchungen.

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7.6. Kontakte zwischen B. P. (BVT) mit Alexander Melchior 7.6.1. Sachverhalt Alexander Melchior war von 2010 bis 2013 Generalsekretär der Jungen ÖVP, im Anschluss daran von 2013 bis 2017 Mitarbeiter und stellvertretender Kabinettschef im Bundesministerium für Europa, Integration und Äußeres. Seit 2017 ist Melchior Bundesgeschäftsführer der ÖVP.1157 Aus den von der WKStA extrahierten Daten aus dem Mobiltelefon von B. P. (BVT) ist ersichtlich, dass dieser in der Zeit zwischen 17.7.2014 und 15.7.2016 per SMS mit Melchior regelmäßigen Kontakt hatte. Interessant erscheint insbesondere die Nachricht von B. P. (BVT) an Melchior vom 5.5.2015 um 5:51 Uhr (UTC+1) mit folgendem Inhalt:

„Lieber Alex! Hast du wieder mal Zeit? Es gibt neue Filme! Lg. B. P. (BVT)“1158

Da es sich bei der Zeitangabe um „UTC+0“ – Coordinated Universal Time – handelt, ist zu berücksichtigen, dass die Nachricht von B. P. (BVT) um 07:51 Uhr Mitteleuropäische Sommerzeit gesendet wurde.

Drei Tage später antwortete Melchior am 8.5.2015 um 11:58 Uhr (MESZ):

„Sorry. Erst jetzt gesehen. Wann magst?“1159

B. P. (BVT) und Melchior lernten sich bei einer größeren Veranstaltung kennen. Danach kam es zu mehreren Treffen zwischen B. P. (BVT) und Melchior.1160

7.6.2. Ausgewählte Aussagen der Auskunftspersonen Melchior gab in seiner Befragung vor dem Untersuchungsausschuss an, dass es sich aus seiner Sicht um rein private Treffen gehandelt habe. Er könne sich nicht erklären, dass B. P. (BVT) diese Treffen als dienstlich betrachtet habe und im BVT als Informantentreffen abgerechnet habe. Er könne ausschließen, dass es bei den Treffen um das BVT betreffende Inhalte gegangen sei.1161

Zur Nachricht von B. P. (BVT) vom 5.5.2015 gab Melchior an, dass er ein großer Filmliebhaber sei. Darüber wisse jeder, der ihn kenne, Bescheid. B. P. (BVT) habe ihm bei einem darauffolgenden Treffen eine legal erworbene DVD eines Spielfilms übergeben. Melchior

1157 241/KOMM XXVI. GP, 3: Aussage Melchior. 1158 BMVRDJ, Extraktionsbericht der WKStA, S. 82; 241/KOMM XXVI. GP, 6f: Aussage Melchior. 1159 BMVRDJ, Extraktionsbericht der WKStA, S. 82; 241/KOMM XXVI. GP, 6f: Aussage Melchior. 1160 241/KOMM XXVI. GP, 3: Aussage Melchior; 240/KOMM XXVI. GP, 37: Aussage B. P. (BVT) (2). 1161 241/KOMM XXVI. GP, 10f: Aussage Melchior.

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könne sich konkret an einen Spielfilm erinnern, es habe sich um einen Spionagefilm gehandelt. Daran, ob es mehrere Filme gewesen seien und ob B. P. (BVT) ihm diese geschenkt oder geliehen habe, konnte er sich nicht mehr erinnern. 1162

B. P. (BVT) gab in seiner Befragung vor dem Untersuchungsausschuss an, dass es mehrere Treffen mit Melchior gegeben habe. Inhaltlich habe er in den Gesprächen mit Melchior unter anderem über das Thema Kasachstan, die Aktivitäten Sloweniens und eine Dienstpassangelegenheit eines bekannten Rechtsanwalts gesprochen. 1163

Er könne sich nicht daran erinnern, Melchior angeboten zu haben, Filme auszutauschen. Er sei sich jedoch sicher, dass es schlussendlich zu keiner Übergabe von Filmen oder Videos gekommen sei. B. P. (BVT) könne nicht sagen, um welche Filme beziehungsweise Videos es sich gehandelt habe. Er könne aber ausschließen, dass es sich um Filme über Vertreter politischer Parteien – ähnlich dem sogenannten Ibizavideo – gehandelt habe. 1164

7.6.3. Fazit Aufgrund der dem Untersuchungsausschuss vorliegenden Unterlagen sowie der durchgeführten Befragungen kann festgestellt werden, dass B. P. (BVT) und Melchior unregelmäßigen per SMS miteinander kommunizierten und es darüber hinaus zu mehreren persönlichen Treffen kam. Aufgrund der widersprüchlichen Aussagen von B. P. (BVT) und Melchior in ihren Befragungen vor dem Untersuchungsausschuss kann nicht festgestellt werden, ob Filme oder Videos von B. P. (BVT) an Melchior übergeben wurden. Ebenfalls unklar bleibt, um welche Filme es sich allenfalls handelte.

Überdies kann aufgrund der widersprüchlichen Aussagen nicht festgestellt werden, was der Anlass und der Inhalt der wenigen persönlichen Treffen zwischen B. P. (BVT) und Melchior war.

7.7. Besetzungsvorgang betreffend M. F. (BVT) 7.7.1. Einleitung Nach Einsetzung des Untersuchungsausschusses wurde mit einer Reform des BVT begonnen. Dafür wurde vom BMI eine Reformgruppe eingesetzt. Die Tätigkeit dieser Reformgruppe sowie weitere (Geheim-)Projekte können im Hinblick auf die Abgrenzung des Untersuchungsgegenstands nur unter Aspekten betrachtet werden, die Erkenntnisse für den am 13.3.2018 abgeschlossenen Vorgang im Sinne des Untersuchungsgegenstands betreffen.

1162 241/KOMM XXVI. GP, 14: Aussage Melchior. 1163 240/KOMM XXVI. GP, 37-39: Aussage B. P. (BVT) (2). 1164 a.a.O.

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In Bezug auf die BVT-Reform wurde wegen der vorzeitigen Beendigung der Gesetzgebungsperiode im Wesentlichen nur die Besetzung von M. F. (BVT) untersucht.

7.7.2. Besetzungsvorgang M. F. (BVT) war als Offizier beim Österreichischen Bundesheer tätig und wurde am 1.8.2018 der Reformgruppe zur Reformierung des BVT zugeteilt. M. F. (BVT) besetzt eine Planstelle im Referat Nachrichtendienst und Proliferation in der Abteilung II im BVT. Die für diese Planstelle vorgesehenen Tätigkeiten führte F M. F. (BVT) jedoch nie aus. Sein Aufgabenbereich lag ausschließlich bei der BVT-Reform. In der Reformgruppe war M. F. (BVT) für logistische Aufgaben zuständig. M. F. (BVT) versuchte, neue Räumlichkeiten für das BVT zu finden, die internationalen Standards gerecht werden.1165

M. F. (BVT) absolvierte weder im BMI noch beim Abwehramt eine nachrichtendienstliche Ausbildung. Er besuchte lediglich den sechswöchigen Lehrgang „Human Intelligence – Informationsbeschaffung durch Gesprächsführung“ (HUMINT). Über darüberhinausgehende Ausbildungen im nachrichtendienstlichen Bereich verfügt er nicht.1166

M. F. (BVT) wurde vom Generalsekretariat des BMI nach Gesprächen mit Goldgruber eingestellt und dem BVT zugeteilt. Eine Interessentensuche unterblieb. Der sonstige Bewerbungsprozess kann im Detail aufgrund nicht nachvollziehbarer Aussagen nicht rekonstruiert werden. Insbesondere waren die Ausführungen von M. F. (BVT) in seiner Befragung vor dem Untersuchungsausschuss zu großen Teilen nicht schlüssig und daher unglaubwürdig.

7.7.3. Ausgewählte Aussagen zur Besetzung betreffend M. F. (BVT) M. F. (BVT): M. F. (BVT) gab an, er sei seit 1.8.2018 Hauptreferent im Referat Nachrichtendienst und Proliferation in der Abteilung II/BVT.1167

Zu seiner Bewerbung sagt M. F. (BVT), er habe im März 2018 eine Initiativbewerbung an das Kabinett des BMI geschickt. Die Bewerbung habe ein Motivationsschreiben, Angaben über seine Erfahrungen, Zeugnisse und Informationen über seine Qualifikationen enthalten. Auf die Frage, wie er darauf gekommen sei, eine Bewerbung an das Kabinett des BMI zu richten,

1165 238/KOMM XXVI. GP, 6, 22: Aussage M.F. (BVT); 237/KOMM XXVI. GP, 21: Aussage Gridling (3). 1166 238/KOMM XXVI. GP, 21f: Aussage M.F. (BVT). 1167 238/KOMM XXVI. GP, 6: Aussage M.F. (BVT).

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führte M. F. (BVT) aus, dass er nach seinem letzten Auslandseinsatz von Kameraden gehört habe, dass das BMI aufgrund der vergangenen Neuwahlen neue Mitarbeiter suche. Dann habe er es einfach versucht und sich initiativ beim Kabinett beworben.1168 Die Aussage, M. F. (BVT) habe von Kameraden erfahren, dass das BMI eventuell Mitarbeiter suche, ist in diesem Zusammenhang nicht glaubwürdig. Sie steht im Widerspruch zur Tatsache, dass M. F. (BVT) seine Initiativbewerbung nicht an die allgemeine Personalabteilung des BMI, sondern direkt an das Kabinett des BMI richtete.

Drei bis vier Wochen später habe er einen Anruf aus dem Büro des Generalsekretärs erhalten, in dem er zu einem Bewerbungsgespräch geladen worden sei. Er wisse nicht mehr, mit wem er gesprochen habe. M. F. (BVT) habe den Termin für ein Bewerbungsgespräch wahrgenommen. Dabei habe ein erstes kurzes Gespräch mit Goldgruber stattgefunden, in dem M. F. (BVT) seine Bewerbungsunterlagen übergeben habe. Goldgruber habe ihm gesagt, dass die Unterlagen geprüft werden und man sich bei ihm melden werde. Nach mehreren Wochen habe ein weiteres Gespräch mit Goldgruber stattgefunden, bei dem Goldgruber mitgeteilt habe, dass die Unterlagen geprüft worden seien und alles in Ordnung sei. Goldgruber habe M. F. (BVT) angeboten, als Unterstützung im Projekt „BVT-Neu“ tätig zu sein. M. F. (BVT) habe um Bedenkzeit gebeten und schließlich nach zwei Tagen zugesagt.1169

Die Ausführungen von M. F. (BVT) sind nicht nachvollziehbar, weil nicht davon auszugehen ist, dass Goldgruber M. F. (BVT) lediglich zu einem kurzem Gespräch lädt, um ihm mitzuteilen, dass seine Unterlagen, die er bereits mehrere Wochen vorher übermittelt hatte, geprüft werden müssten.

M. F. (BVT) führte in seiner Befragung vor dem Untersuchungsausschuss weiter aus, dass er mit dem damaligen Kabinettschef des BMI Reinhard Teufel gemeinsam zur Schule gegangen sei. Ein freundschaftliches Naheverhältnis bestehe jedoch nicht. Es habe auch keine der Bewerbung vorangehende Gespräche zwischen Teufel und ihm gegeben.1170

Ob es Gespräche zwischen M. F. (BVT) und Teufel gab, kann aufgrund mangelnder Beweisergebnisse nicht festgestellt werden. Es wäre jedoch äußerst ungewöhnlich, wenn der damalige Kabinettschef Teufel keine Kenntnis von der von M. F. (BVT) an sein Kabinett gerichteten Bewerbung hatte.

Peter Gridling:

1168 238/KOMM XXVI. GP, 4, 10: Aussage M.F. (BVT). 1169 238/KOMM XXVI. GP, 5: Aussage M.F. (BVT). 1170 a.a.O.

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M. F. (BVT) besetze eine Planstelle im BVT. Die Aufgaben, die für die diese Planstelle vorgesehen seien, habe er nie ausgeführt. Er habe Aufträge ausschließlich vom Generalsekretär erhalten.1171

Gridling habe Wahrnehmung darüber, dass M. F. (BVT) als Kurskommandant für Ausbildungskurse Aufgaben verrichtet habe. Was er konkret getan habe, entziehe sich seiner Kenntnis. Gridling sei von Goldgruber per Weisung angewiesen worden, das zur Kenntnis zu nehmen und allfällige Mehrdienstleistungen zu unterschreiben. Zur Auswahl und zum Bewerbungsprozess von M. F. (BVT) habe er keine Wahrnehmungen.1172 Gridling glaube nicht, dass M. F. (BVT) die Ausschreibungsbedingungen für die Abteilung erfülle, da M. F. (BVT) nicht einmal die Polizeiausbildung absolviert habe.1173

C. M. (BVT): Er habe keine Wahrnehmungen dazu, ob es sich bei der Besetzung von M. F. (BVT) um eine politisch motivierte Postenbesetzung gehandelt habe. Da er nicht in den Auswahlprozess eingebunden gewesen sei, könne er auch die Fähigkeiten und die Eignung von M. F. (BVT) nicht beurteilen.1174

Gerold Szopinski: Szopinski kenne den Namen M. F. (BVT). Er habe den Akt der Dienstzuteilung bearbeitet. Da M. F. (BVT) eine Person aus dem BMLV gewesen sei geschehe die Besetzung in Form einer Dienstzuteilung. Hier werde an das abgebende Ressort die Bitte gestellt, eine Dienstzuteilung zu verfügen. Er wisse weder, ob es eine Interessentensuche gegeben habe noch von wem die Anfrage zur Dienstzuteilung gekommen sei.1175

Reinhard Teufel: Teufel kenne M. F. (BVT) persönlich, da er mit ihm gemeinsam im Internat der Höheren Bundeslehranstalt für Forstwirtschaft in Gainfarn gewesen sei. Er habe von der Versetzung von M. F. (BVT) ins BVT erst im Nachhinein erfahren und habe davor mit ihm nicht gesprochen. Er habe keine Kenntnisse über die nachrichtendienstliche Qualifikation von M. F. (BVT).1176

1171 237/KOMM XXVI. GP, 21: Aussage Gridling (3). 1172 a.a.O. 1173 196/KOMM XXVI. GP, 25: Aussage Gridling (2). 1174 234/KOMM XXVI. GP, 25: Aussage C. M. (BVT) (2). 1175 198/KOMM XXVI. GP, 28: Aussage Szopinski. 1176 197/KOMM XXVI. GP, 11: Aussage Teufel.

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S. G. (BVT): Es habe sie und andere Mitarbeiter sehr gestört, dass es bei der Besetzung von M. F. (BVT) keine Interessentensuche gegeben habe. Es sei für sie nicht nachvollziehbar, aufgrund welcher Rechtsgrundlage eine solche unterblieben sei. Sonstige unmittelbare Wahrnehmung zur Besetzung habe S. G. (BVT) nicht.1177

7.7.4. Fazit Die Aussagen von M. F. (BVT) zu seinem Bewerbungsprozess waren zu großen Teilen nicht nachvollziehbar, weshalb in diesem Rahmen nicht abschließend festgestellt werden kann, wie es tatsächlich zur Einstellung von M. F. (BVT) kam. Aufgrund der Angaben von M. F. (BVT) in seiner Befragung vor dem Untersuchungsausschuss und des dadurch gewonnen Eindrucks sind die von Gridling geäußerten Zweifel an der Qualifikation von M. F. (BVT) durchaus nachvollziehbar.

1177 195/KOMM XXVI. GP, 34ff: Aussage S. G. (BVT) (2).

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8. Ergebnisse Abschließend werden die Ergebnisse dieses Untersuchungsausschusses für jedes einzelne Kapitel gesondert zusammengefasst dargestellt.

8.1. Hausdurchsuchungen Zum Zeitpunkt der Hausdurchsuchungen waren Herbert Kickl für den Bereich des BMI sowie Josef Moser für den Bereich des BMVRDJ politisch verantwortlich, wobei sie erst Ende 2017 zu Ministern ernannt worden waren. Bei Schluss der Beweisaufnahme waren beide nicht mehr im Amt.

Die WKStA führte das Ermittlungsverfahren zur Causa BVT bereits seit Sommer 2017, wobei sich die Ermittlungen bis zur Kontaktaufnahme durch den Generalsekretär des BMI Peter Goldgruber im Jänner 2018 im Wesentlichen auf die Ausforschung des Verfassers des anonymen Anzeigenkonvoluts beschränkten.

Zum Zeitpunkt des Bekanntwerdens des Konvoluts war der zuständige Bundesminister für Inneres Wolfgang Sobotka und der zuständige Bundesminister für Justiz Wolfgang Brandstetter.

Neue Dynamik erfuhr das Ermittlungsverfahren durch das Aktivwerden von Goldgruber, der sich das anonyme Anzeigenkonvolut in der Kanzlei des Rechtsanwalts Gabriel Lansky verschaffte. Gemeinsam mit einem Mitarbeiter des Kabinetts/Generalsekretariats Udo Lett suchte Goldgruber Zeugen, stellte den Kontakt zur fallführenden Staatsanwältin Ursula Schmudermayer her und besprach den Fall in ihrem Büro.

Darüber hinaus vermittelten Goldgruber und Lett die einzigen vier Zeugen an die WKStA, die vor den Hausdurchsuchungen einvernommen wurden. Goldgruber und Lett führten zumindest mit drei der späteren Zeugen unter teilweiser Beteiligung von Kickl Vorbesprechungen vor den jeweiligen Einvernahmen vor der WKStA durch. Die fallführende Staatsanwältin setzten sie von diesen Vorbesprechungen nicht in Kenntnis. Drei dieser vier Zeugen begleitete Lett außerdem zu ihrer Einvernahme in die WKStA, wobei er in zwei Fällen als Vertrauensperson fungierte.

Schmudermayer und ihr Gruppenleiter Wolfgang Handler sagten in ihren Befragungen vor dem Untersuchungsausschuss, dass die Wünsche des BMI in Richtung Zwangsmaßnahmen und die Ankündigung von Suspendierungen keinen Einfluss auf ihre Ermittlungen gehabt hätten. Die rasante Entwicklung und hohe Ermittlungsintensität der WKStA in der letzten

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Woche vor den Hausdurchsuchungen sprechen jedoch dafür, dass die festgestellten Interventionen von Goldgruber und Lett durchaus Einfluss auf das Ermittlungsverfahren genommen haben.

Im staatsanwaltschaftlichen Tagebuch zur Causa BVT sind die zahlreichen Kontaktaufnahmen durch Goldgruber und Lett dokumentiert. Es kann aufgrund der Dichte und der Art ihres Auftretens nicht von der Hand gewiesen werden, dass die Spitze des BMI versuchte, das Verfahren dahin zu beeinflussen, dass die WKStA mit gerichtlicher Bewilligung Hausdurchsuchungen im BVT durchführt.

Bei Schmudermayer zeigte das von Goldgruber und Lett ausgeübte Handeln insofern Wirkung, als sie möglichst schnell Sicherstellungen durchführen wollte. Dies zeigte sich unter anderem durch die von ihr angenommene Journaldringlichkeit bei der Anordnung der Hausdurchsuchungen. Die von ihr als Begründung hierfür herangezogene angebliche Fernlöschungsmöglichkeit im BVT und der damit drohende Beweismittelverlust legen insofern keine derartige Dringlichkeit nahe, als dem Verlust von Daten in keinem Strafverfahren gänzlich vorgebeugt werden kann, weil die Sicherstellung von elektronischen Daten immer der Mitwirkung des Datennutzers bedarf.

Bei dieser Einschätzung ist selbstverständlich zu berücksichtigen, dass jedes Ermittlungsverfahren mit Druck verbunden ist. Auch sind es die allesamt erfahrenen Staatsanwälte der WKStA mit Sicherheit gewohnt, mit Drucksituationen verschiedenster Art umzugehen, doch hatten sie es hier mit einem Verfahren mit einer Vielzahl an Besonderheiten zu tun.

Es wäre wünschenswert gewesen, wenn die ermittelnden Staatsanwälte ihren Ermittlungsdrang zugunsten von Objektivität und Folgenabschätzung etwas zurückgenommen hätten. Mit etwas weniger Tempo hätte der enorme Schaden, der durch das für einen Nachrichtendienst an sich abträgliche Medieninteresse am allgemeinen Vertrauen in das BVT entstanden ist, unter Umständen abgewendet werden können.

Die festgestellten Ergebnisse zeigen erhebliche Mängel in der Planung der Hausdurchsuchung, die sich bei der Durchführung insbesondere auf die Gewährleistung der Datensicherheit auswirkten. Für diese Planungsfehler war Schmudermayer als Leiterin des Ermittlungsverfahrens hauptverantwortlich. Innerhalb der Weisungskette eingebunden und somit unmittelbar mitverantwortlich sind Schmudermayers Gruppenleiter Handler sowie ihre Behördenleiterin Ilse-Maria Vrabl-Sanda, die vor der Hausdurchsuchung (rechtskonform)

www.parlament.gv.at 695 der Beilagen XXVI. GP - Ausschussbericht NR - Berichterstattung 285 von 298 281 keinen Bericht an die Oberbehörden erstattete.

Als Folge dieser Planungsmängel kam es dazu, dass teils hochsensible und klassifizierte Daten im BVT sichergestellt wurden. Dazu zählten auch geheime Informationen ausländischer Partnerdienste, was zu erheblichen internationalen Irritationen führte. Dass diese Informationen sichergestellt wurden, ist nicht lediglich auf die mangelhafte Planung der WKStA zurückzuführen, sondern auch auf die nicht ordnungsgemäße Verwahrung der Daten durch das BVT und einzelne seiner Bediensteten.

Der Grund der Durchführung der Durchsuchung im Büro der Leiterin des Extremismusreferats konnte bis zum Ende der Beweisaufnahme nicht nachvollzogen werden. Schmudermayer konnte in keiner ihrer drei Befragungen schlüssig erklären, warum sie die Zeugen zu S. G. (BVT) befragte und die Durchsuchungsanordnung zu diesem Büro erließ. Von den dort sichergestellten Papierdokumenten erwies sich lediglich eine Seite als für das Ermittlungsverfahren relevant.

Der Vorwurf, die EGS sei als Polizeieinheit deshalb zur Unterstützung der Hausdurchsuchung herangezogen worden, weil diese unter der Leitung eines Gemeinderats der FPÖ gestanden sei, hat sich nicht erhärtet. Allerdings sichteten die EGS-Beamten zumindest die ausgedruckten Papierunterlagen und hatten somit auch Zugriff auf klassifizierte Dokumente. Der Vorwurf, dass die EGS-Beamten Daten aus dem BVT, insbesondere aus dem Extremismusreferat, unbefugt mitgenommen hätten, konnte nicht belegt werden.

Zur Durchführung von Hausdurchsuchungen muss allgemein festgehalten werden, dass es sich dabei stets um eine Ausübung staatlichen Zwangs handelt. Dieser Zwang ist jedoch vom Gewaltmonopol legitimiert, solange die Grenzen der Verhältnismäßigkeit nicht überschritten werden. Eine unterschiedliche Wahrnehmung der Situation der BVT-Beamten einerseits sowie der einschreitenden EGS-Beamten andererseits ist sohin nachvollziehbar.

Betreffend das IT-System im BVT und die darin bestehenden technischen Möglichkeiten (Stichwort „Fernlöschung“) gingen die fachlichen Einschätzungen der befragten IT-Techniker deutlich auseinander. Diese Widersprüchlichkeit ist darauf zurückzuführen, dass IT-Techniker aus verschiedenen Fachbereichen befragt wurden. Einerseits standen dem Untersuchungsausschuss IT-Techniker aus dem BVT als Auskunftspersonen zur Verfügung, die das IT-System des BVT durch eigene Arbeitserfahrung „von innen“ kennen, deren Aussagen jedoch aufgrund ihrer jeweiligen unterschiedlichen fachlichen Spezialisierungen (zB auf Servertechnik oder Handyforensik) voneinander abwichen. Andererseits wurden zwei IT-

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Techniker der WKStA befragt, von denen einer direkt für die WKStA arbeitete und der andere als externer Sachverständiger zur Datensicherung herangezogen wurde. Diese beiden IT- Techniker hatten das IT-System des BVT vor den Hausdurchsuchungen nicht aus eigener Wahrnehmung gekannt und konnten daher nur Schlussfolgerungen von allgemeinen IT- technischen Möglichkeiten auf die technische Ausstattung im BVT ziehen.

Die Hausdurchsuchung hatte sowohl national als auch international gravierende Folgen. Einerseits herrschte ein Klima des Misstrauens innerhalb des BVT, was sich negativ auf das Funktionieren der Behörde auswirkte. Andererseits führte die Hausdurchsuchung zu einem massiven Vertrauensverlust bei den befreundeten ausländischen Partnerdiensten.

In Hinblick auf die gewählte Vorgangsweise zur Aufklärung von Missständen innerhalb des BVT kann eine ausreichende Abschätzung der Folgen durch die politisch Verantwortlichen nicht festgestellt werden, zumal es sich um eine BMI-eigene Organisationseinheit handelte.

Nach Abschluss der Arbeit durch den Untersuchungsausschuss ist festzuhalten, dass die im anonymen Anzeigenkonvolut festgehaltenen Vorwürfe an reale Lebenssachverhalte anknüpfen. Der anonyme Konvolutschreiber kannte augenscheinlich die Verhältnisse im BVT und im BMI sehr gut und zeigte Missstände auf, die auch der Untersuchungsausschuss wahrnahm, insbesondere im Bereich der Datensicherheit und der Personalführung. Eine Vielzahl der Ermittlungsverfahren der WKStA betreffend das Konvolut wurden zwar mittlerweile eingestellt, jedoch sind die dort dokumentierten – und auch in diesem Bericht festgestellten – Missstände auf Ebene der politischen Verantwortlichkeit nicht von der Hand zu weisen.

Diese Missstände im BVT und BMI beziehen sich vorwiegend auf die Bereiche Personalführung und Datensicherheit. Einige BVT-Bedienstete pflegten zusammengefasst betrachtet einen höchst nachlässigen Umgang mit sensiblen Daten, sei es durch das Herumliegenlassen von ungesicherten Festplatten oder die Mitnahme von klassifizierten Unterlagen in ihre Privatwohnsitze. Unter den Mitarbeitern herrschte auch bereits vor den Hausdurchsuchungen ein Klima der Unzufriedenheit, das sich in gegenseitigen Anschuldigungen und geäußerten Konflikten in den Befragungen der Auskunftspersonen widerspiegelte.

Ein bestimmtes, Ordnung schaffendes Vorgehen im Sinne einer Optimierung der Abläufe und Aufklärung möglicher Missstände sowie Abstellen festgestellter Missstände innerhalb des BVT wäre spätestens zum Zeitpunkt des Bekanntwerdens des Konvoluts angezeigt gewesen. Eine

www.parlament.gv.at 695 der Beilagen XXVI. GP - Ausschussbericht NR - Berichterstattung 287 von 298 283 rechtzeitige und sorgfältige Wahrnehmung der politischen Verantwortung in Zusammenhang mit den spannungsgeladenen Entwicklungen im BVT, die letztlich Anlass für die Hausdurchsuchungen mit all ihren Folgen waren und schon viele Jahre zuvor aufgetreten waren, hätten die Eskalation im bekannten Ausmaß wohl verhindern können.

8.2. Causa Maurer Im anonymen Anzeigekonvolut wurde der Vorwurf erhoben, dass das BVT nach einer im Jahr 2010 organisierten Protestaktion der Österreichischen Hochschülerschaft im Parlament personenbezogene Daten der an der Aktion beteiligten Personen vom BVT rechtswidrig in einer sogenannten „Extremismusdatei“ gespeichert hätte.

Aufgrund der vorliegenden Unterlagen sowie der durchgeführten Befragungen zeigte sich zwar, dass es bei der Veraktung dieses Vorfalls zu diversen Ungereimtheiten kam, die auf Individualfehler auf Beamtenebene zurückzuführen sind. Jedoch konnte keine abgestimmte, politisch motivierte Einflussnahme auf die Datenverwendung durch das BVT nachgewiesen werden. Weiters manifestierten sich keine Beteiligungen von Organwaltern, Mitarbeitern politischer Büros oder Bediensteten des BMI an Rechtsverletzungen durch Beamte des BVT.

8.3. Causa Tierschützer Ausgehend vom Verlangen auf Einsetzung des Untersuchungsausschusses stand der Verdacht im Raum, dass eine abgestimmte, politisch motivierte Einflussnahme auf die Ermittlungen im Rahmen des Wiener Neustädter Tierschützerprozesses stattgefunden habe. Fallführender Staatsanwalt in der Causa Tierschützer war im Übrigen Wolfgang Handler, der zehn Jahre später als Gruppenleiter der WKStA auch in der Causa BVT tätig wurde.

Trotz diverser festgestellter Unregelmäßigkeiten im Ermittlungsverfahren gegen die Tierschützer ergaben sich keine Hinweise politischer Einflussnahme auf das Ermittlungs- und Hauptverfahren im Allgemeinen beziehungsweise auf das BVT im Besonderen.

Die Gründung der SOKO Bekleidung im April 2007 ist im Lichte der zahlreichen festgestellten (nach wie vor unaufgeklärten) strafbaren Handlungen zum Nachteil der Firma Kleider Bauer nachvollziehbar.

Die Tatsache, dass die SOKO mit verschiedenen anderen Behörden und Dienststellen, wie der Steuerfahndung oder dem Büro für Vereins-, Versammlungs- und Medienrechtsangelegenheiten der Bundespolizeidirektion Wien (BVVM) zusammenarbeitete, beruhte offenbar nicht auf politisch motivierter Einflussnahme.

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Hinsichtlich der von der SOKO Bekleidung eingesetzten verdeckten Ermittlerin sowie der Vertrauensperson ist es aus Gründen der Objektivität äußerst kritisch zu sehen, dass die Beobachtungen dieser verdeckten Ermittlungen keinen Eingang in den Ermittlungsakt fanden. Es wäre aus rechtsstaatlicher Sicht wünschenswert gewesen, wenn sich sowohl die SOKO- Leitung als auch der fallführende Staatsanwalt, Wolfgang Handler, aktiv darum gekümmert hätten, dass die Ergebnisse der verdeckten Ermittlungen zum Ermittlungsakt genommen werden. Dass dies nicht passierte, ist nicht auf eine politisch motivierte Einflussnahme (von wem auch immer) zurückzuführen, sondern wohl auf mangelndes Bewusstsein der Ermittlungsbehörden für die Notwendigkeit der Bekanntgabe dieser entscheidungsrelevanten Grundrechtseingriffe.

8.4. Organisation – Politische Netzwerke Einer der Hintergründe der Einsetzung des Untersuchungsausschusses war die im Anzeigenkonvolut auf verschiedensten Ebenen geäußerte Vermutung, dass es im BMI, insbesondere im BVT, ein sogenanntes „schwarzes Netzwerk“ gebe. Dieses soll auf Postenbesetzungen und Ermittlungsverfahren Einfluss genommen sowie die ÖVP mit BVT- internen Informationen versorgt haben.

Nach den vorliegenden Beweisergebnissen konnte das Bestehen eines derartigen Netzwerks nicht nachgewiesen werden. Es sprachen zwar zahlreiche Indizien für die Existenz eines politischen Netzwerks, allerdings ergab sich kein ausreichend konkreter Hinweis für „das“ schwarze Netzwerk, das die ÖVP allgemein beziehungsweise all ihre Funktionsträger umfasst und das gesamte BVT infiltriert hätte. Allerdings zeichnen die Feststellungen zu den zahlreichen Einzelsachverhalten ein Gesamtbild, das für ein Netzwerk zwischen bestimmten ÖVP-nahen Personen in und um das BVT spricht.

In diesem Zusammenhang ist festzuhalten, dass es demokratiepolitisch grundsätzlich nicht bedenklich ist, dass politische Parteien, die eine Regierungsfunktion ausüben, vor allem leitende Positionen mit Personen besetzen, denen sie politisch Vertrauen entgegenbringen. Dies gilt aber nur dann, wenn insgesamt keine anderen besser geeigneten Kandidaten für die jeweilige zu besetzende Stelle zur Verfügung stehen. Die Neutralität eines jeden Amtes sollte auch dadurch gewährleistet werden, dass der fachlichen Eignung stets die angemessene Bedeutung zukommt. Demgegenüber ist eine allfällige parteipolitisch motivierte Weitergabe von geschützten Informationen durch (BVT-)Beamte jedenfalls unzulässig und wäre zudem wohl auch strafrechtlich relevant.

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Anfragen betreffend Burschenschaften Aufgrund der vorliegenden Unterlagen sowie der durchgeführten Befragungen wurde festgestellt, dass Peter Goldgruber in einer Besprechung am 29.1.2018 Peter Gridling danach fragte, wo im Rechtsextremismusbereich verdeckte Ermittler eingesetzt sind. Trotz der Warnung Gridlings, dass diese Frage ein Sicherheitsrisiko für die verdeckten Ermittler darstellen könnte, bestand Goldgruber auf diese Auskunft. Zum Schutz der Ermittler beantwortete Gridling die Frage jedoch möglichst allgemein.

Nicht festgestellt werden konnte, ob Goldgruber Gridling konkret nach Namen von verdeckten Ermittlern fragte. Ebenfalls nicht abschließend festgestellt werden konnte, ob Goldgruber die Fragen im Auftrag des Bundesministers für Inneres Herbert Kickl an das BVT stellte oder ob er aus Eigenem handelte.

Auffällig waren in diesem Zusammenhang die vagen Aussagen von Goldgruber sowie dessen zahlreiche Erinnerungslücken. Immerhin ist mit dem Bekanntwerden des Einsatzes von verdeckten Ermittlern in bestimmten Bereichen die konkrete Gefahr für Leib und Leben von Beamten verbunden.

Wahlkampfthemen Im Juli 2017 erteilte das Kabinett des BMI einen Auftrag an das BVT, die Möglichkeit der Einführung von Bestimmungen des französischen Antiterrorgesetzes in die österreichische Rechtsordnung zu prüfen. Ob es sich dabei um eine Unterstützungsanforderung für das Wahlprogramm der ÖVP vor der Wahl 2017 handelte, blieb offen.

Postenbesetzungen Im Rahmen der Untersuchungen ist der Anschein unsachlicher Postenbesetzungen entstanden.

Hinsichtlich der Besetzung der Planstelle von R. P. (BVT) liegen keine ausreichenden Beweise vor, die die Vorwürfe einer politischen Einflussnahme bestätigt hätten. Ein Zusammenhang zwischen den guten politischen Kontakten von R. P. (BVT) etwa zur damaligen Bundesministerin für Inneres Johanna Mikl-Leitner und der Bevorzugung bei der Planstellenbesetzung konnte nicht nachgewiesen werden. Ungeklärt bleibt jedoch die Frage, weshalb eine andere, wesentlich besser qualifizierte Verwaltungspraktikantin erst nach R. P. (BVT) als Vertragsbedienstete übernommen wurde.

Hinsichtlich der Bewerbung von M. F. (BVT) für eine Versetzung ins BMI konnte der Ablauf,

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der zur Dienstzuteilung führte, aufgrund seiner widersprüchlichen und ausweichenden Aussagen vor dem Untersuchungsausschuss nicht abschließend aufgeklärt werden.

Betreffend die Besetzungsvorgänge zu B. P. (BVT), sowohl als Referent als auch als Leiter des Referats Nachrichtendienst und Proliferation, konnte zwar keine unzulässige politische Einflussnahme festgemacht werden. B. P. (BVT) pflegte jedenfalls ein freundschaftliches Verhältnis mit zahlreichen führenden Persönlichkeiten in der ÖVP aufgrund seiner Vergangenheit bei der Jungen Volkspartei sowie beim Österreichischen Cartellverband. Er versuchte dieses Netzwerk nachweislich für sein berufliches Fortkommen zu nutzen.

Zudem ist festzuhalten, dass der BVT-Direktor Gridling, an der fachlichen Eignung aller drei (ehemaligen) BVT-Mitarbeiter Zweifel äußerte.

Der Verdacht unzulässiger politischer Einflussnahme wurde in keinem der drei genannten Fälle entkräftet. Der Untersuchungsausschuss hatte auch aufgrund der vorzeitigen Beendigung der Gesetzgebungsperiode des Nationalrats nicht die Möglichkeit, diese Vorgänge einer weitergehenden Aufklärung zuzuführen.

Die Arbeit des Untersuchungsausschusses hat gezeigt, dass die Aktenlieferungen der Ministerien teilweise unvollständig waren. Dies dürfte teilweise auch Dokumentationsmängeln im BMI geschuldet sein.

Die Vorgänge rund um die untersuchten Postenbesetzungen im BVT betreffend die Auskunftspersonen M. F. (BVT), R. P. (BVT) und B. P. (BVT) hätten mit hoher Wahrscheinlichkeit besser aufgeklärt werden können, wenn eine detailliere Dokumentation der Entscheidungsträger (auf verschiedenen Hierarchieebenen sowohl im BVT als auch im BMI) vorgelegen wäre. Insbesondere wären schriftliche Begründungen für die Eignung der jeweiligen Personen wünschenswert gewesen, aus denen auch hervorgeht, wer die Eignungseinschätzung getroffen hat. Aufgrund der mangelhaften Dokumentation konnte weder nachvollzogen werden, welche Funktionsträger für welche Personalbesetzungen verantwortlich waren, noch welche besonderen fachlichen Eignungen die erfolgreichen Bewerber besonders qualifizierten.

Im Übrigen waren Dokumentationsmängel in Zusammenhang mit Aktenlieferungen aus den Ministerkabinetten besonders augenscheinlich, die dem Untersuchungsausschuss nur sehr begrenzt zur Verfügung standen. So konnten Erinnerungslücken ehemaliger Bundesminister und deren politischer Mitarbeiter auch unter Zuhilfenahme von Akten nicht geschlossen

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Darüber hinaus ist festzuhalten, dass die Aktenvorlage schleppend war und bis zum Schluss der Beweisaufnahme Auskunftspersonen Unterlagen benannt haben, die dem Ausschuss durch Ministerien übermittelt hätten werden müssen. Die gebotene Sorgfalt bei der Prüfung von vorlagepflichtigen Akten und Unterlagen scheint von diversen Stellen nicht ausreichend berücksichtigt worden zu sein. So wurden etwa dem Untersuchungsausschuss Kabinettsakten des BMI betreffend die Causa Mauss aus dem anonymen Anzeigenkonvolut zunächst nicht unmittelbar vom zuständigen Bundesminister außer Dienst übermittelt, sondern erst im Wege des BMVRDJ zugeleitet.

Verdacht eines ÖVP-Netzwerks im BMI Betreffend die Auskunftsperson B. P. (BVT) stand im Raum, dass dieser Teil des Kerns eines ÖVP-Netzwerks im BMI gewesen sei. Aufgrund der Beweisergebnisse konnte nicht festgestellt werden, dass ein das gesamte BMI umfassendes Netzwerk der ÖVP existierte. Hingegen deuten mehrere festgestellte Sachverhalte auf das Vorliegen eines Netzwerks von ÖVP-nahen Personen rund um B. P. (BVT) hin.

Am 8.2.2009 bot B. P. (BVT) dem damaligen Generaldirektor für die öffentliche Sicherheit Herbert Anderl in einem privaten Brief an, ihm künftig außerhalb des Dienstwegs Informationen aus dem BVT zukommen zu lassen. B. P. (BVT) verwies in diesem Brief auf die gemeinsame Mitgliedschaft im ÖVP-nahen Österreichischen Cartellverband.

Ein weiteres Indiz für ein Netzwerk rund um B. P. (BVT) waren seine auffällig zahlreichen Kontakte mit ÖVP-Mitgliedern zu Sachverhalten betreffend seine Arbeit im BVT. Zu diesen Personen gehörten insbesondere der Abgeordnete Werner Amon, der ehemalige Kabinettschef des BMI Michael Kloibmüller sowie der ehemalige stellvertretende Kabinettschef des BMEIA Alexander Melchior.

Sowohl mit Amon als auch mit Kloibmüller pflegte B. P. (BVT) regelmäßigen Kontakt betreffend die Causa Lansky beziehungsweise Kasachstan, wobei nicht festgestellt werden konnte, worin der genaue Inhalt dieses Austausches bestand.

Neben seiner Mitgliedschaft im Österreichischen Cartellverband engagierte sich B. P. (BVT) zusammen mit zwei anderen ÖVP-nahen BVT-Mitarbeitern und mit seiner Ehefrau in einem weiteren Verein. Es handelt sich dabei um den Verein „ProPatria für Niederösterreich“, dessen ausschließlicher Zweck in der Förderung der ÖVP bei Nationalratswahlen bestand.

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9. Empfehlungen 9.1. Vereinheitlichung der Informationssicherheit Die Erhebungen des Untersuchungsausschusses haben zwei Problemfelder aufgezeigt, bei denen die Rechtsvorschriften für die Justiz einerseits und für die Sicherheitsverwaltung andererseits nicht optimal miteinander kompatibel sind. Es wird empfohlen, dass sich ein Gremium bestehend aus Experten der Justiz- und Innenressorts mit der Evaluierung von Schnittstellen zwischen Sicherheitsverwaltung und Justiz in Hinblick auf den Schutz klassifizierter Daten im Bereich der Justiz auseinandersetzt.

Das InfoSiG ist für die Staatsanwaltschaften nicht anwendbar, weshalb diese an die darin enthaltenen Schutzvorschriften nicht gebunden sind. Durch die Instrumente der Verschlusssachenverordnung ist der Schutz klassifizierter Daten nach dem InfoSiG nicht gewährleistet. Dies kann – wie die Hausdurchsuchungen am 28.2.2018 zeigten – dazu führen, dass klassifizierte Dokumente bei einer Hausdurchsuchung unversiegelt von einer Staatsanwaltschaft abtransportiert werden. Derartigen Geschehnissen sollte mit zu erarbeitenden Regeln künftig entgegengewirkt werden.

Außerdem sind die technischen und personellen Voraussetzungen zu schaffen, dass die dann harmonisierten Informationsschutzbestimmungen auch problemlos umgesetzt werden können.

9.2. Evaluierung des Rechtsschutzes Die Untersuchungen haben gezeigt, dass es im Bereich des (vorbeugenden und nachkontrollierenden) Rechtsschutzes für eingriffsintensive Ermittlungsmaßnahmen unter Umständen Bedarf für Nachschärfungen im Sinne eines modernen richterlichen Grundrechtsschutzes gibt. Sichergestellt soll sein, dass die richterliche Entscheidung auf Basis ausreichender Informationsgrundlagen getroffen werden kann und die erforderlichen Zeit für die Entscheidungsfindung zur Verfügung steht.

9.3. Evaluierung des staatsanwaltschaftlichen Berichtswesens Es wird empfohlen, das staatsanwaltschaftliche Berichtswesen im Lichte der Causa BVT allgemein einer breit angelegten Evaluierung unter Einbindung der Standesvertretungen zu unterziehen.

9.4. Bessere Dokumentation von Personalentscheidungen Personalentscheidungen in Ministerien und nachgeordneten Behörden und Dienststellen sollten zur Erhöhung der Transparenz und Vereinfachung der nachprüfenden Kontrolle stets

www.parlament.gv.at 695 der Beilagen XXVI. GP - Ausschussbericht NR - Berichterstattung 293 von 298 289 schriftlich begründet und nachvollziehbar dokumentiert werden. Dabei sollte insbesondere schriftlich festgehalten werden, welche Personen an der Entscheidung für die Einstellung des betreffenden Mitarbeiters auf welcher Ebene und in welcher Form konkret beteiligt waren beziehungsweise diese letztlich getroffen haben. Der Vorgang der Auswahl sollte transparent dokumentiert werden, um Spekulationen im Nachhinein vorzubeugen und so auch die betroffenen Personen zu schützen.

9.5. Allgemeine Dokumentationsstandards Es wird angeregt, einheitliche Standards zur Dokumentation der Kommunikation von Kabinettsmitarbeitern mit Bediensteten der allgemeinen Verwaltung einzuführen.

9.6. Empfehlung zur VO-UA Die verkürzten Fristen zur Erstellung des Berichtsentwurfs sowie der Fraktionsberichte im Fall der vorzeitigen Beendigung einer Gesetzgebungsperiode von jeweils einer Woche erscheinen dem Zweck nach den parlamentarischen Materialien nicht gerecht zu werden. Faktisch verkürzt diese Regelung zwar den Bearbeitungszeitraum, führt jedoch zu keiner vorzeitigen Beendigung der Tätigkeit des Untersuchungsausschusses.1178

1178 440 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XXV. GP zu § 53 GOG- NR, https://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXV/I/I_00440/fname_376770.pdf.

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10. Anhang: Minister BMI und BMJ/BMVRDJ Um die politische Verantwortung der obersten Organe personell ersehen zu können, wird hier eine tabellarische Übersicht dargestellt, in der ab 2006 die jeweiligen Minister des Bundesministeriums für Inneres (BMI) sowie des Bundesministeriums für Justiz (BMJ) beziehungsweise für Verfassung, Reformen, Deregulierung und Justiz (BMVRDJ) aufgelistet sind.

Bundesminister für Inneres Partei Amtsantritt Wolfgang Schüssel ÖVP 2.1.2007 Günther Platter ÖVP 11.1.2007 Wilhelm Molterer ÖVP 30.6.2008 Maria Fekter ÖVP 1.7.2008 Johanna Mikl-Leitner ÖVP 21.4.2011 Wolfgang Sobotka ÖVP 21.4.2016 Herbert Kickl FPÖ 18.12.2017 Eckart Ratz parteilos (nominiert ÖVP) 22.5.2019 Wolfgang Peschorn parteilos 3.6.2019

Bundesminister für Justiz (ab 2018 Bundesminister für Partei Amtsantritt Verfassung, Reformen, Deregulierung und Justiz) Maria Berger SPÖ 11.1.2007 Johannes Hahn ÖVP 2.12.2008 Claudia Bandion-Ortner parteilos (nominiert ÖVP) 15.1.2009 Beatrix Karl ÖVP 21.4.2011 Wolfgang Brandstetter parteilos (nominiert ÖVP) 16.12.2013 Josef Moser parteilos (nominiert ÖVP) 18.12.2017 Clemens Jabloner parteilos 3.6.2019

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11. Schlussteil, Abstimmung und Berichtsvorlage 11.1. Informationsordnung und Schutz von Daten Bei der Erstellung des Ausschussberichtes sowie bei der Prüfung der Fraktionsberichte wurde darauf Bedacht genommen, dass die Veröffentlichung enthaltener Informationen Interessen der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ruhe, Ordnung und Sicherheit, der umfassenden Landesverteidigung, der auswärtigen Beziehungen, den wirtschaftlichen Interessen einer Körperschaft des öffentlichen Rechts, der Vorbereitung einer Entscheidung oder dem überwiegenden berechtigten Interesse der Parteien nicht zuwiderläuft. Dabei wurden insbesondere auch die gemäß § 27 Abs 6 VO-UA dargelegten Gründe für Klassifizierungen nach dem Informationsordnungsgesetz berücksichtigt. Auch hinsichtlich der in den Fraktionsberichten genannten Daten wurde zudem überprüft, ob diese auch im Sinne des § 1 Abs 1 DSG allgemein verfügbar sind.

Es wurde darauf geachtet und im Einzelnen sichergestellt, dass der bei den medienöffentlichen Befragungen des Untersuchungsausschusses gemäß § 21 Abs 2 VO-UA zur Anwendung gekommene Maßstab hinsichtlich der nach dem Informationsordnungsgesetz in Stufe 1 klassifizierten Informationen auch bei der Erstellung des Berichts im Rahmen des § 51 VO-UA eingehalten ist. In Einzelfällen wurde vom Verfahrensrichter zur Sicherstellung berechtigter Schutzinteressen Kontakt mit den zuständigen Urhebern aufgenommen.

11.2. Verständigungen und Stellungnahmen gemäß § 51 Abs 3 Z 3 VO-UA Gemäß § 51 Abs 3 Z 3 VO-UA hat der Verfahrensrichter „Personen, die durch die Veröffentlichung des Ausschussberichts, von Fraktionsberichten oder abweichenden persönlichen Stellungnahmen in ihren Rechten verletzt sein könnten, […] unverzüglich und nachweislich zu verständigen.“ Die verständigten Personen haben die Möglichkeit, Stellung zu nehmen, wobei der wesentliche Inhalt im Ausschussbericht, den Fraktionsberichten oder den abweichenden persönlichen Stellungnahmen wiederzugeben ist. Laut Initiativantrag wird damit „ein weiterer Beitrag zur Stärkung der Rechte von Auskunftspersonen und Dritten und zu einer Versachlichung des Verfahrens geleistet.“

Das Gesetz schränkt nicht weiter ein, welche Rechte einer Person potenziell verletzt sein müssen, um zu einer Verständigung zu führen. Daher wurde ein Verständnis zugrunde gelegt, das im Besonderen Grundrechte, Persönlichkeitsrechte und personenbezogene Daten beinhaltet.

Nach § 51 Abs 3 Z 3 VO-UA obliegt es dem Verfahrensrichter, sämtliche Verständigungen vorzunehmen, mögen sie aus dem Ausschussbericht, einem Fraktionsbericht oder einer

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abweichenden persönlichen Stellungnahme stammen. Dabei sind nicht nur Auskunftspersonen, sondern auch sonstige Personen zu verständigen, sofern ihre Rechte durch die Veröffentlichung verletzt sein könnten. Das ergibt sich bereits aus dem Normtext.

Die Entscheidung zur Verständigung aufgrund einer potenziellen Rechtsverletzung wurde nach einer umfassenden Interessenabwägung im Einzelfall getroffen. In diese flossen unter anderem die Schutzwürdigkeit der Betroffenen einerseits sowie das Informationsinteresse der Allgemeinheit, die Bekanntheit der dargestellten Umstände durch mediale Berichtserstattung sowie die Stellung der Person in der Öffentlichkeit („public figures“) andererseits ein.

Wird eine Stellungnahme abgegeben, stellt die VO-UA sicher, dass sie demselben Personenkreis zukommt, der auch die Berichte erhält, da § 51 Abs 3 Z 3 VO-UA dritter Satz vorsieht, dass „der wesentliche Inhalt einer solchen Stellungnahme […] im Ausschussbericht bzw. in Fraktionsberichten und abweichenden Stellungnahmen wiederzugeben [ist].“

Bei der Entscheidung über die Verständigung ist jedoch zu berücksichtigen, dass durch dieses Verfahren nicht jeder betroffenen Person die Möglichkeit gegeben werden soll, eine persönliche Sicht der Dinge darzulegen. Dies ergibt sich eindeutig aus § 51 Abs 3 Z 3 letzter Satz VO-UA, wonach eine Verständigung entfallen kann, „soweit die Ausführungen zu einer Person in einer öffentlichen Sitzung des Untersuchungsausschusses erörtert wurden.“ Abgesehen von der direkten Reaktionsmöglichkeit im Ausschuss hatte diese Person auch die Option, gemäß § 19 Abs 3 VO-UA „Einwendungen gegen Fehler der Übertragung und den Umfang der Veröffentlichung [ihrer] Befragung [zu] erheben,“ weshalb eine weitere Erklärungsmöglichkeit im Rahmen des Verfahrens nach § 51 Abs 3 Z 3 VO-UA nicht notwendig ist.

Die Verständigung nach § 51 Abs 3 Z 3 VO-UA soll daher denjenigen Personen eine Möglichkeit zur Stellungnahme bieten, die sich zu einer potenziellen Rechteverletzung nicht bereits vorher im Rahmen des Untersuchungsausschusses äußern konnten.

Insgesamt wurden aufgrund der Prüfung gemäß § 51 Abs 3 Z 3 VO-UA 29 Verständigungen vorgenommen. Eingelangt sind Stellungnahmen von 17 Personen.

Aufgrund der vorgenommenen Verständigungen sind von folgenden natürlichen beziehungsweise juristischen Personen konkret auf die Verständigungen Bezug habende Stellungnahmen eingelangt:

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Zum Ausschussbericht: Peter Goldgruber Wolfgang Handler Stefan Hutter Michael Kloibmüler Ursula Schmudermayer Ilse Vrabl-Sanda

Zum Fraktionsbericht der ÖVP: Peter Goldgruber Gabriel Lansky Ursula Schmudermayer

Zum Fraktionsbericht der FPÖ: Michael Kloibmüller

Zum Fraktionsbericht der NEOS: Peter Goldgruber Wolfgang Handler Michael Kloibmüller Ursula Schmudermyaer

Zum Fraktionsbericht der Liste Jetzt: Peter Goldgruber R. P. (BVT) B. P. (BVT) Ursula Schmudermayer

Der wesentliche Inhalt der eingelangten Stellungnahmen wird im Sinne des § 51 Abs 3 Z 3 VO-UA beim jeweils Bezug habenden Bericht wiedergegeben.

11.3. Debatte und Abstimmung über den Bericht Der BVT-Untersuchungsausschuss hat in seiner Sitzung am 18. September 2019 seinen Bericht in Beratung gezogen.

Es bestand Einvernehmen, dass alle fünf fristgerecht abgegebenen Fraktionsberichte dem Ausschussbericht angeschlossen werden sollen.

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Bei der Abstimmung wurde einstimmig beschlossen, dem Nationalrat zu empfehlen, vom Bericht des BVT-Untersuchungsausschusses Kenntnis zu nehmen.

Als Berichterstatter für das Plenum wurde einstimmig Abgeordneter Kai Jan Krainer gewählt.

Als Ergebnis seiner Beratungen stellt der BVT-Untersuchungsausschuss somit den Antrag, der Nationalrat wolle vom Bericht des BVT-Untersuchungsausschusses Kenntnis nehmen.

Wien, 2019 09 18

Kai Jan Krainer Doris Bures Berichterstatter Vorsitzende

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