Untersuchungen Zur Motivverwendung in Der Lyrik Ernst Meisters
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„Ein Schmetterling ruht aus auf Todes lockerer Wimper.” Untersuchungen zur Motivverwendung in der Lyrik Ernst Meisters Reinhard Bröker, München 1992 „Sie gebären rittlings über dem Grabe: der Tag erglänzt einen Augenblick und dann, von Neuem - die Nacht.” Samuel Beckett, Warten auf Godot (Ffm. 1979, S.221) INHALTSVERZEICHNIS Seite Einleitung ............................................................................ 1 1. Textkorpus. Sekundärliteratur. ................................... 3 1.1 Textkorpus. ............................................................ 3 1.2 Sekundärliteratur. ............................................... 4 2. Vorgaben' der Sekundärliteratur.... .............................. 5 2.1 Hermetismus. ......................................................... 5 Interpretation „Gedenken V”................................ 7 2.2 Surrealismus, Expressionismus ............. ............. 10 2.3 Politische Lyrik ..................................................... 14 3. Musik ................................................................................... 20 Interpretation “ Musica” ................................................ 22 4. Bewußt - Seins - Grenze ........................................ 29 4.1 Das Denken, der Tod und das Rätsel des Lebens. .. 29 4.2 Denken und Dichten .............................................. 33 5. Sprachgitter. Sagbares und Unsagbares .................... 42 5.1 Sprache in „Ausstellung” (1932) .................... 42 5.2 Semantischer, pragmatischer, metaphysischer Sprachzweifel ........................................................... 45 5.3 Spachskepsis in der deutsche Nachkriegsliteratur 49 5.3.1 Paul Celan ................................................... 49 5.3.2 Ilse Aichinger ............................................... 54 5.3.3 Günter Eich ................................................. 55 5.3.4 Ingeborg Bachmann .................................... 57 5.3.4.1' Spalt', 'Riß', 'Fuge', 'Loch' ............ 60 Interpretation „Sage vom Ganzen” ..................... 62 6. Grüne Grenze. Die Natur als Universalchiffre der Vergänglichkeit ................................................... 66 Interpretation „Deltagebiet” ............................. 69 6.1 Delphin .......................................................... 70 6.2 Insel ......................................... .............................. 72 6.2.1 Stein ............................................................... 73 6.2.2 Meer ......................................................... 81 6.3 Tier ......................................................................... 87 6.3.1 Taube .......................................................... 88 6.3.2 Vogel ...................................................... 89 Literaturverzeichnis ............................................................... 94 Einleitung 1 Die Einleitung könnte das 'schlauste' Kapitel einer wissenschaftlichen Arbeit sein, ist es doch im Normalfall der im Schreibprozeß letzte Gliederungspunkt. Am Ende seiner Bearbeitungszeit hat ja der Autor eine weit größere Klarheit über seinen untersuchten Gegenstand und kennt meist auch erst an diesem Punkt die Schwächen der vorangegangenen Teile. Der Versuch liegt nahe, die Schwächen zu rechtfertigen oder schlichtweg zu übergehen, in der vagen Hoffnung, daß auch dem aufmerksamen Leser die Defizite nicht auffallen. Diesem Versuch läge die verständliche Absicht zugrunde, etwas Abschließendes, etwas Richtiges und Zweifelsfreies hervorzubringen. Aber so wie jeder Brief, (fast) jedes Buch 'besser'. hätten geschrieben werden können, so muß auch für diese Arbeit konstatiert werden, daß sie (und nicht nur in Rechtschreibung und Zeichensetzung) fehlerhaft ist. Gerade (literatur-)wissenschaftliche Untersuchungen leben aber vom 'trial and error' - Prinzip, von der internen und externen Diskussion der richtigen und fehlerhaften Ergebnisse. Ich beginne die Diskussion meiner Arbeit, indem ich feststelle, daß der Ausgangpunkt meiner Überlegungen, die 'Grenzerfahrung - Grenzbeschreitung - Grenzbeschreibung', als durchgängiger Interpretationsansatz sich nicht als tragfähig erwies. Es ist zwar ein wichtiger Aspekte, teilweise sogar dominant, aber kein 'roter Faden', der im Motivbe-reich unentwegt wieder auftaucht. Reste dieses Ausgangspunktes werden in meinen Formulierungen auftauchen; als 'Motivleichen' signalisieren sie, daß eine konsequente Interpretation unter einem. festen Raster den Gedichten 'Gewalt angetan' hätte. Das Kapitel 'Musik' würde bei einer 'Neuauflage' weit geringeren Umfang haben; das dort erzielte Analyseergebnis erbringt für die Erhellung von Meister Gedichten wenig. Wichtiger wäre mir heute, den Surrealismus und del). Expressionismus, der hier sträf- lich zu kurz gekommen ist, in seiner Bedeutung für Meister zu untersuchen. Trakl und Benn haben höchstwahrscheinlich nicht nur im Motivgebrauch, sondern auch in forma- ler wie struktureller Hinsicht prägend auf Meister gewirkt. Der Abschnitt über das lyrische Subjekt würde heute noch stärker das Gewicht auf die bei Meister fast fehlende Problematisierung der Identität des 'Ich' legen. Mit scheint, daß das lyrische Subjekt bei Meister ein außerordentlich starkes Subjekt darstellt, das in der ständigen Repition des Todesgedankens so mächtig geworden ist, daß es sich sogar leisten kann, aus dem Gedicht zu 'verschwinden' oder sich spielerisch zu diver- sifizieren. 2 Ein Kapitel über der 'Tod' habe ich, da es hauptsächlich die Dissertation von Christian Soboth „Todes-Beschwörung”l zusammenfaßte und kritisierte, gestrichen; mir erscheint es zudem wichtiger, die Todesvorstellungen mit philosophischen, religiösen2 und literarischen Konzeptionen zu konfrontieren; die phänomenologische Nähe zur Mystik etwa oder zu fernöstlichen Religionen (mit dem Nirwana/Nichts-Himmel); die Todessehnsucht der Romantik., Feuerbachs und Schopenhauers Todesansicht würden für Meisters· Gedichte wesentliche Interpretationszugänge herstellen. Während der Erstellung dieser Arbeit wurde eine Frage zunehmend wichtig: Ausgehend von der Beobachtung, daß Meister sich fast manisch mit dem Todesphänomen auseinandergesetzt hat (von hier aus wäre eine psychoanalytische Deutung möglich), kommt eine poetologische Schwierigkeit in den Blick. 'Wie kann ein (1) Inhalt, der sich noch dazu der Versprachlichung größtenteils entzieht, über SO Jahre hinweg ästhetisch originär bearbeitet werden? Geschieht dies in Form- oder Motivvaria- tionen? Legitimiert Meister sich für die inhaltliche Redundanz (muß das ein Dichter überhaupt?)? Wie glaubwürdig ist eine Position, die aus der 'Proklamation' der Unmög- lichkeit der Beschreibbarkeit des Todes die letzte Konsequenz, das Verstummen, nicht zieht? Diese Frage erklären den teilweise vielleicht überanstrengten Blick auf die Motivge- staltung. Weitere Mängel wird der Leser ausmachen. Nur zu! l Soboth, Christian: Todes-Beschwörung. Untersuchungen zum lyrischen Werk Ernst Meisters. Frankfurt, Bern, New York, Paris 1990 (= Bochumer Schriften zur deutschen Literatur.; Bd. 11) 2 Die Bedeutung der christlich-katholischen Religion für Meister ist ergiebig von Reinhard Kiefer in den Nachworten der Rimbaud-Ausgabe und in seinem Artikel: “ 'Schädelstätte! Todesbaum!' Anmerkungen zur Bibelrezeption Ernst Meisters. “ in: Text und Kritik. Heft 96, S. 1987. S. 65-74 (die dort angekündigte Dissertation Kiefers wird nach Aussagen der Ernst-Meister-Gesellschaft Aachen (eine Art 'Ableger' der Rimbaud-Presse) als Sonderband der Gesellschaft zum ersten Jahrbuch 1991 erscheinen. Mir war diese Arbeit nicht zugänglich.) erarbeitet und in der Dissertation von Soboth ergänzt worden. ! 1. Textkorpus. Sekundärliteratur „Sein Gedicht verrät, was er weiß. Es fragt dich danach, was du weißt.”1 Eine Äußerung des Lyrikers Ernst Meister über die Autoren von Gedichten. Alles erscheint außerordentlich einfach: Der Autor vermittelt via Text sein Wissen und wünscht es mit dem Wissen der Rezipienten zu konfrontieren. Eine Art 'trivial pursuit' - Spiel für Germanisten also? Und der Autor dieser Arbeit müßte „nur” zeigen, daß er fähig ist, Punkte zu sammeln, je mehr desto. besser? Die rhetorische Frage impliziert eine negative Antwort, die jedoch nicht ins gegenteilige Extrem verfallen soll, indem sie unterstellt, daß alles ungeheuer kompliziert und ver- worren, dunkel und hermetisch sei. Aber es gibt Schwierigkeiten, von denen etliche in dieser Arbeit angesprochen werden sollen, und wenige, bei denen ich eine Lösungsmodell anbieten kann, das die den Ge- 2 dichten inhärenten Implikationen und Verweisungen gerecht zu werden meint. Eine erste Schwierigkeit ist die des 1.1 Textkorpus Die einleitende! Selbstäußerung Meisters ist z.B. bei Birgitta Ashoff ein Gedicht,3 dessen Authentizität bisher nicht nachgewiesen werden konnte, obwohl es in der Sekun- därliteratur häufig auftaucht.4 Gravierender ist die Tatsache, daß gerade die frühen Gedichtbände Meisters nicht greif- bar sind und die Neuauflage seiner Werke, die von der Aachener „Rimbaud-Presse” be- sorgt wird, nicht absolut zuverlässig ist,5 keine späteren Änderungen aufnimmt und nicht vollständig vorliegt.6 l Meister, Ernst. In: Bender, Hans (Hg.): Widerspiel. Deutsche Lyrik seit 1945. München 1962. S. 109 2 Untersuchungsgegenstand ist im Prinzip die gesamte Lyrik Meisters. Im allgemeinen werde ich aber die Untersuchung auf die in den Gedichtbänden vorliegenden Texte beschränken. 3 Vgl. Ashoff, Birgitta: “Ich dichte, also bin ich.” Annäherungen an Ernst Meister. In: Ernst-Meister-Gymnasium Haspe. Festschrift zur Namensgebung