Schinderhannes“

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Schinderhannes“ B L Ä T T E R Nr. 62 ZUM LAND Johannes Bückler, der „Schinderhannes“ Johannes Bückler, der Schinderhannes, ist Gefängnisturm 1799. Nach seiner Flucht einer der bekanntesten Räuber Deutsch­ aus Simmern erreichte seine verbrecheri­ lands. Er wurde 1778/79 in sche Karriere ihren Höhepunkt. Mit Miehlen im Taunus als Sohn seiner Bande erstürmte er die eines Abdeckers geboren. Häuser begüterter Kaufleu­ Seine Eltern ließen sich im te oder überfiel auf offe­ Hunsrück nieder, wo sich ner Landstraße Reisende. der Vater mehr schlecht Mit Brandbriefen, die er als recht verdingte. Jo­ mit „Johannes durch den hannes Bückler begann Wald“ unterzeichnete, er­ um 1795 mit kleineren presste er größere Geld­ Diebstählen seine kri­ summen. Er stellte „Si­ minelle Karriere. cherheitskarten“ aus, Obwohl Schinderhan­ die den Besitzern freies nes mehrfach inhaftiert Geleit garantieren wurde, konnte er immer sollten. Alle Versuche, wieder ausbrechen. Die der Bande das Hand­ erste Flucht gelang ihm werk zu legen, schlugen 1796 in Kirn an der fehl. Schinderhannes Nahe. Spektakulär und seine Komplizen war der Ausbruch fühlten sich so si­ aus dem Sim­ cher, dass sie merner selbst an Hoch­ Johannes Bückler, Gemälde von Karl Matthias Ernst (1803), Quelle: Stadtarchiv Mainz zeiten und Kirchweihfesten teilnahmen. helfer beteiligt. Im Mainzer Prozess wur­ Insgesamt beging die Bande in sechs Jahren den mit dem Schinderhannes weitere 19 mindestens 211 Delikte. Schinderhannes Mitglieder der „Kernbande“ zum Tode ver­ setzte sich mit einigen Getreuen 1802 auf urteilt. Dabei bestand die „Bande“ nicht das rechte Rheinufer ab, um sich dem Zu­ als eine feste, ständige Gruppe, sondern griff durch die französische Verwaltung zu sammelten sich in unterschiedlicher Be­ entziehen. Bei Wolfenhausen im Taunus setzung immer wieder neu. Nach einem wurde er am 31. Mai 1803 verhaftet, dann Verbrechen zerstreuten sich die Beteiligten nach Frankfurt überstellt und schließlich den schnell. Auf diese Weise fiel es schwer, Franzosen in Mainz ausgeliefert. Die Hin­ dem Schinderhannes und seinen Kompli­ richtung von Johannes Bückler und seinen zen das Handwerk zu legen. Gefährten, am 21. November 1803, wurde Die Kumpane und Helfershelfer des zu einem großen Spektakel mit ungefähr Schinderhannes entstammten einfachen, 30.000 Schaulustigen. armen Milieus und standen am Rande der etablierten Gesellschaft. Sie waren Tage­ Der Schinderhannes löhner, fahrende Händler, Handwerker, und seine Kumpane entlassene Soldaten, Nichtsesshafte oder An den Straftaten des Johannes Bückler Bettler. Durch die politischen und sozialen waren zahlreiche Kumpane und Helfers­ Umwälzungen am Ende des 18. Jahrhun­ derts waren unsichere Lebensverhältnisse, verbunden mit Not und Elend, entstan­ den. Gerade in dieser Phase versuchten verschiedene Banden auf dem linken Geburtshaus des Schinderhannes in Miehlen 2 Rheinufer mit Raub, Erpressung, Diebstahl Kirchweihen als Bänkelsängerin und Gei­ und Mord ihr Dasein zu fristen. Zu den genspielerin unterwegs. Zu Ostern 1800 1803 hingerichteten Kumpanen des Schin­ sah Johannes Bückler das 18­jährige „Jul­ derhannes gehörten: Christian Reinhard chen“ zum ersten Mal auf dem Wickenhof „Schwarzer Jonas“, Franz Bayer „Scheeler bei Kirn. Nach dem heimlichen Treffen im Franz“, Peter Hassinger, Johann Müller Wald bei Weierbach zog das „Julchen“ fort­ „Butla“, Philipp Klein „Husarenphilipp“ und an mit dem „Schinderhannes“, der vor ihr Georg Friedrich Schulz „Schlechter Freier“. schon acht andere Geliebte hatte, durch das Land. Vier der Geliebten sind nament­ Schinderhannes und Julchen lich bekannt: Elise Werner, Buzliese­Amie, Juliana Blasius kam am 22. August 1781 Katharina Pfeiffer und Margarethe Blasius. als Tochter des Musikanten und Tagelöh­ Zu einem heute nicht mehr genau bekann­ ners Johann Nikolaus Blasius (geb. 1751) ten Zeitpunkt brachte „Julchen“ Blasius in Weierbach bei Idar­Oberstein (heute in Bruchsal (heute Baden­Württemberg) Rheinland­Pfalz) zur Welt und wuchs dort eine Tochter des „Schinderhannes“ zur auf. Sie war mit ihrem Vater und ihrer Welt, die bald starb. Während ihrer Gefan­ Schwester Margarethe auf Märkten und genschaft im Mainzer Holzturm gebar das „Julchen“ am 1. Oktober 1802 einen Sohn des „Schinderhannes“, der Franz Wilhelm getauft wurde. „Julchen“ Blasius wurde im Prozess gegen den „Schinderhannes“ und seine Kumpane zu zwei Jahren Gefängnis verurteilt. Die verhältnismäßig milde Strafe beruhte darauf, dass ihr Geliebter sie während des Verfahrens immer wieder zu entlasten versuchte, obwohl sie auch an Überfällen beteiligt war. Nach der Hinrichtung des „Schinderhannes“ verbüßte „Julchen“ Bla­ sius ihre Haftstrafe im „Korrektionshaus“ in Gent (Belgien). Nach ihrer Entlassung arbeitete sie zunächst als Dienstmädchen beim Pflegevater ihres Sohnes in Mainz. Bald darauf kehrte sie in ihren Hei­ matort Weierbach zurück. Sie schloss zwei weitere Ehen und gebar noch sieben Kinder. In Weierbach starb sie am 3. Juli 1851 sie im Alter von 69 Jah­ ren. Julchen Blasius mit Kind, Gemälde von Karl Matthias Ernst (1803), Quelle: Stadtarchiv Mainz 3 Ausbruch aus dem bruar 1799 in den als ausbruchsicher gelten­ Simmerner Turm den Simmerner Gefängnisturm verbracht. Nachdem sich der Während seiner Haft im Turm wurde er Schinderhannes seinen mehrfach verhört und zeigte sich geständig. ersten Verhaftungen Jeden Mordvorwurf stritt er vehement ab. durch Flucht entziehen Elise Werner, seine damalige Freundin, konnte, wurde er nach besuchte ihn zweimal in der Haft. zweitägigem Arrest Am 19. August 1799 gelang Johan­ in Kirn am 22. Fe­ nes Bückler die Flucht aus dem Gefängnisturm. Um dieses Ereignis ranken sich zahl­ reiche Legenden. Fakt ist, dass er aus einem Fenster des ersten Turmgeschosses sprang und nicht im Gefängniskel­ ler saß, der nur mittels Seil­ Renovierter Schinderhannesturm mit Skulptur, (Hunsrück-Museum Simmern) 4 winde und Korb durch eine Öffnung im Kel­ Isaak Moses stürmten. Die Beute hatte nach lergewölbe (Angstloch) erreichbar war. Mit einer Aufstellung des Opfers allein in dieser einem Werkzeug, das Helfer ins Gefängnis Nacht an Gold­ und Silbermünzen einen geschmuggelt hatten, konnte er ein Holz­ Wert von 1.698 Gulden. brett der Zellentür durchtrennen. Das be­ Das Jahr 1801 bedeutete eine Wende für die reits lockere Gitter am Fenster der angren­ Räuber, denn immer häufiger und schneller zenden Küche ließ ich aufhebeln. Von dort mussten sie sich dem Zugriff der Gendar­ sprang er in den damals noch vorhandenen men entziehen. Schinderhannes stand auf Stadtgraben und brach sich angeblich das der Fahndungsliste der französischen Polizei. Wadenbein. Ende 1799 begann Schinder­ Auch die Bevölkerung begann sich nun zur hannes Mitstreiter anzuwerben und verübte Wehr zu setzen. Verurteilt wurde er wegen mehrere Überfälle. 53 Straftaten, darunter ein Mord. Der ehemalige Pulver­ und Gefängnisturm der Simmerner Stadtbefestigung erhielt im Prozess in Mainz Verlauf des 19. Jahrhunderts die Bezeich­ Im Mainzer Prozess vom 24. Oktober bis 20. nung „Schinderhannesturm“. Der Turm gilt November 1803 standen insgesamt 58 An­ heute als Wahrzeichen der Stadt. geklagte vor Gericht, 400 Zeugen wurden In seiner Nähe entstand 2011 eine gussei­ gehört. Berufsrichter, Offiziere, Dolmet­ serne Skulptur, die an einen Schweindieb­ scher und Verteidiger waren beschäftigt, stahl bei Simmern erinnert. Die verschiede­ so dass man durchaus in Ansätzen von der nen Theorien über den Ausbruch wurden in Wahrung der Rechtsstaatlichkeit im heuti­ fünf Varianten für die ersten Schinderhan­ gen Sinne und der Wahrung der Öffentlich­ nesfestspiele der Stadt Simmern inszeniert. keit sprechen kann. Vorsitzender Richter am Mainzer Spezialgericht war zwischen 1803 Verbrechen und 1811 Georg Friedrich von Rebmann Aus der anfänglichen Kleinkriminalität des (1768­1824). jugendlichen Schinderhannes entwickelte Nach Abschluss des Verfahrens gab es 20 sich seit 1799 eine immer umfangreichere Freisprüche, 18 Verurteilungen mit Ketten­ Liste von Straftaten: Hehlerei, Diebstahl, und Freiheitsstrafen bzw. Verbannung und Erpressung, Misshandlung, Mord. 20 Todesurteile. Der Katalog der Straftaten, Im Dezember 1800 traf Schinderhannes mit denen sich das Gericht zu befassen Abraham Picard, einen Anführer der Nie­ hatte, lässt sich nach heutigen strafrechtli­ derländer­ Bande. Mit dieser unternahm er chen Kriterien wie folgt zusammenfassen: 1801 zwei große Raubüberfälle unter dem Landstreicherei und Nötigung, versuchter „Kommando“ der Niederländer auf die Einbruch und Diebstahl, Mundraub und Un­ Posthalterei in Würges (Obertaunus) und terschlagung, Haus­ und Landfriedensbruch, einen in Baiertal (bei Heidelberg). Entwendung von Vieh, Einbruch, Erpressung, Seit Ende 1799 gingen die Räuber immer Hehlerei, schwere Körperverletzung mit To­ brutaler bei ihren Überfällen vor. Um Türen desfolge, Mord und Raubmord. aufzubrechen, benutzten sie Bauholz und Angesichts der summarisch aufgelisteten Baumstämme als Rammbock. Es wurde ge­ Tatbestände und der Vorgaben der dama­ schossen und geprügelt. In Laufersweiler im ligen französischen Gesetzgebung ist der Hunsrück läuteten die Bewohner die Sturm­ Vorwurf einer Klassenjustiz gegen die Schin­ glocke, als der Schinderhannes und seine derhannesbande als gegenstandslos zurück­ Kumpane das Haus des jüdischen Händlers zuweisen. Der Prozess stieß auf ein großes 5 öffentliches Interesse. Schon in seinem Ver­ der erste Körper, dem Zink­ und Kupferpole lauf wurden erste Grundlagen für die späte­ an verschiedenen Stellen angebracht wur­ re Legendenbildung um den Schinderhannes den: Muskelfasern
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