Die „Stadt Kreuznach Jedweder Seite“ Neue Aspekte Zur Genese Des Kreuznacher Stadtbildes Unter Besonderer Berücksichtigung Der Spätmittelalterlichen Stadtplanung
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Nummer 1/2014 BadKreuznacher Beilage Bad Kreuznach Heimatblätter Die „Stadt Kreuznach jedweder Seite“ Neue Aspekte zur Genese des Kreuznacher Stadtbildes unter besonderer Berücksichtigung der spätmittelalterlichen Stadtplanung. VON JÖRG JULIUS REISEK, BAD KREUZNACH es wohl mit einem Raum um die Straßen- kreuzung an der Nahe bzw. Kreuz(punkt) am Bach / Fluss zu tun, wie es schon Werner Immerwiederkehrende „Altstadt-Neu- Vogt vermutete. Der Flurname „Brückes“ stadt-Diskussionen“ waren Anreiz, alther- lokalisiert den Ort eines alten Überganges. gebrachte Überlieferungen zur Entstehung Ein „Heim des Crucinius“ dürfte demnach des Kreuznacher Stadtbildes im späten Mit- wohl kaum als Namensgeber Pate gestan- telalter zu überprüfen und gegebenenfalls den haben. Diese These erscheint aus heu- zu präzisieren. Die Einbeziehung neuerer tiger Sicht als zu konstruiert. Der Name des Bei den Gebäuden hinter dem Kastellbereich (etwa interdisziplinärer Forschungsergebnisse römischen Vicus ist nicht überliefert. In ähn- in Höhe der heutigen Schlachthofstraße) handelt es führte zu Resultaten, die verschiedene Sta- licher Weise bezieht sich das auf der Peu- sich vermutlich um das Osterburger Hofgut (Aus- dien der Besiedlung und des Ausbaus der tingerschen Tafel eingezeichnete „Buconi- schnittvergrößerung eines Kupferstichs von Beau- Stadt verständlicher erklären können als der ca“ vermutlich auf keinen Ort, sondern auf lieu, 1646). bisherige Erkenntnisstand. eine vom Umland sich abgrenzende Sied- Kopiervorlage: Heimatwissenschaftliche Zentralbibliothek des In der Vergangenheit bemühten sich Re- lungsverdichtung im Raum Nierstein. Landkreises Bad Kreuznach (HWZB) gionalforscher vorrangig darum, die ver- wirrend anmutenden Herrschafts- und Be- Osterburg sitzverhältnisse in Einklang zu bringen und „In villa“ Kreuznach (in unterschiedli- diese auf die topographischen Verhältnisse chen Schreibformen) ortet in früh- und 1334 ist wahrscheinlicher. Truppen des Kur- zu übertragen. Ihre Ergebnisse waren aller- hochmittelalterlichen Urkunden weniger fürsten Balduin von Trier drangen plün- dings bislang nicht schlüssig. Dies betraf u. eine exakt definierte Stelle, vielmehr ist der dernd und brandschatzend in das Umfeld a. die Frage einer möglichen Siedlungsver- dortige Reichsgutkomplex gemeint. In die- der Stadt ein. 1504 lagerte ein hessisches schiebung naheaufwärts oder den uferna- sem wurden Kolonisten angesiedelt und mit Heer bei Planig und wütete ebenfalls in der hen „Feuchtbesitz“ des Bistums Speyer. Landbesitz ausgestattet. Das Verwaltungs- Gegend. Es war die Zeit des pfalz-bayeri- Auch wurde die Bedeutung der Rheingrafen zentrum befand sich im Bereich des ehema- schen Erbfolgekrieges. Als Augenzeuge be- unterschätzt. Vielfach standen der For- ligen Kastells. Schon frühzeitig setzte eine richtete Johannes Trithemius: „In der Zeit, schung nur Regesten zur Verfügung; Fäl- Besitzzersplitterung ein. Kleine Siedlungen da der Hessengraf im Zeltlager bei Kreuz- schungen und zweifelhafte Überlieferungen und Hofstätten Freier und Unfreier verteil- nach mit einem großen Heer lagerte, haben verwirrten, wichtige Urkunden waren un- ten sich im Umland. Ein uneinheitliches Ge- seine Soldaten alles ringsum was pfälzisch bekannt. J. H. Andreaes verdienstvolle wannbild [Besitzgliederung der landwirt- war, geplündert und weder Menschen noch Chronik „Crucenacum Palatinum“ (1780- schaftlichen Fläche] zeugt heute noch da- Ortschaften geschont. [...] Er scheute sich 1784) war lange Zeit der stadtgeschichtliche von. Erst flußabwärts finden sich zusam- auch nicht, die Gott geweihten Kirchen ein- Leitfaden. Die gegenwärtige Bearbeitung menhängende Bereiche fränkischer Lang- zuäschern und hat sogar die heiligen Gefäße der regesta imperii und anderer Urkunden- gewanne. des Sakraments nicht verschont.“ (Velten: sammlungen, sowie deren Verfügbarkeit im Möglicherweise wurde bereits in frühen Sponheimer Chronik, S. 229) Dies betraf be- Internet, bieten bessere Arbeitsmöglichkei- Urkunden zwischen dem Dorf Kreuznach stimmt auch die Kilianskirche. Durch die ten als in der Vergangenheit. Als ebenso und dem Dorf Osterburg unterschieden. Ei- Verlegung der Patronatsrechte auf die wertvoll erwies sich die Edition der Spon- ne mangelhafte Textüberlieferung und da- Wörthkirche 1332 verlor sie an Bedeutung, heimer Regesten durch Johannes Mötsch. raus resultierende Fehlinterpretationen ver- soll aber bis zum 16. Jh. als Filialkirche Be- schleierten den Blick auf diese Epoche. In stand gehabt haben. Namensauffälligkeiten Zukunft werden wir mit Neubewertungen Die Rolle der Martinskirche auf dem Mar- Zahlreiche vor- und frühgeschichtliche von Urkunden rechnen können. tinsberg ist bis jetzt noch nicht ausreichend Funde im gesamten Stadtgebiet zeugen von Die ursprüngliche Bedeutung von Oster- geklärt. Sie soll schon in fränkischer Zeit im der weit zurückreichenden Bedeutung des burg könnte von „osterstuapha“, dem Os- Zusammenhang mit einem Friedhof be- Standortes. Der Knotenpunkt wichtiger Alt- terzins bzw. Königszins abgeleitet werden. standen haben und lag an einer exponierten straßen an einem Flußübergang begünstigte Somit wäre die Osterburg ein „Ort der Os- Stelle. Es wäre zu überlegen, ob die Kilians- eine Siedlungsverdichtung an beiden Ufern terzinsabgabe“ (Verwaltungszentrum), das kirche überhaupt einen Martinskirchenvor- der Nahe. Die ursprüngliche Bedeutung des Dorf Osterburg eine „Siedlung der Königs- gänger hatte und ob die mit dem Bistum Namens Kreuznach hängt vielleicht mit die- zinser“ (Kolonisten). Ein späterer Bedeu- Würzburg in Verbindung stehende Mar- sem Umstand zusammen und bezeichnet tungswandel in „östlich gelegen“ trat ein. tinskirche nicht schon immer auf dem Mar- das Gebiet. Ortsnamen leben bekanntlich Bei Ausgrabungsarbeiten im Kastellbe- tinsberg lag. Unterschiedliche Grundherr- im Bewusstsein der Einwohner weiter. Die reich wurden Brandhorizonte angetroffen. schaften oder Einflussbereiche kämen als Kernbedeutung blieb auf phonetischer Ebe- Ein dafür verantwortlich gemachter Nor- Ursache zweier Standorte in Betracht. Lei- ne erhalten, die Schreibweisen dokumen- mannensturm im Jahre 882 fand hier nicht der ist die Quellenlage unzureichend. Mit tieren dann eher unterschiedliche Auffas- statt, vielmehr war die Trierer Gegend da- den beiden frühen Kirchen St. Martin und sungen der Kanzleischreiber. So haben wir von betroffen. Eine Verwüstung im Jahre St. Kilian liegt in Nierstein vermutlich ein 2 (Seite 2 des Jahrgangs) Bad Kreuznacher Heimatblätter - 1/2014 ähnlicher Fall vor. Teil. Bad Kreuznach 1929, S. 66). Die Osterburger Güter gerieten in den Im 13. Jahrhundert vollzog sich die Besitz der Rheingrafen, die ein Hofgut mit Kreuznacher Stadtwerdung. Beurkundun- alten Immunitätsrechten [Befreiung von gen von Privilegien, Markt-, Geleits- und Diensten und Abgaben] unterhielten. So Stadtrechten und ein großes Stadtsiegel wurde 1425 Walrab von Koppenstein durch zeugen davon. Geschickt setzten die Grün- ein Urteil des Ingelheimer Oberhofs belehrt der Privilegien ein, um den Zuzug von „daz der vorgeschrieben hoff, genant Os- Handwerkern und Händlern zu begünstigen terburg, eyn gericht oder dinghoff vor sich und somit die Wirtschaft zu beleben. Ein er- selbs ist...“ Rheingräflicher Grundbesitz heblicher Teil von Steuern, Zöllen und an- verteilte sich auf beiden Seiten der Nahe. Im deren Einnahmen wurde für Baumaßnah- Jahre 1588 nahm die Kreuznacher Kellerei men verwendet. Darüber finden sich Anga- der Rheingrafen u. a. 318 Malter Korn und ben in einer sponheimischen Urkunde 18 Fuder Wein ein. von/um 1237/1248: „Auch werden wir un- Die bis in die heutige Zeit vertretene The- sere eigenen Grundstücke nach unserem se einer Siedlungsverlegung basiert auf sa- Belieben für einen Zins verpachten können. genhaften Überlieferungen. Mauerreste und Außerdem ein Kaufhaus auf dem öffentli- aufgefundenen Relikte beflügelten die Fan- Lage der „Roten Stange“ an der Hochstraße. chen Markt, in dem Tücher und andere Wa- tasie. Kartenausschnitt aus: Volker Kneidl, Rote Kreuze an alten Straßen, ren verkauft werden sollen. Außerdem wer- Pressath 2009 (mit freundlicher Genehmigung des Verfassers) den wir eine Halle errichten und nach unse- Stadtkerne rem Belieben vermieten können, in der Auf der linken Naheseite fanden sich zwi- fanden. Auch das erste Rathaus soll hier ge- Fleisch verkauft werden soll. Ferner werden schen Martinsberg und Weinbauschule standen haben. Werner Vogt bemerkte über wir Bannbacköfen und Bannmühlen haben. zahlreiche vor- und frühgeschichtliche Be- Kirn, daß eine „Alte Wohn-Statt“ mit Burg- [...] Auch den Zoll und die Einkünfte, die Un- siedlungsspuren. Durch die Überbauung mannenhäusern auf einer Terrasse unter- gelt genannt werden, übertragen wir der und Überformung des Geländes ist der ar- halb der Kirburg lag und heute noch als Bürgerschaft zugunsten städtischer Bau- chäologische Befund jedoch merklich ge- „Altstadt“ geläufig ist. Die Siedlung im maßnahmen, solange dies uns gefällt; wenn stört. Der Kreuzungsbereich der Altstraßen Hahnenbachtal wurde Neustadt genannt. die Bauten fertiggestellt sind oder wann wir unterhalb des fränkischen Gräberfeldes am Auf alten Karten sind beide Bezeichnungen selbst diese Einkünfte zurückhaben wollen, Martinsberg wäre ein idealer Ort zur Loka- zu finden. dann werden wir unter weiser Beratung lisierung des fränkischen Dorfes Kruzena- Vor dem Bau der Kauzenburg residierten durch die Geschworenen und Schöffen die chen bzw. für die Keimzelle einer wachsen- die Sponheimer an einer anderen Örtlich- Einkünfte und den Zoll festsetzen. [...]