Nummer 1/2014 BadKreuznacher Beilage Bad Kreuznach Heimatblätter

Die „Stadt Kreuznach jedweder Seite“ Neue Aspekte zur Genese des Kreuznacher Stadtbildes unter besonderer Berücksichtigung der spätmittelalterlichen Stadtplanung.

VON JÖRG JULIUS REISEK, BAD KREUZNACH es wohl mit einem Raum um die Straßen- kreuzung an der bzw. Kreuz(punkt) am Bach / Fluss zu tun, wie es schon Werner Immerwiederkehrende „Altstadt-Neu- Vogt vermutete. Der Flurname „Brückes“ stadt-Diskussionen“ waren Anreiz, alther- lokalisiert den Ort eines alten Überganges. gebrachte Überlieferungen zur Entstehung Ein „Heim des Crucinius“ dürfte demnach des Kreuznacher Stadtbildes im späten Mit- wohl kaum als Namensgeber Pate gestan- telalter zu überprüfen und gegebenenfalls den haben. Diese These erscheint aus heu- zu präzisieren. Die Einbeziehung neuerer tiger Sicht als zu konstruiert. Der Name des Bei den Gebäuden hinter dem Kastellbereich (etwa interdisziplinärer Forschungsergebnisse römischen Vicus ist nicht überliefert. In ähn- in Höhe der heutigen Schlachthofstraße) handelt es führte zu Resultaten, die verschiedene Sta- licher Weise bezieht sich das auf der Peu- sich vermutlich um das Osterburger Hofgut (Aus- dien der Besiedlung und des Ausbaus der tingerschen Tafel eingezeichnete „Buconi- schnittvergrößerung eines Kupferstichs von Beau- Stadt verständlicher erklären können als der ca“ vermutlich auf keinen Ort, sondern auf lieu, 1646). bisherige Erkenntnisstand. eine vom Umland sich abgrenzende Sied- Kopiervorlage: Heimatwissenschaftliche Zentralbibliothek des In der Vergangenheit bemühten sich Re- lungsverdichtung im Raum . Landkreises Bad Kreuznach (HWZB) gionalforscher vorrangig darum, die ver- wirrend anmutenden Herrschafts- und Be- Osterburg sitzverhältnisse in Einklang zu bringen und „In villa“ Kreuznach (in unterschiedli- diese auf die topographischen Verhältnisse chen Schreibformen) ortet in früh- und 1334 ist wahrscheinlicher. Truppen des Kur- zu übertragen. Ihre Ergebnisse waren aller- hochmittelalterlichen Urkunden weniger fürsten Balduin von Trier drangen plün- dings bislang nicht schlüssig. Dies betraf u. eine exakt definierte Stelle, vielmehr ist der dernd und brandschatzend in das Umfeld a. die Frage einer möglichen Siedlungsver- dortige Reichsgutkomplex gemeint. In die- der Stadt ein. 1504 lagerte ein hessisches schiebung naheaufwärts oder den uferna- sem wurden Kolonisten angesiedelt und mit Heer bei Planig und wütete ebenfalls in der hen „Feuchtbesitz“ des Bistums Speyer. Landbesitz ausgestattet. Das Verwaltungs- Gegend. Es war die Zeit des pfalz-bayeri- Auch wurde die Bedeutung der Rheingrafen zentrum befand sich im Bereich des ehema- schen Erbfolgekrieges. Als Augenzeuge be- unterschätzt. Vielfach standen der For- ligen Kastells. Schon frühzeitig setzte eine richtete Johannes Trithemius: „In der Zeit, schung nur Regesten zur Verfügung; Fäl- Besitzzersplitterung ein. Kleine Siedlungen da der Hessengraf im Zeltlager bei Kreuz- schungen und zweifelhafte Überlieferungen und Hofstätten Freier und Unfreier verteil- nach mit einem großen Heer lagerte, haben verwirrten, wichtige Urkunden waren un- ten sich im Umland. Ein uneinheitliches Ge- seine Soldaten alles ringsum was pfälzisch bekannt. J. H. Andreaes verdienstvolle wannbild [Besitzgliederung der landwirt- war, geplündert und weder Menschen noch Chronik „Crucenacum Palatinum“ (1780- schaftlichen Fläche] zeugt heute noch da- Ortschaften geschont. [...] Er scheute sich 1784) war lange Zeit der stadtgeschichtliche von. Erst flußabwärts finden sich zusam- auch nicht, die Gott geweihten Kirchen ein- Leitfaden. Die gegenwärtige Bearbeitung menhängende Bereiche fränkischer Lang- zuäschern und hat sogar die heiligen Gefäße der regesta imperii und anderer Urkunden- gewanne. des Sakraments nicht verschont.“ (Velten: sammlungen, sowie deren Verfügbarkeit im Möglicherweise wurde bereits in frühen Sponheimer Chronik, S. 229) Dies betraf be- Internet, bieten bessere Arbeitsmöglichkei- Urkunden zwischen dem Dorf Kreuznach stimmt auch die Kilianskirche. Durch die ten als in der Vergangenheit. Als ebenso und dem Dorf Osterburg unterschieden. Ei- Verlegung der Patronatsrechte auf die wertvoll erwies sich die Edition der Spon- ne mangelhafte Textüberlieferung und da- Wörthkirche 1332 verlor sie an Bedeutung, heimer Regesten durch Johannes Mötsch. raus resultierende Fehlinterpretationen ver- soll aber bis zum 16. Jh. als Filialkirche Be- schleierten den Blick auf diese Epoche. In stand gehabt haben. Namensauffälligkeiten Zukunft werden wir mit Neubewertungen Die Rolle der Martinskirche auf dem Mar- Zahlreiche vor- und frühgeschichtliche von Urkunden rechnen können. tinsberg ist bis jetzt noch nicht ausreichend Funde im gesamten Stadtgebiet zeugen von Die ursprüngliche Bedeutung von Oster- geklärt. Sie soll schon in fränkischer Zeit im der weit zurückreichenden Bedeutung des burg könnte von „osterstuapha“, dem Os- Zusammenhang mit einem Friedhof be- Standortes. Der Knotenpunkt wichtiger Alt- terzins bzw. Königszins abgeleitet werden. standen haben und lag an einer exponierten straßen an einem Flußübergang begünstigte Somit wäre die Osterburg ein „Ort der Os- Stelle. Es wäre zu überlegen, ob die Kilians- eine Siedlungsverdichtung an beiden Ufern terzinsabgabe“ (Verwaltungszentrum), das kirche überhaupt einen Martinskirchenvor- der Nahe. Die ursprüngliche Bedeutung des Dorf Osterburg eine „Siedlung der Königs- gänger hatte und ob die mit dem Bistum Namens Kreuznach hängt vielleicht mit die- zinser“ (Kolonisten). Ein späterer Bedeu- Würzburg in Verbindung stehende Mar- sem Umstand zusammen und bezeichnet tungswandel in „östlich gelegen“ trat ein. tinskirche nicht schon immer auf dem Mar- das Gebiet. Ortsnamen leben bekanntlich Bei Ausgrabungsarbeiten im Kastellbe- tinsberg lag. Unterschiedliche Grundherr- im Bewusstsein der Einwohner weiter. Die reich wurden Brandhorizonte angetroffen. schaften oder Einflussbereiche kämen als Kernbedeutung blieb auf phonetischer Ebe- Ein dafür verantwortlich gemachter Nor- Ursache zweier Standorte in Betracht. Lei- ne erhalten, die Schreibweisen dokumen- mannensturm im Jahre 882 fand hier nicht der ist die Quellenlage unzureichend. Mit tieren dann eher unterschiedliche Auffas- statt, vielmehr war die Trierer Gegend da- den beiden frühen Kirchen St. Martin und sungen der Kanzleischreiber. So haben wir von betroffen. Eine Verwüstung im Jahre St. Kilian liegt in Nierstein vermutlich ein 2 (Seite 2 des Jahrgangs) Bad Kreuznacher Heimatblätter - 1/2014

ähnlicher Fall vor. Teil. Bad Kreuznach 1929, S. 66). Die Osterburger Güter gerieten in den Im 13. Jahrhundert vollzog sich die Besitz der Rheingrafen, die ein Hofgut mit Kreuznacher Stadtwerdung. Beurkundun- alten Immunitätsrechten [Befreiung von gen von Privilegien, Markt-, Geleits- und Diensten und Abgaben] unterhielten. So Stadtrechten und ein großes Stadtsiegel wurde 1425 Walrab von Koppenstein durch zeugen davon. Geschickt setzten die Grün- ein Urteil des Ingelheimer Oberhofs belehrt der Privilegien ein, um den Zuzug von „daz der vorgeschrieben hoff, genant Os- Handwerkern und Händlern zu begünstigen terburg, eyn gericht oder dinghoff vor sich und somit die Wirtschaft zu beleben. Ein er- selbs ist...“ Rheingräflicher Grundbesitz heblicher Teil von Steuern, Zöllen und an- verteilte sich auf beiden Seiten der Nahe. Im deren Einnahmen wurde für Baumaßnah- Jahre 1588 nahm die Kreuznacher Kellerei men verwendet. Darüber finden sich Anga- der Rheingrafen u. a. 318 Malter Korn und ben in einer sponheimischen Urkunde 18 Fuder Wein ein. von/um 1237/1248: „Auch werden wir un- Die bis in die heutige Zeit vertretene The- sere eigenen Grundstücke nach unserem se einer Siedlungsverlegung basiert auf sa- Belieben für einen Zins verpachten können. genhaften Überlieferungen. Mauerreste und Außerdem ein Kaufhaus auf dem öffentli- aufgefundenen Relikte beflügelten die Fan- Lage der „Roten Stange“ an der Hochstraße. chen Markt, in dem Tücher und andere Wa- tasie. Kartenausschnitt aus: Volker Kneidl, Rote Kreuze an alten Straßen, ren verkauft werden sollen. Außerdem wer- Pressath 2009 (mit freundlicher Genehmigung des Verfassers) den wir eine Halle errichten und nach unse- Stadtkerne rem Belieben vermieten können, in der Auf der linken Naheseite fanden sich zwi- fanden. Auch das erste Rathaus soll hier ge- Fleisch verkauft werden soll. Ferner werden schen Martinsberg und Weinbauschule standen haben. Werner Vogt bemerkte über wir Bannbacköfen und Bannmühlen haben. zahlreiche vor- und frühgeschichtliche Be- , daß eine „Alte Wohn-Statt“ mit Burg- [...] Auch den Zoll und die Einkünfte, die Un- siedlungsspuren. Durch die Überbauung mannenhäusern auf einer Terrasse unter- gelt genannt werden, übertragen wir der und Überformung des Geländes ist der ar- halb der Kirburg lag und heute noch als Bürgerschaft zugunsten städtischer Bau- chäologische Befund jedoch merklich ge- „Altstadt“ geläufig ist. Die Siedlung im maßnahmen, solange dies uns gefällt; wenn stört. Der Kreuzungsbereich der Altstraßen Hahnenbachtal wurde Neustadt genannt. die Bauten fertiggestellt sind oder wann wir unterhalb des fränkischen Gräberfeldes am Auf alten Karten sind beide Bezeichnungen selbst diese Einkünfte zurückhaben wollen, Martinsberg wäre ein idealer Ort zur Loka- zu finden. dann werden wir unter weiser Beratung lisierung des fränkischen Dorfes Kruzena- Vor dem Bau der Kauzenburg residierten durch die Geschworenen und Schöffen die chen bzw. für die Keimzelle einer wachsen- die Sponheimer an einer anderen Örtlich- Einkünfte und den Zoll festsetzen. [...] Über- den Marktsiedlung. Auf der rechten Nahe- keit. In Frage käme eine alte Burgstelle, die dies soll eine Unterstützung der städtischen seite entwickelte sich ein mit dem Fluß- Otto Guthmann in den Bad Kreuznacher Bauten durch Kauf und Verkauf irgendwel- übergang in Verbindung stehendes Pen- Heimatblättern (1977.11-12) beschrieb. Ein cher Sachen nach unserem Rat festgelegt dant, dessen Hofgruppe infrastrukturelle Sitz im Bereich des Simmerschen Hofes wä- werden. [...] Wenn die Befestigungen res- Züge ausbildete. In der heutigen Römer- re ebenfalls denkbar. Immerhin nahm der tauriert werden sollen, kann ohne Wider- straße wurde das Teilstück einer römischen Pfalzhof (15. Jh.), der spätere Pfalz-Simmer- spruch des Grafen eine mäßige Abgabe auf Straßenverbindung aufgedeckt. Sie verlief sche Fürstenhof (17. Jh.), den dominantesten Kauf oder Verkauf gelegt werden. (Vogt, am Rande einer Terrasse, deren Absenkung Platz der Stadt ein. Der Baubeginn der Kau- Werner: Eine Urkunde zur Stadtgeschichte in den zur Kreuzstraße hinabführenden zenburg (vor / um 1200?) steht sicherlich in von Kreuznach aus dem 13. Jahrhundert Gassen noch gut sichtbar ist. Sie kann bis Verbindung mit der Stadtgründung. Wich- (Hbl. 1962.10.11), Mötsch: Regesten) 1270 zum Oranienpark verfolgt werden. tige Sicherungs- und Kontrollfunktionen verpflichteten sich die Ortsherren, daß sie Das Erscheinen von Vertretern des Spon- kamen ihr zu. Die Ersterwähnung wegen ei- „keines Bürgers Haus in Crucenachen neh- heimer Grafenhauses um 1100 begünstigte nes Baueinspruches des Bistums Speyer da- men werden um es irgend einem... [ih- die weitere Entwicklung. Angeregt durch tiert in das Jahr 1205. rer]...Burgleute auszuliefern oder es ihm ir- familiäre Impulse aus dem süddeutschen Hauptziel der Stadtgründung war sicher- gendwie sonst vorzuenthalten.“ Raum, lehnten sie die Siedlungspolitik dem lich die Schaffung eines von zwei Sied- Das frühe Stadium der Stadtwerdung ver- Vorbild der Zähringer an, welche nach poli- lungsteilen gesicherten Flussüberganges, lief sicherlich schleppend und nicht prob- tischen und wirtschaftlichen Gesichtspunk- über den der Handelsverkehr geführt und lemlos. Die Stadtmauern entstanden nicht ten Städte, Dörfer und Klöster ins Leben rie- kontrolliert werden konnte. Als Übergang sofort, man behalf sich vermutlich, wie in fen. Zahlreiche Stadtrechtsurkunden be- bot sich die heutige Stelle an der Naheinsel anderen vergleichbaren Orten erst einmal gründen eine zentrale Verwaltung und viel- an, wo zunächst eine hölzerne Brücke er- mit Graben, Wall und Palisaden [muros muß fältige Freiheiten der Kreuznacher Bürger. richtet wurde. Vermutlich gewann diese nicht unbedingt Steinummauerung bedeu- Gleichfalls zeigt sich das sogenannte Zäh- oberhalb der alten Furt(en) gelegene Stelle ten = Rechtsbegriff, wie Zaun ]. Als Status- ringer Kreuz als typischer Grundriss in der schon frühzeitig an Bedeutung. Hochwas- symbol hatten steinerne Tortürme, wie einer Altstadt. serbedingte Veränderungen des Nahebettes auf dem großen Stadtsiegel von 1261 abge- Auf Grund des erlangten Besitzes beider- im Bereich der Pfingstwiese waren immer bildet ist, einen Vorrang. Zu einer späteren seits der Nahe, sowie der Aneignung und wiederkehrende Szenarien, die den Verkehr Ausbauphase gehört die Anlage der Rund- Festigung von Rechtshoheiten konnte die beeinträchtigten. Eine Karte von 1779 do- schanze am Casinogarten. Ein kurpfälzi- Sponheimer Grafenfamilie an Macht und kumentiert an der Stelle massive Flußbett- sches Privileg enthält interessante Einzel- Einfluß gewinnen. Die Vergabe von Lehns- veränderungen während zweier Jahrhun- heiten zur Bebauungssituation im Jahre höfen und Grundstücken war ein wirksames derte (Reiniger: Landkarten und Ortspläne, 1495: „Item wir verordnen, setzen und wol- Instrument, um Gefolgschaften an das S. 46). len, daß alle Gebäude zu Creuznach, die Stadtgebiet zu binden. Es gelang ihnen, die Durch die Umlegung von Straßen wurde nach dem Feld zu in beiden Städten wider Rheingrafen als Gefolgsleute zu gewinnen der Verkehr zur Stadt geleitet. Der Gassen- die Stadtmauern gebaut sind, in Jahresfrist und in den Siedlungsprozeß einzubeziehen. name „Steige“ in der Nähe des Holzmarktes abgetan und daß einem jeglichen auf sein Von einer Verdrängung derselben aus dem verweist auf einen kurzen Wegabschnitt, Begehren nach Rat unserer Amtleute [...] an Stadtgebiet kann keine Rede sein. Auf- der vom Übergang des Ellerbachs hoch zur gelegenen Enden Platz oder Hofstadt gege- schlußreich ist eine Aufzählung rheingräfli- Rüdesheimerstraße bzw. zur Altstraßen- ben werde um ziemliches Geld, und daß die cher Höriger aus der Zeit um 1200. Danach trasse führte. Die „rote Stange“ markierte Stadtmauern frei gestellt werden, so daß lebten auf den an beiden Ufern vorhande- die alte Einmündung der Mannheimer Stra- man aller Enden – mit Ausnahme bei unse- nen Besitztümern 32 Leibeigene in „Hos- ße über die Bocksgasse auf die höher lie- ren Höfen, darum reiten kann, und künftig terburc“ und 31 Leibeigene in „Crucena- gende „Hohe Straß“ (Hochstraße). Viel- soll dawider zu bauen nicht mehr gestattet chen“. Herwicus und seine Frau weilten leicht existierte einst an dieser Stelle auch werden.“ Auch sollten die Dächern nur noch „qui est ultra Na“ auf der anderen Seite eine Verbindung zur oberhalb gelegenen mit Ziegeln oder Schiefer gedeckt werden. (rechts). Hierbei muß darauf aufmerksam Altstraßentrasse. Natürlich entstanden auch (Velten, Carl: Entstehung der Verfassung gemacht werden, daß die Bezeichnung Alt- Umgehungsmöglichkeiten. Der Binger- der sponheimischen Stadt Kreuznach. 1964. stadt von altera = andere Seite abgeleitet schlag und das damit in Verbindung ste- S. 95 / Originaltext s. Kohl, O.: Eine die Stadt werden kann. Die ursprüngliche Altstadt ist hende „ rote Kreuz“ (Abzweigung Steinweg Kreuznach betreffende Urkunde des Pfälzi- mit dem Bereich des Burgfriedens gleichzu- zum Holzmarkt) gehörten dazu (Geib, Karl: schen Kurfürsten Philipp 1495... 1916.) Neue setzen, in dem die frühen Burghäuser Platz Historische Topographie von Kreuznach. II. Stadtteile oder Vorstädte bildeten sich bis Bad Kreuznacher Heimatblätter - 1/2014 (Seite 3 des Jahrgangs) 3

Kilianskirche. Fluchtlinie B: Rüdesheimertor – Brücke El- lerbach - Brückenlager – Ebernburger Turm („Dicker Turm“ an der Volksbank). Die Mit- te der Strecke markiert den Chor (Altar- punkt?) der Wörthkirche, der rechte Winkel weist von da zur Kilianskirche. Fluchtlinie C: Ebernburger Turm – St. Kilian Der Schwerpunkt des Dreiecks (A, B, C) be- findet sich am Mühlentor. Fluchtlinie D: Das Neustadtdreieck wird durch eine Strecke, die vom Brückenlager aus in Richtung Martinskirche führt, gebil- det. Am Schnittpunkt der Strecken A und D liegt das Löhrtor. Der Schwerpunkt (A, B, D) liegt in einer Ecke des Eiermarktes. Die Altstadt zeigt eine rhomboide (rau- tenförmige) Grundform mit einem Schwer- punkt an der Kreuzung Mannheimerstraße / Kreuzstraße. Der urprüngliche Verlauf der Mannheimerstraße setzte sich vermutlich über die hölzerne Brückenkonstruktion in einer Linie fort. Im rechten Winkel zur Stadt- mauer an der Nahe erreichte die später er- richtete Steinbrücke das andere Ufer. Die Fluchtlinie der Stadtbefestigung an der Sa- linenstraße zeigt auf die ehemalige St. Pe- terskirche (Altarpunkt?) im Oranienhof. Über die Größe der verwendeten Maße und die Art der Parzellierungen liegen noch kei- ne Erkenntnisse vor. Im Bereich der Neustadt mussten um- fangreiche Terrassierungsarbeiten durch- geführt werden. Die oberste Terrasse um- fasst einen Bereich zwischen oberer Stadt- mauer und Hochstraße, deren Begrenzung zwei Kreisbögen (Linse) bestimmen. Im Zentrum lag der spätere Pfalzhof. Herr- schaftliche Vorgängerbauten sind an dieser Stelle zu vermuten. Der Umfang der mittle- Visier- bzw. Fluchtlinien A-D der Kreuznacher Stadtbefestigung auf einer Kartenvorlage von Karl Geib. Die ren Terrasse wurde durch einen Kreisbogen gestrichelten Linien am unteren Rand deuten den Verlauf der Altstraßentrasse an. Zum besseren Verständ- (Radius: Streckenmitte Rüdesheimer Tor – nis weist die Karte nach Süden (oben). Kopiervorlage: HWZB Löhrtor) ermittelt. Die Kante zeichnet sich noch heute im Gelände ab. Im Verlauf des Milchgässchens ist die Absenkung gut zu beobachten. Daran schließt sich eine bis zur zum Ende des 18. Jahrhunderts nicht. In jüngster Zeit experimentierten Städte- Stadtmauer reichende schmale Terrasse im forscher mit einer historischen Meßseilme- Bereich der Magister-Faust-Gasse an. Der Zur Planung thode. Binnen weniger Tage konnten sie mit Burgfrieden wurde durch Aufschüttung der Die Gründungsphase vor / um 1200 fällt in ihrer Hilfe den Grundriß von Freiburg im Kiesbänke bis zur Mündung des Ellerbaches einen Zeitraum (12.-14. Jh.), in dem etwa freien Gelände markieren. Als Ausgangs- erweitert. Die Ummauerung schütze das 3000 deutsche Städte entstanden. Aus stadt- basis für die Einmessung diente ihnen ein Gebiet vor Abschwemmung. planerischer Sicht ist die Kreuznacher Dop- Rechtecksystem (Campus initialis), das pelstadtgründung ein Sonderfall. Die Suche schon in antiken Zeiten Anwendung fand. In Altstadt/Neustadt: die Kreuznacher nach dem dahinter verborgenen System er- Kreuznach musste jedoch eine alternative Doppelstruktur wies sich als eine besondere Herausforde- Lösung gefunden werden, denn der Nahe- Die frühen Urkunden überliefern keine rung. Im Laufe der Jahrhunderte veränderte lauf behinderte die Aufgabe der Feldmesser unterschiedliche Benennung der Stadtteile. sich das Stadtbild derart, dass nur noch mar- erheblich. Deshalb fungierten die markan- 1332 ist von „den beiden neuen Städten kante Fixpunkte, wie Kirchen und Stadt- ten Türme der „extra muros“ stehenden Crucenach“ und der „Stadt Kreuznach jed- mauerverläufe zur Recherche in Frage ka- Martins-, Kilians- und Peterskirche als Fix- weder Seite“ die Rede. Der Burgfrieden men. Das nun vorliegende Resultat zeigt punkte zur Erzielung von Visierachsen. An- (urspr. Altstadt), die Neustadt (neue Wohn- eindeutig, dass wir es mit einer in einem hand dieser Strecken konnten unter An- stätte) und die Altstadt (neue Wohnstätte auf Guss geplanten und umgesetzten Gründung wendung einfacher mathematischer Konst- der anderen Seite) bildeten eine Einheit mit zu tun haben. Selbst erst später begonnene ruktionen weitere Punkte bestimmt werden. unterteilten Verwaltungsstrukturen. Kon- Bauprojekte wurden berücksichtigt. Dabei Dabei spielten Streckenhalbierungen, die kurrenzen trübten bald das Miteinander. darf man nicht vergessen, dass es über ein Einmessung von rechten Winkeln und Jahrhundert dauerte, bis die Anlage eine Kreisbögen eine Schlüsselrolle. Unter Be- ansehnliche Form gewonnen hatte. rücksichtigung vorhandener Bebauung ent- Zwei Siedlungsformen beherrschen das standen sämtliche Mauern, Straßen, Türme, Stadtgebiet: neustädterseits eine Siedlung Kirchen und Plätze an den geplanten Stel- mit breiter Marktstraße (Hochstraße), auf len. Ein zahlenmystischer Hintergrund ist der anderen Seite dominiert ein Straßen- nicht erkennbar. kreuz (Mannheimer- / Kreuzstraße). Topo- graphische Gegebenheiten bedingten die Zum Konstruktionsprinzip – unterschiedliche Ausprägung. Mit den Ver- eine Annäherung messungsarbeiten konnte erst nach der Der wichtigste Bezugspunkt zur Ausrich- Festlegung strukturbildender Elemente be- tung des Grunddreieckes ist der Brücken- gonnen werden. Dazu gehörten der Mauer- punkt am linken Ufer. Er könnte als Grün- verlauf, der innere Aufbau (Straßen, Parzel- dungspunkt bezeichnet werden. Vier Grün- Fluchtlinie: Stadtmauer – Kirche des Klosters len), der öffentliche Raum (Märkte), Son- dungsachsen bestimmen die Lage der St. Peter (im Vordergrund rechts). Ausschnitt aus derbauten (Rathaus, Kirchen, Kaufhaus) und Stadtteile zueinander: einem Kupferstich von Beaulieu (1646). die Wasserversorgung. Fluchtlinie A: Rüdesheimertor – Löhrtor – Kopiervorlage: HWZB 4 (Seite 4 des Jahrgangs) Bad Kreuznacher Heimatblätter - 1/2014

Mit der Zeit hielten Neid und Missgunst Ein- zug in die Quartiere. So postulierte 1493 ein Schiedsspruch: Kreuznach sei „nicht anders denn eine Stadt und Gemeinde, was sie auch wären [...] Denn die Freiheit hätten sie [die Obrigkeit] ihnen gemeiniglich gegeben und keinen Teil darin vor dem anderen ge- vortheilt.“ Wie werden wir wohl zukünftig mit der Benennung der Stadtteile umgehen? „His- torischer Stadtkern altstädterseits - histori- scher Stadtkern neustädterseits“ wäre eine Möglichkeit, oder es bleibt besser so wie ge- habt: Altstadt - Neustadt, „Hiwwe unn driw- we“. Unser Blick sollte nicht so sehr auf das Trennende, sondern mehr auf das Verbin- dende gerichtet sein. Immerhin bildet die Kreuznacher Doppelstruktur ein Alleinstel- lungsmerkmal.

Auswahl neuerer Literatur - Ament, Hermann: Zur nachantiken Siedlungsgeschichte römischer Vici im Rheinland. 1995. (in: Geschichtliche Lan- deskunde, 42) S. 19-34 - Ehlers, Caspar: Königliche Pfalzen als Aufenthaltsorte im Rheinland bis 1250. 2004. (in: Rheinische Vierteljahrsblätter, 68) S. 36- 63 - Elsenbast, Kurt / Greule, Albrecht: Rheinhessische Ortsnamen. 1980. (in: Ge- schichtliche Landeskunde, 21) S. 31-59 - Hein, Thomas O.: Auf dem Weg zur ei- genständigen Herrschaft Grumbach: Das Gefälleverzeichnis von 1588. (Westricher Heimatblätter, 2012.3) S. 100-125 - Heinzelmann, Josef: Die Straßen, die Dieser Idealplan zeigt eine Möglichkeit der Terrasseneinmessung im Bereich der Kreuznacher Neustadt nach und zu MOGONTIACUM führten. anhand von Kreisbögen. Der gerade Verlauf der Stadtmauer neben der Schanze gibt noch Rätsel auf. Wäh- 2005. (in: Jahrbuch für westdt. Landesge- rend der Errichtung des Pfalzhofes und der Rundschanze gab es womöglich massive Geländeeingriffe. schichte, 31) S. 7-48 (Kartenvorlage: Karl Geib). Kopiervorlage: HWZB - Humpert, Klaus / Schenk, Martin: Ent- deckung der mittelalterlichen Stadtplanung: Das Ende vom Mythos der „gewachsenen Stadt“. 2001 und der Verlust des Lehens Kreuznach an Landeskunde, 21) S. 1-29 - Kneidl, Volker: Rote Kreuze an alten die Grafen von Sponheim. 1988. (In: Mittei- - Untermann, Matthias: Planstadt, Grün- Straßen. Herleitung des Wortes „Rot“ in To- lungen des Historischen Vereins der Pfalz, dungsstadt, Parzelle. Archäologische For- ponymen mit besonderer Berücksichtigung 86) S. 59-77 schung im Spannungsfeld von Urbanistik der nördlichen Oberpfalz. Pressath 2009. S. - Mötsch, Johannes: Die Lehnsleute der und Geschichte. Einführende Bemerkun- 12, 14 Grafen von Sponheim und ihre Kreuznacher gen. (Homepage der Deutschen Gesell- - Leisse, Gisela: Geometrie und Stadtge- Burglehen. 1990. (In: Landeskundliche schaft für Archäologie des Mittelalters und stalt. Praktische Geometrie in der Stadt- und Vierteljahrsblätter, 36) S. 181-186 der Neuzeit e.V. www.dgamn.de) Landschaftsplanung der Frühen Neuzeit. - Nierstein: Beiträge zur Geschichte und - Velten, Carl: Entstehung und Inhalt der 2010. Diss. Humbold-Univ. Berlin (Internet: Gegenwart eines alten Reichsdorfes. Alzey: Verfassung der sponheimischen Stadt edoc.hu-berlin.de) Rheinhess. Druchwerkstätte,1992. Kreuznach. 1964. (Textauszüge) - Mattheus, Michael [Hrsg.]: Stadt und - Nitz, Hans-Jürgen: Siedlungsgeogra- - Vogt, Werner: Altstadt – Neustadt – Wehrbau im Mittelrheingebiet. 2003. phische Beiträge zum Problem der fränki- Neue (Wohn-)Stätte – Neue Hofstätte. (Mainzer Vorträge 7) schen Staatskolonisation im süddeutschen Stadtnamen und ihre Bedeutung am Bei- - Mötsch, Johannes: Das Hochstift Speyer Raum. 1963. (In: Zeitschrift für Agrarge- spiel Bad Kreuznachs. (Bad Kreuznacher schichte und Agrarsoziologie, 1963.1) Heimatblätter, 2000.1) - Schomburg, Walter: Lexikon der deut- schen Steuer- und Zollgeschichte. Abgaben, Darüber hinaus stehen alle stadtge- Dienste, Gebühren, Steuern, Zölle von den schichtlichen Werke in der HWZB zur Ver- Anfängen bis 1806.1992 fügung. (Heimatwissenschaftliche Zentral- (Königszinser S. 205 / Osterstufe S. 271 / bibliothek des Landkreises Bad Kreuznach, Reichsgut S. 299) 55543 Bad Kreuznach, Hospitalgasse 6) - Seibrich, Wolfgang: Die Entwicklung Tel.: 0671/27571 Email: julius.rei- der Pfarrorganisation im linksrheinischen [email protected] Erzbistum : Gesellschaft f. mittelrh. Öffnungszeit: Di/Do 15-17 Uhr; Mi/Fr. 10- Kirchengeschichte, 1977. (Quellen und Ab- 12 Uhr) handlungen zur mittelrheinischen Kirchen- Dieser Text wird mit einem vermehrten geschichte, 29) Bildteil unter www.regionalgeschichte.net - Seibrich, Wolfgang: Die katholische Kir- ins Netz gestellt. Weiterführende Untersu- chengemeinde Bad Kreuznach von den An- chungen sind in Vorbereitung. fängen bis zur Gründung der Pfarrei Heilig- Kreuz. 1997. (in: Heilig-Kreuz-Kirche Bad Kreuznach) S. 13-71 - Staab, Franz: Untersuchungen zur Ge- sellschaft am Mittelrhein in der Karolinger- Die Bad Kreuznacher Heimatblätter erscheinen zeit. 1975. (Geschichtliche Landeskunde, 11) monatlich in Zusammenarbeit mit dem Verein Fluchtlinie D: Nahebrücke – Löhrtor – Kirche St. - Staab, Franz: Zur Organisation des früh- für Heimatkunde für Stadt und Kreis Bad Kreuznach Martin (Ruine). Ausschnitt aus einem Kupferstich und hochmittelalterliche Reichsgutes an der e.V. (i. A. Dr. Horst Silbermann, von Matthaeus Merian (1645). Kopiervorlage: HWZB unteren Nahe. 1980. (in: Geschichtliche Dienheimer Berg 11, 55545 Bad Kreuznach). Nummer 2/2014 BadKreuznacher Beilage Bad Kreuznach Heimatblätter

Elisabeth Ludovika Prinzessin von Bayern und Königin von Preußen Die Namensgeberin der Elisabethquelle in Bad Kreuznach (1801-1873)

VON DR. HORST SILBERMANN, BAD KREUZNACH

Ein irriger Bad Kreuznacher Mythos 1823 [weilte] das junge preußische Kron- Der preußisch-bayerische Wappenschild neben prinzenpaar in der Nahestadt. Der spätere dem ehemaligen Bahnhof von Ebernburg. Neben dem früheren Bahnhof in Ebern- preußische König Friedrich Wilhelm IV., der Foto: Dr. Horst Silbermann, Bad Kreuznach burg befindet sich ein längsgeteilter Wap- sich in jenem Jahr mit der bayrischen Prin- penschild, der – vom Betrachter aus gese- zessin Elisabeth vermählt hatte, wollte auf hen – links den ebenfalls längsgeteilten seiner Heimreise nach Berlin den preußi- schwarzen preußischen Adler und rechts schen Rheinlanden einen Besuch abstatten. wie die Elisabethquelle in Kreuznach nach weiß-blaue bayerische Wecken bzw. Rau- Zunächst kamen die Fürstlichkeiten nach der jungen Braut benannt wurden. Alles Üb- ten zeigt. Dieser Wappenschild erinnert da- dem heutigen Bingerbrück, wo der Kron- rige dürfte frei erfunden sein. Eine Heim- ran, dass die unweit davon vorbeifließende prinzessin zu Ehren der dortige Minzelberg reise des Kronprinzen nach Berlin hat es da- Nahe von 1816 an für etwa anderthalb Jahr- in Elisenhöhe umbenannt wurde. Nachdem mals nicht gegeben. Er wartete in der preu- hunderte die preußisch-bayerische Grenze sie kurz besucht hatten, reisten ßischen Hauptstadt auf seine ihm in Mün- bildete. sie nach Bad Kreuznach weiter, wo es ihnen chen am 16. November 1823 in seiner Ab- Mit den gleichen Wappensymbolen war so gut gefiel, daß sie sich entschlossen, spä- wesenheit nach katholischem Ritus ange- vom 16. bis zum 19. Dezember 1873 ein im ter wiederzukommen. Als Kronprinz Fried- traute Frau, um mit ihr am 29. November Schloss Sanssouci aufgebahrter Sarg ge- rich Wilhelm später König geworden war, 1823 in Berlin nach den Regeln der evan- ziert. Die solchermaßen geehrte, am 14. De- wandte er mit der jungen Königin seine be- gelischen Kirche den Bund der Ehe zu zember Verstorbene war Elisabeth Ludovi- sondere Gunst der Badestadt an der Nahe schließen. ka, die von 1840 bis 1861 Königin von Preu- zu. Zur bleibenden Erinnerung an die lie- Die Reise „nach dem heutigen Binger- ßen gewesen ist. Geboren war sie 1801 als benswürdige preußische Königin Elisabeth brück“, von der Mathern spricht, fand erst bayerische Prinzessin in München. Seit wurde eine Kreuznacher Trinkquelle nahe im Juli 1825 statt und damals hat sich das 1834 trägt die Elisabethquelle in der süd- beim Kurhaus ‚Elisabethquelle’ genannt.“ 1) Kronprinzenpaar nur kurz auf der Elisen- westlichen Ecke des Bad Kreuznacher Kur- Davon ist Etliches schlichtweg falsch; höhe oberhalb der Nahemündung bei Bin- parks ihren Namen. wahr ist lediglich, dass die Hochzeit des gen aufgehalten, um anschließend per Schiff Der Bad Kreuznacher Heimatkundler Kronprinzenpaares im Jahre 1823 stattfand nach Koblenz weiterzureisen, ohne nach Willy Mathern schrieb 1967: „[…] im Jahre und dass die Elisenhöhe in Bingerbrück so- Stromberg und Kreuznach zu kommen. Als der Kronprinz dann 1833 und 1839 die Na- hestadt besuchte, war Elisabeth, sehr zum Leidwesen der Kreuznacher Bürger, beide Male nicht dabei. Zeitgenössische Autoren aus den Grün- dungsjahren des Bades Kreuznach wie Jo- hann Erhard Peter Prieger (1837), Carl En- gelmann (1839) oder Eduard Schneegans (1839) erwähnen zwar alle, dass die erste Solequelle auf Kreuznacher Stadtgebiet mit Erlaubnis der preußischen Kronprinzessin 1834 den Namen Elisabethquelle erhalten habe, nicht aber, dass sie jemals dorthin zur Kur gekommen sei. Hätte ein solcher Be- such auch nur einmal stattgefunden, hätte er ganz sicher seinen Niederschlag im Schrifttum der damaligen Zeit und in der seit 1835 regelmäßig veröffentlichten Kur- liste gefunden. Letztere verzeichnet eine große Zahl hochfürstlicher Kurgäste aus vie- len Ländern Europas, doch Elisabeth taucht darunter nicht auf. Karl Hessel schreibt in Die Elisabethquelle im Bad Kreuznacher Kurpark. Foto: Dr. Horst Silbermann, Bad Kreuznach seinem 1916 erschienenen Büchlein „Aus 2 (Seite 6 des Jahrgangs) Bad Kreuznacher Heimatblätter - 2/2014

Bad Kreuznachs Frühzeit“ lediglich, dass früh liebgewonnen und daher mehrfach das „die Kronprinzessin von Preußen Interesse Bad an der Nahe aufgesucht hatte.“ 5) für Kreuznach gezeigt“ 2) habe, nicht aber, Jenseits dieser unzutreffenden Legen- dass sie sich dort jemals aufgehalten hätte. denbildung gab und gibt es aber doch eine Karl Geib, der für seine heimatwissen- Reihe von Begebenheiten und Sachverhal- schaftlichen Arbeiten stets penibel recher- ten, durch die Bad Kreuznach mit der bay- chierte, berichtet 1929 in seiner Histori- erischen Prinzessin und preußischen Köni- schen Topographie von Kreuznach, dass in gin verbunden ist. Bevor davon ausführli- den dreißiger und vierziger Jahren des 19. cher die Rede sein wird, soll zunächst ein Jahrhunderts mehrere Mitglieder des preu- biographischer Abriss der Fürstin gegeben ßischen Königshauses zu Kuraufenthalten werden. in Kreuznach gewesen seien. 3) Auch die zweimalige Anwesenheit des Kronprinzen in der Badestadt findet dabei Erwähnung. Eine bayerische Prinzessin Von einem Besuch Elisabeths in Kreuznach weiß Geib dagegen nichts. Auch in der neu- Prinzessin Elisabeth Ludovika wurde am eren geschichtswissenschaftlichen Literatur 13. November 1801 kurz vor ihrer Zwil- über Elisabeth gibt es keinerlei Hinweise lingsschwester Amalie Auguste in München auf einen solchen Besuch. Dort werden als geboren. Über ihren Vater Herzog Maximi- bevorzugte Kurorte Elisabeths vor allem lian IV. Joseph von Bayern (1756-1825) wur- Bad Ems und Bad Ischl genannt. Kurz ge- zelte ihre Abstammung im Nahe-Hunsrück- sagt: Elisabeth war nie in Kreuznach! Gebiet: Dessen ungeachtet wurden die fälschli- Der pfälzische Kurfürst Karl Theodor chen Aussagen Matherns im heimatkundli- (1724-1799) aus der Wittelsbacher Linie Elisabeths Vater: König Max I. Joseph von Bayern chen Schrifttum über Bad Kreuznach immer Pfalz-Neuburg-Sulzbach hatte beim Aus- (1756-1825). Ausschnitt aus einem 1822 entstan- wieder kolportiert. So schrieb 1967 – zeit- sterben der bayerischen Wittelsbacher im denen Gemälde von Joseph Stieler. gleich mit Mathern – Peter Russ: „Um diese Jahre 1777 aufgrund weit zurückreichender Fundstelle: Rudolf Reiser, Die Wittelsbacher 1180-1918. Ihre Ge- Zeit gestattete die damalige Kronprinzessin Hausverträge (z.B. Hausvertrag von Pavia schichte in Bildern. München 1979, Seite 110 von Preußen, die oft nach Bad Kreuznach 1329) zwischen den in Bayern und in der zur Kur kam und von den Quellen begeis- Pfalz regierenden Wittelsbacher Linien das tert war, daß die von Wilhelmi freigelegte Herzogtum Bayern geerbt. Als Karl Theodor Quelle ihren Namen trage durfte.“ 4) Und 1799 ohne rechtmäßigen Erben starb, wur- und deren heute noch lebenden Nachkom- 1981 heißt es bei Wolfgang Mohr: „Benannt de sein nächster Verwandter, Herzog Max men haben daher ihre Vorfahren im Raum wurde die als Trinkquelle dienende, an- Joseph von Pfalz-Zweibrücken-- Birkenfeld. Elisabeth Ludovika entstammte fangs bescheidene Halle nach der preußi- Bischweiler, Kurfürst von Bayern. Sieben der zweiten, 1797 geschlossenen Ehe ihres schen Königin Elisabeth, die mit ihrem Ge- Jahre später, am 1. Januar 1806, machte Na- Vaters mit Markgräfin Caroline Friederike mahl, dem preußischen König Friedrich Wil- poleon ihn zum ersten bayerischen König. Wilhelmine von Baden (1776-1841). Neben helm IV., zusammen Kreuznach schon sehr Alle bayerischen Könige von 1806 bis 1918 ihrer Zwillingsschwester Amalie Auguste (1801-1877) hatte Elisabeth Ludovika noch vier weitere Schwestern: das Zwillingspaar Sophie Friederike (1805-1872) und Maria Anna Leopoldine (1805-1877) sowie Ludo- vika Wilhelmine (1808-1892) und Maximi- liane Josepha Caroline (1810-1821), die be- reits mit knapp elf Jahren starb. Früh ver- storben war auch der einzige Bruder Maxi- milian Joseph (1800-1803). Aus der ersten Ehe ihres Vaters mit Landgräfin Auguste Wilhelmine Maria von Hessen-Darmstadt (1765-1796) hatte Elisabeth Ludovika zwei Stiefschwestern und zwei Stiefbrüder, da- runter der spätere bayerische König Ludwig I. (1786-1868, König von 1825-1848), der ihr besonders zugetan war. Beide Ehefrauen Max Josephs waren pro- testantisch, doch wurden alle Kinder ka- tholisch erzogen. Im Kreise ihrer Ge- schwister erlebte Elise, wie Prinzessin Eli- sabeth Ludovika in der Familie genannt wurde, eine unbeschwerte Kindheit und die Geborgenheit in einem familiären Zusam- menhalt, den sie zeitlebens weiter pflegte, auch als sie ihren Wohnsitz längst in Preu- ßen hatte. Ein leichtes Hinken, das durch die angeborene Verkürzung eines Beines bedingt war, konnte sie als junge Frau – na- mentlich beim Tanzen – gut überspielen. Erst im Alter wurde daraus eine schmerz- hafte Gehbehinderung. Unterrichtet wurden die Prinzessinnen durch den an der Münchener Akademie der Wissenschaften tätigen Philologen Friedrich Thiersch (1784-1860), wobei Geographie, Geschichte, die klassischen Schriftsteller der Antike und französische Konversation – noch war Französisch die Sprache der eu- ropäischen Höfe – die Schwerpunkte bilde- ten. Damit die Prinzessinnen auch Umgang mit Natur, Blumen, Pflanzen und Tieren ha- ben konnten, woran nicht zuletzt Elisabeth Elisabeth Ludovika als junge bayerische Prinzessin. Fundstelle: Frauenkalender 2002, herausgegeben von der Frauenbe- interessiert war, ließ der Vater ihnen im auftragten der Stadt Bad Kreuznach, Monat November Park des Nymhenburger Schlosses separate Bad Kreuznacher Heimatblätter - 2/2014 (Seite 7 des Jahrgangs) 3

Gärtchen mit Sommerhäuschen anlegen. zeugung tun könne. Den Zeitpunkt dürfe Die Sommermonate verbrachte die Königs- sie selbst bestimmen. Erst sieben Jahre spä- familie regelmäßig am Tegernsee, wo das ter löste sie Ihr Versprechen ein und nahm tausendjährige Benediktinerkloster nach der den evangelischen Glauben an. Säkularisation [Verweltlichung bzw. Ver- Am 27. August 1823 hielt der preußische staatlichung] von 1803 in einen königlichen König für seinen Sohn beim König von Bay- Landsitz umgewandelt worden war. Im Te- ern offiziell um Elisabeths Hand an und am gernseer Land entwickelte Elisabeth eine 6. September traf der Kurier mit dem Ja- tiefe Liebe zu ihrer Heimat, die sie ein Le- Wort ihres Vaters in Berlin ein. König Max I. ben lang nicht mehr losließ und sie immer Joseph von Bayern schrieb an Friedrich Wil- wieder zu oft wochen- oder monatelangen helm III., den künftigen Schwiegervater sei- Besuchen in Bayern bewegte. Elise wurde ner Tochter: „Ich empfehle Ihnen mein und blieb eine „Prinzessin mit bayerischer Kind. Ich darf mir schmeicheln, daß Elisa- Seele“. 6) beth sich bestreben wird, Ihre Gnade und Daran änderte sich auch nichts, als sie väterliche Liebe zu verdienen. Sie ist äu- sich im Sommer 1819 mit siebzehn Jahren ßerst glücklich und ihr alter Vater ebenso Hals über Kopf in den preußischen Kron- sehr.“ 8) prinzen Friedrich Wilhelm verliebte. Auch Kronprinz Friedrich Wilhelm schrieb En- für ihn, der sich damals mit seinem jünge- de August an seine Elise: „Endlich schrei- ren Bruder Wilhelm auf Brautschau befand, ben zu dürfen, Ihnen mein Herz ausschüt- war es Liebe auf den ersten Blick, als er Eli- ten zu dürfen und zu Ihren Füßen die Aus- se bei einem Kuraufenthalt der bayerischen drücke unaussprechlicher Liebe und Aner- Königsfamilie in Baden-Baden zum ersten kennung niederlegen zu können – dies ho- Mal begegnete. Ausgelöst war diese Emp- he Glück ergreift mich so gewaltig, daß es Das Tegernseer Land weckte in Elisabeth eine tiefe findung ganz sicher auch durch die attrak- mich wahrlich betäubt und verwirrt. […] So Liebe zu ihrer bayerischen Heimat. Foto: Dr. Horst Sil- tive Erscheinung der jungen Prinzessin. biete ich denn Eurer Königlichen Hoheit bermann, Bad Kreuznach Friedrich Wilhelm schrieb an seinen Freund Herz und Hand! – Seit 4 Jahren lebt Ihr Bild Ancillon: „Ich war sehr frappiert von den in diesem Herzen und hat es sich unwider- schönen Augen der Prinzessin Elise […], ein ruflich zu eigen gemacht. Daß ich die Treue liebliches, eirundes anmutiges Antlitz, Au- der ersten Liebe hoch und heilig halten wer- ber zunächst zum Schloss Charlottenburg, gen so klar wie der napolitanische Himmel, de, muß mein Leben beweisen. […] Gott hat wo sie von Prinzessin Marianne, einer schwarze Brauen, dunkles Haar, dabei ein alles wunderbar geführt. […] Und so lege Schwägerin Friedrich Wilhelms III., als Ers- Anstand, wie ich ihn nur träumen kann.“ 7) ich denn getrost die Entscheidung über das ter Dame am Hof begrüßt wurde. Hierauf Eine eheliche Verbindung der beiden Glück meines Lebens in die Hände Eurer brachte ein festlicher Zug, bestehend aus Liebenden, die aus nationalpolitischen Er- Königlichen Hoheit, denn ich hoffe auf sechs Kutschen und drei Abteilungen Ka- wägungen heraus auch von Elisabeths Stief- Gott, daß er alles herrlich vollende […].“ 9) vallerie, Elisabeth nach Berlin. Die fünf Kut- bruder, dem bayerischen Kronprinzen Lud- Vom 29.September bis zum 12. Oktober schen der sie begleitenden Hofdamen und wig, gefördert wurde, scheiterte vorerst je- 1823 besuchte der preußische Kronprinz Kammerherren waren jeweils sechsspän- doch daran, dass König Friedrich Wilhelm während des Oktoberfestes seine nunmeh- nig; sie selbst fuhr im königlichen Wagen, III. von Preußen darauf bestand, Elisabeth rige Braut in München, natürlich immer in der von acht Pferden gezogen wurde. Vor müsse vor einer Eheschließung mit dem Begleitung irgendwelcher Aufpasser. Kurz dem Brandenburger Tor erwarteten der preußischen Thronerben zum protestanti- vor seiner Rückreise nach Berlin konnten Gouverneur von Berlin, Generalfeldmar- schen Glauben übertreten. Da die Prinzes- sich die Beiden jedoch unbeobachtet von- schall von Gneisenau, der Stadtkomman- sin dies aus Gewissensgründen kurzfristig einander verabschieden. Dazu Friedrich dant, Generalleutnant von Brauchitsch, so- nicht wollte, sollten vier Jahre vergehen, bis Wilhelm in einem Brief: „Da haben wir uns wie der Polizeipräsident von Esebeck zu man in dieser Frage einen für alle Beteilig- eine Zeitlang in den Armen gelegen, ganz Pferd die Kronprinzessin und ritten von da ten gangbaren Kompromiss fand. Im Som- weg!!! Herz an Herz und Mund an Mund! an auf Höhe ihres Wagenschlages mit. mer 1823 erklärte sich Friedrich Wilhelm III. […] Sie liebt mich mehr, als ich erwarten Gleich hinter dem Brandenburger Tor er- damit einverstanden, dass Elisabeth sich durfte!!!“ 10) Für den katholischen Teil der folgte die Begrüßung durch die Vertreter verpflichtete, nach der Trauung zu konver- Hochzeit in München wurde der 16. No- der kommunalen Behörden. Hierauf be- tieren, sobald sie diesen Schritt aus Über- vember 1823 festgelegt, die protestantische wegte sich der Zug weiter auf der Mittel- Trauung in Berlin sollte am 29. November promenade unter den Linden bis zur stattfinden. Schlossbrücke, wo 150 Ehrenjungfrauen und das Berliner Schützenkorps die Kron- prinzessin willkommen hießen. Vor dem Kronprinzessin von Preußen Stadtschloss ging Kronprinz Friedrich Wil- helm mit allen Prinzen des königlichen Hau- Am späten Abend des 16. November ses seiner Braut entgegen. Im Schloss wur- 1823 nahm Weihbischof von Steber in der de Elisabeth vom König selbst empfangen. Hofkapelle der Münchener Residenz die ka- Am Abend des 29. November traf sich die tholische Trauung „per procurationem“ vor, preußische Königsfamilie um 18.30 Uhr zu- das heißt der nicht anwesende evangelische nächst in den roten Zimmern des Berliner Bräutigam Friedrich Wilhelm ließ sich bei Stadtschlosses und begab sich von dort zur der Zeremonie durch einen katholischen Schlosskapelle, wo der evangelische Bi- Prokurator vertreten. Dieser Stellvertreter schof Eylert das Brautpaar begrüßte. Dazu war Prinz Karl Theodor von Bayern, der jün- feuerte die draußen aufgefahrene Artillerie gere der beiden Stiefbrüder Elisabeths. einen Salut von 72 Schuss. Nach der sich an- Nach der Einsegnung stimmte der Bischof schließenden Trauung wurde im Rittersaal das Te Deum an. Mit einer kurzen Gratula- des Schlosses das Hochzeitsmahl gehalten, tionscour der Hochzeitsgäste und des Dip- wobei König Friedrich Wilhelm III. die lomatischen Corps ging der erste Tag der Hochzeitsrede hielt und ein Hoch auf die Hochzeitsfeierlichkeiten in München zu En- Gesundheit der Neuvermählten ausbrachte. de. Am 17. und 18. November folgten wei- Ein Hochzeitsball im Weißen Saal beschloss tere Festlichkeiten (Hoftafel und Veran- den festlichen Abend. Auch an den drei fol- staltungen im Hoftheater) und nach einer genden Tagen fanden diverse Feierlichkei- Abschiedscour am 19. November reiste Eli- ten statt, die am Abend des 2. Dezember sabeth einen Tag später um 11.00 Uhr ab mit einem Souper und anschließendem Ball nach Berlin, wo sie am 28. November feier- ausklangen. Elisabeths Mutter: Königin Caroline Friederike von lich Einzug hielt. Kronprinzessin Elisabeth schieb an ihren Bayern (1776-1841). Gemälde von Joseph Stieler. Nachdem die Kronprinzessin die Nacht Stiefbruder Ludwig: „Du wirst von Therese Fundstelle: Martha Schad, Bayerns Königinnen. München 2008, im Potsdamer Stadtschloss verbracht hatte, [Ludwigs Frau] schon wissen, wie gütig ich gegenüber Seite 160 begab sie sich am Morgen des 28. Novem- von jedermann, besonders aber vom König 4 (Seite 8 des Jahrgangs) Bad Kreuznacher Heimatblätter - 2/2014

aufgenommen wurde. Ich brauche also nur maligen Zeit nicht eben selbstverständlich hinzuzusetzen, daß ich ihn als den besten war. Die Innigkeit ihres Verhältnisses spie- Vater liebe und verehre. Du kannst aus die- geln die zahlreichen Briefe, die sie sich sem schließen, daß ich unbeschreiblich schrieben, wenn sie voneinander getrennt glücklich bin […]. Meine neue Familie ist waren. Schon die Anreden – hier in Briefen außerordentlich liebenswürdig. Ich habe Elisabeths - waren ungezwungen: „Lieber hier ganz das häusliche Glück und die Ei- Dicker“, „Lieber, guter Fritz“ oder „Lieber nigkeit, die in der unsrigen herrschen, wie- Alter“. 13) Für den jungen Ehemann war die dergefunden.“ 11) 25jährige Elise schon 1826 die „heiß ge- Das waren erste Eindrücke, die Zukunft liebte Alte“ Die Brieftexte wirken intim und sollte allerdings zeigen, dass sich Elisabeth verraten viel gegenseitige Zuneigung. So, weder mit dem Land Preußen noch mit sei- wenn Friedrich Wilhelm am 26. August nen Bewohnern so recht anfreunden konn- 1830 aus Stettin schreibt: „Da bin ich an te, wobei dies auf Gegenseitigkeit beruhte. dem unschönen Orte, ganz einsam und so Immer wieder wurde die junge Kronprin- sehnsüchtig nach Dir, daß mir das Herz im Das Berliner Stadtschloss – der Wohnsitz des zessin verglichen mit Königin Luise (1776- Leibe wehe tut […]. Ich werde morgen wohl preußischen Kronprinzenpaares nach der Hochzeit. 1810, seit 1797 Königin), der jung verstor- nicht viel vor Mitternacht kommen. Also auf Anonymes Gemälde aus dem 19. Jahrhundert. benen Mutter ihres Mannes, und bei die- Wiedersehen im Bett.“ 14) Eine Irritation auf Bildquelle: Google Bilder sem Vergleich musste sie notwendigerwei- Seiten Elisabeths, als sie 1824 von einem se den Kürzeren ziehen. Zwar stand sie an Sohn ihres Mannes aus einer vorehelichen äußerer Schönheit Luise keineswegs nach, Beziehung mit einer Hofdame erfuhr, war doch konnte sie deren Popularität nicht ein- bald überwunden. aus dem Jahre 1839 mag dies verdeutli- mal ansatzweise erreichen. Der einzige Schatten, der auf der Ehe des chen: „Als der Kronprinz im Herbst 1839 Zu sehr hatte die preußische Bevölke- Kronprinzenpaares lag, war die Tatsache, das Rheinland und Westfalen besuchen rung ihre schon mit 34 Jahren gestorbene dass die Verbindung kinderlos blieb. Mehr- musste [er war damals auch in Kreuznach], Landesmutter Luise verklärt als „das Sinn- mals hatte Elisabeth den Eindruck, schwan- kam Elisabeth wieder einmal nicht mit, weil bild einer mustergültigen Königin, perfek- ger zu sein, doch immer wieder wurden sie sie sich den Strapazen der Reise nach eige- ten und mutigen Patriotin, einer liebenden und ihr Gemahl in dieser Hoffnung ge- nen Angaben nicht gewachsen fühlte. Die Ehefrau und untadeligen Mutter, die nicht täuscht. Dem ganz persönlichen Verhältnis Rheinländer und Westfalen hätten die Ab- zuletzt auch noch ein großes Herz für die Ar- der Beiden tat dies keinen Abbruch, ließ sie wesenheit ihrer Kronprinzessin möglicher- men und Kranken hatte. Luise – eine Iden- aber vielleicht noch näher zusammenrü- weise noch entschuldigt – wäre Elisabeth tifikationsfigur für ganz Preußen, solange cken. nicht statt dessen zu ihrer Mutter an den Te- Preußen existierte und noch darüber hi- Schon bald nach ihrer Hochzeit entfaltete gernsee gefahren. So aber erblickte man in naus.“ 12) Elisabeth ein vielseitiges soziales und kul- ihrem Verhalten nichts anderes als eine Mit diesem Bild ihrer Vorgängerin konn- turelles Engagement, das sie auch als Kö- Missachtung der Bevölkerung der westli- te Elisabeth nicht mithalten. Repräsentation nigin fortführte und zu großen Teilen aus ih- chen Provinzen, die erst 1815 zu Preußen ge- und große gesellschaftliche Auftritte waren rer Privatschatulle finanzierte oder unter- kommen waren und nach wie vor eine Au- ohnehin nicht ihre Sache, gewinnender stützte. Schon 1824 gründete sie das nach ßenseiterrolle spielten.“ 15) Charme und Kontaktfreude zeichneten sie ihrer Namenspatronin, der heiligen Elisa- Der Kronprinz indessen tolerierte dieses eher weniger aus und nicht selten wirkte sie beth von Thüringen, benannte Elisabeth- Verhalten Elisabeths und einige Jahre spä- verschlossen, ablehnend oder gar arrogant. Stift in Potsdam, das junge Mädchen zu ter, als sie längst preußische Königin war, Eine Ursache für ihre Zurückhaltung ge- Haushaltsgehilfinnen ausbilden sollte, um ließ er ihr im Wildpark bei Sanssouci als Ge- genüber der Öffentlichkeit lag ganz sicher ihnen ehrbare Beschäftigungsmöglichkei- burtstagsüberraschung sogar eine Berg- auch in ihrer gesundheitlichen Labilität. ten zu eröffnen und sie so vielleicht auch hütte errichten, das sogenannte „Bayeri- Zeit ihres Lebens hatte sie immer wieder zu vor den Gefahren der Großstadt zu schüt- sche Haus“. (Fortsetzung folgt). kämpfen mit grippalen Infekten und Er- zen. Drei Jahre später übernahm sie das Pro- krankungen der Atemwege. tektorat über eine neue Realschule für Mäd- Anmerkungen Die Hochzeit des Kronprinzenpaares in- chen in Berlin und stiftete dort 1840 zehn des war eine echte Liebesheirat und die Freistellen. Gleichzeitig unterstützte sie den 1) Mathern 1967, Seite 80 Ehe der Beiden war bis zum Tod Friedrich „Verein zur Beförderung des Schulbesuchs 2) Hessel 1916, Seite 35 Wilhelms im Jahre 1861 außerordentlich armer Kinder“. Die in Berlin seit 1833 in pri- 3) Geib 1929, I. Teil, Seite 77 glücklich, was an den Fürstenhöfen der da- vater Initiative entstandenen „Kleinkinder- 4) Russ 1967, Seite 26 Bewahranstalten“ erfuhren ebenso Elisa- 5) Mohr 1981, Seite 28 beths Unterstützung wie das 1837 gegrün- 6) Feuerstein-Praßer 2008, Seite 311 dete erste evangelische Armenkrankenhaus 7) Zitiert nach Minkels 2008, Seite 48 oder die Diakonissenanstalt in Kaiserswerth 8) Zitiert nach Bissing 1974, Seite 18 bei Düsseldorf [ab 1929 Stadtteil], die sie 9) Zitiert nach Minkels 2008, Seite 73 1838 vor der Zahlungsunfähigkeit rettete 10) Zitiert nach Minkels 2008, Seite 80 und deren Schirmherrin sie wurde. Bei ei- 11) Zitiert nach Bissing 1974, Seite 23 ner Bewahranstalt in der Berliner Fried- 12) Feuerstein-Praßer 2008, Seite 247 richstadt richtete sie 1844 das „Elisabeth- 13) Zu den Anredeformen vergleiche Kinder-Hospital“ ein und 1850 übernahm Bissing 1974, Seite 28 und sie das Protektorat des „Krankenhauses der Minkels 2008, Seite 575 Barmherzigkeit“ in Königsberg. Eine 1854 14) Zitiert nach Minkels 2008, Seite 575 in Berlin eröffnete christliche Mägdeher- 15) Feuerstein-Praßer 2008, Seite 328 berge, die jungen Frauen bei Arbeitslosig- keit oder Krankheit eine Zuflucht bot, sowie Häuser für verarmte Beamten- und Lehrer- Hinweis witwen in Berlin und Potsdam wurden durch Elisabeth gefördert. Der schlesische Die in den Anmerkungen gemachten An- Kunstverein hatte sie bereits 1837 als Pro- gaben beziehen sich auf das am Ende des tektorin gewinnen können. In der preußi- mehrteiligen Aufsatzes zu findende Quel- schen Öffentlichkeit fand dieses verdienst- len- und Literaturverzeichnis. volle Engagement Elisabeths allerdings kaum die gebührende Anerkennung und trug so zu ihrer Popularität nur wenig bei. Gewiss war diese Situation nicht dazu an- getan, Elisabeths Heimweh nach Bayern Die Bad Kreuznacher Heimatblätter erscheinen entgegenzuwirken. Und dieses Heimweh monatlich in Zusammenarbeit mit dem Verein Elisabeth Ludovika als Braut. Gemälde von Joseph kollidierte immer wieder mit den Reprä- für Heimatkunde für Stadt und Kreis Bad Kreuznach Stieler um 1823. Fundstelle: Bayern & Preußen & Bayerns sentationspflichten einer Kronprinzessin und e.V. (i. A. Dr. Horst Silbermann, Preußen. Augsburg 1999, Seite 391 späteren Königin von Preußen. Ein Vorfall Dienheimer Berg 11, 55545 Bad Kreuznach). Nummer 3/2014 BadKreuznacher Beilage Bad Kreuznach Heimatblätter

Elisabeth Ludovika Prinzessin von Bayern und Königin von Preußen (1801-1873) Die Namensgeberin der Elisabethquelle in Bad Kreuznach

VON DR. PETER FUCHSS, BAD KREUZNACH

(1. Fortsetzung)

Königin von Preußen

Am 7. Juni 1840, dem Pfingstsonntag je- nes Jahres, starb König Friedrich Wilhelm III. von Preußen und sein Sohn Friedrich Wilhelm IV. trat die Nachfolge an. Damit wurde seine Frau, die bayerische Prinzessin Elisabeth Ludovika, im Alter von 38 Jahren Königin von Preußen. „Jetzt stütze mich, Elise, nun bedarf ich der Kraft“ soll der neue König am Sterbebett seines Vaters ge- sagt haben.16) Und Elisabeth war ihm eine Stütze bis zu seinem Tod im Januar 1861. Dies gilt uneingeschränkt für ihre ganz persönliche Beziehung. In einer neueren Biographie heißt es dazu: „Als geistig und von der umfassenden Bildung her eben- bürtig sowie in ihrem Denken, Fühlen, Sym- pathisieren wesensverwandt lebte Elisabeth auf allen Gebieten mit dem König eine in- nige Partnerschaft, die heute noch modern wirkt“.17) Schon am 19. Juni 1827 hatte Eli- sabeth ihrem Mann geschrieben: „Glaube mir, daß ich alles fühle und denke wie Du!“18) Ein häufiger Gast des Königspaa- res, der Diplomat Alfred von Reumont äu- ßerte: „Die Königin lebte das Leben ihres Mannes mit. Sie ist in manchem seine Er- gänzung gewesen. Seine oft übersprudeln- de Lebendigkeit und Erregbarkeit fanden in ihrer ruhigen Anschauung ein Korrektiv, sein Unmut über Widerstand und Täu- schung eine Beruhigung. Wo die Phantasie bei ihm zu überwiegen drohte, verschaffte sie der Realität ihr Recht […].19) Als der Kö- nig in seinen letzten Lebensjahren schwer Königin Elisabeth Ludovika von Preußen im Jahre ihrer Thronbesteigung (1840). Ausschnitt aus einem erkrankte, pflegte ihn Elisabeth bis an die Gemälde des Hofmalers Wilhelm Wach. Bildquelle: Wikipedia Grenzen ihrer eigenen Kräfte. An Politik anfänglich wohl eher weniger interessiert, erlangte sie im Lauf der Zeit als Beraterin ihres Mannes doch zunehmend beim gemeinsamen Frühstück des Königs- aber tatsächlich auf das Handeln ihres Man- auch politischen Einfluss. Ein amerikani- paares durch die Berichte der dabei anwe- nes einzuwirken vermochte, ist schwer zu scher Historiker meint sogar: „Es wäre ein senden Minister an jedem Vormittag über beurteilen. schwerer Fehler, ihre politische Bedeutung die jeweils relevanten politischen Themen Spätestens durch die revolutionären nach 1840 zu unterschätzen.“20) Immerhin informiert wurde und dazu eigene Positio- Ereignisse in Berlin im März 1848 wurde war sie die einzige preußische Königin, die nen entwickeln konnte. Wie stark sie die Königin mit der politischen Realität kon- 2 (Seite 10 des Jahrgangs) Bad Kreuznacher Heimatblätter -3/2014

ihres Mannes stießen bei ihr daher auf ent- schiedene Ablehnung. In diesem Denken war die Königin ver- bunden mit General Leopold von Gerlach (1790-1861), dem Kopf eines Kreises streng konservativer Männer, die über Elisabeth Einfluss auf die politischen Entscheidungen des Königs zu gewinnen hofften. In dieser sogenannten „Kamarilla“ waren Militär, Kirche, die hohe Beamtenschaft und die Landjunker, d.h. der großgrundbesitzende Adel vertreten, also alle Kräfte, die an der Aufrechterhaltung der überkommenen Ordnung in Preußen interessiert waren. Seit Ende März 1848 war der mit Fried- rich Wilhelm IV. befreundete Leopold von Gerlach nun immer häufiger zu Gast beim königlichen Frühstück und legte seine Mei- nung zu politischen Grundsatzfragen und Tagesthemen dar. Die Königin saß stets schweigend und scheinbar ohne besonde- res Interesse zu zeigen dabei, doch ist gut vorstellbar, dass sie in Gesprächen unter vier Augen immer wieder versuchte, ihren Mann im Sinne der Kamarilla und ihrer ei- genen politischen Überzeugungen zu be- einflussen. Da Friedrich Wilhelm sich in sei- Das preußische Königspaar auf Seidenbildern (1847 angefertigt in der Seidenweberei von W. und C. ner Entscheidungsfindung wohl doch häu- Dieckmann in Wuppertal-Elberfeld). Elisabeths zweiter Vorname ist falsch angegeben. Bildquelle: Wikipedia figer an den Ratschlägen Elisabeths orien- tierte, wurde so die von der Königin prote- gierte Kamarilla für mehr als ein Jahrzehnt zu einer Art konservativer Neben- oder frontiert. Seit Anfang des Monats hatte es in dem Geschehen teilzunehmen. Auf mit Schattenregierung neben den verfassungs- der Stadt Volksversammlungen und De- Zweigen bekränzten Brettern und Türblät- gemäß eingesetzten, häufig liberalen Mi- monstrationen gegeben, bei denen liberal tern waren etwa dreißig Leichen im kleinen nistern. Elisabeth Ludovika agierte dabei orientierte Bürger, Arbeiter, Handwerker Berliner Schlosshof aufgereiht. Beim Er- nie unter den Augen der Öffentlichkeit. und Studenten unter anderem Pressefrei- scheinen des Königspaares hielt man ihm Nicht nur gesellschaftlich, sondern auch po- heit, eine bewaffnete Bürgergarde, die Ein- die durch Schuss- und Bajonettverletzun- litisch blieb sie stets eine „Königin im Hin- berufung einer verfassungsgebenden Ver- gen zum Teil grässlich entstellten Körper tergrund“.23) sammlung und soziale Verbesserungen for- entgegen. Dieser Anblick erschütterte Eli- Als Friedrich Wilhelm IV. am 14. Juli derten. Unter dem Druck der Straße zeigte sabeth zutiefst. Mit einem Taschentuch, das 1857 einen ersten Schlaganfall erlitt und die sich der König am 18. März zu Zugeständ- sie sich vors Gesicht hielt, versuchte sie ihre Regierungsgeschäfte nicht mehr oder nur nissen bereit und ließ diese durch den Tränen zu verbergen. Als sie sich vorbeug- noch mit Unterbrechungen wahrnehmen Berliner Bürgermeister den auf dem te, fiel das Tuch über die Balkonbrüstung konnte, kamen auf Elisabeth zwei wichtige Schlossplatz zusammen geströmten Men- und wurde von einem Studenten aufgefan- Aufgaben zu: die Sicherstellung einer sta- schen verkünden. gen. In Erinnerung an die Hinrichtung des bilen Regentschaft in Preußen und die Pfle- Als der König auf den Balkon des Stadt- französischen Königspaares während der ge ihres Mannes. Beiden Herausforderun- schlosses trat, brach die Menge zunächst in Französischen Revolution (1793) murmelte gen zeigte sie sich voll gewachsen. Jubel aus, forderte dann aber bald in zu- Elisabeth, bleich vor Angst: „Nun fehlt bloß Die Regelung der Regentschaft gestaltete nehmend aggressiver werdenden Sprech- noch die Guillotine.“22) Mit seiner Frau, die sich nicht einfach; denn der König, der im- chören den Abzug des in der Nähe aufge- einer Ohnmacht nahe war und sich kaum mer wieder Phasen hatte, in denen es ihm zogenen Militärs. Als dieses versuchte den noch aufrecht halten konnte, kehrte der Kö- besser ging und er geistig wach war, zeigte Schlossplatz zu räumen, fielen aus Verse- nig ins Innere des Schlosses zurück. anfänglich keine Bereitschaft, auf seine kö- hen zwei Schüsse, die zwar niemanden ver- In den folgenden Tagen kam der König nigliche Macht zu verzichten. Elisabeth letzten, aber einen heftigen Straßen- und weiteren liberalen Forderungen entgegen. selbst lehnte die ihr von der Kamarilla vor- Barrikadenkampf auslösten, dem über 300 So berief er eine liberale Regierung und ließ geschlagene Übernahme der Regentschaft Demonstranten und etwa 100 Soldaten und zu, dass eine preußische Nationalver- von vornherein ab, aber nach und nach Offiziere zum Opfer fielen. sammlung zur Ausarbeitung einer Verfas- konnte sie ihren Mann davon überzeugen, Noch in der Nacht verfasste Friedrich Wil- sung gewählt wurde. Im weiteren Verlauf sich formell von seinem Bruder Wilhelm ver- helm IV. einen Aufruf „An meine lieben Ber- des Jahres verlor die revolutionäre Bewe- treten zu lassen, wobei die Vertretung auf liner“, in dem er an die Bewohner der Stadt gung jedoch an Kraft, so dass Friedrich Wil- drei Monate begrenzt sein sollte. Im Okto- appellierte, die Ordnung wieder herzustel- helm IV. am 5. Dezember die Nationalver- len und zum Frieden zurückzukehren. Er sammlung wieder auflösen und Preußen selbst versprach alle Truppen aus Berlin ab- von oben eine Verfassung aufzwingen zuziehen. Auch die Königin bezog er in sei- konnte, in welcher eine starke Stellung des nen Appell mit ein: „Hört die väterliche Monarchen verankert war. Dies kam den Stimme Eures Königs, Bewohner meines politischen Vorstellungen Elisabeths sehr treuen und schönen Berlins, und vergeßt entgegen, denn sie hatte das tatsächliche das Geschehene, wie ich es vergessen will oder vielleicht auch nur vorgebliche Sym- […] um der großen Zukunft willen, die un- pathisieren ihres Mannes mit liberalen Po- ter dem Friedenssegen Gottes für Preußen sitionen nie gutgeheißen. und durch Preußen für Deutschland anbre- Sie selbst dachte strikt konservativ und chen wird. Eure liebreiche Königin, die sehr lehnte alles ab, was die Machtstellung des leidend darniederliegt, vereint ihre innigen Königs in irgendeiner Weise einschränken tränenreichen Bitten mit den Meinigen.“21) oder gefährden konnte. Sie war fest davon Nachdem die Truppen am 19. März auf überzeugt, dass die Monarchie letztlich Befehl des Königs die Stadt verlassen hat- göttlichen Ursprungs sei und dass das da- ten, erklärte dieser sich bereit, den gefalle- raus abgeleitete Gottesgnadentum des nen Aufständischen von einem Balkon des Herrschers seine unantastbare Autorität be- Schlosses aus die letzte Ehre zu erweisen. gründe. Die revolutionären Forderungen Die Aufbahrung der „Märzgefallenen“ auf dem Ungeachtet ihres schlechten Gesundheits- und Umtriebe des Jahres 1848 sowie ein Gendarmen-Markt in Berlin 1848 (unvollendetes zustandes bestand die Königin darauf, an Großteil der darauf gezeigten Reaktionen Ölbild von Adolph von Menzel). Bildquelle: Google Bilder Bad Kreuznacher Heimatblätter -3/2014 (Seite 11 des Jahrgangs) 3

war, zog sich Elisabeth Ludovika völlig aus sabeth „eine unvergleichliche, vortreffliche der Öffentlichkeit zurück. Wenn ihre Ge- Königin und Frau“.29) sundheit es erlaubte, besuchte sie nach wie Dorothea Minkels, eine Historikerin un- vor gerne ihren Stiefbruder Karl am Te- serer Tage, bedauert, dass Königin Elisa- gernsee und ihre Schwestern in Sachsen, beth von Preußen bislang nur eine Würdi- Bayern und Österreich. Ansonsten ver- gung erfahren habe, „die über ihre Bedeu- brachte sie die ihr noch verbleibenden fast tung als schöne, treu liebende Ehefrau und dreizehn Lebensjahre vorwiegend in den vorbildliche Pflegerin ihres kranken Man- Schlössern Sanssouci (Potsdam), Charlot- nes kaum hinausging“,30) und meint, dies tenburg (Berlin) und Stolzenfels am Rhein. sei eine reduzierte Sicht, die überdacht und Letzteres hatte die Stadt Koblenz schon geändert werden müsse. 1823 dem damaligen Kronprinzen Friedrich Wilhelm als Ruine geschenkt und er hatte es in den dreißiger Jahren des 19. Jahrhun- Hochfürstliche Verwandte derts durch den Hofarchitekten Karl Fried- rich Schinkel in gotisierendem Stil zu einer Elisabeths Vater Maximilian I. (1756- prächtigen Residenz auf- und ausbauen las- 1825) war seit 1806 der erste König von Bay- sen. ern. Sein aus erster Ehe stammender Sohn Am 29. Oktober 1873 starb Elisabeths Ludwig I. (1786-1868), bayerischer König Schwager, König Johann von Sachsen, und von 1825 bis 1848, war ihr Stiefbruder und Elisabeth Ludovika als Witwe (Foto von Hanns am 8. November reiste sie –obwohl ge- sie selbst damit Stieftante seiner beiden Hanfstaengl, Dresden, um 1865). sundheitlich selbst stark angegriffen –nach Söhne Maximilian II. (1811-1864, seit 1848 Fundstelle: Karin Feuerstein-Praßer, Die preußischen Königinnen, Dresden, um ihrer Zwillingsschwester Ama- König von Bayern) und Otto I. (1815-1867; München 2008, gegenüber S. 193 lie in der Trauerzeit beizustehen. Doch 1832-1862 König von Griechenland). schon ihren 72. Geburtstag am 13. Novem- Über ihre eigene Familie, die pfälzisch- ber musste sie mit starken Atembeschwer- bayerischen Wittelsbacher, und die Familie den im Bett zubringen. Die diagnostizierte ihres Mannes, die preußischen Hohenzol- ber 1857 unterzeichnete der König eine ent- Lungenentzündung schien sich zwar An- lern, hatte Königin Elisabeth Verwandte in sprechende Kabinettsorder, die dann drei- fang Dezember zu bessern, doch dann er- vielen deutschen und europäischen Fürs- mal um jeweils drei Monate verlängert wur- folgte ein Rückschlag mit zunehmender tenhäusern. Einige davon seien nachfol- de. Am 7. Oktober 1858 übernahm Prinz Atemnot, heftigem Husten und längeren gend aufgeführt: Wilhelm schließlich die zeitlich unbe- Phasen der Bewusstlosigkeit. Am 14. De- Durch ihre Schwestern Maria Anna Leo- schränkte Regentschaft für seinen Bruder, zember 1873, eine Viertelstunde vor Mit- poldine (1805-1877) und Amalie Auguste der damit praktisch als König abdankte. ternacht, hörte ihr Herz auf zu schlagen. (1801-1877) war Elisabeth Schwägerin Nun konnte sich Elisabeth völlig der Pfle- Am 16. Dezember brachte ein Trauerzug zweier sächsischer Könige. Die Erstge- ge ihres Mannes widmen. Einer ihrer Bio- ihren Leichnam von Schloss Pillnitz, ihrem nannte heiratete 1833 König Friedrich Au- graphen schreibt: „Die Königin ging in der Sterbeort, ins nahegelegene Dresden, von gust II. von Sachsen (1797-1854, König seit Pflege völlig auf. Meist saß sie neben dem wo er mit der Eisenbahn nach Berlin über- 1836). Nach dessen Tod bei einem Kutsch- Rollstuhl ihres Gatten und suchte ihm alle führt wurde. Ihr Sarg wurde, geschmückt unfall in Tirol im August 1854 bestieg der Wünsche von den Augen abzulesen. Von mit den bayerischen und preußischen Wap- Ehemann ihrer Zwillingsschwester Amalie Zeit zu Zeit war sie wegen des fehlenden pensymbolen, zunächst im Sterbezimmer Auguste als Johann I. (1801-1873) den säch- Nachtschlafes so müde, daß sie beinahe im ihres Mannes im Schloss Sanssouci aufge- sischen Thron. Amalie Auguste hatte ihn be- Stehen einschlief. Nur der Hinweis, daß die bahrt und dann am 20. Dezember 1873 an reits 1822 geheiratet. Pflege des Königs zusammenbräche, wenn der Seite Friedrich Wilhelms IV. beigesetzt. Über zwei weitere Schwestern war sie so- auch sie durch Krankheit ausfalle, konnte Die Grabrede hielt der evangelische Hof- wohl Tante des österreichischen Kaisers sie dazu bewegen, sich am Tage etwas Ru- prediger Heim über Vers 8aus Kapitel 14 Franz Joseph I. (1830-1916, Kaiser seit 1848) he zu gönnen“24) des Markus-Evangeliums: „Sie hat getan, als auch seiner Gemahlin Elisabeth („Sisi“, Reisen in klimatisch günstige Gebiete, was sie konnte.“ 1837-1898). Franz Joseph war ein Sohn ih- die ihm seine Ärzte empfahlen, brachten Ihr Schwager König Wilhelm I. von Preu- rer Schwester Sophie Friederike (1805- dem König zwar kurzfristig Linderung sei- ßen, der knapp drei Jahre zuvor auch Deut- 1872), die 1824 den Erzherzog Franz Karl Jo- ner Leiden, führten aber keine nachhaltige scher Kaiser geworden war, hatte noch am hann von Österreich (1802-1878) geheiratet Besserung herbei. Dies gilt für einen län- 27. November zu Ehren Elisabeths alle hatte, und Sisi war eine Tochter ihrer geren Aufenthalt am Tegernsee im Sommer Dienstgebäude Preußens beflaggen lassen, Schwester Ludovika Wilhelmine (1808-1892) 1858 und für eine mehrmonatige Reise nach weil sie an diesem Tag vor fünfzig Jahren aus deren 1828 geschlossenen Ehe mit Her- Italien vom Herbst 1858 bis zum Frühjahr erstmals preußischen Boden betreten hatte. zog Maximilian in Bayern („Zither-Maxl“, 1859. Weihnachten verbrachte man in Rom, Nun verfügte er eine sechswöchige Lan- 1808-1888). Sisi war auch Elisabeths Pa- wo das Königspaar auch mit Papst Pius IX. destrauer. Die Reaktion in der Bevölkerung, tenkind. zusammentraf. Zurück in Berlin erlitt Fried- die am 17. Dezember aus der Presse von Eli- Der unglückliche Kaiser Maximilian I. rich Wilhelm IV. im Herbst 1859 zwei wei- sabeths Tod erfahren hatte, war eher ver- von Mexico (1832-1867), ein weiterer Sohn tere Schlaganfälle, in deren Folge er links- halten. Einige Gastwirte beantragten noch ihrer Schwester Sophie, war ebenfalls Eli- seitig gelähmt war und kaum noch spre- vor der Beisetzung der Toten bei der Polizei sabeths Neffe. Er war 1864 unter französi- chen konnte. Von da an wurde Elisabeth Ausnahmegenehmigungen, weil ihnen Ein- „sein Auge, sein Ohr und sein Mund“.25) nahmen aus geplanten und nun infolge der Im Verlauf des Jahres 1860 ließen die Staatstrauer untersagten Tanzveranstaltun- Kräfte des Königs zusehends nach und gen zu entgehen drohten. nachdem ihn am 4. November wiederum Die Urteile der Zeitgenossen über Elisa- ein Schlaganfall getroffen hatte, verschlech- beth Ludovika und ihre Bedeutung als Kö- terte sich sein Zustand zum Jahresende so nigin von Preußen gingen weit auseinan- sehr, dass mit seinem baldigen Ableben ge- der. Gustav Rochus von Rochow, Minister rechnet werden musste. Am 2. Januar starb Friedrich Wilhelms IV., schrieb über sie: er im Kreise seiner Angehörigen. Elisabeth, „Als Mensch und als Frau hat sie viele vor- die zuvor mehr als dreißig Stunden unun- treffliche Eigenschaften, ihr geht aber das terbrochen an seinem Sterbebett ausgeharrt Großartige in ihrem Wesen ab, was die Kö- hatte, hatte den Mittelpunkt ihres Lebens nigin ausmacht.“27) Adolf Prinz zu Hohen- verloren. Sie war am Ende ihrer Kräfte. „Ich lohe-Ingelfingen, zeitweiliger preußischer falle zusammen“, sagte sie, „ich weiß gar Ministerpräsident, hingegen wunderte sich nicht, wozu ich noch leben soll. Ich habe kei- darüber, „woher es wohl gekommen sein nen Zweck mehr. Ein Glück für mich, daß mag, daß diese vortreffliche Königin, eine ich eine alte Frau bin, und daß es nicht der vollendetsten Frauen, die je gelebt ha- mehr lange dauern kann.“26) ben, nicht nur so unpopulär war, sondern Nachdem der König am 7. Januar 1861 in auch, solange der König regierte, verleum- Schloss Stolzenfels bei Koblenz war einer von der Potsdamer Friedenskirche beigesetzt det und gehasst wurde.“28) Für ihn war Eli- Elisabeths Alterssitzen. Bildquelle: Google Bilder 4 (Seite 12 des Jahrgangs) Bad Kreuznacher Heimatblätter -3/2014

scher Protektion in Mexiko zum Kaiser aus- ge. Des Mittags vereinigten sich mehrere gerufen worden. In einem sich anschlie- Gesellschaften, in denen für die hohen Neu- ßenden Bürgerkrieg wurde er von seinen re- vermählten die herzlichsten Wünsche über- publikanischen Gegnern besiegt und da- all gehört wurden. nach hingerichtet. Am Abende fand eine glänzende Be- Elisabeths Schwägerin Charlotte (1798- leuchtung statt. Besonders zeichneten sich 1860), die Lieblingsschwester ihres Mannes, die Ruinen des alten Schlosses Kautzen- hatte 1817 den Zaren Nikolaus I. von Russ- berg, das Rathhaus, die Wohnung des Land- land (1796-1855, Zar seit 1825) geheiratet. raths, das Gymnasium, die Thürme der Pau- Als Zarin trug sie den Namen Alexandra lus- und der Wilhelms-Kirche, nebst meh- Feodorowna. Als Elisabeths Mann Friedrich reren Privatwohnungen aus. Der milde stille Wilhelm IV. im Jahre 1861 starb, wurde ihr Abend begünstigte die reiche Beleuchtung Schwager Wilhelm I. (1797-1888) König von auf das erfreulichste. Die ganze Bevölke- Preußen und bei der Reichsgründung 1871 rung der Stadt und nächsten Umgebung –auch das erlebte sie noch –erster Deut- wogte auf den Straßen. Ein leichter Nebel scher Kaiser. verschaffte der glänzenden Beleuchtung des dem königlich baierischen Geheimen- rathe Freiherrn v. Recum gehörenden Kaut- Der Kreis Kreuznach feiert die Hochzeit des zenberges einen wundersamen Reiz. Wie preußischen Kronprinzenpaares ein Feen-Pallast schien das Gebäude in Kaiserin Elisabeth von Österreich („Sisi“), glänzendem Feuer auf Wolken zu schwe- Elisabeths Nichte und Patenkind (Foto um 1870). Auch wenn Elisabeth Ludovika nie in ben.“ Zu Ehren des Hochzeitspaares waren Fundstelle: Karin Feuerstein-Praßer, Die preußischen Königinnen, Kreuznach gewesen ist, so haben sie und an vielen Stellen der Stadt Inschriften an- München 2008, gegenüber S. 193 ihr Gemahl dort doch Wirkungen hervor- gebracht wie etwa die folgende: „Der Liebe gebracht und Spuren hinterlassen, die in segnend Band, das Sieund Ihnumwand, den folgenden Kapiteln näher beleuchtet umschließt auch Stadt und Land.“ werden. „Des Abends um 7Uhr hörte man die Ka- ging, und worinn er, unter Anrufung des Al- Der erste Anlass, der das Kronprinzen- nonen abermals durch den ganzen Nahe- lerhöchsten für das Glück des Königlichen paar ins Blickfeld der Bevölkerung von gau, die Glocken stimmten ein, und plötz- Hauses, auf eine rührende Weise die frohen Stadt und Kreis Kreuznach rückte, war des- lich erhoben sich von allen hohen Gypfeln Hoffnungen dieses neuen Zuwachses eines sen Vermählung im November 1823. Am des Gebürges […] mächtige Flammen-Säu- sein Volk beglückenden Regentenstammes 22. November schrieb Landrat Ludwig Phi- len und verkündeten weit in die nachbarli- bezeichnete und zur innigsten Verehrung, lipp Hout an den Kreuznacher Oberbür- chen Provinzen hinein die allgemeine Freu- zum Danke und zur Liebe gegen denselben, germeister Franz Xaver Buß: „Am 29ten d. de des Volkes, das überall in freudigen Zü- mit gewichtigen Worten hinlenkte.“ Mts [des Monats] ist das Vermählungsfest gen nach den Bergfeuern wallte und durch (Fortsetzung folgt). Seiner Königlichen Hoheit des Kronprinzen. Musik, Gesang und Tanz und Freudenfeuer Es wird vermuthlich der Königlichen Re- seinen Jubel offenbarte […]. gierung sehr angenehm seÿn, baldigst zu er- Die Bürger hier hatten […] noch ein Fest Anmerkungen fahren, ob und welche Feÿerlichkeiten da- für den Abend bereitet und dazu eine Men- beÿ statt gefunden haben. Am 30ten dieses ge Familien der Stadt und Gegend, nebst 16) Zitiert nach Feuerstein-Praßer 2008, Monats erwarte ich die Anzeige von den et- den nächsten königlich baierischen Beam- S. 329 wa auch durch Sie eingeleiteten Feÿerlich- ten mit ihren Familien, eingeladen. Die 17) Minkels 2008, S. 2 keiten, nebst der Liquidation der Kosten zahlreiche Versammlung fand sich in einem 18) Zitiert nach Feuerstein-Praßer, S. 324 dieses National-Festes, die ich mit Vergnü- mit Laubguirlanden und Blumen ge- 19) Zitiert nach Minkels 2008, S. 399 gen anweisen werde.“ 31) Am Tag darauf schmackvoll decorirten und glänzend er- 22) Zitiert nach Clark 2007, S. 546 ergänzte Hout: „Freudenfeuer sollen am leuchteten Saale ein. Die Kronleuchter wa- 23) Feuerstein-Praßer 2008, S. 329 Abend des 29. November gleichzeitig um 7 ren mit den königlich preußischen und kö- 24) Bissing 1974, S. 71 Uhr abgebrannt werden.“ 32) niglich baierischen Hausfarben ge- 25) Minkels 2008, S. 593 Diese Schreiben des Landrats lösten im schmückt. […] Ein glänzender Ball begann 26) Zitiert nach Bissing 1974, S. 73 Kreis Kreuznach eine Vielzahl von Feier- hierauf; einzelne Kreise vereinigten sich zur 27) Zitiert nach Minkels 2008, S. 599 lichkeiten aus, die in einem damals er- Abendmahlzeit, wobei Sr. Majestät dem Kö- 28) Zitiert nach Feuerstein-Praßer, S. 326 schienenen Sonderdruck 33) detailliert be- nige und den Durchlauchtigsten Neuver- 29) Zitiert nach Bissing 1974, S. 82 schrieben sind. Die nachfolgenden Text- mählten die herzlichsten Lebehoch ge- 30) Minkels 2008, S. 603 passagen sind diesem Sonderdruck ent- bracht wurden. Das Vergnügen hielt die Ge- 31) Dieses und das folgende Zitat aus: nommen. sellschaft bis gegen den Morgen beisam- Stadtarchiv Bad Kreuznach (StAKH) „Die Nachricht von der Vermählung Sr. men und man trennte sich in der freudigs- Nr. 2463 Königlichen Hoheit des Kronprinzen mit der ten Stimmung. Unter die Armen ward Brod 32) Am 27. November wandte sich Förs- Prinzessin Elisabethvon Baiern erhob und Wein ausgetheilt […]“ ter Bauer in diesem Zusammenhang und begeisterte die ganze Bevölkerung des Es folgt die Beschreibung der Feierlich- an Oberbürgermeister Buß mit dem Kreises […]. Alle Orte des Kreises wettei- keiten in den Gemeinden Stromberg, Man- Hinweis, dass die Hofleute für den ferten, ihre Freude und Theilnahme an dem del, Hüffelsheim, Monzingen, Wallhausen, Transport eines Klafters Feuerholz Vermählungstage, am 29ten November, öf- Kirn, Langenlonsheim und Waldalgesheim, „auf die Gantz“ [heute: Gans, felsige fentlich zu erkennen zu geben. die alle in ähnlicher Weise abliefen. Mit ei- Erhebung zwischen Bad Kreuznach Am Vorabende hörte man alle Glocken ner Schilderung der Festlichkeiten in So- und Bad Münster] eine erhöhte Be des Kreises, und der Kanonendonner ruhte bernheim schließt der Sonderdruck: zahlung forderten, „weil es immer nicht bis spät in die Nacht. Eben so wurde „In der Bürgermeisterei Sobernheim war Berg auf ginge und (sie) nicht viel der Festtag selbst des Morgens 6Uhr an- der Jubel besonders groß. Am Vorabend aufladen könnten“. (StAKH Nr. 2463) gekündiget, und theilnehmend stimmten hörte man in den 16 Gemeinden dieser und 33) Der Sonderdruck, dem alle weiteren nun die Glocken der benachbarten König- der Bürgermeisterei Winterburg alle Glo- Zitate dieses Kapitels entnommen lich Baierischen Gemeinden [die seit 1816 cken und den Donner der Böller. Der Mu- sind, hat den Titel „Sr. Königlichen zum Königreich Bayern gehörenden nord- sikverein der Stadt veranstaltete ein Con- Hoheit des Kronprinzen von Preußen pfälzischen Gemeinden südlich der Na- cert. […] Nach neun Uhr versammelten sich Vermählungs-Fest im Kreise Kreuz- hegrenze] mit ein. Um 10 Uhr des Morgens auf dem Rathhause viele Bürger, die sämt- nach.“ (StAKH Nr. 2463) versammelten sich hier [in Kreuznach] der lichen Gemeindevorsteher beider Bürger- Magistrat und eine Deputation der Bürger meistereien mit dem Bürgermeister, und be- auf dem Rathhause, beschlossen und un- gaben sich in das Gebäude der höhern terzeichneten eine Adresse an Se. Majestät Stadtschule; von da an in einem Zuge, die den König, worinn sie auf das ehrfurchts- Lehrer der Anstalt mit den Schülern an der Die Bad Kreuznacher Heimatblätter erscheinen vollste ihre Freude über eine Verbindung Spitze, in die gemeinschaftliche Pfarrkirche. monatlich in Zusammenarbeit mit dem Verein ausdrückten, welche eine neue Bürgschaft Von einer schönen Musik empfangen hielt für Heimatkunde für Stadt und Kreis Bad Kreuznach für die seegensreiche Fortdauer des hohen hierauf Herr Rektor Otto eine herrliche Re- e.V. (i. A. Dr. Horst Silbermann, Regentenstammes dem treuen Volke brin- de, die vom Herzen kam und zum Herzen Dienheimer Berg 11, 55545 Bad Kreuznach). Nummer 4/2014

BadKreuznacher Beilage Bad Kreuznach Heimatblätter

Elisabeth Ludovika Prinzessin von Bayern und Königin von Preußen (1801-1873) Die Namensgeberin der Elisabethquelle in Bad Kreuznach

VON DR. HORST SILBERMANN, BAD KREUZNACH

(2. Fortsetzung) wollen, so ist mir eine nähere Anzeige bei Zeiten zu machen, damit ich diese Absicht mit den übrigen Feierlichkeiten in Über- Das Kronprinzenpaar an der Nahe einstimmung bringe. Wollten die Herrn Bürgermeister den ho- Im Juli 1825 kam Elisabeth Ludovika der hen Reisenden ein paar schickliche Worte Stadt Kreuznach am nächsten, ohne jedoch im Namen der Gemeinden sagen, so wün- direkt dorthin zu gelangen. Am 7. Juli 1825 sche ich, daß sie sich zur Wahl eines Spre- teilte der Landrat des Kreises Kreuznach chers aus ihrer Mitte vereinigten und […] dem Oberbürgermeister der Stadt Kreuz- die Wohltätigkeit des Königs und des Kö- nach das Folgende mit: „Ihre K.K. [Königli- nigl. Hauses […] zum Gegenstand der mög- chen] Hoheiten der Kronprinz und die Kron- lichst kurzen Rede nehmen […]. prinzessin von Preußen werden am 15. d.M. Von der Einsicht aller Verständigen ist [des Monats, in Wirklichkeit sollte es der 16. ohnedem zu erwarten, daß die hohen Rei- Juli werden] Morgens auf Ihrer Reise von senden nicht mit Klagen und unschickli- Mainz nach Koblenz und Ems den hiesigen chen Bitten behelligt werden, deren Ge- Kreis zu Wasser oder zu Land berühren. genstand, so weit er allgemein ist, der Prinz Es nicht die Absicht, Feierlichkeiten vor- ohnehin kennt, fühlt und so viel an Ihm ist Ludwig Philipp Hout – Landrat des Kreises Kreuz- zuschreiben, inzwischen werden Ehrfurcht und der unwiderstehliche Drang ungünsti- nach von 1818 bis 1846. und Liebe die Kreis Angehörigen veranlas- ger Zeiten zulässt, zu lindern bemüht ist, je- Bildvorlage: Kreismedienzentrum Bad Kreuznach sen, Ihre K.K. Hoheiten nicht ohne Beweise denfalls aber Hochdieselben auf einer davon vorüber ziehen zu lassen. Bereits Durchreise Niemandem helfen, wohl aber werden hier Vorarbeiten getroffen, zu Was- eine Zufriedenheit mit hinwegnehmen, die ser oder an der Binger Brücke [Drususbrü- in der Folge manchem Hülfe und Trost brin- wie ich wünsche, daß Sie sich über den von cke] Hochdieselben einfach aber herzlich gen kann. mir vorgeschlagenen weißen Anzug mit zu empfangen. In diesem Sinne und nach dieser meiner grüner Garnirung und Schärpe und den frei- Wer sich von den Herren Beamten da bei Absicht wollen Sie das erfreuliche Ereigniß en Haarputz mit Blumen unter einander ver- Zeiten einfinden will, wird mir willkommen möglichst bekannt machen, was zur Ver- ständigen wollen.“ Immerhin 34 der ange- sein, und es findet sich wohl Gelegenheit zu herrlichung des Tages beitragen kann. Von schriebenen jungen Damen, darunter An- einer Vorstellung derselben vor dem Früh- dem was geschehen soll erwarte ich schleu- tonia Hout, die Tochter des Landrats, er- stücke, welches ich im Oberzollamte oder nigst Nachricht.“ 34) klärten sich zur Teilnahme bereit. auf einer benachbarten Höhe ehrfurchtsvoll Noch am selben Tag gab Oberbürger- Während solchermaßen die Vorberei- anzubieten mir die Ehre geben werde. meister Buß die Einladung an „die Herren tungen auf den hohen Besuch im Kreis Ihre K.K. Hoheiten reißen [sic!] haupt- Mitglieder des Magistrats“ weiter mit dem Kreuznach anliefen, schien das mit Span- sächlich zur Befestigung der Gesundheit Wunsch, „daß diejenigen Herrn, welche an nung erwartete Ereignis noch in letzter Mi- unserer hochverehrten Kronprinzessin; die- der Feÿer Antheil zu nehmen gesonnen nute ins Wasser zu fallen. Es wurde nämlich ses und die Schicklichkeit erfordert, alles sind, in einem vollständig schwarzen Anzug bekannt, dass das Kronprinzenpaar nach Unangenehme zu entfernen und die be- erscheinen mögen.“ dem ursprünglich festgelegten Reiseplan treffenden Herrn Bürgermeister wollen da- Am 8. Juli schrieb Buß an einen Kreis von von Schwetzingen kommend über Oppen- her für die strenge Ordnung sorgen und be- 78 “Jungfrauen“: „Indem ich die Ehre habe, heim, Mainz und Rüdesheim am Rhein di- sonders dafür daß die aus den weit gelege- Sie […] unter vorausgesetzter Zustimmung rekt per Schiff nach Koblenz fahren würde, nen Ortschaften zu vereinigenden Böller, zu Ihrer Eltern zu der Begrüßung des hohen ohne den nördlichen Teil des Kreises Kreuz- deren Gebrauch und Anschaffung von hin- Fürstenpaares höflichst einzuladen, bitte nach zu betreten. reichendem Pulver ich hiermit ermächtige, ich, daß Diejenigen, welche daran Antheil Über den weiteren Verlauf der Dinge nur auf den geeigneten Höhen aufgestellt zu nehmen wünschen, sich am Sonntage sind wir wieder genauestens durch einen und durch erprobte Personen bedient wer- [10. Juli] Nachmittags 3 Uhr in dem Saale Sonderdruck unterrichtet, der bei E. J. Henß den, keineswegs aber nahe am Rheine oder des hiesigen Musik-Vereins versammeln in Kreuznach erschien. 35) Dort ist zu lesen: gar auf der großen Straße. Sollten einzelne mögen, um die nöthigen ferneren Anord- „Es war den 8ten und 9ten dieses Mona- Orte das hohe Paar besonders begrüßen nungen gemeinschaftlich zu besprechen, so tes, daß sich in dem Kreise [Kreuznach] die 2 (Seite 14 des Jahrgangs) Bad Kreuznacher Heimatblätter - 4/2014

cher Freundlichkeit und Milde die vorge- Als Elisabeth und Friedrich Wilhelm un- tragenen Hoffnungen und Wünsche mit den ter dem Bogen der Ehrenpforte angekom- auch Rheinabwärts bereits erregten sehn- men waren, sprach Landrat Hout folgende suchtsvollen Erwartungen […] in Überein- Begrüßungsworte: „Ihren Königlichen Ho- stimmung zu bringen mit hinreißender Güte heiten, hier an der Römerbrücke, jetzt (eine) bemüht waren […]“ Der Landrat erhielt die der preußischen Grenzmarken, im Namen Erlaubnis, am Morgen des 16. Juli im rechts- des Kreises Kreuznach ein herzliches ‚W i l l- rheinischen Rüdesheim, wo das Kronprin- k o m m e n’ ehrfurchtsvoll entgegen zu brin- zenpaar beim Herzog von Hessen-Nassau gen, bin ich beauftragt von Stadt und Land. logierte, weitere Befehle einzuholen. Doch Es fühlen sich des Kreises Bewohner zu schon in der Nacht erhielt die Landesdepu- Ihren Königlichen Hoheiten v i e l f a c h hin- tation die Zusicherung, dass Friedrich Wil- gezogen. Es mußten nemlich Sr. Majestät helm und Elisabeth zusammen mit dem Her- des Königes Gerechtigkeit und Milde, al- zog von Nassau nach ihrer Landung in Bin- lerhöchst Desselben väterliche Vorsorge in gen über die Drususbrücke kommend den Zeiten der Noth und die Königliche Stand- Norden des Kreises Kreuznach betreten haftigkeit in großen Gefahren die Gemüt- und sich dort für etwa zwei Stunden auf- her allen Volkes zu allerhöchst Derselben halten würden. Person und zu dem Königlichen Hause hin- Am 16. Juli um 11 Uhr morgens näherten ziehen! – sich die Schaluppen [große Boote] des Her- Dann aber findet das Volk in den hohen Franz Xaver Buß – Kreuznacher Oberbürgermeister zogs von Nassau der in Bingen vorbereite- Tugenden aller Glieder des Königlichen von 1819 bis 1845. Bildgeber: Stadtarchiv Bad Kreuznach ten Anlegestelle und die hohen Herrschaf- Hauses eine sichere Bürgschaft für die Zu- ten gingen an Land, wo sie von Landrat kunft, so groß, so beglückend, wie sie selten Hout und zwei Mitgliedern der Landesde- einem Volke, und nur durch des Allmächti- putation empfangen wurden. In bereitste- gen besondere Gnade, zu Theil werden Nachricht verbreitete, Ihre Königlichen Ho- henden Wagen ging es nun unter den Au- mag! heiten der Kronprinz und die Kronprinzes- gen Tausender von Schaulustigen, die sich Endlich fesselten Eure Königliche Hoheit sin würden in wenig Tagen die Gränzen auf den Straßen und den umliegenden An- alle Herzen durch Höchst Ihre Vermählung des Reiches [gemeint ist das Königreich höhen eingefunden hatten, Richtung Nahe, mit der a n m u t h s v o l l s t en Fürstin aus Preußen] und des Kreises auf Ihrer Reise die damals die Grenze zwischen dem Groß- dem hochberühmten Fürstenstamme, dem von Mainz nach Koblenz berühren. […] herzogtum Hessen und dem Königreich dieser Landestheil Jahrhunderte angehör- Aus allen Theilen des Kreises fand sich Preußen bildete. Berittene Kommunal-Förs- te.“ Mit dieser Bemerkung erinnerte der […] eine Landesdeputation […] zusammen ter bildeten die Spitze des Zuges und eine Landrat daran, dass ein Großteil des Kreuz- und ersuchte schon am 14ten den Landrath, Abteilung berittener Gendarmerie [Polizei] nacher Kreisgebiets bis zum Endes des 18. sie Ihren Königlichen Hoheiten unverzüg- schloss ihn ab. Im großherzoglich-hessi- Jahrhunderts mehr als dreihundert Jahre lich entgegen zu führen, so weit es auch schen Bingen hatte „der feine Sinn und das lang von den pfälzischen Wittelsbachern, al- seyn mögte, um Höchstdenselben die Wün- nachbarliche Wohlwollen der Behörden und so den Vorfahren Elisabeths, regiert worden sche des Kreises ehrfurchtsvoll entgegen zu der Bürger die Straßen […] mit Wasser be- war. Hout fuhr fort: „Der laute Jubel, die bringen. So biederen, so achtungswürdigen sprengen und alle Hindernisse der Fahrt auf herzinnige Theilnahme aller Classen der Entschlüssen musste die That auf dem Fuße denselben beseitigen lassen.“ Als die hohen Bevölkerung, die treuste Liebe, wie sie sich folgen, und noch desselben Tages ward die Gäste sich der Drususbrücke näherten, er- an Ihrer Königlichen Hoheit Vermählungs- Abreise, vorerst nach Mainz, angetreten, tönten von den Bergen und dem Mäuse- tage gezeigt, sie leben fort in aller Herzen während die Anstalten zu einem den Ge- turm zahlreiche Böllerschüsse. […].“ sinnungen und Gefühlen der Einwohner Auf der preußischen Seite der Brücke hat- Anschließend traten sieben Jungfrauen möglichst entsprechenden Empfange mit te man aus Laubwerk und Blumen in der zur Begrüßung vor die hohen Gäste und ei- rastloser Thätigkeit, ja mit einem an Be- Form eines antiken Tores eine Ehrenpforte ne von ihnen, die Tochter des Landrats, trug geisterung gränzenden Eifer fortgesetzt und errichtet, an der die Namenszüge des Kron- ein mehrstrophiges Huldigungsgedicht 36) beschleunigt wurden, ohne daß die Nächte prinzenpaares angebracht waren. Die Fels- vor. Zwei Abdrucke dieses Gedichts waren und eine überaus große Hitze auch nur ei- wand gegenüber der Ehrenpforte war mit in weißen Samt gebunden worden. Einer nen augenblicklichen Stillstand gebieten Laub verkleidet und davor standen „gegen davon war mit einer Rose verziert, der an- konnten. Hundert Jungfrauen des Kreises, aufbre- dere mit einem Eichen- und Lorbeerkranz. Je weiter die Landesdeputation ihren chenden Rosen gleich als schönste Blüthe Auf einem mit Silber geschmückten Kissen Weg verfolgte, je mehr drohten alle Nach- des Landes“. In einem weiten Kreis hatten aus blauer Atlas-Seide wurden die beiden richten über die schon früher getroffenen sich die Mitglieder der Landesdeputation, Gedicht-Exemplare den Königlichen Ho- Reise-Einrichtungen [Festlegung des Rei- die Bürgermeister der umliegenden Ort- heiten überreicht „und huldvoll aufgenom- seweges] der hohen Herrschaften die hei- schaften, eine Abordnung der Kreuznacher men“. ßen Wünsche des Kreises zu vereiteln. […]“ Evangelischen Synode und viele angese- Weiter berichtet der hier zitierte Sonder- Da „die Wahrscheinlichkeit vorlag, daß in hene Bewohner des Kreises Kreuznach ein- druck: „Es wurden nun, in Wiederholung Mainz bei einem großen Andrange von gefunden. der uralten Landes-Sitte, von den Jung- Menschen die Zeit fehlen mögte, eilte die Landesdeputation weiter den Rhein hinauf, fest entschlossen, selbst bis Schwetzingen, wo die hohen Reisenden übernachteten, wenn es die Zeit erlaube, entgegen zu ge- hen. Die entgegenkommenden Nachrichten veranlaßten jedoch dieselbe, in Oppenheim den ersehnten Augenblick, die Wünsche des Landes [d.h. des Kreises Kreuznach] vorzutragen, abzuwarten. Am 15ten gegen 5 Uhr Abends erschien derselbe. Die Wagen der hohen Reisenden rollten im Fluge heran, der Landrath hatte das Glück Gehör zu erhalten, die Landes- deputation vorzustellen, welche durch ihren Sprecher, den Direktor Otto, mit aller Wär- me und dem Eifer, der sie dahin getrieben, ihre und des Landes Wünsche mit Worten des Herzens aussprach. So sehr dieselben auch die einmal fest- gesetzte und voraus verkündete Reise-Ord- Blick von Bingen auf das linke Naheufer (1837). Dort ist links das preußische Hauptzollamt zu sehen, an nung stören mußten – die h o h e n R e i- dem die hohen Gäste auf ihrem Weg zur Elisenhöhe vorbeizogen. s e n d e n waren es, welche mit Engel glei- Fundstelle: Wolfgang Reiniger und Ingrid Faust, Bingen am Rhein. Bilder einer alten Stadt. Bad Kreuznach 1994, S. 254 Bad Kreuznacher Heimatblätter - 4/2014 (Seite 15 des Jahrgangs) 3

A l l e n ein liebster Wunsch erfüllt war“. Um 13.00 Uhr machte sich der Wagenzug des Kronprinzenpaares auf den Rückweg den Berg hinunter an den Rhein, wo die kö- niglichen Hoheiten gegenüber von As- mannshausen eines der am Ufer liegenden Schiffe des Herzogs von Nassau bestiegen, um stromabwärts Richtung Koblenz zu fah- ren. Der Kreuznacher Landrat begleitete die Abreisenden zu Pferd bis zur Stelle der Ein- schiffung. Während die Schiffe allmählich aus dem Blickfeld verschwanden, ging droben auf der Elisenhöhe das Feiern weiter: „ein Je- der wollte etwas von den Erfrischungen be- sitzen, welche die h o h e n R e i s e n d e n be- Die Drususbrücke südlich von Bingen (um 1845). Hier überschritt das Kronprinzenpaar am 16. Juli 1825 die rührt, ein Jeder wollte d a sich laben; eine hessisch-preußische Grenze. Fundstelle: Reiniger/Faust 1994, S. 343 Menge von Erfrischungen wurde noch bei- geschafft und im Vereine mit mehreren unserer Hessischen und anderen Nachba- ren frohe Stunden verlebt. […] Der Herr frauen Akva und Bauer Brod aus diesjähri- pertsberge vorüber, wo das Hauptzollamts- Oberbürgermeister […] und mehrere An- gem Roggen und von den Jungfrauen Em- Gebäude mit Laubgewinden festlich ge- dere von Bingen wurden besonders einge- mermann und rother und weißer schmückt war, nach einer Höhe des steilen laden, als Zeichen unserer Erkenntlichkeit Nahewein in kristallenen Pokalen ehr- Gebürges zu ziehen, von welcher man eine für die empfangenen nachbarlichen Hülfs- furchtsvoll dargeboten, und Ihre Königl. Ho- herrliche Aussicht den Rhein aufwärts […] Leistungen.“ heiten, altem Brauche geneigt sich zeigend, und abwärts […] genießt. Dorthin war in Schließlich endete der Tag, „dessen herz- geruhten diese Gaben anzunehmen und zu sechstägiger Arbeit eigens ein neuer Fahr- innige Freude auf keine Weise durch irgend kosten. Hierauf überreichten die beiden weg angelegt worden, „sicher und bequem, ein Unglück gestört wurde, so groß und im- Jungfrauen Franz aus Stromberg auf wei- so nahe heran, daß man nur noch 50 Schrit- mer zunehmend auch das Gedränge der ßem Kissen Blumen mit einigen tief gefühl- te auf einem neuen, durch einen Weinberg Menschen und Pferde gewesen, so durch- ten ehrerbietigen Worten.“ abwärts führenden Fußweg zurückzulegen dringend und betäubend Hitze und Staub, Anschließend ergriff der Kreuznacher hat, um den schönsten Punkt dieser himm- so laut der Donner der Böller und die Zu- Oberbürgermeister Buß als Sprecher der lischen Aussicht zu erreichen. rufungen der Menge – fröhlich und voll Ju- versammelten Bürgermeister und Gemein- Diesen Weg hinauf ging der Zug in bel und singend waren die Wege in das devorsteher das Wort: „I h r e K ö n i g l i - schönster Ordnung, aber bei der ungemei- Land mit Menschen bedeckt, bis spät in die c h e n H o h e i t e n im Namen der Ge- nen Hitze und dem Staube, der nicht zu be- Nacht.“ meinden des Kreises willkommen zu hei- siegen war, wurde erst recht innig und Fast ein Jahr später, in seiner Sitzung vom ßen, ist mir der ehrenvolle Auftrag gewor- dankbar anerkannt, welch großes Opfer Ih- 22. Juni 1826, fühlte sich der Kreuznacher den. Wie wenig aber ein einzelner vermag, re Königlichen Hoheiten unsern Wünschen Stadtrat in „Erinnerung an das freudige und das auszusprechen, was das Herz aller gebracht hatten.“ herrliche Volksfest und an die hohen Gäste“ Rheinpreußen bewegt, fühle ich wohl, und Der Weg führte vorbei an den damals verpflichtet, allen, die zur Gestaltung der immer wird es daher nur als ein schwacher noch stehenden Resten des durch die Hei- Feierlichkeiten beigetragen hatten, „vor- Ausdruck unserer dankbaren und ehr- lige Hildegard von Bingen im 12. Jahrhun- züglich dem Königlichen Herrn Landrathe, furchtsvollen Gesinnungen für seine Ma- dert gegründeten Klosters Rupertsberg und für den unermüdeten Eifer und die ange- jestät unsern hochverehrten König und Ihre durch das Gebiet, auf dem einige Jahr- strengte Thätigkeit, mit welcher dieser um Königlichen Hoheiten erscheinen, wenn ich zehnte später im Zusammenhang mit dem den Kreis so hoch verdiente Beamte dem der großen und mannichfachen Wohlthaten Bau der Rhein- und Naheeisenbahn das Feste eine den hohen Gästen würdige Ge- erwähne, deren die Rheinprovinz sich seit heutige Bingerbrück entstand. Am 20. April stalt zu geben bemüht war, unseren ehrer- der zehnjährigen Regierung Seiner Majes- 1892 wurde die Ansiedlung auf Anordnung bietigsten Dank darzubringen“. 37) tät unsers gerechten Königs erfreut. Kaiser Wilhelms II. zur selbstständigen Ge- Die Herstellung und Vermehrung der öf- meinde erklärt. Bei der 1969 durchgeführ- fentlichen Unterrichts-Anstalten, die ver- ten Gebietsreform kam Bingerbrück zum Der Kronprinz in Kreuznach besserte Organisation der Justiz, die Bele- damals neugegründeten Landkreis Mainz- bung der Landwirthschaft und der Gewer- Bingen. Im Gegensatz zu seiner Gemahlin, die be, die bedeutenden Verwendungen für öf- Zurück zu den Ereignissen des 16. Juli Kreuznach nie gesehen hat, weilte Kron- fentliche Bauten, die Sorge für Herstellung 1825: Auf der Anhöhe war ein hölzerner Pa- prinz Friedrich Wilhelm nachweislich zwei- des Wohlstandes […], die Wohlthätige und villon errichtet worden, der den Gästen mal in der Nahestadt. Der erste Besuch fand gerechte Verfassung der Militär-Aushe- Schatten bot und „wo eine erfrischende, im Zusammenhang mit einer Bereisung der bung […] und viele andere Anordnungen, kühle Luft den Eintretenden entgegen im Wiener Kongreß durch Preußen erwor- welche alle hier zu berühren die Zeit nicht strömte […] Ihre Königlichen Hoheiten benen Rheinprovinz statt und ist von C. En- gestattet, sind eben so viele sprechende (schienen) mit der Wahl und Einrichtung gelmann detailliert beschrieben worden: Zeugen einer väterlichen und weisen Re- des Platzes und der Größe und dem Reich- „Auf den Abend des 13. Novembers 1833 gierung. thume der Aussicht vollkommen zufrieden war die Ankunft des allverehrten Königs- In Ihren Königlichen Hoheiten verehren und beglückten uns durch einen fast stün- sohnes in der Stadt, mit der Nachricht, daß wir die fürstlichen Erben der hohen Tugen- digen Aufenthalt“. Auch der Herzog von den unsres erhabenen Regentenhauses; in Nassau war sehr angetan „von der wun- Ihnen erblicken wir mit Freude und Stolz dervollen Aussicht, welche die günstige La- die Bürgschaft, daß die Zukunft nicht min- ge dieses Standpunktes dem Beschauenden der reich an Segnungen seyn werde. darbietet“. Gott schütze und erhalte Seine Majestät Nachdem die hohen Reisenden geruht unsren hochverehrten König, Ihre Königli- hatten, einige Erfrischungen anzunehmen, chen Hoheiten und das ganze hohe Königs- erfüllte Kronprinzessin Elisabeth schließlich Haus, das ist der Wunsch aller Rheinpreu- „mit himmlischer Anmuth“ den Wunsch, ßen und ich bin stolz auf die Ehre, ihn […] „dem Seegen Ihrer Gegenwart auch da- vor Ihren Königlichen Hoheiten ausspre- durch ein bleibendes Andenken zu geben, chen zu dürfen.“ daß dieser Teil des Berges künftig Elisens- Nachdem der Landrat noch die Vertreter Höhe genannt werden dürfe […] Mit einem der Kreuznacher Evangelischen Synode Enthusiasmus ohne gleichen ward es auf- vorgestellt hatte, setzte sich der Zug der ho- genommen, als der Landrath (dies) verkün- hen Gäste unter erneutem Donner der Böl- dete. […] Ununterbrochene Zurufungen des Der Pavillon auf der Elisenhöhe. ler wieder in Bewegung, „um an dem Rup- allgemeinsten Jubels bezeugten, wie sehr Fundstelle: Reiniger/Faust 1994, S. 383 4 (Seite 16 des Jahrgangs) Bad Kreuznacher Heimatblätter - 4/2014

Bodelschwingh [und hohen Militärs] be- gleitet […].“ Unter den Begleitern war auch Oberst v. Wussow, der Chef des General- stabs, „den Kreuznach so anzog, dass er nach einigen Wochen seine Gemahlin zur Kur nach Theodorshalle brachte. Der Kron- prinz wurde natürlich wieder mit Musik und Fackelzug empfangen, […] der Kron- prinz stieg in dem eben eröffneten Gast- haus ‚zum Rheinstein’ 39) ab, einem ge- schmackvollen grossen Prachtbau, der die neue Allee, genannt nach der Kronprinzes- sin Elisabeth, der Brunnenpatin, würdig ab- schloss. Ein Frankfurter namens Fellner, dessen Vorfahren aus Kreuznach stammten, hatte dies Haus erbaut und es nach dem Lieblingssitz des Prinzen Friedrich von Blick von der Elisenhöhe auf Bingerbrück (1855). Fundstelle: Reiniger/Faust 1994, S. 377 Preussen [ein Cousin des Kronprinzen], dem Schlösschen Rheinstein unterhalb Bin- gen, so genannt. Ausser dem alten ‚Orani- enhof’ war der ‚Rheinstein’ das einzige er auch hier sein Nachtlager halten werde, Schüler der obern Gymnasialklassen ange- Haus südlich der Stadtmauern“. 40) angekündigt worden. Sofort rüstete sich Al- schlossen hatten, welche […] Sr. Königli- Als König hat Friedrich Wilhelm IV. die les zum festlichen Empfange, und lange chen Hoheit einen glänzenden Fackelzug Stadt Kreuznach dann nicht mehr besucht, noch vor der erwarteten Stunde wogten brachten, und, am Stadthause angekom- das Kreuznacher Bad aber weiterhin geför- schon Tausende von Einheimischen und men, das preußische Volkslied: ‚Heil Dir im dert. So etwa durch das Privileg für die Sol- Fremden durch die Straßen der freudigbe- Siegeskranz’ sangen. Sofort verließ bäder-Aktiengesellschaft vom 7. Juli 1841. wegten Stadt vor das offene Rüdesheimer der Kronprinz die Tafel, begrüßte die ju- 41) (Fortsetzung folgt). Thor, durch welches der Einzug des Hoch- belnden Fackelträger, die in ein freudiges gefeierten Statt finden sollte. […] Es war be- Hurrah ausbrachen, und kam dann wieder reits 9 Uhr [21.00 Uhr] , als der königliche in den Speisesaal zurück, um die Gesund- Anmerkungen Thronerbe, begleitet von dem Regierungs- heit seiner hohen Gemahlin aus dem alten präsidenten und Landrathe des Kreises, an pfälzer Hause, deren Geburtstag gerade 34) Dieses und die folgenden Briefzitate: der Ehrenpforte anlangte. Hier trat der der 13te, auszubringen. Mit hoher Begeis- StAKH Nr. 58 Oberbürgermeister der Stadt zum königli- terung stimmte Alles in den sinnigen Toast, 35) Der im Stadtarchiv Bad Kreuznach chen Wagen, und, nachdem er den hoch ge- welchem ein Lebehoch auf die Gesundheit unter Nr. 58 aufbewahrte Sonder- feierten Gast in einer kurzen Rede im Na- des allverehrten Gastgebers folgte. Erst spät druck hat den Titel: „Empfang Ihrer men der Stadt willkommen geheißen, über- zog sich derselbe in das Schlafgemach Königlichen Hoheiten des Kronprin- reichte ihm der erste Adjunkt [Amtsgehilfe] zurück.“ zen und der Kronprinzessin von Preu- einen silbernen Ehrenbecher, gefüllt mit Mit dem „alten pfälzer Hause“ waren die ßen an der Gränze des Regierungs- köstlichem Wein der heimischen Rebe, aus pfälzischen Wittelsbacher gemeint, die vor bezirks Koblenz, im Kreise Kreuz- welchem der königliche Prinz ‚der braven der Französischen Revolution etwa drei nach am 16ten Juli 1825“. Alle wei- Kreuznacher Gesundheit’ ausbrachte. Ein Jahrhunderte Stadtherren in Kreuznach ge- teren Zitate in diesem Kapitel sind – anhaltendes Lebehoch, in den Schluchten wesen waren und deren Regierungszeit bei sofern nicht anders angegeben – die- des nahen Berges widerhallend, antwortete den Kreuznacher Bürgern im großen und sem Sonderdruck entnommen. aus tausend Kehlen dem freundlichen Wun- ganzen in guter Erinnerung geblieben war. 36) In dem noch folgenden Kapitel „Ge- sche. Unter dem Donner der städtischen Engelmann schloss seinen Bericht über dichte und ein Theaterstück“ sind Böller von der Höhe der Kauzenburg, die im den Kronprinzenbesuch des Jahres 1833 mit vier Strophen dieses Huldigungs-Ge- Feuermeere schwamm, unter dem Glo- den folgenden Sätzen: „Früh am andern dichts abgedruckt. ckengeläute des erleuchteten Paulusthur- Morgen, da noch ein großer Theil der freu- 37) Stadtratsprotokoll Nr. 239 vom 22. mes, unter dem fröhlichen Zujauchzen des detrunkenen Bewohner der Stadt in den Ar- Juni 1826 (StAKH) Volks und den Vivats aus den, mit Kande- men des Schlafes lag, begaben sich Se. Kö- 38) Engelmann 1839, S. 104-106 labern gezierten, Fenstern der Häuser be- nigliche Hoheit schon in das herrliche Sa- 39) Zum Hotel Rheinstein vgl. Karin En- wegte sich der Zug langsam nach dem linenthal, um die klassischen Denkmäler gel und Jörg Julius Reisek: Hotel Stadthause, dessen Hof sinnig und schön er- der Vorzeit und die Werke der Natur in Au- Rheinstein. Aus der Geschichte eines leuchtet war. Hier empfieng der Landrath genschein zu nehmen, und verließen hie- mondänen Kreuznacher Etablisse- des Kreises den sehnlich Erwarteten […] rauf, unter dem Donner der Böller, dem Ge- ments. In: Bad Kreuznacher Heimat- Hierauf ließ sich der Kronprinz die ver- läute aller Glocken und dem frohlockenden blätter 2010, Heft 12. schiedenen Beamten vorstellen und unter- Zurufe der inzwischen herbeigeströmten 40) Hundert Jahre Bad […] 1917, S. 25 hielt sich auf das Huldvollste mit ihnen […]“ Menge, die Stadt, geleitet von einer Ehren- 41) Abgedruckt in: Küstermann 1967, S. 31 Nachdem er „von dem Oberbürgermeister garde zu Pferd, um neuen Huldigungen auf der Stadt eine denkwürdige Urkunde aus der Weiterreise nach Stromberg zu begeg- dem 17. Jahrhundert, das Verhältniß des nen.“ 38) Hauses Brandenburg zu Kreuznach betref- Der zweite Besuch erfolgte fünfeinhalb fend, mit herablassendem Danke ange- Jahre später, nachdem der stadteigene nommen, und seine Betrübniß ausgespro- Kreuznacher Kur- und Badebetrieb mit der Berichtigung chen hatte, daß er, Kreuznach schon einige Eröffnung der Elisabethquelle und der Mal so nahe, es nicht besucht habe, entließ Gründung der Solbäder AG im Jahre 1834 Verfasser der Bad Kreuznacher Hei- er sämmtliche Anwesende. Bald darauf be- seinen Anfang genommen hatte. In der matblätter 3/2014 ist nicht der dort gann die Abendmahlzeit, an welcher der 1917 erschienenen Festschrift zum hun- fälschlicherweise angegebene Dr. Peter Landrath und die Beamten des Kreises, die dertjährigen Jubiläum des Bades Kreuz- Fuchß, sondern Dr. Horst Silbermann, obere Geistlichkeit, der Oberbürgermeister, nach ist dieser Besuch besonders erwähnt: Bad Kreuznach. die Hauptleute der Landwehr, mehrere „Am 21. Mai 1839 erschien dann der Kron- Stadträthe und Depurtirte der Stadt Theil prinz von Preussen eigens, um das neue nahmen. Bad gründlich in Augenschein zu nehmen, Se. Königliche Hoheit unterhielten sich das samt der Umgegend den so romantisch bei Tische mehrentheils über die alte Ge- angelegten hohen Herrn in helles Entzü- schichte der Stadt und Umgegend, als plötz- cken versetzte. Leider hatte er die Kron- Die Bad Kreuznacher Heimatblätter erscheinen lich von Außen her wieder ein lauttönendes prinzessin Elisabeth, welche doch die Patin monatlich in Zusammenarbeit mit dem Verein Vivat mit kriegerischer Musik erscholl. Es der Elisabethquelle war, nicht mitgebracht. für Heimatkunde für Stadt und Kreis Bad Kreuznach waren über 200 Bürger der Stadt, denen Er hatte eben amtlich die Rheinprovinz e.V. (i. A. Dr. Horst Silbermann, sich die Lehrer der Elementarschulen und durchreist, war vom Oberpräsidenten von Dienheimer Berg 11, 55545 Bad Kreuznach). Nummer 5/2014

BadKreuznacher Beilage Bad Kreuznach Heimatblätter

Elisabeth Ludovika Prinzessin von Bayern und Königin von Preußen (1801-1873) Die Namensgeberin der Elisabethquelle in Bad Kreuznach

VON DR. HORST SILBERMANN, BAD KREUZNACH

(3. Fortsetzung)

Die Elisenhöhe in Bingerbrück

Die Anhöhe oberhalb des heutigen Bin- gerbrück, die am 16. Juli 1825 beim Besuch des preußischen Kronprinzenpaares den Namen „Elisenhöhe“ erhielt, hatte bis da- hin „Münzeler Berg“ geheißen. Diese Be- zeichnung erinnerte an den wahrscheinlich schon vor dem 17. Jahrhundert wüst gefal- lenen kleinen Ort „Münztal“, von dem auch die Flurnamen „Münztaler Grund“, „Auf dem Minzel“ und „Unter Minzel“ abgelei- tet sind. H.J. Stipp geht in einem 1986 erschiene- nen Buch über den Binger Wald auf den 1826 vollzogenen Namenswechsel des Geländes ein, spricht dabei aber fälschli- cherweise von „Prinzessin Elisabeth Luise, Tochter des bayerischen Königs Maximilian IV.“42) Die Prinzessin hieß jedoch mit zwei- Blick von der Elisenhöhe rheinabwärts Richtung Trechtingshausen (März 2013). tem Namen Ludovika und ihr Vater warKö- Foto: Dr. Horst Silbermann, Bad Kreuznach nig Maximilian I. von Bayern (1806–1825). 43) In der Folgezeit wurde die Elisenhöhe zu einer „der besuchtesten Lustparthien“ 44) der Gegend und zumindest anfänglich stets auch der Aussichtspavillon auf der Eli- den collossalen Rahmen, zwischen welchem scheint es jeweils zum Jahrestag des Be- senhöhe abgebildet. 45) hindurch man an diese bewunderungswür- suchs der hohen Gäste dort festliche Zu- Die zeitgenössischen Beschreibungen des dige Aussicht gefesselt wird, die gesehen sammenkünfte gegeben zu haben. In dem Rundblicks von der Anhöhe überboten sich und genossen, aber nicht beschrieben wer- bereits mehrfach zitierten Sonderdruck des gegenseitig mit enthusiastischen Formulie- den kann!“ 46) Jahres 1825 heißt es dazu: „Die Bürger, die rungen. Schon der Kreuznacher Sonder- Im Jahr 1839 schreibt C. Engelmann: Landleute, die Beamten, die Fremden, […] druck von 1825 spricht von „einer Höhe des „Die Aussicht, die sich hier eröffnet, kann alle umarmten sich brüderlich […] Alle sag- steilen Gebürges […], von welcher man ei- mit jeder auf dem vielgepriesenen Nieder- ten sich zu, über ein Jahr sich wieder ein- ne herrliche Aussicht den Rhein aufwärts walde wetteifern; sie vereinigt, was sich zufinden auf Elisenshöhe und den Tag fest- bis zu dem Schlosse Bieberich und abwärts dort auf mehreren Punkten vereinzelt dar- lich und in Freude zu begehen […]“ bis Trechtingshausen genießt. Der Vor- bietet. Der Rhein in seiner vollen Breite, das Auch renommierte Binger Hotels bezo- sprung dieses Berges, einer günstigen Wen- ganze Rheingau mit seinen malerischen Hö- gen die Elisenhöhe in ihre Werbemaßnah- dung des Rheines folgend, schiebt sich so hen, seinen Städten und Dörfern, den ro- men ein. So wurde in mehreren Prospekten scheinbar mitten in den Rhein, und der Be- mantischen Theil des Rheinthals unterhalb des Hotels „Victoria“ und des Gasthofs schauer sieht ihn nicht mehr von der Seite, Bingen bis zur Burg Rheinstein und ein „Zum Weissen Ross“ zwischen 1835 und sondern der herrliche deutsche Strom kömmt Theil des Nahethals bilden das schwer zu 1860 neben anderen Sehenswürdigkeiten gerade auf ihn zu als sollte man ihn mit sei- beschreibende Gemälde, das man von hier der Umgebung wie der Rochuskapelle, dem nen Reben geschmückten Hügeln, reichen überschaut.“ 47) Und im selben Jahr lesen Schloss Johannisberg, der Ruine Ehrenfels, Auen, zahlreichen Villas, Städten und Dör- wir bei Schneegans: „Herrlicheres vermag dem Mäuseturm, der Burg Klopp, der Burg fern in die Arme aufnehmen. Dabei machen das Auge nicht zu schauen als das großarti- Rheinstein, der Brömser Burg, der Binger links der Niederwald […] und rechts der Ro- ge Bild der Natur, welches sich ihm hier dar- Stiftskirche St. Martin und dem Rupertsberg chusberg mit seiner berühmten Kapelle, stellt.“48) Es folgt eine mehrseitige Be- 2 (Seite 18 des Jahrgangs) Bad Kreuznacher Heimatblätter - 5/2014

„Traumblick auf Bingen“ ins Internet stel- len zu können. 53)

Die Elisabethquelle im Bad Kreuznacher Kurpark

Die schönste Erinnerung an Elisabeth Lu- dovika in Bad Kreuznach ist ganz sicher die Elisabethquelle an der südwestlichen Ecke des Kurparks, deren frühere Trinkhalle heu- te zu einem kleinen Weinlokal geworden ist. Ihre Geschichte soll im Folgenden er- zählt werden. Als Dr. Johann Erhard Peter Prieger im Jahre 1817 die Heilkraft der Salzquellen im Salinental bei Kreuznach entdeckte, lag kei- ne dieser Quellen auf dem Boden der Stadt; denn sämtliche bis Ende des 18. Jahrhun- derts angelegten Solebrunnen und Salinen waren durch den Wiener Kongress 1816 an das Großherzogtum Hessen gelangt. 54) Entwurf des Architekten Wilhelm Kreis (1872-1955) für ein nicht ausgeführtes Bismarck-Nationaldenkmal Das sich durch Priegers Wirken in Kreuz- auf der Elisenhöhe (1911). Bildvorlage: Wilhelm-Kreis-Archiv, Bad Honnef nach entwickelnde Kurwesen war daher in seinen Anfängen angewiesen auf die Sole aus dem in hessischem Besitz befindlichen Karlshaller Brunnen. Mit Fuhrwerken wur- schreibung des Rundblicks mit Exkursionen Der Holzpavillon auf der Elisenhöhe dürf- de das Heilwasser in gelben Fässern nach zur Ortsgeschichte der zu sehenden Orte te bis in die siebziger Jahre des 19. Jahr- Kreuznach und in die dort entstandenen Ba- diesseits und jenseits des Rheins. hunderts gestanden haben. Am Sonntag, destuben transportiert. Umgekehrt pilger- Ein Kreuznacher Stadtratsprotokoll von dem 4. August 1878, wurde eine neue, ten zahlreiche Badegäste von Kreuznach 1826 hält fest: „Stolz […] erhebt sich der ein- durch den „Verschönerungsverein für das zur Karlshalle, um dort ihre Trinkkuren zu fache Tempel auf der Elisenhöhe zur ewig- Nahetal“ initiierte „Aussichtshalle auf der machen. denkwürdigen Erinnerung an das freudige Elisenhöhe bei Bingerbrück“ eingeweiht. Angesichts dieser Sachlage wurden im und herzliche Volksfest und an die hohen Um die Wende vom 19. zum 20. Jahr- Kreuznacher Stadtrat ab 1825 Überlegun- Gäste, welche dasselbe schufen.“ 49) Bei dem hundert und dann verstärkt im Vorfeld des gen angestellt, wie auf dem Stadtgebiet ei- „einfachen Tempel“ handelte es sich um ei- 1915 bevorstehenden 100. Geburtstags des gene Salzquellen erschlossen werden könn- nen aus Baumstämmen errichteten Pavillon, Reichsgründers Otto von Bismarck wurde ten. Doch obwohl der preußische Ober- „auf Säulen ruhend, vornen offen, hinten die Elisenhöhe wiederholt als Standort ei- schul- und Regierungsrat Dr. Carl August halbrund, mit einer Mooswand geschlossen, nes „Bismarck-National-Denkmals“ ins Au- Zeller im Sommer 1826 im ausgetrockneten mit Stroh sorgsam gedeckt und mit einem ge gefasst. 52) Im Jahre 1911 legte der aus Elt- Flussbett der Nahe eine ergiebige Salz- geräumigen Vorplatz versehen, der mit ei- ville stammende Architekt Wilhelm Kreis quelle entdeckte, sollte es noch fast ein Jahr- nem festen Geländer umgeben, auf Mauern (1873–1955) dazu einen monumentalen zehnt dauern, bis die Stadt Kreuznach eine ruhend, alle Gefahr entfernt.“ 50) Denkmalsentwurf vor, dessen Realisierung erste eigene Heilquelle betreiben konnte. Im Sommer 1840 scheint der Pavillon re- dann allerdings durch den Ausbruch des Auch vor allem durch Prieger angestoßene novierungsbedürftig gewesen zu sein, denn Ersten Weltkriegs verhindert wurde. Initiativen, die einen Ankauf der hessischen der Landrat bat im Hinblick auf einen im In der NS-Zeit wurden die Pläne zu ei- Quellen durch Preußen zum Ziel hatten, Frühjahr 1841 zu erwartenden Besuch des nem Bismarck-Denkmal auf der Elisenhöhe blieben erfolglos. nunmehrigen preußischen Königspaares wieder aufgegriffen. Ab 1933 war der Erst als ein Kreuznacher Privatmann, der Elisabeth und Friedrich Wilhelm IV. in der Reichsarbeitsdienst mit Planierungsarbeiten Gastwirt Andreas Wilhelm, genannt Wil- Rheinprovinz den Kreuznacher Stadtrat um beschäftigt, die den Bau eines solchen helmi (1781–1835), auf dem ihm gehören- einen Beitrag zur Erhaltung des Holzge- Denkmals vorbereiten sollten, doch wurde den Teil des Oberwörths [heutiger Kur- bäudes auf der Elisenhöhe. Zunächst ein- diese Maßnahme noch vor dem Beginn des park], ermuntert durch Dr. Zeller, Versuche mal sperrte sich die Ratsversammlung in ih- Zweiten Weltkrieges wieder eingestellt. unternahm, eine Salzquelle zu ergraben, rer Sitzung am 10. August 1840 gegen die- Nicht über das Entwurfsstadium hinaus kam wieder Bewegung in die Sache. 55) Im ses Ansinnen: „Der Stadtrat bedauert […] kamen auch erneute Planungsüberlegun- Jahre 1832 fand Wilhelmi an der südwestli- dem Antrage keine Folge geben zu können, gen des Architekten Wilhelm Kreis. Nach- weil den näher liegenden, unmittelbaren dem er ab 1928 für die Elisenhöhe einen Bedürfnissen der Stadt zu wider und unter „Sammelplatz der nationalen studentischen diesen sehr dringende seyen, deren Befrie- Jugend“ entworfen hatte, wollte er dort digung nicht umgangen werden könne, die nach dem Einmarsch der Nationalsozialis- Geldmittel der Stadt aber zu beschränkt ten in das entmilitarisierte Rheinland im seyen, um neben diesen auch ferner lie- März 1936 „nach der Befreiung der Rhein- genden Wünschen und Zwecken zu genü- lande von der Besatzung unserer Kriegs- gen.“51) Zwei Monate später bewilligte der gegner“ einen Festplatz zur Feier dieses Er- Stadtrat dann doch noch den erbetenen Bei- eignisses anlegen. Eine hohe Säule inner- trag von 30 Talern zur Instandsetzung der halb einer monumentalen Theaterarchitek- Elisenhöhe, jedoch versehen mit der Ein- tur sollte den Bezug zum Niederwalddenk- lassung, „gleichzeitig aber den Landrat zu mal auf der anderen Rheinseite herstellen. bitten, die Einleitung zu treffen, daß für die Der Zweite Weltkrieg machte auch dieses Zukunft an der Unterhaltung dieses Denk- Vorhaben zunichte. mals die anderen benachbarten Kreise Die Elisenhöhe trägt ihren Namen nun- ebenfalls Antheil nehmen und wenn neue mehr seit fast zweihundert Jahren. In ihrer Arbeiten an demselben auszuführen sind, Umgebung ist ein attraktives Wohngebiet vorher die Pläne und Kosten Anschläge mit- entstanden und es wäre sicher lohnend, zutheilen.“ Zu einem Besuch des Königs- sie mit ihrem immer noch atemberauben- paares auf der Elisenhöhe kam es im Jahre den Ausblick auch angemessen und ziel- 1841 allerdings nicht und als der König gerichtet für den Tourismus zu erschließen. 1842 ohne seine Frau eine Rheinreise un- Immerhin soll in nächster Zeit in der Nähe ternahm, besuchte er – begleitet von seinen der Jugendherberge Bingerbrück, also ganz Andreas Wilhelmi (1781 – 1835), der Entdecker der Brüdern Wilhelm, Karl und Albrecht – an- in der Nähe der Elisenhöhe, eine Webka- Elisabethquelle. dere Stätten im Rheintal. mera installiert werden, um Bilder vom Bildgeber: Stadtarchiv Bad Kreuznach Bad Kreuznacher Heimatblätter - 5/2014 (Seite 19 des Jahrgangs) 3

ßer Betrieb und noch im Februar 1958 schien ihre Wiedereröffnung in weiter Fer- ne zu liegen. 58) Doch schon im Sommer des selben Jahres stand die Trinkquelle den Kurgästen wieder zur Verfügung. Zuvor hatte die Fassade eine neue Verglasung er- halten, der allerdings die reichen Giebel- verzierungen des 19. Jahrhunderts zum Op- fer fielen. Zwei Jahre vorher war auch die Wandelhalle abgerissen worden. 59) Pläne zum Bau einer neuen Wandelhalle an an- derer Stelle des Kurparks wurden später nicht verwirklicht. Fast vier Jahrzehnte lang diente nun die Elisabethquelle wieder ihrem ursprüngli- chen Zweck. Dann wurde sie durch die hef- tigen Hochwässer der Jahre 1993 und 1995 so stark in Mitleidenschaft gezogen und ver- unreinigt, dass sie 1995 stillgelegt und in ein kleines Weinlokal umgewandelt wurde. Die erste Pächterin führte das Lokal von Ansicht des Elisen-Brunnens zu Kreuznach 1837 (Lithographie von P. Herwegen nach einer Zeichnung von Sommer 1995 bis Ende 2010; die zweite E. Cauer). Fundstelle: Vorsatzbild zu J.E.P. Prieger, Kreuznach und seine Brom- und Jode-haltigen Heilquellen in ihren wichtigsten Be- Pächterin übernahm den Betrieb im Früh- ziehungen. Kreuznach 1837 jahr 2011. Bedingt durch die Nutzungsänderung wurden zwischenzeitlich durch das Stadt- bauamt Bad Kreuznach etliche bauliche chen Spitze seines Geländes in etwa 10 Me- Trinkquelle blieb im Wesentlichen bis heu- Maßnahmen an und in der Quellenhalle tern Tiefe eine Solequelle, die er notdürftig te erhalten, erfuhr aber immer wieder Ver- durchgeführt. In Abstimmung mit der Denk- fassen ließ und deren Heilwasser er um ei- änderungen im Einzelnen. malschutzbehörde erfolgte ein neuer An- nen kleinen Preis an Kurgäste abgab. Nach- In unmittelbarer Nähe zur Elisabeth- strich und die Renovierung des Daches mit dem Wilhelmi am 12. Januar 1835 gestor- quelle wurde 1893 eine weitere Quelle er- einer hochwertigen Blechabdeckung. Im ben war, kaufte die Ende 1834 gegründete bohrt, die den Namen Victoriaquelle er- Kellergeschoss wurde 2011 mit erheblichem städtische „Soolbäder Actien-Gesellschaft“ hielt. In einer Veröffentlichung zum hun- Aufwand ein neuer Küchenbereich einge- seiner Witwe ihr gesamtes Besitztum samt dertjährigen Kurjubiläum 1917 heißt es da- richtet, wobei der Einbau einer Be- und Ent- Quelle ab. zu: „Die nur zu Trinkkuren benutzte Elisa- lüftungsanlage und eines Fettabscheiders, Diese wurde nun hochwassersicher ge- beth- und Viktoriaquelle […] sind im Jahre die Bereitstellung ausreichender Kühl- und fasst und zur Trinkquelle ausgebaut. Mit Er- 1911 in der Weise neu gefasst worden, dass Gefriergeräte sowie die hygienische Ge- laubnis der preußischen Kronprinzessin Eli- man ihrem Ausfluss in den Porphyrfelsen staltung der Fußböden, Wandflächen und sabeth erhielt sie den Namen „Elisabeth- entgegen ging und die Brunnenstube so- Spüleinrichtungen besondere Schwerpunk- quelle“. Diese Schreibweise ist bis heute weit vertiefte, dass das Wasser beider Quel- te bildeten. die offizielle geblieben, doch wurden u.a. len, von dicken Glasblasen durchperlt, ohne Die für Anfang 2014 vorgesehenen Ar- auch die Namensformen Elisabethenquelle, Pumpen in breite Glasröhren austritt, aus beiten haben zum Ziel, einen ganzjährigen Elisabeth-Brunnen, Elisen-Quelle und Eli- denen es zum Trinken entnommen wird. Betrieb des Lokals zu ermöglichen, das we- sen-Brunnen verwendet. Die Benennung ei- Durch diese Einrichtung ist erreicht wor- gen unzulänglicher Beheizung bislang nur ner Heilquelle nach Kronprinzessin Elisa- den, dass die Sole ohne jeden Gasverlust in vom 1. März bis zum 31. Oktober geöffnet beth in Kreuznach ist kein Einzelfall. So ihrem natürlichen Zustande zur Verwen- ist. Dieses Ziel soll erreicht werden durch gibt es seit 1827 in Aachen den „Elisen- dung gelangt.“ 57) Im Zusammenhang mit den Einbau einer Elektroheizung auf Wär- brunnen“ und in dem heute in Polen gle- der Neufassung der beiden Quellen erfolgte mepumpen-Basis, durch Dämmung und genen niederschlesischen Bad Salzbrunn 1911 eine Renovierung der bislang nach Mehrfachverglasung der Fassade sowie wurde 1830 eine „Elisenhalle“ errichtet. vorne offenen Trinkhalle, die nun durch ei- durch die Ausstattung der Rundbogenfens- Eine Beschreibung der etwa 1836 vorge- ne Frontverglasung geschlossen wurde. ter mit wärmedichten Kunststoffrahmen. 60) nommenen ersten Ausgestaltung der Nach dem Zweiten Weltkrieg waren Kur- Nicht zuletzt vor diesem Hintergrund bildet Kreuznacher Elisabethquelle gibt Dr. Carl haus und Kurpark bis 1955 von den Ameri- die Elisabethquelle seit nunmehr fast zwei Engelmann 1839: „Zum Schutz vor Über- kanern beschlagnahmt. Die davon auch be- Jahrzehnten eine wertvolle Bereicherung schwemmung und Eisgang dient ein kolos- troffene Elisabethquelle blieb für Jahre au- der Bad Kreuznacher Gastronomie. saler, für die Ewigkeit gebauter Steindamm, der von drei Seiten die Quelle umgibt und die größte Festigkeit mit eleganter Form vereinigt. Auf beiden Seiten führen stei- nerne Treppen auf die Höhe der Plattform.“ 56) Das Zentrum der Anlage bildete ein klei- nes, burgturmartiges Gebäude, das an- fänglich mit einem umlaufenden Vordach versehen war und zeitweise einen pavil- lonähnlichen Aufsatz trug. Die erste durchgreifende Umgestaltung erfolgte Mitte der achtziger Jahre des 19. Jahrhunderts. Damals wurde eine auf guss- eisernen Pfeilern ruhende, nach vorne offe- ne Trinkhalle mit beidseitig neuen, nun- mehr gerundeten Treppen errichtet. Das giebelständige, rückseitig gerundete und abgewalmte Satteldach erhielt einen mit Gusseisen-Ornamenten reich verzierten Giebel. Zierliche Rundbogenfenster, die un- ter dem Dachansatz umlaufen, gaben dem Gebäude einen zusätzlichen architektoni- schen Akzent. Seit 1885 war die Elisabeth- quelle durch eine rund 200 Meter lange Wandelhalle aus Gusseisen mit dem Kur- Die Elisabethquelle nach der Umgestaltung um 1885. Im Vordergrund ist die damals errichtete Wandelhalle haus verbunden. Diese Grundform der zu sehen. Fundstelle: Werner Küstermann (Hrsg.), 150 Jahre Heilbad Bad Kreuznach. Bad Kreuznach 1967, S.118 4 (Seite 20 des Jahrgangs) Bad Kreuznacher Heimatblätter - 5/2014

den Namen ‚Hindenburgstrasse’ und der Königstrasse den Namen ‚Ludendorffstras- se’ zu geben. Der Generalfeldmarschall und der Erste Generalquartiermeister sollen ge- beten werden, ihre Zustimmung zu dieser Benennung zu erteilen. Versammlung be- schloss einstimmig nach dem gemachten Vorschlag.“ 62) Die Ludendorffstraße heißt heute Dr.-Karl-Aschoff-Straße und die Hin- denburgstraße trägt den Namen Badeallee. (Schluss folgt).

Anmerkungen

42) Müller 1986, S. 381 43) Fälschliche Angaben finden sich auch in Naujack 2007, S. 80 und in Reini- ger 1990, S. 366. Auch Naujack ver- sieht Elisabeth mit dem zweiten Vor- namen Luise, statt Ludovika. Reini- ger gibt an, Elisabeth habe bei einem Besuch 1823 auf der Elisenhöhe erst- mals deutschen Boden betreten und sei 1836 noch einmal dort gewesen. Die von der Salinenstraße zum Kurpark verlaufende Elisabethstraße auf einem Stadtplan der zweiten Hälfte Sie war aber nur einmal da und zwar des 19. Jahrhunderts. Bildgeber: Heimatwissenschaftliche Zentralbibliothek des Landkreises Bad Kreuznach am 16. Juli 1825. Auf deutschem Bo- den lebte sie seit ihrer Geburt in München am 13. November 1801. 44) Schneegans 1839, S. 364 Die Elisabethenstraße ditionelle Name Salinenstraße behauptete 45) Mehrere Abbildungen dieser Art fin- sich dann bis heute. Schließlich erhielt eine den sich in Reiniger 1990 auf den Im Zuge der fortschreitenden Bebauung der Verbindungsstraßen zwischen Luisen- Seiten 242, 292, 361, 366, 379, 382, des Kreuznacher Kurviertels in den dreißi- straße (heute: Kaiser-Wilhelm-Straße) und 384 und 402. ger und vierziger Jahren des 19. Jahrhun- Salinenstraße den Namen Friedrichstraße 46) StAKH Nr. 58 derts wurden auch neue Straßen angelegt. und trägt ihn noch immer. Namensgeber 47) Engelmann 1839, S. 179 Dazu gehörte eine „Promenade zum Bade, war Prinz Friedrich von Preußen 48) Schneegans 1839, S. 372 von der Salinenstraße abwärts“, 61) die zu- (1794–1863), der 1837, 1840 und 1844 in 49) Stadtratsprotokoll Nr. 239 vom 22. nächst „Lindenallee“ hieß. Durch Beschluss Kreuznach zur Kur weilte und dabei zwei- Juni 1826 (StAKH) des Kreuznacher Stadtrates vom 6. Novem- mal in dem damals neuen Hotel „Rhein- 50) StAKH Nr: 58 ber 1837 erhielt sie zu Ehren der preußi- stein“ gegenüber der Einmündung der Eli- 51) Dieses und das folgende Zitat: Stadt- schen Kronprinzessin den Namen „Elisa- sabethstraße in die Salinenstraße wohnte. ratsprotokoll Nr. 964 vom 10. August bethenstraße“, doch setzte sich bald die Er war ein Neffe König Friedrich Wilhelms 1840 bzw. Nr. 973 vom 3. Oktober Schreibweise „Elisabethstraße“ durch. Eine III. bzw. ein Cousin Friedrich Wilhelms IV. 1840 (StAKH) Auflistung der Kreuznacher Straßennamen Er spielte nicht nur im preußischen Militär 52) Vgl. Das Rheintal 2001, S. 426 f. vom 30. Oktober 1843 beschreibt sie wie eine wichtige Rolle (General der Kavallerie 53) Oeffentlicher Anzeiger vom 13. No- folgt: „Ist in einer Breite von 60 Fuß [ca. 18 und Divisionskommandeur), sondern er ge- vember 2013 Meter] wirklich vorhanden und zieht von hörte auch zu den namhaften Rheinroman- 54) Zur Geschichte der Kreuznacher der Brücke über den Mühlenteich durch die tikern der damaligen Zeit. Im Jahre 1825 Salzquellen vgl. ausführlich: Schaller Luisenstraße und die Königsstraße zur hatte er die Burgruine Fautsberg, die süd- 2012. Friedrichstraße.“ Die Luisenstraße (heute: lichste des Mittelrheintals, gekauft, sie bis 55) Die letztlich erfolgreiche Suche Wil- Kaiser-Wilhelm-Straße) erinnerte an die 1829 zur Sommerresidenz seiner Familie helmis nach einer Salzquelle ist wie- Gemahlin Friedrich Wilhelms III., die früh ausgebaut und ihr den Namen „Rheinstein“ derholt dargestellt worden. Vgl. Ver- verstorbene legendäre preußische Königin gegeben. waltungsbericht der Stadt Kreuznach Luise, und die Königsstraße (heute: Dr.- Das Ende der Elisabethstraße und der Kö- 1882/83 (StAKH); Hessel 1916, Karl-Aschoff-Straße) war benannt nach Kö- nigsstraße kam gegen Ende des Ersten S. 14 ff.; Hundert Jahre Bad […] 1917, nig Friedrich Wilhelm IV. von Preußen. Weltkrieges, als Kreuznach für einige Mo- S. 17 f. und Schaller 2012, Teil II, S. 2. Friedrichstraße hieß damals für wenige nate Sitz des großen Hauptquartiers war. Im 56) Engelmann 1839, S. 12 f. Jahre (1842–1848) die Salinenstraße. Der Protokoll der von Bürgermeister Dr. Koer- 57) Hundert Jahre Bad […] 1917, S. 90 f. Versuch, die im 18. Jahrhundert entstande- nicke geleiteten Sitzung der Stadtverord- 58) Oeffentlicher Anzeiger vom 7. Feb- ne Straße mit einem fürstlichen Namen aus- neten vom 16. Februar 1918 heißt es: „Der ruar 1958 zustatten, schlug aber bald fehl und der tra- Vorsitzende wies darauf hin, dass zwei 59) Oeffentlicher Anzeiger vom 12. und Strassen in Kreuznach durch die Anwesen- 15. März 1956 heit des Grossen Hauptquartiers im letzten 60) Die Ausführungen über bauliche Jahre eine ganz besondere Bedeutung ge- Veränderungen an der Elisabeth- wonnen haben. Es ist dies zunächst die Eli- quelle seit 1958 basieren auf freund- sabethstrasse, an welcher das Haus liegt, in licher Auskunft folgender Mitarbeiter welchem die Stadt dem Generalfeldmar- des Bauamtes der Stadt Bad Kreuz- schall [Paul v. Hindenburg] und dem Ersten nach: Michael Fluhr, Bernd Frenger Generalquartiermeister [Erich Ludendorff] und Rosa Stiwich. die Herberge bereiten durfte, und dann die 61) Dieses und das folgende Zitat aus: Königstrasse, die Strasse, welche die Woh- StAKH Nr. 2447 nung der beiden Heerführer mit ihrer Ar- 62) StAKH Nr. 346 beitsstätte, dem Oranienhof, in dem der Ge- neralstab untergebracht ist, verbindet, der Weg, den beide so oftmals zurücklegten. Der Vorsitzende schlägt vor, zur dauern- den Erinnerung an die für Kreuznach ge- Die Bad Kreuznacher Heimatblätter erscheinen schichtlich so bedeutende Zeit, in der das monatlich in Zusammenarbeit mit dem Verein Die heutige Badeallee in Bad Kreuznach trug von Grosse Hauptquartier und die beiden gros- für Heimatkunde für Stadt und Kreis Bad Kreuznach 1837 bis 1917 den Namen Elisabethstraße. sen Heerführer sich in Kreuznachs Mauern e.V. (i. A. Dr. Horst Silbermann, Foto: Dr. Horst Silbermann, Bad Kreuznach befanden, von nun an der Elisabethstrasse Dienheimer Berg 11, 55545 Bad Kreuznach). Nummer 6/2014

BadKreuznacher Beilage Bad Kreuznach Heimatblätter

Elisabeth Ludovika Prinzessin von Bayern und Königin von Preußen (1801–1873) Die Namensgeberin der Elisabethquelle in Bad Kreuznach

VON DR. HORST SILBERMANN, BAD KREUZNACH

(Schluss)

Das Elisabethenwehr

An einem 2,40 Meter hohen und 88 Me- ter breiten Stauwerk zwischen der Elisa- bethquelle und dem Hotel Quellenhof zweigt der Mühlenkanal beziehungsweise Mühlenteich von der Nahe ab. Rund 900 Meter weiter abwärts wird das Wasser des Mühlenteichs, das zur Stromgewinnung dient, in die Nahe zurückgeführt. Nahe und Mühlenteich umschließen den sogenannten Badewörth mit den wichtigsten Bad Kreuz- nacher Kureinrichtungen. In Anlehnung an die Elisabethquelle und damit auch in Er- innerung an die preußische Königin Elisa- beth trägt das Stauwerk den Namen „Eli- sabethenwehr“. Bis zum Sommer 2009 war die Wehran- Das Elisabethenwehr in der Nahe beim Kurpark Bad Kreuznach (2013). Foto: Dr. Horst Silbermann, Bad Kreuznach lage ein aus unterschiedlich großen Stein- brocken bestehendes „Rollenwehr“, das durch Hochwasser immer wieder zerstört wurde und danach jedes Mal wieder neu gem Material aufgebracht. In der Mitte der gelgruppen wurden überhöht angeordnet aufgebaut werden musste. Zudem bildete Sohlengleite ist eine muldenförmige Rinne um Sedimentablagerungen auf der Soh- es im damaligen Zustand für sämtliche Was- ausgebildet, auf die bei Niedrigwasser der lengleite zu begünstigen. In Verbindung serlebewesen in der unteren Nahe auf ih- größte Teil des Abflusses konzentriert wird. mit den beiden seitlichen Zuläufen in der rem Weg flussaufwärts ein fast unüber- Zwischen den Riegelsteinen der Niedrig- Wehrkrone entstanden so flach überströmte windliches Hindernis. Dies bewog das wasserrinne ist jeweils eine große Lücke Bereiche, die das Jagdrevier dieser Reptili- rheinland-pfälzische Ministerium für Um- von mindestens 45 cm Breite bis zur Ge- en bereichern. Zum Schutz der Würfelnatter welt, Forsten und Verbraucherschutz, ver- wässersohle für den Fischaufstieg angeord- wurden die Bauarbeiten zusätzlich durch ei- treten durch die Regionalstelle Wasserwirt- net. Somit ist ganzjährig ein Fischaufstieg in ne Biologin fachlich begleitet.“ schaft, Abfallwirtschaft und Bodenschutz dieser Niedrigwasserrinne gewährleistet.“ Damit ist dem wichtigsten Schutzzweck der Struktur- und Genehmigungsdirektion Nicht nur Langdistanzwanderfische wie des Naturschutzgebietes „Kurpark Bad Nord in Koblenz, dazu, das Wehr von Juli Lachs, Meerforelle und Neunauge, sondern Kreuznach“, innerhalb dessen sich das Eli- bis Oktober 2009 grundlegend umzuge- auch die heimischen Fischarten und sonsti- sabethenwehr befindet, nachhaltig Rech- stalten. ge Kleinwassertiere können nunmehr prob- nung getragen. In einem zur Fertigstellung des neuen lemlos in die oberhalb des Wehrs gelegenen Wehres herausgegebenen Faltblatt heißt es Flussabschnitte gelangen. dazu: „Um einen möglichst naturnahen Zu- Besonderes Augenmerk bei der Neuge- Gedichte und ein Theaterstück stand im Stadtgebiet zu erreichen, wurde staltung des Elisabethenwehrs wurde auf das Wehr in ganzer Breite in eine Sohlen- die Erhaltung des dortigen Lebensraums Ausdruck der Verehrung, die Elisabeth in gleite umgestaltet. Dazu wurden große ein- der in Deutschland nur noch selten vor- Kreuznach und im Naheland entgegen ge- zelne Blocksteine zu einer tragenden Konst- kommenden Würfelnatter gelegt. Dazu sei bracht wurde, waren immer wieder Ge- ruktion angeordnet und in eine Packlage nochmals das bereits erwähnte Faltblatt zi- dichte und schließlich sogar ein Theater- aus kleinerem Felsgestein eingebunden. tiert: „Die seitlichen Abschnitte wurden zu- stück. Während der anlässlich der Hochzeit Auf diese wurde anschließend eine der Na- gunsten der Natter durch eine erhöhte des Kronprinzenpaares am 29. November tur nachempfundene Sohlauflage mit kiesi- Strukturvielfalt gestaltet. Vereinzelte Rie- 1823 in Kreuznach und anderen Orten des 2 (Seite 22 des Jahrgangs) Bad Kreuznacher Heimatblätter - 6/2014

Planskizze der von etwa 1885 bis 1958 bestehenden offenen Giebelfassade der Elisabethquelle. Kopiervorlage: Städtisches Bauamt Bad Kreuznach

Nahegebietes abgehaltenen Feierlichkeiten cher Oberlehrer Nänny das Huldigungsge- mant] prangte am Stadthaus auf einem kolossalen, dicht, das „den hohen Reisenden bei Höchst von sechs Säulen getragenen, beleuchteten Ihrem Eintritte in die Königlichen Rhein- Der Himmel gab dem Lande in Elisen Portal folgender Vierzeiler: 63) provinzen am 16ten Juli 1825 überreicht Des reichen Segens schönstes Unterpfand; [wurde] von den Jungfrauen des Kreises Und seinem Nahe-Thal ließ er den Heil- Seht Herrscher und Volk hoch erfreut; Kreuznach an den Ufern der Nahe und des quell fließen, Die alte Zeit hat sich erneut Rheins bei Bingen.“ Vier Strophen daraus Weil beides ihm vor Allem nahe stand. Es kehrt uns in Elise seien zitiert: 64) Zurück Louise. Wenn an der Wunderquelle sich die Welch neuer Glanz umleuchtet diese Gau- Schmerzen Bezeichnenderweise wird Elisabeth auch en! Des Leidenden gelöst in Jubelruf, in Kreuznach mit der legendären Königin Was längst schon Wunsch, was unsre Sehn- Dann nennen dankerfüllte, reichbeglückte Luise, ihrer früh verstorbenen Schwieger- sucht war, Herzen mutter, verglichen. Es stellt erfüllt an diesem Tag sich dar; Die Schützerin, die ihr der Himmel schuf. Am Abend des Hochzeitstages sangen in Uns ist vergönnt ins Antlitz E u c h zu schau- der Sobernheimer Pfarrkirche die Zöglinge en! Drum sey, du theures Thal, das mich gebo- der höheren Stadtschule unter Orgelbe- ren gleitung vierstimmig ein vielstrophiges Lied, Wohlan! So giebts doch wohl noch edle Ga- Und mir des Daseyns Lebenslust erneut, in dem es unter anderem heißt: ben Die Sohnestreue dir aufs Neue zuge- Zum Reisegruß in diesem schönen Thal? schworen, Gott erhalte Friedrich Wilhelm, Vor allen zwey, geweiht zum Liebesmahl, Elisen-Quelle, dir mein Dank geweiht. Alten Stammes kräft’gen Sohn, Nach alter Sitte Scheidende zu laben. Gott erhalte auch Elisen, Als Anmerkung setzte Kehr hinzu: „Ihre Seiner treuen Liebe Lohn. Und beide schenkt die strahlenreiche Son- Königliche Hoheit, unsere allverehrte Kron- ne prinzessin Elisabetha Ludovike, geruheten Sich mit Tugenden zu schmücken, Und spendet sie aus ew’gem Segensborn: der Heilquelle zu Kreuznach Höchst Ihren Nutzte E r der Jugend Zeit, Die Traube schwillt, es reift das edle Korn, Namen unter der Benennung Elisabeth- Um den Edlen zu beglücken, Und Wein und Korn, sie geben Lebens- Brunnen zu verleihen. Daß der Reim Elisen- Sehn Elisen wir bereit. wonne. Quelle bedingte, dürfte der poetischen Frei- heit wohl zur Entschuldigung dienen.“ Drum soll Freude uns erheben, O nehmt, Ihr Hohen sie zum Angedenken In seinem um 1910 entstandenen und Und wir alle rufen laut: Als Huldigung, die Euch so reich gebührt, 1916 veröffentlichten kleinen Theaterstück Hoch soll Friedrich Wilhelm leben Und wie die Lippe, kostend, sie berührt „Kreuznach wird Bad. Ein Scherzspiel in Und die holde Königsbraut. Soll Fried’ und Freud’ auf Euer Haupt sich zwei Bildern“ behandelt Karl Hessel in un- senken. terhaltsamer Weise die Auffindung der ers- Seht, den Heldenjüngling schmücket ten Solequelle auf dem Kreuznacher Stadt- Edler Sinn und Muth und Kraft, Von Carl Kehr stammt ein Gedicht mit gebiet und deren Namensgebung. Abwei- Seht, die Königstochter schmücket dem Titel „Wonne der Genesung am Elisa- chend von den historischen Gegebenheiten Alles, was ihm Wonne schafft. beth-Brunnen zu Bad Kreuznach – 1837“. – die Elisabeth-Quelle wurde offiziell erst Von den siebzehn Strophen des Textes sei- 1834 eingerichtet – lässt Hessel seine Hand- Wo Luisen man aufs Neue en die folgenden wiedergegeben: 65) lung bereits an Pfingsten 1833 spielen. In Elise wiedersieht; Ja, deine Zauberkraft, Elisen-Quelle! Im zweiten Bild tritt neben Hofrat Dr. Prie- O! da singen wir der Treue Ist dieses Thales reinster Edelstein; ger, dem Arzt Dr. Iwanoff aus St. Und der Freude Jubellied. Nicht Perus Gold und nicht Brasiliens De- Petersburg, dem Fürsten Dimitri Popoff Auch hier ist die Erinnerung an Königin mantwelle aus Kiew und vielen anderen Mitwirkenden Luise in den Liedtext einbezogen. Schließt, so wie du, die reichsten Schätze auch „Dr. Schönlein, Geheimer Obermedi- Zwei Jahre später schrieb der Kreuzna- ein. [Demant: alte Schreibweise für Dia- zinalrat aus Berlin, Leibarzt Ihrer Königli- Bad Kreuznacher Heimatblätter - 6/2014 (Seite 23 des Jahrgangs) 3

chen Hoheit der Frau Kronprinzessin Elisabeth von Preussen“, auf, dessen Frau ebenfalls Elisabeth heißt. Am Ende des fünften Auftritts kommt es zu folgen- dem Dialog:

Dr. Prieger. Unser Wasser ist indiziert bei Flechten, Skrofeln [Skrofulose: tuber- kulöse Haut- und Lymphknotenerkran- kung], Rachitis, Knochenfrass, bei sämtli- chen Leiden des lymphatischen Drüsen- systems. Frau Dr. Schönlein. Schade, dass mein sympathisches Drüsensystem – so heisst es doch? – in Ordnung ist, ich käme so gerne hierher zur Kur! Dr. Schönlein. Die Kur hier hast du nicht nötig, liebe Elisabeth, aber deine Namens- schwester, Ihre Königliche Hoheit die Frau Kronprinzessin Elisabeth, hätte sie nötig, sie hat das freiwillige Hinken, das lässt auf Skrofeln schliessen. Dr. Prieger. Sie sind ja ihr Leibarzt, schi- cken Sie die hohe Frau doch her, wir ku- rieren sie. Dr. Schönlein. Das will ich tun, ich wer- de den hohen Kurgast selbst herbringen!

Dass ein Kuraufenthalt der preußischen Planskizze des 2011 modernisierten Küchen- und WC-Bereichs im Kellergeschoss der Elisabethquelle. Kronprinzessin Elisabeth in Kreuznach in Kopiervorlage: Städtisches Bauamt Bad Kreuznach der Realität ein frommer Wunschtraum blieb, wurde bereits dargelegt. Im weiteren Fort- gang seines „Scherzspiels“ stellt Karl Hes- sel dann mit dichterischer Freiheit dar, wie Und unsere Kronprinzessin wird mit Dank Alle. Elisabethquelle, hoch! Das neue sich die Namensgebung der Elisabeth- die Patenschaft annehmen, des bin ich ge- Bad Kreuznach hoch! Quelle abspielte: 66) wiss! […] Frau Schönlein (tritt zur Quelle). Dr. Schönlein. Ja, es wird ein Bad ge- Quellnixchen, ich taufe dich, (Alle Mädchen treten zu einer huldigen- gründet, meine Herrn. Aber wie soll denn Sollst Elisabeth heissen wie ich, den Gruppe zusammen und singen): die neue Quelle heissen? Rinn lustig durch das grüne Gras, Sprudle aus den Porphyrsteinen, Dr. Prieger. Herr Geheimrat und Heile Drüsensysteme und Knochenfrass! Quelle der Elisabeth! Leibarzt Schönlein, Sie wollen ja die Kron- (sie wirft das Glas gegen die Quelle, dass Möge nie der Tag erscheinen, prinzessin Elisabeth herbringen, da es zerbricht). Wo man dich vergessen hätt’: nennen wir die Quelle einfach: Elisabeth- Die drei Ärzte. Bravo! Elisabeth! Elisa- Stetig mehre sich dein Ruhm, quelle! bethquelle! Das war eine schöne Taufrede! Kreuznachs schönstes Heiligtum! Alle. Elisabethquelle! Das ist recht! Das […] Bei der Veröffentlichung des Stücks ist schön! Dr. Schönlein (anstossend). Auf die Eli- schrieb Karl Hessel in einer Vorbemerkung: Frau Schönlein. Elisabeth heiss ich ja sabethquelle und das neugegründete Bad „Das vorliegende Scherzspiel ist vor einigen auch, da bin ich mit Patin. Kreuznach! Trost und Heilung den Kran- Jahren auf Wunsch der grossen Karnevals- Dr. Schönlein. Gewiss, liebe Elisabeth! ken, ein Wallfahrtsort für alle Zeiten! gesellschaft von Kreuznach verfasst worden

Planskizze der 1958 errichteten geschlossenen Glasfassade der Elisabethquelle. Kopiervorlage: Städtisches Bauamt Bad Kreuznach 4 (Seite 24 des Jahrgangs) Bad Kreuznacher Heimatblätter - 6/2014

und wurde von Damen und Herren jener - Engelmann, C[arl]: Kreuznach, seine Gesellschaft meisterhaft aufgeführt.“ Heilquellen und deren Anwendung. Heidelberg 1839 - Feuerstein-Praßer, Karin: Die preußi- Ein Remischen auf Elisabeth schen Königinnen. 2. Auflage München 2008 Es ist viele Jahre her und fast vergessen, - Geib, Karl: Historische Topographie von dass Bayern und Preußen an der Nahe- Kreuznach. I. und II. Teil. Kreuznach grenze einmal enge Nachbarn waren, 1929 dass die Bewohner des Kreises Kreuznach - Hessel, Karl: Aus Bad Kreuznachs Früh- 1823 und 1825 begeistert ein junges preu- zeit. Bad Kreuznach 1916 ßisch-bayerisches Kronprinzenpaar feierten - Hundert Jahre Bad Kreuznach. und dass die Elisabethquelle, die erste zu 1817–1917. Herausgegeben von der Kurzwecken genutzte Salzquelle auf Kreuz- Kurverwaltung. Bad Kreuznach 1917 nacher Boden, nach der schönen Kronprin- - Koch, Heinz: Kurmusik in Kreuznach zessin benannt wurde. Die Elisabethquelle im heutigen Zustand von Süd- und Münster am Stein im 19. und frü- Die Elisabethquelle ist geblieben und be- westen. hen 20. Jahrhundert. Bad Kreuznach herbergt heute das schmucke, gut geführte, Foto: Uli Holzhausen, Kreismedienzentrum Bad Kreuznach 2009 (=Heimatkundliche Schriftenreihe gern und viel besuchte Lokal „Silvia’s Eli- des Landkreises Bad Kreuznach, Band sabethen Quelle. Der Weinpavillon im Kur- 36) park“ mit einem aparten Angebot an Spei- - Küstermann, Werner (Hrsg.): 150 Jahre sen und Getränken. Spaziergänge durch die Parks in der Heilbad Bad Kreuznach. Eine Doku- Es ist schön und es tut gut, an einem son- Stadt der Rosen und Nachtigallen. Bad mentation seiner Geschichte und seines nigen Spätnachmittag dort zu sitzen, in das Kreuznach 2006 Bestandes 1817–1967. Bad Kreuznach Grün des Kurparks zu schauen und bei ei- - Barclay, David: Anarchie und guter Wil- 1967 nem Remischen Nahewein ein wenig nach- le. Friedrich Wilhelm IV. und die preu- - Mathern, Willy: Berühmte Gäste in Bad zusinnen über jene bayerische Prinzessin ßische Monarchie. Berlin 1995 Kreuznach. In: Küstermann 1967, S. und preußische Königin Elisabeth Ludovi- - Bayern und Preußen und Bayerns Preu- 75–88 ka, deren Name hier weiterlebt. ßen. Schlaglichter auf eine historische - Minkels, Dorothea: Elisabeth von Preu- Beziehung. Ausstellungskatalog 1999, ßen. Königin in der Zeit des AusMÄR- herausgegeben von Johannes Erichson Zens (sic!). Norderstedt 2008 Anmerkungen und Evamaria Brockhoff (=Veröf- - Mohr, Wolfgang: Bad Kreuznach in al- fentlichungen zur Bayerischen Ge- ten Ansichtskarten. Bad Kreuznach 1981 63) StAKH Nr. 2463 schichte und Kultur Nr. 41/99, heraus- - Naujack, Erich: Elisenhöhe bei Bingen- 64) StAKH Nr. 58 gegeben vom Haus der Bayerischen Bingerbrück. In: Heimatjahrbuch 2007 65) Das vollständige Gedicht abgedruckt Geschichte) Landkreis Mainz-Bingen, S. 79–84 in: Küstermann 1967, S. 300 f. - Bissing; Moritz, Freiherr von: Elisabeth Persch-Klein, Birgit: Elisabeth von Bay- 66) Hessel 1916, S. 80 ff. Königin von Preußen (1801–1873). Ber- ern 13.11.1801–14.12.1873. In: Frauen- lin 1974 kalender 2002, Blatt November - Brandt, H. Peter : Der Weg der Wittels- - Praetorius, Rudolf J.: Wittelsbacher Quellen und Literatur bacher von Birkenfeld auf den bayeri- Prinzessinnen auf fremden Thronen. schen Königsthron. In: Mitteilungen des Historische Novellen. Rosenheim 1975, - Archivalien des Stadtarchivs Bad Kreuz- Vereins für Heimatkunde im Landkreis S. 239–265: Elisabeth Königin von Preu- nach (StAKH) Birkenfeld. 87. Jahrgang. Birkenfeld ßen - Oeffentlicher Anzeiger Bad Kreuznach 2013, S. 5-22 - Prieger, J[ohann] E[rhard] P[eter]: - Heimatwissenschaftliche Zentralbib- - Clark, Christopher: Preußen. Aufstieg Kreuznach und seine Brom- und Jode- bliothek des Landkreises Bad Kreuz- und Niedergang 1600 – 1947. München haltigen Heilquellen in ihren wichtigs- nach (HWZB) 2006 ten Beziehungen. Kreuznach 1837 - Freundliche mündliche Information - Corti, Egon Cäsar Conte: Ludwig I. von - Reiniger, Wolfgang: Landkarten und durch Frau Rosa Stiwich, sowie die Her- Bayern. Vollständige Taschenbuchaus- Ortspläne des Kreises Bad Kreuznach ren Michael Fluhr und Bernd Frenger gabe. München 1979 1668–1897. Bad Kreuznach 1987 (Mitarbeiter des Stadtbauamts Bad - Das Rheintal von Bingen und Rüdes- - Reiniger, Wolfgang und Ingrid Faust: Kreuznach ) heim bis Koblenz. Eine europäische Bingen am Rhein. Bilder einer alten - Wertvolle Hinweise durch Jörg Julius Kulturlandschaft. Band 1. Mainz 2001 Stadt. Bad Kreuznach 1994 Reisek und Rolf Schaller - Ebbeke, Rolf: Bad Kreuznach. Kur- und - Ruser, Edith und Herbert Dellwing: - Bad Kreuznach wie es grünt und blüht. Heilbad. Bad Kreuznach 1990 Denkmaltopographie der Stadt Bad Kreuznach. Düsseldorf 1987 - Russ, Peter: 150 Jahre Heilbad Kreuz- nach. In: Naheland-Kalender 1967, S. 23–35 - Schaller, Rolf: Von Salzquellen und Gradierwerken. Zur Geschichte der Kreuznacher Mineralbrunnen (3 Teile). In: Bad Kreuznacher Heimatblätter 2012, Hefte 5–7 - Schneegans, E[duard]: Historisch topo- graphische Beschreibung Kreuznachs und seiner Umgebungen. Koblenz 1839 - Stöber, Natascha: Königin Elisabeth von Preußen. Magisterarbeit Februar 2004. Universität Bayreuth. Institut für neuere Geschichte. Prof. Hiery

Die Bad Kreuznacher Heimatblätter erscheinen monatlich in Zusammenarbeit mit dem Verein für Heimatkunde für Stadt und Kreis Bad Kreuznach e.V. (i. A. Dr. Horst Silbermann, Eingang zum heutigen Weinlokal in der Elisabethquelle. Foto: Dr. Horst Silbermann, Bad Kreuznach Dienheimer Berg 11, 55545 Bad Kreuznach). Nummer 7/2014

BadKreuznacher Beilage Bad Kreuznach Heimatblätter

Ein „gewesener“ Einwohner von Bretzenheim als Eremit in der „Einsiedel Heddesheim“ Aus dem Leben des Friedrich Hübler (1688 – 1764)

VON HANS SCHNEIDER, BRETZENHEIM

Der Sterbeeintrag vom 2. März 1764 besagt, dass der „h.vid.“ (honestus viduus, d.h. der ehrenwerte Witwer) Fridericus Hübler, mit den Sterbesakramenten verse- hen, in Petra , im Herrn verstorben ist. „r.i.p.“ bedeutet: „requiescat in pace“ (Er möge ruhen in Frieden). Kopiervorlage: Hans Schneider, Bretzenheim

Der in der Überschrift kurz umschriebene Die Kinder waren zu dieser Zeit entweder Die Eremiten in der Felseneremitage Sachverhalt ist im lutherischen Kirchenbuch bereits verstorben, verheiratet oder unver- Bretzenheim von Mandel im Zusammenhang heiratet außer Haus und Friedrich Hübler mit dem Eintrag der Geburt des Kindes war somit im Alter von 52 Jahren alleinste- Seit etwa 1710, dauerhaft aber seit 1716, Elisabeth Hübler, geb. am 7. Januar und hender Witwer. Familien seiner Nachkom- war das uralte Felsenkloster am Guldenbach getauft am 8. Januar 1754 in Mandel, Toch- men blieben allerdings bis 1839 in Bretzen- bei Bretzenheim von Eremiten bewohnt, die ter von Elisabeth Hübler, wie folgt vermerkt: heim nachweisbar. in der „Kurmainzer Eremitenkongregation“ „Hübler Anna Elisabeth, Friedr. Hüblers, Sein Witwerstand und seine familiäre organisiert waren. Ihre strenge Organisation gewesener Einwohner zu Bretzenheim, ge- Situation mögen Anlass gewesen sein, sein mit einer zentralen Verwaltungsstelle (Prä- genwärtigen Eremiten in der Einsiedel in Leben künftig als Eremit bzw. Einsiedler seseremitage) und einem Eremitenpräses als Heddesheim Tochter ….“ zu verbringen. Allerdings ist der Zeitpunkt „geistigem Führer“ in Gimbach am Main, Diese Aussage ist in zweierlei Hinsicht unbekannt, zu dem er sich für den Weg dem erzbischöflichen Ordinariat in Mainz bemerkenswert: zum einen, weil sie mit in die Einsamkeit entschloss. Das erste zu- als höchster kirchlicher Instanz sowie der Friedrich Hübler einen tatsächlichen Ein- verlässige Datum seines Eremitentums ständigen Kontrolle durch externe Visitato- wohner von Bretzenheim an der Nahe an- ist mit der Jahresangabe 1754 in dem ren und die örtlichen Pfarrer bot die Gewähr spricht, und zum anderen, weil sie diesen im eingangs zitierten kirchenamtlichen Eintrag dafür, dass in den Eremitagen/Einsiedelei- Jahre 1754 als Eremiten einer Einsiedelei in belegt. en/Klausen des Erzbistums Mainz, dem zu Heddesheim (heute Ortsteil von Guldental) Er starb laut Eintrag in den Elenchen der damaligen Zeit auch Bretzenheim a.d.N. bezeichnet, deren Existenz bislang nicht be- (kirchliche Personenstandslisten) des ka- angehörte, keine „freien“ und unorgani- kannt war. tholischen Kirchenbuches von Bretzenheim sierten Einsiedler Unterkunft fanden. In der a.d.N. am 2. März 1764 „in Petra“, was be- fraglichen Zeit zwischen 1740 – 1764 war die deutet, dass er sein Leben „im Felsen“ be- Felseneremitage Bretzenheim von drei Ere- Zur Person schloss. Diese Umschreibung bezieht sich miten dauerhaft bewohnt. Über die gesamte unzweideutig auf eine Eremitenklause im Besiedlungszeit zwischen 1710 – 1827 waren Friedrich Hübler, kath., entstammte einer Fels. Die Tatsache, dass der Eintrag im ka- es 23 Eremiten, die in wechselnder perso- seit etwa 1650 in Bretzenheim an der Nahe tholischen Kirchenbuch von Bretzenheim neller Zusammengehörigkeit und Aufent- ansässigen Familie und wurde am 26. Sep- vorgenommen wurde, lässt nur den Schluss haltsdauer hier Aufnahme gefunden hatten. tember 1688 in Bretzenheim als Sohn von zu, dass Hübler auf Bretzenheimer Territo- Da ein Eremit namens Hübler weder in Daniel Hübler und dessen Ehefrau Cathari- rium, also in der dort gelegenen Felsenere- den bischöflichen Unterlagen noch in sons- na geb. Zörch geboren. Mit seiner Frau Eli- mitage verstorben ist. Dieser scheinbare Wi- tigen Namenslisten der Kongregation oder sabeth, die er vor 1715 heiratete, hatte er derspruch zwischen seinem Aufenthalt in gar in den örtlichen Nachweisen der Bret- fünf Kinder, darunter die obengenannte der „Einsiedelei Heddesheim“ und dem zenheimer Felseneremitage benannt ist, Tochter Anna Elisabeth. Seine Ehefrau starb Sterbeort in Bretzenheim bedarf einer spä- muss davon ausgegangen werden, dass er am 23. Februar 1740 im Alter von 50 Jahren. teren Erläuterung. sich keiner Organisation zugesellt hatte 2 (Seite 26 des Jahrgangs) Bad Kreuznacher Heimatblätter - 7/2014

Der Auszug aus der Topographischen Karte 1:25 000 zeigt den Grenzbereich zwischen Bretzenheim und dem früheren Heddesheim mit den Positionen der Felsen- eremitage Bretzenheim (eckig gerahmt) und der Einsiedelei Heddesheim (oval gerahmt). Kopiervorlage: Hans Schneider, Bretzenheim

sondern als „freier“ Eremit lebte. Dass er oh- tage, Einsiedlerklause o.ä. Nun gibt es aber Erzbistum Mainz unterstand, gehörte Hed- ne kirchliche Erlaubnis sich in Bretzenheim tatsächlich in der Gemarkung von Gulden- desheim zur Kurpfalz. Somit wäre eine Ein- aufgehalten haben könnte, muss ausge- tal, an der Felswand des Waldberges „Lin- siedelei Heddesheim der Zuständigkeit der schlossen werden, zumal von 1733 bis 1775 del“ gelegen, einen hinter Buschwerk ver- bischöflichen Behörde in Mainz entzogen mit Blasius Dedecker ein „altgedienter“ borgenen und durch von der Felswand ab- gewesen, allerdings nur bis zum Jahre 1757. Eremit den kleinen Konvent in Bretzenheim hängende Rankengewächse verdeckten Ort, Am 5. Juli 1757 inkorporierte Kurfürst Carl leitete, der zudem noch das hohe Vertrau- der alle Anzeichen einer früheren Eremi- Theodor von der Pfalz die in seinem Territo- ensamt des Visitators für die gesamte Kur- tenklause erkennen lässt. Er befindet sich rium gelegenen Eremitagen der Kurmainzer mainzer Eremitenkongregation innehatte. nur ca. 400 m westlich der Bretzenheimer Eremitenkongregation und unterstellte sie Felseneremitage, wird aber in kirchlichen damit der Jurisdiktion des Erzbistums Mainz. Unterlagen nirgendwo erwähnt. Weder vor dieser Zeit noch im Zusam- Wo befand sich Hüblers Einsiedelei? Zwischen den beiden Gemeinden Bret- menhang mit Hüblers Leben als Einsiedler zenheim a.d.N. und Heddesheim gab es kei- (1754 – 1764) und der Folgezeit bis zur Ein- Der eingangs erwähnte Eintrag im luthe- nen territorialen oder landesherrlichen Zu- gliederung unserer Region in das französi- rischen Kirchenbuch von Mandel nennt eine sammenhang. Während Bretzenheim als sche Staatsgebiet 1796/1802 mit den res- „Einsiedel Heddesheim“. In den ortsge- immediate freie Reichsherrschaft sich im triktiven Folgen auch für klosterähnliche schichtlichen Quellen von Heddesheim, seit Besitz des Erzbistums Köln befand und von Einrichtungen, wurde eine „offizielle“ Ein- 1969 Ortsteil von Guldental, fehlen aber jeg- diesem als Lehen an verschiedene Dynasten siedelei Heddesheim genannt. Es muss sich liche Hinweise auf eine Einsiedelei, Eremi- vergeben war, kirchenrechtlich aber dem demnach um eines jener Einsiedlerrefugien

Befreit von Bewuchs im Vorfeld und von Teilen des von der Felswand abhängenden Efeus sind hier die in die Felswand eingetiefte Grotte als Teil der ehe- maligen Klause sowie die Balkenlager der vorge- bauten Hütte, der eigentlichen Eremitenklause, zu Von der Standortebene der Klause aufgenommen, sind die Bauspuren deutlicher zu erkennen. erkennen. Foto: Hans Schneider, Bretzenheim Foto: Hans Schneider, Bretzenheim Bad Kreuznacher Heimatblätter - 7/2014 (Seite 27 des Jahrgangs) 3

Die Felsgrotte, als Apsis in die Felswand eingetrieben, ist nur Teil der eigentlichen Eremitenklause. Sie konnte allein nur schwerlich dem Daueraufenthalt eines Menschen gedient haben, denn ihr Innen- raum ist halbrund mit einem Radius von 2,00 m, wobei der größte Teil des Innenraumes von einer halbrund umlaufenden und aus der Felswand herausgeschlagenen Sitzbank mit einer Sitzbreite von 0,70 m und einer Hö- he von 0,45 m eingenommen wird. In dem verbleibenden Raum der Grotte war allen- falls noch Platz für einen kleinen Tisch. Die eigentliche Klause war der Grotte vorgebaut, wobei die in Form eines Sattel- daches angeordneten Balkenlager in den Abmessungen 0,25 x 0,20 m auf eine stabile Bauausführung schließen lassen –wahr- scheinlich wegen des drohenden Stein- schlags von oben-. Der Firstbalken lag 1,10 m über der 2,70 m hohen Grotte, und die Breite des überbauten Raumes betrug etwa 3,20 m, wobei die auf 1,50 m herabreichende Dachschräge den Raum noch etwas einge- engt haben mag. Die Länge des Raumes von ca. 2,00 m war vorgegeben durch den nach vorne ca. 2,50 m steil abfallenden Felsabsatz. Die nutzbare Grundfläche der Klause dürfte somit 2,00 x 2,50 m – zuzüglich der Felsgrotte Aufgenommen von der Position, wo eine kleine Erdschräge, früher vielleicht eine Treppe, vom unteren Bo- – betragen haben und entsprach damit der denniveau zur Felsebene mit der Klause heraufführte, ist der ideal gewählte Standort überschaubar. In dem eremitischen Tradition, nach der der Wohn- hinteren Felswinkel mag der Eremit sein Holz und seine sonstigen Vorräte gelagert haben. Der Platz reichte platz eines Einsiedlers nicht größer sein soll- aber auch noch für einen geschützten Aufenthalt im Freien. Foto: Hans Schneider, Bretzenheim te, als der Platz, den ein liegender Mensch zum Schlafen benötigt. Der Weg des Eremiten zu seiner Klause muss beschwerlich gewesen sein. Nur bei gehandelt haben, die als „wilde“ Eremita- sich um bauliche Reste einer alten Eremi- Niedrigwasser des Guldenbachs konnte er, gen angesehen wurden, deren Bewohner tenklause handeln könnte, war in der aus- über Steine balancierend, dem Bachlauf fol- zwar ein mehr oder weniger frommes Leben gesprochen idealen Ortswahl auf einer ca. gen. Als Alternative führte ein kleiner und führten, sich aber keiner kirchlichen Autori- 2,50 m hohen Felsterrasse und den nach und beschwerlicher Anstieg bergauf und stieß tät unterordneten. nach freigelegten Balkenlagern einer der auf einen Pfad, der von der Felseneremitage Die Wahl einer Einsiedelei durch Hübler Felswand vorgebauten Hütte begründet. Bretzenheim oberhalb der Heddesheimer in Heddesheim könnte aber auch von dem Hinweise auf die Entstehungszeit dieser Klause nach Westen verlief und über den die Verhalten der herrschaftlich–bretzenheimi- Klause waren nicht vorhanden. Auch eine Orte Winzenheim, Heddesheim und Wald- schen Verwaltung beeinflusst gewesen sein. spätere Untersuchung im Jahre 2001 führte hilbersheim zu erreichen waren. Seit 1744 war Freiherr Carl Hartmann von zu keinen neuen Erkenntnissen. Allenfalls Unter Berücksichtigung aller beschriebe- Roll zu Bernau Ortsherr über Bretzenheim die in die Felswand eingetieften Balkenlager nen Fakten dürfte diese Klause das Domizil a.d.N., hatte aber die Regierungsgeschäfte für Dach und Wände, könnten, da sie keine des Bretzenheimer Eremiten Friedrich Hü- seinem Sohn Joseph Anton, welcher Dom- nennenswerten Verwitterungsspuren auf- bler gewesen sein. Ob er sie selbst – viel- herr zu Worms war, übertragen. Mit der Ver- wiesen, ein Indiz dafür sein, dass sie erst im leicht mit Hilfe von Familienangehörigen – waltung in Bretzenheim war der Amtmann 18. Jahrhundert entstanden sind. neu erbaut oder auf älteren Bauresten wie- Anton Desloch beauftragt. Er war es, der die Eremiten der Felseneremitage ständigen Schikanen und Bedrängnissen aussetzte, so dass sich das erzbischöfliche Ordinariat in Mainz genötigt sah, am 14. Mai 1753 Pfarrer Eichmann aus Münster bei Bingen zu dem Amtmann zu entsenden, um diesem jegliche weitere Übergriffe und Bedrängnisse den Eremiten gegenüber zu untersagen. Diese Bemühungen blieben erfolglos, wie auch ei- ne zweite Intervention, die unmittelbar an den Mitinhaber der Ortsherrschaft, Joseph Anton von Roll, Domprobst zu Worms, ge- richtet war. Es ist daher kaum anzunehmen, dass in dieser spannungsreichen Zeit ein weiterer Eremit in Bretzenheim in der Fel- seneremitage hätte ansässig werden oder sich gar eine eigene Einsiedelei in Bretzen- heim hätte einrichten können.

Die Heddesheimer Einsiedelei

Bereits zu Beginn meiner Erforschung der Felseneremitage Bretzenheim Anfang der 1990er Jahre wurde ich auf die oben er- wähnte, hinter dichtem Heckenbewuchs und von der Felswand abhängenden Ran- kengewächsen verborgene kleine Felsgrotte Dort, wo bei dem Blick aus der Felsgrotte das Auto zu sehen ist, floss bis zum Ende des 19. Jahrhunderts, und eine Reihe von Bauspuren in der Fels- in unmittelbarer Berührung zur Felswand, der Guldenbach. Der heute dort verlaufende Weg wurde erst nach wand aufmerksam. Die Vermutung, dass es der Begradigung des Bachlaufes um 1880 geschaffen. Foto: Hans Schneider, Bretzenheim 4 (Seite 28 des Jahrgangs) Bad Kreuznacher Heimatblätter - 7/2014

der errichtet hat, lässt sich nicht eindeutig klären. Der Zustand der vorhandenen Bau- spuren spricht aber für die erste Alternative. Vielleicht errichtete er die Klause sogar auf eigenem Grund und Boden, denn in frühe- ren Zeiten war auch der Waldberg Lindel in eine Vielzahl kleiner privater Parzellen auf- geteilt.

Wie war das Verhältnis zwischen Hübler und den Eremitenbrüdern der Felseneremitage Bretzenheim?

Auch wenn Friedrich Hübler sich als „freier“ Eremit auf fremdem (kurpfälzi- schem) Territorium niedergelassen hatte, war das sicherlich kein Grund für die Be- wohner der Felseneremitage, ihn zu meiden. Als ehemaliger und mit Grundbesitz ausge- stattet gewesener Ortsansässiger von Bret- zenheim könnte seine Versorgung gesichert gewesen sein, so dass er den Bewohnern der Felseneremitage nicht zur Last fiel. Zur Teil- nahme an gemeinsamen gottesdienstlichen Übungen, zu den Wallfahrten und sonstigen kirchlichen Veranstaltungen, vor allem aber zum regelmäßigen Besuch der Gottesdienste in der Kirche der Felseneremitage dürfte Hübler diesen Ort aufgesucht haben. Sicherlich war er auch anwesend, als ge- mäß dem Eintrag Nr. 1, S. 074 im katholi- schen Kirchenbuch Bretzenheim sein Sohn Das Fachwerkhaus im Garten unterhalb der Felsenwohnung (Detail aus einem Stich von A.M. Schwan aus Jacob am 4. Februar 1756 die aus Bretzen- dem Jahre 1785). Bildvorlage: Hans Schneider, Bretzenheim heim stammende Clara Ruhl in der Kirche der Felseneremitage heiratete. Dies war kein ungewöhnlicher Vorgang, denn insge- samt sind 19 Brautpaare in den katholischen die Felseneremitage gemeint ist. Dass der zenheimer Eremitage errichtet worden. Kirchenbüchern registriert, die in der St. An- Sterbeeintrag keinen Hinweis auf den Ere- In erster Linie diente es der Unterbringung toniuskirche der Felseneremitage Bretzen- mitenstand von Hübler enthält sondern von Priestern, die zu den Gottesdiensten, heim die kirchliche Eheschließung vollzo- ihn als „h. vid“ (“homestus viduus“) als „eh- Wallfahrten und sonstigen kirchlichen gen haben. renwerten Witwer“ bezeichnet, könnte Anlässen zur St. Antoniuskirche der Eremi- Wie bereits eingangs vermerkt, verstarb bedeuten, dass er mittlerweile dem Eremi- tage kamen. Gelegentlich fanden hier auch Friedrich Hübler im Alter von 76 Jahren in tenstand entsagt und sich als alter und kran- Privatpersonen Aufnahme. Aber auch ein der Felseneremitage Bretzenheim. Hin- ker Mann in die Obhut und Pflege der Ere- bewohnbarer Fachwerkbau im Garten un- sichtlich des Sterbeortes lässt die Tatsache, miten begeben hatte. Die räumlichen terhalb der Felseneremitage hätte als Un- dass in dem Auszug aus dem Kirchenbuch Voraussetzungen hierfür wären vorhanden terkunft für Gäste gedient haben können. von Bretzenheim „in petra“ („im Felsen“) gewesen, denn seit 1759 war ein separates Die Unterbringung von Nicht-Eremiten in vermerkt ist, keinen Zweifel zu, dass damit Gästehaus vor der Felsenwohnung der Bret- der Felsenwohnung selbst war dagegen ver- boten. Ein Beweggrund für Friedrich Hübler, den Eremitenstand aufzugeben, könnte aber auch der vorstehend erwähnte Umstand ge- wesen sein, dass Carl Theodor, Kurfürst von der Pfalz, am 5. Juli 1757 alle auf kurpfälzi- schem Territorium gelegenen Eremitagen – und damit auch die Einsiedelei Heddesheim – der Kurmainzer Eremitenkongregation unterstellte. Deren überaus strenge Regeln hätten zur Folge gehabt, dass Hübler, um den offiziellen und kirchenamtlichen Status eines Eremiten zu erlangen bzw. zu behal- ten, alle Voraussetzungen wie Noviziat (Lehrzeit in einer Lehreremitage), Ablegung der Gelübde der Armut, Keuschheit und des Gehorsams sowie die anschließende feierli- che Einkleidung hätte nachholen müssen. Vielleicht fühlte er sich dazu angesichts des damit verbundenen Verlustes aller sei- ner über Jahrzehnte genossenen Freiheiten und auch bedingt durch sein hohes Alter nicht mehr willens oder in der Lage und schied aus dem Eremitenstand aus.

Die Bad Kreuznacher Heimatblätter erscheinen monatlich in Zusammenarbeit mit dem Verein für Heimatkunde für Stadt und Kreis Bad Kreuznach e.V. (i. A. Dr. Horst Silbermann, Das 1759 erbaute „Gästehaus“ der Felseneremitage. Bildvorlage: Hans Schneider, Bretzenheim Dienheimer Berg 11, 55545 Bad Kreuznach). Nummer 8/2014

BadKreuznacher Beilage Bad Kreuznach Heimatblätter

Das Kreuznacher Kurhaus in kriegerischen Zeiten Militärische Befehlszentrale im Ersten und Zweiten Weltkrieg

VON ROLF SCHALLER, BAD KREUZNACH

Einleitung

Vor 100 Jahren, am 1. August 1914, be- gann mit der Kriegserklärung Deutschlands an Russland der Erste Weltkrieg. Die deut- sche Kriegserklärung an Frankreich folgte am 3. August und am 4. August erklärte Großbritannien dem Deutschen Reich den Krieg. Die verhängnisvolle Entwicklung hatte sich schon früh angekündigt. Mit dem Sieg Deutschlands über Frankreich und der Reichsgründung im Jahre 1871 war die An- nektierung von Elsass-Lothringen einher ge- gangen. Wilhelm I. hatte sich in Versailles zum deutschen Kaiser ausrufen lassen. Die alte „Erbfeindschaft“ zwischen Frankreich und Deutschland war neu geschürt. Durch die Schaffung deutscher Kolonien vor allem in Afrika (z.B. Deutsch Südwest-Afrika), in geringerem Umfang auch im pazifischen Oberpost-Inspektor und Oberstleutnant Karl Wilhelm Ohnesorge (1872–1962). Raum (z.B. Neuguinea) und in Nordostchina Foto: Mit freundlicher Genehmigung der Zeitschrift „Die F-Flagge“ (Kiautschou) versuchte der Kaiser, mit den anderen europäischen Staaten gleichzuzie- hen und Deutschlands weltpolitisches Ge- wicht zu stärken. Nach dem Tod des Kaisers Nazi-Deutschland 1939 den Zweiten Welt- und Bad Münster wurde viergleisig ausge- im Jahre 1888 bestieg sein Enkel Wilhelm krieg auslöste. Mit der Verlegung des Ar- baut. II. den Thron. Außenpolitisch beherrschte mee-Oberkommandos 1 (AOK 1) nach Bad 1916 richtete die Heeresverwaltung im das zunehmend militante Auftreten Kaiser Kreuznach erlangte das dortige Kurhaus er- Hotel „Fürstenhof“ ein Lazarett ein. Und Wilhelms II. dessen Regierungszeit. Mit neut zentrale militärische Bedeutung. am 12. Februar 1917 wurde das „Große dem beginnenden Bau einer Kriegsflotte Hauptquartier“ von Pleß [Oberschlesien, kam es seit 1908 auch im Verhältnis zu Groß- heute Polen, nahe Kattowitz] nach Kreuz- britannien zu wachsenden Spannungen. Kreuznach im Ersten Weltkrieg nach verlagert. Ausschlaggebend für diese Letztendlich ausgelöst wurde der Erste Entscheidung waren neben der Nähe zur Weltkrieg durch den nationalstaatlichen Schon 1879 war die Projektierung einer Westfront die hervorragenden Unterbrin- Egoismus der „Mittelmächte“ Österreich- Parallelstrecke zur Rhein-Nahe-Bahn, die gungsmöglichkeiten im neuen Kurhaus und Ungarn und Deutschland einerseits sowie militärstragegischen Zwecken dienen sollte, den großen Hotels der Stadt wie Oranien- der Staaten Frankreich, Russland und Eng- im Gespräch. Das Kriegsministerium trieb hof, Fürstenhof u.a., die ausgezeichneten land andererseits. Letztere waren seit 1904 jedoch erst um die Jahrhundertwende den Eisenbahnverbindungen durch die oben be- zur Wahrung ihrer Interessen in der „En- Bau der „Strategischen Bahnlinie - schriebene neue Bahnlinie nach Metz und tente cordiale“ [franz.: herzliches Einver- Metz“ über Mainz, Gau-Algesheim und die gut ausgebauten oberirdischen Fern- ständnis] miteinander verbündet. Von Feb- Kreuznach voran. Am 1. Juli 1898 lagen im meldelinien. Auch das Fernkabel Frankfurt- ruar 1917 bis Januar 1918 war das Kreuzna- Ministerium die Pläne für den Bau eines Straßburg-Metz lief über das Telegrafenamt cher Kurhaus als Sitz des „Großen Haupt- neuen Bahnhofs am heutigen Standort beim Kreuznach. Zum Transport des „Haupt- quartiers“ für ein knappes Jahr ein Brenn- Abzweig der „Strategischen Bahn“ von der quartiers“ waren außer dem Führungszug punkt der Weltkriegsgeschichte. Rhein-Nahe-Bahn vor. Der im Anschluss an des Kaisers elf weitere Eisenbahnzüge er- Der Deutschland nach dem Ersten Welt- den neuen Bahnhof geplante achtgleisige, forderlich. Die Telegrafendienststelle ver- krieg aufgezwungene Friedensvertrag von 1700 Meter lange Rangierbahnhof war vom fügte neben ihren stationären Anlagen über Versailles barg schon den Keim der nächs- Kriegsministerium bereits damals für „die drei „Telegraphen-Waggons“, die nach Be- ten kriegerischen Auseinandersetzung in Bedürfnisse des militärischen Aufmarsches darf an den Hofzug beziehungsweise die sich. Der Vertrag hatte Europa weder wirt- im Mobilmachungsfalle“ gedacht. In den Befehlszüge angekuppelt wurden. schaftlich noch politisch stabilisieren kön- Jahren 1901–1902 wurde das Vorhaben um- Schon Wochen vor der Verlegung des nen, sondern trug wesentlich dazu bei, dass gesetzt. Die Strecke zwischen Kreuznach „Großen Hauptquartiers“ waren Baukom- 2 (Seite 30 des Jahrgangs) Bad Kreuznacher Heimatblätter - 8/2014

Villa Imhoff] und sprach ihm als Erster seine Glückwünsche zum 70. Geburtstag aus. Das kaiserliche Geschenk besteht aus einer Mar- morbüste [des Kaisers] von Bildhauer Bez- ner“ [Max Betzner (1883–1953), Berliner Bildhauer]. Kreuznachs Bevölkerung feierte den Geburtstag des Generalfeldmarschalls am Nachmittag auf dem Bismarckplatz [heute: Kornmarkt]. Und auch der Flieger- angriff am 2. Oktober 1917 lässt sich in der Zeitung nachvollziehen: „Gestern Abend 10.30 Uhr erschienen aus westlicher Rich- tung, rechtzeitig gemeldet und von den Ab- wehrgeschützen [beim Rheingrafenstein] lebhaft beschossen, mehrere Flieger und warfen auf Frankfurt und Umgebung eine größere Anzahl von Bomben ab“. Am 6. Ok- tober schrieb die Zeitung: „Der Luftkrieg be- ginnt erst“. 2) Anlässlich der Kriegszielkonferenzen, Friedensgespräche und ungezählten sons- tigen Besprechungen weilte eine Vielzahl il- lustrer Gäste im Kreuznacher Kurhaus. Am 17. Mai 1917 traf Kaiser Karl von Österreich ein. Es folgten Militärattachés aus Öster- reich, Chile, Norwegen und Spanien, König Ferdinand von Bulgarien und die Erzherzö- ge Albrecht und Friedrich von Habsburg. Am 29. Juni 1917 weilte der Apostolische Nuntius Dr. Eugenio Pacelli, der spätere Papst Pius XII., im Kurhaus. Am 19. De- zember gehörte Mustafa Kemal Pasa, der spätere Staatspräsident der Türkei Kemal Atatürk, zur türkischen Delegation. 3) Am 16. Januar 1918 brach über Kreuz- nach das „Jahrhunderthochwasser“ herein. Der Fuhrpark des Kaisers vor dem Kurhaus. Foto: Stadtarchiv Bad Kreuznach Die Verlegung des „Großen Hauptquar- tiers“ nach Spa in das Hotel „Britannique“ war längst beschlossen, um von dort aus die Frühjahrsoffensive an der Westfront zu füh- panien und Telegrafendienststellen nach drückte, war erst am 5. April 1930 im Oef- ren. Im Februar wurde mit der Verlegung Kreuznach beordert worden. Leiter der „Te- fentlichen Anzeiger zu lesen: „Der halb- verschiedener Dienststellen begonnen. Am legraphendirektion des Großen Hauptquar- kreisförmige Kurparkbunker bestand aus 8. März 1918 hatten auch Kaiser und Gene- tiers“ in Kreuznach war Ober-Postinspektor doppelwandigen Backsteinmauern mit da- ralstab die Stadt Kreuznach verlassen und und Oberstleutnant Karl Wilhelm Ohnesor- zwischen gefügten Betonschichten und Ei- die Uniformierten waren wieder aus dem ge, unter den Nazis von 1937-1945 Reichs- senbahnschienen bzw. Stahlplatten als De- Kurviertel verschwunden. Am 11. Novem- postminister. Neben den Telegrafenlinien ckenlage. Der bombensichere Unterstand ber 1918 endete der Erste Weltkrieg mit der wurde für die Oberste Heeresleitung am 16. gewährte dem Kaiser und den hohen Offi- Kapitulation der Reichswehr. Im Versailler Februar 1917 beim Rheingrafenstein eine zieren des Generalstabs Unterschlupf bei Vertrag vom 28. Juni 1919 wurden Deutsch- stationäre Funkanlage für den Funkverkehr feindlichen Flieger-Angriffen. Er gelangte land schwere wirtschaftliche Lasten aufer- mit den einzelnen Heeresgruppen in Be- zu historischer Berühmtheit, als der Kaiser trieb genommen. 1) und die Generalität beim Bankett zu Ehren Die kaiserlichen Autos waren in der von Hindenburgs 70. Geburtstag im Jahre „Mühlenstraße“ (Kaiser-Wilhelm-Anlage?) 1917 von einem feindlichen Fliegerangriff untergebracht. In der Stadt gingen selbst überrascht wurden. Als sich der Kaiser mit Hindenburg und Ludendorff zu Fuß. In der dem Auto zu dem Unterstand begab [der Kurhausstraße, der Luisenstraße (heute Kai- Empfang zu Hindenburgs Geburtstag am ser-Wilhelm-Straße) und der Elisabethstra- Abend des 2. Oktober 1917 hatte im Orani- ße (heute Badeallee) waren alle Hotels be- enhof stattgefunden], war vergessen wor- schlagnahmt worden. Der Generalstab war den, die Autoscheinwerfer auszuschalten, im Hotel Oranienhof untergebracht. Das am wodurch er den Fliegern ein auffälliges Ziel 1. Juli 1913 eingeweihte neue Kurhaus war bot. Die Entente-Geschwader vermochten für Kaiser Wilhelm II. und sein Gefolge re- aber das deutsche Abwehrfeuer nicht zu serviert. Der von Prof. Emanuel von Seidl durchbrechen“. Der feindliche Fliegeran- aus München entworfene Prachtbau hatte griff am 2. Oktober 1917 galt allerdings 1,5 Millionen Reichsmark gekostet. nicht dem „Großen Hauptquartier“, son- Am 17. März 1917 zog der Kaiser in das dern der Mainmetropole Frankfurt (s.u.). Kreuznacher Kurhaus ein. Teile der Aus- Über das „Große Hauptquartier“ in stattung waren aus dem Berliner Schloss Kreuznach durfte die Presse damals nicht herbeigeschafft worden. Wilhelm II. hat der berichten. Mit zensierten, eher allgemein Aufenthalt im gerade eröffneten Kurhaus gehaltenen Meldungen vom Kriegsgesche- trotzdem nicht gefallen, denn er soll es als hen hielten die Kreuznacher Zeitungen die „Betonbude“ geschmäht haben. Im Kur- Bevölkerung auf dem Laufenden. So hieß es haus war für den Kaiser und den Kronprin- schon am 19. September 1917: „Gestern fan- zen ein Kellerraum als Bunker ausgebaut den feindliche Luftangriffe auf Saarbrücken worden, der allerdings nur wenig Platz bot. und Stuttgart statt“, und eine Woche später Über einen 25 Meter langen unterirdischen am 27. September: „Gestern griffen unsere Gang war ein weiterer bombensicherer Un- Flieger erneut England an und warfen Bom- terstand im Kurpark zu erreichen. Von ei- ben über London, Dover und Southend ab“. nem kleinen Pavillon führte ein zweiter Ein- Von Hindenburgs Geburtstag war zu lesen: Grundriss des 1938/39 gebauten Kurhausbunkers. gang über Treppen von außen in den Un- „Früh Morgens erschien der Kaiser in der Skizze: Mit freundlicher Genehmigung der Zeitschrift „Die F-Flagge“ terstand. Was 1917 die Pressezensur unter- Wohnung des Generalfeldmarschalls [in der (Nachzeichnung von Julia Bibiana Silbermann, Raleigh NC, USA) Bad Kreuznacher Heimatblätter - 8/2014 (Seite 31 des Jahrgangs) 3

Zeitung zu lesen: „Der Unterstand im Kur- Am 30. Januar 1933 ernannte Hinden- garten wird unter Leitung des Maurermeis- burg, der seit 1925 Reichspräsident war, ters Riedle zur Zeit beseitigt. Mit den Ab- Adolf Hitler zum Reichskanzler, am 24. brucharbeiten, die mehrere Tage in An- März stimmte der Reichstag dem „Ermäch- spruch nehmen werden, wurde gestern be- tigungsgesetz“ zu, das Hitler gesetzgeberi- gonnen. Zwei Treppen führen vom Kurpark sche Vollmachten übertrug, und am 16. in den bombenfesten Verbindungsgang März 1935 befahl Hitler die Wiedereinfüh- nach dem Kurhaus hinab. Während der Aus- rung der allgemeinen Wehrpflicht. Ein Jahr gang zum Kurhaus bereits seiner Zeit [1918] darauf, am 7. März 1936, kündigte Hitler vermauert wurde, erfolgt jetzt die Vermau- den „Locarno-Vertrag“ auf (der am 16. Ok- erung auf der Kurgartenseite, die hierauf tober 1925 geschlossene Pakt zwischen mit einer Betondecke zugelegt werden soll“. Deutschland und den westeuropäischen Doch mit der Spitzhacke kam die Firma Staaten sollte die bestehenden Westgren- Riedle offensichtlich nicht voran. Am Abend zen garantieren). Die „Weisung für die ein- des 10. April 1930 unternahm man einen ers- heitliche Vorbereitung eines möglichen ten Sprengversuch mit Dynamit. Wie der Krieges“, die am 1. November 1936 in Kraft Oeffentliche Anzeiger am nächsten Tag trat, legte bereits Bad Kreuznach als Stand- meldete, blieb die erste Sprengung jedoch ort für das Armee-Oberkommando 1 (AOK weitgehend ohne Wirkung. Am 11. April er- 1) fest. Mit der Besetzung der entmilitari- folgte ein zweiter Sprengversuch, der aller- sierten Rheinlande rückte auch in Bad dings ebenfalls nur zu einem Teilerfolg führ- Kreuznach wieder das Militär ein. In der Ka- te: „Der Unterstand erwies sich als wirklich serne in der Alzeyer Straße bezog das II. Ba- bombensicher: die Sprengung ist nur unter taillon des Infanterie-Regimentes 107 Stel- außerordentlich schwierigen Bedingungen lung. durchzuführen [das unmittelbar neben dem Der Kurbetrieb war gerade wieder auf- Bunker stehende Kurhaus durfte ja nicht be- genommen worden. 1929 wurde das alte Bä- schädigt werden]. Auch die gestrige Wie- derhaus hinter dem Kurhaus abgebrochen derholung führte nur zu einem Teilerfolg, und an dessen Stelle bis Juni 1930 das neue General Erwin von Witzleben (1881–1944). obwohl bei sechs Schüssen die Brocken bis Kursaalgebäude errichtet. Die großen Ho- Quelle: Wikipedia zum anderen Naheufer hinüber flogen. Heu- tels „Fürstenhof“ und „Oranienhof“ waren te Abend soll versucht werden wird, sie zu während der Besetzung dermaßen herun- vollenden“. Die dritte Sprengung am Sams- tergekommen, dass man sich nicht mehr zu tag, dem 12. April 1930, zeigte dann endlich einer Renovierung entschließen konnte und legt. Das linke Rheinufer wurde von den al- den erwünschten Erfolg und die Beton- die traditionsreichen Häuser Mitte der 1930- liierten Siegermächten besetzt, wobei der trümmer konnten beseitigt werden. 4) Als er Jahre abriss. weitaus größte Teil – darunter auch der einziges Relikt war nur der Treppennieder- Der nahende Krieg warf seine Schatten Kreuznacher Raum – unter französische Be- gang zum Bunker noch bis in die 1970er- voraus und in Bad Kreuznach wurden schon satzung geriet. Jahre im Kurpark stehen geblieben. wieder Kriegsvorbereitungen getroffen. Die Bereits Mitte Dezember 1918 zog der Vermaschung des Fernkabelnetzes des französische Generalstab mit General Man- Knotenamts Bad Kreuznach war bereits Mit- gin und später Marschall Foch im Kurhaus Der Zweite Weltkrieg te der 1930er-Jahre weiter ausgebaut wor- ein. Das Kurhaus und das ganze Kurviertel den. Für den Fall der bei Kriegsausbruch er- wurden von den Franzosen beschlagnahmt. Militärische Bedeutung erlangte das Kur- warteten gegnerischen Luftangriffe wurde Die französischen Truppen verließen erst haus auch im Zweiten Weltkrieg. Der Ver- 1938 der Bau eines Luftschutzbunkers für 1930 – nach zwölf langen Jahren – endgül- sailler Vertrag lastete schwer auf Deutsch- den Armeestab hinter dem Hotel „Kauzen- tig die Stadt. Das Kurhaus war von den Fran- land. Mit dem „Schwarzen Freitag“ vom 13. berg“ in Angriff genommen. Der abgewin- zosen schon 1923 wieder freigegeben wor- Mai 1927, als die Berliner Börse um 31,9 Pro- kelte Bunker führte Richtung Nahe und bog den. zent einbrach, begann ein sich ausweiten- dann hinter dem Logengebäude nach rechts Nach dem Ende des Ersten Weltkriegs der wirtschaftlicher Niedergang, der mit zur Augusta-Straße (heute Dr.-Alfons- waren die Eingänge zum Bunker von der dem Zusammenbruch der New Yorker Bör- Gamp-Straße) ab. Ein unterirdischer Gang französischen Besatzung unzugänglich ge- se am „Schwarzen Freitag“ des 25. Oktober verband den Bunker mit dem Kurhaus. Am macht worden. Am 9. April 1930 war in der 1929 zur Weltwirtschaftskrise führte. 28. August 1939 wurde das Armee-Ober-

Unten links: Brücke hinter dem Kurhaus im Dezember 1945. Foto: Helmut Ahrens †, Bad Kreuznach 4 (Seite 32 des Jahrgangs) Bad Kreuznacher Heimatblätter - 8/2014

Elisabethquelle außer Betrieb ist, nicht mehr ihren Zweck. Sie wird später an anderer Stel- le und in anderer Gestalt neu erstehen“. Au- ßerdem war zu lesen, dass „der früher von den Amerikanern benutzte Platz zwischen Kurhaus und der [jetzigen] Station Kauzen- berg [Werkstatt und Tankstelle der Firma von Hoff] als Kurhausparkplatz hergerichtet wird“. Am 7. Februar 1958, hieß es: „Der Luftschutzbunker gegenüber dem Kurhaus unter den Neubauten der Firma von Hoff ist ausgeräumt und von Schmutz und Schlamm befreit worden. Gegebenenfalls soll er für Luftschutzzwecke wieder hergerichtet wer- den“. Gott sei Dank musste der Luftschutzbun- ker aus dem Zweiten Weltkrieg nie wieder hergerichtet werden und auch die Wandel- halle wurde nicht mehr aufgebaut. Im Som- mer 2007 wurde im Zusammenhang mit dem Umbau der ehemaligen Rheumaklinik zu Gojko Loçars neuem „Fürstenhof“ das ehemalige „Haus Blankenhagen“, Kur- hausstraße 22, niedergerissen. Für den Bau der Tiefgarage unter dem Hotelparkplatz Räumung des Kurhauses durch die Amerikaner im Frühjahr 1955. Foto: Sammlung Rolf Schaller, Bad Kreuznach wurde der südliche Teil des Wehrmachts- bunkers mittels aufwendiger „Zermür- bungssprengungen“ beseitigt. Im Unterge- schoss der Tiefgarage ist ein mit Sichtmau- kommando 1 (AOK 1) nach Bad Kreuznach pfeiler stand noch bis zum Bau der Cruce- erwerk geschlossener Durchgang in den verlegt. Als Oberbefehlshaber zog General nia-Brücke 1978 mitten in der Nahe. Der noch vorhandenen Teil des Bunkers zu se- der Infanterie Erwin von Witzleben ins Kur- Luftschutzbunker neben dem heutigen Kur- hen. Der nördliche Teil des Bunkers dient haus ein (später Generalfeldmarschall und hausparkplatz konnte nie bestimmungsge- heute dem Restaurant des Hotel „Fürsten- Oberbefehlshaber West, an den Plänen zum mäß genutzt werden. Am 12. Juli 1940, zwei hof“, der Terrasse, dem Foyer und dem Aus- Sturz Hitlers beteiligt, nach dem Attentat Tage vor Beginn der Offensive der Heeres- stellungsraum vom „Haus des Gastes“ als auf Hitler am 20. Juli 1944 verhaftet und am gruppe C an der Maginotlinie, verließ das „bombensicheres“ Fundament. 8. August hingerichtet). AOK 1 das Bad Kreuznacher Kurhaus und Neben Nachrichtenstäben, Pionierkom- richtete sich bei St. Wendel neu ein. Am 22. panien und Grenztruppen gehörten auch Juni 1941 fiel die Wehrmacht mit dem Anmerkungen Brückenbaukompanien zum AOK 1. Das Bruch des zwischen Hitler und Stalin am 23. AOK 1 nahm weniger Rücksicht auf die Ku- August 1939 geschlossenen Nichtangriffs- 1) Cremer/Kampe 2004, S. 6. ranlagen als noch das „Große Hauptquar- paktes in die Sowjetunion ein. Während des 2) StAKH (KrznZtg vom 19.09., 27.09., tier“ 1917. Die Pioniere nutzten die erst Russlandfeldzuges wurde das Kreuznacher 02.10. und 06.10.1917). 1938 renovierte und verglaste Wandelhalle Kurhaus als Lazarett genutzt. 1944 fielen 3) Schowalter 1981, S. 40 ff. im Kurpark als Treibstoffdepot und Garage auch in Bad Kreuznach die ersten Bomben. 4) StAKH (GA vom 09.04. und 12.04., für die Militärfahrzeuge. Leichtsinn beim Auf die Bombardierung am 25. Dezember OeA vom 12.04.1930). Tanken löste im Sommer 1939 einen Brand 1944 folgte der schwerste Angriff auf die 5) Cremer/Kampe 2004, S. 11 sprechen aus, bei dem die Wandelhalle schwer be- Stadt am 2. Januar 1945. Im Kurviertel wur- von einer Garage im Kurhaus. schädigt wurde. Am 1. September 1939 be- den das Kurhotel Schöbel und das Bäder- 6) Nach Auskunft von Hans Ernst Ger- gann mit dem deutschen Überfall auf Polen haus getroffen und das Radoninhalatorium harz lagert im „Firmenmuseum“ der der Zweite Weltkrieg. Doch da war der schwer beschädigt. Am 17. März 1945 wa- Bad Kreuznacher Baufirma Gerharz mächtige Bunker hinter dem Kurhaus im- ren die letzten deutschen Soldaten kampf- der Grundstein des Brückenpfeilers mer noch nicht fertiggestellt. Oberst Praun, los abgezogen und gegen 18 Uhr rückten mit der Inschrift: „2. KOMPANIE der am 27. August 1939 nach Bad Kreuz- von Hackenheim her die ersten amerikani- BR.BAU.BATL. 699 MÄRZ 1940“. nach kam, schilderte in seinen Memoiren: schen Panzer in die Stadt ein. Nach der be- „Alle waren unzufrieden und nervös. Der dingungslosen Kapitulation am 9. Mai 1945 Bunker in der Massigkeit eines Kriegsschif- beschlagnahmten die Amerikaner das ge- Quellen fes war nicht fertig. Der Beton schwitzte. Im samte Kurgebiet. Im Juli kamen die Fran- Innern hatte es an die 50 Grad. An den Wän- zosen, 1951 wieder die Amerikaner. Stadtarchiv Bad Kreuznach (StAKH). den lief das Wasser herunter, das am Boden Kreismedienzentrum (KMZ). knöcheltief stand und in dem die Bretter he- Oeffentlicher Anzeiger (OeA). rumschwammen, welche nasse Füße nicht Neue Hoffnung Generalanzeiger (GA). verhindern konnten“. Da die vorgesehene Kreuznacher Zeitung (KrznZtg). Unterbringung der Armeevermittlung im Ab Weihnachten 1952 stand der Stadt we- Gerd Cremer und Hans Georg Kampe: Bunker unter diesen Umständen unmöglich nigstens der Kursaal wieder zur Verfügung. Bad Kreuznach – Führungszentrum in war, zog das Fernsprechamt des AOK 1 in Am 27. März 1955 verkündete der Oeffent- beiden Weltkriegen, Beilage zur Februar- den Keller des Kurhauses. 5) Als Luftschutz- liche Anzeiger den Auszug der Amerikaner Ausgabe 2004 der Zeitschrift „Die F-Flag- bunker musste der alte Rudolfstollen hinter aus dem Kurhaus. ge“. dem Radoninhalatorium herhalten. Der ein- Doch die Fertigstellung der Kasernen- Elke Schowalter: Bad Kreuznach als Sitz fache Holzsteg zwischen Kurhaus und Kai- neubauten an der Alzeyer Straße verzögerte des Großen Hauptquartiers im Ersten Welt- serau, der schon seit ca. 1880 immer wieder sich und so dauerte es bis zum 11. Juni krieg, Bad Kreuznach 1981. (= Band 10 der zur Sommersaison aufgebaut worden war, 1955, bis die vollständige Räumung von Heimatkundlichen Schriftenreihe des Land- genügte den militärischen Anforderungen Kurhaus und Kurpark vollzogen war. In nur kreises Bad Kreuznach). nicht. Die 2. Kompanie des Brückenbau-Ba- 85 Tagen wurde das Kurhaus für 3,1 Millio- taillons 699 errichtete im März 1940 an des- nen DM renoviert und am 27. März 1956 sen Standort eine massive, hölzerne Fach- wieder seiner Bestimmung übergeben. Be- werkbrücke mit einem Betonpfeiler in der reits am 15. März 1956 hatte der Oeffentli- Nahe. 6) Als Landpfeiler dienten Funda- che Anzeiger berichtet: „Im Kurpark wird Die Bad Kreuznacher Heimatblätter erscheinen mente auf der Ufermauer des Kurparks und zur Zeit die alte Wandelhalle demontiert. monatlich in Zusammenarbeit mit dem Verein der „Kaiserau“. Sie war längst nur noch ein Torso, mit ihrem für Heimatkunde für Stadt und Kreis Bad Kreuznach Die Fachwerkbrücke wurde später bei ei- verrosteten Wellblechdach keine Zierde des e.V. (i. A. Dr. Horst Silbermann, nem Hochwasser zerstört, aber der Beton- Parks mehr und erfüllte auch, seitdem die Dienheimer Berg 11, 55545 Bad Kreuznach). Nummer 9/2014

BadKreuznacher Beilage Bad Kreuznach Heimatblätter

Mit Bibel und Pistole Das kurze Räuberleben des frommen Schinderhannes-Komplizen Carl Benzel

VON GOTTFRIED KNEIB,

Die meisten Mitglieder der Bande des Jo- nicht in schlechte Gesellschaft zu begeben hann Bückler – berühmt-berüchtigt unter „und vor ihr habe er sich mehr als vor sei- dem Namen Schinderhannes – stammten nem Gott gefürchtet“. Dennoch verübte er aus einem sozial benachteiligten Milieu und heimlich regelmäßig kleinere Diebstähle. waren Analphabeten. Außer dem Anführer Nach vier Jahren wagte er im Januar 1800, selbst und dem hinkenden Schuster Johann bei den Eltern der Geliebten um die Hand Leyendecker aus war nur noch ihrer Tochter anzuhalten. Diese wurde ihm Carl Benzel des Lesens und Schreibens nicht nur brüsk verwehrt, sondern kurz da- mächtig. Der „scheele Carl“, wie er von sei- rauf einem Schmied aus der Nachbarschaft nen Gefährten genannt wurde, unterschied versprochen. Aus Verärgerung stahl Benzel sich darüber hinaus von den übrigen Ban- in der folgenden Nacht zwei Hammel und Reichenbach bei Baumholder, der Geburtsort von denmitgliedern durch seine Gewohnheit, machte sich aus dem Staube. Er wurde je- Carl Benzel (geb. 1778, hingerichtet am 24. Februar eine Bibel mit sich zu führen und täglich da- doch schon bald verhaftet und nach Bir- 1802). Foto: Gemeinde Reichenbach rin zu lesen. Sein religiöses Pflichtgefühl kenfeld gebracht. Dort konnte er sich aber veranlasste ihn sogar, eines Sonntags wäh- herauslügen. Mit dem Freilassungspapier rend eines Raubzuges in einem Dorf am machte er sich auf die Suche nach dem Abendmahl teilzunehmen, obwohl er sich Schinderhannes. Dieser verunsicherte wie- dungsstücke. Dabei fiel ein Schuss, der dabei der Gefahr aussetzte, ergriffen zu der die Gegend, nachdem es ihm in der zwar niemanden verletzte, aber eine Keile- werden. Das hinderte ihn anderseits nicht Nacht vom 19. zum 20. August des Vorjah- rei unter den Räubern auslöste. Der herbei- daran, voller Vergnügen mit seinen Ver- res gelungen war, aus dem Gefängnis in geeilte Anführer brachte die Streithähne brechen zu prahlen. Er rechtfertigte diese auszubrechen. Hannes umarmte derart brutal zur Räson, dass einer von ih- mit dem Hinweis, „David, der auch ein gro- ihn und führte ihn in seine Bande ein, die da- nen eine blutige Kopfverletzung erlitt und ßer Sünder gewesen, sei am Ende doch mals aus etwa zwanzig Mitgliedern be- sein Arm bleibende Schäden davontrug. noch zu hohen Ehren gelangt.“ Freilich ahn- stand. Zunächst überlief den Neuling nach Auch beim anschließenden Raubüberfall te Benzel damals nicht, dass sein Leben seinen Angaben „beim Anblick der frem- in fielen Schüsse. Als Peter Stibitz nicht auf einem Thron, sondern auf dem den fürchterlichen Gesichter ein Schauder“, bemerkte, dass er von dem im Nachthemd Schafott enden würde. aber bald sei er „der Ausgelassenste von al- fliehenden Raubopfer Peter Riegel erkannt Sein kurzes Leben beschrieb der außer- len gewesen“. Seine Geige versteckte er im worden war, streckte er diesen mit einer gewöhnliche Komplize des Schinderhannes Wald und erhielt an deren Stelle einen Knüt- Schrotflinte nieder. Während Carl Benzel in kurz vor seinem Tode einem seiner Vertei- tel. Die Übrigen waren mit Flinten, Beilen seinem Gerichtsprozess angab, er hätte vor diger: Geboren wurde er 1778 als Sohn ar- und einer mit einem Säbel bewaffnet. dem Hause Schmiere gestanden, aber nicht mer Eltern in Reichenbach bei Baumholder. Der erste räuberische Überfall unter Lei- gesehen, wer geschossen habe, versuchte Früh verlor er seine Eltern und musste für tung des Schinderhannes war für die Nacht Schinderhannes, seine Unschuld am Mord seinen Lebensunterhalt selbst aufkommen. vom 10. zum 11. Januar 1800 in Otzweiler mit der Behauptung zu entkräften, er sei mit Zunächst versuchte der Waise dies als Ta- geplant. Der dort gebürtige Peter Stibitz, Benzel und einem weiteren Komplizen ins gelöhner in bäuerlichen Betrieben seiner der Judenpeter genannt wurde, weil er mit Haus gegangen und habe dort den Schuss Heimat. Doch bald wurde dem unsteten einem jüdischen Mädchen liiert war, hatte gehört. Bei der Verteilung der Beute sollte Charakter der eintönige Arbeitsalltag zu fa- als Ortskundiger das Opfer ausgesucht. Am Benzel ein paar Beinkleider und einen de und mühselig. Er schlug sich nun ohne Abend zuvor traf sich die Bande bei Müller Sechsbätzner, eine Silbermünze im Werte festen Wohnsitz mit seiner Geige als Bän- Michel Horbach in der Antesmühle, welche von sechs Batzen, erhalten. Er lehnte die An- kelsänger durch, spielte auf Hochzeiten, im Bann des Nachbardorfes Schmittha- nahme aber ab mit der Begründung: „Der Kirchweihen und Dorffesten. Schon damals chenbach lag. Nach Benzels Aussagen hat- Mord, wovon er Zeuge gewesen, habe ihn begann er, Kleinigkeiten zu stehlen und im ten dort die Schinderhannes-Komplizen so erschüttert, dass er nichts habe anneh- Spiel zu betrügen. Den Erwerb brachte er „bloß gegessen und getrunken und wären men wollen.“ mit den Dorfschönheiten durch. gegen Mitternacht aufgebrochen, um an- Nach der Teilung des Raubgutes trennte Auf seinem Vagabundenleben begegne- derthalb Stunden von da bei einem Bauern sich die Bande. Nur Benzel und vier andere te er öfter dem Schinderhannes. Voller Neid von Otzweiler namens Riegel einzubrechen, Komplizen durften dem Schinderhannes bewunderte er dessen Lebensweise, welche der wenige Tage vorher Geld empfangen weiter Gefolgschaft leisten. Die Restgruppe ein angenehmes Leben ermöglichte, ohne hatte. Bei dem Müller hätten sie, da er auf ih- machte sich auf den Weg zum Soonwald. sich einer geregelten und mühevollen Ar- re Drohungen beteuerte, kein bares Geld zu Unterwegs trafen sie unweit der Ruine Kop- beit unterziehen zu müssen. Dass er nicht haben, und mehrere diese Aussage bekräf- penstein bei Gemünden auf zwei Bauern, schon damals der Versuchung erlag, sich tigt hätten, nichts entwendet. Doch hätten welche Steuergelder zum Empfänger dem Hannes anzuschließen, lag an einer sie ihm vor dem Abmarsch die Fenster ein- brachten. Auch hier bestritt Benzel die Be- Liebschaft, die er mit einem Mädchen aus geschlagen.“ In Wirklichkeit erpressten sie teiligung am Überfall, „er habe sechs Schrit- seiner Gegend unterhielt. Dieses habe ihn mit gezückten Pistolen das wenige Geld der te davon gestanden und zugesehen.“ Al- mit tränenden Augen beschworen, sich Müllerfamilie und stahlen noch einige Klei- lerdings gab er zu, von den erbeuteten 50 2 (Seite 34 des Jahrgangs) Bad Kreuznacher Heimatblätter - 9/2014

und Kusel, wo sich Benzel besonders gut auskannte. Dort erpressten die beiden am 12. März 1800 auf der Straße zwischen Ber- gen und von drei Einwohnern aus eine mit vergoldetem Silber be- schlagene Dose und ein schwarzes seidenes Halstuch. Am folgenden Tag überfielen sie in dem Wald Winterhauch bei Baumholder mehrere Personen, welche vom Baumhol- derer Markt kamen, darunter auch einige Juden. Diese beraubten sie um ihr Geld und silberne Uhren. Wenige Tage danach gaben die Überfallenen in Baumholder zu Proto- koll, sie hätten Carl Benzel an seinem „scheelen Auge“ erkannt. Er habe „einen blauen Lückerkittel getragen und eine graue Zottelmütze über das linke Auge hereinge- drückt.“ Schinderhannes trug einen hell- blauen Tuchrock, gleichfarbige Kniehosen, eine kleine Weste und einen dreieckigen Hut. Carl war mit einer Flinte und Hannes mit einer Pistole bewaffnet. Im Mainzer Pro- zess beendete Schinderhannes seine Aus- sagen zu dem Überfall mit folgender typi- schen Verharmlosung: „Ich bemerke, dass wir mit Schießgewehren bewaffnet waren und dass wir den durch uns ausgeplünder- ten Leuten kein Leid getan haben.“ Er ver- schwieg, dass neben der Bedrohung mit ge- ladenen Schusswaffen auch kräftige Ohr- feigen bei der Herausgabe der Beute ein- gesetzt wurden. Den nächsten Überfall plante das inzwi- schen unzertrennlich gewordene Gauner- paar im Eckersweiler Wirtshaus. Als verlo- ckendes Ziel bot sich der Viehmarkt in Bir- Johannes Bückler, genannt Schinderhannes (geb. um 1780, hingerichtet am 21. November 1803; Gemälde kenfeld an. Einen für den Überfall geeig- von Karl Mathias Ernst 1803). Bildquelle: Stadtarchiv Mainz neten Hohlweg bei Neubrücke kannte Ben- zel aus seiner Musikantenzeit. Damals hatte er auch Jakob Benedum, den berüchtigten Anführer der Birkenfelder Bande, kennen- Louisdor den Anteil von sieben erhalten zu Hannes. Der Verschmähte rächte sich, in- gelernt und sich offensichtlich gelegentlich haben. Diese seien ihm aber vom Schin- dem er alle Kleidungsstücke der Buzliese auch an deren Raubzügen beteiligt. Er galt derhannes kurz darauf samt seiner übrigen und ihrer Mutter raubte. Auf Drängen der daher gemeinhin als „ein Zögling aus die- geringen Barschaft wieder abgenommen Mutter folgte eine Vergeltungsaktion unter ser Schule“. In der Hoffnung auf reiche Beu- worden, als er sich „aus Abscheu gegen die- Leitung des Schinderhannes, an der sich te bat man die Birkenfelder Kollegen um se Lebensart“ von der Bande trennte. drei weitere Bandenmitglieder beteiligten. Unterstützung. Benedum kam mit zwei wei- Carl Benzel setzte sich auf die rechte Auf dem Baldenauer Hof fanden sie den Ge- teren Banditen. Alle drei waren mit Ge- Rheinseite ab und ließ sich beim Mainzer suchten und misshandelten ihn derart, dass wehren bewaffnet. Zu ihnen gesellte sich Landsturm anwerben. Er hielt das diszipli- er die Attacke nicht überlebte. Ami blieb der ortskundige Sohn aus der Neubrücker nierte Kasernenleben aber nur sechs Wo- die Lebensgefährtin von Carl Benzel bis zu Mühle. Am 19. März fand dann der Überfall chen aus, desertierte und kehrte zu Schin- dessen Verhaftung. Danach begab sie sich statt. Um die Mittagszeit näherte sich eine derhannes zurück. Dieser nahm ihn freudig in die Obhut des Bandenmitgliedes Peter Gruppe Marktgänger, zwei davon auf Pfer- wieder auf. Benzels Hoffnung, sein abge- Zughetto. den. Der Überfall verfehlte den gewünsch- nommenes Geld zurückzuerhalten, erfüllte Nach der Rückkehr aus dem Rechtsrhei- ten Erfolg, da einige der Opfer bewaffnet der Räuberanführer zwar nicht, dafür ließ er nischen begaben sich Bückler und Benzel in waren und sich zur Wehr setzten. Den Be- ihn von Kopf bis Fuß neu einkleiden mit ei- die Gegend von Baumholder, Birkenfeld rittenen gelang sogar die Flucht. Benzel nem Stoff, den er hierfür bei einem Mei- senheimer Handelsmann käuflich erwarb. Zusätzlich versuchte er den Zurückgekehr- ten an sich zu binden, indem er diesem sei- ne bisherige Geliebte Anna Maria Schäfer abtrat. Die damals etwa sechzehnjährige, in Waldbrück geborene Anna Maria Schäfer wohnte mit ihrer Mutter in . Sie wurde vom Kirner Friedensrichter und späteren Sicherheitsbeamten des Bezirks von Simmern Johann Nikolaus Becker mit folgenden Worten charakterisiert: „Dieses Mädchen, das nachher unter dem Namen Buzliese-Ami bekannter geworden ist, ver- sammelte bald eine Menge kräftiger Räuber als Anbeter um sich. Sie war sehr gebildet, fleischig anzufühlen und nicht spröde ge- gen denjenigen, der ihr gefiel.“ Zu den Be- werbern zählte neben Schinderhannes auch der als Placken-Klos bekannte Niklas Rau- schenberger. Diesen jähzornigen und ge- walttätigen Zudringling, der sich zudem für unwiderstehlich hielt, ließ die selbstbe- Antesmühle am Hachenbach. Von dort brach Benzel am 10. Januar 1800 gegen Mitternacht mit der Schin- wusste Ami abblitzen und bevorzugte den derhannesbande zu seinem ersten Raubüberfall auf. Foto: Werner Dindorf, Rehborn Bad Kreuznacher Heimatblätter - 9/2014 (Seite 35 des Jahrgangs) 3

Nach Benzels Lebensbeichte war der ge- schilderte Überfall der letzte vor seiner Ge- fangennahme am 12. April im Eigner Hof am Rande des Soonwaldes. Dort hatte er sich mit Hannes einquartiert. Begleitet wur- den sie von ihren Geliebten, Benzel von der Buzliese-Ami und Hannes von einer „Ca- therine, Tochter des alten Schuhmacher“. An jenem Tag waren die beiden „Mätres- sen“ am Spinnrad beschäftigt. Carl las am Tisch sitzend wieder einmal in seiner Bibel, während Hannes „in einer weißen Schlaf- kappe“ auf der Bank lag und ihm zuhörte. Sie bemerkten nicht, dass der Kirner Gen- darm Adam und sein Brigadier auf einem Kontrollgang sich dem Hofe näherten. Der Gendarm betrat den Raum, während sein Begleiter auf seinem Pferde draußen war- tete. Ohne große Mühe waren die beiden ahnungslosen Räuber überwältigt. Schin- derhannes gelang es, sich mit Benzels Hilfe zu befreien und aus dem Fenster zu fliehen. Benzel selbst wurde vom Gendarmen an den Haaren zur Haustreppe geschleift. Von dort sah er Schinderhannes laufen. Er pfiff nach ihm und rief: „Kamerad, es ist nur ein Spitzbub von Gendarm hier.“ Eine kräftige Ohrfeige des Gendarmen setzte ihn schließ- lich außer Gefecht, und er konnte nach Kirn ins Gefängnis abgeführt werden. In der Scheune fand man eine einfache und eine Doppelflinte sowie ein paar Pistolen, au- ßerdem die Jagdtasche und den Hut des Schinderhannes. Lebensstationen des Carl Benzel Dem Schinderhannes war bewusst, dass Foto: Kartenskizze: Gottfried Kneib, Bad Sobernheim sein Verhalten bei der Verhaftung seines Komplizen kein Ruhmesblatt für ihn be- deutete, und er verschwieg den Vorfall bis zum großen Prozess in Mainz. Als man ihn schoss hinter ihnen her, traf aber nicht. Die Verschiebung eines ausführlichen Verhörs. in der Voruntersuchung fragte, warum er Ausbeute bei den verbliebenen Fußgängern Er erinnerte sich nur, dass beide Räuber, die dem Benzel nicht beigestanden hätte, ant- war so gering, dass man sich enttäuscht er nicht kannte, dreieckige Hüte trugen. Ein wortete er: „Ich dachte, weit davon ist gut trennte. weiterer Zeuge des Geschehens war der gegen den Schuss!“ Und im Prozess selbst Acht Tage später fand am 27. März Schweinehirt Peter Kost. Nach seiner Be- sagte er laut Bericht der „Mainzer Zeitung“: schließlich der letzte Überfall statt, den das schreibung trug der Schinderhannes einen „Hätte ich gewusst, dass er (der Gendarm) Räuberduo gemeinsam verübte. Er sollte für blauen Rock sowie einen neuen Büchsen- allein war, wahrlich auch Benzel wäre durch- Benzel auch der folgenschwerste sein. Tat- sack und Carl Benzel einen hellgrauen ver- gekommen.“ Den Gendarmen Adam be- ort war ein Hügel beim Kißwald zwischen schabten Rock. Seine Hilfsverweigerung schrieb er als „einen Herkules“. Er ließ ihn dem Steinhardter Hof und Waldböckel- begründete er mit den Worten: „Er könne zur Aussage nach Mainz berufen, damit die- heim, an dem die Straße von Kreuznach sich nicht krumm und lahm schießen las- ser bezeuge, dass er niemanden mit dem Le- nach Sobernheim vorbeiführt. Dort erwar- sen.“ ben bedroht habe. Zu Adams Aussage er- teten sie den Sobernheimer Juden Samuel Ely, welcher vom Kreuznacher Markt kom- mend nach Hause ritt. Schinderhannes hielt ihn an, ließ ihn absteigen und verlangte das mitgeführte Bargeld. Ely zahlte daraufhin elf Gulden. Als Hannes sah, dass dies nur ein Teil des mitgeführten Bargeldes war, zog er dem Überfallenen weitere zwölf oder dreizehn Louisdor aus der Tasche und floh mit dessen Pferd. Der aufgebrachte Be- raubte schrie laut um Hilfe. Benzel ver- suchte vergeblich, ihn zum Schweigen zu bringen, und feuerte schließlich zwei Schüs- se auf ihn ab. Trotz der erlittenen Schuss- verletzung am rechten Schenkel setzte Ely hinter den Räubern her. Schinderhannes ließ das Pferd zurück und floh zu Fuß mit sei- nem Kumpanen. Ely bat nun den Besitzer des Steinhardter Hofes Johann Maurer, der seinen an den Wald grenzenden Acker be- stellte, „die Spitzbuben fangen zu helfen“. Als dieser sich weigerte, schwang er sich auf sein Pferd und verfolgte die Fliehenden, jedoch ohne Erfolg. Die Räuber teilten im Sobernheimer Wald die Beute und fanden in Lauschied Unterschlupf bei dem ein- gangs erwähnten Johann Leyendecker. Am nächsten Tag befragte der Sobern- heimer Friedensrichter Manz alle Augen- zeugen nach dem Tathergang. Der verletzte In dem 1958 von Helmut Käutner inszenierten Film „Der Schinderhannes“ spielte Siegfried Lowitz (mit ge- Ely musste das Bett hüten und bat um die blümter Weste) den Benzel; Curd Jürgens (links) verkörperte den Titelhelden. Bildquelle: Google-Bilder 4 (Seite 36 des Jahrgangs) Bad Kreuznacher Heimatblätter - 9/2014

gänzt der Zeitungsbericht: „Da der Gen- darm den Vorgang der Sache erzählte und bemerkte, er hätte beim Eintritt in die Stube gerufen: ‚Spitzbuben ergebt euch!’, wende- te er sich mit den Worten gegen den Schin- derhannes: ‚Ich hoffe er wird mir diesen Aus- druck (Spitzbube) nicht übel nehmen’. Die Höflichkeit des Gendarmen erwidernd, ant- wortete Schinderhannes: ‚Ganz und gar nicht, Herr Gendarm!’“ Carl Benzel war seit seiner Gefangen- nahme verständlicherweise auf den Schin- derhannes nicht gut zu sprechen, „weil die- ser bei seiner Verhaftnehmung statt ihn zu befreien, die Flucht genommen hatte, un- geachtet er, dem derselbe Weg offen stand, ihn zuerst aus den Händen des Gendarmen gerissen.“ Am 20. April kam es zu einer Gegen- überstellung des Gefangenen mit dem beim Steinhardter Hof verletzten Samuel Ely, bei der ihn als Schützen identifizierte. Der Be- schuldigte leugnete jedoch die Tat und be- hauptete, er habe Ely noch nie gesehen und Der Eignerhof am Rande des Sonwaldes heute. Hier erfolgte am 2. April 1800 die Gefangennahme Carl Ben- sei am fraglichen Tag nicht am Tatort ge- zels. Foto: Gilla Martensen, Gleisweiler wesen. Vielmehr habe er sich damals im Rechtsrheinischen aufgehalten. Er schmückte seine Alibibeweisführung fan- tasiereich aus und garnierte sie mit zahlrei- Pech, dass er zu den beiden einzigen der richtung ließ er alle Gefangenen des Mili- chen Details, die allerdings nur schwer Schinderhannes-Bande gehörte, gegen die tärgefängnisses zu sich kommen und er- nachprüfbar waren. Der Richter durch- schließlich ein Verfahren eingeleitet und mahnte sie zur Besserung. Er bat jeden ein- schaute das Lügengebäude. Benzel blieb im ein Gerichtsverfahren durchgeführt wurde. zelnen von ihnen, im Falle der Freilassung Gefängnis. Als Samuel Ely einige Wochen Die Richter verurteilten ihn zum Tod durch seine Freunde zu bitten, nie seinen Tod zu später am Wundbrand verstarb, stand fest, das Fallbeil. Der Verurteilte legte erfolg- rächen. Am 24. Februar 1802 endete das Le- dass er mit einem Todesurteil rechnen muss- reich Berufung ein. Das Todesurteil wurde ben des frommen Räubers Carl Benzel auf te. vom Militärrevisionsgericht in Köln kassiert dem Schafott. Carl Benzel wurde nach seiner Kirner und an das zweite Kriegsgericht in Koblenz Haft in mehrere weitere Gefängnisse ver- verwiesen. legt. Der Sicherheitsbeamte Becker schrieb Benzel schöpfte neue Hoffnung. Diese Literatur zu Carl Benzel: sogar, er habe „alle Gefängnisse im Rhein- wurde durch den Umstand verstärkt, dass und Mosel- Departemente gesehen.“ Nach- es den Inhaftierten gelungen war, ein Mes- - [Johann Nikolaus] Becker: Actenmäßige dem Generalkommissär Jollivet im Dezem- ser einzuschmuggeln und damit eine Öff- Geschichte der verschiedenen Räuber ber 1800 angeordnet hatte, dass alle inhaf- nung durch die trennende Wand zweier banden an den beyden Ufern des Rheins, tierten Mitschuldigen des Schinderhannes Verliese zu schneiden. Das ermöglichte ih- Band 2: Bande von Schinderhannes, nach Koblenz zu überführen und dort von ei- nen, von einer der Zellen aus heimlich ei- Köln 1804, Reprint der Originalausgabe nem der beiden Kriegsgerichte der 26. Mi- nen Durchgang unter dem Fundament der Wiesbaden 1982 litärdivision zu verurteilen seien, brachte Stadtmauer und den davor liegenden Wall - Edmund Nacken: Die wahre Geschichte man auch Benzel nach Koblenz. Das Mili- zu graben. Am Abend des 24. November des Johann Wilhelm Bückler, nachmals tärgefängnis lag am Stadtrand. Die Verliese 1801 wagten die sieben gefangenen Schin- bekannt geworden als Räuberhaupt- für die Gefangenen waren an die Stadt- derhannes-Komplizen die Flucht. Als die mann Schinderhannes nach den Main- mauer gebaut. Allerdings sperrte man die beiden Schildwachen auf dem Wall den zer Voruntersuchungsakten und ande- Sträflinge nur nachts in diese ein. Auch Ausbruch bemerkten, waren bis auf einen ren Quellen, Mainz 1968 sonst fehlte es an jeder sorgfältigen Über- alle Fliehenden entkommen. Benzel gehör- - Manfred Franke: Schinderhannes. Das wachung. So konnten die Inhaftierten Brie- te zu den erfolgreichen Ausreißern, aller- kurze wilde Leben des Johannes Bü- fe an ihre noch nicht verhafteten Komplizen dings hatte er sich beim Sprung in den Stadt- ckler, neu erzählt nach alten Protokol- schicken und von ihnen Geld fordern, wo- graben einen Arm gebrochen. Mit dieser len, Briefen und Zeitungsberichten, Düs- rüber der Wärter sogar Quittungen ausge- Verletzung erreichte er nach einigen Tagen seldorf 1984 stellt haben soll. Von Benzel ist bekannt, den Marienpforter Hof bei Waldböckel- - Helmut Mathy: Der Schinderhannes. dass er mehrere verdächtige Briefe an Fried- heim. Dort wurde er verraten, von der So- Zwischen Mutmaßungen und Erkennt- rich Doll in Dennweiler bei Kusel, einen bernheimer Brigade gefangen genommen nissen, Mainz 1989 Sympathisanten der Birkenfelder Bande, und wieder nach Koblenz gebracht. Das - Rainer Thielen: Schinderhannes, Sohn geschrieben hat. Die Ermittlungen zogen Kriegsgericht verurteilte ihn zum zweiten des Nordpfälzer Berglandes. Leben und sich monatelang hin. Carl Benzel hatte das Mal zum Tode mit dem Fallbeil. (Schand-)Taten im Nordpfälzer Berg- Wie eingangs erwähnt, erzählte Carl Ben- land, insbesondere an Glan, Nahe und zel in Erwartung des nahen Todes einem Umgebung, Otterbach 2003 seiner Verteidiger ausführlich seinen Le- - Mark Scheibe: Schinderhannes – Nichts- bensweg. Die Hinwendung zum Räuber- nutz, Pferdedieb, Räuberhauptmann? handwerk begründete er „mit seinem un- – Forschungsbericht Stand März 2008, 4. steten und jovialischen Charakter, der keine Auflage, Kelkheim 2008 stille und arbeitsame Lebensart vertrage.“ - Rainer Thielen: Neues vom Schinder- Vielmehr hoffte er, dass ihn das Räuberle- hannes und seinem Julchen. Amouren, ben instand setze, „sein ganzes Leben lus- Nachkommen,wie ging’s weiter nach tig zuzubringen.“ Er gab vor, seine Verbre- der Hinrichtung? Rehborn 2012 chen zu bereuen, ohne jedoch eine Tat zu- zugeben, welche nicht bereits aus den Ge- richtsakten bekannt war. Standhaft wei- gerte er sich, seine Mittäter zu verraten, „weil seine Religion ihm verbiete, arme Wit- Die Bad Kreuznacher Heimatblätter erscheinen wen und Waisen zu machen.“ Hatte ihn das monatlich in Zusammenarbeit mit dem Verein Steinhardter Hof bei Bad Sobernheim. Beim nahe- regelmäßige Bibellesen sein Leben lang be- für Heimatkunde für Stadt und Kreis Bad Kreuznach gelegenen Kißwald überfielen Schinderhannes und gleitet, so wurde dies in der Gefangenschaft e.V. (i. A. Dr. Horst Silbermann, Benzel den Juden Samuel Ely. Quelle: Google-Bilder zur Hauptbeschäftigung. Vor seiner Hin- Dienheimer Berg 11, 55545 Bad Kreuznach). Nummer 10/2014

BadKreuznacher Beilage Bad Kreuznach Heimatblätter

Verhinderte Preußen den Aufstieg Kreuznachs zum Weltbad? Die politische Entwicklung des Bades Kreuznach

VON DR. FRIEDRICH ULBRICHT, KOBLENZ

„Zukunft braucht Herkunft“ (Odo Marquard, deutscher Philosoph)

Für Kreuznach waren 1815 und 1817 zwei entscheidende Jahre:

- im ersten wurde Kreuznach preußische Grenzstadt und die an die Stadt angren- zenden Salinen zur Nutzung einem „aus- ländischen“ Herrscher übergeben, - im zweiten erkannte ein junger Arzt die Heilwirkung des Solewassers der Salinen und legte damit den Grundstein für das Saline Theodorshalle bei Kreuznach 1839 (Stahlstich von Voltz nach einer Zeichnung von J.A. Müller). Bad. Bildvorlage: Heimatwissenschaftliche Zentralbibliothek des Landkreises Bad Kreuznach (HWZB)

Wie es zu der Entscheidung des Jahres 1815 kam und was später alles versucht wur- de, um die „Fremdherrschaft“ über die Sa- Zur Erinnerung: 1796 wird Kreuznach Grenze. Doch dann überschreitet Blüchers linen abzumildern oder gar rückgängig zu dem französischen Staatsgebiet einverleibt. Armee am 1. Januar 1814 bei Kaub den machen und wie es weiterging, soll nach- Mit den Dörfern Münster, Rüdesheim und Rhein, Ende März wird Paris eingenommen. folgend – ohne dass auf zu viele Details ein- anderen Gemeinden bildet die Stadt den Wegen Streitigkeiten kommt es in den er- gegangen wird – dargestellt werden. Kanton Kreuznach im Departement Rhein- oberten Gebieten zu mehreren Übergangs- Mosel. Doch Napoleon seit 1804 Kaiser der Franzosen - will nicht nur die Gebiete links des Rheins, er will ganz Deutschland. Es soll Grundlage dafür sein, das Grand Empire ge- gen Großbritannien und Russland zu si- chern. Dazu gründet er 1806 den Rhein- bund; das Reich zerfällt, Preußen und Ös- terreich wahren Distanz. Dieser Verfall ist das Saatkorn einer für Kreuznach – wie ein- gangs erwähnt – folgenschweren Entschei- dung: sie wird das Aufblühen seines bald danach entstehenden Bades nachhaltig be- hindern. 1813 verliert Napoleon seinen Russland- feldzug. Es kommt zu den Freiheitskriegen; Napoleon muss sich hinter den Rein zu- rückziehen. In der Folge tritt der Napole- onverehrer Ludwig I., Großherzog von Hes- sen und Herzog von Westfalen, der spätere Eigentümer der Kreuznacher Salinen, der Allianz gegen Napoleon bei und muss sich im „Frankfurter Akzessionsvertrag“ vom Großherzog Ludwig I. von Hessen-Darmstadt 23. Nov. 1813 verpflichten, mit Gebietsver- (1753–1830, 1790 Landgraf, seit 1806 Großherzog). änderungen einverstanden zu sein 1). Das er- Seine Schwester Friederike (1751–1805) war ab wähnte Saatkorn geht auf: zum ersten Mal 1769 preußische Königin und Mutter König Fried- kündigt sich der Vorbote für die späteren König Friedrich Wilhelm III. von Preußen rich Wilhelms III. von Preußen, Ludwig I. selbst so- unheilvollen Entwicklungen um die Salinen (1770–1840, seit 1797 König), der Neffe Ludwigs I. mit dessen Onkel. an. Denn nun bestimmen Preußen und Ös- von Hessen-Darmstadt (Stahlstich von 1828). Fundstelle: Titelillustration zur Festschrift der Provinz Rheinhessen terreich die Richtung. Noch ahnt Ludwig Fundstelle: Die Staatskräfte der preußischen Monarchie unter zur Hundertjahrfeier 1816 – 1916. Mainz 1916 nichts Schlimmes, noch ist der Rhein die Friedrich Wilhelm III. Berlin 1828 (Titelporträt) 2 (Seite 38 des Jahrgangs) Bad Kreuznacher Heimatblätter - 10/2014

lösungen. Schließlich übernimmt im Mai nander verwandt. So ist z. B. Ludwig I. der des Rheins zwischen Worms, Kreuznach, 1815 Preußen – auf Druck der übrigen deut- Onkel des preußischen Königs Friedrich Bingen und Mainz. Der Kanton Kreuznach schen Mächte – die Gebiete nördlich der Na- Wilhelms III. „Teilt einmal“! heißt be- wird preußisch. Damit Ludwig Ruhe gibt, he; Kreuznach und sein Salinental einge- kanntlich ein Sprichwort. Teilen wird zum wird er für den Verlust der Salinen in Werl schlossen. Ein Schlag für Wirtschaft und Problem, wenn sich die „Großen“ weitge- und Westernkotten – sie stellten durch den Handel: ein Jahrhunderte lang zusammen- hend einig, die „Kleinen“ aufeinander ei- Verkauf von Salz eine bedeutende Einnah- hängender Raum wird durch Zollgrenzen fersüchtig sind und Angst um ihre Gebiete mequelle dar 2) – mit den Kreuznacher Sali- zerschnitten. haben. Kein Wunder, dass bei dieser „Ge- nen links der Nahe entschädigt. Wie sich Unterdessen hat im November 1814 der mengelage“ bald Gerüchte im Umlauf sind: später zeigt, ein lohnender Tausch. Für an- Wiener Kongress begonnen. Bis zum 10. Ju- „Ludwig muss Westfalen abgeben!“ Er tobt, dere Bodenschätze, wie z. B. Eisenerze, er- ni 1815 streiten sich große und kleine Herr- droht und sucht Hilfe. Es nützt nichts. Am hält er keinen Ersatz 1). scher um eine Neuregelung der Grenzen in 19. Februar 1815 steht fest, Westfalen muss Artikel 47 der Wiener Kongress-Akte – Europa und Deutschland. Nahezu alle Be- an Preußen abgegeben werden. Als Aus- weitgehend in heutige Rechtschreibung und teiligten sind mehr oder weniger mit ei- gleich bekommt Ludwig ein Gebiet links Zeichensetzung übertragen – lautet: „Se. Königl. Hoheit der Großherzog v. Hessen er- halten auch (gemeint ist zu dem heutigen Rheinhessen, Anm. d. Verf.) das Eigentum des auf dem linken Ufer der Nahe gelege- nen Teils der Salinen von Kreuznach, worü- ber die Souveränität bei Preußen bleibt“ 3). Das „bösartige“ Samenkorn ist aufge- gangen. Aber noch sieht es keiner. Nun waren noch im Rahmen eines zwi- schen Österreich, Preußen und Hessen zu schließenden Staatsvertrages gegenseitige Forderungen und der Termin der Besitz- übergabe auszuhandeln. Bei den Verhand- lungen gelang es Ludwig, dass ihm auch die Nutzung der – rechts der Nahe liegen- den – Saline Karlshalle, zugesprochen wur- de. So kam es schließlich zu der nachfol- genden Vollmacht 4). Wiederum weitgehend auf heute übertragen lautet sie:

Seine königliche Majestät von Preußen mein allergnädigster Herr haben mittels allerhöchster Vollmacht vom 14. d. M. mich zu beauftragen geruhet, die Übergabe des nutzbaren Eigentums, der je- doch unter preußischer Landeshoheit ver- bleibenden Kreuznacher Salinen an Se. kö- nigliche Hoheit, den Großherzog von Hes- sen Darmstadt zu vollziehen, mich zugleich auch autorisiert, zu diesem Geschäfte unter meiner Verantwortlichkeit angemessene Stellvertreter zu substituieren. Verhindert durch meine hiesigen Geschäfte mich von hier zu entfernen, ernenne ich kraft der mir allergnädigst erteilten Befugnis den könig- lichen Geheimen Oberbergrat, Herrn Gra- fen von Beust in Bonn zu meinem Stellver- treter und bevollmächtige denselben hier- durch, das nutzbare Eigentum der Kreuz- nacher Salinen, worüber jedoch die Lan- deshoheit seiner königlichen Majestät von Preußen verbleibt, in allerhöchst desselben Namen an meiner Statt Sr. königlichen Ho- heit, dem Großherzog von Hessen Darm- stadt zu übergeben und sich dabei nach den erhaltenen Instruktionen genau zu richten.

Koblenz, den 27. Juni 1816

Der königl. preuß. Staatsminister und Ober- präsident des Großherzogtum Niederrhein

Siegel Ingersleben

Vollmacht für den königlichen Geheimen Oberbergrat, Herrn Grafen von Beust, zur Übergabe des nutzbaren Eigentums der Kreuznacher Salinen.

Bald sollte sich das damit angebahnte Un- heil bemerkbar machen, denn im Jahr da- rauf entdeckte Dr. Johann Erhard Peter Prie- ger die eingangs erwähnte Heilkraft des So- lewassers der Salinen: Hautkrankheiten Preußische Bevollmächtigung des Grafen von Beust zur Übergabe des nutzbaren Eigentums der Kreuzna- konnten mit ihm geheilt werden. Was dann cher Salinen an den Großherzog von Hessen-Darmstadt vom 27. Juni 1816. folgte, war wiederholt Gegenstand der ein- Bildquelle: Hessiches Staatsarchiv Darmstadt (HStAD), A 6, Nr. 203 schlägigen Literatur (vgl. das Quellenver- Bad Kreuznacher Heimatblätter - 10/2014 (Seite 39 des Jahrgangs) 3

tigen Revolution beseelt: weg mit den stän- langsam entstanden immer mehr kleine und dischen und feudalen Vorrechten, hin zur dann auch größere Industrieunternehmen. Gleichheit aller und Trennung von Staat Gleichzeitig stiegen Handel und Verkehr (s. und Kirche. hierzu 9)). Kurzum, zu glauben, man könnte wegen Vor Ende des Vertrags über den Bezug etwas Solewasser völkerrechtliche Verträge der Sole kam es zu schwierigen Verhand- wie auch immer ändern, das war wirklich- lungen: nur unter Inkaufnahme einer Preis- keitsfremd. Und doch: hätte Se. Majestät ge- erhöhung konnte er um fünf Jahre verlän- wollt – seine absolute Machtvollkommen- gert werden. Je näher das Jahr 1897, das heit bot ihm die Möglichkeit – er hätte kur- neue Auslaufjahr des Vertrages, heran- zerhand den Hessen die Nutzungsrechte rückte, desto bedrohlicher wurde die Situa- entziehen können. tion. Wieder von Berlin im Stich gelassen, Der Landrat wandte sich an, der Gründer war die Stadt ganz und gar Darmstadt aus- des Bades reiste nach Berlin, und was tat geliefert. Um das Bad zu retten, stimmte der die Bürgervertretung? Sie zögerte, zögerte Stadtrat schließlich dem Kauf der Salinen zu Dr. Johann Erhard Peter Prieger: Widmung seiner neun Jahre. Nur halbherzig stellte sie und genehmigte hierfür die Aufnahme ei- Schrift „Kreuznach und seine Brom- und Jode-hal- schließlich Mittel für eine Bohrung im Stadt- nes Kredites über 1,1 Millionen Mark 5). tigen Heilquellen“ von 1837. Der Text lautet: „Sei- gebiet und – nach der Entdeckung zweier Wenn der Preisindex für den Neubau von nem verehrten Herrn Collegen Dr. Hergersberger zu Quellen mit niedriger Ergiebigkeit – für de- Wohngebäuden zu Grunde gelegt wird, Cölln, als ein Zeichen seiner ausgezeichneten ren Einfassung bereit 8). So blieb weiterhin würde dies heute etwa einer Kaufkraft von Hochachtung und Ergebenheit. Der Verfasser“. die Abhängigkeit von Hessen. Nur ein gut 19,6 Millionen Euro entsprechen 15). Ein Kopiervorlage: HWZB Mann von der Größe Priegers konnte dies al- weiterer Anhaltspunkt für die Bedeutung les ertragen. Nach Auffinden einer weiteren dieser Kaufsumme ist zu gewinnen, wenn Quelle wurde 1834 unter Beteiligung der die Baukosten des 1913 fertig gestellten Stadt eine Solbäder AG gegründet. Gleich- Kurhauses – 1,6 Mio. Mark 16) – dazu in Be- zeichnis). Im folgenden sollen deshalb, ent- zeitig nahm die Zahl der Badegäste mehr zug gesetzt werden: wird der Preisindex zu sprechend der eingangs gestellten Frage, und mehr zu, darunter Adelige aus Russ- dieser Zeit mit 100 angesetzt, lag er 1897 – nur einige wesentliche Punkte näher erör- land, Gäste aus Brasilien und der preußi- auch das ein Näherungswert – bei 74 % tert werden. sche Kronprinz Friedrich Wilhelm 9). Die Fol- oder 1,18 Millionen Mark. Schnell zeigte sich ein Problem: die Sole ge war 1841 der Bau des ersten Kurhauses Bitter! Denn dieses Geld wäre dringend musste mühsam von den hessischen Salinen und die Anlage des Kurparkes. Der Errich- für Investitionen zur Steigerung der At- in die Stadt Kreuznach für die dort zur Be- tung einer Spielbank durch einen französi- traktivität und zur Sanierung der teils ma- handlung der Kranken eingerichteten Ba- schen Bankier wurde von Preußen die Kon- roden Gradierhäuser benötigt worden. Denn dezimmer transportiert werden. Viel prob- zession versagt 10). Das zahlungskräftige inzwischen waren an der See und im Ge- lematischer war aber die Sicherstellung des Publikum ging stattdessen nach Bad Hom- birge mondäne Bäder entstanden. Konkur- Solebedarfs. Um dies zu erreichen, richtete burg oder Baden-Baden und erhöhte dort renz machten besonders die im Eigentum 1819 der Kreuznacher Landrat Hout, zuvor die Einnahmen der Bäder. des Herrschers befindlichen Staatsbäder Direktor der kurpfälzischen Salinenverwal- 1853 ließ Preußen zu, dass in der Nach- z. B. Norderney oder Bad Ems. Kam Se. Ma- tung, ein Gesuch an die preußische Regie- bargemeinde Münster ebenfalls ein Bad ge- jestät mit seinem Hofstaat angereist, wurde rung, die Salinen kaufen zu können. Ohne gründet werden konnte. Ein eigenständiges er vom königlichen Badedirektor empfan- Erfolg! Nicht nur das; die Lage wurde bald Bad! Eine einheitliche Entwicklung zu ei- gen; das gesamte Badepersonal stand zu richtig verfahren: als die Hessen merkten, nem großen Kurgebiet im unteren Nahetal Diensten. Ein auf diese Weise zum „Welt- was für einen Schatz sie erworben hatten, wurde dadurch versäumt , wäre auch durch bad“ aufgestiegener Ort war gleichzeitig richteten sie selbst Bäder ein 5). Auch Prie- die dazwischen liegende „ausländische Do- Anziehungspunkt des Hoch- und Geldadels ger versuchte zweimal sein Glück: 1825 und mäne“ nicht effektiv zu verwirklichen ge- einschließlich bekannter Künstler und 1829 reiste er unter heute kaum mehr vor- wesen 11). Gut 50 Jahre später kommt es Schriftsteller 17). Dabei waren Kommune stellbaren Umständen – Pferdekutsche, zum „Salzkrieg“: Münster vertreibt sein und Hoteliers „fein raus“: der kommunale Straßen teils ohne festen Unterbau, einfa- Salz zu Schleuderpreisen 12). Haushalt wurde kaum beansprucht; auf der che Herbergen – nach Berlin. Doch auch er Im „Deutschen Krieg“ 1866 wurden Ös- anderen Seite lohnten sich private Investi- erreichte nichts 6). terreich und seine Verbündeten, unter an- tionen. Die Kameralistik (die staatliche Warum sind Hout und Prieger in Berlin derem auch Hessen-Darmstadt, von Preu- Buchführungsmethode, die Zukunftsaus- auf taube Ohren gestoßen? ßen geschlagen. Die große Stunde für gaben, wie zum Beispiel Rücklagen für den - da galt es vor allem, auf die Rechtssi- Kreuznachs Salinen schien gekommen. Erhalt der Kureinrichtungen, nicht darstellt) cherheit der in Wien und Frankfurt abge- Doch was geschah? Preußen annektierte tat ein Übriges, die wahren Kosten des Ba- schlossenen Verträge zu achten. Neben die- Hessen-Homburg. Darmstadt wurde ledig- debetriebes zu verschleiern. sem formalen Grund waren folgende Ge- lich verpflichtet, fünfundzwanzig Jahre lang Dennoch fing mit Beginn des neuen Jahr- sichtspunkte zu berücksichtigen: Solewasser und Mutterlauge zu einem fest- hunderts langsam eine neue Blütezeit für - bis zum Abschluss beider Verträge und gesetzten Preis zu liefern. Zusätzlich wurde das Kreuznacher Bad an. Denn der Kreuz- damit zu einer „halbwegs“ befriedigenden der Stadt Kreuznach eingeräumt, eine Rohr- nacher Apotheker Dr. Karl Aschoff hatte Ra- Übereinkunft mit dem widerspenstigen leitung zum Kurviertel zur Versorgung der dium in den Heilquellen entdeckt und da- Ludwig brauchte es von allen Seiten viel Hotels und Pensionen verlegen zu lassen Kraft, Zeit und Diplomatie. Nun Seiner Ma- (vgl. hierzu auch 13), aber mit der Auflage, jestät Friedrich Wilhelm III. vorzutragen, die Gewinne aus dem Verkauf der Sole un- den alternden, einsam gewordenen Onkel ter anderem zur Hebung und Verschöne- aufs neue zu „reizen“, das kam nicht infra- rung des Bades zu verwenden. Dazu wurde ge, ein Badefonds eingerichtet. Doch nach we- - auch sollte in das ferne Grenzgebiet nigen Jahren zeigte sich wieder das ambi- nicht erneut Unruhe gebracht werden. Denn valente Verhalten des Stadtrates und der trotz des angestrebten Wegfalls der vielen Stadtverwaltung gegenüber dem Bad. In ei- Kleinstaaten grenzten an den Kreis Kreuz- ner Denkschrift (genauer „Notruf“) von nach noch fünf „ausländische“ Territorien 1883 des Vereins der Hotel- und Bade- (s. hierzu 7)). Grenzen, die den Handel er- hausbesitzer heißt es: Die städtische Ver- schwerten, den Schmuggel begünstigten waltung hat „die Interessen des Bades nicht und die Grenzbewohner ärgerten, brauch- so wahrgenommen und den Badefonds ten sie nun doch u. a. eine Ausreisebe- nicht so verwaltet, wie es zur Hebung des scheinigung. Ohnehin gab es schon genug Bades hätte geschehen müssen“! Was war kleinere Grenzstreitigkeiten. Und schließ- geschehen? Mittel des Fonds waren zweck- lich: entfremdet worden 14). Die Kritik am Ver- - hatte man andere Probleme, ja Sorgen halten des Stadtrates und der Stadt ist ver- Esel für den Transport der Sole von der Saline mit den neuen Gebieten: waren ihre Ein- ständlich. Noch war das Bad die wichtigste Karlshalle nach Kreuznach. Lithographie von P. wohner nach achtzehnjähriger Zugehörig- Einnahmequelle (auch der preußische Staat Herwegen nach einer Zeichnung von J.C. Scheuren keit zu Frankreich doch vom Geist der dor- war an den Steuereinnahmen beteiligt). Erst 1837 (Ausschnitt). Kopiervorlage: HWZB 4 (Seite 40 des Jahrgangs) Bad Kreuznacher Heimatblätter - 10/2014

Aber das ist eine neue, spannende Ge- schichte.

Quellenverzeichnis:

1) Bechtolsheimer, H. u. a.: Beiträge zur rheinischen Geschichte, Festschrift der Provinz Rheinhessen zur Hundertjahr- feier, Mainz 1916 2) Schöne, M.: Das Herzogtum Westfalen unter hessen-darmstädtischer Herrschaft 1802–1816, Veröffentlichung der Land- kreise Arnsberg, Brilon, Meschede und Olpe, 1966 3) Schmidt (Hrsg.): Der Deutsche Bund, Ers- ter Band, III. Heft, Comptoir für Literatur, Hildburghausen 1815, (Quelle: GDZ, Göttinger Digitalisierungszentrum) 4) Abdruck mit freundlicher Genehmigung durch das Hessische Staatsarchiv Darmstadt, Quellennachweis: HStAD, A 6 Nr. 203 Kurpromenade mit Wandelhalle vor dem alten Kurhaus in Bad Kreuznach (aus einem Leporello-Album um 5) Ebbeke, R.: Bad Kreuznach Kur- und 1900). Kopiervorlage: HWZB Heilbad, Bad Kreuznach 1990 6) Hessel, K.: Aus Bad Kreuznachs Früh- zeit, Kreuznach 1908 7) Becker, K. (Hrsg.) Heimatchronik des mit die Radon-Balneologie begründet 11). So nahmen „Golfclub Nahetal“ 19)). Nach der Kreises Kreuznach, Archiv für deutsche folgte 1910 – noch wirkten die laufenden Weltwirtschaftskrise ging es langsam Heimatpflege, Köln 1966 Kosten für die Bedienung des aufgenom- wieder aufwärts, bis der Zweite Weltkrieg 8) Pfalz, H.-F.: Bad Kreuznach Stadtge- menen Kredites nach - der Bau neuer Kur- ausbrach. Alles wiederholte sich, doch schichte von 1789–1871, Stadtverwal- einrichtungen. Aber kaum war das bereits kamen diesmal die Verwüstungen durch tung Bad Kreuznach 1991 erwähnte „erstklassige“ Kurhaus fertig ge- die Bombenangriffe hinzu. Wieder stand 9) Geib, K.: Geschichte der Stadt Bad stellt, platzte der Traum vom endgültigen das Bad vor dem Aus. Wieder war es priva- Kreuznach, Bad Kreuznach 1940 Aufstieg zu einem führenden europäischen ter Unternehmergeist – mehr und mehr un- 10) Reisek, J.J. (Bearbeiter): Briefe aus dem Bad. Der Erste Weltkrieg begann, drei Jahre terstützt durch den Stadtrat – der es ermög- Bade Kreuznach 1840 , in Kreuznacher später wurde das Kurhaus zum Großen lichte, den Kurbetrieb nach und nach Lesebuch II, Bad Kreuznach 2012 Hauptquartier. Wilhelm II., deutscher Kaiser aufzubauen. Aber die Struktur der Gäste 11) Küstermann, W. (Hrsg.): 150 Jahre Heil- und preußischer König, kam. Der Krieg war hatte sich geändert: war es früher die euro- bad Bad Kreuznach, Bad Kreuznach 1967 noch nicht vorbei, als ein Jahrhunderthoch- päische „high society“, die vor allem 12) Schaller, R.: Von Salzquellen und Gra- wasser im Januar 1918 und zwei Jahre spä- Zerstreuung suchte, steht heute die Erhal- dierwerken, in: Bad Kreuznacher Hei- ter ein weiteres Hochwasser unter anderem tung der Arbeitskraft des Menschen im matblätter, 5 bis 7/2012 drei Gradierwerke so beschädigte, dass sich Vordergrund 11). 13) Schaller, R. Die Kreuznacher Solelei- ein Wiederaufbau nicht rechnete 12). Der Staat Preußen wurde nach Kriegsen- tung, in: Bad Kreuznacher Heimatblätter 1925: Wilhelm II war geflohen, die Infla- de aufgelöst: aus der südlichen Rheinpro- 1/2013 tion hatte die Sparguthaben vernichtet, Ho- vinz, Rheinhessen und der Pfalz entstand 14) Bad Kreuznach,, Denkschrift des Ver- tels und Pensionen der Badestadt werden Rheinland-Pfalz. Es brauchte lange Zeit bis eins der Hotel- und Badehausbesitzer, von französischen Truppen viele Jahre be- das neue Land wirtschaftlich Fuß fassen Bad Kreuznach 1883 (Quelle: dilibri, setzt, der Kurbetrieb ist weitgehend einge- konnte. Seitdem findet die Badestadt – im rheinland-pfälzisches Digitalisierungs- stellt; die Situation wird immer verzweifel- Gegensatz zu dem weit entfernten Berlin portal) ter. Der Oberbürgermeister beantragt bei nun in Mainz – ein besseres Verständnis: 15) Mitteilung der Deutschen Bundesbank, der preußischen Regierung, Kreuznach als Hochwasserschutz (2004) und die Fusion Frankfurt am Main, vom 12. 11. 2013 Staatsbad zu übernehmen 12). Preußen lehnt der Badestädte Kreuznach und Münster am 16) Walter, R.: Hundert Jahre neues Kur- ab. Verständlich, zu verworren war die Si- Stein sind in Verbindung mit den Heilquel- haus Bad Kreuznach, in: Bad Kreuzna- tuation im Rheinland. Auf der anderen Seite len, der salzhaltigen Luft der Gradierwerke cher Heimatblätter, 7/2013 initiierte die preußische Staatsregierung (die der an der Nordsee sehr ähnelt) sowie 17) Fleischer, M.: Fontane auf Norderney, 1927 in ihren Staatsbädern – zum Beispiel vielen Freizeitmöglichkeiten, Meilensteine Norderney 1995 Bad Ems – den Bau von Golfplätzen auf für eine bessere Zukunft. 18) Deutscher Golfverband (Hrsg.), 100 Jah- staatseigenem Gelände, um zahlungskräf- Zusammenfassend ist festzustellen: Durch re Golf in Deutschland, Bd. I und II, tiges Publikum anziehen zu können: die die Heilwirkung des Solewassers, der salz- Wiesbaden 2007 Monarchie hatte noch immer ihre ehemals haltigen Luft der Salinen, der Radonther- 19) Ebbeke, R.: Vom „Golf- und Spielplatz starken Spuren im Freistaat hinterlassen. apie und einer einmalig schönen Landschaft Bad Münster am Stein“ über den „Golf- Während die letzten Truppen Kreuznach hatte Kreuznach alle Voraussetzungen, platz Bad Kreuznach“ zum „Golfclub verließen und das Bad wieder bei Null an- dauerhaft zu den großen, führenden euro- Nahetal“, inside, Zeitschrift des GC Na- fangen musste, fanden auf dem rund 90 Ki- päischen Bädern zu gehören. Die lange hetal e. V., Bad Münster a. St.- Ebern- lometer weit entfernt liegenden Bad Emser „ausländische“ Regentschaft über die Sali- burg 1/2011 Golfplatz bereits die ersten internationalen nen, eine hohe Ablösesumme hierfür, taube Wettkämpfe statt. Bad Ems wurde wieder Ohren im preußischen Berlin, das manch- Der Verfasser, in Bad Kreuznach geboren „weltbekannt“18). Und Kreuznach bediente mal kurzsichtige Denken der Bürgervertre- und zur Schule gegangen, dankt Herrn Jörg weiterhin seinen 1897 aufgenommenen tung (auch der der Nachbargemeinde), Julius Reisek, Heimatwissenschaftliche Kredit. Kriege, lange Besatzungszeiten und immer Zentralbibliothek des Landkreises Bad (Nur am Rande und vorweg genommen: wieder Hochwasser verhinderten dies je- Kreuznach, für wertvolle Hinweise. Ende der 60er-Jahre des 20. Jahrhunderts doch. Seit Anfang 2000 beginnt sich die Si- gründeten Kreuznacher Bürger – wegen der tuation für die rheinland-pfälzische Bade- Imagesteigerung wohlwollend begleitet von stadt grundlegend zu bessern: Hochwas- Seiten der Stadt – den Golfclub Bad Kreuz- serschutz und eine Gemeindereform sowie nach. Geeignetes Gelände ließ sich aber ein boomender Wirtschaftsraum mit seinen Die Bad Kreuznacher Heimatblätter erscheinen nur auf den Höhen des ehemals bayeri- vielen stressgeplagten Menschen in unmit- monatlich in Zusammenarbeit mit dem Verein schen Dorfes Ebernburg finden. Deshalb än- telbarer Nachbarschaft sind zusätzliche für Heimatkunde für Stadt und Kreis Bad Kreuznach derte der Club den Namen seiner Grün- Pfunde, mit denen sich in Zukunft intensiv e.V. (i. A. Dr. Horst Silbermann, dungsstadt in den großräumigen Gebiets- wuchern lässt. Dienheimer Berg 11, 55545 Bad Kreuznach). Nummer 11/2014

BadKreuznacher Beilage Bad Kreuznach Heimatblätter

Wohnverhältnisse im Landkreis Bad Kreuznach vor dem Ersten Weltkrieg Ein Stück Sozialgeschichte in einer dynamischen Epoche

VON RAINER SEIL, RÜDESHEIM

Das Deutsche Reich erlebte vor dem Ers- ten Weltkrieg einen starken natürlichen Be- völkerungszuwachs (Relation Gebur- ten/Todesfälle), was sich zwangsläufig in Stadt und Land in einem erhöhten Woh- nungsbedarf niederschlug. Vor allem die In- dustrialisierung hatte zudem einen starken Zuzug aus dem ländlichen Umfeld in die sich damals abzeichnenden Ballungsgebie- te (Rhein, Ruhr, Saar, Oberschlesien) des Kaiserreichs ausgelöst, eine Entwicklung, von der auch aufstrebende Städte wie Kreuznach, Kirn und Bingerbrück nicht un- berührt blieben. Die aus den ländlichen Re- gionen Zugewanderten versprachen sich hiervon einerseits Arbeit, andererseits auch einen möglichen Wohlstand und Teilhabe am städtischen Leben. Ebenso hatten die großen Fortschritte des 19. Jahrhunderts in Wissenschaft, Medizin und Technik die bis- her hohe Kinder- und Frauensterblichkeit verringert und die allgemeine Lebenser- wartung langsam erhöht. Im Jahre 1903 plante der deutsche Reichstag den „Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung der Wohnungsverhältnisse“. Diese Bemühungen schlugen sich nieder in Blick auf das Kurgebiet von Bad Kreuznach mit anspruchsvoller Bebauung aus dem 19. Jahrhundert und einem Gesetz über die „Anlegung und Ver- zahlreichen Grünflächen (Parkanlagen, große Hausgärten). Foto: Privatarchiv Rainer Seil, Rüdesheim änderung von Straßen und Plätzen in den Städten und ländlichen Ortschaften“ vom 2. Juli 1875. Bereits in seiner Thronrede vom 8. Januar 1901 wies der deutsche Kaiser Wil- beschilder, Baulücken und dergleichen mehr wurde später in Bad Kreuznach die Kirsch- helm (reg. 1888–1918) auf die Notwendig- einzuschränken. Solche Maßnahmen waren stein-Anlage am Naheufer benannt) vom 4. keit hin, „daß die Gestaltung der Woh- dringend erforderlich, da spätestens seit der Juli 1903 geht hervor, dass die Stadt Kreuz- nungsverhältnisse, namentlich in den dicht- Reichsgründung 1870/71 mit der sog. nach jährlich um 300 Einwohner wuchs. bevölkerten und überwiegend vorindustri- „Gründerzeit“ in sämtlichen Städten eine Zählte die Stadt 1876 erst 17 000 Einwoh- ellen Gegenden, ein Eingreifen“ erfordere. geradezu planlose Entwicklung und ein un- ner, so hatte sich deren Einwohnerzahl 1903 Humane Gründe spielten bei diesen Erwä- geheuerliches Flächenwachstum eingesetzt auf 21 000 Personen erhöht. Schon 1853 hat- gungen durchaus eine Rolle. Noch mehr hatte. Die Städte sprengten ihre ehemaligen te die Kreuznacher Bevölkerung die aber fürchteten die Obrigkeit und das be- noch vom Mittelalter herrührenden Weich- 10 000er Marke (d. h. 10 075 Einwohner) sitzende Bürgertum in der wilhelminischen bilder. Besonders augenfällig wurde dies überschritten. Das durchschnittliche Bevöl- Klassengesellschaft ein Erstarken der Sozi- vielerorts mit einer Niederlegung der Stadt- kerungswachstum betrug im Durchschnitt aldemokratie und der Gewerkschaftsbewe- mauern. Um dieses städtische Wachstum in zwischen 1 bis 1,5 Prozent. Über die Wohn- gung in der Arbeiterklasse, die von den ne- geregelte Bahnen zu lenken, etablierte sich verhältnisse im Innenstadtbereich äußerte gativen Begleiterscheinungen des Städte- 1874 in Berlin der Verband der „Deutschen sich Kirschsteins Schreiben folgenderma- wachstums besonders betroffen war. Architekten- und Ingenieurvereine“. Im Jahr ßen: „Dagegen finden sich noch heute in Wichtigstes Kriterium bei der Umsetzung 1875 wurde das preußische Fluchtlinienge- den engen, alten Stadtteilen Wohnungen dieses Forderungskatalogs waren „Sauber- setz erlassen. der ärmeren Klassen, die den gesundheitli- keit, Ordnung, reichliche Lüftung“. Ferner Wie sah es im preußischen Kreuznach chen Anforderungen kaum entsprechen und kamen noch ästhetische Momente hinzu, und Kirn um 1900 aus? Aus einem Schrei- dabei sehr teuer sind. Man hat in Hinter- galt es doch, u. a. das immer mehr um sich ben des Kreuznacher Bürgermeisters Rudolf häusern und Nebengebäuden, die ur- greifende „Reklameunwesen“ durch Wer- Kirschstein (Amtszeit: 1897–1909; nach ihm sprünglich landwirtschaftlichen oder Hand- 2 (Seite 42 des Jahrgangs) Bad Kreuznacher Heimatblätter - 11/2014

nahen Innenstadtlage in Parkflächen um- baren Wohnraums, wurde ab 1872 ein sog. gewandelt. Im Jahr 2014 ist das sog. „Pari- “Kirner Bau-Verein“ ins Leben gerufen. ser Viertel“ im Bereich der Pfeiffergasse Diese Organisation gab jedoch schon 1903 und Müllergasse davon betroffen, das letzte ihre Tätigkeit wieder auf. Der Kirner Le- noch verbliebene, relativ „unversehrte“ derindustrie und auch den zahlreichen Gassenviertel in Innenstadtlage, dessen Ur- Steinbrüchen strömten zahlreich Arbeiter sprünge auf das Jahr 1850 zurückverfolgt aus dem Hunsrück zu, während dagegen werden können. Die Namen Pfeiffer, Müller das gleichfalls sich industrialisierende So- und Landthaler nehmen Bezug auf die frü- bernheim auf sein gleichfalls ländliches heren Grundstückseigentümer. Letzterer Umland diesen Wanderungsschub nicht suchte später sein Glück in Amerika. auslöste. In den engen Wohnverhältnissen entwi- Einen Sonderfall stellte die Stadt Binger- ckelte sich in der zweiten Hälfte des 19. brück dar, die bis zur rheinland-pfälzischen Jahrhunderts ein gewisser sozialer Spreng- Kommunalreform 1969/70 zum Landkreis stoff. Während die ärmeren Bevölkerungs- Bad Kreuznach gehörte. Früher war diese schichten in diesen Vierteln wohnten (z. B. Siedlung ein Ortsteil von Weiler bei Bin- in Kreuznach „über dem Graben“ (Wil- gerbrück, heute jedoch ist sie ein Stadtteil helmstraße), lebten die wirtschaftlich gut si- von Bingen. Im Jahre 1893 wurde sie eine ei- tuierten Kreise in prächtigen Häusern mit genständige Stadt. Ihr Bevölkerungswachs- Grünflächen und repräsentativen Villen mit tum vollzog sich dramatisch. Lebten in Bin- parkähnlichen Arealen. Letzteres galt vor gerbrück 1890 erst 1248 Einwohner, so er- allem für die Entwicklung des Kreuznacher höhte sich deren Zahl bis 1900 auf 2481 Ein- Kurgebietes (z. B. Badeallee, Kaiser-Wil- wohner, um bereits im Jahr 1903 auf 2700 helm-Straße, Kurhausstraße). Während die Personen anzuwachsen. Die Mehrzahl ihrer Grundstücke im Badeviertel genügend Frei- Einwohner waren kleine Gewerbetreiben- flächen, Gärten und lockere Bebauung auf- de, Handwerker und Eisenbahnbeamte. Es wiesen, war in der Innenstadt kaum Platz fehlte dort nach zeitgenössischer Auffas- für Gärten vorhanden. Mit Kleingartenan- sung an einem „gesunden Mittelstand“. Ein Erbe des 19. Jahrhunderts: enge und klein- lagen (Schrebergärten) wurde später ver- Ferner heißt es dazu: „Außerdem wird in gliedrige Bebauung im „Pariser Viertel“ in Bad sucht, dem Wunsch der innerstädtischen Be- Bingerbrück auf die Nähe der Stadt Bingen Kreuznach. Foto (2012): Rainer Seil, Rüdesheim völkerung zur Selbstversorgung gerecht zu gebührend Rücksicht zu nehmen sein, da werden. sich auch ohne besondere Bevorzugung des Anbaus kleiner Wohnungen von Zeit zu Im Jahre 1903 wurde im gesamten Kreis- Zeit die Absicht ärmerer Familien aus Bin- werkszwecken dienten, kleine Wohnungen gebiet eine Revision der Wohnungen vor- gen hierher erkennen läßt und es in den letz- eingerichtet. … Die hohen Mietpreise dieser genommen. Sie erbrachte folgendes Er- ten Jahren mehrfach besonderer Aufmerk- Wohnungen werden häufig damit begrün- gebnis: samkeit bedurft hat, um bei der Verwirkli- det, daß die Besitzer seit 15 Jahren große chung solcher Versuche rechtzeitig entge- Aufwendungen für den Anschluß an die Bürgermeisterei Revidierte Wohnungen gentreten zu können.“ städtische Quellwasserleitung, an die Ka- Wohnungen mit Mängeln Im letzteren Fall kam noch erschwerend nalisation und die Bürgersteigkosten gehabt hinzu, dass als Erbe des Wiener Kongresses hätten.“ Bad Kreuznach 93 93 an Nahe und Mittelrhein auf engstem Raum Nicht minder drastisch ist ein Bericht aus Rüdesheim 60 0 eine starke territoriale Zersplitterung vor- Kirn vom 14. Juni 1903, einer Stadt, die Waldböckelheim 29 0 herrschte. Während das auf der linken Seite 1850 nur 2800 Einwohner gehabt, jedoch Sobernheim 32 0 der Nahemündung gelegene Bingerbrück zwischenzeitlich mit 5639 Personen ihre Be- Monzingen 8 0 preußisch war, gehörte die gegenüber auf völkerungszahl mehr als verdoppelt hatte: Kirn (Stadt) 80 11 dem rechten Naheufer liegende Stadt Bin- „Unsere ärmere, dem Arbeiterstande ange- Kirn-Land 21 0 gen zu Hessen-Darmstadt. hörige Bevölkerung hat keinen Sinn für Ord- Winterburg 2 0 nung und Sauberkeit und namentlich die Wallhausen 8 5 Frauen sind schlecht erzogen. […] Zu viel(e) Windesheim 62 8 Kinder.“ Stromberg 15 0 Nach einem allgemeinen Polizeibericht Bingerbrück 49 5 erwies es sich als schwierig, hauptsächlich Langenlonsheim 0 0 für kinderreiche Familien adäquaten und bezahlbaren Wohnraum zu beschaffen, ein Leider sind die Bewertungsschlüssel nicht Umstand, an dem sich im Grunde – trotz der überliefert, die bei der Revision zugrunde mittlerweile wesentlich geringeren Kinder- lagen. Ebenso wenig ist bekannt, nach wel- zahl bei der heimischen Bevölkerung – bis chen Kriterien vor Ort bestimmte Gebäude zum heutigen Tag nichts Wesentliches ge- ausgewählt wurden. Dennoch lassen sich ändert hat. Gerade die damals noch großen gewisse Aussagen treffen. Zum besseren Familien trugen zu einer Überbelegung der Verständnis muss mit wenigen Zeilen die ohnehin meist viel zu klein bemessenen Entwicklung der Industrialisierung skizziert Wohnungen bei. Zu der räumlichen Enge werden. Der Bau der Nahetal-Eisenbahn der Wohnungen und den engen Hinterhö- (1858 – 1860) beschleunigte die Ansiedlung fen kamen noch die gesundheitlich be- der Industrie in den im Nahetal gelegenen denklichen Immissionen der häufig noch Städten und später auch in den größeren ansässigen innerstädtischen Handwerks-, Dörfern, sofern letztere nicht zu weit von Gewerbe- und späteren Industriebetriebe der Bahnlinie entfernt lagen. hinzu. In Bad Kreuznach machte die Glashütte Dies gilt zum Beispiel für das sogenannte den Anfang. Ab den 1890er Jahren begann „Pariser Viertel“ in Bad Kreuznach (Pfeif- in der Kreisstadt eine tiefgreifende Diffe- fergasse, Müllergasse, Landthaler Gasse, renzierung in verschiedene Sparten (Leder-, Schäfergasse, Sprendlinger Gasse), das Holzverarbeitung, Tabakfabriken, Chemi- Wassersümpfchen (Clemensgasse, Zimmer- sche Industrie). Die aufstrebende Stadt gasse) und andere mehr. Viele dieser Wohn- Kreuznach übte nicht nur einen starken Sog viertel, sofern sie die großen Zerstörungen auf die umliegenden Orte im Kreisgebiet im Zweiten Weltkrieg (53 Prozent) über- aus, sondern auch auf das nahe Rheinhes- standen, wurden und werden in den letzten sen und die Dörfer in der Nordpfalz. Jahrzehnten im Rahmen von Sanierungs- Zur Verbesserung der Lebens- und maßnahmen niedergelegt und die dadurch Wohnbedingungen der Arbeiter in der Le- Typische Häuserzeile im „Pariser Viertel“ (Sprend- entstehenden Freiflächen aufgrund ihrer derstadt Kirn und zur Beschaffung bezahl- linger Gasse). Foto (2011): Rainer Seil, Rüdesheim Bad Kreuznacher Heimatblätter - 11/2014 (Seite 43 des Jahrgangs) 3

prekär die Situation in Bad Kreuznach noch um 1914 war, ergibt sich aus folgender Auf- stellung. In jenem Jahr waren 124 Woh- nungen revidiert worden. Davon waren 12 wegen erheblicher Mängel polizeilich ge- schlossen, 4 in Werkstätten umgewandelt und 9 standen leer. Vor diesem Hintergrund sollten staatli- che, kommunale und private Initiativen ei- nen verstärkten Wohnungsbau fördern, um so der drängenden Wohnungsnot entgegen zu wirken. Der jedoch schon bald ausbre- chende Erste Weltkrieg vereitelte die Um- setzung solcher Pläne. Sie konnten erst in den 1920er-Jahren mit mehreren Projekten des sozialen Wohnungsbaues (z. B. „Völ- kerring“ in Bad Kreuznach) wieder aufge- griffen werden.

Quellen (Auswahl)

Landeshauptarchiv Best. 467 Nr. 893 und 897 BECKER, Kurt (Hrsg.): Heimatchronik des Kreises Kreuznach. Köln 1966 CUSTODIS, Paul-Georg: Die Stadt des 19. Jahrhunderts in Rheinland-Pfalz. Saarbrü- cken 1985 GEIB, Karl: Historische Topographie von Anfang des Jahres 2014 steht der Abräumbagger bereit: Die Tage mehrerer Häuser im „Pariser Viertel“ sind Kreuznach. Bd. I u. Bd. II. Bad Kreuznach gezählt. Foto: Rainer Seil, Rüdesheim 1929-1937 HAUTH, Ulrich: Eisenbahnerstadt Kirn. Zur wirtschaftlichen und sozialen Geschichte des Eisenbahnbetriebes an der mittleren Kriegsbedingt gibt es mittlerweile im In jeder größeren Stadt achteten zwei Poli- Nahe.In: Beiträge zur Geschichte des Land- Stadtteil Bingerbrück nur noch wenig alte zeiwachtmeister sowie ein „Desinfektor“, kreises Bad Kreuznach (= Heimatkundliche Bausubstanz. Aufgrund seiner wichtigen ein geprüfter Polizeisergeant, auf die Ein- Schriftenreihe des Landkreises Bad Kreuz- strategischen Bedeutung als Eisenbahn- haltung der Hygienevorschriften. So war nach Bd. 31) Bad Kreuznach 2000, S. 253- knotenpunkt war gegen Kriegsende 1945 unter anderem festgestellt worden: „Es ist 302 diese Stadt zu über 80 Prozent zerstört. zum Beispiel ermittelt worden, dass für vier PFALZ, Hein-Frieder: Stadtgeschichte von Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde der Wohnhäuser nur ein Abort vorhanden war, 1871 bis 1889 (= Beiträge zur Geschichte Zeit entsprechend großzügig wieder aufge- dass von mehreren Personen genutzte der Stadt Bad Kreuznach, Bd. 2) Bad Kreuz- baut. Schlafräume keine Fenster zum lüften be- nach 1991 Allgemein schnitten nach der Untersu- saßen, dass in einem Schlafraum von 15 Ku- RUSER, Edith u. Herbert DELLWING: Kul- chung aus dem Jahr 1903 ländliche Regio- bikmetern sechs Personen schliefen.“ turdenkmäler in Rheinland-Pfalz Bd. 5.1. nen besser ab als die Städte. Gründe hierfür Auch aus anderen Regionen und Städten Kreis Bad Kreuznach. Stadt Bad Kreuznach. waren nach damaliger Auffassung die in des Deutschen Reiches liegen vergleichbare Düsseldorf 1987 den Dörfern verbreiteten Einfamilienhäuser Berichte mit niederschmetternden Schilde- SCHUBERT, Hans: Die preußische Regie- und das dort vorherrschende Privateigen- rungen der Lebens- und Wohnverhältnisse tum von deren Einwohnern. Auch die Ab- vor. Besonders wichtig waren neben hygie- wanderung in die wachsenden Industrie- nisch sauberen Wohnverhältnissen gutes städte sorgte auf dem Lande für eine ge- Trinkwasser und eine zuerst in den Städten wisse Entlastung auf dem Wohnungssektor. beginnende Kanalisierung und Abwasser- Diese Entwicklung lässt sich auch im Nahe- entsorgung. Die gefürchteten Krankheiten Hunsrück-Raum nachvollziehen. Betroffen Typhus und Cholera – erinnert sei an eine waren die Standorte der alten Montanin- Choleraepidemie in Hamburg 1893, die dustrie des 18. Jahrhunderts. Mit der Auf- letzte ihrer Art in Deutschland – hatten noch gabe der Gräfenbacher Hütte im Jahr 1873 nichts von ihren Schrecken verloren bezie- war der wichtigste Arbeitgeber für ein wei- hungsweise waren noch in unguter Erinne- tes Einzugsgebiet verloren gegangen. Die- rung. Allmonatlich mussten Berichte an die ser Prozess hatte für diese Region eine Ab- Kreisverwaltung und Bezirksregierung wanderung zur Folge. So verringerte sich in übermittelt werden. Neben allgemeiner dieser Zeit allein in Spabrücken die Bevöl- Stimmung, Wetter, Klima, Bautätigkeiten kerung von über 1000 Einwohnern auf 865. war darin eine eigene Rubrik für die Wer damals nicht in Kreuznach eine neue „Krankheiten unter den Menschen“ – so ei- Existenzmöglichkeit fand, zog fort ins „Ner- ne zeitgenössische Formulierung – vorge- rerland“ (= Niederland, Ruhrgebiet) oder sehen. ins näher gelegene Saarland. Die in regelmäßigen Abständen durch- Hygiene spielte im damals noch jungen geführten Ortsbesichtigungen waren in der 20. Jahrhundert eine immer größere Rolle. davon besonders betroffenen ärmeren Be- Erinnert sei in diesem Zusammenhang an völkerungsschicht wenig beliebt, sahen doch die später stattfindenden Hygieneausstel- viele darin nur eine polizeiliche Bevormun- lungen, z. B. 1906 in Wien oder 1911 in Dres- dung durch den Staat. Langfristig jedoch be- den, um einmal zwei solcher Veranstaltun- wirkten diese unpopulären Revisionen viele gen vor dem Ersten Weltkrieg herauszu- Änderungen hin zu besseren Hygiene- und greifen. Da in den engen Innenstädten die Wohnverhältnissen. Besonders ungünstig hygienischen Verhältnisse sehr zu wün- war 1909 die Situation in Bad Kreuznach. schen übrig ließen, unterstand deren Kont- Von 247 untersuchten Wohnungen wiesen rolle und Überwachung nach § 2 einer ein- 95 Mängel auf. 78 davon waren zum Woh- Vier rechts zu sehende, seit Jahren leer stehende schlägigen preußischen Polizeiverordnung nen praktisch ungeeignet. Es handelte sich Häuser in der Pfeiffergasse des „Pariser Viertels“ vom 29. Oktober 1903 den Polizeibehörden. ausnahmslos um Armenwohnungen. Wie müssen weichen. Foto (2014): Rainer Seil, Rüdesheim 4 (Seite 44 des Jahrgangs) Bad Kreuznacher Heimatblätter - 11/2014

rung in Koblenz, ihre Entwicklung und ihr Wirken 1816-1918. Bonn 1925 SCHWINDT, Helmut: Arbeiterbewegung und Industrialisierung in Stadt und Land- kreis Kreuznach von 1848 bis 1918 (= Hei- matkundliche Schriftenreihe des Landkrei- ses Bad Kreuznach Bd. 30). Bad Kreuznach 1999 SEIL, Rainer: Chronik der Verbandsge- meinde Rüdesheim. Idar-Oberstein 1998 SEIL, Rainer :“Werbung“ vor dem Zweiten Weltkrieg. Zum Umgang mit Werbeschil- dern in der Anfangszeit der Reklame. In: Na- helnd-Kalender 2010. S. 175-177 UHLIG, Harald: Landkreis Kreuznach. Speyer 1954 VOGT, Werner: Das Gebiet des Kreises Bad Kreuznach und die Naheregion im 19. Jahr- hundert (1815-1914). In: Beiträge zur Ge- schichte des Landkreises Bad Kreuznach (= Heimatkundliche Schriftenreihe des Landkreises Bad Kreuznach Bd. 31) Bad Seit Anfang 2014 Vergangenheit: Ecke Pfeiffergasse/Müllergasse im „Pariser Viertel“. Foto: Rainer Seil, Rüdesheim Kreuznach 2000. S. 163-238 Neues auf dem Büchermarkt der Heimat

VON DR. HORST SILBERMANN, BAD KREUZNACH Dressel Mitautoren hinzu, die die Vielfalt und die Herausforderungen der Evangeli- schen Gemeinde Kirn in der Gegenwart dar- Ulrich Hauth: Nahe bei Gott und den Men- stellen. Die Herren Günter Weber und Her- schen. Geschichte der Evangelischen Kir- bert Wöllstein beschreiben in einem kurzen chengemeinde Kirn an der Nahe. Kirn 2014. Beitrag die Baugeschichte der Pankratius- Verlag Matthias Ess, Bad Kreuznach. 176 kirche. Seiten. ISBN: 978-3-935516-90-7. Preis: Der Anhang (S. 159 ff.) enthält eine infor- 17,95 €. Erhältlich im Büro des evangeli- mative Zeitleiste, eine Liste der evangeli- schen Gemeindezentrums in Kirn und im schen Pfarrer in Kirn von 1528 bis heute, ein Buchhandel. Quellen- und Literaturverzeichnis und ein Der in Kirn lebende Historiker, Germanist Personenregister. Mit einem einfühlsamen und Politologe Dr. Ulrich Hauth zählt seit Epilog (S. 172 ff.), in dem Pfarrer Volker geraumer Zeit zu den wichtigsten Heimat- Dressel die Kirner Kirche aus ihrem Leben wissenschaftlern der Nahe-Hunsrück-Regi- erzählen lässt, endet das Buch. on und seiner Heimatstadt Kirn. Wiederholt Besonders hervorzuheben ist die reiche ist er mit profunden Veröffentlichungen her- Illustrierung mit 67 schwarz-weißen und 45 vorgetreten. Erinnert sei nur an seine mehr farbigen Abbildungen, auch wenn die als 600-seitige Monografie zur Stadt Kirn Druckqualität bei den Schwarz-Weiß-Bil- und ihrem Umland im 19. und 20. Jahrhun- dern gelegentlich ein wenig zu wünschen dert aus dem Jahre 2005 oder an seine 2011 übrig lässt. Leider ist nur sehr unaufmerk- erschienene Geschichte der Nahe-Huns- sam Korrektur gelesen worden, so dass sich rück-Eisenbahnen („Von der Nahe in die im Text um die 80 vermeidbare Flüchtig- Ferne“). keitsfehler unterschiedlichster Art finden. Mit seinem neuesten Werk „Nahe bei Beispielsweise wird S. 55 unten aus „militä- Gott und den Menschen“ wendet sich Dr. rischen Erfolgen“ eine „militärische Erbfol- Hauth erstmals einem kirchengeschichtli- Die Pankratiuskirche in Kirn. Foto: Wolfgang Peitz, Kirn ge“, S. 91 oben heißt es in der Überschrift chen Thema zu. Nach einem sympathischen „unserer“ statt „unsere“ Gemeinde und auf Vorwort (S. 8 f.), in dem er sich selbst, seine den Seiten 147 und 151 erscheint zweimal Vorgehensweise und die Zielsetzungen sei- ein XXI. Kapitel. nes Buches darlegt, beschreibt der Autor auf lischen Gemeinde des Kirner Stadtteils Dem eigentlichen Wert des Buches tut den Seiten 12 bis 113 in fünfzehn Kapiteln Sulzbach gewidmet, obwohl Letztere eine dieser formale Makel indessen keinen nen- die historische Entwicklung der Evangeli- Filialgemeinde der Kirchengemeinde Fisch- nenswerten Abbruch. Insgesamt handelt es schen Gemeinde Kirn, ausgehend von ei- bach ist. sich dabei um ein äußerst interessantes, nem kleinen Exkurs zur vorreformatorischen Dr. Hauths Arbeit zeichnet sich durch fol- streckenweise geradezu spannendes, le- Zeit. gende Vorzüge aus: Sie ist sorgfältig re- senswertes Werk, das in der stadtgeschicht- Schwerpunkte seiner Darstellung bilden cherchiert und entspricht wissenschaftli- lichen Literatur zu Kirn eine bis dato offene die Einführung der Reformation in Kirn und chen Anforderungen, wobei es ihm gelingt, Lücke schließt. Es sei daher nicht nur den das lange, von 1681 bis 1891 währende Si- die Wissenschaftlichkeit (z.B. Quellennach- Mitgliedern der Evangelischen Gemeinde, multaneum mit der katholischen Gemeinde weise) so zu „verpacken“, dass ein auch für sondern auch ihren katholischen Mitchristen in der Pankratiuskirche. Auch die gerade für Laien gut lesbarer Text entstanden ist. Des sowie allen historisch Interessierten der die Evangelische Gemeinde schwierige NS- weiteren beschränken sich Hauths Ausfüh- Kirner Region sehr zur Lektüre empfohlen. Zeit wird angemessen behandelt (Das S. 74 rungen weder auf den Kirner Stadtbereich erwähnte Reichskonkordat wurde allerdings noch auf eine rein evangelische Perspektive, nicht schon im Juni, sondern erst am 20. Juli sondern betten die Geschichte der Evange- 1933 abgeschlossen). Herausragende, in lischen Gemeinde Kirn stets ein in die allge- Kirn tätige Theologen wie Friedrch Nie- meinhistorische Entwicklung und berück- Die Bad Kreuznacher Heimatblätter erscheinen bergall und Erich Wenzel erfahren die ihnen sichtigen auch die Positionen der katholi- monatlich in Zusammenarbeit mit dem Verein gebührende Würdigung. Das fünfzehnte schen Seite. für Heimatkunde für Stadt und Kreis Bad Kreuznach Kapitel ist den Kirner Filialgemeinden Me- Ab S. 104 treten mit den Kirner evangeli- e.V. (i. A. Dr. Horst Silbermann, ckenbach und Kallenfels sowie der Evange- schen Pfarrern Michael Zeh und Volker Dienheimer Berg 11, 55545 Bad Kreuznach). Nummer 12/2014

BadKreuznacher Beilage Bad Kreuznach Heimatblätter

Von Ochsen mit Hütchen und einem sagenhaften Kreuznacher Metzger Hintergründe einer Altkreuznacher Redewendung

VON DR. MARTIN SENNER, BAD KREUZNACH Aus den Quellen belegt ist, daß die Kreuz- nacher Ratsherren des ‚Ancien Régime‘ „Mäntel als Amtstracht“ trugen. In napole- Nein, Gegenstand dieser Spurensuche ist onischer Zeit gehörte zur Dienstkleidung nicht der Kreuznacher Lokalheros Michel der Kommunalbeamten ein „französischer Mort, sondern die Person und das Ereignis Hut“. Der Rat tagte in den 1790er Jahren hinter einer Altkreuznacher Redewendung. noch im Alten Rathaus am Eiermarkt (No Sie lautet nach Karl Hessel: „Do hockts un 14). 1819 hat es die Stadt verkauft, 1849 ist hot e Hietche uff!“; für alle, die nur des es abgebrannt. Hochdeutschen mächtig sind: „Da sitzt ei- Ist der schlagfertige Metzgermeister Groß ner und hat ein Hütchen auf!“ Hermann eine Sagengestalt, oder hat er wirklich ge- Stumpf hat Anno 1913 in seinen »Ge- lebt? Und könnte die Geschichte von sei- schichten und Sagen des Nahegaus« den nem ‚Metzgergang‘ – mit diesem Wort be- Sinn des Ausspruchs so erklärt: man wende zeichnet man eine erfolglose Besorgung – ihn gegenüber einem Mitmenschen an, einen wahren Kern haben? „der [einem] eine Aufgabe stellt, die man nicht erfüllen kann“. 1910 erschien zunächst im »Oeffentlichen Anzeiger« und dann als „Sonder-Abdruck“ Genau das ist, wie Stumpf erzählt, einem eine Sammlung ‚Alt-Kreuznacher Ge- hiesigen Metzger „namens Groß“ wider- schichten‘. Sie sollen, dem Untertitel zufol- fahren. Es war zur Zeit der französischen Re- ge, ‚Aus vergilbten Papieren eines alten volutionskriege, im letzten Jahrzehnt des Kreuznachers‘ stammen. Dieser ist durch ei- 18. Jahrhunderts, als die fremden Truppen nen handschriftlichen Vermerk auf einem in von ihrem unfreiwilligen Quartiergeber, der der Heimatwissenschaftlichen Zentralbib- Stadt Kreuznach, immer neue Geldzahlun- liothek des Landkreises Bad Kreuznach be- gen und Naturallieferungen forderten. wahrten Exemplar (Signatur: CH 40 c) iden- tifiziert als „(Giudice)“; ebenso später in Groß nun „war von dem Rat beauftragt Karl Geibs »Historischer Topographie von worden, aus den nächsten Dörfern Vieh her- Kreuznach«. Gemeint ist wohl weder der zu- Der Pädagoge und Dichter Dr. Karl Hessel beizuschaffen. Aber er machte einen richti- letzt im Adreßbuch für 1894 nachgewiesene (1844–1920). Repro: Stadtarchiv Bad Kreuznach (StAKH) gen Metzgergang [vergeblicher Gang]. Es Weinhändler Johann Adolf Giudice (Jg. war nichts mehr aufzutreiben. Müde kam er 1864) aus der Salinenstraße 51, noch sein abends heim und teilte den versammelten Vater Carl (Jg. 1827), gleichfalls Wein- Ratsherrn das schlechte Ergebnis des Tages händler und in der Viktoriastraße 21 da- tischer Wald, dort ist kein Bach zum Fi- mit. ‚Was kann das alles helfen?’ erwiderte heim, sondern dessen Vater Jakob, geboren schen.“ – „Erlaubt [mir den Hinweis]“, sag- man ihm tadelnd. ‚Die Ochsen müssen her- 1774 zu Kreuznach und ab April 1809 Chef te Gros, „das ist eben die Begünstigung.“ bei!’ Da geriet auch der müde und abge- der städtischen Polizei, in preußischer Zeit spannte alte Groß in Wallung, sich ärgernd dann „Landgerichtsrath“ in Aachen. Jakob Nun kennen wir immerhin schon den über die Ratsherren, die im kühlen Zimmer Giudice ist also ein Zeitgenosse unseres Vornamen des sagenhaften Metzgers! Lei- saßen, während er draußen in der Hitze he- Metzgers Groß! Und wirklich: in Giudices der ist ‚Johannes‘ im Kreuznach des 18. rumgelaufen war, und auf die bei ihren Sit- ‚Sage vom hungrigen Wolf‘ – dieser Flur- Jahrhunderts so beliebt gewesen, daß 1775 zungen Hütchen tragenden Ratsherren zei- namen stammt übrigens aus den 1790er selbst unser Brückenheiliger Nepomuk zu gend, sagte er: ‚Do hocke die Ochse unn Jahren – tritt er auf, „der in Kreuznach we- einer „statua des heil[igen] Johannis“ er- honn die Hiedcher uff!'“ gen seiner guten Laune und spaßhaften Re- klärt werden konnte! Auch „Mathias Groß den bekannte Metzger Johannes Gros“. siebenzig Jahr alt Metzger“, der am 27. Flo- Besonders einprägsam ist das Bild, das réal des Jahres VIII (17. Mai 1800) verstor- Hessel von der würdigen Runde zeichnet, Groß, den der Erzähler als einen „Mann ben ist, war außerdem auf den Namen Jo- als diese der französischen Gefahr ins Auge von reiferen Jahren“ schildert, foppt den hann getauft. Mit einer einzigen Ausnahme, blicken soll: Kreuznacher Neubürger „Hannes Wolf von nämlich der Schatzungsliste von 1762, wird „Do hocke dann die Stadträt all, Dörrenbach“ unter anderem mit der Aus- er aber immer nur Matthias genannt, und Die Herzcher in die Schuh gefall, kunft: „Freundschaft [Mein Freund], hört, scheidet daher aus unserer Spurensuche Mit goldgestickte Reck, das Beste hätte ich bald vergessen; ihr habt aus. Un hinne bambele die Zepp, wie jeder die Begünstigung auf freien Fisch- Die Hietcher wackle uff de Kepp, fang in der Kehrenbach.“ – „Wie?“ erwi- 1794 gehören der Metzgerzunft drei Her- All gucke in een Eck.“ derte Wolf, „die Kehrenbach ist ja ein städ- ren namens Groß an: zweimal Johannes, 2 (Seite 46 des Jahrgangs) Bad Kreuznacher Heimatblätter - 12/2014

sin wittib“. Als sein Sohn Wilhelm am 25. Ju- ‚alte Groß‘ gewesen sein. ni 1807 heiratet, ist als Vater des Bräuti- Hessel erzählt die Episode schon in der gams eingetragen: „Jean Groos, boucher en Urfassung seiner »Sagen und Geschichten son vivant“ – ‚zu Lebzeiten Metzger‘, soll des Nahethals« von 1894. Im Kapitel ‚Kreuz- heißen: inzwischen verstorben. Seine Mut- nach zur Zeit der französischen Revolution‘ ter, Luise Charlotte Elisabeth Groß geb. schildert er die Exzesse der Eroberer wäh- Emig, hat noch 1817 als „Metzger“ den Be- rend der berüchtigten ‚12 Tage‘ des De- trieb geleitet, zusammen mit dem immerhin zember 1795 und fährt dann fort: „Es wird schon 48jährigen Wilhelm und der Schwie- berichtet, daß damals der Stadtrat einen gertochter. Da der Todesfall Johann Groß Metzgermeister aufs Rathaus beschieden vor Beginn der standesamtlichen Registrie- und ihm den Auftrag gegeben habe, so und rung lag, gibt es keine Sterbeurkunde. Das so viel Ochsen bis morgen herbeizuschaf- Geburtsjahr ist lediglich aus der Mitteilung fen. Er erklärte, das sei einfach unmöglich. zu erschließen, daß Groß am 3. Juni 1753 Trotzdem verlangte der Bürgermeister, er konfirmiert wurde – zu diesem Zeitpunkt müsse die Ochsen liefern, worauf der bie- dürfte er 14 Jahre alt gewesen sein. dere Mann entrüstet auf die Herren vom Rat deutete und erregt sagte: ‚Do hocke die Och- Er war ein Sohn von Franz Groß, Metzger se un hawe Hietcher uf!’“ und Gastwirt ‚zum Roten Löwen‘. Geibs »Topographie« lokalisiert diese ‚Schild- Gebhard jedoch berichtet, daß es in den wirtschaft‘ am Salzmarkt, „am Eingange chaotischen ‚12 Tagen‘ keineswegs Be- der Metzgergasse“. Ist es ein bloßer Zufall, schlagnahmungen (Requisitionen) mit Hilfe daß „der Löwenwirt aus Kreuznach“ in Giu- Kreuznacher Amtsträger oder Bürger wa- dices ‚Sage vom hungrigen Wolf‘ ebenfalls ren, die das Bild bestimmten. Die Franzosen eine Rolle spielt? Oder hat Giudice uns da- plünderten ganz überwiegend eigenhändig mit einen Hinweis gegeben, welcher Jo- und„nahmen dahier, ohne Schwein und hannes unser sagenhafter Metzger ist? Wei- Schaf, die gewiß 500 ausmachten, 156 Stück ter kommen wir in dieser Frage nicht und Rindvieh ohne Frucht und Mehl, die sie nah- Das alte Rathaus am Eiermarkt nach einer um 1870 wenden uns daher den Ochsen zu. men.“ entstandenen Lithographie von Egidius Scheid. Repro: StAKH Am 16. Oktober 1794 wurde die dritt- Für die zweite, im Umfang erweiterte größte Stadt der Kurpfalz, Kreuznach, zum Auflage von 1913 – in diesem Jahr wurde dritten Mal von der französischen Revoluti- das 100jährige Jubiläum der Befreiungs- onsarmee besetzt, und zum zweiten Mal kriege gefeiert – hat Hessel die Geschichte einmal der eben erwähnte Matthias. 1798 von Jean Victor Moreau (1763-1813). Der vom wackeren Handwerker in Versform ge- sind ein Johannes sowie „Mathias“ noch künftige ‚général en chef‘ der Rheinarmee bracht und dabei nicht an dichterischer verzeichnet, daneben „w[it]t[i]b großin“ (1796/97) und Sieger von Hohenlinden Phantasie gespart. Statt an Bürgermeister [Witwe Groß]. Nicht dabei ist „Johannes (1800) hat, wie der Zeitzeuge Petrus Geb- oder Stadtrat wendet sich der Meister nun Groß der jüngere“, wie die Sterbeurkunde hard berichtet, bereits zwei Tage nach sei- gegen die Besatzungsmacht. Diese ist ver- für eines seiner Kinder ihn nennt. In einer ner Ankunft „zu liefern aufgegeben 300 treten nicht mehr durch den Befehlshaber ‚Bürgerliste‘ aus napoleonischer Zeit er- Stück Ochsen oder Küh, 200 Schaaf und von 1795, Jean Baptiste Jourdan (1762- scheint dieser „Jean André“ Groß mit dem dreihundert Stück Pferd, Holz, Brod, Haaber 1833), den Sieger von Fleurus (1794), 1804 Geburtsjahr 1764. Er war ein Sohn des in kurz alle zur Erhaltung einer Armee nötigen von Napoleon zum Marschall und in den den Zunftlisten aufgeführten Matthias Groß. Erfordernisse.“ Grafenstand erhoben. Hessels Schurke ist Johann Andreas, er starb erst 1843, wäre in der in Kreuznach ungleich bekanntere den 1790er Jahren für die Rolle des ‚alten All dies sollte freilich nicht allein die „Oschero“: Pierre François Charles Auge- Groß‘ noch zu jung gewesen. Stadt Kreuznach aufzubringen haben, son- reau (1757-1816), 1804 Marschall von dern „das sich nun gebildete Arrondiße- Frankreich, zwei Jahre später Herzog von Von den beiden Johannes Groß der Zunft- ment“, das „bis zum 14. November“ sein Castiglione. Dieser Militär hat bekanntlich liste von 1794 steht einer noch in der er- Soll größtenteils erfüllte – mit „212 Pferd, am 25. September 1797 die Abgesandten wähnten Bürgerliste, die sein Geburtsjahr 173 Ochsen, 113 Kuh“. Mit anderen Wor- von Stadt und Oberamt derart ungnädig ab- mit 1740 angibt. Er wäre demnach zur Zeit ten: 14 Stück Rindvieh fehlten noch immer! gefertigt, daß sein Name im Kreuznacher der Revolutionskriege in seinen Fünfzigern Von der mit der Beschaffung der Tiere be- Deutsch zum Synonym für einen Grobian gewesen. Oder schon fast ein Sechziger! auftragten Kommission werden mit Namen und Gewaltmenschen geworden ist. Das Nach der Einwohnerliste von 1817, die ihm nur die ‚Oberamtsverwalter‘ Ermus und Eg- sagt auch Gebhard, der allerdings über ir- ein Alter von 80 Jahren zuschreibt, wäre er linger genannt, die sich ihres Auftrags gendwelche Beschlagnahmungen oder nämlich um 1737 geboren. Am 25. Mai 1807 „auch mit Zuziehung der Munizipalitäts- Plünderungen Augereaus nichts zu melden hatte der Meister den Geburtsakt für den Herren“ entledigt hätten, nämlich solchen weiß. Ganz im Gegenteil! Er rühmt den erst Metzgersohn Conrad Stüber als Zeuge un- „aus hiesigen Bürgern und Ratsherrn“. Un- am Vortag in Kreuznach eingetroffenen Be- terzeichnet: „Johannes Grooß“, Beruf: ter den ‚Bürgern‘ könnte durchaus auch der fehlshaber als einen „Bürgerfreund“, der Metzger, Alter: 68. Als „unser alter Nachbar Groß“ ist er 1820 im Tagebuch von Johann Jacob Beinbrech erwähnt, denn das Haus Groß, No 288 der damaligen Zählung, heute Mannheimer Straße 50, grenzte unmittelbar an Beinbrechs No 287 (Mannheimer Str. 52). Am 31. Juli 1828 ist Groß „einund- neunzig Jahre alt“ verstorben. Zwei Jahre später starb auch sein Sohn und Nachfolger im Geschäft, Johann Adam. Dessen Witwe zog weg; die Metzgerei wurde nicht wei- tergeführt. Ein Wilhelm Groß, „Kaufmann“, der 1877 im selben Haus (damals No 536) sitzt, entstammt einer anderen Familie Groß. Er war der Urenkel des Metzgers Johann Groß aus der Poststraße – des zweiten Jo- hann Groß auf der Zunftliste von 1794.

Dieser hat das genannte Jahr nicht lange überlebt. Wie die Zunftliste von 1798 führen auch die Einwohnerlisten von 1796 und Ausschnitt aus der Kreuznacher Einwohnerliste von 1807 (StAKH Gr. 229, Nr. 8). In der sechsten Zeile von 1807 seine Frau als Witwe: „Charlotta groo- oben wird „Groosin Charlotta“ als „wittib“ bezeichnet. Repro: StAKH Bad Kreuznacher Heimatblätter - 12/2014 (Seite 47 des Jahrgangs) 3

Adreßbuch von Stadt und Kreis Kreuznach […] 1894. Kreuznach 1894. – Redaktionsar- chiv der Allgemeinen Zeitung Bad Kreuz- nach, Kreuznacher Tageblatt 1882. – Günter F. Anthes, Die Lutheraner zu Kreuznach 1632-1798. (o.O. o.J.); Franziska Blum-Ga- belmann, Der Kreuznacher Johann Jacob Beinbrech (1799-1834). Bürger – Kaufmann – Spaziergänger. Bad Kreuznach 2006; Karl M. Buß/Karl Westermann, So redd mer in Zelemochum. Mehr als tausend Wörter und Redewendungen der Bad Kreuznacher Mundart und ihre Deutung. 2. Aufl. (Bad Kreuznach) 1979; Karl Geib, Das alte Rat- haus auf dem Eiermarkt und das heutige Bankgebäude der Commerz- und Privat- bank, in: (Bad Kreuznacher) Heimatblätter 1931,9, 1931,24; ders., Historische Topo- graphie von Kreuznach. T. I-II. Kreuznach 1929/1937; (Giudice), Alt-Kreuznacher Ge- schichten. Aus vergilbten Papieren eines al- ten Kreuznachers. (o.O. o.J.); Karl Hessel, Sagen und Geschichten des Nahetals. 1. Aufl. (Kreuznach) 1894, 2. Aufl. Kreuznach 1913; Gerd Massmann, Die Verfassung der Stadt Kreuznach unter der französischen Herrschaft von 1796 bis 1814. Boppard 1963; Friedrich Schmitt, Verfassung und Viehmarkt auf Kisky’s Wörth (heute: Kirschstein-Anlage). Stahlstich von G. Heisinger nach einer Photogra- Verwaltung der Stadt Kreuznach im 18. phie aus dem Jahre 1865. Repro: StAKH Jahrhundert (1707-1796), in: Stadtverwal- tung Bad Kreuznach (Hrsg.), Bad Kreuz- nach von der Stadterhebung bis zur Ge- genwart. Bad Kreuznach 1990, S. 93-144; L. „jedem Notleidenden zu helfen wünschte“. Johann Gross Wb. MS Familien Stadt und Stein, Hand- und Hausbuch für Petrus Geb- Hessel wollte eine Geschichte erzählen, Kreis I. Zivilstandsregister 1800; 1807; 1828; hard, Rechtsprakticanten, in: (Bad Kreuz- nicht etwa Geschichte schreiben, was auch 1830; 1843; 1857; 1858; 1860. Gr. 129 Nr. 2. nacher) Heimatblätter 1932,4, 1932,6, daran deutlich wird, daß der Metzger in der Gr. 229 Nr. 1; 7; 8. Gr. 736 Nr. 4. Gr. 771 Nr. 1932,16, 1933, 8-9; Hermann Stumpf, Ge- Neuauflage den Phantasienamen „Trumm“ 3. Akte 611; 1892; 2641,2; 2757; 2772. Kreuz- schichten und Sagen des Nahegaus. Kreuz- bekommen hat. Das ist möglicherweise mit nacher Zeitung 1848. Adreßbuch von Kreis nach 1913; Carl Velten, Entstehung und In- Rücksicht auf Träger des Namens ‚Johann und Stadt Kreuznach […] 1878. Kreuznach halt der Verfassung der sponheimischen Groß‘ geschehen, die erst zu Hessels Leb- 1877; Adreßbuch der Stadt Kreuznach […] Stadt Kreuznach nach den darüber vorlie- zeiten (d.h.: seit 1844) verstorben sind. So 1881. Kreuznach 1881; Adreßbuch der Stadt genden schriftlichen Quellen bearbeitet. hatte Johann Groß ‚der Jüngere‘ einen Sohn Kreuznach […] 1887. Kreuznach 1887; Bad Kreuznach 1964. namens Johann, der seine Metzgerei über- nahm. Sie lag am Eiermarkt. 1848 verpach- tet der Korbmacher Wilhelm Eltze seine „Bude“ an der St. Nikolaus-Kirche, und die- ses Verkaufslokal lag „dem H[er]rn Metz- ger Groß gegenüber nach dem katholischen Schulgebäude hin“; letzteres befand sich in der Poststraße 4. 1849 und noch bei seinem Tod 1857 ist Groß im Hause „Gemüsemarkt 333“ (Eiermarkt 1) dann als Gastwirt ver- zeichnet. Seine Witwe Elisabeth lebte bis 1886. Sie war „Badewirthin“ in der Kur- hausstraße 12, wo nach ihr die beiden Töch- ter Helene und Catharina den Betrieb wei- terführten.

Johann Groß ‚der Ältere‘ aus der Post- straße hatte als Hausnummer die ‚146‘ der seinerzeit die ganze Stadt durchlaufenden Zählung. Nach Einführung der straßenwei- sen Nummerierung 1881 war dies das Haus Poststraße 26. 1882 hat die Reichspostver- waltung das Gebäude für 15000 Mark er- worben, um es für den Postneubau abzu- reißen. Die frühere Besitzerin, Wilhelmine Groß, konnte noch bis Ende Februar 1886 wohnen bleiben; drei Jahre später verstarb sie. So wie bereits 1860 ihr Mann, der letzte Metzger Johann Groß in der Poststraße 26. Ihr Sohn, der ‚Kolonialwarenhändler‘ Fried- rich Wilhelm Groß, hat sich „abgemeldet nach Kaiserslautern (Pfalz) am 28. Juni 1889“.

Quellen und Literatur:

Stadtarchiv Bad Kreuznach, Familienbo- Blick in die Poststraße um 1885. Rechts von der alten Landschreiberei (heute: Fernmeldeamt) das gen Carl Giudice; Friedrich Wilhelm Groß; Groß’sche Haus (N° 26). Repro: StAKH 4 (Seite 48 des Jahrgangs) Bad Kreuznacher Heimatblätter - 12/2014

Neu auf dem Büchermarkt der Heimat

VON DR. HORST SILBERMANN, BAD KREUZNACH graphische Gestaltung und die gut ausge- Bad Kreuznacher Wahrzeichen schlechthin – wählte Bebilderung steigern zusätzlich den erfahren in Dr. Senners Werk eine längst fäl- positiven Gesamteindruck des Buches. lige gebührende historische Würdigung, die Rechtzeitig vor Jahresende sind zwei heimat- sich nicht nur auf ihre Entstehung und bauli- bezogene Bücher erschienen, die man sich gut Martin Senner: Kreuznacher Brückenhäuser. che Entwicklung beschränkt, sondern mit in- auf dem weihnachtlichen Gabentisch oder als Geschichte(n) eines Wahrzeichens. Bad formativen, unterhaltsamen und gelegentlich Geschenk zu anderen Anlässen vorstellen Kreuznach 2014. Verlag Matthias Ess, Bad überraschenden Geschichten über ihre Be- kann. Kreuznach. 141 S. ISBN: 978-3-935516-97-6. wohner auch die damit verbundenen sozial- Preis: 23,80 €. Erhältlich beim Verlag Matthias geschichtlichen Aspekte ausgiebig in den Rainer Seil: Pfalz. Die Gerichte meiner Kind- Ess und im Buchhandel. Blick nimmt. heit. Rezepte und Geschichten. Gudensberg- Da das genannte Buch des renommierten Bad Das Buch ist trotz seiner wissenschaftlichen Gleichen 2014. Wartberg Verlag, Gudens- Kreuznacher Historikers Dr. Martin Senner im Gediegenheit ganz sicher nicht in erster Linie berg-Gleichen. 127 S. ISBN: 978-3-8313-2200- vergangenen Monat sowohl im Oeffentlichen für Fachhistoriker geschrieben, sondern 8. Preis: 16,90 €. Erhältlich im Buchhandel. Anzeiger als auch in der Allgemeinen Zeitung möchte – nicht zuletzt mit seiner üppigen Be- Der in Rüdesheim an der Nahe lebende bereits ausführlich besprochen wurde, sei die bilderung – alle Bad Kreuznacher Bürger und Rainer Seil hat sich nicht nur mit schier zahl- schöne Neuerscheinung hier lediglich noch auch die Besucher der Kurstadt dazu einla- losen Veröffentlichungen zur Geschichte und einmal kurz in Erinnerung gerufen. Die Brü- den, einmal in die interessante Geschichte der zur Pflanzenkunde der Nahe-Hunsrück-Re- ckenhäuser auf der Alten Nahebrücke – das Bauten auf der Nahe einzutauchen. gion als Heimatforscher einen Namen ge- macht, sondern sich gelegentlich auch der be- nachbarten Pfalz zugewandt, so etwa in seiner kenntnisreich geschriebenen und prächtig bebilderten „Zeitreise durch die Pfalz“ aus dem Jahre 2006. Als neuestes Werk legt er nun ein überaus originelles Kochbuch vor, in dem heute le- bende Pfälzer – und nicht nur solche – manche Rezepte entdecken können, die ganz sicher liebgewordene Erinnerungen an glückliche Kindheitstage und Jugenderlebnisse bei ih- nen wachrufen dürften. Suppen, Hauptgerichte, Süßspeisen, Ku- chen und sonstiges Gebäck wetteifern im bunten Reigen der 64 vorgestellten Rezepte, wobei neben Klassikern wie dem „Pfälzer Saumagen“ oder der „Kreuznacher Spansau“ (Kreuznach gehörte dreieinhalb Jahrhunderte zur Kurpfalz!) auch eher unerwartete Gerichte wie eine „Franzosensuppe“ oder eine „Pizza nach Pfälzer Art“ auftauchen. Die Besonderheit des Kochbuchs liegt nun aber darin, dass es nicht nur Angaben über Zutaten und Zubereitung der einzelnen Ge- richte enthält, sondern dass den allermeisten Rezepten kleine „Ess“-Geschichten aus den Jahrzehnten seit dem Ende des Zweiten Welt- kriegs beigegeben sind. Damit wird aus dem Kochbuch eine kleine und höchst lesenswerte historisch-kulinarische Reise durch die jün- gere Geschichte der Pfalz. Die ansprechende Titelblatt des Kochbuchs „Pfalz. Die Gerichte meiner Kindheit“ (Ausschnitt)

Inhaltsverzeichnis des Jahrgangs 2014 Militärische Befehlszentrale im Buchbesprechungen Ersten und Zweiten Weltkrieg. 8 Ulrich Hauth: Nahe bei Gott Aufsätze Heft Gottfried Kneib: und den Menschen. Jörg Julius Reisek: Mit Bibel und Pistole. Das kurze Geschichte der Evangelischen Die „Stadt Kreuznach jedweder Räuberleben des frommen Kirchengemeinde Kirn an der Seite“. Neue Aspektezur Genese Schinderhannes-Komplizen Nahe. Kirn 2014. (Dr. Silbermann) 11 des Kreuznacher Stadtbildes Carl Benzel. 9 Rainer Seil: Pfalz. Die Gerichte unter besonderer Berücksichtigung Dr. Friedrich Ulbricht: meiner Kindheit. Rezepte und der spätmittelalterlichen Verhinderte Preußen den Geschichten. Stadtplanung. 1 Aufstieg Preußens zum Weltbad? Gudensberg-Gleichen 2014. Dr. Horst Silbermann: Die politische Entwicklung (Dr. Silbermann) 12 Elisabeth Ludovika – Prinzessin des Bades Kreuznach. 10 Martin Senner: Kreuznacher von Bayern und Königin von Rainer Seil: Brückenhäuser. Geschichte(n) eines Preußen (1801–1873). Die Wohnverhältnisse im Wahrzeichens. Bad Kreuznach 2014. Namensgeberin der Elisabethquelle Landkreis Bad Kreuznach (Dr. Silbermann) 12 in Bad Kreuznach. 2 bis 6 vor dem Ersten Weltkrieg. Hans Schneider: Ein Stück Sozialgeschichte Ein „gewesener“ Einwohner in einer dynamischen Epoche. 11 von Bretzenheim als Eremit Dr. Martin Senner: in der „Einsiedelei Heddesheim“. Von Ochsen mit Hütchen Die Bad Kreuznacher Heimatblätter erscheinen Aus dem Leben des und einem sagenhaften monatlich in Zusammenarbeit mit dem Verein Friedrich Hübler (1688–1764). 7 Kreuznacher Metzger. für Heimatkunde für Stadt und Kreis Bad Kreuznach Rolf Schaller: Das Kreuznacher Hintergründe einer e.V. (i. A. Dr. Horst Silbermann, Kurhaus in kriegerischen Zeiten. Altkreuznacher Redewendung. 12 Dienheimer Berg 11, 55545 Bad Kreuznach).