ORFF SCHULWERK INFORMATIONEN

Das Lied in der Elementaren Musik- und Tanzpädagogik The Song in Elemental Music and Dance Pedagogy

Sommer 2013 88 Die ORFF-SCHULWERK INFORMATIONEN finden Sie auf der Website des Orff-Schulwerk Forums Salzburg unter folgender Adresse:

ORFF-SCHULWERK INFORMATIONEN is available on the website of the Orff-Schulwerk Forum Salzburg at the following address:

www.orff-schulwerk-forum-salzburg.org [email protected] Orff-Schulwerk Informationen

Herausgegeben von Universität Mozarteum Salzburg, Carl Orff-Institut für Elementare Musik- und Tanzpädagogik Frohnburgweg 55, A-5020 Salzburg Homepage: www.orffinstitut.at Telefon +43-(0)662-61 98-61 00 Telefax +43-(0)662-61 98-61 09 und Orff-Schulwerk Forum Salzburg Frohnburgweg 55, A-5020 Salzburg E-Mail: [email protected] Homepage: www.orff-schulwerk-forum-salzburg.org

Redaktion Barbara Haselbach und Werner Beidinger

Übersetzungen Barbara Haselbach, Margaret Murray, Shirley Salmon, Miriam Samuelson

Layout und Korrektur Esther Bacher, Micaela Grüner, Miriam Samuelson

Fotos Christian Litzke, Wolfgang Lienbacher, Albrecht Schinnerer, Michaela Schneider, Meido Kuus und privat

Satz Werbegrafik Mühlbacher, A-5082 Grödig

Druck OrtmannTeam GmbH, D-83404 Ainring

Diese Publikation wird Orff-Schulwerk Forum Salzburg ermöglicht durch Universität Mozarteum Salzburg Carl Orff-Institut der Universität Mozarteum Gesellschaft „Förderer des Orff-Schulwerks“ in Österreich MUSIK + TANZ + ERZIEHUNG: Orff-Schulwerk Gesellschaft Deutschland Schweizer Orff-Schulwerk Gesellschaft Studio 49 – Musikinstrumentenbau Gräfelfing

Nr. 88 Sommer 2013 Alle Rechte vorbehalten – Nachdruck und Übersetzung nur nach Rücksprache mit der Redaktion

1 INHALT / CONTENT Barbara Haselbach / Werner Beidinger Editorial/Editorial ...... 4

THEMENSCHWERPUNKT: DAS LIED IN DER ELEMENTAREN MUSIK- UND TANZPÄDAGOGIK MAIN THEME: THE SONG IN ELEMENTAL MUSIC AND DANCE PEDAGOGY

Werner Beidinger Das Lied in der Elementaren Musik- und Tanzpädagogik ...... 6 The Song in Elemental Music and Dance Pedagogy ...... 12 Camille Savage-Kroll Singing with Children in Foreign Languages as Multicultural Learning Experiences ...... 13 Singen mit Kindern in Fremdsprachen als interkulturelle Lernerfahrungen . . 15 Shirley Salmon The Importance of Play-Songs in Inclusive Teaching ...... 16 Die Bedeutung von Spielliedern in inklusiver Unterrichtsgestaltung ...... 20 Thomas Holland-Moritz Das Erlebnis „bleibender“ Gegenwart. Zeiterfahrung beim Liedersingen . . . . 22 The Experience of a “Lasting” Present. Experiencing Time through Singing Songs ...... 25 Verschiedene Autoren Kommentierte Literaturhinweise / Aufnahmen / Websites zum Thema ...... 26 Annotated Bibliography / CDs / Websites on the Theme ...... 26

AUSDER PRAXIS / FROM PRACTICAL WORK Christiane Wieblitz Liedersingen als Geschenk und Nahrung für die Kinderseele ...... 30 Verena Maschat Gesungene Tänze – getanzte Lieder ...... 33 Dances to Sing, Songs to Dance ...... 35 Uli Meyerholz Lieder im Kontext von Geschichten ...... 36 Songs in the Context of Stories ...... 39 Katrin Rohlfs Das Coole am „Coolen Auto-Song“ ...... 40 What’s cool about the “Cool Car Song” ...... 44 Friedhilde Trüün Das SingBach Projekt ...... 46 The SingBach Project ...... 49

INTERVIEWMIT …/ INTERVIEWWITH … Werner Beidinger Im Gespräch mit Ruth Wilhelmine Meyer ...... 50

AUSALLER WELT / FROM AROUNDTHE WORLD New Zealand Children at the Exhibition (Christoph Maubach) ...... 55 Estland Land des Singen, Land der 1000 Stimmen (Tuuli Jukk) ...... 56 Iceland News from Iceland (Kristín Valsdóttir) ...... 58 Singapore Reflexions of a Repatriate (Paul Grosse) ...... 59

WIRSTELLENVOR …/ WEPRESENT … Fato¸s Auernig Carl Orff-Schule ALEV in Istanbul ...... 61

IN MEMORIAM …/ IN MEMORIAM … Ernst Wieblitz Zum Gedenken an Godela Orff ...... 67 Manuela Widmer Abschied von Gerda Bächli ...... 68 Barbara Haselbach Zur Erinnerung an Rudolf Schingerlin ...... 69

2 AUSDEM CARL ORFF-INSTITUT / FROMTHE CARL ORFF INSTITUTE Sonja Stibi Terminvorschau des Carl Orff-Instituts Juni – Dezember 2013 Events at the Carl Orff Institute, June – December 2013 ...... 70 Shirley Salmon Postgraduate University Course „Advanced Studies in Music and Dance Education – Orff-Schulwerk“ 2014/15 ...... 70 Barbara Haselbach Die Weltreise der Ausstellung „50 Jahre Orff-Institut“ ...... 71 World Tour of the Exhibit “50 Years Orff Institute” ...... 72 Susanne Rebholz Aus der Arbeit der Performancegruppe „Das Collectif“ ...... 73 From the Artistic Work of the Performing Group “Das Collectif” ...... 73 Cristina Blanco Aloy / Ana Puig Canal Visiting the Carl Orff Institute ...... 74 Ruth Burmann Arts without limits. Ein Erasmusprojekt ...... 75 Redaktion Hinweis auf Ausschreibung einer Professorenstelle am Carl Orff-Institut . . . 79

AUSDEM ORFF-SCHULWERK FORUM / FROMTHE ORFF-SCHULWERK FORUM Barbara Haselbach Jahrestagung 2013 des Orff-Schulwerk Forums Salzburg ...... 80 Annual Convention 2013 of the Orff-Schulwerk Forum Salzburg ...... 80 Barbara Haselbach Neuerscheinung / New Publication ...... 81 Textos básicos sobre el Orff-Schulwerk. Años 1932–2010 ...... 82

AUSDER CARL ORFF-STIFTUNG / FROMTHE CARL ORFF FOUNDATION Michael Kugler Carl Orff heute – Ein Komponist und seine Institutionen ...... 83 Carl Orff Today – A Composer and his Institutions ...... 85

PUBLIKATIONEN / PUBLICATIONS Joachim Schuster Poster „Kinderlieder“ ...... 87 Birgit Braun-Rehm Lieder zur Sprachförderung (Katharina Fehrer) ...... 88 Manfred Grote / Werner Beidinger Mein Liederbuch (Uli Meyerholz) ...... 89 Birgit Braun-Rehm u. a. FIDELIO – Liederbuch für die Grundschule (Micaela Grüner) ...... 90 Christiane Wieblitz Lively Children’s Choir (Sue Forrest) ...... 91 Ulrike Stelzhammer- Reichhardt / Shirley Salmon „Schläft ein Lied in allen Dingen …“ (Gunda Schröder) ...... 92 Daniel Giordani Das Rhythmusorakel. Eine alternative Trommel- und Rhythmusschule (Ari Glage) ...... 95 Manuela Widmer / Musik und Tanz für Kinder – Unterrichtswerk für Corinna Ennslin Eltern-Kind-Kurse (Sigrid Mitterbauer) ...... 96

ORFF-SCHULWERK KURSE / ORFF-SCHULWERK COURSES ...... 98

ADRESSENDER MITARBEITERINNENUND SPONSORENDIESER AUSGABE / ADDRESSESOF CO-AUTHORSAND SPONSORSOFTHIS ISSUE ...... 99

3 werk Gesellschaften aus aller Welt, die sich zum über- wiegenden Teil auch am Thema dieser Ausgabe ori- entieren. Das vorliegende Themenheft zum Schwerpunkt „Das Lied in der Elementaren Musik- und Tanzpädagogik“ kann vielleicht auch ein kleiner Impuls und Baustein für die Intensivierung des Singens in der nächsten Zu- kunft bedeuten, denn: „Wehe dem Lande, wo man nicht mehr singet!“ Editorial (Johann Gottfried Seume)

Wir möchten an dieser Stelle schon ankündigen, dass zur Feier des 50-jährigen Bestehens unserer Zeit- schrift ORFF-SCHULWERK INFORMATIONEN im Jahre 2014 die „OSI“ ab Sommer nächsten Jahres optisch in einem neuen Gewand erscheinen werden. Inhaltlich wollen wir der über Jahrzehnte entwickelten Linie im Wesentlichen treu bleiben und – auch darin den Leit- linien folgend – Bewährtes wertschätzen sowie Neues, das sich als wertvoll erweist, integrieren. Barbara Haselbach Werner Beidinger Im Zusammenhang mit diesen Veränderungen bitten wir Sie, den beigelegten Fragebogen auszufüllen und Liebe Leserinnen und Leser, an uns zurück zu senden. liebe Kolleginnen und Kollegen! Themen der nächsten Nummer (Arbeitstitel): Winter 2013: Bericht über die Fachtagung Obwohl die Orff-Schulwerk Pädagogik von der engen (19.–21. April 2013): Verbindung von Musik, Tanz und Sprache ausgeht, „25 Jahre Studienschwerpunkt ,Mu- muss der Prozess des lebenslangen Lernens für uns sik und Tanz in Sozialer Arbeit und Lehrende doch immer wieder die Vertiefung von Ein- Inklusiver Pädagogik‘ am Carl Orff- sichten und Erfahrungen, von neuen Kenntnissen und Institut“ Techniken in einzelnen Schwerpunktsbereichen su- (Redaktion: Barbara Haselbach und chen. Shirley Salmon) So kreist der Fokus der Themenwahl der ORFF- SCHULWERK INFORMATIONEN von Zeit zu Zeit über Sommer 2014: „50 Jahre ORFF-SCHULWERK INFOR- die einzelnen Disziplinen und Teilbereiche, um uns MATIONEN“ allen neue Informationen und Auseinandersetzungen (Redaktion: Barbara Haselbach und zu ermöglichen. Micaela Grüner) Da dem Singen bereits von Telemann nachgesagt Wir wünschen Ihnen eine anregende und inspirie- wird, „das Fundament zur Musik in allen Dingen“ zu rende Lektüre und freuen uns über Rückmeldungen. sein, haben wir uns für diese Ausgabe vorgenommen, das Lied mit seinem Facettenreichtum einer spezifi- Barbara Haselbach und Werner Beidinger schen Betrachtung zu unterziehen und (Sing-)Pro- jekte bzw. besondere Aspekte im Kontext des Singens Die einzelnen Beiträge stellen die individuellen Er- zu thematisieren. fahrungen und Ansichten der Autorinnen und Autoren So zieht sich das Thema von philosophischen, didak- dar und sind nicht unbedingt auch die offizielle Mei- tisch reflektierenden und animiert berichtenden nung des Carl Orff-Instituts oder des Orff-Schulwerk Beiträgen durch bis zu den Berichten der Orff-Schul- Forums.

4 have developed for many decades and – to follow the guidelines – for including what has already been widely recognised and to integrate everything new that has proven its value. In connection with the intended changes we ask you to fill in the attached form and return it to us.

The working themes for the next issues Winter 2013: Report to the Conference Editorial (April 19–21, 2013): “Music and Dance in Social Work Dear Readers and Colleagues, and Inclusive Pedagogy”, a major field of study at the Carl Orff-Insti- Even though Orff-Schulwerk pedagogy comes from tute the close connections of music, dance and speech, our (Editors: Barbara Haselbach and process of life long learning must always search for a Shirley Salmon) deepening of insights and experiences, for new knowl- edge and techniques in the particular fields of con- Summer 2014: 50 Years ORFF-SCHULWERK INFORMA- centration. TIONEN Therefore the focus on choosing themes for ORFF- (Editors: Barbara Haselbach and SCHULWERK INFORMATIONEN again and again circles Micaela Grüner) around the single disciplines and their related areas making it possible for us to receive new information and to discuss it. We wish you stimulating and inspiring reading and would be happy to receive your responses. Since it is rumored that Telemann said already singing was “the basis for music in all things,” we Yours have taken the song with its rich facets under scrutiny Barbara Haselbach and Werner Beidinger along with projects in singing or special aspects in the context of singing as our theme for this issue. The individual contributions represent the personal The theme carries us through philosophical, didactic experiences and points of view of our authors, which reflective and lively articles all the way to contribu- are not necessarily those of the Carl Orff Institute or tions from Orff-Schulwerk Associations around the the Orff-Schulwerk Forum. world that are predominantly oriented to the same topic.

The theme we present is “The Song in Elemental Mu- sic and Dance Education”. Perhaps it can also imply a small impulse and building block for intensifying singing in the near future because: “Woe betide the land where one no longer sings!” (Johann Gottfried Seume)

Here we would like to announce that to celebrate the 50th year of our magazine ORFF-SCHULWERK INFOR- MATIONEN in 2014, the “OSI” will appear optically in a new format. We plan to hold true to the line that we

5 meistens den Namen des Komponisten. Das deutsche Lied der Romantik wurde so berühmt, dass die Be- Artikel zum zeichnung Lied für diese musikalische Gattung auch im Ausland üblich ist. In jüngerer Zeit wird im deut- Themenschwerpunkt schen Sprachraum im Bereich der populären Musik das Wort Lied zunehmend durch den Anglizismus Song ersetzt. Articles related to So oder ähnlich könnte ein Lexikoneintrag zum Stich- wort Lied formuliert sein. Wir würden damit sehr we- the Theme nig darüber erfahren, welche unterschiedlichen Be- deutungen das (oder ein) Lied im Kontext von Unter- Das Lied in der Elementaren richtssituationen innerhalb der Elementaren Musik- und Tanzpädagogik (EMTP) haben kann. Häufig be- Musik- und Tanzpädagogik ginnen wir eine Stunde z. B. mit einem Begrüßungs- lied. Vielfältige Aspekte können dabei neben dem rei- nen Singen des Liedes be(tr)achtet werden. Ein be- sonderer Fokus könnte auf dem ritualisierten Anfang liegen, der soziale Aspekt des gegenseitigen Be- grüßens und Kennenlernens könnte besonders wich- tig sein oder vielleicht auch vielfältige Variations- ideen der Lehrkraft im Umgang mit dem Lied. Es kann demnach sowohl die reine Funktion des Liedes (z. B. das Ritual mit außermusikalischem Schwer- Werner Beidinger punkt) als auch das Ausschöpfen des Methodenre- pertoires im Zentrum stehen; wichtig ist, dass darü- Vorbemerkungen ber bei der Lehrkraft eine Bewusstheit besteht, die Der Begriff Lied (von althochdeutsch: liod Gesunge- man häufig über die Beantwortung der schlichten nes) bezeichnet eine gesungene lyrische oder epische Frage „Warum singe ich gerade dieses Lied?“ erzie- Kurzform, die sich in allen Kulturen findet. Es ist die len kann. Als Beispiel für die Methodenvielfalt seien ursprünglichste und schlichteste Form der Lyrik, in hier die Unterstützung des Liedtextes durch Gesten, der Stimmungen und Beziehungen menschlicher Ge- das Erarbeiten instrumentaler oder körperperkussiver fühle ihren Ausdruck finden. Lieder können münd- Begleitmuster, die Erweiterung zur einfachen Mehr- lich überliefert sein (z. B. Volks- und Kinderlieder, re- stimmigkeitoder auch die Gestaltung durch reizvolle ligiöse Lieder oder Spiel- und Tanzlieder) oder als Spiel- und Tanzformen genannt. In beiden Bereichen, musikalisches Werk auf Komponisten zurückgehen. dem funktionalen wie dem methodischen, hat die Sie bestehen häufig aus mehreren gleich gebauten, EMTP sicher ein besonders breites Spektrum anzu- meist gereimten Strophen oder einer auskomponier- bieten, innerhalb dessen Lieder gesungen, gelernt ten variierenden Melodie für jede Strophe. Ein Lied oder manchmal auch im positiven Sinne „genutzt“ kann von einem einzelnen Sänger, einem Solisten, werden. einem Ensemble, einem Chor, a cappella oder von Egal ob wir Musik und Bewegung an allgemeinbil- Musikinstrumenten begleitet, gesungen bzw. vorge- denden Schulen, an Musikschulen oder in Kinder- tragen werden. Das Lied zeichnet sich meist durch gärten und Horten „unterrichten“, immer wird es eine einfache und geschlossene Gliederung aus. Seit darum gehen, Kindern im Vor- und Grundschulalter dem 16. Jahrhundert entwickelte sich die musikali- sowie Zielgruppen anderer Alters- und Könnensstu- sche Gattung des Kunstliedes als vertonte Lyrik. fen die Türen und Tore in das weite Reich der Musik Während der Komponist eines Volkslieds in der Re- aufzuschließen. Doch mehr noch: indem wir das tun, gel unbekannt ist, kennt man bei einem Kunstlied weisen wir den uns anvertrauten Kindern auch einen

6 Weg zu sich selbst, zu ihrer eigenen Persönlichkeit, • fördert unterschiedliche Kompetenzen denn Singen und Musizieren lösen im Kind Emotio- • ist kreatives Ausdrucksmittel nen aus, die es sich selbst und seine Umwelt erken- • eröffnet den Zugang zur gesamtem Musikkultur. nen lassen. Singen ist demnach mehr als tönendes Die lapidar wirkende Auflistung dieser zentralen Spiel mit der Stimme. „Singen ist“, wie Klausmeier Prinzipien der Elementaren Musik- und Tanzpädago- es ausdrückt, „Teil der humanen Existenz der sozio- gik zielt lediglich darauf ab, dass es im weiteren Ver- kulturellen Person“.1 lauf des Textes vorrangig um die rein musikalischen Ohne Frage erschöpft sich der Musikalisierungspro- „Qualitätsmerkmale“ bei der Liedauswahl gehen zess keineswegs alleine im Singen, genauso wenig wird. Meine Erfahrung ist es, dass nämlich die „wei- wie Singen eine Sache ausschließlich des Musikun- chen“ Gründe und Argumente bei der Liedauswahl terrichts ist.² Zusammen mit dem Sprechen ist es viel- gegenüber den „härteren“, musikalisch-inhaltsbezo- mehr als gleichgewichtiger Unterrichtsinhalt neben genen Aspekten häufiger dominieren, als umgekehrt. elementarem Instrumentalspiel, Bewegung und Tanz, Hören, Instrumenteninformation und Themen aus der Von leicht und seicht bis schwer und mehr Musiklehre anzusehen. Musik soll durch das Singen Wann, wo und mit welchen Zielen singen wir heut- für jedes Kind erlebbar und die eigene Stimme als zutage Lieder und in welchen Kontexten begegnen sie kreatives und künstlerisches Ausdrucksmittel ent- uns? Der Versuch einer chronologischen Aufstellung deckt werden. Über stimmliche Erfahrungen und bewegt sich im vagen Bereich der Mutmaßungen, einen adäquaten Umgang mit den verschiedenen mu- denn bereits das zuerst aufzulistende Gute-Nacht- sikalischen Elementen erschließt sich Schritt für Lied ist heute in vielen Familien längst keine Selbst- Schritt die Welt der Musik. verständlichkeit mehr. Wie ist es überhaupt um das Die Lied- und Materialauswahl ist dabei von unter- Singen zu Hause bestellt? Wird uns bzw. der Mehr- schiedlichen Kriterien abhängig. Welche Kompeten- heit unserer Kinder im eigenen familiären Umfeld zen möchte ich (vielleicht in Abhängigkeitvon einem noch ein „tragfähiges“ Päckchen an Volks- und Kin- Lehrplan oder im Kontext eines progressiven Aufbaus derliedern vermittelt? Müssen diese überhaupt ver- beim Inhaltsbereich Singen) fördern? Geht es in er- mittelt werden oder stellt sich die Kenntnis der Lieder ster Linie um Sprachkompetenzen, eher um die För- allmählich ein, weil wir von ihnen umgeben sind? derung von Koordinationsfähigkeit (im Zusammen- Sind innerhalb der letzten Generationen „Happy spiel von Singen und Begleiten) oder um das Ent- Birthday“ oder „Wie schön, dass Du geboren bist“ zu wickeln der inneren Hörfähigkeit … um nur einige „neuen Volksliedern“ geworden und „Viel Glück und Kompetenzbereiche zu nennen. In der EMPT wird viel Segen“ ist nur noch einer musisch geprägten (hoffentlich) viel gesungen und somit sind die Be- Minderheit bekannt? Und so geht es weiter. Die Über- weggründe, die bei der Auswahl von Liedern eine legungen nach dem wann, was, mit wem und wozu Rolle spielen ebenso vielfältig. Wir sind es gewohnt werfen eher weitere Fragen auf, als dass sie allge- uns dabei auf eine Orientierung am Jahreskreis zu be- meingültige Antworten liefern könnten. sinnen und mit dem Kriterium des „Lebensweltbezu- Wenn schon zu Hause eher wenig gesungen wird, ges“ auch die direkte Möglichkeit einer emotionalen dann doch aber spätestens im Kindergarten, oder? Anbindung für die Kinder zu schaffen. Gerne berück- Pauschalbehauptungen verbieten sich natürlich von sichtigen wir auch Lieder aus anderen Kulturen und selbst. Aber auch trotz diverser Überlebensprojekte Zeiten. Unsere Bereitschaft (und Fähigkeit) zur Pro- von Chorverbänden und anderen Initiativen rund um jektarbeit rückt manchmal auch fächerverbindende das Singen ist insgesamt auch für diese Lebensphase und themenorientierte Aspekte in den Vordergrund eine mehrheitlich kritische Bestandsaufnahme zu und nicht zuletzt schaffen wir immer wieder auch Be- konstatieren. Ohne diese vollständig und nachweis- züge zum Darstellenden Spiel oder Tanz. lich ausführen zu können gilt für das Singen mit Und ja, das Singen von Liedern Klein- und Vorschulkindern festzuhalten, dass quali- • ist die ursprünglichste Art, Musik selbst zu machen tative wie quantitative Defizite vorhanden sind. • ist für jedes Kind zugänglich und erlernbar Längst haben die Ausbildungsinstitutionen für den

7 Erzieher(innen)beruf jene jungen Frauen (und gele- Möglichkeit, indem sie der musikalischen Einheits- gentlich auch Männer) erreicht, die bereits selbst in kost aus Rundfunk und Fernsehen ein Gegengewicht einer minder singgeprägten Umgebung aufgewach- verleihen, Kinder zu mündigem Verhalten gegenüber sen sind. Folglich wird nicht nur weniger gesungen, ihrer akustisch-musikalischen Umwelt zu erziehen. sondern leider häufig auch in einer der Kindersing- Dies setzt vor allem vielfältigste musikalische Anre- stimme unangemessenen Lage agiert, welche zumin- gungen voraus und stellt an die Liedauswahl hohe An- dest nicht als „zur Musikalisierung der Kinder bei- sprüche. Zu keinem anderen Zeitpunkt im Leben tragend“ bezeichnet werden kann. Die Lieder sind eines Menschen prägen musikalische Erfahrungen, nicht selten von musikalischer Einfältigkeit geprägt, also auch Lieder, so intensiv wie in der Kindheit und begnügen sich im Bereich der Harmonik auf den Jugend. Wollen wir nicht den elektronischen Medien Wechsel mit wenigen, manchmal nur zwei Akkorden allein die musikalische Bildung unserer Kinder über- und sind auf den verfügbaren Tonträgern dann in La- lassen, sind Kindergarten, Schule und Musikschule in gen eingespielt, die bei einer kritischen Bewertung als gleichem Maß gefragt und in die Pflicht genommen. stimmschädigend bezeichnet werden müssten, sollten Kita und Grundschule haben in dieser Beziehung je- sie als Playback oder Mitsingstütze eingesetzt wer- doch einen entscheidenden Vorteil gegenüber der Mu- den. Neben den musikalischen Kriterien ist auch der sikschule, denn sie erreichen nahezu alle Kinder. Nur inhaltlich-thematische Aspekt nicht zu unterschätzen, sie können daher eine allgemeine und grundlegende der stupide – manchmal ohne eigentliche Aussage kulturelle Bildung garantieren2. Nur sie allein können bleibende – Texte von jenen Liedern unterscheidet, das Fundament für eine musikalische Entwicklungs- die mit einer, den Wortschatz erweiternden, poeti- förderung für alle gleichermaßen anlegen. Qualifi- schen, originellen, stimmbildnerischen, klangschönen ziertes Fachpersonal wäre damit auch keineswegs und/oder auch berührenden Sprache arbeiten. überfordert, denn nach Carl Orff ist jedes Kind auf Sie, liebe Leserin und lieber Leser, die Sie diese Zei- seine Art musikalisch begabt. Daher hieß seine im- len eventuell als Expertinnen und Experten der Ele- mer wieder gestellte Forderung: „Musik- und Bewe- mentaren Musik- und Tanzpädagogik lesen, mögen gungserziehung, Musik für Kinder gehört in die sich mit der Akzeptanz des hier geschilderten Bildes Schule. Sie ist nicht einzubauen als ein Zusätzliches, schwer tun; in der Fläche allerdings sind die be- sondern als Grundsätzliches“3. schriebenen Merkmale zutreffend und bedürfen um- Bereits an dieser Stelle macht der Hinweis Sinn, dass gehend einer ehrlichen Bestandsaufnahme, um struk- allgemeinbildende Institutionen (Vorschuleinrichtun- turelle Abhilfen für die Zukunft schaffen zu können. gen und Regelschulen) sicher eine stärkere Verant- Ausnahmen gibt es immer, glücklicherweise wissen wortung bei der Repertoirebildung und der Vermitt- kompetente und singbegeisterte Erzieherinnen einzu- lung tradierter Liedmaterialien haben, als die Grund- schätzen, dass sie mit ihrer engagierten Arbeit einen stufenlehrerinnen und -lehrer der Musikschulen, die nicht unwesentlichen Beitrag zur musikalischen Ent- ihre Materialien häufig nach Sachthemen auswählen, wicklung der ihnen anvertrauten Kinder leisten. anhand derer die Begegnung mit musikalischen Phä- Parallel zu den Kindertagesstätten setzen bereits auch nomenen das Ziel der Grundmusikalisierung unter- die Angebote der Musikschulen im Bereich der mu- stützen soll. Das Anlegen eines Liedrepertoires (un- sikalischen Früherziehung ein, spätestens ab dem bedingt auch mit zweiter und dritter Strophe!) ist da- sechsten Lebensjahr tritt dann die Grund- oder Volks- her von jenen Institutionen einzufordern, an denen schule in das Leben eines jeden Kindes. Sowohl den sich die Kinder täglich aufhalten. Die Tatsache, dass Primar- als auch den Musikschulen fällt dabei die es Bundesländer gibt, in denen der Musikunterricht nicht unbedeutende Aufgabe zu, den Heranwachsen- in den Grundschulen von über 70% fachfremden den ein Liedrepertoire zu vermitteln, das sich in de- (also nicht in Musik ausgebildeten) Lehrkräften er- ren späterem Leben als wertvoll bzw. „gebrauchs- teilt wird sei hier erwähnt und stellt die Umsetzbarkeit fähig“ erweist und ihnen die Chance bietet, sich der gerade formulierten Forderung bereits wieder in außerhalb der Ausbildungseinrichtungen singend aus- Frage. Dabei ist fairerweise festzustellen, dass auch zudrücken. Beide Institutionen haben zudem die das außerschulische Berufsfeld nicht über grenzen-

8 lose Fachkapazitäten verfügt, welche den „Notstand“ die Melodie als reizvoll? Ist sie (ohne größere unkompliziert auffangen könnten. Die politische Di- Schwierigkeiten) gut singbar? mension dieser Problematik ist offensichtlich und 2. Hat das Lied einen Stimmumfang von einer Ok- dringend, muss aber im Kontext anderer Themen- tave oder mehr? schwerpunkte beleuchtet und diskutiert werden. 3. Entspricht die notierte Lage dem anzustrebenden Umfang der Kindersingstimme zwischen d1 und Welche Lieder sollen gesungen werden? f2 (auf keinen Fall unter c1)? (Anmerkung: Wel- Mit Hilfe einiger Fragen lässt sich die „musikalische che Regel hat keine begründete Ausnahme?) Eignung“ eines Liedes für eine bestimmte Klas- 4. Steht das Lied in moll oder in einer modalen senstufe oder Kindergruppe leichter beurteilen. Sie Skala? zu stellen, lohnt vor jeder Entscheidung für oder ge- 5. Verfügt das Lied über andere Besonderheiten (Bi- gen ein Lied im Musikunterricht, da sie die Auswahl tonalität, Pentatonik, andere Skalen)? aus der ungeheuren Fülle der Literatur erleichtern und 6. Schließt es in seiner harmonischen Anlage (min- vor allem auf eine fachliche Grundlage stellen. Es soll destens) drei oder mehr Kadenzfunktionen mit nicht in Abrede gestellt werden, dass auch das per- ein? sönliche Gefühl ein nicht unwesentlicher Entschei- 7. Moduliert die Melodie in eine andere Tonart? dungsgrund sein kann, denn wir sollten keine „Lern- 8. Ermöglicht die melodische Anlage besondere Ka- lieder“ suchen oder erfinden, bei denen die emotio- denzierungen (plagal, trugschlüssig, modal)? nale Anbindungsmöglichkeit „weg-konstruiert“ bzw. 9. Überzeugt mich der musikalische Gesamtein- „weg-komponiert“ wurde. Ein angemessenes und druck? vielseitiges Liedangebot kann nur das Zusammen- Fragen hinsichtlich der formalen Anlage: spiel verschiedener Auswahlkriterien garantieren. Die im Folgenden notierten Fragestellungen können 1. Entspricht die Liedlänge der Gedächtnisleistung in diesem Sinne als eine Art Checkliste verstanden der Schüler/Zielgruppe? werden. Können sie – zumindest teilweise – mit ja be- 2. Sind die Phrasen des Liedes länger als sieben antwortet werden, spricht das für die Qualität des je- Takte? weiligen Liedes. 3. Weist das Lied eine ungerade Phrasengestaltung auf? Fragen zur rhythmisch-metrischen Anlage: 4. Bildet der formale Bau des Liedes einen Kontrast zur übrigen Liedauswahl? 1. Ist die rhythmische Gliederung des Liedes klar 5. Handelt es sich um ein Kettenlied? strukturiert? Treten charakteristische rhythmische 6. Verfügt das Lied über einen eingeschobenen Re- Motive hervor? frain? 2. Beinhaltet das Lied rhythmische Besonderheiten wie Punktierungen, Synkopen, Pausen, Hemiolen etc.? Fragen hinsichtlich der Einbindung in die 3. Ist das Lied rhythmisch so vielseitig, dass es Kin- Elementare Musik- und Tanzpädagogik: der nicht unterfordert und sich nicht bald eine mu- 1. Bietet das Lied die Möglichkeit einer bewegten sikalische Langeweile einstellen kann? oder tänzerischen Gestaltung? 4. Steht das Lied in einer ungeraden Taktart oder (zu- 2. Ergeben sich aus der rhythmischen Anlage des Lie- mindest) im 6/8 Takt und bietet damit einen Kon- des heraus stimmliche, klanggestische oder instru- trast zum übrigen Liedangebot? mentale Begleitmöglichkeiten? 5. Gibt es innerhalb des Liedes einen Taktwechsel? 3. Ergeben sich aus der melodischen Anlage des Lie- 6. Entspricht die Textverteilung auf die Melodie dem des heraus stimmliche oder instrumentale Begleit- natürlichen Sprachrhythmus? möglichkeiten? 7. Ist die Textverteilung größtenteils syllabisch? 4. Eignet sich das Lied für elementare harmonische Begleitformen? Fragen zur melodisch-harmonischen Anlage: 5. Gibt das Lied Anlass zu vielfältigen Gestaltungs- 1. Ist das Lied melodisch klar gebaut? Empfinde ich möglichkeiten?

9 6. Inspirieren der Text des Liedes, sein Rhythmus ger (in moll) aneinanderkleben. So erfasst auch das oder die Melodie zu eigenen Erfindungen? Auge, was unser Ohr längst verinnerlicht hat: Der 7. Lassen sich anhand des Liedes musikalische Er- Halbtonschritt liegt bei diesen beiden Tongeschlech- fahrungen mit Erfahrungen aus anderen Künsten, tern an unterschiedlicher Stelle. Dass allerdings auch Unterrichtsfächern und Lebensbereichen verknüp- vorerfahrene und singerprobte Kinder bereits musi- fen? kalische „Grammatikregeln“ verinnerlicht haben, wird an jener Stelle deutlich, wo man einen Tonschritt Fragen in Hinsicht auf Textgestaltung/Inhalt / oberhalb des Fünftonraums (also einen fingerbreit Lebensweltbezug: oberhalb des Daumens) anzeigt, weil dann die Sing- 1. Findet der Großteil der Schülerinnen und Schüler gruppe – abhängig vom Fünftonraum in Dur oder Zugang zum Thema und zur Sprache des Liedes? moll – entweder eine große oder in moll eben eine Sind diese altersgerecht? kleine Sexte singt. An meinen Fingern ist nicht er- 2. Gibt es eine Verbindung zwischen Liedthema und kennbar, ob ich einen Ganz- oder aber einen Halb- dem übrigem Unterrichtsgeschehen? tonschritt anzeigen möchte, aber der „musikalische 3. Fügt sich das gewählte Thema gut in das allge- Verstand“ codiert die Sext bezogen auf die Terz zum meine thematische Spektrum des Unterrichts? Grundton. 4. Ergänzt das Lied die Erfahrungen der Kinder hin- Im Gegensatz zur verbreiteten Meinung ist auch ein sichtlich der Liedgattungen? Gefühl für Takt- oder Rhythmusstrukturen nicht an- 5. Ist der Liedtext von guter sprachlicher Qualität? geboren, sondern entsteht erst durch Gewöhnung. In Besitzt er poetische Qualitäten? nicht unerheblichem Ausmaß sind also das soziale Warum ist es so wichtig, … und kulturelle Umfeld dafür verantwortlich, ob wir …unterschiedliche und ggf. für die Hörgewohnhei- beispielsweise komplexen Strukturen bulgarischer ten auch unübliche musikalische Phänomene (hier z. Volkstänze folgen können. Untersuchungen haben ge- B. bezogen auf Taktarten oder Tonskalen) in den mu- zeigt, dass die an vergleichbar vielschichtige Struk- sikalischen Alltag einfließen zu lassen? Aus den Neu- turen gewöhnten Bewohner des Balkans damit über- rowissenschaften erfahren wir immer mehr darüber, haupt keine Probleme haben, während nordamerika- was musikalische Aktivitäten bewirken können. Sin- nische Erwachsene damit überfordert waren. Klein- gen macht demnach „nicht nur glücklich“, weil bei- kinder dagegen zeigen keine Vorliebe für „einfachere“ spielsweise gleiche Gehirnregionen stimuliert werden Rhythmen; sie erfassen komplexere Taktstrukturen wie bei einer Belobigung. Wir wissen heute viel dar- ebenso gut wie den „schlichten, westlichen“ Rhyth- über, wie das Lernen überhaupt funktioniert. Kinder mus, der immer wieder eine gleiche Taktstruktur wie- lernen differenzierend, das heißt, sie speichern Gehör- derholt, in der sich betonte und weniger akzentuierte tes und Erprobtes ab und setzen es mit anderen Er- Schläge häufig in einem einfachen Verhältnis ab- fahrungen in Beziehung. Durch diese Differenzie- wechseln (vgl. Psychological Science, Bd. 16, Nr. 1, rungen lernen sie Regelmäßigkeiten, wie Gramma- S. 48). Ein guter Tänzer hat demnach nicht einfach tikregeln beim Spracherwerb verinnerlicht werden, „Rhythmus im Blut“ sondern die gegenseitige Be- ohne die eigentliche Regel jemals gehört zu haben. dingung lautet vielmehr: Wer viel in Bewegung ist Gleiches gilt für die Musik. Ein Kind kann die „Be- (tanzend, laufend, Sport treibend, im Wald spielend, sonderheiten“ einer Dur-Skala erst dann erkennen, den Balancesinn trainierend, …) kann von einer po- wenn es Lieder auch in moll oder anderen (z. B. mo- sitiven Auswirkung auf sein Rhythmusgefühl ausge- dalen) Skalen gehört (und am Besten auch gesungen) hen. Begabungen sind demnach nicht nur als „gott- hat. Um dieses Phänomen zu verdeutlichen hier ein gegeben“ zu betrachten, sondern sie können glei- nachvollziehbares Beispiel: Immer wieder kann man chermaßen stimuliert und (im konkreten Beispiel diese Vernetzungen des Gehirns erkennen, wenn man durch Bewegungsintensität) entwickelt werden. z. B. mit den fünf gespreizten Fingern der Hand einen Fünftonraum anzeigt, bei dem entweder Mittel- und Kriterien sind zu differenzieren Zeigefinger (für Dur) oder eben Ring- und Mittelfin- Im Rahmen einer Analyse von Musiklehrwerken für

10 deutsche Grundschulen (Klasse 1 und 2) hat eine Di- und Spielstücken in diversen Kirchtonarten entdecken plomarbeit an der Uni Potsdam bezogen auf Taktar- können. Es sei nochmals betont, dass die geforderten ten und Tonarten folgende Verhältnisse entdeckt und Merkmale keine Mindestanforderung an alle im Un- festgehalten: terricht eingesetzten Lieder darstellen, sondern bei Lieder im geraden Takt (2/4 oder 4/4): 86 % der Ergänzung der bisher genutzten Liedbeispiele Lieder im 6/8- bzw. 3/4-Takt: 12 % eine Berücksichtigung finden sollten. Dieser Hinweis für die Vielzahl davon abweichender möchte die zuvor formulierten Qualitätsmerkmale Taktarten bleiben 2 % nicht relativieren, sondern z. B. jenen Argumenten Platz machen, die im Sinne einer kulturellen Bildung Lieder im Tongeschlecht Dur 92 % zu Recht auch auf die Wichtigkeit unserer tradierten Lieder im Tongeschlecht moll 6 % Kinder-, Volks- und Weihnachtslieder abheben. für die Vielzahl davon abweichender Anschließend kann festgehalten werden, dass im Tonarten bleiben 2 % Grundschulbereich zuletzt eine Vielzahl von Projek- ten entstanden ist, die sich der Förderung von Singen, Es ist davon auszugehen, dass bereits bei der Grenz- altersgerechter Stimmentwicklung und der allgemei- überschreitung von Deutschland nach Österreich der nen Musikalisierung durch das Singen widmet. Die Anteil an schwingenden Liedbeispielen zunehmen meisten dieser Initiativen basieren auf Kooperationen wird. Ein bayerisches Liederbuch für die Grundschule verschiedener Bildungsträger mit den Grundschulen. hat sicher auch eher einen Zwiefachen als besonde- Die Ansätze sind unterschiedlich – ein gemeinsamer res rhythmisches Phänomen anzubieten, als eine Pu- Nenner ist aber bei allen Projekten erkennbar: Es wird blikation für Bundesländer im Norden und Osten die Notwendigkeit gesehen, den Stellenwert von kom- Deutschlands. Da wir im Norden Europas sicher petent angeleitetem Singen für Kinder im Grund- einen deutlich höheren moll-Anteil im Volks- und schulalter zu erhöhen. Kinder singen gerne – ihre Kinderliedergut feststellen und im Osten dann auch Singfreude zu stärken und ihre Kompetenzen im Be- bezüglich der Vielfalt von Taktarten andere Quoten reich des Singens zu fördern und zu entwickeln, diese erfassen würden ist zu betonen, dass die Untersu- Ziele verfolgen z. B. die Projekte „Singen macht chungsergebnisse explizit nur auf das Bundesgebiet Schule!“ in Brandenburg, „JeKiSS“ in der nord- bezogen sind. Die Checkliste dürfen allerdings alle rheinwestfälischen Stadt Münster, die „Chorklassen“ unsere Nachbarn und Freunde weltweit heranziehen, in Niedersachsen, und „primacanta“ im Großraum da fast jede Kultur in anderen Bereichen Defizite oder Frankfurt/Main. Wie das Sprechen ist auch das Sin- „Überangebote“ vorweisen wird. gen eine Grundfähigkeit aller Kinder, die im frühen Alter gefördert werden muss. Das Singen spielt eine Schlussbemerkungen zentrale Rolle, wenn der Wunsch zum aktiven Musi- Die hier aufgeführten Aspekte sind als Anregung zu zieren geweckt werden soll. Die positive Wirkung des verstehen, die individuelle Liedauswahl künftig noch Singens ist vielfältig erforscht und belegt. Die häufiger auch an inhaltlich-fachlichen Kriterien zu Chance, allen Kindern die Freude am Entdecken ih- orientieren, wobei sicherlich eine große Portion an rer eigenen Stimme und am gemeinsamen Musizie- Geduld beim Suchen des hier geforderten „besonde- ren zu ermöglichen, ist gerade im Grundschulalter ren“ Liedmaterials erforderlich ist. Da die Mehrzahl noch besonders hoch. Später schließt sich dieses der veröffentlichten Liedmaterialien in vielen der ge- Lernfenster und weit größere Anstrengungen sind nannten Bereiche nicht den hier empfohlenen Krite- notwendig, ähnliches zu erreichen. rien entspricht, entsteht eventuell sogar das ein oder andere von der Lehrperson selbstverfasste Lied, was Werner Beidinger, Univ. Prof. als positiver Effekt dieser Überlegungen zu registrie- studierte Klavier und Elementare Musikpädagogik in ren wäre. Bezogen auf die Vielfalt von Tonarten ist Mannheim sowie Musik- und Tanzerziehung am Orff- der Hinweis auf das Orff-Schulwerk unausweichlich, Institut in Salzburg. Seit 1994 ist er Professor für Ele- wo wir eine Reihe von (auch singbaren) Melodien mentare Musikpädagogik am Institut für Musik der

11 Universität Potsdam. Im Jahre 2003 wurde er Vorsit- possibilities for accompaniment (body or Orff instru- zender der Orff-Schulwerk-Gesellschaft in Deutsch- ments), for movement or dance forms or motivation land und Herausgeber der Zeitschrift „musikpraxis“ for one’s own inventions. (Fidula-Verlag). Werner Beidinger veröffentlicht zu Why is it so important to include unusual keys and spezifischen Themen der Musik- und Bewegungser- time signatures in the process of making music? Bei- ziehung und hält weltweit Vorträge und Workshops. dinger explains that people learn by comparing things and relating them to each other. This diverse learning makes it necessary for people with “young ears” NOT to be confronted with easier (musically Summary poorer and with banal song texts) fare, but to allow The Song in Elemental Music and Dance Pedagogy songs that have more diverse qualities and phenom- After a formal attempt to define the concept of Song, enons in the form of clearly more complex music to the article enlightens the function and possibilities for flow into the lessons. In relation to the variety of keys applying songs in Elemental Music and Dance Edu- and modes, one cannot avoid Orff-Schulwerk where cation. Werner Beidinger differentiates between those we can discover a sequence of (also singable) institutions which children attend daily (kindergarten melodies and instrumental pieces in diverse church and primary schools) and music schools in which they modes. Beidinger describes in his article, an analysis only have weekly contact in the form of scheduled of songs in the German language texts for primary lessons. The task of building a repertoire has to do schools and finds for example, an absolute dominance with transmitting traditional folk and children’s songs of Major keys (92%) and even time signatures (86%). clearly meant for the first two schools mentioned. This one-sidedness certainly occurs less succinctly in Within Elemental Music and Dance Pedagogy there other lands and probably creates other annoyances are many other aspects to focus on. Along with this for them. In his concluding remarks Beidinger advises we think about an orientation on the seasons of the that the listed criteria are naturally not complete for year and create for the children the criteria for refer- each song example; the more questions that can be ences to their world and a direct emotional connec- answered positively, the more the musical quality of tion. Songs from other cultures and times are also in- the song speaks out. cluded. Our readiness and abilities for working on projects often pushes subject-binding and theme-ori- Werner Beidinger, Univ. Prof. ented aspects to the foreground and if nothing else, studied piano and elemental music pedagogy in we like to think of a dramatic expression or the areas Mannheim and music and dance education at the Orff of movement and dance. Institute, Salzburg. Professor of Elemental Music Ped- The article continues by giving preference to the ma- agogy at the Institute of Music, Potsdam University jor musical “marks of quality” in choosing songs in since 1994. Chairman of the Orff-Schulwerk Associ- which Beidinger states that weaker arguments about ation in Germany and editor of “musikpraxis” the choice of songs as opposed to the stronger musi- (Fidula Verlag) since 2003. He publishes on the topic cal content aspects dominate more frequently. The of music and movement education and teaches on next attempt is to highlight the chronology of the courses internationally. singing from its familiar surroundings to running the gamut of various educational directions. The inven- 1 Klausmeier, F. (1978): Die Lust, sich musikalisch auszudrücken. tory is not too pleasant. Central to the article is a Hamburg, S. 45, zit. in: Hoerburger, C./ Widmer, M. (1992), S. 29 checklist with quality marks for choosing songs. In 2 Beidinger, W.: Was gehört gehört? In: Meyer, C. /Stiller, B. / this way criteria for rhythmic, metric, harmonic, Dartsch, M. (Hg.): Musizieren in der Schule, Regensburg 2010, melodic and the formal structure of a song are listed. S. 70 ff In addition there are two higher-ranking categories 3 Vgl. Orff, C.: Memorandum: Forderung nach Einführung elemen- taren Musikunterrichts in Kindergärten und Volksschulen in that illuminate the songs with reference to Elemental Deutschland, 1965. In: ORFF-SCHULWERK INFORMATIONEN Nr. 87, Music and Dance Pedagogy. Here it has to do with Salzburg 2012, S. 60–62

12 to singing an array of songs in German we have had Singing with Children in Foreign the opportunity to incorporate the music and songs Languages as Multicultural from many different cultures into our repertoire. These experiences are fascinating and enriching on many Learning Experiences levels, not the least of which is the chance to teach songs in my own mother tongue, which for the chil- dren is a foreign language. Other songs we have ex- plored together are from a “third culture” – one not native to children in my class nor to myself – and some are chosen based on the country of origin of particular children. Each of these settings presents it’s own set of challenges and insights.

Exotic: “Third Culture” Songs Camille Savage-Kroll Perhaps the most preparation-intensive for the Language is at the heart of who we are. We use the teacher are third culture songs. It is not a small re- voice, and its complete instrument – the body – to sponsibility to correctly represent a foreign culture – communicate in varied and nuanced ways. Singing is it is essential to give the music and songs of other an incredibly intimate and personal musical expres- countries the respect they are due – but without be- sion of one’s self. When the human voice is used to ing intimidated by them! This means taking the time create music there is a direct channel to our deepest to understand, at the very least, the meaning of the emotions. song and as much about the context in which it would What can be gained from singing in a language that be sung as possible, as well as familiarizing one’s self is not our own, and when does it make sense to sing with the correct pronunciation of the text. Truly cre- with children in foreign languages? One approach to ating a multicultural learning experience, however, these questions is to ask ourselves why we sing songs requires the teacher to go above and beyond that at all. Of course it is only possible to scratch the sur- which is normally necessary for the preparation of face in an article such as this, but a few reasons are music lessons. It means delving into other aspects of worth considering here: Songs tell stories, they give the particular culture. For instance: What do the peo- advice and pass along wisdom, they animate us to ple wear? What do they eat? What is the weather like? play and are central to our celebrations and rituals. What animals live in that part of the world? What do The music and songs of other cultures can offer they celebrate? What games do the children play and a peek into an exotic1 world, one of which we may what do they play with? These and many other ques- never have the possibility to visit but which we can tions are often easily incorporated into music-mak- nonetheless actively take part in. For children, this ing. When dancing, the children can imagine how it can be a chance not only to discover the world, but would be to move wearing native dress. When dis- increasingly, it can be a chance to get to know a cussing animals, children can imitate the movements neighbor, or a classmate, to taste another culture, of these animals, or recreate animal sounds with the perhaps to understand how we think differently and voice. Celebrations and games are themes often found certainly to understand how we think the same. This in songs for children and can easily be springboards chance for common ground is one not to be missed in not only for discussion, but for active participation in today’s increasingly multicultural landscape. the festivals and traditions of another culture. Some- As I reflect on my time spent teaching music and times it is possible to incorporate clothing or food movement to pre-school-aged children in Germany, from the area the song is from, thus activating other approximately 30 percent of whom come from an im- senses for a well-rounded cultural and musical expe- migrant background, one particular aspect of my in- rience. The more areas of the brain that are involved teractions with these children stands out: in addition in learning, the better our retention of the material.2

13 Exotic and Familiar? to non-English speakers has given me new insights Surprisingly often, integrating music and songs from into the intricacies, difficulties and beauty of my own areas of the world from which particular children language and the way it is expressed. come presents a curious challenge – the children The following are some of my observations from themselves may have little to no ties to their “original teaching songs in my own mother tongue that can, culture”. Involving parents and or grandparents in however, have applications to singing in many differ- this process can have many benefits. It can help to de- ent languages. Facial expression and body move- velop a vested interest in the musical education of the ments when singing make an enormous difference for child, better the teacher-parent relationship, and of- children in the process of learning a new song. They ten, it helps parent and child find a connection they give them clues for understanding the text and aid in had not fully realized. The child is also given the op- clear pronunciation. Specific movements that under- portunity, together with his or her peers, to celebrate score the “story line” are particularly helpful. A com- a part of itself. mon example would be “Eensy Weensy Spider” in Involving parents and family in the celebration of mu- which every detail of the spider’s little adventure is sic can mean asking for song suggestions (be pre- communicated with the hands, painting a picture in pared to quickly notate or record – do not expect sheet the air.When movements are not included in song de- music!), getting extremely helpful and important pro- scriptions I often come up with my own or have the nunciation tips, having mini-performances for par- children help me improvise them. Singing songs in ents when they pick up their children, or even having other languages is a perfect opportunity for dis- small multi-cultural festivals where parents are in- cussing specific words with the children and trans- vited to bring food, sing and or play instruments, lating them. I often pause between repetitions to ask write common greetings in their mothertongue on who knows the meaning of certain words (the move- posters, etc. ments can aid in jogging the memories) – for the chil- Sometimes however, this kind of involvement from out- dren it is a fun game. side is not possible, and in such cases it is all the more Remarkably, singing in a foreign language is often important to do one’s homework. If possible, find out easier for children than for adults. Children have the the word-for-word translation of the text – even if it is ability to hear and reproduce sounds that adults of- not “singable” it is the best chance at really under- ten cannot even perceive. They also have an open- standing the song. I am sad to say that on more than ness to new experiences that is very special. In addi- one occasion I have been witness to songs being tion, the strong emotional experience children often taught because they were “cool” or had great move- have while singing makes it easier for them to learn ments or catchy rhythms and the teacher had no idea and remember songs in a foreign language. what the text meant and no better idea of the origin of the song than “Africa”. Before teaching a song, make In the Context of Elemental Music Pedagogy sure that it is authentic. There are plenty of translated While the field of Elemental Music Pedagogy is songs that don’t have much in common with the orig- rapidly evolving to meet the needs of today’s society, inal. Find out the socio-cultural background of the it is perhaps more relevant than ever before as more music and learn the correct pronunciation of the text. and more institutions offer courses for an array of age It is often very helpful, if a native speaker is not avail- groups. An approach to singing in foreign languages able, to listen to a recording of a song. While I am not as described above goes hand-in-hand with the goal promoting this as a reliable pronunciation guide, I of providing every person a point of connection with have heard from several colleagues that one source music, regardless of their musical background or lack that can be quite valuable for pronunciation is thereof. In such contexts, music is taken seriously and YouTube. at the same time made personal. The personal, emo- tional, and intellectual experience of singing and The Familiar as Exotic making music – even music that is at first foreign to My particular experience with teaching English songs us – is what keeps us coming back for more.

14 Camille Savage-Kroll Beim Tanzen können die Kinder sich vorstellen wie teaches graduate and undergraduate Elemental Mu- es wäre, sich in traditioneller Kleidung zu bewegen. sic Pedagogy courses at the Hochschule für Musik Sie können die Bewegungen verschiedener Tiere aus Detmold and Music Communication/Arts Leadership der Region nachahmen während sie sich frei zur Mu- seminars at the University of the Arts Bremen. She sik bewegen. Auch Tierlaute können wunderbar in completed her undergraduate studies at the Eastman Stimmbildungseinheiten integriert werden. Spiele School of Music where she studied music education und Feiern sind Themen die öfter in Liedern vor- and voice. Her graduate work in Elemental Music kommen und sich nicht nur für interessante Ge- Pedagogy took place at the University of the Arts Bre- spräche eignen sondern auch dazu einladen, aktiv mit- men. She is also active as a continuing education in- zumachen. Manchmal ist es möglich spezielle Ge- structor. genstände oder sogar das Essen zu thematisieren. Je mehr Wahrnehmungsfelder beim Lernen im Gehirn aktiv sind, desto größer ist die Aufmerksamkeit und Zusammenfassung desto besser wird Information gespeichert.3 Singen mit Kindern in Fremdsprachen als inter- kulturelle Lernerfahrungen Exotisch und familiär Die Sprache ist ein zentraler Bestandteil des Überraschenderweise kann es aber auch schwierig Menschseins. Wir benutzen die Stimme und ihr kom- sein, Lieder aus Herkunftsländern von Kindern mit plettes Instrument – den Körper – um auf diverse und Migrationshintergrund im Unterricht zu integrieren. nuancierte Weise zu kommunizieren. Wenn die Oft haben die Kinder selbst kaum Verbindung zu ih- menschliche Stimme musikalisch eingesetzt wird ent- rer eigenen Herkunftskultur. Dies ist eine perfekte steht ein direkter Kanal zu unseren tiefsten Emotio- Gelegenheit, Eltern oder Großeltern am Musizieren nen. teilnehmen zu lassen, was unterschiedliche Vorteile mit sich bringen kann. Exotisch: „Dritte Kultur“-Lieder Möglichkeiten um Eltern oder Großeltern zu inte- „Dritte Kultur“ Lieder sind solche die sowohl für die grieren können z. B. so aussehen: Sie werden nach Kinder als auch für die Lehrkraft in einer Fremdspra- Liedempfehlungen gefragt, als Aussprachehilfe ein- che sind. Sie bedürfen sehr intensiver Vorbereitung gesetzt, zu Mini-Konzerten bei der Abholung der Kin- seitens der Lehrkraft um die Herkunftskultur des Lie- der eingeladen, oder es werden gemeinsam kleine des möglichst getreu zu repräsentieren. Wichtig ist ein Festivals veranstaltet, wo sie auch Essen mitbringen respektvoller Umgang mit solchen Liedern – aber können. Auf jeden Fall sollen sie singen, tanzen oder ohne Angst! Am besten findet man nicht nur eine auf Instrumenten spielen können. Vielleicht möchten grobe Übersetzung, sondern auch eine wörtliche auch Einzelne bekannte Grüße oder Sprüche in ihrer Übersetzung des Textes. Als nächstes muss man sich Muttersprache auf große Plakate schreiben, die im mit der richtigen Aussprache auseinandersetzen und späteren Unterrichtsverlauf noch mal aufgegriffen sich mit dem kulturellen Hintergrund des Stückes be- werden können. kannt machen. Um von Liedersingen zu einer interkulturellen Lern- Das Familiäre als Exotik erfahrung zu gelangen sollte man sich darüber hinaus einige Fragen stellen um einen Anfangspunkt für ein Hier einige Beobachtungen, die ich während Unter- rundes Musizieren zu finden. Beispielsweise: Welche richtseinheiten gemacht habe, in denen die Kinder ein Kleidung tragen die Menschen in dieser Kultur? Was Lied in meiner Muttersprache gelernt haben, die für essen sie? Wie ist das Wetter dort? Welche Tiere gibt die Kinder eine Fremdsprache darstellt: es dort? Welche Feste werden gefeiert? Welche Spiele Gesichtsausdruck und Bewegungen sind eine große spielen die Kinder? Diese und viele andere Fragen Hilfe für Kinder während sie ein neues Lied lernen. sind schnell in das Musizieren mit den Kindern inte- Sie geben wichtige Hinweise auf den Inhalt des Lie- griert. des und unterstützen die richtige Aussprache. Für das

15 Gedächtnis sind sie auch eine starke Hilfe, wenn es um die Reihenfolge der Wörter geht. Oft können Be- The Importance of Play-Songs in wegungen mit den Kindern gemeinsam entwickelt Inclusive Teaching1 werden. Dies ist eine perfekte Chance um sich tiefer mit der Bedeutung des Textes auseinanderzusetzen. Für Kinder ist es oft leichter in einer Fremdsprache zu singen als für Erwachsene. Sie haben keine Hem- mungen davor, etwas Neues auszuprobieren und kön- nen viel besser die Nuancen von Klängen und Lauten wahrnehmen und unterscheiden. Im Kontext der Elementaren Musikpädagogik Eine Vorgehensweise, mit Liedern in einer Fremd- sprache, wie oben beschrieben, geht Hand in Hand mit dem Ziel der Elementaren Musikpädagogik, allen Menschen einen voraussetzungslosen Zugang zur Musik zu ermöglichen. In solchen Kontexten wird die Shirley Salmon Musik sehr ernst genommen und gleichzeitig persön- Play-songs offer children at pre-school and primary- lich erfahrbar gemacht. school age a great creative potential which can be ex- tremely beneficial to them. In a multi-sensory ap- Camille Savage-Kroll proach the play-song serves as an initiating as well studierte an der Eastmann School of Music in den as an encouraging factor for a diversity of activities USA (Musikpädagogik und Gesang) sowie an der involving music, movement, language and a selection Universität der Künste, Bremen (Elementare Musik- of materials, which in turn lead to various experi- pädagogik). Sie lehrt EMP an der Hochschule für ences in learning. Different objectives can be aimed Musik Detmold und Musikvermittlung und Konzert- at here – those concerning music directly, as well as pädagogik an der Universität der Künste, Bremen. Sie other fields of development. Linguistic accomplish- ist auch in der Lehrerfortbildung tätig. ments are not necessarily the primary goal in this case, the children should much rather be offered the possibility to gain different experiences, playing, mov- ing, speaking, singing and creating in a variety of forms. In a multi-sensory approach using music and movement several senses – not only the auditory – are addressed. Play-songs can offer a broad spectrum of experience and expression which supports the chil- dren’s general development.

Play-Songs – a General Survey In the play-song, the song itself, movement and cer- tain elements of drama are combined and integrated2. Music, movement, language and play(ing) are closely 1 It is important to remember that the term, “exotic” simply refers to related and can influence and support each other pos- something not native. Should the tables be turned, the familiar be- itively. Play-songs are nothing new and have been comes the exotic. For example, western music would be conside- sung and played by children for centuries. The play- red exotic to the peoples of Papua New Guinea. song has a long tradition in musical education – as 2 Vester, Frederic: Denken, Lernen, Vergessen. Munich 1992, p. 142 3 vgl. Vester, Frederic: Denken, Lernen, Vergessen. München 1992, early as 1919 A c t i o n S o n g s (songs with move- S. 142 ment) were published by Emile Jaques-Dalcroze, who

16 developed the method of eurhythmics in the teaching an atmosphere and sometimes stepping onto the stage of music. Carl Orff, on the other hand, considered the etc. traditional repertoire of children’s songs as the basis A stimulating, multi-sensory environ- for Orff-Schulwerk and also emphasized the impor- ment during childhood is of great importance for tance of “play”: “The urge to play develops into a the development of the abilities and competences an patient activity leading to practice and from there to adult needs later in life8. “Experiences and sensations achievement.”3 It is important that the child be al- a r e learning. Sensations form the base understand- lowed to play, “undisturbed, expressing the internal ing from which concepts and thinking develop. Sen- externally. Word and sound must arise simultaneously sory enriched environments are imperative to learn- from improvisatory, rhythmic play.”4 ing.”9 The inter-play between physical activity, emo- Not only in music education, but also in rhythmic mu- tional expression in movement, co-ordination of sical education as well as in integrative pedagogy and movement with language and singing, synchronisa- special education, songs that inspire movement, tion of the movements within the group and many dance, role-play, language and emotional expression other elements are essential to this learning process represent an important part of the curriculum. In mu- which is supported by an enriched sensory environ- sic therapy for children the systematic use of songs is ment10. When creating play-songs the sensory envi- one of the essential tools that therapists have at their ronment as well as the modes of physical experience disposal. In almost all types of music therapy for chil- can be taken into consideration and integrated. dren songs are employed to encourage the establish- In both music education and music therapy, songs in ment of contact, to support relationships or to help general as well as specific play-songs should be difficult or disturbing experiences. Songs are not only adapted, altered and re-written according to the par- sung but can be created. Songwriting is also an ap- ticular setting. Every play-song is used somewhat dif- plied method in music therapy5. ferently in different groups, depending on the re- Wilhelm Keller regards the play-song as “the combi- quirements and abilities within the group in question. nation of elements from singing with those of move- In music education, in remedial and inclusive educa- ment, ranging from the simple pantomime to dance tion, in special education as well as in music therapy and the dramatic representation of text scenes; it fur- composed songs play a justified role. Situational thermore comprises the use of musical instruments songs are also used referring to the current situation, (including the human body), the transformation of the which usually leads to their quite spontaneous cre- song into an instrumental piece as well as the purely ation – f o r a child/group, w i t h a child/group or rhythmical presentation of spoken texts.”6 The story b y a child/group11. Songs that develop as the result of a play-song can also be of focal interest, for “play- of a certain situation are reactions and answers to (or dramatic) songs have a scenic core which can be children and can lead to further playing, improvisa- stylised or enacted pantomimically.”7 Integrating tion, reflection and discussion. They can accompany songs into a dramatic plot opens up diverse possibil- children in their actions, they can create atmospheres ities of activity beyond that of singing itself. This may and help to improve understanding, interpretation include dance, movement or forms of drama, vocal and creative work with certain experiences. Situa- and rhythmical inventions, musical effects, making tional songs are important for all children, but par- music, accompanying, instrumental improvisation or ticularly valuable to those who do not speak, those musical role-playing. Play-songs can be songs based who are hard-of-hearing or those with contact be- on dialogue, in the form of sung communication, as haviour difficulties12. well as narrative and cyclic songs. With many “new Songs can be inspired by playing, by movement games children’s songs” the act of singing, as an enjoyable or by role games in which the activity of playing at activity, is in itself of central interest. The object here the same time provides the motivation for the song is not only to sing the melody, but also to enact, to text. Well-known children’s songs, play- or pop songs play and to experience the story-content, thus involv- can be re-written so that they reflect current themes ing the whole body, interacting in the group, creating that are of interest to the child or the group. Baker

17 and Wigram (2005) distinguish between Songwriting which has an effect on the child through the mother’s f o r clients and w i t h clients and list many exam- emotional participation. Thelullaby,the ples from music therapy in which Songwriting cradle- and rocking song, the clapping game and knee is used as a form of therapy. rides all offer sensory-emotional stimulation. They Greeting and Farewell Songs oftenpro- support the child’s emotional and cognitive abilities vide the framework for the sessions. The primary as- that are a basic necessity for establishing a relation- pect of many play-songs is for the children to enjoy ship to the environment. The senses of balance, touch, the activity, the elements of play, the ritual as well as of hearing and seeing (but surely also the olfactory the real context that the particular theme in question sense) are simultaneously stimulated and in play lead has to offer. Paul Nordoff and Clive Robbins, who to- to the establishment of contact and the development of wards the end of the 1950s began to develop Creative a relationship between mother and child.”14 The Music Therapy, composed many play-songs with child’s emotional and cognitive abilities can also be themes from everyday settings such as: arriving, supported in the educational context. names of the children in the group, the days of the Clive and Carol Robbins (1980) recognised the innate week, the weather. These songs were especially used musicality of children with hearing loss and in their for activating and motivating children with cognitive curriculum tried to address the children by offering disabilities when they were to sing and play in a them appropriate musical experiences, thus setting group. free their often hidden musical talents. “Our view was

Sensory Sensitisation: acoustic, tactile, visual, kinaesthetic and vestibular movement space dance playing materials The (body) Play-Song voice / language instruments hearing social forms of playing visualisation music(al) theatre

Play-Songs – Specific Uses simply that man is so attuned to music – and music to Play-songs not only provide musical experiences, but man – that these same sensitivities, predispositions also experiences on various other levels. Due to the and capacities must be inherent in the hearing im- individual’s potential in the cognitive, motor, emo- paired child.” Since musical experiences can be a tional, social, linguistic and perceptive domains, source of joy and initiative for personal development, play-songs can supply special support in children with hearing loss, too, have a right to gain certain learning phases. To Wilhelm such experiences. “We saw no reason whatsoever why Keller the play-song is of particular significance in deaf children should not be offered the enjoyments, the process of making contact: “The play-song is [...] satisfactions and learning potential in a suitable mu- especially important in social and remedial peda- sic program.”15 gogic work with all kinds of ‘problem children’, for In addition to traditional singing in music education whom it is sometimes indeed the only way of making a commonly practised modified form of vocal music in the first contact.”13 This also becomes clear in the mu- the Anglo-American region is song signing for deaf sic therapeutic work by Karin Schumacher: “All early children, which was developed within the deaf com- mother-child games are elemental music, movement munity of the USA in the 1930s. Song signing is an and language games that connect to prenatal experi- enjoyable musical activity for children with hearing ences. They represent a m u l t i - s e n s o r y option, loss, but also for those whose hearing is intact; these

18 forms of singing are not only used in hard-of-hearing erate) classes in the USA, but also in mainstream classes (i. • Development of personality (e. g., experiencing e. regular or inclusive classes), thus supporting com- atmospheres and emotions; focussing attention; munal singing of children who can hear together with activation and emotional expression; coming to deaf or hard-of-hearing children. With song signing terms with emotionally harassing experiences and (also known as sign singing) the song concerned is circumstances; discovery and development of simultaneously accompanied by gestures. This activ- creativity) ity is based on a well-developed rhythmical feeling, • Specific goals in music and dance (e. g., introduc- manifest in the rhythmical movement of the whole tion to and experience of various forms of music and body (swaying). The music and the content of the song dance and their expression; improvisation and cre- are conveyed in a combination of visualisation and ativity; participation in the social and cultural val- auditory-tactile perception. ues expressed in the songs, practising of musical, The use of play-songs with deaf and hard-of-hearing movement and dance skills) children has various objectives which are often fol- lowed simultaneously. The differences in use depend Following the principles of i n c l u s i v e e d u c a - on the children’smomentary needs, on the context and t i o n the use of play-songs should take into account the aims, the current educational and therapeutic the participation of all children in a group or class. themes within the group as well as on the methods According to Feuser integration16 is “co-operative employed by the teacher or therapist. (dialogic, interactive, communicative) activity in the Summarising, play-songs can be used to follow one collective”, which, from a pedagogical point of view, or more of the following aims (particularly with deaf means for both school and pre-school that and hard-of-hearing children): • “all children and pupils (including those children • Relaxation, releasing tension, activation who have severe profound and complex learning • Sensitisation of the sensory perception difficulties) • Support of the auditory, visual, kinaesthetic and • will play, learn, and work together vestibular perception, memory, concentration • at their respective developmental levels (taking into • Support of motor and body perception (e. g., devel- consideration their present levels of competence in opment of body awareness, joint and muscle sense, perception, cognition and behaviour) fine and gross motor control, co-ordination, bal- • in co-operation with one another ance and inner rhythm) • within a shared curriculum (project/subject mat- • Initiating and supporting nonverbal and verbal di- ter/tasks/topic)”.17 alogue in spoken or signed language Play-songs can offer a wealth of different forms of ac- • Support of voice and language (e. g., development tivity, which enable a l l children to encounter and of the ability to use one’s voice, to understand the deal with the song in an individual way. Certain ac- concept of language and to actually speak; intro- tivities are carried out in a whole group, others in duction of rhythm into spoken language; extension small groups, with a partner or individually. Fur- of vocabulary and linguistic concepts; experience, thermore various learning situations can and should practice and use of phrases and sentence structures; be offered e. g. communicative learning situations further development of the range of the voice, its (two partners are focussed on each other), comple- quality as well as its melody, timbre, dynamics, mentary learning situations (one partner helps the prosody) other), coexistential learning situations (working side • Communication (e. g., supporting the establishment by side), co-operative learning situations (working to- of contact and the development of relationships; ex- gether). Feuser refers to four factors that are neces- pression of feelings and needs; inclusion of body sary for implementing successful integration: “indi- language, gestures and pantomime) vidualisation”, “internal differentiation”, “co-oper- • Social learning (e. g., support of self-confidence, in- ative activity” and the “common object”. The com- dependence and self-respect; development and en- mon object, though, is not a physical entity here, couragement of a willingness and ability to co-op- which becomes an educational subject in the hands

19 of the children and pupils, it much rather represents effect in education, early learning and support as well the central “process”. as therapy especially for children with hearing loss. In every learning process there is the aim to activate each child’s abilities in the best possible way. By ex- LITERATURE tending and enhancing the learning environment – The complete list of literature to this article can be found in: Salmon, S. (Ed.): Hören Spüren Spielen. Musik und Bewegung für and the other children with their diverse competences schwerhörige und gehörlose Kinder. Dr. Ludwig Reichert Verlag, contribute to this – a positive development is more Wiesbaden, Germany 2008 likely to be achieved than with teaching methods that aim to speed up the learning process based on the Shirley Salmon, MPhil, BA 18 deficits diagnosed . Teaching and learning methods studied music and education, trained as a kinder- which enable the children to make their own experi- garten and primary school teacher. Teacher at the ences are of central interest. Carl Orff Institute, Mozarteum University, Salzburg Focal Elements in the area of Music and Dance in the Community and in Integrative Pedagogy and for Teaching Practice. The following diagram illustrates a network of focal Director of the postgraduate university course: “Ad- creative elements that can become effective on their vanced Studies in Music and Dance Education – Orff- own, but frequently also in combination with each Schulwerk“ since 2006 and director of the in-service other. This diagram can be useful when planning in- training course “Music and Dance in the Community dividual lessons, as well as when working on more and Integrative Pedagogy”. International seminars, long-term, interdisciplinary projects. The song and its numerous publications. various aspects can be stimulating and motivating, helping us to find several activities for each creative element. The final choice of activities corresponds with the contents of the song as well as with the cur- Zusammenfassung rent abilities and needs of the children and the group. Die Bedeutung von Spielliedern in inklusiver When planning it is useful to consider the following Unterrichtsgestaltung19 forms of children’s participation: perceiving, explor- ing, experimenting, playing, communicating, recog- Spiellieder bieten vielfältige Gestaltungsmöglichkei- nising, remembering, imitating, choosing, varying, ten an, die für im Vorschul- und Grundschulalter be- distinguishing, inventing, practising, creating, re- reichernd sein können. In einem multi-sensorischen flecting and discussing. Ansatz dient das Spiellied als Anregung und Aus- gangspunkt für verschiedenste Aktivitäten mit Musik, Conclusion Bewegung, Sprache und Materialien, die unter- Play-songs provide a particularly well-suited basis schiedliche Lernerfahrungen anbieten. Spiellieder for a diversity of activities involving music and move- können breite Erfahrungs- und Ausdrucksmöglich- ment for deaf and hard-of-hearing children, espe- keiten anbieten, die die Gesamtentwicklung unter- cially in groups of mixed ability. Several ob- stützt. j e c t i v e s can be aimed at, focussing on d i f f e r - Spiellieder sind nichts Neues und sind schon seit ent creative priorities with the help of Jahrhunderten von Kindern gesungen und gespielt a diversity of activities. Thisworkcan worden. Sowohl in Musikpädagogik als auch in Mu- be interdisciplinary in its concept and inclusive in its siktherapie sollen Lieder und spezielle Spiellieder der realisation providing the topics in question are pre- jeweiligen Spielsituation angepasst und entsprechend pared with the appropriate level of differentiation. The variiert, erarbeitet und gestaltet werden. Situations- planning results from taking into account the chil- lieder sind für alle Kinder, wichtig aber für kontakt- dren’s individual needs, abilities and interests – a de- gestörte, sprachlose oder hörbeeinträchtigte Kinder velopmental form which is creative and open for besonders wertvoll. Begrüßungs- und Ab- adults and children alike. Thus play-songs can be put s c h i e d s l i e d e r bieten oft den Rahmen der Stun- to use with a creatively stimulating and integrating den an. Aufgrund der Erfahrungsmöglichkeiten im

20 kognitiven, motorischen, emotionalen, sozialen, Shirley Salmon, Mag. BA sprachlichen und perzeptiven Bereich können Spiel- Studium der Musik und Pädagogik, Ausbildung als lieder für b e s o n d e r e U n t e r s t ü t z u n g v o n Kindergarten- und Grundschulpädagogin. Lehrtätig- L e r n s c h r i t t e n eingesetzt werden. keit am Carl Orff-Institut der Universität Mozarteum Ziele in der Arbeit mit Spielliedern sind z. B.: Ent- Salzburg in den Bereichen Musik und Tanz in Sozia- spannung, Lockerung und Aktivierung; Sensorische ler Arbeit und Integrativer Pädagogik sowie Lehrpra- Sensibilisierung; Förderung der auditiven, visuellen, xis. Seit 2006 Leiterin des postgradualen Univer- kinästhetischen, vestibulären Wahrnehmung des Ge- sitätslehrganges „Advanced Studies in Music and dächtnisses, der Konzentration; Förderung der Moto- Dance Education – Orff-Schulwerk“ und eines be- rik und Körperwahrnehmung; Förderung von Stimme rufsbegleitenden Universitätslehrganges „Musik und und Sprache; Stimmumfang, Stimmqualität und Tanz in Sozialer Arbeit und Integrativer Pädagogik“. Sprachmelodie weiterentwickeln; Dialog anbahnen, Internationale Kurstätigkeit, zahlreiche Publikatio- Dialog differenzieren; Kommunikation; Ausdruck nen. von Gefühlen und Bedürfnissen; Soziales Lernen; 1 Shortened version of the chapter in: Salmon, S. (Ed.): Hören Persönlichkeitsentwicklung; musikalische und tänze- Spüren Spielen. Musik und Bewegung für schwerhörige und rische Ziele. gehörlose Kinder. Dr. Ludwig Reichert Verlag, Wiesbaden, Ger- many 2006. Reprinted by kind permission of the publisher. Nach den Prinzipien einer Inklusiven Pädagogik sol- 2 cf. Keller 1970: Ludi Musici 1. Spiellieder, Haselbach 1978: len die Gestaltungen von Spielliedern die Teilnahme Dance Education. Basic principles and models for Nursery and aller Kinder einer Gruppe oder Klasse vorsehen. Primary School., Plahl/Koch-Temming 2005: Musiktherapie mit Kindern. Grundlagen – Methoden – Praxisfelder. Spiellieder können eine Vielfalt an Handlungsformen 3 Carl Orff: Gedanken über Musik mit Kindern und Laien. In: Die anbieten, die es a l l e n Kindern ermöglichen, sich Musik 1932. Berlin, p. 669 (Translation: Margaret Murray) auf individuelle Weise handelnd mit dem Lied aus- 4 ibid., p. 671 einanderzusetzen. In jedem Lernprozess geht es 5 cf. Baker/Wigram 2005: Songwriting 6 Keller 1970: Ludi Musici 1. Spiellieder, Introduction darum, die Fähigkeiten jedes Kindes optimal zu akti- 7 Haselbach 1978: Dance Education. Basic principles and models vieren. Folgende Gestaltungsschwerpunkte können for Nursery and Primary School. p. 147 gesetzt werden, die in Verbindung miteinander wirk- 8 cf. Hannaford 1995: The main factors are a rich sensory envi- ronment (at home, in pre-school, school but also outside); the sam werden: Sensorische Sensibilisierung, Bewe- freedom to discover the surroundings freely; the presence of pa- gung, Tanz, Spielmaterialien, (Körper-)Instrumente, rents that can be consulted when children have questions. Stimme/Sprache, Hören, soziale Spielformen, Visua- 9 Hannaford 1995: Smart Moves. Why learning is not all in your head. p. 48 lisierung und Musiktheater. Die Handlungsformen 10 cf. Hannaford 1995 umfassen: wahrnehmen, erkunden, experimentieren, 11 cf. G. Orff 1980: The Orff Music Therapy, Plahl/Koch-Temming spielen, kommunizieren, erkennen, erinnern, imitie- 2005 12 cf. Schumacher 1994: Musiktherapie mit autistischen Kindern, ren, variieren, darstellen, differenzieren, entscheiden, G. Orff 1980, G. Orff 1984: Key concepts of Orff Music Therapy, erfinden, üben, gestalten. Keller 1971: Baker/Wigram 2005, Plahl/Koch-Temming 2005 13 Keller 1970: Ludi Musici 1. Spiellieder. Introduction Spiellieder sind besonders geeignet als Ausgangs- 14 Schumacher 1994: Musiktherapie mit autistischen Kindern, punkt für unterschiedliche Aktivitäten mit Musik und p. 28 Bewegung in heterogenen Gruppen. Das Gestal- 15 Robbins/Robbins 1980: Music for the Hearing Impaired, p. 25 16 “Integration” and “integrative” were used here by Feuser before tungskonzept wird aus den individuellen Bedürfnis- the term “inclusive” had been widely established. The definition sen, Fähigkeiten und Interessen der Kinder entwickelt here applies also to “inclusion”. The attribute “integrative“ me- – eine Form, die für den Erwachsenen und die Kin- rely aids communication. 17 cf. Feuser 1997: Thesis: Inclusive Education: der kreativ und offen ist. Auf diese Weise können http://bidok.uibk.ac.at/library/feuser-thesis-e.html Spiellieder sowohl in Bildung, Förderung und Thera- 18 cf. Athey 1990: Extending thought in young children. A parent- pie bei Kindern mit und ohne Behinderung ihrer Ent- teacher partnership p. 76 19 Der vollständige Aufsatz ist zu finden in: Salmon, Shirley (Hg.) wicklung gemäß kreativ eingesetzt werden und inte- (2006): Hören Spüren Spielen. Musik und Bewegung mit gehör- grierend wirken. losen und schwerhörigen Kindern. Reichert-Verlag, Wiesbaden

21 alltäglichen Benutzen öffentlicher Verkehrsmittel er- Das Erlebnis „bleibender“ innert uns an dieses Phänomen, das doch gleichzeitig Gegenwart. so ungreifbar ist wie eine Nebelwand und das wir nur konstruktivistisch durch das technische Hilfsmittel Zeiterfahrung beim Liedersingen „Uhr“ meinen beherrschbar gemacht zu haben. Die antike Unterscheidung von chronos als unabhängig vom Subjekt rein quantitativ ablaufende Zeit und kai- ros als der zeitlich günstige Moment, also eines teil- weise in der Macht des Subjekts stehenden Aus- schnitts des Zeitstromes machte bereits auf die Tatsa- che aufmerksam, dass wir Zeit eben objektiv m e s - sen, aber subjektiv erleben und dass diese beiden Erscheinungsweisen von Zeit sich im Leben des Einzelnen unauflösbar gegenüberstehen. Lange schon ist Zeit und Zeitempfinden ein existen- Thomas Holland-Moritz ziell-philosophisches Problem und auf hintergrün- Carmina non dant panem digste Weise reflektiert worden. Sehr früh schon wid- (Petronius, Satyricon) met sich Augustinus in seinen „Bekenntnissen“ die- sem Thema: Dass Kunst nach Brot geht, dürfte angesichts der al- „Ich will ein Lied aufsagen, das ich kenne. Ehe ich lerorts drohenden kulturellen „Kahlschläge“ eine be- anfange, richtet meine Erwartung sich auf das Ganze, dauerliche Selbstverständlichkeit geworden sein. habe ich aber begonnen, nimmt das, was ich von der Umso bedeutsamer, den nicht pekuniären „Reinge- Erwartung abgepflückt und der Vergangenheit über- winn“ künstlerischen Erlebens immer wieder zu ver- liefert habe, in meinem Gedächtnis Platz. So zerlegt deutlichen und zu zeigen, dass bereits der Umgang sich diese meine lebendige Tätigkeit in die Erinne- mit kleinsten Formen musikalischer Aussage wie sie rung dessen, was ich aufgesagt habe, und die Erwar- sich in Liedern darstellt, zu elementaren und nach- tung dessen, was ich noch sagen will. Gegenwärtig haltigen ästhetischen Wahrnehmungsprozessen in der dagegen ist mein Aufmerken, durch welches das Erlebniswelt des Menschen führt. Zukünftige hindurchschreiten muss, dass es zur Ver- Die zahlreichen institutionalisierten Singinitiativen gangenheit werde. Je mehr das nun fort und fort ge- der letzten Jahre, vielfach angestoßen in der Absicht, schieht, umso mehr wird die Erwartung verkürzt und durch Klassenunterrichtsformen mehr Kinder mit die Erinnerung verlängert, bis die ganze Erwartung musikalischen Bildungsprozessen zu erreichen aufgezehrt ist.“1 (Stichwort: JEKI), scheinen dem Lied wieder einen Sicherlich ist diese Betrachtung nur als ein konkretes neuen – besser: neu betonten – Stellenwert in der Beispiel für das existenzielle Problem „Mensch und Musikpädagogik zu verschaffen und bedingen daher Zeit“, das Augustinus in diesem Zusammenhang zum – so scheint es – auch eine ebenso neu belebte di- Thema macht, zu verstehen und sehr bald wendet er daktische Begründung für den Wert dieser elementa- diese Betrachtung auch ins Kosmologische, und das ren musikalischen Form. In den folgenden Gedan- dem Menschen eher greifbare überschaubare Lied – kengängen soll sie einmal aus dem Phänomen des hier wesentlichen als liturgischer Gesang verstanden Zeiterlebens heraus betrachtet werden. – wird ihm zum mikroskopischen Spiegel der gesam- Schier endlos sind die sprachlichen oft alltäglich ge- ten göttlichen Schöpfung. Dennoch ist hier in wun- brauchten Floskeln, die das Phänomen Zeit zu be- derbarer Weise beschrieben, wie sich Zeit im Singen schreiben versuchen. Da reden wir z. B. von Zeit ha- eines Liedes gestaltet, indem hier aus einer ständigen ben, Zeit verlieren, Zeit nutzen; von zeitlos, zeitnah, Erwartungshaltung gleichsam das Ganze konturiert zeitübergreifend; oder wir sind in der Zeit, der Zeit und in Vergangenes übergeht, das aber als lebendige hinterher, der Zeit voraus … Jede Verspätung beim Gestalt zurückbleibt. Kinder im frühen Entwick-

22 lungsstadium, so wissen wir, erfahren Zeit in der als „Kontinuität von Vergangenheiten“ bezeichnen Form des „erlebten Augenblicks“: Sie sind in ihrem lässt, also ein Gewesenes, dass aber in sich lebendige Handeln stets in der Gegenwart und so nehmen sie in Bewegung bewahrt und so zu erlebter Gegenwart gewisser Weise immer wieder Anteil an dieser von wird. Das Bewusstsein „geht ständig fließend über in Augustinus so scharfsinnig beschriebenen Erfahrung, immer neues retentionales Bewusstsein“.5 wenn sie mit Liedern in Berührung kommen. Und Im folgenden Liedbeispiel aus Lettland könnten der- was sich in diesem Alter in elementarer Form be- artige Überlegungen zum Zeiterleben und Zeitgestal- wahrheitet und realisiert erfährt der erwachsene ten vielleicht exemplarisch zur Anschauung kommen. Mensch häufig in der strömenden Zeiterfül- lung beim Hören eines langsamen Satzes gro- ßer Musikwerke zum Beispiel.2 Wenn sich dann bei einem so gearteten Hör- vorgang der Eindruck von Zeitlosigkeit ein- stellt, ist das vermutlich nur ein Ausdruck für das Empfinden, Zeit selbstbestimmt zu erleben. Im künstleri- schen Tun wird die Zeit demnach zu einer quasi beherrschbaren Kategorie, wohingegen sie uns im all- Hier entsteht aus einem „Quellpunkt“ melodisch- täglichen Handeln eher als uns beherrschend er- schwingender Beweglichkeit eine zunächst 2-taktige scheint. Der Schiller’sche Gedanke von der Freiheit Phrase mit unterschiedlichen Zieltönen. Wobei aus des Menschen im Spiel ist nicht weit von diesen der „primären Erinnerung“ der ersten Phrase heraus Überlegungen entfernt, denn auch wird der Mensch die zweite schon antizipiert6 wird und so die ersten ja als Gestalter und nicht Opfer einer ihn beherr- zwei Glieder einer Retentionskette entstanden sind. schenden und „unterdrückenden“ Zeit aufgefasst.3 Die zweite Liedzeile schwingt mit der Wiederholung des Quellpunktes an und trägt diese Schwungenergie Der Phänomenologe Edmund Husserl hat sich – diesmal über 4 Takte bis der Zielton erreicht wird, der durchaus auf Augustinus zurückgreifend – dieser sich im Beginn des Liedes in der zu ihm gehörigen Frage des inneren Zeiterlebens gewidmet und für die- Quinte (eine Art „Repercussa“) bereits angedeutet sen Erlebensprozess den Begriff Retention eingeführt, hatte. Besonders auffällig wird nun in der 3. Zeile die den er auch als „primäre Erinnerung“ bezeichnet hat, markante zeitliche Dehnung durch die Viertelnoten, um ihn gegen den landläufigen Begriff der Erinne- die wie ein Innehalten vor dem Abschwingen der Me- rung als Wiedererinnerung abzugrenzen, der ja deut- lodie in den beiden Folgetakten wirkt und einen be- lich weiter in die Vergangenheit zurückgreift. So stellt sonderen Akzent auf die Gegenwart des melodischen sich ihm – auch am Beispiel einer Melodie oder auch Vorgangs lenkt. Husserl hat solche Momente als nur an einem Ton – das Erleben eines solchen Phä- Höhepunkte der Aktualität bezeichnet, die er deshalb nomens als eine „Kette von Retentionen“ dar, die von mit dem Begriff „Urimpression“ zu fassen versucht. einem „Quellpunkt“, mit dem das „Zeitobjekt“ be- Um eine derartige Urimpression herum hat sich aber ginnt, zu einer Gesamtstruktur sich verdichten.4 Dies ein „Hof von soeben Gewesenem und gerade Kom- generiert dann ein Wahrnehmungsmuster, dass sich mendem“ gebildet.7

23 Es wäre ein reizvoller Expeditionsschwerpunkt in das Ich glaube nicht, wenn man sich der elementaren Er- Reich der Lieder, sich auf die Suche nach solchen lebnisfülle im Kennenlernen von und im Umgang mit Höhepunkten melodischer Aktualität in den unter- der vielgestaltigen Liedkultur einer global-gesell- schiedlichsten Ausprägungen zu machen und auf schaftlichen Wirklichkeit bewusst ist und ein Gespür diese Weise womöglich dem Geheimnis auf die Spur dafür entwickelt, welche Tiefendimensionen in der er- zu kommen, warum Melodien, die keine „musikali- fahrbaren Gegenwart eines melodiebestimmten Zeit- schen Eintagsfliegen“ sind eine latente Botschaft ver- stromes verborgen sind. Eines Zeitstromes, der Ver- mitteln und eine unverwechselbare Aura ausstrahlen, gangenheit, Gegenwart und Zukunft in eins setzt und die eben ihre Einzigartigkeit ausmacht und sie auf uns so bei jedem Liedgesang erfüllte Zeit und den im- diese Weise tiefere Nachhaltigkeit fördernde Schich- mer geglückten Moment beschert. ten unseres musikalischen Erlebnisspektrums errei- chen. Und sich immer auch ohne sinntragenden Text Thomas Holland-Moritz, Prof. wie in dem zitierten Beispiel aus Lettland dem emo- Studium in Berlin und in Münster (Philologie, Mu- tionalen Verständnis öffnet. sikwissenschaft, Musikpädagogik, Chor- und Orche- Schließlich befriedigt unsere Beispielmelodie mit der sterleitung und Komposition). Seit 1975 Lehrer, letzten Zeile durch Anknüpfen an die 2. Zeile unsere Chor- und Orchesterleiter an der Musik- und Kunst- Erwartungshaltung nach einem organischen Ab- schule Remscheid, von 1979 bis 2009 deren Leiter. schluss und hat genau diese antizipatorische Energie 1982-1989 musikalischer Leiter jährlicher Kinder- durch den Schlusston der 3. Zeile, der die überra- musiktheater-Produktionen an den Städtischen Büh- schendste diastematische Wendung des Liedes dar- nen Wuppertal in Kooperation mit der Musik- und stellt, herausgefordert. Kunstschule Remscheid. Lehrbeauftragter an der Damit stellt sich in der zeitbezogenen Organik dieses Folkwang-Hochschule Essen für Musikpädagogik Liedes im Kleinen – besser „in nuce“ – etwas heraus, und seit 2009 Professor für das Studienfach „Singen was in komplexeren musikalischen Zusammenhängen mit Kindern“ am Institut für Musik der Fachhoch- als „Kugelgestalt der Zeit“ definiert wurde, einem schule Osnabrück, Fachberater des VdM für den Be- Phänomen, das sich nur in künstlerischen Aus- reich „Gesang“ und „Singen im Chor“. drucksformen nachvollziehen lässt und in anderer Weise auf die Möglichkeit erlebter Gegenwart rekur- riert. Zentrale Werke der Neuen Musik haben sich an diesem Phänomen entzündet ausgehend von Bernd Alois Zimmermanns Schlüsselwerk, der Oper „Die 1 Aurelius Augustinus: Bekenntnisse, eingeleitet und übertragen von Soldaten“. W.Thimme, München 1982 (dtv), S. 328/329 2 Beispielsweise der letzte Satz der 9. Symphonie von Gustav Mah- Dieser war es auch, der in einem kurzen prägnanten ler, der in einem „unendlichen“ Abgesang den Anschein festge- Essay die die Verbindung zwischen Mensch und Mu- haltener Gegenwart erzeugt, ganz im Sinne des faustischen „Ver- sik als eine der geordneten Zeit definierte als „eine weile doch …“ Ordnung der Bewegung, die auf besondere Weise 3 vgl. F. Schiller: Über die ästhetische Erziehung des Menschen, 14. Brief, Ausg. Reclams Universalbibliothek, Stuttgart 1965, Zeitlichkeit zum Bewusstsein bringt und den Men- S. 55–58 schen so in einen Prozess des inneren Erlebens von 4 Edmund Husserl: Phänomenologie der Lebenswelt. Ausgewählte geordneter Zeit hineinbezieht; (…) die den Menschen Texte II, hrsg. von V. Klaus Held, Stuttgart 1986 (Reclam), bes. in seiner ganzen Wesenheit erfasst und ihm, jenseits S. 93–97 der Erscheinungsformen der Zeit in ihrem Ablauf in 5 vgl. ebd., S.95/96 6 Husserl sagt: Protention der Musik, die Zeit als umfassende Einheit zum Be- 7 vgl. Husserl, ebd., Einleitung, S. 26/27; In diesem Zusammenhang wusstsein bringt.“8 benutzt Husserl auch gerne den Vergleich mit einem „Kommeten- „Musiklernen am Lied“ – „Musiklernen durch Lie- schweif“: Aus dem leuchtenden Zentrum entzündet bildet sich eine dersingen“ nur alter Wein aus den Zeiten „jugendbe- Retentionskette, die eine neue organische Gesamtgestalt hervor- bringt. wegter“ Musikpädagogik in neuen Schläuchen des 8 B. A. Zimmermann: Intervall und Zeit. Aufsätze und Schriften zum 21. Jahrhunderts? Werk, hrsg. von Christof Bitter, Mainz (Schott) 1974, S. 14

24 Summary Arising out of a “source-point” of swinging melodic The Experience of a “lasting” Present movement we have an at first two-measure phrase Experiencing Time through Singing Songs that has different end-notes. The second phrase is al- ready anticipated from the “primary recollection” of Is “learning music through singing songs” merely the the first and thus the first two phrases become a chain old wine from the time of the youth movement peda- of retention. st gogy in the new bottles of the 21 century? The second line of the song starts with a swinging Stimulated by the formulation of this question, which repetition of the source-point and carries its energy in view of a widely noticeable new “singing move- over 4 measures until the end-note is reached. This ment” gains ever more relevance, one looks to see end-note had already been indicated at the beginning what Augustine said in his “Confessions” about con- of the song with the reiteration of the fifth – the dom- sidering the course of a song as a basis for the expe- inant (a kind of “reciting note”). rience of time. Particularly striking is the way the quarter notes For this the song and the singing of the song is as- (crotchets) in the 3rd line stretch the time, acting like signed the quality of the favourable moment (kairos), a pause before the melody swings down in the fol- and with this a sense of time, which is independent lowing two measures and placing a particular accent from quantitatively influenced time experiences on the present course of the melody. Husserl has de- (chronos) – as is usually felt in every day life – open- scribed such moments as the highpoint of relevance, ing up an important, genuinely aesthetic field of per- which he therefore tries to capture in the term ception. The phenomenologist, Edmund Husserl, has “primeval impression”. devoted himself in a particular way to this question So one can more comprehensively understand how of the inner experience of time and has introduced the the teaching of a song can be an advantage to music term retention for this process, which he has also education if one is conscious of the elemental, rich described as “primary recollection”. It appears to experience in acquiring knowledge about and mak- him – in the example of a melody or also in just one ing use of the multiform song culture of the global so- sounding note – as a “chain of retentions” which ciety, and can develop a feeling for this whose deeper starts from a “source-point” with a “time-object” and dimensions are concealed in the presence of a melod- intensifies into an overall structure. This then evolves ically governed stream of time – a stream of time that patterns of perception that can be described as the places past, present and future as one and thus fulfils “continuation of past experiences”, that is something the ever successful moment spent in singing songs. that is past, but that still retains within itself a lively movement and thus becomes a present experience. Thomas Holland Moritz, Prof. Consciousness“ … is always flowing over into ever new retentive consciousness”. studied Philology, Musicology, Music Pedagogy, The song “Djingalla” from Latvia serves as an illus- Composition and Conducting in Berlin and Münster tration: (Germany). Since 1975 he has been a teacher and from 1979–2005 director of the Music and Art School in Remscheid, conductor of children’s music theatre productions at the theatre in Wuppertal. He is assis- tant lecturer at the Folkwang University in Essen and since 2009 professor at the Osnabrück College for Music. He is special adviser for the VdM – Verband deutscher Musikschulen (German Association of Music Schools) in the area of singing and choirs.

25 führungen gebracht. Also auch ein Beitrag zur kultu- Kommentierte Literaturhinweise / rellen Bildung. (KR) Aufnahmen / Websites zum Göstl, Robert: Thema Singen mit Kindern. Modelle für eine persönlich- Annotated Bibliography / CDs / keitsbildende Kinderchorarbeit Websites on the Theme ConBrio Verlagsgesellschaft,1996, ISBN 3-930079-62-3 Buchempfehlungen von / Recommentations from: Ein vor vielen Jahren bereits erschienener, rundum Werner Beidinger (WB) praktikabler Ratgeber und Helfer für alle, die mit Kin- Thomas Holland-Moritz (THM) dern singen, also nicht ausschließlich für Kinder- Ulrike Meyerholz (UM) chorleiterInnen. Der Autor, ein erfahrener Chor- und Katrin Rohlfs (KR) Singleiter, hat sich dankenswerterweise nicht nur der Shirley Salmon (ShS) unmittelbar singrelevanten Themen wie Stimmbil- Camille Sauvage-Kroll (CSK) dung, Hörübungen, Liedgestaltung und -begleitung Friedhilde Trüün (FT) etc. mit viel Sachkenntnis und Einfühlungsvermögen Christiane Wieblitz (CW) angenommen, sondern sich auch mit ansonsten kaum bedachten technischen und organisatorischen Fragen wie Proben- und Konzertgestaltung, Struktur-, Raum- Arnold-Joppich, Heike (Hg.): und Zeitprobleme befasst. Dass dieses Buch auch Toni im Kindergarten – vokales Musizieren mit ohne schmückende Kinderfotos, stattdessen leider mit 4- bis 6- jährigen Kindern einigen abschreckend karikaturhaften Männchen ver- Lehrerhandbuch, Chorverband NRW, 2008 sehen, dennoch zu fesseln vermag, spricht für die sou- Das Kapitel „Überall auf der Welt wird gesungen: In- veräne Fachkompetenz des Autors und dessen spür- terkultureller Musikunterricht für Kinder im Alter von bare Liebe zu den Kindern. (CW) vier bis sechs Jahren“ von Christine Hartmann-Hitler bietet eine Perspektive der Arbeit besonders mit Vor- Hügel, Petra: schulkindern und wird ergänzt durch eine Sammlung Klassik in der Klasse von internationalen Liedern sowie Ideen und Tips für Schott Music, 2011, 2. Aufl., den Unterricht. (CSK) ISBN 978-3-12-177007-6

Feinbier, Hagara: Melodien der Komponisten aus dem Barock, der Come together songs – Lieder des Herzens aus Klassik und der Romantik stilvoll umgesetzt. Das aller Welt Versmaß immer eingehalten, die Tonlagen kindge- 1. Band, Belzig, 1997, 2004, ISBN 3-89060-230-4, recht gesetzt. Gefühlvolle bis witzige Texte verwen- 2. Band, Belzig, 2004, ISBN 3-89060-235-5, det. Macht Spaß zu singen und den Kindern gefällts! 3. Band, Belzig, 2011, ISBN 3-89060-239-4 (FT)

Die „Come together Songs“ haben nicht nur mein Jacobsen, Petra / Stegemeier, Silja / Zieske, Silke Herz erobert. Immer wieder finde ich in den Büchern CHOR: KLASSE! Liederbuch eindrucksvolle Lieder, die sich in kurzer Zeit vermit- Edition Omega, 2009, ISBN 978-393 414817-8 teln lassen und auch mit ungeübten Gruppen mehr- stimmig singbar sind. Dabei können die weiteren Dieses Buch enthält Lieder für die Grundschule, die Stimmen auch improvisiert oder die Lieder Aus- teilweise von den Autorinnen neu geschrieben wur- gangspunkt für Circle Songs werden. Aus dieser den. Es enthält leichte bis mittelschwere zweistim- Schatzkiste habe ich schon afrikanische oder indiani- mige Sätze, die für den ungeübten Grundschüler sche Märchen bestückt und zu stimmungsvollen Auf- leicht zu erarbeiten sind, weil sie klanglich gut gesetzt

26 sind. Es wurde auf die kindgerechte Tonlage geach- Die Lieder sind als Klangbilder und Meditationen ge- tet. Einfühlsame Lieder zu allen Gelegenheiten sind dacht aber lassen sich auf vielfältige Weise einsetzen zu finden. (FT) und vor allem singen. Es geht um Lieder aus der Stille, aber auch um Spiele, die in die Stille führen. “Fire Within” by Libana Die CD dazu (die extra zu bestellen ist) bietet sehr “Night Passage” by Libana schöne Arrangements der Lieder. Sie ist eine sensible www.westmusic.com erfrischende Abwechslung zu vielen herkömmlichen The first book includes 18 rounds, chants and songs Liederbuch-CDs auf dem Markt. (ShS) drawn from African, Hawaiian, Japanese, Jewish, Na- tive American, Shaker, Swedish, Renaissance and Matterson, Elisabeth (Ed): contemporary folk sources. “Night Passage” is a lyri- This Little Puffin. A treasury of nursery rhymes, cal gathering of 16 rounds, chants and songs, which songs and games give reflection to the mysteries of life’s seasons. CDs Puffin Books, London 1991, by this popular women’s group with the same titles ISBN 978-0-140-34048-8 than the books are available separately. (WB) This is a classic treasury containing songs, rhymes Lüdke, Markus / Quaas, Beate / and games for every occasion including baby games, Ziegler, Alexandra (Hg.): nursery rhymes and songs on many topics for pre- FELIX Handbuch. Singen und Musizieren im school and primary school children. They have been Kindergarten collected from all over Britain and reflect the cultural Schott Music, 2008, ISBN 978-3-7957-0175-8 diversity to be found. The first edition was published 30 years ago – this new edition has been revised and Dieses im doppelten Sinn gewichtige Buch wird sei- updated (paperback 310 pages) and is an invaluable, nem Namen FELIX mehr als gerecht: „glücklich“ die stimulating collection. (ShS) Kinder, die in den Genuss solch umfassender und fan- tasievoller musikalischer Bildung kommen! Mitchell, Elisabeth: Auf Initiative des deutschen Chorverbandes entstand You are my little bird (CD) im Jahr 2000 ein Kompendium ideenreicher Lieder Smithsonian Folkways Recordings 2006 und deren Aufbereitung. Die HerausgeberInnen be- sitzen zweifelsohne den guten Geschmack und das This is a wonderful collection of seventeen beautiful nötige Sensorium für kindgerechtes, lust- und spaß- and catchy folk songs, mostly of European American betontes Liedmaterial, das mit deren anregenden Ge- and African American origin but it includes a song staltungs- und Stimmbildungsideen auch für fach- from Japan, one from Korea and one from Mexico. fremde Kindergärtnerinnen gewinnbringend umsetz- However, when singing these songs with children, an bar ist. Ein Mutmacher und gelungener Beitrag zur appropriate vocal range should be considered. (CSK) merklich aufblühenden „Renaissance“ des Singens! (CW) Mohr,Andrea: Lieder, Spiele, Kanons Kreusch-Jacob, Dorothée: Schott Music, 2008, ISBN 978-3-7957-01682 Lieder aus der Stille. Klangbilder und Meditatio- Eine sehr schöne Sammlung mit Spielliedern und Ka- nen für Kinder nons, die vor allem hilfreiche und physiologisch fun- Patmos Verlag, 2000, 8. Aufl., dierte Hilfen zum richtigen Umgang mit den stimm- ISBN 3-491-41021-5 lichen Möglichkeiten von Kindern im Kindergarten CD Lieder aus der Stille und Grundschulalter gibt. Patmos Verlag, 3-491-88718-6 Außerdem werden anhand der Lieder gleichzeitig In diesem dünnen Heft findet man sechs wunder- spielerische Wege zur Stimmbildung mit Kindern auf- schöne Lieder und viele Ideen für ihre Gestaltung. gezeigt. (THM)

27 Studer, Christoph / Mgonzwa, Benjamin: Eine zwar nicht mehr ganz neue, aber für die Lieder- Jambo Afrika. Lieder, Tänze und Spiele, arbeitung im Kinderchor unverzichtbare Sammlung Fidula Verlag, 2006, ISBN 3-87226-914-3 von raffiniert gesetzten zweistimmigen älteren Volks- liedern. Nicht nur ein Einstieg in die Mehrstimmig- A well-done collection of original songs from various keit, sondern auch gleich eine rhythmisch und metri- African countries along with many tips, ideas and ac- sche Herausforderung, da es hier um elementaren tivities for practical use. Of note is the accompanying Umgang mit Polyphonie geht und Selbständigkeit der CD, which is not only an invaluable resource for pro- Stimmen im Vordergrund steht. Der Inhalt dieses nunciation, but is musically nuanced and interesting schmalen Bändchens kann auch als Modell dienen, and incorporates many original African instruments. sich unter Umständen selbst an derartige Arrange- (CSK) ments zu wagen. (THM)

Schindler, Peter: Westhoff, Gabriele: Kinderhits mit Witz Gespenster, Vivaldi und Meer. Musikerleben in Band 6, 2006, ISBN 9-790007-088-729 Kindergarten, Musik- und Grundschule Band 13, 2011, ISBN 9-790007-096-151 Fidula Verlag, 2009, ISBN 978-3-87226-905-8 Urwaldsong, 1995, CV 12.801 Carus-Verlag Gabriele Westhoff hat hier eine Auswahl ihrer zahllo- sen Arbeiten zu musiknahen Erlebnisthemen zu Acht Lieder sind in dem Band 13 enthalten. Aber einem bzw. mehreren inhaltsschweren Sammelbän- „Endlich Sommerzeit“ ist das absolute Lieblingslied den zusammengefasst. Es sind Materialien aus diver- meiner Chorkinder, ebenso wie „Chico, der Elefant“. sen Heften der im Fidula Verlag erscheinenden Zeit- Band 6 enthält mein Lieblingsgedicht vertont: „Herr schrift „musikpraxis“. Ihre Ideen zur Ausgestaltung von Ribbeck auf Ribbeck im Havelland.“ Die Struk- bestimmter Themen wie etwa Händels „Wassermu- turierung im Gedicht hat Schindler in seiner Verto- sik“ oder „Gespenstergeschichten“, sind ebenso zün- nung genauso übernommen. Deswegen können sich dend wie offenbar nicht endend wollend. Immer Kinder den Text sofort aneignen. Der absolute Ren- nimmt das Lied eine zentrale Stellung in der jeweili- ner ist allerdings der Urwaldsong. (FT) gen Handlung ein, oft von der Autorin selbst einfühl- sam komponiert. Die Fotos mit den der Sache ganz Wieblitz, Christiane: hingegebenen Kindern sprechen für sich: Hier wer- Lebendiger Kinderchor den Lieder, eingebettet in wundersame Geschichten, Fidula Verlag, 2007, ISBN 978-3-87226-941-6 erlebt, nicht einfach nur heruntergesungen. Ein über- zeugendes Konzept! (CW) Seit dem Erscheinen d a s Standardwerk für krea- tive und persönlichkeitsbildende Singarbeit im Kin- Wieblitz, Ernst: derchor und anderen Unterrichtsbereichen, die sich Zwölf schönste Weihnachtslieder in Chorsätzen zu dem Singen mit Kindern widmen. Alle Facetten der zwei und drei gleiche Stimmen Methodik (Bewegung, Improvisation, Einsatz von Sprache und Instrumenten) finden in diesem Buch Waldkauz Verlag, 2005, WK 4118 Raum und geben mannigfaltigste Anregungen zu Meine schönsten Volkslieder aus dem deutschen einer nachhaltigen Arbeit mit der Stimme und ihren Sprachraum für Orff-Instrumente, Heft 1 gestalterischen Möglicheiten. (THM) Waldkauz Verlag, 2011, WK 1501 Ernst Wieblitz hat sich mit den beiden Sammlungen Watkinson, Gerd: bewusst tradierten Materialien aus der Rubrik Volks- Zu Zweien. 24 Volkslieder des Jahreskreises ver- und Weihnachtslieder zugewandt. Die Chorsätze zu sehen mit einer Gegenstimme zum Singen und den Weihnachtsliedern sind für zwei bzw. drei glei- Spielen che Stimmen (SSA) gesetzt und reizvoll wie singbar Bärenreiter Verlag, ISBN 979-0-00643-788-7 gleichermaßen. Seine Arrangements für das Orff-

28 Instrumentarium im Kontext deutschsprachiger Volkslieder sind nicht nur ob der sensiblen Instru- mentierungen empfehlenswert, sondern bedienen in ihrer Kombination auch ein viel zu selten bearbeite- tes Material. (WB) www.folkways.si.edu The Smithsonian Folkways is a fantastic, high quality resource for songs, videos and even lesson plans de- voted to supporting cultural diversity through music (CSK) www.labbe.de/liederbaum & www.mamalisa.com Two large multicultural song collections available online. There are varying amounts (and quality) of information, translations and extras, such as film material, available for each song. (CSK)

29 … Die sagen immer, ich sing’ so unrein! … Mit allen zusammen singen ist das Schönste! … Singen: mein Leben! … So bunt gewürfelt, so konträr bis widersprüchlich diese Aussagen gerade daherkommen, so spiegeln sie tatsächlich das Erfahrungs- und Erlebensspektrum Aus der Praxis singender und nicht singender Menschen, zumindest in unserem Kulturraum, wider: Glücksgefühl, Hin- gabe, Eifer, Begeisterung, Genuss, aber auch Skep- From Practical Work sis, Scheu, Ablehnung, Enttäuschung, Rückzug, Weh- mut. Liedersingen als Geschenk und Und doch leuchtet in diesem „Kaleidoskop“, einer ge- meinsamen Schwingung gleich, eine Sehnsucht Nahrung für die Kinderseele durch, eine allen gemeinsame Affinität zum Singen als Resonanz des inneren Seins in all seiner Leben- digkeit: „Singen hat Bedeutung für mich!“ Woher kommt dann diese Barriere, die so viele Men- schen das Singen meiden lässt? Vor allem dieses „Man hat mir früher gesagt, ich kann nicht singen“ – fraglos der überwiegend häufigste Grund für die so häufige Abkehr vom Singen – kommt einer seelischen Verletzung gleich! Die Fol- gen wirken sich lange – wenn nicht lebenslang – hemmend aus. Woher kommt dieses meist vorschnelle und unreflek- Christiane Wieblitz tierte Urteil, das offenbar nur über die Qualitäten „gut“ Zum Stichwort „SINGEN“: oder „schlecht“, „richtig“ oder „falsch“ verfügt? Was assoziierst du, lieber Leser oder liebe Leserin, Wie bei kaum einer anderen Musikausübung reagiert jetzt eben ganz spontan? Etwa dies? das körpereigene Instrument „Stimme“ geradezu seis- … Ich summe einfach so vor mich hin. mographisch auf kritische Bewertung. Wir wissen … Ich wollt’ ich könnt’ so singen wie die alle! das, wir haben dies womöglich selbst erfahren. Und … Wenn ich singe, fühle ich mich entspannt und be- dennoch wird das fragile Pflänzchen „Singen“ vor al- schwingt! lem im frühen bis mittleren Kindesalter immer wieder … Singen? Nix für mich, einfach peinlich! voreilig über Kriterien bestimmt, die überwiegend be- … Das Schönste am Tag ist das Gute-Nacht-Singen wertender Art sind. Das wirkt jedoch dem Wesen der mit den Kindern am Abend! zunächst sich selbst genügenden, lustvollen Äuße- … Ich trau mich nicht, im Chor mitzusingen! rung von Klang und Laut mehr entgegen, als es ihm … Ich singe nur, wenn ich allein bin! dienlich sein könnte. … Die zarten Tönchen meines Babys sind reinste Musik für mich! Singen von Anbeginn … Echt cool, der Song! „Das Singen ist Seele, die sich ausdrücken will“, sagt … Mein Dreijähriger singt den ganzen Tag seine Lie- die Sängerin Waltraud Meier. der, aber soo falsch! Je früher also ein Menschenwesen die tönende … Dieses Lied ist Balsam für meine Seele! Stimme der Mutter hört und erlebt, desto größer ist … Meine Stimme klingt einfach scheußlich! die Chance einer allgemein harmonischen Entwick- … Wenn ich etwas vor mich hin singe, schon hat sie’s, lung. meine Kleine! Das beginnt zweifelsohne – um eine mittlerweile oft

30 zitierte Antwort auf die Frage zu wiederholen, ab Als zweites Beispiel ein vermutlich bekanntes Volks- wann eine Mutter für und mit ihrem Kind singen lied. Seine ruhige Geschlossenheit bezieht es aus dem sollte – „neun Monate vor der Geburt“! Drei-Ton-Motiv der ersten beiden Takte, welches das Idealerweise wird sich dieses singende Kommunizie- Material für die ganze Melodie ist. ren zwischen Mutter und Kind kontinuierlich fortset- zen. Das Kind erkennt im Lied die Stimme seiner Mut- ter, ihre Gegenwart, ihre Liebe und Fürsorge. So kann man gar nicht genug die beruhigende, ja heilende Wirkung von Wiegenliedern hervorheben. Das Wie- Beide Melodien beziehen ihre wirkende Kraft aus der genlied, wie es uns in unzähligen Variationen über- Einfachheit und Klarheit ihrer melodisch-rhythmi- liefert und ausnahmslos in allen menschlichen Ge- schen Gestalt, welche die in Worten nachgezeichneten meinschaften anzutreffen ist, schafft Augenblicke der Bilder trägt. Geborgenheit und des Friedens, wie sie wohl nur in Später dann, etwa in der Gemeinschaft einer Eltern- dieser ersten Zeit der besonderen Intimität und Zwie- Kind-Gruppe mit all ihren unterschiedlichen Interak- sprache zwischen Mutter und Kind entstehen können. tionen, begegnet das kleine Kind, zunächst noch Ein erstes Gedeihen des Samens ‚Musikalität‘ mag schauend, hörend, staunend im Kreise der agierenden sich jetzt ankündigen. Wobei auch hier die Qualität Erwachsenen dem Singen in seiner ganzen gestalte- des Singens noch überhaupt keine Rolle spielt. Wohl rischen Vielfalt. aber die Qualität des Liedes. In der Schlichtheit einer Hier – und später auch in der Musikalischen Früher- schwingenden Terz oder einer Leiermelodie, ge- ziehung – erfährt das Spiellied als Vermittler singen- summt oder mit eigenen oder tradierten Worten im den, tanzenden, szenischen Gestaltens eine zentrale einfachen Fünftonraum gesungen und in beliebigen Rolle: Fingerspiele etwa oder Kniereiterlieder, Rei- rhythmischen Veränderungen variiert, liegt eine ganz gen-, Handwerker- oder Jahreszeitenlieder mit allen eigene Kraft, deren Wirkung auf die emotionale und nur denkbaren Bewegungsformen. Das Kind „singt“ musikalische Entwicklung des Kindes unbestreitbar dabei mit Händen und Füßen, mit dem ganzen klei- ist. nen Körper im Gestikulieren, im Laufen, Drehen, Hier ein Beispiel für eine Melodie, die – sich aus der Hinfallen. Wobei das Lernen über die Imitation ge- Leier-Terz entwickelnd – in ein sanftes Hin- und Her- schieht, oft in verblüffender Geschicklichkeit und pendeln einschwingt und nur kurz den Grundton Differenziertheit. streift, um sich am Ende dort – in der Ruhe – zu fin- Und so wird sich womöglich auch diese oder jene den. Eine Melodie, die aus dem mütterlichen Sing- Passage des gerade mit allen Sinnen erlebten Liedes sang am Bette ihrer Kinder entstand – die es bis heute eingenistet haben in die Kinderseele, um zu gegebe- lieben und bewahren. ner Zeit – oft Jahre später – zu erklingen! Was sich rund um dieses „rezeptive Singen“ vor allem an sozial-kommuni- kativen Erfahrungs- und Lernschritten ergibt, ist wiederum für die ganzheitli- che Förderung des Kindes von großer Bedeutung. Und hier, wie bei allen Altersstufen, hängt die nachhaltige Wirkung des Lie- dersingens und -tanzens von der Em- pathie der Leiterin / des Leiters, von

31 ihrem oder seinem Vermittlungsgeschick, von Phan- dritten, besonders bedeutenden Aspekt, nämlich eine tasie und eigener Begeisterung ab! mögliche Gestaltungsvariabilität (z. B. Tanz, Gestik, Liedauswahl Klanggesten, ostinate Begleitformen, szenische Skiz- zen etc.) als Kriterium für eine kluge Auswahl mit be- Machen wir einen Sprung hin zu den älteren Adres- denken, dann reduziert sich die Auswahl auf jene saten der Elementaren Musik- und Tanzerziehung, zu ‚Highlights‘, die solchen, vor allem auch künstleri- den Kindern im Grundschulalter. schen Aspekten genügen. Auch hier wieder erweist sich das Lied quasi als die Weiters – auch das soll erwähnt sein – kann sich eine ‚Urzelle‘ jeglicher musikalischer Förderung und mu- negative kritische Auslese ergeben, wenn ein Lied sikerzieherischer Einflussnahme. einzig und allein ein didaktisches Lernziel verfolgt Wobei sich spätestens jetzt die Frage nach der Qua- und nur zu diesem Zweck geschrieben wurde: etwa lität eines Liedes – aber noch nicht unbedingt der des als eine – melodisch verbrämte – Art Noten- oder Singens! – stellt: nach der Schönheit der Melodie, Rhythmus-Minilehrgang. Der Reiz solcher Lernani- auch nach dem Liedtext als der „Geschichte“, die das mation in Liedform nutzt sich früher oder später ab, Lied erzählt! die Melodie als eigenständige künstlerische Gestalt Eine objektiv gültige Antwort gibt es wohl nicht. Je- kann sich nicht behaupten. doch subjektiv ist die Bildung eines guten Ge- schmacks sehr wohl möglich, indem man sich mit Nachhaltigkeit vielen tradierten und auch mit neuen Volksliedern Wann vermag ein Lied sich als ein Lieblingslied in bzw. neuen Liedschöpfungen beschäftigt und darüber die Kinderseele einzunisten? Auch das ist wohl von hinaus immer wieder kritische Vergleiche zieht. Kind zu Kind verschieden. Mit Sicherheit aber spielt Glücklicherweise ist der Reichtum tradierter Kinder- hier eine Rolle, inwieweit der/die SingleiterIn von der lieder aus vielen Jahrhunderten zum Großteil heute Wahl des zu erarbeitenden Liedes überzeugt ist und noch lebendig und übt seinen Zauber immer noch auf dies in der Empathie der Vermittlung zum Ausdruck viele Kinder aus. Einen Zauber, den die Dichterin kommt. Oft ist da auch nur ein kleines, eher zufälli- Marie von Ebner-Eschenbach so umschreibt: ges „Beiwerk“ im Unterrichtsgeschehen, das dem Ein kleines Lied, wie geht’s nur an, einen oder andern Kind unvergessen bleibt und dem dass man so lieb es haben kann, Lied noch Jahre später seine Besonderheit verleiht: was liegt darin? Erzähle! ein Lacherfolg beim Erlernen des witzigen Textes, eine pantomimische Etüde, ein „cooler“ Tanzschritt, Es liegt darin ein wenig Klang, eine spannende ostinate Begleitung etc. ein wenig Wohllaut und Gesang Meine Erfahrung hat mir aber auch gezeigt, dass ein und eine ganze Seele. interessiertes und engagiertes Elternhaus, wie es das Und ebenso hat sich glücklicherweise die Zahl der trotz aller Unkenrufe immer wieder gibt, eine nicht Liedermacher in den letzten Jahren vervielfacht: Un- unwesentliche Rolle spielt, inwieweit ein erlerntes zählige neue Lieder für Kinder, sowie für alle, die das Lied zu Hause dann weiter lebt, gemeinsam gesungen Kind in sich bewahrt haben, stehen uns mittlerweile und also wertgeschätzt wird. zur Verfügung, als eine Belebung und oftmals Berei- Hier ist es wichtig, zu erwähnen, welchen Gewinn es cherung der Liederlandschaft nicht nur im Elemen- bringen kann, die Eltern ab und an zum Unterricht tarbereich. einzuladen, sie zuschauen oder mitsingen, mittanzen Das hat wiederum zur Folge, dass wir Lehrer uns vor und vor allem: miterleben zu lassen! die Herausforderung gestellt sehen, kritisch die große Jetzt spätestens ist wohl der Stoßseufzer fällig: Auswahl sichten zu müssen und zwar sowohl im Hin- „Schön und gut, aber in all der Hektik, Atemlosigkeit blick auf die rein musikalische Liedqualität als auch und Entfremdung unserer Zeit sind das doch nur auf die Botschaft des Textes. fromme Wünsche!“ Und wenn wir, die wir von Carl Orffs pädagogisch- Dem sei hier unberirrt ein „Dennoch“, ein künstlerischen Ideen beeinflusst sind, auch noch den „Nun erst recht!“ entgegengestellt!!

32 Kritische Reflexion Wir Unterrichtende sind auf dem Gebiet der Elemen- Gesungene Tänze – taren Musik- und Tanzpädagogik a u c h Vermittler getanzte Lieder künstlerischer Werte – und das bedeutet: wir tragen eine Menge Verantwortung! So sollten wir den Anspruch nicht aus den Augen ver- lieren, wertvolle Lieder, Tänze, Texte von sogenann- tem „Ramsch“ unterscheiden zu können. Denn tatsächlich hat sich mit zunehmender Kom- merzialisierung der Musik durch die omnipotenten, tonangebenden Medien allzu viel primitives, zumin- dest banales Liedmaterial auch in den Kindergärten und Schulen breit gemacht. Das Fernsehprogramm bestimmt – mehr und öfter denn je – was „cool“ ist und erzeugt allzu oft einen Mainstream an fragwür- digem „Geschmack“. Verena Maschat Das zeigt sich häufig dann auch in der unüberschau- Die Begleitung ritueller Handlungen mit Gesang und baren Anzahl von Begleit-CDs. So hilfreich und auch Tanz ist so alt wie die Menschheit. Die Stimme als sinnvoll solche Singunterstützung hier und da – erstes Instrument, Hände und Füsse zur rhythmischen solange sie klug ausgewählt und wohl dosiert ist – Akzentuierung und schliesslich einfache Instrumente auch sein mag, so bedenklich ist ihr unreflektierter bildeten die musikalische Basis zum Tanz. Einsatz. Die ersten schriftlich erfassten Tanzlieder sind aus der Zwei Gedanken bzw. Zitate aus verschiedenen Jahr- Tradition der Troubadours (Provence, 12. und 13. hunderten drängen sich mir auf: Jean-Jacques Rous- Jahrhundert), am bekanntesten wohl „Kalenda Maya“ seaus Zurück zur Natur, und Leopold Kohrs Small is und die Farandôle „A l’entrada del tens clar“, auf beautifull. zahlreichen Einspielungen Mittelalterlicher Musik zu Gemeinsamer Nenner dieser beiden: das Ursprüng- finden. Der Freskenzyklus, den Lorenzetti 1338 im liche, Echte, Einfache. Rathaus von Siena malte, zeigt eine Tanzszene auf Und gerade diese Qualitäten sind es wohl, die ein dem Stadtplatz. Ein Sänger mit Tamburin wird um- Lied – ob unisono, als Kanon oder mehrstimmig ge- tanzt von einer gemischten Reihe die eine der Figuren sungen, ob getanzt oder instrumental begleitet – zum der Farandôle ausführen und den Refrain des Liedes Juwel machen, zu einem lebenslangen Schatz, den es mitsingen. Die Carole, ein gesungener Reigentanz, zu bewahren gilt. war bis zum 14. Jahrhundert in ganz Frankreich ver- Solch singenden, klingenden Schatz über alle modi- breitet. schen Tendenzen hinweg an die Kinder weiter zu ge- In Thoinot Arbeaus „Orchésographie“ (Lengres 1588) ben, sollte uns Auftrag und Verpflichtung sein. findet sich die wohlbekannte Pavane à quatre par- ties (Superius, contratenor, tenor, bassus & battement Christiane Wieblitz du tambour) „Belle qui tiens ma vie“. Der Autor hat Volks- und Realschullehrerin, Musik- und Tanz- sieben Strophen aufgezeichnet „solltet ihr einmal das pädagogin. Von 1970 bis 1999 Lehrerin am Orff-In- ganze Lied singen wollen“, doch wurde der Tanz auch stitut. Arbeitsschwerpunkte: Methodik der Kinder- mit Instrumenten begleitet. stimmpflege, Kinderchorleitung, Kreativer Kinder- Im Cinquecento in Italien finden wir die Canzoni a tanz, Lehrübung (Mutter-Kind-Gruppen, Musikali- ballo oder Ballate, zu denen zwar kaum konkrete sche Früherziehung, Musikalische Grundausbildung, Tanzformen bekannt sind, deren Charakter jedoch Seniorengruppe). Internationale Kurstätigkeit. Auto- eindeutig auf bestimmte Tanzrhythmen wie z. B. den rin zum Thema Kinderchor (s. S. 28 und S. 91). Saltarello schließen lässt. Um 1600 gibt es dann im- mer mehr Sammlungen wie z. B. die „Balletti per

33 Cantare, Sonare e Ballare“ mit Kompositionen von Auch in den fremdsprachigen Ausgaben finden sich Orazio Vecchi und Giovanni Gastoldi oder die Trat- Schätze an Liedern zum Tanz. tati von Fabritio Caroso und Cesare Negri die einige Das Singen im Kanon ist seit dem 13. Jahrhundert der bekanntesten und beliebtesten Lieder solcher schriftlich belegt. Kanons auch zu tanzen fiel Georg Sammlungen wie z. B. „So ben mi chi ha buon Götsch ein. Das Vorwort zu seinem Fritz Jöde gewid- tempo“ als Balletti choreographiert haben. meten Geselligen Tanzbuch „Tanzkanons“ (1950) be- Lieder zum Tanzen gibt es in allen Kulturen. Es sind ginnt so: „Wundert es jemand, daß wir Kanons tan- einerseits die Texte die thematisch mit Tanz und Fei- zen? Ist es nicht verwunderlicher, wenn man sie nicht ern zu tun haben, immer aber auch ihre rhythmische tanzt?“ Seine Tanzformen sind Aufzüge sowie Kreis- Struktur (Polka, Walzer, Mazurka, Zwiefacher etc.) und Reihenaufstellungen deren polyphone Bewe- die den Charakter bestimmen. Häufig sind es Paar- gungsformen teilweise von Figuren Alter Kontratänze tänze, auch in der Gruppe, während in den Balkanre- inspiriert sind. Ich habe selbst im Laufe vieler Jahre gionen sowie in Südosteuropa es meist von Frauen Tanzkanons erfunden, von einfachen Formen mit we- gesungene Kreis- oder Reihentänze sind. Manchmal nig Fortbewegung für Kinder- und Laiengruppen bis findet sich die traditionelle zweiteilige Form, der A- hin zu komplexen Choreographien mit größeren Teil vokal mit ruhigen Bewegungen, der B-Teil in- Raumwegen für Chöre. Das bewegte vielstimmige strumental und lebendig. Singen hat einen besonderen Reiz. Nehmen wir als Beispiel Regionen Afrikas südlich Nach diesem kurzen Eiblick in die historische und der Sahara. Das Singen ist nie statisch, es ist immer ethnologische Tradition bleibt noch der Soziale Tanz mit Bewegung verbunden, manchmal nur mit rhyht- zu erwähnen. Die Paartänze, die zu sehr bekannten, mischen Körperbewegungen oder Schritten am Platz, zum Teil durch Film- und Musicalproduktionen ver- ein andermal eine Wiegebewegung zu einem Schlaf- breiteten Liedern der jeweiligen Zeit in Mode waren lied oder auch Arbeitsbewegungen zu entsprechenden wie z. B. „Cheek to cheek“ (Foxtrott), „Let’s Twist Liedern, oft aber auch tänzerische oder darstellende again“ oder „Rock around the clock tonight“. Später Bewegung. kamen dann die sog. Modetänze in Reihenform wie Diese natürliche Ausdrucksform führt uns zu den „Pata pata“ (Miriam Makeba) in den 60-er Jahren, der Spielliedern und Kindertänzen wo Text, Geste und Ententanz (Dance Little Bird) in den 80-ern, „Maca- Bewegung eng verknüpft sind: Klatsch- und Hand- rena“ (Los del Río) in den 90-ern oder der letzte spiele, Kreis- und Reigentänze, Kettenformen, Rei- Internethit „Horse Dance“ des koreanischen Rap- hen oder zwei Reihen gegenüber, Solisten und Nach- pers Psy. ahmung, Pantomime und Gesten. Da die Kinder meist In der Arbeit mit Kindern, Jugendlichen und Er- im Freien und unter sich spielen sind alle diese Spiele wachsenen stelle ich immer wieder fest, dass das Sin- und Tänze gesungen (bzw. zum Teil rhythmisch ge- gen zum Tanz (natürlich auch die stimmliche Impro- sprochen). Das traditionelle Liedrepertoire wurde je- visation zur eigenen freien Bewegung) für die mei- doch in den letzten Jahrzehnten immer mehr von sten zunächst kompliziert erscheint, nach einiger kommerziellen Liedern verdrängt, da Kinder immer Übung aber immer mehr Freude macht. Es verbindet weniger in den Schulpausen, auf dem Hof oder dem uns mit unserem eigenen Atem und Ausdruck und Dorfplatz spielen. Nur in Gegenden wo Kinder wenig gleichzeitig mit denen, die mit uns zusammen tanzen Spielzeug und keinen Zugang zu den neuen Medien und singen. haben, spielen sie noch improvisiert miteinander und machen dazu ihre eigene Musik. Verena Maschat Orff und Keetman haben mehrere dieser traditionellen A-Studium am Orff-Institut, Aufbau und Leitung Tanzlieder in „Musik für Kinder“ aufgenommen. Die einer Musikschule in Malta, Assistenzprofessur am bekanntesten sind wohl „Tanz, Mädchen, tanz“ (OS Orff-Institut 1977–93. Derzeit freischaffende Musik- II/24), „Kommt und laßt uns tanzen, springen“ (Me- und Tanzpädagogin in Madrid, Spanien. Internatio- lodie aus dem 13. Jh.) (II/84), „Tanzlied“ (III/77 und nale Kurstätigkeit. Seit 2003 verantwortlich für den 118) und „Ich hab’ die Ros’ an meinem Fuß“ (IV/22). Bereich Tanzerziehung und Kreativer Tanz an der

34 Tanzhochschule in Madrid. Pro Merito 2006 der Carl the group – while in the Balkan regions and in South- Orff-Stiftung Diessen, Deutschland. Veröffentlichun- east Europe they are mostly sung by women in circle gen zur Musik- und Tanzpädagogik. or line dances. Sometimes one finds a traditional two- part form, the A part being sung with a quiet move- ment and the B part played instrumentally with more Dances to Sing, Songs to Dance liveliness. Let’s take an example from the African region south Accompanying rituals with song and dance is as old of the Sahara. The singing is never static but always as mankind. The voice as the first instrument and bound together with movement – sometimes only hand and feet for rhythmic accents, later on simple rhythmic physical movement or stepping in place – a instruments, build the musical basis for dance. rocking movement to a lullaby or work-like move- The first written dance songs come from the tradition ments to particular songs and often with more dance- of the Troubadours in Provence during the 12th and like or representative movements. 13th centuries, the best known being Kalenda Maya These natural forms of expression lead us to the play and the Farandôle “A l’entrada del tens clar”. They songs and children’s dances where the text, gestures can be found among the numerous documents of me- and movements are closely bound together: clapping dieval music. The fresco of Lorenzetti (1338) painted and hand games, circle and line dances, chains, lines in the city hall of Siena, shows a dance scene in the or two lines facing each other, solo and imitation, city square. A singer with a tambourine is surrounded pantomime and gesture. Because the children play by a mixed line performing one of the figures of mostly outdoors and by themselves, all of these games Farandôle and singing the refrain of the song. The and dances are sung or partly spoken rhythmically. Carole is a singing circle dance that spread through Sadly the traditional repertoire of songs has been all of France during the 14th century. more and more suppressed during the last decades by In Thoinot Arbeau’s “Orchésographie” (Lengres commercial songs because children play less during 1588) one finds the well known Pavane à quatre par- the school recesses or in the community squares. It is ties (Superious, contratenor, tenor, bassus & batte- only in the regions where children have few playthings ment du tambour) “Belle qui tiens ma vie”. The au- and no access to new media that they can still impro- thor presents seven verses “should you want to sing vise with each other and make their own music. the whole song at any time” – even though the dance Orff and Keetman have included several of these was also accompanied with instruments. dances in the Schulwerk. The most well-known are During the Cinquecento in Italy we find the Canzoni “Tanz Mädchen Tanz” (OS II/24), “Kommt und laßt a ballo or Ballate which has no known concrete dance uns tanzen, springen” (with a melody from the 13th form but whose character can be attributed to a def- century) (OS II/84), “Tanzlied” (OS III/77 and 118) inite dance rhythm like for example, the salterello. and “Ich hab’die Ros’an meinem Fuß (OS IV/22). Around 1600 there were more and more collections, [All of the Orff Schulwerk references are to the Ger- for example the “Balletti per Cantare, Sonare e Bal- man original editions.] In the editions in other lan- lare” with compositions by Orazio Vecchi and Gio- guages there is also a treasure-chest of songs for vanni Gastoldi or the Trattati by Fabritio Caroso and dancing. Cesare Negri who choreographed a few songs from Singing in canon has also been documented since the these collections as Balletti, one of the most well 13th century. Georg Götsch accumulated canons to known and loved being “So ben me chi ha buon dance to. The forward to his festive dance book tempo”. “Tanzkanons” dedicated to Fritz Jöde in 1950 begins: There are songs for dancing in all cultures. Some “Is anyone surprised that we dance canons? Isn’t it have themes to do with dance and celebration always amazing that one does NOT dance them?” His dance along with a rhythmic structure that determines the forms were processional dances as well as circle and character (polka, waltz, mazurka, Zwiefacher etc.). line dances in which the polyphonic movement forms Very often they are dances for couples – also within have been partly inspired by figures from early con-

35 tra dances. During the course of many years I have also choreographed many dance-canons from those Lieder im Kontext von with simple forms and less movement for children and Geschichten am Beispiel des lay groups to those with complex choreographies with a greater use of space for choirs. Movement to many- Märchens Rumpelstilzchen voiced singing has a particular appeal. After this short glimpse into the historical and ethno- logical tradition, social dance has to be mentioned. Couple dances extremely well known because of songs coming from films and musicals of the times in fashion were e.g. “Dancing cheek to cheek” (Foxtrot), “Let’s twist again” or “Rock around the clock”. Later the so-called popular dances in lines like “Pata pata in the 60s (Miriam Makeba), Duck Dance (Dance little bird) in the 80s, “Macerena” (Los del Río) in the 90s or the latest internet hit “Horse Dance” from the Korean rapper Psy have taken hold. Ulrike Meyerholz When working with children, teenagers and adults I have always discovered that singing to the dance (and Es war einmal ein Müller, der war arm, aber er of course improvising with singing when moving hatte eine schöne Tochter. Nun traf es sich, dass freely) seems at first complicated for most people but er mit dem König zu sprechen kam, und um sich after a little practice is much more enjoyable. It con- ein Ansehen zu geben, sagte er zu ihm: „Ich habe nects us to our own breathing and expression and at eine Tochter, die kann Stroh zu Gold spinnen!“ the same time with those who are dancing and singing So beginnt das Märchen Rumpelstilzchen. 13 Studie- with us. rende der Elementaren Musikpädagogik an der Mu- sikakademie Kassel beschäftigten sich ein Semester Verena Maschat mit dem bekannten Grimm’schen Märchen. Zum Ju- Teaching diploma from the Orff Institute. After setting biläumsjahr „200 Jahre Kinder- und Hausmärchen“ up and directing the school of Music in Malta, Assis- der Gebrüder Grimm, das im Dezember 2012 startete, tant Professor at the Orff Institute, 1977–93. wurde die Gruppe eingeladen, das Grimm’sche Mär- Presently free-lance teacher of Music and Dance Ed- chen zu bearbeiten und als Bühnenstück für Vor- und ucation based in Madrid, Spain. International lec- Grundschulkinder aufzuführen. Wichtige Ziele wa- turer. Since 2003 in charge of the area "Educational ren: Verwendung des originalen Märchentextes in der Dance" in the Dance Pedagogy programme at the Bühnenbearbeitung, aktive Beteiligungsmöglichkei- Royal Conservatory of Dance in Madrid. Pro Merito ten des Publikums, Musikvermittlung durch live ge- Award 2006 of the Carl Orff-Foundation Diessen, spielte Musik und Mitsingmöglichkeiten bei eingän- Germany. Author of various publications in music gigen Liedern und Refrains. Die Kinder sollten Ta- pedagogy. schenlampen mitbringen, was zusätzlich die Vor- freude und Neugier auf das Bühnenereignis steigerte. Um diese Ziele zu verfolgen bietet das Märchen eine Menge von Möglichkeiten. Zu „Schirazula Mara- zula“, einem Ohrwurm aus dem 16. Jahrhundert, wurde die Geschichte mit einem prachtvollen Aufzug der kostümierten Mitwirkenden eröffnet. Die Gruppe bewegte sich zügig über die Bühne und konnte dazu mit Gitarre, Klarinette, Geige, Blockflöte und Schel- lentrommel musizieren.

36 Um die Kinder im Publikum direkt anzusprechen, zu- Das Lied „Wie soll ich das denn schaffen?“ in d-moll sätzlich aber auch dem originalen Märchentext Raum drückt diese ausweglose Situation aus. Intensiv wurde zu geben, wurden zwei unterschiedliche Ansätze für in der Studierendengruppe über die Melodieführung Moderatorinnen entwickelt: Eine klassische Mär- diskutiert und welche Auswirkungen kleine Melo- chenerzählerin entfaltete den Zauber der Geschichte dieänderungen auf die Aussagekraft des Liedes ha- über eine ausdrucksstarke Wiedergabe des originalen ben: Wenn die Melodie sich im zweiten Takt nach Märchentextes. Daneben gab es eine frech fragende oben bewegt, klingt es mehr wie eine Frage, wie sie Moderatorin, die den Verlauf des Märchens unter- im Text vorgegeben ist. Geht der Melodieverlauf in bricht, mit dem Publikum kommuniziert, nachhakt der Version II in Takt acht nach oben, ergibt sich eine und Interaktionen mit den Zuschauern anleitet. deutliche Aufforderung, den zweiten Teil des Liedes noch einmal zu wiederholen. Gleich zu Beginn des Märchens spitzt sich die Situa- Schnell war man sich auch über eine schlichte Gitar- tion für die Müllerstochter katastrophal zu. Die Mär- renbegleitung einig.

chenerzählerin berichtete dies und die Darsteller von Durch das Erscheinen des Rumpelstilzchens gibt es König und Müllerstochter treten auf: wieder Hoffnung für die Müllerstochter. Die Mode- ratorin forderte die Kinder im Publikum auf, die Ar- Als nun das Mädchen zum König gebracht ward, beit des Männleins zu unterstützen. Sie stellte das führte er es in eine Kammer, die ganz voll Stroh Lied „Schnurr, schnurr, schnurr“ vor, das den origi- lag, gab ihr Rad und Haspel und sprach: „Jetzt nalen Märchentext leicht verändert aufgreift. Der re- mache dich an die Arbeit, und wenn du diese gelmäßige Wechsel zwischen d-moll und C-Dur er- Nacht durch bis morgen früh dieses Stroh nicht zeugt eine Spannung zwischen der ansteigenden Me- zu Gold versponnen hast, so musst du sterben.“ lodie und der Begleitung, die das eifrige Tun des Darauf schloss er die Kammer selbst zu, und sie Rumpelstilzchens am surrenden Spinnrad musika- blieb allein darin. lisch ausdrückt.

37 das Rumpelstilzchen Stroh zu Gold mit Unterstützung des Publikums und von jetzt drei Goldtänzerinnen. Der König hielt sein Versprechen und heiratete die Müllerstochter. Im Bühnenstück wurde die Hochzeit mit Musik und Tanz gefeiert, die Darsteller musizier- ten und tanzten „Sellenger’s Round“ (John Playford). Die Märchenerzählerin berichtete: Über ein Jahr brachte sie ein schönes Kind zur Nun war die Melodie gefestigt und die Kinder konn- Welt und dachte gar nicht mehr an das Männ- ten dazu endlich mit ihren mitgebrachten Taschen- chen. lampen leuchtende Kreise ins Dunkel der Bühne Die Königin wiegte ihr Kind und sang das russische zeichnen und damit das Goldspinnen unterstützen. Wiegenlied „Babuschki baju“, zart von einer Gitarre Auch die Möglichkeit, das Lied als Kanon zu singen, begleitet. Rumpelstilzchen erschien und forderte von faszinierte die Kinder im Publikum. der Königin das Kind. Sie bot ihm alles was sie hat, Wie sollte jedoch die Entstehung des Goldes darge- wenn sie ihr Kind behalten dürfte, aber Rumpelstilz- stellt werden? Durch Tanz zu einer Goldmusik! Zu- chen erwiderte: sätzlich über dem schnurrenden Spinnradlied erklang „Nein, etwas Lebendes ist mir lieber als alle auf Glockenspielen und Metallophonen die glitzernde Schätze der Welt!“ Goldmusik: Nachdem die Königin bat und bettelte ließ sich Rum- pelstilzchen erweichen und sagte: „Drei Tage will ich dir Zeit lassen, wenn du bis dahin meinen Namen weißt, so sollst du dein Kind behalten.“ Nun besann sich die Königin die ganze Nacht über auf alle Namen, die sie je- mals gehört hatte, und schickte einen Boten über Land, die sollten sich erkundigen weit und breit, was es sonst noch für Namen gäbe. Bedienstete der Königin kamen und stellten in einem Namen-Rap alle Namen vor, die sie gefunden hatten. Aber der richtige Name war nicht dabei. Den dritten Tag kam der letzte Bote wieder zurück und erzählte: „Neue Namen habe ich kei- Eine Tänzerin im glitzernden Paillettenkleid tanzte nen einzigen finden können, aber wie ich an mit goldenen Tüchern und überzog die Strohballen einen hohen Berg um die Waldecke kam, wo auf der Bühne mit Goldglanz. Fuchs und Has’sich gute Nacht sagen, so sah Der goldgierige König war nach der ersten Nacht ich da ein kleines Haus, und vor dem Haus noch nicht mit der Goldmenge zufrieden und auch in brannte ein Feuer, und um das Feuer sprang ein der zweiten Nacht half Rumpelstilzchen der Müller- gar zu lächerliches Männchen, hüpfte auf einem stochter. Abermals erklang das Lied „schnurr, Bein und schrie: ,Heute back ich, morgen brau schnurr, schnurr“, das die Kinder im Publikum wie- ich, übermorgen hol ich der Königin ihr Kind; dererkannten und mitsangen. Auch das Kreisen der ach, wie gut ist, dass niemand weiß, dass ich Taschenlampen wurde nicht vergessen. Nun tanzten Rumpelstilzchen heiß!‘“ Da könnt ihr denken, zwei Goldtänzerinnen die Verwandlung von Stroh zu wie die Königin froh war, als sie den Namen Gold. In der dritten Nacht verlangte das Rumpelstilz- hörte, und als bald hernach das Männlein her- chen das erste Kind der Müllerstochter, da sie nichts eintrat und fragte: „Nun, Frau Königin, wie heiß anderes mehr hatte, das sie ihm geben konnte. Die ich?“ fragte sie erst: „Heißest du Kunz?“ Müllerstochter willigte ein und ein drittes Mal spann „Nein.“ – „Heißest du Heinz?“ – „Nein.“ –

38 „Heißt du etwas Rumpelstilzchen?“ – „Das hat Versionen entstanden zu diesem Lied: Die erste in d- dir der Teufel gesagt, das hat dir der Teufel ge- moll war zu schwermütig und nicht geeignet, das Pu- sagt“, schrie das Männlein und stieß mit dem blikum beschwingt nach Hause zu entlassen. Die rechten Fuß vor Zorn so tief in die Erde, dass es zweite Version mit einem regelmäßigen Wechsel von bis an den Leib hineinfuhr, dann packte es in sei- C-Dur nach d-moll hatte nicht genügend Spannung ner Wut den linken Fuß mit beiden Händen und und Ausdruckskraft, während die dritte Version, eine riss sich selbst mitten entzwei. stattliche Ballade, von der Mehrheit der Gruppe fa- In der Bühnenfassung schrie und tobte das Rumpel- vorisiert wurde. stilzchen bis die Bediensteten der Königin eine Decke über ihn warfen und das weiterhin schreiende und Ulrike Meyerholz zappelnde Rumpelstilzchen hinter die Bühne brach- 1977–81 Studium der Musik- und Tanzerziehung am ten. Orff-Institut, Salzburg. Seit 1981 in Kindergärten und So abrupt endete das Märchen und jeder im Publikum Musikschulen im Bereich der Musikalischen Früher- blieb einen Moment mit seinen Gedanken allein. Um ziehung tätig, sieben Jahre Lehrtätigkeit an der Fach- dem Bühnenstück jedoch ein versöhnliches Ende zu schule für Sozialpädagogik Evangelisches Fröbel- geben, besprach die Moderatorin den Ausgang der seminar Kassel, seit 1992 Lehraufträge an der Uni- Geschichte mit den Kindern: „Rumpelstilzchen hat versität Kassel in der Fachrichtung Musik. Fortbil- der Königin drei Mal aus größter Not geholfen! Und dungsseminare im In- und Ausland, Autorentätigkeit. jetzt hat es sich vor Wut mitten entzwei gerissen? Für Seit 2003 Vorstandsmitglied der Orff-Schulwerk Ge- mich ist das ganz schön ungerecht! Aber wenn ich es sellschaft Deutschland. mir richtig überlege, am Schluss der Geschichte hat es übertrieben! Es hat mit dem Leben des Königs- kinds einfach zu viel von der Königin verlangt! Das Summary Kostbarste auf der Welt ist das Leben.“ Songs in the Context of Stories using the “Rumpel- Dieser Gedanke wurde im Abschlusslied „Das Leben stiltskin” Fairy Tale as an Example: ist kostbar“ aufgegriffen und von allen Darstellern ge- A group of 13 Elemental Music Pedagogy students at meinsam gesungen und musiziert. Viele verschiedene the Music Academy in Kassel worked for a semester

39 on the well-known brothers’ Grimm fairy tale of “Rumpelstiltskin”. This was part of the Jubilee Year Das Coole am „Coolen Auto-Song“ marking “200 years of Children and Folk Tales” of the brothers Grimm. The group developed a stage piece for pre-school and primary school children us- ing the original text, creating possibilities for active participation of the audience, playing live dance mu- sic and offering “sing along” opportunities through the use of catchy songs and choruses. To appeal directly to the children in the audience, but at the same time to give the story text its due space, different parts were allotted to two presenters: one Katrin Rohlfs fairy-story-teller who unfolded the magic of the tale in „Oh, Frau Rohlfs, das Lied ist so cool, wann können carefully chosen language, and one cheeky presenter wir das mal wieder singen?“ Wenn so ein Satz fällt, who kept interrupting the flow of the story, communi- klingt das wahrlich wie Musik in den Ohren. Da habe cating with the members of the audience and leading ich es also doch geschafft, eine Gruppe halbfreiwillig the interaction with them. teilnehmender junger Menschen für ein kleines Lied Songs such as “Spin, spin, spin”, the lullaby zu begeistern, das ihnen jetzt als Ohrwurm nachhal- “Babushki baju”, a name rap and the dance “Sell- tig durch den Kopf schwirrt! Und ich habe ein Lied enger’s Round” were the most important musical komponiert, das weiter leben, weiter klingen und ge- building blocks. sungen werden darf. Eigentlich ist das doch das beste The production of the gold was represented by a Lob, was ich von den Studierenden der Fachakade- dance to “gold music”: over the whirring spinning- mie für Sozialpädagogik erhalten kann! Die Bitte der wheel song one heard the glittering gold music on Studierenden um Wiederholung heißt vielleicht: Das glockenspiels and metallophones while a dancer in a Singen hat Spaß gemacht, ich hatte Freude am Sin- sparkling sequin dress danced with golden scarves gen, am Lernen, am Musizieren, die Musik ist schön, and sprayed the bales of straw with gold glitter. gefällt mir, rührt mich an. To give the piece a placatory finish the presenter dis- Schauen wir doch zurück. Was könnte ausschlagge- cussed the ending of the story with the children and bend gewesen sein, dass das Lied so gut angenommen provided a thoughtful rounding off with everyone wurde? singing the song “Life is precious”. Das Lied ist meiner Großmutter gewidmet. Wenn sie Ulrike Meyerholz mit ihrem Cabriolet mit offenem Verdeck über kleine studied Music and Dance Education at the Orff Sträßchen durch das Land fahren konnte, war sie mei- Institute, Salzburg from 1977 until 1981. Has been stens allerbester Laune. Der „Coole Auto-Song“ teaching early music education in kindergartens and greift das Freiheitsgefühl einer fröhlichen Autofahrt music schools since 1981. Taught on the training auf. Ist der Song zu Ende, geht er wieder von vorne course for social studies (Fachschule für Sozialpäda- los, immer wieder, im Swing und Jazz-Stil. gogik Fröbelseminar) for seven years, has been a Ich erzähle den Studierenden, sie sollen sich vorstel- lecturer in the music department at the University of len, jemand sehr Netter hat ihnen ihr Traumauto ge- Kassel since 1992. Teacher on national and interna- schenkt – es steht vor der Tür. Welche Automarke tional in-service courses, author. Member of the wäre das? Citroen und BMW, Mercedes Benz Coupé board of the Orff-Schulwerk Association in Germany – und was den Studierenden so einfällt, rappen wir zu since 2003. einem Grundbeat. Eine improvisierte Auto-Geräusch- Collage wärmt die Stimme auf und dann anschnallen, im Navi das Ziel eingeben, Motor an, ausparken – los geht die Fahrt. Musikalisch bedeutet das, einen klei-

40 nen Rhythmus zu schnipsen und zu patschen (der mu- treten, ist eine endgültige Befriedigung nicht möglich. sikalische Blinker), zu dem ich den „Coolen Auto- So sind sie dafür verantwortlich, dass der Mensch Song“ singe. Nach zwei Durchgängen ertönt das sich immer weiter entwickeln möchte, um diese Navi. Die Studierenden haben einen riesigen Spaß Grundbedürfnisse zu befriedigen. Die drei Grund- daran, die wegweisenden Ansagen des Geräts zu imi- bedürfnisse sind Kompetenz, Autonomie und soziale tieren – rhythmisch zur Blinkermusik, versteht sich. Einbindung. Intrinsische Motivation kommt Zu- Jede Studierende kann in ihrem Solo den weiteren stande, wenn die Verwirklichung dieser drei Grund- Verlauf der fiktiven Autofahrt bestimmen, und da- bedürfnisse angestrebt wird. Wenn Teilnehmende zwischen klingt der „Coole Auto-Song“. Am Schluss Spaß am Tun haben, sich selbst einbringen und mit- singen alle mit, es geht sogar im Kanon. Und wir sind gestalten können, sie die Lernmaterie als Herausfor- ganz schön durch die Gegend geirrt. derung erkennen und sie die Tätigkeit um ihrer selbst Nicht nur die Rückmeldung einige Wochen später, willen tun, sind sie intrinsisch motiviert. Bei der ex- sondern auch die Atmosphäre in der Gruppe, das Su- trinsischen Motivation hingegen ist das Ziel, eine Ge- chen nach immer ausgefalleneren Navi-Texten, das genleistung für das Geleistete zu erhalten oder eine freudvolle Mitsingen und die Bitte um Wiederholung Strafe zu vermeiden. Das Handeln ist motiviert von lassen mich annehmen, dass ich die Ziele „Freude am der Aussicht auf äußere Belohnung, z. B. einer guten Singen“ und „Schaffen und Erlernen eines ‚Gesamt- Note oder Geld zu verdienen. kunstwerks‘ aus Sprache, Körperperkussion und Ge- sang“ erreicht habe. Das Grundbedürfnis Kompetenz Mit der Selbstbestimmungstheorie nach Edward L. Die grundlegenden Fähigkeiten der Teilnehmenden Deci und Richard M. Ryan (1993) ist es einen Ver- spielen eine entscheidende Rolle. Eine gelungene such wert, die oben beschriebene Situation zu durch- Lernsituation braucht ein optimales Anforderungsni- dringen und zu reflektieren, welche Faktoren wohl zu veau. Vom aktuellen Anforderungsniveau ausgehend der gelungenen Lernsituation beigetragen haben. Die darf ein Input weder zu schwer noch zu leicht sein. Frage also: Bei der Auswahl eines Liedes ist also sowohl auf Her- ausforderungen zu achten, als auch darauf, dass das Welche Handlungen seitens der Lehrenden Lied im angestrebten Zeitraum lernbar ist oder zu- beeinflussen die Motivation der Teilnehmenden mindest das Gefühl entsteht, dass es bald erlernt wer- positiv? den kann. Ohne eine Zielgruppe zu kennen, ist eine Ganz konkret: Bei der Vermittlung eines Liedes? Deci Liedauswahl auf jeden Fall immer ein Tappen im und Ryan leiten auf Grundlage der Bedürfnispyra- Dunkeln mit Risiko. Textmenge, Sprachniveau, Me- mide nach Abraham Maslow (1945) drei psychologi- lodieverlauf, Form, rhythmischem Anspruchsniveau, sche Grundbedürfnisse des Menschen ab. Diese sind Ambitus, Länge, Lage – all das sind Auswahlkrite- angeboren und universell. Da sie immer wieder auf- rien, die ein genaues Hinschauen verlangen. Ent-

41 scheidend ist aber auch die Gestaltung der Lern- ben bedeutet, seine Verhältnisse selbst zu regeln. Im schritte. Selbst ungeübte Ohren hören sehr schnell, ob psychologischen Kontext sind damit meist der Ge- das Ergebnis der Anforderung gelungen oder missra- staltungs- und Handlungsspielraum oder die Gestal- ten ist. Das lässt sich nicht planen, hier steht die ver- tungs- und Handlungsfreiheit gemeint. mittelnde Person im Dialog mit der Gruppe. Mit wa- In einer Unterrichtssituation der Elementaren Musik- chen Ohren wird das Ergebnis überprüft und daraus und Tanzpädagogik haben wir nun eine ganze Band- blitzschnell die nächste Handlung angebahnt. Wie- breite an Möglichkeiten, diesem Grundbedürfnis ent- derholung oder neuer Input? Nur Melodie oder nur gegen zu kommen. „Elementar“ – von Carl Orff de- Text? Sprechen oder singen? finiert – bedeutet „erdnah, naturhaft, körperlich, für Der „Coole Auto-Song“ ist genau sechs Takte lang, jeden erlern- und erlebbar, dem Kinde gemäß“ enthält zwei Mal einen synkopierten Rhythmus und (1963)1. Gehen wir der Natur des Menschen – nicht wird im Swing gesungen. Er besteht aus einem Satz, nur des Kindes – nach, dann bedeutet Autonomie je der partiell wiederholt wird. Englische Wörter wech- nach Mensch etwas Anderes und nicht nur je nach seln sich mit deutschen ab, die Textmenge ist auf Mensch, sondern auch je nach Situation. Ein Klein- zehn Wörter begrenzt. Die Melodie bewegt sich in kind kann seine Bedürfnisse noch nicht so gut selber einer mittleren Lage und fällt zum Schluss ab, sodass regeln wie ein junger Erwachsener in der Ausbildung. ein Ambitus von einer Oktave entsteht. Die Lage des Motorische und kognitive Fähigkeiten bestimmen die Liedes kommt den Studierenden entgegen. Keine Fähigkeit zur Selbständigkeit. wird sich beschweren, das Lied sei zu hoch oder zu So ergibt sich für mich Möglichkeit, das Bedürfnis tief, denn es geht nur von a zu a‘. nach Autonomie der Teilnehmenden im Makro- und Interessant wird das Lied im Kanon, es entstehen im Mikrobereich zu berücksichtigen. Bei der Lied- Septen im Zusammenklang, die dem Lied den Blues- vermittlung des „Coolen Auto-Songs“ habe ich den charakter geben. Takt 3 und 5 ergeben Komplemen- Mikrobereich gewählt. Die Mitbestimmung und Ent- tärrhythmen. scheidungsfreiheit liegt in den Improvisationsaufga- Die Einschätzung des Liedes in Bezug auf meine ben. Die Studierenden haben hier Spielraum, die Mu- Gruppe führt zu der Erkenntnis, dass ein ganzheitlich- sik, das musikalische Ergebnis mitzubestimmen und analytisches Vorgehen zielführend ist. Die Studieren- damit zu ihrem Eigenen zu machen. Den Text des den lernen das Lied, wenn ich es ihnen oft genug ganz Navigationsgerätes bestimmt im Laufe der Zeit die vorsinge – Text und Melodie müssen nicht getrennt Gruppe, damit auch den Verlauf der virtuellen Reise, vermittelt werden, kein rhythmisches Element muss also den Inhalt der Geschichte und das musikalische vorbereitet werden. Allerdings geht mit dem Vorsin- Ergebnis. gen ein stabiler Grundbeat (Bodypercussion) einher, Einen weiteren Gestaltungsfreiraum ergibt eine ab- der die synkopierte Rhythmusstruktur klarstellt. schließende Aufgabe zur Form. Wie soll das ‚Ge- Auch Aufgabenstellungen im kreativen Bereich müs- samtkunstwerk’ aufgebaut sein? Vorschläge werden sen eingegrenzt werden, damit ihr Rahmen genau ausprobiert und ausgewertet. Einzelne Teilnehmende dem Anspruchsniveau entspricht. In diesem Fall gibt hören zu, geben Feedback zur Wirkung. Die Idee der es zwei kreative Aufgaben: Das Finden von Auto- Form wird durchdacht und das Urteilsvermögen ge- marken – rhythmisch gesprochen, also gerappt: ein schult. Wort im Rhythmus gesprochen. Als Steigerung: das Ich habe die Studierenden nicht mitbestimmen lassen, Erfinden eines Navi-Textes – mehrere Sätze rhyth- ob wir in dieser Stunde überhaupt singen, wenn ja, misch gesprochen. welches Lied und in welcher Weise. Das wäre der Ma- krobereich. Meiner Erfahrung nach ist es von Vorteil, Das Grundbedürfnis Autonomie diese Entscheidungswege vor allem dann mit einer Autonomie von griechisch „autonomia“ heißt, sich Gruppe zu gehen, wenn es sich um größere Projekte selbst Gesetze gebend, selbständig sein. Je nach Zu- handelt, die auch in die Öffentlichkeit gehen. sammenhang kann es auch Unabhängigkeit und Ent- Auch das Ziel ist entscheidend. Wenn es relevant ist, scheidungsfreiheit bedeuten. Sich selbst Gesetze ge- dass eine Gruppe ein Lied lernt, wäre es wenig ziel-

42 führend, diesen Prozess erst mal in Frage zu stellen. Interessenbereich der Teilnehmenden zu wählen. Ein Dennoch gibt es Gruppen, bei denen ich davon aus- cooles Auto geschenkt zu bekommen, ist für gerade gehe, dass sie das Lied nur lernen werden, wenn sie 18-jährige ein verlockender Traum. Die Vorstellung, sich freiwillig dazu entschlossen haben, es lernen zu damit durch die Gegend zu fahren, spricht nicht nur wollen. In diesem Fall ist die Mitbestimmung im Ma- das Freiheitsgefühl meiner Großmutter an. Swing und krobereich angebracht. Septakkorde tun ihr Übriges dazu. Hier wird also die Bandbreite der Möglichkeit zur Doch auch hier gibt es eine Makro-Ebene. Auch sie Mitbestimmung und Selbständigkeit deutlich. Es sind lässt sich aktiv beeinflussen, ist aber langfristig an- die Teilnehmenden und die Situation, die ausschlag- gelegt. Die soziale Struktur einer Klasse ist nicht in gebend für den Grad der Autonomie sind. einer Doppelstunde Musikunterricht allein zu lenken. Es geht um die übergeordnete Struktur der Einrich- Das Grundbedürfnis soziale Einbindung tung, die Grundstimmung des Miteinander-Agierens. Juliane Ribke2 geht von vier Grundbedürfnissen aus. Wertschätzung und Respekt voreinander, Anerken- An erster Stelle stehen dabei die soziale und psycho- nung von Bedürfnissen, Toleranz von Individualität logische Ebene. Mit der sozialen Ebene meint sie die und Eigenheiten, Bejahung von Ideen und Engage- Notwendigkeit, mit anderen in Kontakt zu treten. ment – das alles stärkt die soziale Einbindung und das Durch den Kontakt mit anderen Menschen entsteht ein psychische Wohlbefinden und wirkt sich letztendlich Außenbild, das sich regulierend auf das Selbstbildnis auf die Motivation und das Lernergebnis aus. Ob die auswirkt. Auf psychologischer Ebene spricht Ribke Studierenden den „Coolen Auto-Song“ gut und gerne von Achtung und Beachtung. Im weiteren Verlauf er- lernen und singen. klärt sie, dass motorische und musikalische Ziele erst Im Zentrum steht das Selbst mit seinen Interessen, dann erreicht werden können, wenn die soziale und Fähigkeiten und Bedürfnissen. Und wenn wir als Leh- psychologische Ebene abgesichert sind. Das steht im rende das uns gegenüber stehende Selbst verstehen, Widerspruch zu Deci und Ryan, die davon ausgehen, in seinen Bedürfnissen annehmen, Empathie zeigen dass Bedürfnisse niemals erfüllt werden und es immer und konstruktive Unterstützung beim Lernen geben, wieder der Aufmerksamkeit darauf bedarf. Für mich kann Lernmotivation und damit auch eine Sinnfin- trifft beides zu. Ich gebe gesonderte Aufmerksamkeit dung für das eigene Handeln entstehen. Also Lust, auf das psychische und soziale Wohlbefinden zu Be- auch jenseits des Unterrichts zu singen. ginn einer Unterrichtseinheit und ich muss natürlich auch im Laufe des Unterrichts für Wohlbefinden sor- Katrin Rohlfs gen. Am Anfang möchte ich jeder Teilnehmerin in die ist Pädagogin für Musik- und Bewegungserziehung. Augen geschaut haben und ich habe den Anspruch, Lehrt an der evangelischen Fachakademie für Sozial- dass jede jede einmal gesehen hat, wenn wir beginnen, pädagogik, München Musikerziehung und Rhythmik miteinander zu arbeiten. Ich möchte nach Möglichkeit (stellvertretende Schulleiterin) und an der Hochschule auch die Stimme einer jeden Teilnehmerin gehört ha- in Regensburg. Freiberuflich: Kinder- und Jugendli- ben. Auch eine persönliche Äußerung, ein kleines chenarbeit, Fort- und Weiterbildung von ErzieherIn- Pläuschchen haben ihren Platz. Gemeinsames Lachen nen und LehrerInnen, Regionalbetreuerin (München) – nicht erzwungen, aber wie wohltuend und verbin- der Orff-Schulwerk Gesellschaft Deutschland, Instru- dend ist es! Gegen einen Körperkontakt habe ich auch mentalpädagogin. nichts. Hände schütteln – welch eine wunderbare Ge- pflogenheit unserer Kultur! Das alles lässt sich auch musikalisch und in Bewegung verpacken. Jede nennt 1 Orff, Carl: Orff-Schulwerk – Rückblick und Ausblick. In: Hasel- ihre Lieblingsautomarke – und bringt sich damit ein bach, B. (Hg): Studientexte zu Theorie und Praxis des Orff-Schul- Stück weit persönlich ein. Alle hören zu und schauen werks, S. 147 (Schriftenreihe des Orff-Schulwerk Forums Salz- auf die Sprecherin. Der Klatscher auf die zweite Zähl- burg, Band 1) 2 vgl. Juliane Ribke: Elementare Musikpädagogik – Persönlichkeit- zeit geht in Nachbars Hände. sentwicklung als musikerzieherisches Konzept, ConBrio, Regens- Soziale Einbindung bedeutet auch, Inhalte aus dem burg 1995, S. 127–133

43 Summary needs are competence, autonomy and social integra- tion. These are innate and universal. Intrinsic moti- What’s cool about the “Cool Car Song” vation materializes when one strives for the realiza- “Oh, Frau Rohlfs, what a cool song! When can we tion of these three needs. If the participants are hav- sing it again?” ing fun with the activity, can create something them- When such a statement happens, that really sounds selves, recognize the learning material as challenging like music to my ears. I was actually able to create en- und and do it for their own sake, then they are intrin- thusiasm for a little song in a not-too-willing-to-par- sically motivated. ticipate group of young people that has now become a permanent “ear worm” buzzing through their The Basic Need for Competence heads. That was the best honour I had ever received The actual abilities of the participants play a decisive from my students at the professional academy for role. When choosing a song one must consider the Social Pedagogy. challenge that the song can be learned in a specific What could the decisive factor have been that made amount of time. The text, the level of the language, the the song so well received? melody line, form, aspired rhythmic level, the ambi- The song is dedicated to my grandmother. When she tus, the length, the range of pitch – all of these crite- could drive in her convertible with the open top over ria call for an exacting close look. Also decisive is the the small country roads she was in a very good mood. form of the learning steps. Here, the mediating per- The “Cool Car Song” grasps the feeling of freedom son has to be in dialogue with the group. during a happy car ride. The “Cool Car Song” is exactly six measures long, I tell the students to imagine that a nice person had contains a syncopated rhythm twice and is sung in a given them a present of a dream car.What make? Cit- swing style. It consists of one sentence, English words roën, BMW,Mercedes Benz Coupé – whatever the stu- are exchanged with German words. The melody is dents come up with, we rap to a ground beat. An im- keeping the ambitus within one octave from a to a1. provised car-noise collage warms up the voices and In canon the song is interesting. There are sevenths then: buckle up the seat belts, enter the destination in sounding together that give it a “blues” character. the GPS, turn on the motor, ease out of the parking Measures 3 and 5 produce complimentary rhythms. space and the drive begins. Musically that means to An evaluation of the song with reference to my group snap and clap a little rhythm (a musical blinker) over leads to the acknowledgement that a holistic-ana- which I sing the “Cool Car Song”. After a couple of lytical procedure leads to a goal. The students learn repetitions the GPS makes a sound. The students have the song when I sing it to them often enough – text a lot of fun imitating the vocal directions given by the and melody do not have to be taught separately, no gadget – still keeping of course, with the rhythmic rhythmic element has to be prepared beforehand. Of blinker sounds. Each student can determine the fur- course a stabile, underlying beat (body percussion) ther course of the fictitious car ride with a solo and goes with it making the syncopated rhythmic struc- in between the “Cool Car Song” is sung, even in ture clear. canon. There are two creative assignments: finding the It is worth using the “Self-determination Theory” ac- names of car companies rhythmically spoken – mean- cording to Edward L. Deci and Richard M. Ryan ing rapped: one word spoken in rhythm. As a pro- (1993), to follow through with the situation described gression: inventing the GPS text – more sentences above and to reflect on which factors had contributed spoken rhythmically. to the successful learning situation. The Basic Need for Autonomy What Activities on the Part of the Teacher Influ- The word “autonomy” comes from the Greek, “au- ence the Motivation of the Participants Positively? tonomia” and means to set the rules for oneself, it can Deci and Ryan guide us to the principles of Abraham also mean being independent and having the freedom Maslow’s pyramid of needs (1945): The three basic of choice. In a psychological context what is meant

44 mostly is the creativity and freedom of activity. In a tion and psychic well-being and have a final effect on teaching situation in Elemental Music and Dance motivation and the product of learning. Pedagogy we have a broad band of possibilities to When we as teachers understand the “self” that’s meet these basic needs. Looking at the nature of man standing opposite us, taking hold of its needs, show- – not only that of children – autonomy means some- ing empathy and giving it constructive support in thing different according to each person and the sit- learning, then the motivation to learn and with that a uation. Motoric and cognitive skills determine the purpose for one’s own activity can happen also well abilities for self-reliance. beyond the lesson! For me there are possibilities to consider the need for autonomy in the participants in both a macro and Katrin Rohlfs micro area. I did not allow the students to determine is a music and dance education pedagogue. She themselves if we should sing at all during this class teaches music education and rhythmics (substituting and if so, which song and in what way. That would for the school director) at the Protestant Academy for have been the macro area. I chose the micro area for Social Education in Munich and at the University in transmitting the “Cool Car Song”. The autonomy of Regensburg. Freelance work: working with children the students lies in the improvisation assignments. The and teenagers, advanced training and further educa- text of the GPS is determined by the group and with tion for kindergarten teachers and school teachers. that the course of the virtual trip – the content of the She is the regional representative for the Orff-Schul- story and the musical result. werk Association in Munich and also an instrumental teacher. The Basic Need for Social Integration Juliane Ribke starts with four basic needs. The first are the social and psychological levels. By these she means the necessity to come into contact with others. Ribke speaks of the psychological level as respect and acceptance. She explains that motoric and musical goals can only be achieved when the social and psy- chological levels are secure. This stands in opposition to Deci and Ryan who assume that needs never can be fulfilled and always need attention. For me, both are applicable. I give special attention to the psychic and social well being. At the beginning I like to look each participant in the eye wanting to have seen each of them once when we begin to work with each other. I also like to hear each one’s voice and what they have to say. Physical contact by shaking hands – what a wonderful custom of our country! All of that can be packed up musically and with movement. Social integration also means choosing contents in- teresting to the participants. To get a present of a cool car is for an 18 year old a tantalizing dream. The so- cial structure of a class cannot be channeled in two hours of music alone. It has to do with the greater structure of the facilities. Appreciation and respect for each other, recognizing needs, tolerance for individ- uality and idiosyncrasies, affirmation of ideas and engagement – all of these strengthen social integra-

45 Die Musik von Johann Sebastian Bach eignet sich wie SingBach – Ein Singprojekt mit kaum eine andere für das Singen mit Kindern. Nicht Grundschulkindern nur seine eigentlichen Vokalwerke, sondern auch seine Kompositionen für Instrumente sind von der menschlichen Stimme und dem Singen inspiriert. In den klaren Strukturen seiner Musik fühlen sich Kin- der sehr schnell sicher und geborgen und gewinnen Selbstvertrauen im eigenen Singen. Sie entdecken die Schönheit und Vielseitigkeit der Musik und den Schatz ihrer eigenen Stimme. Bei „SingBach“ lernen ca. 300 Drittklässler zehn Choräle, umgearbeitete Arien oder kindgerecht tex- Friedhilde Trüün tierte instrumentale „Hits“ von J. S. Bach und tragen diese bei einem Abschlusskonzert vor einem großen Gesang ist die eigentliche Muttersprache Publikum vor. Sie erleben dabei das Singen im Chor des Menschen. als ein erfüllendes, musikalisches Gemeinschaftser- (Yehudi Menuhin) lebnis. Mit „SingBach“ wird den Grundschulkindern ein altersgerechter und a(tra)ktiver Zugang zur „klas- Die Idee sischen“ Musik ermöglicht, die Freude an der eige- Was läge näher, als Kindern diese „Muttersprache“ nen Stimme geweckt und Chorsingen als Gemein- möglichst früh zu vermitteln? Sie sollte bereits mit schaftserlebnis spürbar gemacht. der Muttermilch aufgesogen werden, indem die El- tern schon ihren Babys und Kleinkindern beim Füt- Die Umsetzung tern, Kosen oder Schlafenlegen vorsingen. Im Kin- „SingBach“ wird in enger Zusammenarbeit mit dergarten sollten Lieder zum Tages- und Jahresablauf, Grundschulen, Lehrern und Eltern durchgeführt. Es Spiel- und Spaßlieder selbstverständlich zum Alltag nehmen jeweils etwa 300 Drittklässler an einem Pro- gehören. Und erst recht sollte die Schule sich dieser jekt teil. Dabei handelt es sich nicht um ausgewählte elementaren „Muttersprache des Menschen“ anneh- Schüler, sondern immer um ganze Klassen, d. h. es men. sind Kinder aus unterschiedlichen Kulturen und mit Tatsächlich treffen in einer Schulklasse Kinder mit unterschiedlichem Bildungshintergrund beteiligt. völlig unterschiedlichen (musikalischen) Vorkennt- Für das Einstudieren der Lieder haben sich zwei Va- nissen und Voraussetzungen zusammen. Sie haben rianten bewährt. Die Lehrkräfte haben die Möglich- verschiedene familiäre und soziale Hintergründe und keit bei einem Informationsabend das für sie entspre- stammen aus unterschiedlichen Kulturkreisen. Man- chende Modell auszuwählen: Zum einen gibt es das che haben in ihrem Leben schon viel gesungen und Modell „Projektwoche“, bei dem ich mit meinem musiziert, viele haben sich noch wenig in ihrer musi- Team aus geschulten Musikpädagogen eine Woche kalischen „Muttersprache“ geübt , obwohl ich – wie lang die komplette Einstudierung der Lieder über- YehudiMenuhin – überzeugt bin, dass das Singen je- nehme. dem in die Wiege gelegt ist. Man muss es nur tun! Bei dem anderen Modell „Erfolgreiche Zusammen- Denn Singen tut der Seele gut und es tut dem Spüren arbeit“ besuchen die beteiligten Grundschullehrer gut. Man lernt dabei viel, nicht nur über die Musik, zwei Einführungsseminare über das Singen mit Kin- sondern auch über sich selbst. Viele Studien belegen dern allgemein und die einzustudierenden Lieder und die gesundheits-, lern- und sprachfördernde Wirkung üben diese dann im Rahmen des regulären Unter- des Singens. Und Singen macht einfach Spaß! richts und des Klassenverbands über einen Zeitraum An dieser Freude an der Musik und am Singen von 10 bis 12 Wochen mit den Kindern ein. Mein möchte ich die Kinder teilhaben lassen und darum Team und ich stehen in dieser Vorbereitungszeit für habe ich das Projekt „SingBach“ ins Leben gerufen. weitere Unterstützung und Hilfe zur Verfügung. In

46 einer gemeinsamen Haupt- und Generalprobe führe Kinderchorarbeit habe ich die Erfahrung gemacht, ich dann schließlich die einzelnen Klassen für das Ab- dass Kinder in diesem Alter besonders aufgeschlos- schlusskonzert zusammen. sen und neugierig sind. Sie sind bereit, sich auf Neues Das etwa einstündige Abschlusskonzert bildet den einzulassen, sie finden noch einen unverkrampften Höhepunkt von „SingBach“. Hier singen die 300 Kin- Zugang zu ihrer Stimme und der Stimmwechsel bei der nach zwei gemeinsamen Proben die einstudierten den Jungen wirft in diesem Alter noch nicht seine Lieder vor großem Publikum in einer Kirche oder Schatten voraus. Konzerthalle. Begleitet werden sie dabei in schwung- Doch „SingBach“ ist auch eine große Herausforde- vollen Arrangements von einem Jazzensemble rung für die Kinder. Wie schaffen sie es, in kürzester oder/und von einem Orchester. Letzteres hängt von Zeit, oft nur innerhalb einer einzigen Woche, zehn den finanziellen Möglichkeiten ab. Eine erfrischende melodisch nicht immer ganz leichte Lieder mit viel und kindgerechte Moderation zwischen den gesun- Text zu lernen? Ein Zuschauer staunte, wie man es genen Liedern führt Kinder und Erwachsene durch schaffe „300 Kinder mit ein bis zwei Gesten zur Kon- die Lebensgeschichte von Johann Sebastian Bach. zentration und zur Gleichzeitigkeit zu bringen“. Wer weiß schon, dass Johann Sebastian als Schüler Natürlich haben wir ein gemeinsames großes Ziel: 258 Einträge im Klassenbuch hatte! Wir wollen vor einem großen Publikum auftreten, vor Damit auch die Eltern, Lehrer und Gäste als Zuhörer Eltern, Verwandten, Freunden und anderen Gästen. den Zauber des gemeinsamen Singens erleben kön- Der Blick auf das Ziel spornt an. Doch genauso wich- nen, werden sie aufgefordert, bei einigen Liedern tig ist es, dass ich den Kindern auch zutraue, dieses mitzusingen. Gleich zu Beginn des Projekts laden wir große Ziel zu erreichen, ich bringe ihnen also mein die Eltern zu einem „klingenden Elternabend“ ein. Vertrauen entgegen. Das ist ganz zentral für die Mo- Sie erfahren nicht nur Hintergründe zu „SingBach“, tivation der Kinder. Sie spüren das, indem ich sie viel sondern spüren die Begeisterung der Kinder am ei- lobe – und zwar auch einzelne Kinder ganz gezielt genen Leib, denn auch die Eltern sollen ihre Stimme lobe. Ich beobachte in der Probe, ob ein Kind z. B. ausprobieren dürfen! Das Ziel der Einbindung und besonders gut artikuliert, sehr aufmerksam ist oder Unterstützung der Eltern ist die langfristige Begei- sich besonders bemüht, eine bestimmte Anweisung sterung für das gemeinsame Singen in- und auch oder Korrektur umzusetzen. Wenn ich das dann posi- außerhalb der Schule. tiv hervorhebe, wird das jeweilige Kind dadurch un- Die Herkunft der Kinder spielt bei „SingBach“ im ge- gemein ermutigt gleichzeitig motiviert das Lob an- samten Projekt keine Rolle. In manchen Städten fin- dere Kinder, sich ebenfalls große Mühe zu geben. det das Abschlusskonzert in einer Kirche statt. Da das Natürlich korrigiere ich Fehler, denn aus Fehlern lernt Projekt als solches ohne konfessionellen oder über- man, aber der Fokus liegt auf dem Fortschritt. Und ich haupt religiösen Bezug gestaltet wird, ist die Kirche in sage den Kindern immer deutlich, was schon richtig diesem Fall nur ein Aufführungsort und für die mei- gut klappt. In der Arbeit mit Kindern lautet mein sten Eltern stellt dies kein Problem dar. Auf diese Motto: „Loben zieht nach oben!“ Und dann macht Weise leistet „SingBach“ immer wieder auch einen das Üben Spaß. Beitrag zur Integra- tion.

Die Arbeit mit den Kindern Die Altersgruppe der 8- bis 9-Jährigen schien mir für das Projekt „SingBach“ am geeignetsten. In meiner bisherigen

47 Ich erfahre in meiner Arbeit immer wieder, dass alle „SingBach“-Kindern und Friedhildes enorm moti- Kinder singen können, weil sie singen wollen und vierender Präsenz, steigt der Mut und das Selbst- durch Ermutigung emotional erreichbar sind. Durch vertrauen vieler Kollegen, die eigene Stimme im ein Miteinander im Chor erreichen die Kinder ein ge- Unterricht einzusetzen. Das heute gut zugängliche meinsames Ziel und singen im Konzert mit Inbrunst Liedgut kindgerecht und ansprechend zu vermit- und Liebe. teln, fällt danach nicht mehr schwer. „SingBach“ macht Freude! (Lehrer aus Karlsruhe, „SingBach“ Die Reaktionen 2011) Ein Zuhörer lobte „die Vision, Kindern kindgemäß, ohne ins Seichte abzugleiten, Qualität zu vermitteln Die Fortsetzung und Qualität gestalten zu lassen. Man kann Kindern Seit 2010 wurde „SingBach“ in zahlreichen Städten mehr zumuten und abverlangen, als wir das oft tun. erfolgreich erprobt, so z. B. in Stuttgart, Tübingen, Die Kinder haben sich als selbstwirksam positiv er- Karlsruhe, Nieheim, Baden-Baden, Neuenstadt und fahren … eine Erfahrung, die ihnen niemand mehr Bern. In Tübingen und Karlsruhe geht „SingBach“ nehmen kann.“ sogar bereits in die dritte bzw. vierte Runde. Was bleibt also von dem Projekt? Was sagen die Vor Ort werden die Projekte durch Spenden und Ein- Schüler selbst? Es hat ihnen gefallen, trittsgelder bei den Aufführungen, durch großzügige • „weil die Musik einen so schön berührt hat … es Sponsoren und durch Beiträge staatlicher oder priva- war toll!“ ter Organisationen und Stiftungen finanziert. Die be- • „weil in der Kirche so tolle Stimmung war.“ teiligten Schulen, Klassen, Eltern(-beiräte) und För- • „Wir sollten mit weit offenem Mund singen. dervereine beteiligen sich mit großer Motivation bei Friedhi hat sehr viel von uns verlangt. Am Ende der Organisation, bei der Verpflegung und beim hatte ich richtig Spaß am Singen!“ Transport der Schüler während der Proben und Auf- • „Es war aufregend, dass über 1000 Leute im Kon- führungen. zert waren!“ Auch für die zweite Jahreshälfte von 2013 und 2014 • „Das Üben hat sich richtig gelohnt, denn es wurde sind bereits „SingBach“-Projekte in Planung. Die je- ein wunderschöner Kinderchor!“ weils aktuellen Termine sind zu finden auf der Ho- • „Ich bin glücklich aus der Kirche gegangen!“ mepage www.singbach.de. So deutet es auch der Rektor der Hochschule für Kir- chenmusik in Tübingen, Prof. Christian Fischer: • „Das Konzert ist ein Riesenerlebnis. Es wird sich Friedhilde Trüün stark in das Leben der Kinder eingraben.“ Initiatorin und künstlerische Leiterin des Projekts Auch die Lehrer empfanden das Projekt mehrheitlich „SingBach“, studierte Kirchenmusik und Vokal- sehr positiv und belebend: pädagogik in Herford und Wien. Sie ist Autorin der • „Ich nehme unheimlich viel neues Wissen und neue Kinderstimmbildungs-Bücher „Sing Sang Song“ so- Erfahrungen mit in den Schulalltag.“ wie Herausgeberin beim „Kinderlieder“-Projekt des • „Das Projekt integriert alle Schüler meiner Klasse Carus- und Reclam-Verlages. Lehrbeauftragte an der und entlockt jedem neue Talente.“ Hochschule für Kirchenmusik in Tübingen. Bundes- • „Ich war schwer beeindruckt von der Leistung man- weit als Dozentin bei Seminaren und Initiativen wie cher Schüler.“ „Singende Kindergärten“ der Drogeriemarktkette dm So mancher fühlte sich durch die Einführungssemi- tätig. Mit ihrem Buch „Komm, sing mit mir“ (2012) nare für die teilnehmenden Lehrer motiviert, künftig ermuntert sie Eltern und Erzieherinnen zum fach- im Unterricht mit den Kindern mehr zu singen: kundigen Singen mit Kindern. • „SingBach“ hinterlässt Spuren. Bei Kindern und Erwachsenen! Angeleitet durch Friedhilde Trüün in den Fortbildungen und Seminaren für Lehrer/innen, oder auch durch die Teilnahme bei den Proben mit

48 Summary Still, SingBach is also a great challenge for the chil- dren. How do they manage in a short period of time SingBach. A singing project with primary school – often within a few weeks – to learn ten melodic children songs that aren’t too easy and have a lot of text? Of Singing is the real mother tongue course we have a great common goal: we want to ap- of all people. pear before a large audience of parents and relatives, (Yehudi Menuhin) friends and other guests. Looking toward the goal is a great motivation. It is also just as important that I What could be more reasonable than to transmit this challenge the children to reach this goal and face “Mother tongue” to children as early as possible? them with my trust. This is a central point for the chil- Babies and small children should get to know it in- dren’s motivation. Belonging to this is a lot of care- tensively, and even more, schools should also accept fully directed praise according to the motto “Loben it. Many studies have proven the healthy learning and zieht nach oben” (roughly: praise has no limits and language-furthering results of singing. Singing is sim- pushes one to higher achievements. Tr.) In this way ply fun! In a classroom it is a fact that children with the lessons are really fun. Through corrective repeti- completely different social, cultural and also musical tions of the pieces the children are getting better and requirements meet each other through singing. better.This strengthens their self-confidence and that In order to let as many children as possible have a in turn means: “singing makes me strong.” part of this joy with music and singing, I have The reaction of those taking part confirms the success launched a project called SingBach. Because of its of SingBach. For the children it is an unforgettable structured musical form in melody as well as meter, experience and a worthwhile one. Their parents and the music of Johann Sebastian Bach is exceptionally other listeners are amazed at the tremendous drive suitable for singing with children. In SingBach, about and abilities for achievement of the third graders. 300 third graders learn specially arranged arias or Even a majority of teachers find the project positive child-oriented texts to instrumental “hits” and and enlivening. They feel encouraged to include their chorales of J. S. Bach and contribute them to a final voices more in lessons. concert before a large audience. In doing this they ex- The work continues. In many places SingBach has al- perience that singing in a choir is a fulfilling and ready entered the third or fourth round thanks to the great musical experience. It is important, that not support of contributions, sponsors and energetic par- only chosen children, but the whole class participates. ents. Actual dates and information can be found un- The background of the children in SingBach does not der www.singbach.de. play a role and therefore contributes something worthwhile to integration. The one hour final concert in a church or concert hall Friedhilde Trüün is the highpoint of SingBach. The children are ac- Initiator and artistic director of the project companied in lively arrangements by a jazz ensemble “SingBach”, studied church music and vocal peda- and/or an orchestra. A refreshing and child oriented gogy in Herford and Vienna. She is the author of the moderation guides them through the biographical in- children’s vocal training books “Sing Sang Song” and formation about Bach and the audience is also in- also editor with the “Kinderlieder” project of Carus volved singing now and then. For the project to have and Reclam publishers. She is an assistant teacher at a lasting effect, it is important that the parents are in- the University for Church Music in Tübingen, Ger- cluded. One of the first steps before the rehearsals be- many. She has taught at seminars nationwide and at gin is to invite them to a “vocal parent’s evening”. the initiative Singing Kindergartens for the “dm” The age group of 8–9 year olds is the best suited for Drogerie chain. She has created enthusiasm among the SingBach project. In the children’s choir work I parents and educators for competent singing with have done so far, I have noticed that the children in children through her book “Komm, sing mit mir” these ages are especially broadminded and curious. (2012).

49 Dich um dieses Interview anfragte, haben wir schnell festgestellt, dass dort bis heute Deine künstlerischen Schwerpunkte liegen. Ich möchte Dich bitten, erst einmal Deinen Werde- gang nach dem Orff-Institut und Dein aktuelles Betätigungsfeld zu beschreiben. Interview mit … Ruth Wilhelmine Meyer (RWM): Zunächst möchte ich betonen wie froh ich über mein Interview with … Studium am Orff-Institut in Salzburg war und bin. Mit der Ausbildung dort habe ich mir einen eigenen Werner Beidinger im Gespräch Standpunkt entwickelt, eine Art von Plattform, auf der ich stehen und von wo aus ich alles Künstlerische mit Ruth Wilhelmine Meyer und Pädagogische betrachten kann. Durch die vielen Menschen, die zwischen 1990 und 1992 am Institut gearbeitet und studiert haben, hatte ich das Gefühl, mich mitten in einer kochenden Brühe zu befinden. Sehr vielfältig, reich und anregend ist das gewesen! Die ersten Jahre nach dem Studium habe ich teilweise als Lehrerin und Chordirigentin gearbeitet, dann folgten vier Jahre Anstellung in der Lehrerausbildung für Musik an der Grieg-Akademie in Bergen. Mit der Zeit hat sich aber herauskristallisiert, dass ich selbst vor allem singen wollte. Seit dieser Zeit bin ich mehr oder weniger freiberuflich als Sängerin und Ge- sangspädagogin tätig. Ich war zum Beispiel in ganz Norwegen mit Tourneen für Kinder unterwegs, ins- gesamt waren das etwa 2000 Konzerte! Die meisten davon waren multi-künstlerische Projekte. Heute konzentriere ich mich mehr auf Soloprojekte Werner Beidinger (WB): im In- und Ausland oder in Duo-, Trio-, Quintett-Be- Liebe Ruth Wilhelmine, wir kennen uns aus Deiner setzungen und bin auch Solistin mit dem polnischen Zeit als Studierende des B-Studiums am Orff-Institut, Alchemic World Orchester mit Solisten aus der als ich Dich mit Deiner insgesamt sehr inspirierenden ganzen Welt. Außerdem unterrichte ich Stimme/Ge- Jahrgangsgruppe unterrichten durfte. Wir haben uns sang an der Norwegischen Musikhochschule in Oslo seit vielen Jahren nicht mehr gesehen, aber als es und in der Volksmusikakademie „Ole Bull“ in Voss in darum ging, potentielle Autorinnen und Autoren für Westnorwegen, gebe Stimmworkshops, Masterclas- dieses Themenheft zu finden, habe ich gleich wieder ses und unterrichte Solisten im Knabenchor „Sølv- an Dich gedacht. Grund dafür war nicht nur meine Er- guttene“. innerung an Deine starke Persönlichkeit mit dieser sehr ausdrucksstarken Stimme, sondern auch die Tat- WB: 2000 Konzerte für Kinder? Erzähle uns bitte, sache, dass mir vor einigen Jahren auf einem Kurs in wie diese Konzerte abgelaufen sind. Wer hat die Kon- Norwegen die wunderbare CD „Seidamadei“ in die zeption dafür entwickelt? Warst Du ganz alleine? Wer Hände fiel. Der Tonträger wurde für Kinderohren er- hat Lieder und Stücke ausgewählt oder gar kompo- stellt und Deine voluminöse Altstimme ist dort mehr- niert? Wie viel war festgelegt? In welchem Alter wa- fach eingesetzt. Dort sind neben Liedern vor allem ren die Kinder? Wurden sie in das Konzertgeschehen auch experimentelle Stimmklänge zu hören. Als ich einbezogen?

50 RWM: In Norwegen haben wir eine staatliche Orga- schränkende Rolle spielt sobald man künstlerisch nisation mit dem Namen RIKSKONSERTENE oder klare Ideen hat. Concerts Norway. Ihre Hauptaufgabe ist es, Konzerte für Kinder zu produzieren. Alle Schülerinnen und Der erste Sonnenaufgang (1994) Schüler, auch die im Vorschulalter bekommen an ih- war ein Duo-Stück für Stimme und E-Gitarre. Die rer Schule oder im Kindergarten pro Halbjahr ein musikbasierte Performance beruhte auf einem afrika- Konzert. Diese tolle Idee garantiert, dass egal wo man nischen Schöpfungsmythos, bei dem der Himmel so lebt oder woher man auch kommt, man ein Konzert- dicht zur Erde kam, dass es weder Platz noch Licht erlebnis mit unterschiedlichen Musikgattungen gebo- gab. Zu diesem Stück brachten alle Kinder selbstge- ten bekommt. Ich war mit verschiedenen Projekten schnitzte Holzstöcke mit, die in speziellen Rhyth- unterwegs und möchte drei Projektbeispiele aus- musteilen zum Einsatz kamen und die fest in die Dra- wählen. maturgie eingebunden waren. Dieses Stück haben wir Alle Produktionen folgten bestimmten Kriterien: hauptsächlich in Kindergärten, aber auch in Grund- schulen und auf Festivals gespielt. Ein bisschen an- 1. Jedes Projektkonzept wurde von mir und meinen ders war es mit: Kollegen speziell entwickelt: Die Kinder waren fast immer in irgendeiner Art und Weise beteiligt, R’arier for en Kjole – Chancing Identities (2009) ohne dass es jemals verbale Instruktionen gegeben Diese „nonverbale a capella Minioper“ wurde spe- hat. Sie sollten Impulse über ihre Sinneswahrneh- ziell für Mädchenstimmen und mich als Solistin ge- mungen erhalten und annehmen. schrieben. Choreographin war Sølvi Edvardsen und 2. Alle Projekte hatten einen Schwerpunkt im Be- die Komponistin hieß Synne Skouen. Neben der So- reich experimenteller Vokallaute. lorolle studierte ich den Chor ein und funktionierte 3. Alle Stücke liefen grundsätzlich nonverbal ab. auch als Co-Komponistin. Die Mädchen waren zwi- 4. Alle Konzerte hatten einen festen Rahmen, aber schen 11 und 18 Jahre alt. Es war wirklich sehr span- auch Improvisationsteile. nend, diese narrative nonverbale Geschichte mit 5. Neben ein paar wenigen Volksliedern wurde und Klangkompositionen und Bewegungen zu gestalten. wird die Musik von mir oder meinen Mitmusikern Dieses Projekt haben wir auch auf mehreren Festivals „gemacht“. aufgeführt. WB: Das klingt sehr spannend! Experimentelles Fugl (2002) Konzertereignis oder gar Minioper, das sind nicht ge- Dieses Projekt war eigentlich für Kinder von 0-3 Jah- rade jene Vokabeln, die wir in Mittel- und Südeuropa ren geplant. Diese Performance habe ich gemeinsam im Kontext von Konzerten für Kinder gewohnt sind. mit der bekannten Volkssängerin Agnes Buen Garnås Wie reagieren die jungen Konzertbesucher auf Euer gestaltet. Das Thema war einfach: Vögel. Die Vor- Angebot? Warum setzt Ihr bewusst einen Kontrast stellung spielte sich auf einem großen Fallschirm aus zum klassischen „Peter und der Wolf“ oder gar zu je- dem 2. Weltkrieg als Bühne ab. Der Fallschirm war nen animativen Veranstaltungen, die manchmal vom wie ein großer Vogelflügel und alle Kinder saßen Cluburlaub am Mittelmeer in den Konzertsaal geholt rundherum im Kreis. Mythen, Volkslieder und kurze werden? Geschichten wurden ineinandergeflochten, mit viel Stille sowie mit „vogelinspirierten“ Vokalkomposi- RWM: Die Aufgabe und/oder das Wesen der Kinder tionen von mir eingerahmt. Jedes Mal gab es auch ist es, zu spielen und sich im Spielen immer wieder einen spannenden freien Improvisationsteil zusam- überraschen zu lassen. Wenn man spielerisch oder ex- men mit den Kindern. Wir haben zum Beispiel Kon- perimentell mit Sounds oder Lauten arbeitet, ent- zerte für 80 Kinder mit eineinhalb Jahren gehabt. Ma- spricht dies im Besonderen dem Wesen der Kinder, gisch! die sich über Ungewohntes und Außergewöhnliches Mit der Zeit haben wir diese Projektidee auch für freuen. Normalerweise sitzen die Kinder in unseren Kinder und Jugendliche bis zu 13 Jahren gespielt. Ich Konzerten total still, wenn sie nicht gerade selbst mit- habe die Erfahrung gemacht, dass das Alter keine ein- machen sollen.

51 Mit Klängen und Soundeffekten hat man die Mög- musikalische Vokabular der Kinder erweitert. Die lichkeit noch hinter die Sprache zu gehen und Wahr- musikalische Phantasie wird angeregt und erwei- heiten oder Erkenntnisse aus der Tiefe der Seele dar- tert. zustellen. Werden diese Laute von einer menschlichen 3. Mit der Zeit hat sich bei mir eine besondere künst- Stimme erzeugt, berühren sie auch anders als wenn lerische Ausdrucksweise entwickelt. Mein Aus- sie von einem Instrument kommen. druck ist somit dann am ehrlichsten und möglichst Oft stellen ja wir Erwachsene uns vor, was Kinder ha- authentisch, wenn ich mich nonverbal ausdrücke. ben möchten und nicht selten sind unsere Gedanken Diese Ausdrucksweise verwende ich in allen Kon- dabei sehr klischeebehaftet. Sollten wir vielleicht neu stellationen, in der Arbeit mit einem großen Or- darüber nachdenken, was wir Kindern geben und an- chester, in einem Duo, als Teil in einem Quintett bieten möchten? oder als Solo-Performerin. WB: Zu welchen Antworten bist Du oder seid Ihr auf WB: Dabei geht es also primär um eine kreative und diese Frage gekommen? Was wollt Ihr den Kin- schöpferische stimmliche Äußerung und weniger um dern mitgeben? Es geht ja eindeutig nicht um eine den Umgang mit „fertigen“ Liedern. Für diesen ästhe- vorrangig musikalische Förderung wie in einem tischen Ansatz braucht es einen Prozess (ein Konzert Klavierunterricht, sondern die künstlerisch-ästheti- oder eine unterrichtsähnliche Situation) als Rahmen sche Dimension scheint mir eine besondere Rolle zu des Gelingens, oder? Haben denn unsere alten Lieder spielen. und Materialien ausgedient? RWM: Drei Aspekte sind mir besonders wichtig: RWM: Hier gibt es mehrere spannenden Fragen: 1. Die Erweiterung des Wahrnehmungsbewusstseins Dass Du das Wort Prozess nennst, finde ich sehr in- durch die Stofflichkeit der Sounds, des Klanges teressant: Wenn man mit improvisatorischen Formen oder des physisch im Körper spürbaren Tons. arbeitet, ist der Prozess des Entstehens eines ästheti- Durch die differenziertere Sinneswahrnehmungen schen Ausdrucks wichtig. Das Publikum oder die sind wir auch im Leben wacher. Daran zu arbeiten Kinder im Unterricht werden als Zuhörer dann in finde ich in unserer heutigen Zeit sehr wichtig, so- einer Weise Mitschöpfer. John Cage hat uns diese Ge- wohl als Künstlerin, als auch als Pädagogin. danken bewusst gemacht. Dabei nutze ich als Aus- 2. denke ich, dass ein freier Umgang mit Klängen das gangspunkt des Prozesses gerne existierende Melo-

52 dien, besonders Volksmelodien aber auch selbstkom- Übrigens stimme ich mit Dir überein: „Der Mond ist poniertes Material oder ich verhalte mich zu Kompo- aufgegangen“ ist wirklich phantastisch. sitionen von anderen Komponisten. Wenn du mit den alten Liedern unsere Volksmusik oder traditionelle Aber was ist ein Qualitätslied? Musik meinst, bin ich der festen Überzeugung, dass Ich stelle mir immer die Frage: Liebe ich dieses Lied? sie nie ausgedient haben wird. Sie ist Erbe der Ver- Liebe ich es wirklich? Bedeutet es etwas für mich? gangenheit an die Zukunft und sehr wichtig für unser Wenn ja, dann verspüre ich die Lust, es weiterzuge- menschliches Bewusstsein und Gedächtnis. Sie ist ben. Wenn nicht, lasse ich das Lied sein. Ich muss sa- Quelle, aus der wir schöpfen können: textlich/inhalt- gen, dass ich sehr oft bei Volksgut lande, Volksgut aus lich, melodisch aber auch klanglich. Die meisten der ganzen Welt. Sie sind oft einfach in der Struktur, Klänge, denen ich mich forschend genähert habe, hat- aber enthalten den Keim des Komplexen. Sie sind ten ihren Ursprung in ethnischen Musiktraditionen sehr oft musikalisch entwickelbar, manchmal ruhen dieser Welt. Ich unterrichte an verschiedene Hoch- und verbleiben sie aber auch in ihrer Schlichtheit. schulen für Volksmusik in Norwegen und bin auch Auf jeden Fall fordert die Liedauswahl eine große Be- mit Volksmusik aufgewachsen. Für mich ist es sehr wusstheit, die von unserem wachen künstlerischen wichtig, dass wir diese Lieder verwenden, nicht zu- Bewusstsein auszugehen hat. Kinder verdienen nur letzt für und mit Kindern, sowohl in pädagogischen das Beste! Zusammenhängen als auch auf der Bühne. Auf Se- WB: Das sind sehr spannende Kriterien! Klar ist es minaren oder Kursen spüre ich, dass ich Volkslieder wichtig, dass man selbst von einer Melodie berührt immer und immer wieder verwenden kann, ohne ih- ist, selbst die Verbindung von Tonfolgen und dazu- rer satt zu werden. Das ist einfach gutes Material, gehöriger Textaussage durchdringt, um es behutsam sonst hätte es nicht überlebt. weitergeben zu können. Das Gleiche kenne ich vom WB: Deine Antwort beruhigt mich. Wir können also Unterrichten: Freue ich mich auf die nächste Stunde? zusammenfassen, dass es beide Säulen braucht: das Dies wäre das Pendant zu Deiner Frage: Liebe ich fertige und bestehende, gerne auch traditionelle Lied- dieses Lied wirklich? Schön ist auch Dein Hinweis gut sowie den kreativen, auf Klanglichkeit und Aus- auf Tiefe und Schlichtheit, die es wertzuschätzen gilt. druck fokussierten Stimmgebrauch. Interessanter- Wäre es nicht eine anregende Aufgabe für Komponi- weise sagst Du, dass die Klangspektren, die Du bisher sten und auch Pädagogen solche Lieder in unserer erkundet hast überwiegend aus ethnischen Kontexten heutigen Zeit entstehen zu lassen? Das Erbe unseres stammen. Mit den Volksliedern aus meiner Kultur Kulturgutes ist sicher wichtig, aber sollten wir nicht geht es mir übrigens ganz genauso, wie Dir! „Der auch aus der Jetzt-Zeit musikalische Spuren hinter- Mond ist aufgegangen“ (um nur ein Beispiel zu nen- lassen? Du bist ja das beste Beispiel dafür! Wie gehst nen) wird für mich immer eine der wunderbarsten Du an eigene Liedkompositionen heran? Melodien überhaupt bleiben, an denen man sich nicht RWM: Du stellst immer doppelte, und gleicher- satt hören kann. maßen interessante Fragen … Bedeutet dies eigentlich im Umkehrschluss, dass Sicher sollten wir Spuren von unserer Zeit hinter- neue und moderne Kinderlieder häufig „arme Musik“ lassen: Vielleicht sollte man organisieren, dass man sind? Ich meine damit, dass sie auf einen vorder- Lieder sammelt und neue Bücher publiziert. Aus gründig lustigen Text abzielen und musikalisch oder jedem Jahrzehnt sozusagen „Das Zeitgenössische gar künstlerisch nur von eher geringer Qualität sind? Lied für Kinder“ herausgeben. Dann würden viel- Kannst Du uns bitte das ein oder andere Kriterium für leicht zwei oder drei davon überleben und weiterge- ein gutes, qualitätsvolles Lied nennen? tragen werden, von der Bühne oder im Unterrichts- RWM: Ich meine tatsächlich, dass es sehr viele Lie- raum. der von geringer Qualität gibt und ich muss auch ehr- Oder vielleicht sollte man Komponisten wie zum Bei- lich sagen, dass ich in sogenannten „pädagogischen spiel Sofia Gubaidulina, Arvo Pärt, Jan Garbarek, Liedern“ selten einen Wert von Dauer finden kann. Thomas Stanko oder andere fragen, ob sie nicht ein-

53 mal Lieder für Kinder schreiben könnten. Diese Lie- RWM: Ich möchte mich auch bedanken. Es war sehr der würde ich gerne hören! inspirierend, Werner, auf diesem Weg wieder einmal Und zum zweiten Teil Deiner Frage: Ich komponiere mit Dir zu sprechen und dabei auch neuerdings mit ja meistens mit Sounds. Nonverbale Expressionen Leuten vom Orff-Institut in Kontakt zu treten. oder Melodien, wie zum Beispiel in meiner neulich Aktuelles für mich jetzt ist, dass ich mit den Vorbe- erschienenen CD „Soundportraits of Ibsen charac- reitungen zu einer neuen Produktion für die Oper in ters“, die ich zusammen mit dem Pianisten und Kom- Oslo starte: Membran – Beethovens Testament. Eine ponisten Helge Lien eingespielt habe.1 szenische Produktion für Hörende und Nicht- Die Musik dort ist narrativ aber nonverbal. Ich kom- Hörende, Premiere ist am 6. Juni 2013. poniere normalerweise weniger „normale“ Lieder mit Beteiligt sind daran 2 Sänger, ein Tuba Spieler, eine Texten, obwohl dies auch vorkommt. Wenn meine teilweise hörende Pianistin, der Opernchor und drei Melodien Text haben, dann fällt den Worten sicher- taube Tänzer/Performer. Es wird ein sehr spannendes lich eine besonders große Bedeutung zu! Projekt mit sichtbarer Musik und hörbarer Bewegung Vielleicht kann das was ich mache uns eher daran er- werden und wieder einmal viele neue Erfahrungen innern, dass wir in der Stimme und im Körper un- mit sich bringen. endlich viele Klangfarben haben, von denen jede ein- Zum Schluss: zelne ein Ausdruck für das Menschliche sein kann und wo jeder Sound uns an unser schöpferisches und Als Künstler, Pädagoge und Mensch: spielerisches Dasein erinnert. Sei frei Sei mutig WB: Liebe Ruth Wilhelmine, ich danke Dir sehr für Sei offen dieses spannende Gespräch. Allerdings sollst Du hier Sei voll von Liebe das letzte Wort haben und ich bitte Dich, noch über eine Herzensangelegenheit oder Dein aktuelles Lieb- lingsthema zu uns zu sprechen. Womöglich habe ich einen interessanten Aspekt Deiner Arbeit in meinen Fragen vollkommen unberücksichtigt gelassen und nun hast Du noch die Chance, Deine Gedanken oder gar einen Appell loszuwerden. Nochmals vielen Dank dafür, dass Du Dich zu diesem Interview bereit erklärt hast und alles Liebe und Gute für Deine weitere Ar- 1 http://www.memnon.no beit! http://www.ozellamusic.com

54 tertwining of theoretical discourse with creative work- shop. All of the activities, music and dance perfor- mances, workshops, and paper presentations were pertinently underpinned by the exhibition “50 Years Orff Institute” with its texts, data, photos and accom- panying digital film examples. The University of Aus aller Welt Waikato has a wonderful Performing Arts Centre, which housed and curated the exhibition for three months between November 2012 and the end of Jan- From Around the World uary 2013. The displays of the exhibition were hung prominently in the foyer and entrance hall of the Performing Arts New Zealand Centre and were complimented with music activities of various kinds by local adult vocal groups, school Children at the Exhibition children and families. Most importantly, the general 50 Years Elemental Music and Dance Pedagogy, an public, students and staff of the University, families exhibition about the pedagogical growth at and and visitors walked through the exhibition day in and through the Orff Institute has travelled a long way, day out with the appropriate and desired result that a and for good reasons. At the University of Waikato in lot of questions were asked about the substance, the New Zealand the exhibition was a key feature in ef- history and the purpose of elemental music and dance forts to create more awareness of an arts pedagogy pedagogy. Staff members were run off their feet to an- development that places personal growth and aes- swer questions and because the exhibition started five thetic expression on the same platform. The exhibi- weeks before symposium proceedings began, it gen- tion coincided with the international music and dance erated a lot of interest for the conference. Curious on- education conference Tui tuituia towards a world of lookers went to our website http://www.tuituia.ac.nz/ light, which took place in January 2013 at the Uni- and took a strong interest in the conference. The high- versity’s Faculty of Education and Performing Arts light of the associated activities was the Waikato rooms on the outskirts of the city of Hamilton. The in- Schools Marimba Music Festival, which involved terweaving of knowledge, artistic expressions and many children from various local schools with per- personal history brings together some of the human formances around the exhibition. traits of M¯aori culture. The term Tui tuituia is an anal- At the end of the Northern European summer 2012 ogy of this weaving and refers at the same time to one the exhibition was shipped by JaSeSoi ry, the Finnish of New Zealand’s most famous singing birds, the Tui. Orff-Schulwerk Association, from Helsinki to New The exhibition was more than a backdrop to the per- Zealand. And during one rainy spring day in Septem- formances, music, fine arts, dance, poetry, and the in- ber it arrived at Waikato University in three long

55 cardboard boxes. The process of unpacking and hang- lungen „Samen im fruchtbaren Boden wachsen zu ing the exhibits was a relatively simple affair assisted lassen“. by the handy brochure, which is also available in PDF Im Vergleich zu vielen Ländern befindet sich die est- form. For educators in this part of the world this was nische Schulmusik in einer sehr guter Situation, da a very exciting moment. The three themes of the exhi- Musikunterricht laut nationalem Lehrplan auf allen bition, the earlier history of the Schulwerk, the Orff Schulstufen als Pflichtfach anerkannt wird. Schon Institute and its growth and the international disper- vom Kindergarten an hat jedes Kind zwei Stunden in sal of the Orff-Schulwerk were clearly mapped out der Woche musikalische Aktivitäten oder Musikun- and deciding where to place the various banners terricht. Als Lehrende in diesem Bereich arbeiten aus- straight forward. gebildete Musikpädagogen und -pädagoginnen. The prominent display of the panels and the interac- Die Inhalte des Musikunterrichts sind im Laufe der tive events with the exhibition, before and during the Zeit vielfältiger geworden – man spielt Instrumente, Tui Tuituia conference have been hugely helpful in hört Musik und findet Möglichkeiten zur Bewegung. creating a greater awareness of elemental music and Doch ist das Singen im Musikunterricht bei uns mit dance pedagogy. The combination of printed text with Sicherheit die wichtigste musikalische Tätigkeit. Vor pertinent quotations, photos, pointers to important lit- nicht allzu langer Zeit wurde Musikunterricht noch erature and also the digital video examples have pro- als Gesangsunterricht und Musiklehrer noch als Ge- vided excited opportunities for international and lo- sanglehrer bezeichnet. Nun aber sprechen wir von cal visitors to the Performing Arts Centre at Waikato „Musikerziehung“ und „Musiklehrern“ und „Musik- University. The numerous international visitors, most lehrerinnen“ im weiteren Sinne. from Australia but many also from beyond the south- ern hemisphere, were able to engage with the con- Singen im Kindergarten cepts, history and artistic aims portrait in the dis- Singen ist in gewisser Hinsicht die natürlichste musi- plays. In the proliferation of the Orff-Schulwerk ideas kalische Tätigkeit. Die Aktivitäten einer Musikstunde and in our attempts to lay open pedagogical and im Kindergarten umfassen Singen, Bewegung, Spiel artistic concepts of the Schulwerk this exhibition is auf Musikinstrumenten und Hören von Musik, doch very helpful. die wichtigste davon ist immer noch der Gesang. Es Christoph Maubach, freut mich sehr, dass die Auswahl an Liedern für Vor- Senior lecturer at Waikato University schulkinder groß und vielfältig ist. Was man singt, das and International Liason of ONZA entscheidet jeder Lehrer, jede Lehrerin selbst. Es gibt wohlbekannte Kinderlieder, die man immer wieder singt. Doch auch traditionelle Musik und volkstümli- che Singspiele werden hochgeschätzt. Darüber hin- Estland aus gibt es viele zeitgenössische Liedermacher. Ei- gene Veröffentlichungen sind zwar nicht billig, doch Estland – Land des Singens, Estland – Land der 1000 Stimmen Die Musik hat in estnischen Schulen eine lange und starke Tradition. Ideen der Orff-Schulwerk Pädago- gik haben in Estland seit den 1990er Jahren Verbrei- tung gefunden und sich gut entwickelt. Diese Ideen haben nicht nur in den Curricula für den Musikunter- richt an Schulen Eingang gefunden, auch im Rahmen der Ausbildung von Musiklehrern wird die Orff- Schulwerk Pädagogik unterrichtet und Orff-Kurse sind unter Musiklehrenden sehr beliebt. Was kann man sich noch Besseres wünschen? Es ist uns ge- Singen und spielen im Kindergarten in Pöltsam

56 bieten sie die Möglichkeit eigene Lieder selbst her- bücher eine gute Auswahl an Werken von estnischen auszugeben. Heutzutage steht der Lehrer / die Lehre- und ausländischen Komponisten sowie auch zahlrei- rin eher vor der Aufgabe und dem Problem, aus einem che Beispiele estnischer Volksmusik. Doch letztlich Überangebot von guten Liedern die richtig guten und wirken die Persönlichkeit, das Können und das musi- angemessenen Perlen für Kinder herauszulesen. kalische Vorbild des Lehrers oder der Lehrerin, nicht das Lehrbuch. Das heißt, dass das eigentliche Ergeb- Singen in der Schule nis in der Schule von den Fähigkeiten und Vorlieben Es ist üblich, dass alle Kinder vom ersten bis zum des Lehrers oder der Lehrerin abhängt. letzten Schuljahr am Musikunterricht teilnehmen und In der Regel zielt Musikunterricht in der Schule auf singen, dabei wird auf den Schulgesang im Allge- Chorgesang sowie auf Teilnahme bei verschiedenen meinen auf den unteren Stufen mehr Gewicht gelegt Wettbewerben für Solisten und Ensembles. Seit 20 als auf der Oberstufe. Es ist auch durchaus üblich, Jahren veranstaltet der estnische Fernsehesender „Ee- dass man in der Schule Werke mit mehreren Solisten, sti Televisioon“ den beliebten Gesangwettbewerb für Ensembles und Chöre erarbeitet und aufführt. Je nach Kinder „Laulukarussell“. Nur die besten Sänger und Größe der Schulen kann es dort auch mehrere, nach Sängerinnen von jedem Landkreis schaffen es bis zur Alter gestufte, Chöre geben. Einige Lehrer und Leh- Endrunde. rerinnen haben ihre Arbeit so organisiert, dass alle Grundschulkinder neben dem Musikunterricht auch Laulupidu, das Sängerfest noch am Chorunterricht teilnehmen. In größeren Das Sängerfest ist offenkundig das Flaggschiff unse- Schulen ist es jedoch üblich, dass die Lehrer oder rer Chormusik. Die Tradition des Sängerfests geht Lehrerinnen, die den Chor leiten die besten Sänger zurück auf das Jahr 1869. Alle fünf Jahre findet das aussucht, damit die Chöre nicht allzu groß werden. große gemeinsame Singen mit rund 20 000 Sänge- Ich möchte nochmals betonen, dass dies alles voll- rinnen und Sängern statt. Die UNESCO hat die est- kommen alltäglich ist. Manchmal vielleicht sogar nischen Sänger- und Tanzfeste als Meisterwerke des allzu alltäglich, sodass es gar nicht mehr hoch genug mündlichen und immateriellen Erbes der Menschheit geschätzt wird. anerkannt. Im Zeitraum zwischen zwei großen Sän- Beim Gesangunterricht hat sich in der estnischen gerfesten finden die Sängerfeste für Schüler und Schulmusik die Verwendung des Kodály-Systems be- Schülerinnen statt, die vielen Kindern und Jugendli- währt. In Musik-Lehrbüchern für Grundschulen ist chen die Möglichkeit bieten, gemeinsam auf der das System der relativen Solmisation von Kodály mit großen Sängerbühne zu singen. Über das Repertoire dem Spielen auf Instrumenten, mit Bewegung und eines Sängerfesten wird immer heftig diskutiert. Das Sprechchor im Sinne des Orff-Schulwerks verbunden Repertoire der Schulchöre beinhaltet sowohl mehr- worden. Auch beinhalten estnische Musik-Lehr- stimmige Kinderlieder, neue Werke estnischer Kom- ponisten als auch Bearbeitungen von Popmusik. Es werden immer auch einige traditionelle Chorlieder von meist estnischen Komponisten vorgetragen. Die Teilnahme am Sängerfest bietet für Kinder immer eine hohe Motivation, auch wenn der Übungsprozess oft sehr anstrengend ist. Aber das Erlebnis des Sän- gerfestes ist so groß, dass man immer wieder zurück auf die Sängerbühne möchte. Es gibt auch Chor- Camps, die von Chor- und Gesangvereinen organi- siert werden und bei Kindern und Jugendlichen meist sehr beliebt sind. Wenn man an das Sängerfest und seine Vorbereitung denkt, könnte man glauben, dass es dort wenig Knabenchor Pöltsamer Gymnasium Berührungspunkte mit Ideen der Orff-Schulwerk

57 the San Francisco School, to come to Reykjavík in May to offer a course for music teachers and educa- tors. It is the first time that James Harding visits Ice- land, but both Sofía López-Ibor and Doug Goodkin, who teach at the same school have held courses here at least two times each. We are looking forward to this visit and his teaching, which will send us into the sum- mer with our head and senses full of new ideas. Although a course has not been held for the last two years in the name of SOTI, the three of us founders and board members of SOTI, have been working within different fields on music and music education in the spirit of the Orff-Schulwerk: Elfa Lilja Gis- Sängerfest für Schulchöre in Tallin ladóttir teaching the youngest in kindergarten and Pädagogik gibt. Viele Lehrer und Chorleiter halten music school, Nanna Hlíf Ingvadóttir as a music ed- das geforderte Repertoire für eher schwierig. Es sind ucator in the primary school, and both of them also sehr viele Lieder, die gelehrt und gelernt werden müs- concurrently teaching part time at the University in sen. Um dies zu erreichen, ohne dass die Kinder teachers’education. Kristín Valsdóttir is a dean of the ihren Enthusiasmus verlieren, verwenden Lehrer und department of Arts Education at The Icelandic Acad- Lehrerinnen all ihre guten und besten methodischen emy of the Arts, which is the only institution in Ice- Tipps, von denen einige sicherlich von Orff-Schul- land that offers arts education at a higher education werk Kursen stammen. level. Through this work we are able to influence both Mit Sicherheit aber üben die Ideen der Orff-Schul- children in schools and the coming generations, werk Pädagogik in ihrer Offenheit und ihrem positi- through teaching future teachers. ven Akzent auf sozialem Lernen für unsere Lehrerin- nen und Lehrer eine große Anziehungskraft aus und The Song in Music Education diese wird auf ihre Einstellung zum Lehren von Mu- One of the main elements in Icelandic traditional mu- sik übertragen. sic is singing. Through the ages not many instruments Wir, als Vertreter eines kleinen Volkes, müssen zu- where available in Iceland. There was a shortage of rechtkommen, indem wir die guten Ideen der weiten wood and other materials to build them and shortage Welt übernehmen und gleichzeitig unsere eigenen of both opportunities and money to buy them, leaving Traditionen behüten, damit wir uns nicht im Schmelz- the people with their voice as their main instrument. tiegel der Weltkulturen auflösen. And they used it! This tradition of singing can be felt and heard in all schools, kindergarten, every gather- Tuuli Jukk, Leiterin der Fachgruppe ing and “party” and latest but not least in the over für Orff-Schulwerk Pädagogik 200 choirs and singing groups that thrive in a total ESME – Estonia Society for Music Education population of little over 300.000 people. The high number of singing groups and choirs in Iceland pos- sibly has its roots in how strongly Icelanders relate to their language as a common media. Every nation has Iceland a need for something to hold it together, some social cohesive. News from Iceland As can be expected Icelandic primary schools differ in Now when the sun is rising after a dark and windy the emphasis in music education. In some schools, winter in Iceland, it is a great pleasure to be expect- singing is a part of a daily routine where all the chil- ing a visitor form the sunny California. SOTI (Ice- dren sing together every morning in the school’s as- landic Orff Society) has invited James Harding from sembly hall and others have the same tradition

58 weekly. Although teachers use various methods and approaches in the teach- ing, singing and/or songs are always a big part of the music education. Ice- landic songs and the Ice- landic language have a clear bonding and there- fore singing is also a part of the curriculum in Ice- landic (mother tongue). Teachers, choir conduc- tors and nursery school- teachers work with rhymes, stories and lyrics as a basis for language mouth and together with the writer and poet, training and musical training on instruments, through Þórarinn Eldjárn, created the story. As said earlier singing, movement, playing with words, nursery the composer was so inspired by this work that he rhymes and working with such aspects as tempo, wrote seven beautiful songs to these poems/ pictures. pulse and atmosphere. In this work, words can inspire They will be performed by the group of instrumental a melody, melody a movement and movement a story students and nursery school children in Harpa, the – or the other way around. new concert hall in Reykjavík in April, in opening of the Children’s cultural festival (held April 23rd – 28th, Inspiring Collaboration in Perfect Harmony 2013) in Reykjavík. (of Music, Poetry and Pictures) This process is one of the wonderful ways of how we The newest project that we are working on includes can intertwine the arts in and out of schools, and in instrumental students and around 400 five-year-old- this case, how music can be connected to words and children from 20 nursery schools in Reykjavík. In the images – BUT, it could have been the other way project, instrumental around students from one of the Kristín Valsdóttir biggest music schools in SOTI – Icelandic Orff-Schulwerk Association Reykjavík work together with the nursery school children, who will pro- vide the singing (choir). One of Iceland’s most Singapore famous composers, Atli Heimir Sveinsson, was Reflexions of a Repatriate asked to choose from his collection some songs Being in Salzburg for the Special Course was a dream for this project. He suggested seven little songs, he come true. My previous application was at the outset had just composed, inspired by a “poetry” book he of the Asian financial troubles back in the late 1990s. had received for Christmas. The book was created in I was neither able to get a grant nor a scholarship. collaboration with an artist and a poet. Edda The temporary setback saw me putting aside my plans Heiðrún, who is a famous actress in Iceland and who but I definitely was not giving up hope. due to her illness is paralyzed from neck down, After more than a decade, the dream was realised and painted the watercolor pictures in the book with her I spent a fruitful 10 months not only enjoying, learn-

59 ing, absorbing but more importantly pondering, in- all after the second day as many at first were resis- ternalizing Carl Orff’s philosophy of the Orff-Schul- tant to the concept of movement within a music class. werk. Being a trained classical musician with mini- mal if not nil training in dance, there was initial trep- The other group consists of trainee teachers predom- idation of attending the Special Course as half of the inantly selected to teach the primary school tract, course was given to dance and movement classes. though there are a few classes consisting of the sec- With the expert help and guidance from the various ondary tract. The two above-mentioned groups work teachers, my early fears were quickly allayed and as in government schools and because of these teachers, the saying goes, I just rose to the challenge. more schools have approached me to give workshops My sojourn in Salzburg was greatly enriched by at- in different parts of Singapore. Overall, more than tending as well as performing in myriad concerts and 500 people have either studied with me or attended performances, both in Salzburg itself and nearby my workshops since I returned. cities and towns. The inner child within me was re- Furthermore, teachers who have attended the above joicing and thankful for the opportunities and chances classes/courses have arranged for workshops within that were opened to me. However, at the back of my their schools so as to share with their fellow music mind, I was mindful of the fact that I was to return to teachers. Coupled with my full-time job, my plate has my home country and see how best to fit my new- been full since returning from the Special Course. found understanding of the artistic pedagogical Initial enthusiasm sharing my new found confidence processes with my personal work situation. in movement and dance had to be tempered as feed- The Singaporean Education Ministry is currently back was given that movement is not suitable for looking into strengthening both primary and sec- many schools. This was due to the lack of physical fa- ondary teachers’musicianship, pedagogical skills and cilities as well as trying to fulfil the curriculum. There musical knowledge. Within a few months of my re- was initial reluctance on the trainees’ part as they turn, I was approached by the same Ministry to give were expecting a template or fixed lesson plans. introductory workshops lasting 36 hours over 5 con- The Ministry had decided to go for an eclectic music secutive days to 3 different batches of teachers. This program taking what it seems as the best of the vari- was done over half a year. On top of this, classes con- ous approaches and philosophies. Orff, Kodály and ducted by myself are attended by trainee teachers as Dalcroze are married with the use of local music and well as in-service teachers attending courses in the the latest Internet Technology as the way to the future local teacher training college. for Singaporean students. For the workshops, there are 2 different groups of However, with much cajoling and encouragement on teachers, Primary (teachers teaching students age my part, it has been noted that with time and practice, 7–12) and Secondary (those teaching students age many of the trainee teachers understood the need for 13–16). It was noted that the secondary teachers were flexibility in lessons and lesson planning as well as better equipped musically and generally had higher the integration of speech, movement and music, the musical abilities, as quite a few are trained musicians basic tenet of the Orff-Schulwerk’s philosophy. The and had become Head of Departments in their vari- “window of creativity” in every lesson is the basic ous schools. The primary school teachers differed right of each student in a school’s classroom. Be it im- slightly as the majority are not music trained, and all provising on the recorder or Orff instruments, com- of them do teach another subject as well as music. ing up with new body percussion patterns or even There were 3 separate groups consisting in total of 65 writing their own rhymes to a rhythmic pattern, these participants. There were a handful of participants activities are now more readily accepted by local mu- who had movement or dance background and it was sic teachers as part of a music class. these teachers who generally saw the link between Paul Grosse, speech, movement and music earlier than the purely Orff-Schulwerk Association, Singapore music-trained teachers. The understanding of the Orff-Schulwerk philosophy was largely understood by

60 Nähe des Flughafens untergebracht. Beim Erdbeben 1999 wurde dieses Gebäude zum Teil beschädigt. In- nerhalb kürzester Zeit wurde danach auf der asiati- schen Seite am Rande der Stadt und in prachtvoller Naturumgebung ein eigenes, modernes Schulgebäude errichtet. Wir stellen vor … Im Bereich Musik arbeiten sechs Musiklehrer, davon haben vier eine mehrjährige Multiplikatoren-Fortbil- dung der türkischen Orff-Schulwerk Gesellschaft We present … abgeschlossen. Dazu kommen drei Instrumental- pädagogen für Geige, Cello, Gitarre und Pop-Band AG, der Musikunterricht wird also durchwegs von Carl Orff-Schule ALEV Istanbul Fachlehrern, nicht von Klassenlehrern erteilt. Nach dem Umzug in das neue Schulgebäude ergaben sich für die Orff-Schulwerk Arbeit optimale Mög- lichkeiten in Bezug auf Räumlichkeiten, Ausstattung und Organisation. In den Klassen sind maximal 24 Schüler, die für den Musik- und Bewegungsunterricht in zwei Gruppen geteilt werden, d. h. jede Klasse hat zwei Musik- und BewegungslehrerInnen. Die Stun- den finden zweimal wöchentlich statt. Ein komplettes Set an Orff-Instrumenten wurde von Studio 49 im- Fato¸s Auernig portiert, kleine Schlaginstrumente waren in genügen- der Anzahl für zwei Parallel-Unterrichtsklassen für Die ALEV-Schule wurde im Jahre 1998 von der Stif- jeweils 12 Schüler vorhanden. tung der Absolventen des Österreichischen Sankt Ge- orgs-Kollegs in Istanbul gegründet. Der Name Unter den Lehrern der Vorschule und Unterstufe (6- „ALEV“ bedeutet auf Türkisch „Flamme“ – ein be- bis 10-jährige Kinder) gibt es eine enge Zusammen- wusst gewähltes Wortspiel mit der Hoffnung, dass arbeit. Die Deutschlehrer, die Klassenlehrer, die Zei- dieser Schule im türkischen Schulwesen eine chenlehrer machen immer wieder gemeinsame Arbeit führende Rolle und Beispielwirkung zukommen mit den Musikern. Sie nehmen freiwillig an Orff- würde. „ALEV“ als Akronym besteht aus den An- Schulwerk Kursen teil. Klassenlehrer schreiben Arti- fangsbuchstaben des türkischen Stiftungsnamens der kel über Klassenaktivitäten und Projekte im Sinne des Absolventen des Österreichischen Sankt Georgs-Kol- Orff-Schulwerks für die Zeitschrift unserer türkischen legs (Avusturya Liseliler E˘gitim Vakfı). Orff-Schulwerk Gesellschaft. Bei der Gründung dieser Schule spielte wohl der Die Schulleitung unterstützt diese Arbeit großzügig Wunsch der Absolventen eine entscheidende Rolle, und schickt immer wieder interessierte Lehrer zu ihren eigenen und anderen Kindern eine ähnlich gute Orff-Kursen, auch wenn diese während der Schulzeit Bildung zu ermöglichen wie sie selbst sie am Öster- stattfinden. (Dies trotz organisatorischer Schwierig- reichischen St. Georgs-Kolleg genießen durften. Zur keiten mit Unterrichtsvertretung und zusätzlich fi- Zeit hat die Schule insgesamt 952 meist türkische nanzieller Belastung des Etats.) Schüler (in Kindergarten, Grundschule, Mittelschule An der ALEV-Schule gibt es einen Schulchor, dessen und Gymnasium), deren Eltern Interesse an einer Mitglieder aus den begabten und interessierten guten Bildung, am Erlernen der deutschen Sprache, Schülern alle Klassen ausgewählt werden, eine der aber auch an österreichischer Kultur haben. Musik- und Bewegungslehrerinnen (zurzeit Özen Ursprünglich war die Schule in einem gemieteten Ge- Çim¸sir und früher Fato¸s Auernig) leitet den Chor (ge- bäude auf der europäischen Seite Istanbuls in der legentlich mit Unterstützung von Kollegen, da die

61 Fest zur Namensgebung Chorkonzert im Österreichischen Generalkonsulat

Alle Lehrer der ALEV-Schule begrüßen das neue Schuljahr

Orff-Schulwerk Fortbildungsseminar für Lehrer

Die Pop-Band der ALEV-Schule 62 63 Gruppe recht groß ist). Bei Aufführungen helfen alle Schulwerks, sondern auch immer wieder ganz per- Musiklehrer mit und übernehmen die instrumentale sönliche Betreuung und Bestärkung darin, dass Un- Begleitung. Der Chor hält seine Proben in den Pau- terricht dieser Art auch für sie machbar sei. sen, vor Aufführungen wird auch einige Wochen zu- sätzlich noch nach der Schule geübt. Gründung der Carl Orff-Schule Auf dem Wege zu einer Carl Orff-Schule waren je- An dieser Stelle möchte ich die Mitwirkung, Bera- doch nicht nur die organisatorischen Bedingungen zu tung und Kurstätigkeit von Prof. Dr. Ulrike Jungmair berücksichtigen, sondern auch die pädagogisch-in- erwähnen. Sie hat nicht nur unserer Schule Katja haltlichen. Um diese zu verwirklichen, wurde in Mag. Ojala-Koçak als führende Lehrkraft empfohlen, son- Katja Ojala-Koçak (im türkischen Umfeld kurz Katja dern sie begleitet bis heute Entwicklungen und Pro- genannt) eine Absolventin des Orff-Instituts als Mu- bleme sowohl der Schule als auch der türkischen Orff- sik- und Bewegungspädagogin sowie als Koordinato- Schulwerk Gesellschaft und leistet wertvolle Hilfe- rin für MusiklehrerInnen und Kindergärtnerinnen ge- stellungen. Nachdem sie überzeugt war, dass die wonnen. Ihre Aufgabe war es, ein eigenes Orff-Cur- ALEV-Schule tatsächlich den Titel „Carl Orff- riculum für die ALEV-Schule zu entwerfen. Zuerst Schule“ verdiente, übermittelte sie diesen Wunsch der wurde das Programm für die Vorschule ausgearbeitet Schule an Frau Liselotte Orff und die Carl Orff-Stif- und umgesetzt. Danach erweiterte sich das Programm tung. Am 31. März 2001 erteilte Frau Orff der ALEV- in jedem Jahr um eine weitere Schulstufe. Katja ist Schule persönlich die Erlaubnis zur Führung des Na- eine sehr gut ausgebildete, disziplinierte und struktu- mens „Carl Orff-Schule“. Dies wurde am 10. Jänner rell denkende Persönlichkeit, die über genau jene 2002 gemeinsam mit der Gründung der türkischen Fähigkeiten verfügt, die notwendig sind um das Orff- Orff-Schulwerk Gesellschaft festlich gefeiert. Schulwerk in einem Land wie der Türkei zu ent- wickeln, das – halb mediterran, halb orientalisch – Zusammenarbeit zwischen ALEV Schule und über ein sehr striktes, wenig kreatives Schulsystem Orff-Schulwerk Gesellschaft verfügt. Seit diesem Tag steht die Arbeit der Carl Orff-Schule ALEV Istanbul und der türkischen Orff-Schulwerk Interne Lehrerfortbildung Gesellschaft (OSG) in engster Zusammenarbeit. im Bereich Orff-Schulwerk Beide Institutionen sind unter dem Dach der Stiftung Katja Ojala-Koçak hat für jede Schulstufe ein Curri- der Absolventen des Österreichischen Sankt Georgs- culum erstellt. Gemeinsam mit den involvierten Leh- Kollegs Istanbul entstanden und werden von dieser rern und Lehrerinnen wurden die Detail-Lernziele, großzügig finanziell und immateriell unterstützt. Die mögliche Aktivitäten und entsprechende methodische OSG-Türkei befindet sich in den Räumlichkeiten der Vorgehensweisen grob festgelegt. Bevor die Unter- ALEV-Schule, sie darf bei ihren Kursen die Instru- richtsstunden durchgeführt wurden, gab es eine Ko- mente der Schule verwenden. Sechs Lehrkräfte der ordinationsstunde, in welcher der Inhalt der Stunden Schule sind auch offizielle ReferentInnen der Gesell- genau besprochen und die verschiedenen Aktivitäts- schaft. Die türkische Orff-Schulwerk Gesellschaft möglichkeiten themenbezogen diskutiert wurden. “Orff Schulwerk Egitim ve Danismanlik Merkezi Katja besuchte einmal pro Woche jede Lehrkraft in Türkiye – Orff Merkezi“ wird insbesondere von der ihrer Klasse, um den Unterricht zu beobachten und österreichischen Orff-Schulwerk Gesellschaft betreut Protokoll zu führen. In der darauffolgenden Woche und unterstützt und ist offizielles Mitglied des Orff- erfolgten Reflexion und Evaluation dieser Stunde und Schulwerk Forums Salzburg, des internationalen die gemeinsame Vorbereitung auf die nächste Stunde. Netzwerks aller Orff-Schulwerk Gesellschaften. Die Diese intensive Schulung dauerte insgesamt vier ALEV ist eine der assoziierten Schulen des Forums. Jahre. Die erste Geschäftsführerin der OSG-Türkei war Auf diese Weise erhielten die türkischen LehrerInnen Mag. Katja Ojala-Koçak, die auch Gründungsmit- nicht nur eine intensive Einführung und Unterwei- glied der Gesellschaft war. Im Jahre 2005 übersiedelte sung in Prinzipien und konkrete Anwendung des Orff- sie mit ihrer Familie nach München und Fato¸s Auer-

64 nig übernahm ihre Position. Dennoch sind Katja und und der sehr hungrige Drache“, „Roboterkönig“ Frau Prof. Dr. Jungmair im ständigen Kontakt mit der und „Als die Raben noch bunt waren“. türkischen Gesellschaft und wirken aktiv in großen – Enge Zusammenarbeit mit den Deutschlehrern Projekten wie der Multiplikatoren-Fortbildung, den Die Deutschlehrer erzählen in den 4. Klassen die türkischen Aufbau-Kursen (Level Courses), die erst- ausgewählte Geschichte. Dann versuchen die Kin- mals im Juni 2013 stattfinden oder Veröffentlichun- der die Geschichte selber zu erzählen. Dadurch gen im Sinne des Orff-Schulwerks in türkischer wird ihr Wortschatz erweitert und sie lernen in Sprache mit. deutscher Sprache zu denken. Die entscheidenden Wörter für das Musiktheater werden extra erarbei- Musiktheater-Projekte tet. So entsteht mit Hilfe der LehrerInnen das Li- Um ein wenig den interdisziplinären Charakter des bretto. Orff-Schulwerks an unserer Schule beschreiben zu – Übungen und Spiele zur Verinnerlichung der Ge- können, soll besonders das mittlerweile traditionell schichte gewordene kreative Musiktheater-Projekt der 4. Klas- Zum Beispiel wird in der Geschichte „Als die Ra- sen Erwähnung finden. Durch dieses Projekt, das seit ben noch bunt waren“ ein Baum voller Vögel dar- 2004 regelmäßig durchgeführt wird, können die gestellt und jedes Kind beschreibt sich selbst je Schüler ihre erworbenen Fähigkeiten in größeren Zu- nach Deutschkenntnissen. Oder es wird diskutiert, sammenhängen anwenden und zum Schluss auch prä- wie die Geschichte weitergehen könnte, was für ein sentieren. In diesem Projekt, an dem ungefähr ein Se- positives Ende möglich wäre. mester lang gearbeitet wird, können sich die Kinder in – Festlegung der Teile des Musiktheaterstückes Musik, Tanz und Theater aktiv beteiligen. Jedes Mit- Meistens wird je nach Anzahl der jeweiligen Paral- glied bestimmt den Ablauf der Vorbereitung, der Pla- lelklassen eines Jahrganges bestimmt, aus wie vie- nung und der Aufführung mit. Die Lehrer spielen da- len Teilen das Stück bestehen wird. Jede Klasse bei „nur“ eine begleitende Rolle d. h. sie ermöglichen übernimmt die Verantwortung für einen Teil. Es die Koordination zwischen den Arbeitsgruppen. wird darauf geachtet, dass es in jedem Teil einen Ausgangspunkt ist immer eine altersgemäß passende Höhepunkt gibt. Geschichte. Die Schüler arbeiten während des ganzen 2.Aktive Produktionsphase Entstehungsprozesses in Kleingruppen von 2–6 Kin- – Übungen für mehrstimmigen Sprechchor dern. Zwischenlösungen der Kleingruppen werden Jede Klasse entscheidet für sich, für welchen Teil den anderen Gruppen vorgezeigt und durch gegen- sie einen Text schreiben wollen. Die Musiklehre- seitige, aufbauende Kritik weiterentwickelt. Manch- rInnen geben den Schülern einen Rhythmus vor. mal werden fertige Musikstücke, die eingebaut wer- Zuerst wird dieser Rhythmus durch verschiedene den sollen, vereinfacht und an die Fähigkeiten der Spiele, u. a. auch durch Bodypercussion, verinner- Kinder, die ein Instrument spielen, angepasst. Die licht. Dann versuchen die Kinder in Kleingruppen, selbstgeschriebenen Liedertexte, kleinen Melodien Texte für diesen Rhythmus zu schreiben. Die Texte und eigenen Tänze sind einmalig für die jeweilige Ge- können Türkisch oder Deutsch, oder auch eine schichte und gehören dieser Gruppe. Die nächste Kombination von beiden sein. Alle Ergebnisse wer- Gruppe erfindet wieder ihre eigenen Lösungen. den präsentiert und die Klasse entscheidet selbst, Dieses Projekt besteht aus vier Phasen: welches Ergebnis bei der Aufführung verwendet 1. Vorbereitungsphase wird. – Auswahl der Geschichte – Melodie-Finden für den gegebenen Text oder Text- Die Kinder interessieren sich am meisten für Mär- Schreiben für eine gegebene Melodie chen oder Geschichten über Tiere, in denen Kö- Oft ist der Ausgangspunkt ein Stück aus dem Orff- nige, Prinzessinnen und verschiedenartige Krea- Schulwerk. Beim Üben dieses Stückes wird in der turen vorkommen. Wir haben bis heute folgende Gruppe ein Text passend zum Thema geschrieben. Geschichten auf die Bühne gebracht: „Rattenfän- Manchmal schreiben die Kinder zuerst den Text ger“, „Zinnsoldat“, „König Hupf der I.“, „Oskar und versuchen dann durch Improvisation eine ein-

65 fache Melodie zu finden. Nachdem die ganze terialien mit in die Schule, die für das Musikthea- Klasse das kleine Musikstück gelernt hat, wird es – terstück gebraucht werden können. wieder nach gemeinsamen Vorschlägen – mit an- – Kurzer Videofilm von der Vorbereitungsphase deren Begleitinstrumenten bereichert. Neben der In jeder Gruppe werden von Zeit zu Zeit Videoauf- Stimme, den Körper- und Selbstbauinstrumenten nahmen und Fotos gemacht. Dadurch können die werden oft ungewöhnliche Klangkörper wie z. B. Kinder sehr genau sehen, wie sie angefangen ha- Plastikkanister von Schülern vorgeschlagen. ben, wie der Prozess verlief und welche Endergeb- Bei diesen Phasen sind die DeutschlehrerInnen und nisse sie erreicht haben. Aus diesen Aufzeichnun- türkischen KlassenlehrerInnen immer mitbeteiligt gen wird ein Videofilm geschnitten, der Eltern und indem sie die Texte eventuell grammatikalisch ver- anderen Zuschauern mit passenden pädagogischen bessern oder in ihren Stunden die Texte üben las- Erklärungen gezeigt wird, damit sie die mit dieser sen. Aufführung verbundene Arbeit besser verstehen – Tanz-Erfinden und würdigen können. Unter der Leitung der Lehrkraft versuchen die Kin- der einen Tanz zu der gegebenen Musik zu finden, 4.Schlussphase – Aufführung wobei sie Improvisation sowie früher erworbenes – Die Aufführung findet immer am Ende des Schul- Bewegungs- und Tanzmaterial benützen und es an jahres während des großen Schulfestes statt, d. h. das jeweilige Thema anpassen. alle Schüler, Eltern und Lehrer sind da und ein – Rollenverteilung großes Publikum schaut zu. Während dieser Auf- Verschiedene Faktoren sind dabei entscheidend: führung werden eine professionelle Videoaufnahme Welche Instrumente stehen zur Verfügung? Gibt es und Photos gemacht. Die Reaktion ist meist enthu- besonders begabte Kinder in der Gruppe? Alle Ent- siastisch, die Kinder sind sehr stolz, weil diese Auf- scheidungen werden gemeinsam getroffen. Alle führung ihre Eigenprodukt ist, die Eltern sind be- Vorschläge werden angehört. Es werden Gelegen- eindruckt, weil sie kurz vor der Aufführung durch heiten geschaffen, wo Bedenken und Unzufrieden- ein Informationsvideo erfahren, auf welche Weise heiten zum Ausdruck gebracht und diskutiert wer- und mit welchem Arbeitsaufwand dieses Mu- den können. siktheater entstanden ist. Die Drittklässler waren schon bei der Herstellung von Bühnenbild und Pla- 3.Vorbereitungsphase für die Aufführung katen beteiligt und freuen sich, dass sie im näch- – Arbeit an dem Plakat sten Jahr das Projekt Musiktheater übernehmen Die Drittklässler, die ein Jahr später an dem Mu- werden. Zuletzt bekommt jedes Kind, das am Pro- siktheaterprojekt arbeiten werden, bereiten das Pla- jekt teilgenommen hat, zusammen mit seinem kat vor. Das führt dazu, dass sie die Aufführung mit Zeugnis auch eine DVD von dieser Aufführung als mehr Interesse anschauen und sich schon auf diese Erinnerung. Aufgabe des nächsten Jahres innerlich einstellen. Sie bekommen von den ZeichenlehrerInnen und Fato¸sAuernig GrafikerInnen der Schule Unterstützung. studierte Klavier und Harmonielehre am Istanbul – Bühnengestaltung, Dekor und Kostüme Universität Staatliches Konservatorium und Be- Darüber wird wieder in den Klassen und mit der triebswirtschaftslehre an der Bosphorus Universität Unterstützung ihrer KlassenlehrerInnen diskutiert. Istanbul. 1998–2005 war sie Musiklehrerin an der Manche Dekorationsstücke entstehen im Kunstun- Carl Orff Schule ALEV Istanbul. Seit 2005 Ge- terricht. Auch der Vorrat an alten Dekorations- schäftsführerin der türkischen Orff-Schulwerk Ge- elementen wird mit den Kindern gemeinsam durch- sellschaft. Mitautorin an einigen Lehrbüchern über gesehen und passende Teile werden wiederverwen- Kinderchor und Stimmbildung. det. Die Kostüme werden mit Hilfe der Eltern zusam- mengestellt. Jedes Kind bringt von zu Hause Ma-

66 lerin und dazu Tochter des weltberühmten Komponi- sten, begegnete sie dem anderen auf Augenhöhe, nahm ihn wahr in seiner Individualität, seinen Mög- lichkeiten, seiner Begabung und förderte diese durch ihre positive Grundeinstellung und Zugewandtheit. Ich erinnere mich noch gut: In Memoriam • an ihre klangvolle, sonore und ausdrucksvolle Stimme, ob in einem privaten oder sachbezogenen Gespräch, ob bei der Arbeit an einem Text, an einer In Memoriam Szene • an die Intensität und Konzentration im Unterricht mit uns, dabei auch an ihre Fröhlichkeit, die wie Zum Gedenken an eine beständige Grundschicht auch in der ernsthaf- Godela Orff (1929–2013) ten Arbeit wirkte, dazu ihr Humor: Wie konnte sie lachen – und wie herrlich klang das! Die einzige Tochter von Carl Orff starb 92-jährig • an ihre Augen, die mit ihrem stahlblauen Leuchten am 6. April 2013 genau die Intensität, diese innere Kraft ausstrahlten, die ihr Arbeiten mit uns so besonders, so dicht und bereichernd machte. Dass sie uns Sprache, Sprache sprechend zu gestal- ten in einer besonderen Weise erschließen konnte als etwas im Grunde musikalisch Tönendes durch den Klang und den Rhythmus der Worte kam nicht von ungefähr. In ihren Erinnerungen erzählt sie von einem Schlüsselerlebnis, das sie als junge Schauspielstu- dentin hatte: Ihr Vater arbeitete mit ihr an einem Mo- nolog der Julia: „(…) dann begann er mit mir über und durch die Sprache meine Gefühle zu lösen, ich hörte den Rhythmus der Verse, die schwingende Satz- melodie … Ich erinnere mich an die Zeile ‚Komm, ernste Nacht, du züchtig stille Frau, ganz angetan mit Schwarz …‘ Mein Vater: ‚Hörst du diese aufeinan- derfolgenden Vokale – ganz angetan mit Schwarz … – das ist Musik!‘“ Solche Begeisterung vor allem an junge Menschen Godela Orff kam zum Wintersemester 1968 an das weiter zu geben, war ihr ein besonderes Anliegen ihr Orff-Institut. Sie war eingeladen worden, das neue Leben lang. Und wie ihr das gelang! Fach „Sprecherziehung und Sprachgestaltung“ in Ver- Für dies und vieles mehr gibt es Godela Orff zu bindung mit dem „Orff-Schulwerk“ aufzubauen und danken! leitete diesen Bereich bis 1975. Ernst Wieblitz Ich hatte in meinem zweiten Studienjahr als Student im Namen der Kolleginnen und Kollegen und ab dem Wintersemester 1970 als „neubestellter“ des Carl Orff-Instituts Lehrer in gemeinsamen Projekten das Glück, mit ihr zusammen zu arbeiten – und vor allem zu lernen. Denn ob ich nun ihr Student oder ihr junger Kollege war, spielte gar keine Rolle. Das war das Besondere an ihr: Obwohl selbst einst eine berühmte Schauspie-

67 ihren langjährigen Begleiter Parkinson. Anmerkung Abschied von Gerda Bächli M. W.) nicht schlecht machen; er war wirklich jahre- lang einer, mit dem man rechnen konnte. Nun muss Erst das Vergnügen, dann die Arbeit … ich aber statt der Maßnahmen zu seinen Gunsten (ei- … so wollte Gerda nige Übungen und tägliche Wanderungen) doch Me- Bächli gerne den alten dikamente g e g e n ihn nehmen, Minidosen, die Spruch auf den Kopf aber, gekoppelt ans Essen, meinen Tagesablauf zer- stellen, wie sie in einem stückeln, und für immer eine Regelmäßigkeit von mir Interview verriet, und verlangen, die mir total zuwider ist. Die selbständige schenkte uns Hunderte Phase ist zu Ende, im Lauf der nächsten paar Monate von Liedern, die von werde ich umziehen. Schließlich werde ich neunzig, Groß und Klein stets mit da kann niemand behaupten, es sei zu früh.“ großem Vergnügen auf- Und obwohl sich Gerda Gedanken machte, was sie genommen wurden. denn so den ganzen Tag im Heim machen könnte, Landauf und landab schrieb sie weiter: werden sie gesungen und gespielt in Kindergärten, „Bei allem Abschiedsschmerz von der Freiheit, spüre Krabbelstuben, Schulen, Behinderten-Einrichtungen ich auch viel Neugier. Ich bin schon immer gerne um- und Hochschulen. In unzähligen Liederbüchern und gezogen. Das wird spannend, und es ist schön, dass musikpädagogischer Fachliteratur wurden sie nach- man noch im hohen Alter Neues erfahren und lernen gedruckt und so manches wird schon als „überliefert“ kann. Zum Beispiel darüber, wer man selbst ist, wenn gehandelt, weil es so sehr in aller Munde ist! allmählich alle Rollen zu Ende gespielt sind und von Ende März ist Gerda Bächli im 92. Lebensjahr ge- uns abfallen wie der zu klein gewordene Panzer eines storben. Aber durch ihre Lieder bleibt sie uns ver- Krebses. Warum schreibe ich Dir das alles? Ich will bunden und nahe; durch ihre Lieder und Worte ist sie doch nicht jammern, und es wäre auch undankbar: Ich unsterblich geworden. habe ein gutes Leben gehabt, und es geht mir auch Gerda Bächli wächst in Zürich in einer Musikerfami- jetzt gut.“ lie auf und ist zunächst lange künstlerisch tätig. Sie Vor mehr als 30 Jahren unterrichtete Gerda Bächli das heiratet Samuel Bächli und hat mit ihm zwei Söhne. erste Mal in einem Sommerkurs am Orff-Institut, Nach Jahren in Schweden und Deutschland (Ham- auch sie erinnert sich an diesen Sommer und bei ihren burg) kehrt Familie Bächli in die Schweiz zurück und Worten kommen in mir viele Bilder zurück von un- Gerda beginnt ihre Arbeit mit Menschen mit Behin- serer ersten Begegnung, unseren Gesprächen, unse- dungen. Sie beginnt, selbst Lieder zu schreiben, ihr rem Lachen: erstes und wohl bekanntestes Liederbuch „Der Tau- „Wie lange wir uns schon kennen! Wie jung wir zu sendfüßler“ erscheint 1977. Von da an hört sie nicht Beginn beide waren und wie festlich die Kurseröff- mehr auf zu dichten und zu komponieren und ver- nung damals war, als wir in langen Kleidern die Po- breitet ihre Lieder, Spielideen und ihre zutiefst hu- lonaise tanzten! Du bist mit mir in die Schweiz ge- manistische Arbeitsweise auf unzähligen Kursen im fahren obwohl wir uns kaum kannten, es war Som- ganzen deutschsprachigen Raum. mer und das Leben war leicht und schön.“ In den vergangenen zwei Jahren lebte Gerda Bächli Gerda Bächli liebte es, lange Wanderungen zu ma- in einem Seniorenheim in Winterthur. Kurz bevor sie chen. Bevor der Frühling in diesem Jahr beginnen dort hinzog, schrieb sie mir Anfang 2011: konnte, hat sie ihre Augen für immer geschlossen. „Zehn Jahre lebte ich genau so selbstherrlich und un- Mitte April 2009 schrieb sie mir, wie sehr sie den gebunden, wie ich es mir immer wünschte, und wie Frühling erst im Alter so richtig zu schätzen gelernt man es nur haben kann, wenn man allein ist und keine habe. Aber eine Gerda Bächli gerät ob der Schönheit feste Anstellung hat. Ich habe es voll ausgenützt und der Natur sicher nicht nur ins Schwärmen! Mögen genossen. Aber schon seit längerer Zeit hatte ich Seh- ihre eigenen Worte allen, die Gerda Bächli gekannt, störungen. Ich will Parki (so nannte Gerda liebevoll geschätzt, verehrt und geliebt haben Trost spenden:

68 „Draußen ist es jetzt gerade unglaublich schön mit wohl er seit mehr als 15 Jahren nur noch sehr selten dem hellen Grün und den kleinen Blumen auf der in das Carl Orff-Institut zu Besuch kam, war er uns Wiese, die so viel festlicher sind als alle die Vorneh- mit seiner bezaubernden, ein wenig altmodischen men in den Gärten und Blumengeschäften. Und da es Höflichkeit, seiner eindringlichen Sprechweise, der zu meiner selbst ausgedachten ‚Therapie‘ gehört, dass gestischen Intensität und der immer freundlichen, ich täglich und bei jedem Wetter mindestens eine aber drängenden und intensiven Art seines Unter- Stunde und oft auch einen halben Tag wandern gehe, richts wie lebendig vor Augen. kann ich diese Schönheit so richtig genießen. Eigent- Schon vor der Gründung des Orff-Instituts von Carl lich ist es ja schon unsinnig, dass man erst alt werden Orff selbst zur Mitarbeit eingeladen, unterrichtete und irgendeinen Gesundheitsgrund haben muss, um Schingerlin 33 Jahre lang das Fach Schlagwerk und zu merken, was ein Frühling sein kann. Wahrschein- prägte und begeisterte eine ganze Generation von jun- lich braucht es jedoch auch das deutliche Bewusst- gen, am Schlagwerk interessierten Studenten, von de- sein, dass das eigene Leben befristet ist, damit man nen einige bald seine Mitarbeiter und jungen Kolle- sieht, dass diese elende Welt, mit der wir so verant- gen wurden. Dass Rudi (so nannten wir ihn freund- wortungslos umgehen und die voll von Missständen schaftlich) neben seiner vollen Lehrverpflichtung und Ungerechtigkeiten ist, dazwischen immer wieder auch als vielbeschäftigter Schlagzeuger und So- aufglänzt, als wäre das Paradies noch irgendwo hin- lopauker sowohl im Mozarteumorchester als auch im ter der sogenannten Wirklichkeit versteckt.“ Orchester der Bayerischen Staatsoper in München so- Auf Wiedersehen Gerda. wie in unterschiedlichen Ensembles für Neue Musik Manuela Widmer tätig und daher auch häufig „unterwegs“ war, gab sei- nem Unterricht eine besondere Färbung. Als leidenschaftlicher Lehrer schrieb er zahllose Etü- den für die besonderen Bedürfnisse seiner Schüler und veröffentlichte auch mehrere Kompositionen in Zur Erinnerung an Rudolf der Reihe „a battere“ des Schott Verlags, Mainz. Aus Schingerlin (1930–2012) den besten seiner Schüler bildete er unterschiedliche Ensembles und trat mit ihnen in Konzerten und – in Verbindung mit der Tanzgruppe des Institutes – auch in den „Musica Scenica“ Programmen sowie in ver- schiedenen filmischen Dokumentationen über das Orff-Institut auf. Rudolf Schingerlin war ein hoch engagierter Musi- ker, dessen Ausspruch „Ich habe nie gearbeitet, ich habe immer nur gespielt“ seine Einstellung zu seinem Beruf so wunderbar beschreibt. Er war ein herzens- guter und liebenswürdiger Kollege und ein begeister- ter und animierender Lehrer. Wir alle, die wir ihn kannten und mit ihm arbeiten oder bei ihm lernen durften, erinnern uns seiner mit Zuneigung und Dankbarkeit. Barbara Haselbach Zum Trauergottesdienst in der Franziskanerkirche am 19. 12. 2012 waren viele Kollegen und ehemalige Stu- denten aus nah und fern gekommen, um von ihrem Lehrer Rudolf Schingerlin Abschied zu nehmen. Die berührende Rede von Frau Prof. Jeanette de Boer ließ viele Bilder aus der Erinnerung auftauchen und ob-

69 Oktober / October 23.10. Jubiläumstag 50 Jahre Aus dem Gebäude Carl Orff-Institut Jubilee – 50th anniversary of the Carl Orff-Institut Carl Orff Institute building 25.10. Feierlichkeiten zu 50 Jahre Gebäude Orff-Institut und Immatrikulationsfeier, From the 19.00 Uhr Celebration – 50 years Carl Orff Carl Orff Institute Institute building Beginnging of term celebration Terminvorschau des November / November Carl Orff-Instituts 05.11. „Streiflicht“ mit/with Dr. Rudolf Nykrin, 18.00 Uhr, Theatersaal Events at the Carl Orff Institute 08.11. SOMA (school of music and arts educa- Juni – Dezember 2013 tion) – Eröffnung (voraussichtlich) June – December 2013 – opening (to be confirmed) 18.–22.11. Hospitationstage am Carl Orff-Institut Juni / June Visiting days at the Orff Institute 07.06. Aufführung / Performance: Weitere Hospitationstage am Institut: Carmina Burana, 19.30 Uhr, Further visiting days at the Orff Institute: Theatersaal, Carl Orff-Institut 24.–28. März 2014 09.06. Aufführung / Performance: 17.–21. November 2014 Carmina Burana, 19.30 Uhr, Theatersaal, Carl Orff-Institut Sonja Stibi 28.06. Zeugnisverleihung und Abschluss des Studienjahres, 10.00 Uhr , Theater Saal, Carl Orff-Institut Special Course 2014/15 Graduation and end of term, Theatersaal, Carl Orff Institute The Carl Orff Institute for Elemental Music and Dance Pedagogy, Mozarteum University in Salzburg Juli / July is pleased to announce the next postgraduate course 04.–07.07. Tagung des Orff-Schulwerk Forums: Advanced Studies in Music and „Orff-Schulwerk – Elementare Musik- Dance Education – Orff-Schulwerk und Tanzpädagogik in der Schule“ Convention of the Orff-Schulwerk “The Special Course” Forum Salzburg: “Elemental Music and This international university course, with a tradition Dance Pedagogy in school” of over 40 years, takes place at the heart of European 07.–12.07. Internationaler Sommerkurs des centers associated with Carl Orff. It will be held in Carl Orff-Instituts / International English and will run from October 2014 until June Summer Course of the Carl Orff Institute 2015. „Elementare Musik- und Tanzpädago- The course presents an intensive encounter with the gik für alle“ / “Elemental Music and pedagogical concepts of Orff-Schulwerk and its in- Dance Education for all“ ternational adaptations in over 35 countries of the (Geleitet von / directed by: Manuela und world. The course content is based on the pedagogi- Michel Widmer) cal concepts of Carl Orff and Gunhild Keetmann, on

70 contemporary developments and on new integrative • Einen umfangreichen Ordner Schriftverkehr mit concepts of aesthetic education. Contents include: den organisierenden Institutionen Orff-Schulwerk Sources and Adaptations, Di- • Zahllose Telefonate und Gespräche via Skype dactics of Elemental Music and Dance, Peda- gogy and Practice Teaching, Ensemble and • Verhandlungen mit Transportfirmen, Flughäfen, Improvisation, Composing with and for Chil- Zollstationen dren, Percussion, Vocal Ensembles, Instrument • Unzählige Helfer aus den Reihen der internationa- Building, Movement and Dance Technique, len Orff-Schulwerk Gesellschaften und Techniker, Basic Choreography and Improvisation, Cre- die bemüht waren, drei immer instabiler werdende ative Dance for Children, Movement Accom- Pakete aus- und wieder einzupacken, die Aufrichte- paniment, Elemental Music Theatre, Orff- vorrichtungen zu montieren und Bilderbahnen zu Schulwerk for People with Special Needs, Orff- hängen Schulwerk for Different Age Groups. The course addresses music and/or dance peda- • Viele hundert Besucher an jedem Ort gogues who have completed undergraduate studies • Empfänge und Ansprachen zur Eröffnung and who have had a minimum of three years profes- sional teaching practice. • Führungen durch die Ausstellung The course runs for one academic year (2 terms) with 615 study hours (56 European credits) as well as sev- Vielfältig waren die Ausstellungsorte (Kongressho- eral elective classes. There will be a practical and the- tel, Performing Art Center, Kulturforum, Univer- oretical examination at the conclusion of the course. sitätsfoyer, Aula eines Schulzentrums) und ebenso un- Graduates will receive a certificate. terschiedlich auch die Art, sie zum Ambiente für Kon- Tuition costs are about € 4700 plus a non-refundable zerte und Aufführungen zu machen, Inhalte der Aus- registration fee of € 400. stellung zu diskutieren, auf manche Themen mit konreter Gestaltungsarbeit einzugehen, über die Aus- For further information please contact: stellung zu berichten. Shirley Salmon, [email protected] http://www.orffinstitut.at/index.php?id=86 Einhellig war jedoch das große Interesse, mit dem die Besucher vor allem die englischen Texte studiert ha- ben und die hochmotivierte Anteilnahme an den In- halten und der Entwicklung des Carl Orff-Instituts. Barbara Haselbach Die Weltreise der Ausstellung „50 Jahre Orff-Institut“ Nach 18 Monaten Weltreise kam die Ausstellung „50 Jahre Orff-Institut“ (Konzeption: Barbara Haselbach und Micaela Grüner, Design: Anne Schmidt, Video- dokumente: Coloman Kallos) vor wenigen Wochen wieder zurück an ihren Entstehungsort nach Salzburg.

Was hat diese Reise rückblickend umfasst? • 76195 km Luftlinie: Salzburg – Pittsburgh (USA) – Perth (Australien) – Piossasco/Turin (Italien) – Helsinki (Finnland) – Hamilton (Neu Seeland) und schließlich wieder zurück nach Salzburg Pittsburgh, USA 2011

71 Finnland 2012 World tour of the Exhibition “50 Years Orff Institute” After an 18-month journey, the exhibit “50Years Orff Institute” (concept: Barbara Haselbach and Micaela Grüner, Design: Anne Schmidt, video documentation: Coloman Kalló¸s) returned to its point of origin. What did this trip contain in retrospect? • 76,195 air kilometres: Salzburg, Austria – Pitts- burgh, USA – Perth, Australia – Piosassco/Turin, Italy – Helsinki, Finland – Hamilton, New Zealand and finally back home to Salzburg • A whole filing cabinet full of correspondence with Finnland 2012 the organizing institutions • Countless telephone calls and Skyping • Negotiating for transportation with various compa- nies, airports and customs officers • Innumerable assistants and technicians from the ranks of the international Orff-Schulwerk Associa- tions helped to do the unpacking, mounting, re- packing, setting up the equipment and hanging of the pictures from the packing cases which were be- coming more and more unstable • Hundreds of visitors at each of the places • Receptions and speeches at the openings • Guided tours through the exhibit The exhibiting places were diverse (Conference Hotel, Finnland 2012 Performing Arts Centre, Cultural Forum, University

72 Foyer, School Auditorium) as were the ways in which they created an ambience for concerts and perfor- Performancegruppe mances; in which they started discussions about the „Das Collectif“ exhibit, reported about the exhibit or began to work creatively with some of the themes on the spot Aus der künstlerischen Arbeit der Performancegruppe The great interest was unanimous among the visitors des Carl Orff-Instituts der Universität Mozarteum who studied above all, the English texts and were so open and sympathetic to the contents and develop- Veni,Veni,Venias ment of the Orff Institute. Tanz-Performance: Ausschnitte aus Barbara Haselbach „Carmina Burana“ von Carl Orff und Improvisationen über „Carmina Burana“ in einer Choreographie von Irina Pauls Die Performancegruppe „Das Collectif“ setzt sich aus Lehrenden und Studierenden des Carl Orff-Instituts der Universität Mozarteum zusammen. Unter der künstlerischen Leitung von Irina Pauls entstand durch einen ungewöhnlichen Zugang abseits der bekannten Aufführungspraxis eine besondere Interpretation der „Carmina Burana“. Inspiriert von prägnanten Kompositionsprinzipien Carl Orffs stellt diese neue Lesart einzelne Motive des Werkes in den Vordergrund, bearbeitet sie spielerisch und erweitert sie phantasievoll. Dabei lehnen sich die Erfindungen stark an Orffs musikalische und geistige Italien 2012 Auseinandersetzung an. Das choreographische Konzept steht im Kontext zur Entstehungszeit der Liedtexte aus dem 11. und 12. Jahrhundert und zieht daraus Figuren, Konstellatio- nen, Situationen und Tanzformen. Das „Rad der Fortuna“ bildet das übergreifende Thema: Werden und Vergehen, Aufstieg und Fall, das Auf und Ab des menschlichen Schicksals.

From the artistic work of the performing group Italien 2012 “Das Collectif” Carl Orff Institute of the Mozarteum University Veni,Veni,Venias Dance performance excerpts from “Carmina Burana” by Carl Orff and improvisations over “Carmina Burana” choreographed by Irina Pauls The performing group “Das Collectif” is composed of teachers and students at the Carl Orff Institute of New Zealand 2013 the Mozarteum University. Under the artistic direc-

73 Visiting the Carl Orff Institute – Impresiones de una visita

Sechs Studierende der katalanischen Musikhoch- schule (Escola Superior de Música de Catalunya) ESMUC besuchten das Carl Orff-Institut während der letzten Hospitationswoche im März 2013, und zwei berichten an dieser Stelle über ihre Eindrücke. Orga- nisiert und betreut wurde die Studienreise von Lúis García Vázquez, Professor an der ESMUC und Ab- solvent des Orff-Instituts. From Barcelona, we hear about the Orff Schulwerk tion of Irina Pauls an unusual approach to well known very often. Teachers ask us to work and experience performance practices emerged in the interpretation music through the body. We have master classes with of Carmina Burana. some Orff teachers, summer courses with people who This new version, inspired by the concise composi- present Orff in different ways, and you end up build- tional principles of Carl Orff, places the single mo- ing an idea of what the Orff-Schulwerk actually is. We tives of the work in the foreground, works with them keep on getting new impressions about it and re- playfully and extends them imaginatively. In doing so building the ideas we previously had. The last im- they lean heavily on Orff’s musical and spiritual dis- pression, though, was the most powerful of all: visit- cussions. ing the Carl Orff Institute of Salzburg. Going on this The chorographical concept stands within the context trip was a way of discovering the process in its real of the origins of the texts from the 11th and 12th cen- environment. turies and draws figures, constellations, situations Something that surprised us was the situation of the and dance forms out of them. The “Wheel of Fortune” Institute and its characteristics. The building is placed builds the all encompassing theme: coming to being in the country, you can see big mountains covered and decaying, rising and falling, the ups and downs of with snow from the windows and you feel like if you human fate. were in a small town in the Pyrenees. Obviously, we had this impression because we are used to studying in downtown Barcelona, and from our windows we just see cars, concrete walls and other buildings. The Institute is located in a neighbourhood in the suburbs of the city, and its location does contribute to create a special climate within its walls. It is also a small building and there aren’t many students there (in the ESMUC we are about 600 students). We really felt like landing in a big family where everybody helps each other but at the same time, they all can express them- selves and work as individuals. During our visit we had the chance to see the way they worked in the classes, and we tried to understand the goal of their academic program. We saw different ways of approaching the Orff process and we think we caught the essence of what the Orff-Schulwerk means. In Barcelona, and in most of the departments of our school, the profile they search for is a vocalist or in-

74 strumentalis who dedicates most of his time studying repertoire and technique to become an excellent con- Arts without Limits 2012 cert musician. A wider vision of what being a musi- Tanz, Theater und Musik in der cian means is continuously discussed in our pedagogy classes and among the teachers’reunions. And in the Würzburger Residenz Institute we had the chance to see and live a way of understanding what music is that our musical acade- mic tradition has forgotten. The goal in the Institute is to prepare students to be- come music and dance teachers, giving them a gen- eralized and wide approach in both disciplines fo- cused on achieving a natural way to express and com- municate through these arts. The goal, then, is not to get excellent players and dancers, but beyond that. They work with three elements: music, movement and speech. But they don’t work just music-by-music, Ruth Burmann dance-by-dance or speech-by-speech. What they look forward to is that students create connections and feel „Kunst ohne Grenzen – Tiepolo und seine Welt“ war comfortable expressing themselves. We believe that der zweite Teil eines transeuropäischen Kulturpro- the climate in the Institute is what makes it possible. jektes mit Musik, Tanz und Theater. Das Erasmus-In- tensivprogramm fand in diesem Jahr in Würzburg Another thing we were surprised about was the inter- statt. Studierende der Fächer „Musik“, „Tanz“ und connection the Institute has with the city and its social „Theater“ aus Tschechien, Österreich und Deutsch- needs, and the way they use that so the students can land lebten und arbeiteten vom 1. bis 25. August 2012 do their didactics practicums. We liked the idea of re- in Würzburg. Am 24. August wurden die Ergebnisse lating the quality in education and the investigation der gemeinsamen künstlerischen Arbeit in einer gat- field in those classes, to give the students a good tungs-, stil- und kulturübergreifenden Performance im teaching practice and to give a social and cultural Kaisersaal der Residenz zur Aufführung gebracht. service to the people of Salzburg. We felt very welcomed by the people of the Carl Orff Der Hintergrund Institute and we appreciate the way they shared with Der inhaltliche Ausgangspunkt war diesmal das in us the heritage of the Carl Orff process. After all, we den Jahren 1752 bis 1753 von Giovanni Battista Tie- understood that it isn’t a method, but a way of living polo erschaffene Deckenfresko im Treppenhaus der music and artistic expression that could really enrich Würzburger Residenz. Hierin stellt der Maler die vier our vision of music education. We would like to thank damals bekannten Kontinente Afrika, Amerika, Asien all the students and teachers who helped us during und Europa dar und zeigt neben Menschen, Tieren our visit. You gave us many issues to think about and und Pflanzen auch geschichtliche Motive sowie her- to discuss, and we had a great time there. Thanks for ausragende Persönlichkeiten des damaligen kulturel- everything! len Lebens. Cristina Blanco Aloy and Ana Puig Canal Die Gruppe von 60 Beteiligten, bestehend aus Leh- renden und Studierenden, entwickelte gemeinsam ein Konzept, welches das Ziel hatte, eine Darstellung zu gestalten, die einerseits Geschichte interpretiert und andererseits philosophische Texte über das Reisen als verbindendes Element integriert. Phantasie, Kreativität sowie soziale und interkultu- relle Kompetenzen waren gefragt, um die unter-

75 schiedlichsten kulturellen und künstlerischen An- Der pädagogische Ansatz sätze, Interpretationen, Kompositionen und Choreo- Meine selbst gewählte Rolle in diesem Prozess war graphien, die jeweils in Kleingruppen entstanden, zu Beratung und Begleitung der fünf Tanzgruppen, so- einem Ganzen zusammenzufügen. Es musizierten ein wohl in der Entwicklung der Choreographien als auch Chor und ein Orchester in klassischer Besetzung, er- in der Einbettung derselben in die Inhalte der gesam- gänzt von exotischen Instrumenten aus Indonesien, ten Performance. Afrika und der Türkei sowie einer fabelhaften Jazz- band. Die Studentinnen des Carl Orff-Instituts waren Der konkreten Kompositionsphase in Würzburg ging in dieser Performance sehr stark als Tänzerinnen, als eine intensive inhaltliche Vorbereitung in Salzburg Chor- und teilweise auch als solistische Sängerinnen voraus. Ausgehend von meiner Einführung in die sowie vereinzelt als Instrumentalistinnen involviert. Thematik bekam jede der zehn Orff-Studentinnen ein Im Gegensatz zu der Vorgehensweise im Projekt „Bil- Teilgebiet zur spezifischen Vertiefung, zum Beispiel der einer Ausstellung“ auf der Insel Bozcada (Türkei) „Tiepolo und seine Söhne“, „Graf Greiffenclau“, je im Vorjahr (siehe Bericht in OSI Nr. 86, Seite 86) ha- ein Kontinent und der Götterhimmel aus dem Fresko ben diesmal fünf Studentinnen in von mir betreuten etc. Die Hälfte der Gruppe, die sich choreographisch Kleingruppen die Choreographien selbst entwickelt. erproben wollte, bekam zusätzlich die Aufgabe, sich Diese Herangehensweise ermöglichte eine Intensi- eine konkrete Herangehensweise an die eigene Cho- vierung der Kommunikation zwischen den Musikern reographie zurechtzulegen. Dies beispielsweise aus- und Musikerinnen sowie den Tänzerinnen und er- gehend von Musik, Bewegungsimprovisationen, Imi- leichterte die Identifikation mit diesem sehr umfas- tation von selbstkreiertem Material, Darstellungen im senden Thema. Fresko (Personen und Natur) oder dem eigenen Ma-

76 len. Um einen zeitlichen Gestaltungsfreiraum in Erfindung von Welt in Welt ging: Wie vieles dahin Würzburg zu schaffen, verpflichtete ich die Studen- sank und sich verlor, anderes neues heraufkam und tinnen zu diesen Vorbereitungen, da innerhalb der sich fortpflanzte, nur weiter fort ging, bis der Strom dortigen Konzeption der kompositorische Prozess so- uns unsere Zeit gab, der Punkt auf dem wir stehen.“ wie das darauffolgende Lernen und Einstudieren im Die Dramaturgie der Performance war vergleichbar Tanz nicht im Zeitplan mitbedacht und auch auf mit einem bunt ausgeschmückten Reisebericht. Be- meine Bitte hin nicht berücksichtigt wurden. Dank reist wurden sowohl die zu Tiepolos Zeiten bekann- dieser Einarbeitung waren die Orff-Studentinnen bei ten Kontinente als auch die himmlischen Gefilde der Ankunft in Würzburg bereits bestens vorbereitet und Götterwelt. Für jeden Kontinent wurden ein bis drei begierig zu beginnen, wodurch die vorgeschlagenen Theaterszenen von der türkischen Schauspieltruppe Tanzszenen bereits in der Konzeptionsphase die in- gemeinsam mit zwei deutschen Schauspielstudieren- haltlichen Schwerpunkte für das zu entwickelnde den unter der Leitung von ¸Sahine Hatipo˘glu sowie abendfüllende Programm vorgaben. zwei bis drei Choreographien von den Orff-Studen- Wir konnten uns aus einem breiten musikalischen An- tinnen gemeinsam mit zwei tschechischen Studentin- gebot seitens der MusikerInnen passende Stücke aus- nen unter meiner Leitung entwickelt. wählen und in Erwartung auf die live gespielten In- Die inhaltlichen und musikalischen Ausgangspunkte terpretationen die Proben zunächst mit Einspielungen für den Tanz und das Theater wurden demokratisch in sofort beginnen. Der Vorsprung der inhaltlichen und der Großgruppe ausgewählt. Die Großgruppe bestand strukturellen Klarheit in meiner Gruppe ermöglichte aus dem Lehrenden-Team, den drei künstlerischen mir nach dem täglichen Warm-up-Training die Tän- Gruppen (Tanz, Musik, Schauspiel) und einer zerInnen über längere Phasen alleine arbeiten zu las- Gruppe, die sich ausschließlich mit dem inhaltlichen sen und mich so gemeinsam mit den Musikern, Überbau des Abends beschäftigte. Letztere nannte Schauspielern und „Philosophen“ der Weiterentwick- sich „Sky-Group“, ausgehend von meinem Vorschlag, lung der inhaltlichen Gesamtstruktur zu widmen. Mit den Himmel und die darin von Tiepolo dargestellte ¸Sahine Hatipo˘glu kreierte ich gemeinsame Szenen der Götterwelt als künstlerisches Bindeglied zwischen Tänzerinnen und SchauspielerInnen und koordinierte den einzelnen Kontinenten einzusetzen. Die Sky- den Probenplan für die Tänzerinnen. Group teilte sich wiederum in eine fünfköpfige Tän- In der letzten Phase des Projekts, in der die erarbeite- zerinnengruppe, eine dreiköpfige Komponisten- ten Teile aller Gruppen zu einem Ganzen zusammen- gruppe sowie einer Diskussionskerngruppe von drei gefügt werden mussten, übernahmen die „Philoso- bis sieben Personen. Jeden Abend wurden die Zwi- phen“ und ich gemeinsam die Regie. Die „Philoso- schenergebnisse der einzelnen Gruppen (so vorhan- phen“, zwei Studierende der Philosophie, hatten eine den) in der Großgruppe vorgestellt und von dieser entscheidend ergänzende Funktion in diesem Projekt: kommentiert. Die Aufgabe der beiden war vor allem die Unterle- Ein Beispiel soll erläutern, wie die Arbeit in den ein- gung der Performance mit literarischen Texten. Aus- zelnen Gruppen den Entwicklungsprozess der ande- gehend von dieser Aufgabe nahmen auch sie die Her- ausforderung an, die Dramaturgie des Abends maß- geblich mitzugestalten. Die von ihnen ausgewählten Texte wurden teilweise in die Szenen eingeblendet, gelesen oder schauspielerisch vorgetragen. Die Text- passagen dienten nicht dazu, einen Handlungsverlauf zu beschreiben oder zu erklären, sondern verstanden sich als Anregungen, über verschiedenste Weltan- schauungen nachzudenken, basierend auf dem Ge- danken, dass Reisen und damit die Konfrontation mit anderen Kulturen, Religionen und Lebensformen die eigene Sicht auf die Welt erweitern kann: „Wie die

77 ren beeinflusste: Die Tanzgruppe, welcher ich die Lessing und mit einem rein musikalischen Ausschnitt Aufgabe gegeben hatte, vier kurze verbindende Cho- aus einem Oratorium Georg Friedrich Händels im reographien bezogen auf den Götterhimmel zu ent- klassischen Europa der Aufklärung und der Eroberer wickeln, begann damit, fünf der abgebildeten Götter und Kolonialherren begann. Die selbst komponierten konkret auszuwählen, nachzustellen und Bewegungs- sphärischen Klänge des „Sky-Themas“, von den material für diese zu finden. Einer davon war Merkur, Komponisten auf Geige, Klavier und Tambura selbst der Götterbote. Die Darstellung dieser Figur führte zu gespielt, ließen hier im Anschluss die „Skytänzerin- der Idee der „Philosophen“, Postkarten als Trägerma- nen“ abheben und Amerika, das Neuland, erspähen. terial von Texten in die Performance einfließen zu las- Dort trafen sie auf die Einwanderer aus dem Westen sen. Die ersten Bewegungsimprovisationen zu den und die indigenen Völker. Zu George Gershwins Göttern waren auch der Ausgangspunkt für die drei Song „Summertime“ wurden die Konflikte zwischen Komponisten zu der Entwicklung ihrer sogenannten Schwarzen und Weißen thematisiert. Tanz und Schau- „Sky-Themen“, welche in Variationen für alle Auf- spiel unterstrichen die Aktualität dieses Themas, die tritte der „Sky-Tanzgruppe“ verwendet wurden. In Hoffnung auf Gleichberechtigung in einer neuen diesem Punkt flossen Überlegungen zur musikali- Welt, in der die Unabhängigkeitserklärung klarstellt, schen „Verträglichkeit“ bezogen auf die Reihenfolge dass alle Menschen gleich erschaffen sind. Latein- der Musikstücke in die inhaltlichen Entscheidungen amerikanische Tänze und ein Spiritual gewährten mit ein. zwei unterschiedliche Einblicke in Aspekte von La- teinamerika, einem Land, in dem Freiheit und Le- Die Performance bensfreude direkt neben Unterdrückung und Ausbeu- Der Abend begann mit dem Sky-Thema (dem Him- tung zu finden sind. Die Sky-Tänzerinnen flogen wei- melsmotiv), das zu den bereits auf der Bühne posi- ter in die einstige Heimat der Afroamerikaner. In tionierten Göttinnen musikalisch vorgestellt wurde Afrika überschwemmten die Tänzerinnen das Publi- und im weiteren Verlauf des Abends jeden Wechsel kum in einem ekstatischen Tanz mit afrikanischer Le- von einem Kontinent zum nächsten musikalisch bensfreude. Dieser Freude wurde von den Schauspie- und/oder tänzerisch begleitete. lerInnen der harte Alltag, die Unterjochung und die So entstand eine „Reiseroute“, die mit einem feierli- Befreiung aus der Sklaverei hinzugefügt. chen Tanz zu den ersten zwei Sätzen von „Pulcinella“ „Sijahamba“, ein traditionelles afrikanisches Lied im von Strawinsky, einer pantomimischen Umsetzung Chor gesungen sowie ein von fünf Personen gespiel- der gelesenen Ringparabel von Gotthold Ephraim tes afrikanisches Xylophon begleitete die Abreise aus Afrika. Eine Karawane mit voll beladenen Kamelen und Elefanten (dargestellt von SchauspielerInnen und Tän- zerInnen) führte über die Sei- denstraße zu der gleichnami- gen Musik zu Kitaros „Silk- road“ nach Asien. Asien wurde als Kontinent unter- schiedlichster Kulturen und Landschaften dargestellt. Ei- nerseits anhand von indonesi- scher Gamelan Musik zu wel- cher vier „asiatische“ Tänze- rinnen die Fresken des Kaisersaals nachmalten, an- dererseits mit einer szenisch-

78 tänzerischen Umsetzung eines Märchens aus „Tau- tige Thema und die internationale Zusammensetzung sendundeiner Nacht“, außerdem mit einem Tanz der der gesamten Gruppe wesentlich für den Erfolg war. Derwische und einem traditionellen türkischen Lied sowie einem musikalischen Verweis auf Asien als Ur- Ausblick sprungskontinent des Christentums. Dafür wurde die Der dritte und damit vorerst letzte Teil dieses Eras- Passionsgeschichte klanglich umgesetzt und ein mus-Intensiv-Programms findet im Sommer 2013 in Choral von Johann Sebastian Bach modern interpre- Tschechien auf Schloss Litomy˘sl im gleichnamigen tiert. Die Reise ging von Asien wieder zurück nach Ort statt. Diesmal ist der Ausgangspunkt „Der Tod Europa. Die Tänzerinnen und SchauspielerInnen ka- und das Mädchen“ von Franz Schubert. Im Rahmen rikierten einen Kontinent, der in seiner Kleingeistig- der Lehrveranstaltung „Modelle tänzerischen Gestal- keit gefangen war und brachen tänzerisch aus dem tens“ und „Tanzensemble“ war dazu bereits am Tag öden, langweiligen Kolonialherren-Denken zu „Ri- der offenen Tür des Carl Orff-Instituts (24. Mai 2013) cercare“, zu J. S. Bachs „Musikalischem Opfer“ aus. eine choreographische Kostprobe zu sehen sein. Die Reise endete nicht, das Ziel blieb offen. Ruth Burmann, MA Das Résumé studierte Musik und Tanzpädagogik (MA) am Carl Das Ergebnis war ein ästhetisches Konglomerat in- Orff-Institut der Universität Mozarteum sowie Tanz terkultureller Experimentierfreude. Die Betrachter und Choreographie an der Salzburg Experimental wurden Zeugen exotischer Instrumente, eigener Academy of Dance. Weiterbildung in Spiraldynamik. Kompositionen und Choreographien. Sie wurden da- Zusammenarbeit mit bekannten Musikern und Re- bei eingeladen, an dem Geschehen zwischen dem gisseuren. Seit 1993 tätig als Tänzerin, Tanzpädago- Himmel und den vier Kontinenten teilzuhaben. gin und Choreographin, seit 1999 als Dozentin am Entgegen der Darstellung auf Tiepolos Fresko verlor Carl Orff-Institut und an anderen Abteilungen der in dieser Performance Europa seinen im Absolutis- Universität Mozarteum. mus verankerten ersten Platz unter den Kontinenten. Afrika, Asien und Amerika wurden von dem deutsch- österreichisch-türkisch-tschechischen Kollektiv ein Hinweis: ebenbürtiger Stellenwert verliehen. Thematisiert wur- Ausschreibung einer Professur den barocke Pracht, Kolonialisierung, Sklaverei und Ausbeuterei. Auch die Auseinandersetzung mit ver- für den Fachbereich Tanz schiedensten Philosophien, Mythen und Religionen im Rahmen der Elementaren floss in die künstlerischen Ideen mit ein. Musik- und Tanzpädagogik Die Presseberichte lobten den Abend in höchsten Tö- am Carl Orff-Institut der nen. Professionelle musikalische Interpretationen in Universität Mozarteum allen Stilrichtungen wurden ebenso hervorgehoben wie die Choreographien, in denen die Besonderhei- in Salzburg ten der Kontinente aufschlussreich, vielseitig und ästhetisch schön ertanzt wurden. In der Umsetzung In den nächsten Wochen wird diese Stelle, der literarischen Texte überzeugten die Schauspiele- die ab dem Studienjahr 2014/15 in Kraft rInnen mit Charme und Witz. Das Konzept wurde als treten soll, im Mitteilungsblatt der intelligent und schlüssig beschrieben, da es gleicher- Universität ausgeschrieben. maßen unterhielt und zum Nachdenken anregte. Eine Interessenten finden demnächst genaue Dokumentations-DVD des gesamten Projekts liegt in Informationen unter der Bibliothek des Carl Orff-Instituts auf. www.orffinstitut.at und www.moz.ac.at In der Nachbetrachtung gaben die Studierenden an, dass sowohl die übergeordnete Organisation als auch Die Redaktion die künstlerische Koordination durch das vielschich-

79 Programm der Tagung Aus dem • Round-Table-Diskussion zum diesjährigen Thema: „Orff-Schulwerk – Elementare Musik- und Tanzer- Orff-Schulwerk Forum ziehung in der Schule“, • Empfang der Carl Orff-Stiftung, Salzburg • Impulsreferate und Arbeitsgruppen zu verschiede- nen Unterthemen, • Diskussion der Aufgaben und Möglichkeiten von From the assoziierten Schulen, • Auswertungsergebnisse einer Befragung zum Orff-Schulwerk Forum Thema Medien, • Vorstellung von neuen Orff-Schulwerk Gesellschaf- Salzburg ten, • Tanztheater Performance inspiriert von Carmina Jahrestagung 2013 des Burana, • Informationen der Carl Orff-Stiftung sowie die Orff-Schulwerk Forums Salzburg • Jahreshauptversammlung des Orff-Schulwerk Fo- rums. • „Was geschieht in den Orff-Schulwerk Gesellschaf- ten rund um die Welt?“ Ergebnisse und allfällige Beschlüsse gehen als Emp- • „Welche neuen Ideen und Umsetzungen des fehlungen an alle internationalen Orff-Schulwerk Ge- pädagogischen Konzeptes gibt es?“ sellschaften und Institutionen. • „Welche Probleme erschweren die Arbeit?“ Barbara Haselbach • „Was sind assoziierte Institutionen des OSF und was tun sie?“ • „Wie lösen Lehrer und Schulen den Gegensatz zwi- Annual Convention 2013 of the schen kreativer Erziehung und streng uniformierten Orff-Schulwerk Forum Salzburg Leistungsansprüchen der Curricula?“ Mit diesen und ähnlichen Fragen beschäftigt sich die • “What is happening in the various Orff-Schulwerk Gruppe der Delegierten der internationalen Orff- Associations around the world?” Schulwerk Gesellschaften und der assoziierten Insti- • “Which new ideas and transpositions of the peda- tutionen während der Jahrestagung des Orff-Schul- gogical concept have occurred?” werk Forums Salzburg, die in diesem Jahr vom 4.–7. • “Which are the problems that make the work more Juli in den Räumen des Carl Orff-Instituts stattfindet. difficult?” Das Forum als Zentrum dieses internationalen Netz- • “What are the Associated Institutions of the OSF werkes lädt alljährlich führende Vertreter der Orff- and what are they doing?” Schulwerk Gesellschaften und der assoziierten Insti- • “How do teachers and schools resolve the contrast tutionen aus über 40 Ländern zu einer „Ideen- between a creative education and the strict, uniform Schmiede“, einem „Think Tank“ ein. demands of the curricula?” Ziel der Tagung sind Information und Austausch so- The delegates of the international Orff-Schulwerk wohl auf persönlicher als auch auf institutioneller Associations and Associated Institutions will be con- Ebene über neue Inhalte und Entwicklungen in der cerned with these and other questions during the Elementaren Musik- und Tanzerziehung (Orff-Schul- Annual Convention of the Orff-Schulwerk Forum werk), gemeinsame Planung neuer Kooperationen Salzburg, which takes place this year from 4 – 7 July und Publikationen, Strategien zur Lösung von Pro- at the Carl Orff Institute. blemen und vieles andere. Every year the Forum, as the centre of this interna-

80 tional network, invites leading representatives of Orff Associations and Associated Institutions from over 40 countries to a “think tank”. The aims of the convention cover information and exchange on both a personal and institutional level about new material and developments within Elemental Music and Dance Education (Orff-Schulwerk), mutual planning for fresh co-operation and new publications, strategies for solving problems and much more. Convention’s programme • round table discussion of the main theme: “Orff- Schulwerk – Elemental Music and Dance Education – in the school”, • reception held by the Carl Orff Foundation, • introductory speeches concerning special topics of the main theme followed by a number of work groups, discussing various subsidiary themes, • considerations of tasks and possibilities for the as- sociated schools, • evaluation of the results of a consultation on the use of communication media, • introduction of new Orff-Schulwerk Associations, • dance theatre performance inspired by Carmina Bu- Das Werk wurde bewusst als eine preisgünstige Ta- rana schenbuchausgabe publiziert um damit vor allem in • information from the Carl Orff Foundation and fi- Spanien und den lateinamerikanischen Ländern dem nally dringenden Bedürfnis nach theoretischer Literatur • Annual Assembly of the Orff-Schulwerk Forum. über das Orff-Schulwerk entsprechen zu können. Das Buch ermöglicht die Auseinandersetzung mit der Ge- Discussion outcomes and decisions will be sent as schichte und den verschiedenen Facetten des Orff- recommendations to all international Orff-Schulwerk Schulwerks für all jene, die in Einführungs- und Auf- Associations and Institutions. baukursen, aber auch im Rahmen einer musik- und/ Barbara Haselbach oder tanzpädagogischen Ausbildung die Begegnung mit dem Orff-Schulwerk suchen. Es stellt eine not- wendige theoretische Ergänzung zu den Erfahrungen Neuerscheinung / der Praxis dar, begründet und fundiert diese. Diese Übersetzung entstand auf ganz besondere New Publication Weise: Absolventen und Freunde des Carl Orff-Insti- tuts aus Spanisch sprechenden Ländern folgten der Textos básicos sobre el Orff-Schulwerk Einladung der Herausgeberin und haben durch ihre Años 1932–2010 unentgeltliche Mitarbeit bei den Übersetzungen auf Vor wenigen Wochen erschien die spanische Über- bewundernswerte Weise dazu beigetragen, dass die- setzung des ersten Bandes der vom Orff-Schulwerk ses Buch auch ohne Druckkostenzuschuss veröffent- Forum Salzburg herausgegebenen Reihe „Texte zu licht werden konnte. Ihnen allen, Alfonso Álvarez, Theorie und Praxis des Orff-Schulwerks“ im von Daniel Rubén Basi, Elia Bernat, Elisabeth Carras- Patxi del Campo geleiteten baskischen Verlag „Mu- cosa, Alicia Cleofé, Camino García, Luis García Váz- sica, Arte y Proceso“ in Vitoria-Gasteiz, Spanien. quez, Macarena Garesse, Eva Gómez, Wolfgang

81 Hartmann, Annelies Kaufmann, Sofía López-Ibor, sible to disseminate the history and various facets of Verena Maschat, Chano Schlachter-Delgado, Gabriel Orff Schulwerk for all those who are in introductory Pujadas und Erola Ramis Rovira , vor allem aber Fe- courses and also for those in music and dance train- lisa Sastre und Verena Maschat, die unermüdlich für ing courses. It presents a necessary theoretical addi- die Durchsicht und sprachliche Vereinheitlichung der tion to justify and consolidate practical experiences. Übersetzungen und das Korrekturlesen verantwort- lich waren, sei an dieser Stelle noch einmal herzlich This translation occurred in a rather exceptional way: gedankt. Spanish speaking graduates and friends of the Carl Ohne den bewundernswerten Idealismus all dieser Orff Institute responded to an invitation from the ed- Kollegen wäre das Entstehen von „nuestro libro“ itor and contributed remarkably to the fact that this nicht möglich gewesen. Herzlichen Dank auch an book could be printed and published without extra Patxi del Campo! costs. They received no remuneration for their work. Barbara Haselbach Many, many thanks once more here to all of you who took care of the consistency of the translations and were responsible for the final editing: Alfonso Ál- Textos básicos sobre el Orff-Schulwerk varez, Daniel Rubén Basi, Elia Bernat, Elisabeth Años 1932–2010 Carrascosa, Alicia Cleofé, Camino García, Luis Gar- A few weeks ago the Spanish translation of the first cía Vázquez, Macarena Garesse, Eva Gómez, Wolf- volume of the series “Texts on Theory and Practice of gang Hartmann, Annelies Kaufmann, Sofía López- Orff-Schulwerk” edited by the Orff Schulwerk Forum Ibor, Verena Maschat, Chano Schlachter-Delgado, Salzburg, was published by the Basque publishers, Gabriel Pujadas und Erola Ramis Rovira , above all, Musica, Arte y Proceso in Vitoria- Gasteiz, Spain un- however, Felisa Sastre and Verena Maschat. der its director Patxi del Campo. Without the admirable idealism of all these col- The work was purposefully published in a reasonably leagues, the publication of “nuestro libro” (“our priced edition as a paperback to answer the needs of book”) would not have been possible. Many thanks mostly Spanish speaking countries for theoretical lit- also to Patxi del Campo. erature about Orff-Schulwerk. The book makes it pos- Barbara Haselbach

82 einandersetzung formulierten Hans Maier und Oliver Rathkolb den wissenschaftlichen Faktenstand. Bewe- Aus der gend für alle waren Videoaufnahmen, die Liselotte Orff voller Temperament und Lebendigkeit nur we- Carl Orff-Stiftung nige Monate vor ihrem Tod zeigten. Nach der Intensität der filmischen Darstellung schuf eine kleine Pause die nötige Zäsur, um zu der eher From the nüchternen Beschreibung der Institutionen und ihrer Aufgaben überzugehen. Thomas Rösch, Hausherr Carl Orff Foundation und Moderator, ließ zunächst die Vertreter derjenigen Institutionen zu Wort kommen, die zu Lebzeiten Orffs entstanden sind.

Das Carl Orff-Institut an der Universität Mozarteum in Salzburg Sonja Stibi, die Leiterin des Carl Orff-Instituts in Carl Orff heute – Ein Komponist Salzburg, machte den Anfang. Sie skizzierte den hi- storischen Werdegang von der Gründung 1961 bis und seine Institutionen zur Gegenwart der Elementaren Musik- und Tanz- pädagogik sowie die Vielfalt der aktuellen Stu- Eine Veranstaltung der Carl Orff-Stiftung diengänge. Es sei Aufgabe, die Orientierung für die und des Orff-Zentrums München am 18. 3. 2013 Zukunft mit einem Lebendighalten der Tradition zu in München verbinden. Nicht allein der Frühling, nein, der „Münchner Stif- Orff-Schulwerk Forum Salzburg tungsfrühling“ bildete den äußeren Anlass für die Ver- anstaltung im Orff-Zentrum München. Der innere Für das Orff-Schulwerk Forum erinnerte Barbara Grund ergab sich wohl aus der Einsicht, dass aus Haselbach ebenfalls an die Anfänge. Sie liegen in einer Ansammlung von Institutionen ein Netzwerk, der „Zentralstelle“ 1961 und in deren Umbenen- ein erfolgreiches Beziehungsgeflecht entstehen nung in „Orff-Schulwerk Forum“ durch Hermann müsse. Es scheint mir erwähnenswert, dass von Regner 1983. Haselbach fasste die vielfältigen welt- Fritjof Capra („Wendezeit“) bis zu Natalie Knapp weiten Aktivitäten des Forums als Zentrum des („Quantensprung des Denkens“) der Aspekt der Be- Netzwerks der über 40 internationalen Orff-Schul- ziehungen als substanziell für ein neues Denken re- werk Gesellschaften und assoziierter Institutionen, klamiert wird, das von partikulären Standpunkten mit den Aspekten Kontakt und Austausch, Informa- zum Ganzen und zum synergetischen Austausch in- tion, Veröffentlichungen, Beratung und Veranstal- nerhalb eines Ganzen führt. Folgerichtig begann der tungen zusammen. Abend im Orff-Zentrum mit diesem Ganzen, dem sich die auf dem Podium versammelten sieben Insti- Die Orff-Schulwerk Gesellschaften tutionen verpflichtet fühlen, mit Carl Orff selbst: Die Werner Beidinger, Erster Vorsitzender der 1963 ge- Vorführung des Dokumentarfilms „O Fortuna – Fas- gründeten Orff-Schulwerk Gesellschaft Deutsch- zination Carl Orff“ von P.A. Defilla (2012) war Fak- land, sprach für die Orff-Schulwerk Gesellschaften. tenpräsentation und Schattenbeschwörung in einem. Es gelang ihm deutlich zu machen, dass die Schul- Der Film zeigte deutlich die Vielfalt von Orffs Erbe. werkidee ohne Fortbildung von Pädagogen aus Von starker Wirkung waren alte Filmausschnitte, die dem aktiven Berufsleben kaum Überlebenschancen Carl Orff selbst zeigten, u. a. mit seinem pädagogi- hätte. schen Credo, „dass in jedem Menschen etwas von einem Künstler lebt“. Zur zeitgeschichtlichen Aus- Als zweite Gruppe stellten sich die nach dem Tod

83 Orffs entstandenen Institutionen vor, also die Carl bayerischen Kultusministerium gegründet. Das Orff-Stiftung Diessen, das Orff-Zentrum München, Aufgabenspektrum reicht von der Archivierung der das Orff-Museum Diessen und die Carl Orff-Fest- umfangreichen Quellenbestände über die wissen- spiele Andechs. schaftliche Forschung bis zur Hilfestellung für Die Carl Orff-Stiftung journalistisches und wissenschaftliches Arbeiten sowie Öffentlichkeitsarbeit, wie Thomas Rösch Der Komponist Wilfried Hiller, Vorsitzender der skizzierte. Stiftung, knüpfte an einen Abschnitt in Orffs Testa- ment an und rückte die Legitimation der am Das Orff-Museum Diessen 17.5.1984 gegründeten Carl Orff-Stiftung in den Rotraud Freytag stellte dann das 1991 gegründete Vordergrund. Rechtsanwältin Ute Hermann machte und nach einer Konzeption von Hannelore Gassner als geschäftsführendes und juristisches Vorstands- gestaltete Carl Orff-Museum in Diessen vor, das mitglied deutlich, dass die Tantiemeneinnahmen aus von der Marktgemeinde Diessen und der Carl Orff- Orffs Werk die finanzielle Basis der Stiftung bilden Stiftung gemeinsam finanziert wird. und diese ausschließlich für die Förderung des künstlerischen und pädagogischen Werks auf- Die Carl Orff-Festspiele gewendet werden. So verleiht beispielsweise die Zum Abschluss ergriff Marcus Everding als künst- Stiftung den Carl Orff-Preis an Regisseure, die lerischer Leiter der Carl Orff-Festspiele Andechs Orff’sche Werke besonders erfolgreich auf die das Wort und traf mit seinem leidenschaftlichen Plä- Bühne gebracht haben. doyer für häufigere Aufführungen von Orffs Wer- Das Orff-Zentrum München ken zweifellos den Kern der Sache. Das Münchner Orff-Zentrum hatte Liselotte Orff Wert und Bedeutung der Veranstaltung dürfte ange- noch selbst 1990 in Zusammenarbeit mit dem sichts des kleinen Insider-Publikums kaum in einer

84 Wirkung für die Münchner Kulturszene liegen. Das contemporary discussion of this was formulated with produktive Geschehen spielte sich auf der Bühne un- scientific facts by Hans Maier and Oliver Rathkolb. ter den Institutionen selbst ab. Die Statements be- What was quite moving for everyone was a video tape standen nämlich nach der Beschreibung der Institu- of Liselotte Orff full of temperament and liveliness tionen aus Reflexionen über die Stellung im Netzwerk taken only a few months before her death. der sieben Orff-Institutionen. In der Tat klang in den After the intensity of the film presentation, a short in- frei formulierten Überlegungen sowohl Psychologi- termission was created – a necessary caesura – in or- sches (Beziehungen) wie Organisatorisches (Netz- der to carry on with the rather sparse descriptions of werk) an. Everding brachte dazu das klassische Struk- the institutions and their functions. Thomas Rösch, turmodell der Familie ins Spiel: Orff als Vaterfigur, host and moderator, let the representatives of those die Institutionen als seine Kinder. Das zielte auf die institutions that were founded during Orff’s lifetime, Geschwisterexistenz und auf deren Aufgabe, gegen- speak. seitiges Verstehen und einen Ausgleich von unter- schiedlichen Interessen anzustreben. Die Veranstal- The Carl Orff Institute at the tung schloss mit diesem harmonischen Aspekt. Mozarteum University in Salzburg Michael Kugler Sonja Stibi, the director of the Carl Orff Institute in Salzburg, began. She sketched the historical devel- opment from its founding in 1961 to the present El- emental Music and Dance Pedagogy as well as the Carl Orff Today – variety of the actual courses of study It is the task of A Composer and his Institutions the COI to combine an orientation towards the fu- ture with the holding on to a lively tradition. An Event Organized by the Carl Orff Foundation Orff-Schulwerk Forum Salzburg and the Orff Center, Munich on March 18, 2013. Barbara Haselbach, chair of the Orff-Schulwerk It was not only Spring herself but the “Munich Foun- Forum reminded us of the beginnings of the Orff- dation’s Springtime” that provided the occasion for Schulwerk Forum which was called the “Zentral- the event at the Orff Center, Munich. The deepest rea- stelle” (central office) in 1961 and in the renaming son probably came from the insight that from a col- to Orff-Schulwerk Forum by Hermann Regner in lection of institutions a network, a successful web-like 1983. The many-sided global activities of the Forum relationship had to be established. It seems to me to as the center of a network of more than 40 interna- be worth mentioning that from Fritjof Capra’s“Wen- tional Orff-Schulwerk Associations and Associated dezeit” to Natalie Knapp‘s “Quantensprung des Institutions were grouped with the aspects of con- Denkens”, the aspect of a relationship as the sub- tact and exchange, information, publishing, advis- stance for new thinking will be extracted that leads ing and presenting events. from particular standpoints to the whole and to a syn- ergy within the whole. Consequently, the evening at The Orff Schulwerk Associations the Center began with this “whole” in which seven in- Werner Beidinger, the president of the German Orff- stitutions that feel indebted to Carl Orff himself, gath- Schulwerk Association which was founded in 1963, ered together. The presentation of the documentary spoke on behalf of the Schulwerk Associations and film “O Fortuna – Faszination Carl Orff” by P.A. De- made it very clear that the Schulwerk idea without filla (2012) was a factual presentation as well as one a training program for teachers on the job has no with evocative shadows. The film showed clearly the chance of survival. diversity of Orff’s heritage. The strongest effects were from older film clips that showed Carl Orff himself, The second group of institutions that were founded among other aspects, with his pedagogical credo, after Orff’s death were introduced: The Carl Orff “that in every person something of an artist lives”. A Foundation, Diessen, the Orff Center, Munich, The

85 Orff Museum, Diessen and the Carl Orff Festival, The value and meaning of the event according to the Andechs. small “insider group”, should barely have any ef- fect on the Munich cultural scene. The productive The Carl Orff Foundation event happened on stage at the institutions them- The composer Wilfried Hiller, president of the Foun- selves. dation, related his statement to a section of Orff’s Testament and brought the legal aspects of the May After the description of their institutions the presen- 17, 1984 founding to the foreground. Attorney Ute ters reflected on the position and interaction within Hermann, as business director and legal advisor on the network of the 7 institutions. Actually in the freely the board of directors, made it clear that the royal- formulated considerations, one could hear psycho- ties from Orff’s works build the financial basis for logical (relationships) as well as organizational (net- the foundation and that these funds are to be used work) tones. Everding added the classical model of a exclusively for the furthering of artistic and peda- family: Carl Orff as the father figure, the institutions gogical works. Therefore, the foundation makes as his children. This directed attention to the existence grants to directors who have been especially suc- of the siblings and their responsibility to understand cessful in bringing Orff’s works to the stage. each other and to strive for a balance of differing in- terests. The meeting closed with this harmonious as- The Orff Center Munich pect. Liselotte Orff founded the Orff Center Munich to- Michael Kugler gether with the Bavarian Cultural Ministry in 1990. according to Thomas Rösch, director of the Orff Center Munich the spectrum of its responsibilties reaches from archiving the voluminous collection of scientific research to assistance for journalistic and scientific work as well as public relations The Orff Museum Diessen Rotraud Freytag introduced the Carl Orff Museum in Diessen which was set up following a concept by Hannelore Gassner in 1991. It is financed by the town of Diessen and the Carl Orff Foundation. The Carl Orff Festival in Andechs In conclusion, Marcus Everding, artistic director of the Carl Orff Festival Andechs, spoke with a pas- sionate plea for many more performances of Orff’s works, without a doubt the real nucleus of things.

86 Das attraktive Poster „Kinderlieder“ wurde für das Unterrichtswerk „Musik und Tanz für Kinder“ ent- wickelt und von Joachim Schuster liebevoll illu- striert. Es bietet viele spontane Singanlässe zu 25 tra- dierten deutschsprachigen Kinderliedern. Die Illus- trationen animieren, Lieder (wieder) zu entdecken, Publikationen helfen Strophentexte zu memorieren und generell ein Repertoire an Volksliedern zu pflegen. Zu bestellen über Schott Music GmbH Mainz, Be- Publications stellnummer SKK 15-02 (http://www.schott-musik. de/shop/1/show,91265.html). Dem Poster liegt ein Faltblatt mit Liedtexten bei.

87 Birgit Braun-Rehm: Aufgaben und Übungen zeichnen sich nicht nur durch Lieder zur Sprachförderung. Singen und ihre Anschaulichkeit und Klarheit aus, sondern vor Erzählen in Kindergarten und Grundschule allem auch durch ihre Vielfalt und ihren spielerischen 46 Ideenkarten, 10 Liedkarten, 1 Textkarte, Charakter. Ausgehend von einem Lied bzw. während 40 Strophenkarten, 14 Ausschneidebögen, CD der Liederarbeitung werden Lautbildung und Artiku- illustriert von Susanne Bochem, Katja Schmiedes- lation geschult sowie Wortschatz und Ausdrucks- kamp, Dunja Schnabel fähigkeit erweitert. Aufgaben zum Textverständnis Westermann, Braunschweig 2011, und zur Konzentrations- bzw. Merkfähigkeit finden ISBN 978-3-14-165053-2, www.westermann.de ihren Ausgleich in Bewegungsspielen und Bastelse- quenzen. Besonderen Wert legt Braun-Rehm darauf, die Kinder zum Fabulieren und Phantasieren zu mo- tivieren und sie zum Nachdenken über den Ausgang einer Geschichte bzw. über alternative Handlungs- verläufe anzuregen. Neben den Liedkarten enthält die Materialsammlung sogenannte Strophenkarten, auf denen der Inhalt der einzelnen Liedstrophen in farbigen Illustrationen ab- gebildet ist. Sie sollen die Liederarbeitung unterstüt- zen und das Erlernen und Erinnern der Texte erleich- tern. Zusätzliche Ausschneidebögen, auf denen Figu- ren und Objekte aus den Liedern abgedruckt sind, können als Spiel- bzw. Bastelvorlage verwendet wer- Birgit Braun-Rehm stellt uns mit den „Liedern zur den. Die Illustrationen sind größtenteils sehr anspre- Sprachförderung“ eine Materialsammlung zur Ver- chend und phantasievoll gestaltet und machen Lust fügung, die zum Singen und Erzählen einlädt und zur darauf, über die dargestellten Inhalte zu sprechen und spielerischen Sprachförderung in Kindergärten und mit ihnen zu arbeiten. Grundschulen, aber auch im Rahmen der musika- Auf der inkludierten Begleit-CD sind die Lieder so- lischen Früherziehung eingesetzt werden kann. wohl in Singfassung (mit allen Strophen) als auch in Das Paket besteht aus verschiedenen Karten (DIN-A4 Playbackversion zu hören. Leider ist die instrumen- und DIN-A5): Auf den Liedkarten sind insgesamt tale Gestaltung recht synthesizerlastig, was jedoch zehn ausgewählte Lieder inklusive Text, Notation und durch das abwechslungsreiche Arrangement und den Begleitharmonien abgedruckt. Sie stammen u. a. von Gesang größtenteils wettgemacht wird. Vier der zehn Gerda Bächli, Susanne Dank, Rudolf Nykrin und Lieder wurden übrigens vom Chor der Carl-Orff- Volker Rosin und haben eine Gemeinsamkeit, die für Volksschule Traunwalchen unter der Leitung von die Gestaltung einer fruchtbaren Kommunikationssi- Reinhold Wirsching eingesungen. tuation unabdingbar ist: Die Lieder sind sowohl mu- Kinder sind in ihrem Spracherwerb nicht nur auf gute sikalisch als auch inhaltlich interessant und abwechs- Sprachvorbilder, sondern auch auf wohlwollende Ge- lungsreich. Was da alles passiert! So treffen bei- sprächspartner und adäquate Kommunikationssitua- spielsweise der große und der kleine Bär im Wald auf tionen angewiesen. Birgit Braun-Rehm liefert zu den eine Hexe, die kleinen Fische wiederum begegnen Liedern viele Ideen und Impulse, die dabei helfen, ak- dem gefährlichen Feuerfisch und fünf Geister spuken tiv Situationen zu gestalten, in denen Sprachförde- um die Wette. rung singend und spielend stattfinden kann und die Zu jedem Lied finden sich vier bis sechs Ideenkarten, es den Kindern ermöglicht, in wertschätzender At- die eine mögliche Abfolge bestimmter Aufgabenstel- mosphäre zu lernen. lungen und Unterrichtsschritte vorschlagen und über Eine wirklich empfehlenswerte Materialsammlung, die jeweiligen Ziele, Förderbereiche und die benötig- die auf anschauliche Weise verdeutlicht, dass Sprache ten Materialen Auskunft geben. Die beschriebenen und Musik in einer engen Beziehung zueinander ste-

88 hen und der Einsatz von Musik, vor allem von Lie- Alle Wetter – Von Regen, Sonne und Wind dern, in einer ganzheitlichen Sprachförderung daher Ich-du-wir – Miteinander leben nicht fehlen sollte. Wie geht’s? – Gefühle und Stimmungen Katharina Fehrer Unterwegs – Reise um die Welt Unsere schöne Welt – Natur und Menschen Tierisch heiter – Heiteres und Besinnliches von Manfred Grote und Werner Beidinger: Tieren Mein Liederbuch Hast Du Töne? – Lieder mit Stimm-, Klang- und Verlag Volk und Wissen – Cornelsen, Berlin 2011, mit Wortspielen Illustrationen von Ina Hattenhauer, Immer in Bewegung – Singen und Bewegung ISBN 978-3-06-083004-6, www.cornelsen.de/vwv Damals war’s – Von Rittern, Räubern und ande- Zum Liederbuch sind 4 CDs mit Originalaufnahmen ren Berufen und instrumentalen Playbacks erhältlich. Einfach fantastisch – Märchen, Hexen und Ge- spenster Frohes Fest – Advent und Weihnachtszeit

In der Rubrik „Werkstatt Stimmtraining“, „Werkstatt Rhythmus-Begleitung“, „Werkstatt Bodypercussion“, „Werkstatt Liedgestaltung“, und „Werkstatt Szeni- sches Darstellen“ werden kurz, kompakt und moti- vierend wesentliche Anregungen und Übungsimpulse zur Liederarbeitung gegeben. Ina Hattenhauer hat das 208-seitige Buch mit flinkem Federstrich liebevoll illustriert. Die humorvollen Bil- der und Zeichnungen überraschen von Seite zu Seite, mal zauberhaft zart, mal frech und keck. Darüber hin- aus erklären sie eindrücklich wichtige Bewegungsab- läufe bei Tänzen und zeigen wesentliche Details für szenische Darstellungsmöglichkeiten. Der überwiegende Teil der Lieder ist mit Vorschlägen für Liedbegleitung, Bewegungsgestaltung und Hin- weisen zum Liedvortrag (Ablauf, Textvarianten, Spielideen und Aussprachehilfen) versehen und wird jeden Musikpädagogen, der Wert auf aktives Musi- zieren in der Klasse legt, erfreuen. Bekannte Namen wie Gerhard Schöne, Volker Rosin, die Kölner Gruppe Wise guys, Birger Heymann / In diesem Liederbuch für die sechsjährige Grund- Volker Ludwig (Grips-Theater Berlin) Frank Schö- schule winken dem Leser freundlich und einladend bel, Uli Führe, Dorothée Kreusch-Jacob, Felix Janosa, muntere Ideen zum lebendigen Singen und Musizie- Fredrik Vahle, Klaus W. Hoffmann und Robert Met- ren im Klassenverband zu. Über 250 Lieder, Sprech- calf zeigen wie wichtig es den Herausgebern ist, auch verse und rhythmische Spielereien sind eingeteilt in zeitgenössische Liedermacher zu Wort kommen zu die folgenden Themenbereiche lassen. Es wird mit Richard Filz gerappt und mit Hallo Schule – Gemeinsam feiern und lernen Freddy Mercury gerockt. Rolf Zuckowskis Geburts- Ohrwurm – Einschalten und mitsingen tagslied fehlt genauso wenig wie Bruder Jakob in acht Guten Tag! – Von morgens bis abends Sprachen. Autoren wie Reinhard Lakomy und Mo- Jahrein-jahraus – Jahreszeiten nika Ehrhardt zeigen die Verbundenheit zu regiona-

89 len Kinderliederautoren. Auch Manfred Grote und Werner Beidinger selbst haben Lieder aus eigener Fe- der beigesteuert. Perlen von weniger bekannten Au- toren wie Marianne Graefe, die ein Gute-Nacht-Lied aus der Slowakei ins Deutsche übertragen hat, gibt es mehrfach zu entdecken. Natürlich haben die Heraus- geber auch daran gedacht, der Freude am Verkleiden bei Halloween mit 2 Liedern einen Rahmen zu geben. Neben den zahlreichen deutschsprachigen Liedern und Texten finden sich auch 23 englische, 7 spani- sche, 4 französische, 2 italienische und 2 türkische Lieder, 1 taiwanesisches, 1 portugiesisches, 1 norwe- gisches, 1 israelisches und ein Lied in Zulu. Die Lied- auswahl kommt damit den Herausforderungen, die der Schulalltag mit Kindern aus vielen Nationen bringt, entgegen. Die Vielfalt der Taktarten mit einem bewusst hohen 6 Anteil von Liedern im ¾- und ⁄8-Takt, einem Lied im 7 ⁄4-Takt und mit mehreren Taktwechselliedern ist ge- nauso gewährleistet wie ein vergleichsweise hoher Das ist für mich – neben der Vielzahl, Vielfalt und Anteil an Liedern in moll. Als Besonderheiten sind Qualität der Lieder, Kanons, Sprechstücken, Raps darüber hinaus noch ein bitonales wie auch ein Lied und Songs (insgesamt 170) – eindeutig der „Mehr- in Zigeuner-moll zu erwähnen. wert“, der hier im Umgang mit dem vokalen Material Ein rundherum gelungenes und empfehlenswertes angeboten wird! Werk! In der Regel ist jede Seite einem Lied gewidmet. Im Uli Meyerholz Zentrum stehen das Lied und das Singen, doch es ist dem FIDELIO-Liederbuch wohl ein besonderes An- Birgit Braun-Rehm, Antje Hellmann und liegen, mit leicht umsetzbaren „Tipps“ zum Lied oder Dorothea Zigldrum (Hg.): Sprechstück generell das musikalische Tun und die FIDELIO – Liederbuch für die Grundschule Freude an der Musik weiter zu fördern, denn „die Lie- mit Illustrationen von Susanne Bochem und Dunja der sollen keine fertigen Verbrauchsprodukte sein, Schnabel sondern sollen zu eigenen Gestaltungsversuchen ani- Westermann, Braunschweig 2009, 216 Seiten, mieren“. Des Weiteren ist dieses Liederbuch konkret ISBN 978-3-14-125041-1, www.westermann.de für die Kinderhand gedacht (im Gegensatz zu vielen anderen Liederbüchern, die als Sammlung eher dem Ergänzende Materialien zum FIDELIO-Liederbuch: Lehrer dienen und nicht den wahren Adressaten an- – Hörbeispiele (4 CDs) sprechen). Über die fantasievollen und animierenden ISBN 978-3-14-125141-8 Illustrationen und altersgerecht formulierten „Tipps“ – Instrumentalheft 1 (für Klasse 1/2) werden die Kinder der Klassenstufen 1–4 direkt an- ISBN 978-3-14-125058-9 gesprochen und aufgefordert, neben dem Singen wei- – Instrumentalheft 2 (für Klasse 3/4) ter aktiv zu werden. Das scheint die Hauptintention ISBN 978-3-14-125049-6 der Herausgeberinnen zu sein, von denen zwei Ab- Vorweg gleich die wichtigen Fragen: solventinnen des Carl Orff-Instituts sind: Singen als Was zeichnet dieses Liederbuch aus und wie unter- Ausgangspunkt für vielfältige gemeinsame musikali- scheidet es sich von anderen Liederbüchern, die es in sche und bewegte Tätigkeiten. unüberschaubarer Anzahl auf dem Markt (und teil- Ein weiterer positiver Aspekt ist das Zusatzmaterial weise in unseren eigenen Regalen) gibt? zum Liederbuch. Die Hörbeispiele auf CD bieten

90 Singfassungen aller Titel, was viele Lehrkräfte dank- Im FIDELIO-Liederbuch finden sich Anregungen bar annehmen werden. Zudem sind die Lieder sehr le- zum fächerübergreifenden Arbeiten mit Verbindun- bendig und abwechslungsreich arrangiert, jedoch ha- gen zu Lerngegenständen wie Deutsch, Religion, Sa- ben die 4 CDs auch ihren Preis. chunterricht. Zwei Instrumentalhefte bieten für eine Auswahl von Liedern einfache Liedbegleitungen mit gängigen Zur Gestaltung Schulinstrumenten an. Auch hier heißt es wieder: Die grafische Gestaltung ist bei diesem Liederbuch „Einfache Gliederungen und kurze, präzise Informa- wirklich geglückt, auch wenn das quadratische For- tionen bieten den Kindern (und auch fachfremden mat erst einmal gewöhnungsbedürftig ist. Besonde- Lehrkräften) die Möglichkeit, erfolgreich gemeinsam res Lob verdienen die liebevollen Illustrationen, der zu musizieren.“ gute Notensatz und das luftige Layout. Hier hat man Platz zum Atmen … Zu den Themen Dies gilt ebenso für die beiden Instrumentalhefte mit Das Liederbuch gliedert sich in 13 Themenschwer- ihren optisch übersichtlichen Partituren mit sprach- punkte und orientiert sich an den Interessen der Kin- gestützten grafischen und traditionellen Notationen. der: Die ersten sieben Kapitel beleuchten soziale, rea- Alle Begleitstimmen sind nutzerfreundlich als Ko- listische und fantastische Themen unter ganz ver- piervorlagen gestaltet. schiedenen Aspekten (Miteinander, Anders als Du, Alles Gute!, Fit und gesund, Unterwegs, Geheimnis- Fazit: In seiner Art neu und sehr empfehlenswert, volles), die letzten sechs Kapitel beschäftigen sich nicht nur für die Grundschule. ausgiebig mit den Jahreszeiten. Erwähnenswert finde ich hierbei das Auftaktthema, das die Jahreszeiten all- Hinweis: Das FIDELIO-Liederbuch ist nicht iden- gemein behandelt, bevor es in die einzelnen Jahres- tisch mit dem Unterrichtswerk „FIDELIO – Musik in abschnitte inklusive Weihnachtszeit geht. der Grundschule“, das in den jeweiligen Schüler- Zu den Liedern büchern für die Klassen 1–4 eine Vielzahl von ande- In den 13 Themen finden sich insgesamt 170 ab- ren Liedern aufweist. wechslungsreiche und sehr unterschiedliche Titel, Micaela Grüner teilweise bekannt und beliebt, aber auch viel Neues. Alle Kapitel sind stilistisch bunt gemischt, was wich- tig ist. Es sind Lieder, die inhaltlich und musikalisch Christiane Wieblitz: ansprechend und die in großem Maße zum Lachen, Lively Children’s Choir. Joyful, Playful, Dancing. Nachdenken und Mitmachen animieren. Viele Lieder Incentives and Examples motivieren durch ungewöhnliche Rhythmen oder translated by Margaret Murray, published by einen besonderen Sprachwitz. Fremdsprachige Lie- Reichert Verlag, Wiesbaden 2011 der oder Lieder aus anderen Ländern sind in alle The- 310 pages, ISBN 978-3-89500-772 menbereiche integriert. In der speziellen Bayern-Aus- www.reichert-verlag.de gabe des Liederbuches (eigene ISBN beachten!) sind Christiane Wieblitz trained and then taught at the Orff auch einige regional-mundartliche Lieder zu finden. Institute in Salzburg from 1968 to 1999 and is now a Zu den „Tipps“ freelance tutor. She has taught all ages from babies to Die über 170 schnell umsetzbaren Tipps umspannen senior citizens and was the leader of a very success- fast alle Lernbereiche des Musikunterrichts wie ful children’s choir. As such she is exceptionally well Stimmbildung, Spielen mit Instrumenten, Musik er- qualified to produce a book on leading children’s finden, Bewegen und Gestalten und musikalische Be- singing in the 8–12 years range, a book incorporat- trachtung (wie z. B. Verfolgen von Melodieverläufen ing Orff principles. These are based on the unity of oder Mitdirigieren). Somit könnte das Liederbuch body, mind and spirit and include speech, singing, durchaus eine Alternative zu einem Musikbuch dar- movement, dance and creative improvisation. As it stellen. says in the Foreword of the book:

91 able to pick and choose which ideas/activities you want to use. The commentary (in pink high-lighting) on the activities is also very helpful. And, of course, once you have come to grips with the activities, in true Orff fashion you will be able to adapt and develop them as you and your children wish! Towards the end of the book is a “Treasure Chest of Songs” – several international, which I always think is one of the great advantages of the Orff movement, but you can always adapt the activities to your own personal “Treasure Chest”. Possibly a CD recording of these songs might make the book more accessible to the confident non-specialist. There is also a glos- sary – helpful now and then! A recent welcome phenomenon has been the upsurge of interest in choral singing. We, as teachers, need to develop, encourage and build on this interest and this book is an invaluable aid. If you can’t get to one of Christiane’s fantastic workshops then this book, whether you use it as a choir leader or a class teacher, is the next best thing! Sue Forrest “The author succeeds in immersing herself in the nat- ural world of the children so that she can lead them on Mit freundlicher Genehmigung der Autorin und der a creative path of learning where pleasure, play and Herausgeber, nachgedruckt aus Orff Times, Vol. 33, stimulation are meaningfully combined.” No. 1, London, März 2012 The book seems to be aimed at choir leaders who have fairly long sessions with the children (e.g. there are two 90 minute lesson models – though they can Ulrike Stelzhammer-Reichhardt und be split), plenty of physical space, a basic knowledge Shirley Salmon: of music and, preferably, an at least partly-trained „Schläft ein Lied in allen Dingen …“ – Musik- singing voice. Therefore, unfortunately, I wouldn’t say wahrnehmung und Spiellieder bei Schwerhörig- it was a book for most general class teachers; but as keit und Gehörlosigkeit a book for choir leaders it is superb and most of the Reichert Verlag, Wiesbaden 2008, 235 Seiten, ideas and suggestions can be incorporated into ISBN 978-3-89500609-8, www.reichert-verlag.de school music class teaching whatever your curricu- lum or scheme of work. Der Buchtitel ist Programm: Die Zeile „Schläft The “Contents” and lay-out are clear and easy-to-use ein Lied in allen Dingen …“ ist ein Zitat aus einem with inspirational photos and practical diagrams. It bekannten Gedicht von Joseph von Eichendorff includes sections on general issues, breathing, (1788–1857): speech, rhythm, vocal, listening and movement „Schläft ein Lied in allen Dingen, games, pitch and intonation, inventing melodies and Die da träumen fort und fort, lesson models. I would suggest that you read the in- Und die Welt hebt an zu singen, troduction to each section before you try out the ideas Triffst du nur das Zauberwort.“ so that you understand the reasoning behind them. Shirley Salmon, eine der Autorinnen, schreibt aus Once you have read these introductions you will be ihren Erfahrungen in der Musik- und Bewegungs-

92 pädagogik heraus und setzt sich mit großem Engage- ment für die Form des Spiellieds ein: Sie sieht in ihm den Schlüssel für gehörlose und schwerhörige Kin- der, um in die zauberhafte Welt der Musik und Be- wegung einzutreten. Eichendorff schrieb u. a. auch die Erzählung Aus dem Leben eines Taugenichts, die als Plädoyer dafür zu lesen ist, Freiräume zu haben, um sich zu bilden. Diese Freiräume taugen nur scheinbar zu nichts. So wie es in der Erziehung wichtig ist, ein Spielen um des Spielens willen zuzulassen, wie Salmon in ihrem Text ausführt. Oder eben ein Musizieren um des Mu- sizierens willen – so wie die Intention beider Auto- rinnen zu verstehen ist. Die beiden Autorinnen Ulrike Stelzhammer-Reich- hardt und Shirley Salmon stellen in dem vorliegen- den Buch ihre Abschlussarbeiten (Doktor- und Di- plomarbeit) nebeneinander; verbunden sind beide durch das gemeinsame Thema „Musik bei Schwer- hörigkeit und Gehörlosigkeit“: Erstere ist eine natur- wissenschaftliche Studie über die Wahrnehmung von Musik, letztere beinhaltet eine pädagogische Theorie und Praxis des Spiellieds. Die Dissertation der Musik- und Bewegungspädago- gin Stelzhammer-Reichhardt ist das Ergebnis einer der Studie sind hingegen gut lesbar. Anfangs gibt dreijährigen Forschungsarbeit an der Universität Stelzhammer-Reichert einen Überblick über Hör- Mozarteum in Salzburg. Die Autorin arbeitet seit Jah- störungen und über den Forschungsstand zur Musik, ren mit hörenden, schwerhörigen und gehörlosen Kin- zitiert schließlich im Laufe ihrer Schlussfolgerungen dern, Jugendlichen und Erwachsenen sowie in der Re- Joseph Beuys mit seinem Diktum „Kunst ist Denken habilitation cochlea-implantierter Kinder. mit dem ganzen Körper“ und führt weiter aus: „In An- Sie geht von dem Phänomen aus, dass Ultraschall- lehnung an diesen Gedanken muss es auch für Musik wellen bei vielen Menschen Reaktionen auslösen, als künstlerisches Ausdrucksmittel heißen: Musik ist ohne dass diese direkt wahrgenommen würden. Ihr Denken mit dem ganzen Körper. Die Aufgabe der Erkenntnisinteresse besteht darin, inwieweit der Ul- Musikpädagogik ist es, dies zu vermitteln“ (S. 95). So traschall bei der Musikwahrnehmung eine Rolle spielt bricht die Autorin mit ihrer Studie also eine Lanze für und sich auf die Hör- bzw. Klangqualität auswirkt – den multisensorischen Zugang in der Musikpädago- und zwar sowohl für guthörende wie für „hörbeein- gik – auch für guthörende Menschen, die durchaus trächtigte“ Probanden. weitere Dimensionen von Musik erfahren können. Die Autorin legt dar, dass es messbare Reaktionen auf Die zweite Autorin, Shirley Salmon, ist bereits seit Ultraschall gibt – unabhängig vom auditiven Hörver- Jahrzehnten Musik- und Bewegungspädagogin und mögen – und dass es eine Musikwahrnehmung geben Autorin bzw. Herausgeberin einschlägiger Literatur muss, die unabhängig vom Hörverlust ist. So ist also (vgl. z. B. Salmon 2006). Grundlage für die Musik- der „Beweis“ erbracht: Musikerfahrungen sind auf und Bewegungsarbeit Salmons ist ihr eigens ent- verschiedenen Ebenen möglich, und das auch für wickelter multisensorischer Ansatz. Das Spiellied ist Gehörlose und Schwerhörige. für sie dabei der Königsweg für gehörlose und Die Studie ist für einen Laien nicht leicht zu verste- schwerhörige Kinder hin zur Musik, weil das Spiel- hen. Der einführende und der schlussfolgernde Teil lied multisensorisch angelegt ist und ihnen den Zu-

93 gang ermöglicht. Es werden in ihm mit der Möglich- nehmung von Musik möglich ist – und d. h. für gut keit der visuellen, taktilen, kinästhetischen und audi- hörende Menschen: Es gibt mehr als nur akustische tiven Wahrnehmung verschiedene Sinne angespro- Wahrnehmung von Musik. chen und wechselseitig verstärkt. So kann z. B. zum Mit dieser Stoßrichtung ist der Weg frei für die ei- Rhythmus in die Hände geklatscht, der Körper um die gentliche, pädagogische Argumentation (ist der na- Achse gedreht oder eine Gebärde ausgeführt werden. turwissenschaftliche Exkurs eine politische Notwen- Dieser multisensorische Ansatz, den Salmon bereits digkeit, eine „wissenschaftliche“ Zauberformel?). seit Jahrzehnten erprobt hat, ist nach ihren eigenen Salmon liefert anschließend eine erziehungswissen- Worten vor allem „entwicklungsorientiert, integrativ schaftliche Methodik und betont: Gehörlose und und dialogisch“ (S. 147). Sie beschreibt in ihrer theo- schwerhörige Kinder haben – wie hörende Kinder retischen Begründung innerhalb der Pädagogik, Ent- auch – das Recht auf musikalische Bildung. Und für wicklungspsychologie und Tanztheorie kenntnisreich hörende Kinder heißt das: Die musikalische Bildung viele Ansätze von namhaften VertreterInnen, die ihre sollte nicht nur die akustische Wahrnehmung betref- Erfahrungen stützen: So ist es für alle Menschen sinn- fen. voll, bereits von Kindheit an in einer vielseitig sen- Übrigens, Eichendorff, von dem das Titelzitat stammt, sorischen Umgebung aufzuwachsen, um die Senso- hat nicht nur „verträumte“ Gedichte, sondern auch motorik zu entwickeln: „Wahrnehmung und Bewe- politische Erzählungen verfasst. In diesem Sinne ist gung stehen in wechselseitiger Beziehung zueinan- dem vorliegenden Buch eine weitreichende politische der“ (S. 109). Wirkung zu wünschen. Der letzte Text – sozusagen Für „hörbeeinträchtigte“ Kinder gilt gleichfalls wie als i-Tüpfelchen im Anhang – ist nämlich ein Inter- für hörende, dass ein Mensch auch „auf den eigenen view mit Evelyn Glennie von 2003, in dem die briti- Körper hören“ (S. 109) können sollte. Dazu stellt sie sche Perkussionistin von ihrem Werdegang und ihrer methodische Überlegungen an und erläutert am Ende politischen Arbeit aufgrund ihrer eigenen Erfahrun- ihrer Arbeit anhand von zehn praktischen Beispielen, gen als schwerhörige Musikerin berichtet. Glennie wie unterschiedlich das jeweilige Spiellied eingesetzt setzt sich im Rahmen einer Stiftung aktiv dafür ein, werden kann: als Hörspiel, Bewegungsspiel, Partner- dass gehörlose und schwerhörige Kinder in den USA spiel, als Gebrauch der Stimme, als Instrumentalspiel, und in Großbritannien in der Schule Musikunterricht Klanggeste oder als Gebärde etc. erhalten. Das Spiellied unterscheidet sich von anderen Liedern Die letzte Zeile von Eichendorffs Gedicht lautet: dadurch, dass Spiellieder einen Darstellungscharak- „Triffst du nur das Zauberwort“. Das vorliegende ter haben. MusikpädagogInnen sollten das „Wagnis Buch macht deutlich, dass es im Wesentlichen darauf der Improvisation“ (S. 129) eingehen und das Spiel- ankommt, es zu treffen: Das Zauberwort – oder die lied neu anpassen an individuelle und situative Gege- Zaubergebärde; denn wäre Eichendorff ein gehörloser benheiten. So z. B. lassen sich anhand ihrer Aus- oder schwerhöriger, gebärdender und musizierender führungen auch gebärdensprachliche Umsetzungen Dichter gewesen, hätte sein Gedicht vielleicht fol- von Spielliedern vorstellen. Man muss dazu nicht mit gendermaßen geendet: „Die Welt hebt an zu singen / der Stimme singen. triffst du nur die Zaubergebärde!“ Die mögliche Anwendung ist jedoch nicht „nur“ bei schwerhörigen und gehörlosen Kindern zu sehen. Literatur Viele Anregungen gehen weit darüber hinaus und Salmon, Shirley (Hg.): Hören – Spüren – Spielen – weisen auf eine grundsätzlich multisensorische mu- Musik und Bewegung mit schwerhörigen und gehör- sikalische Wahrnehmung des Menschen. losen Kindern. Wiesbaden 2006. Mit dieser Veröffentlichung wird eine Basis für eine Gunda Schröder politische Argumentation gelegt. Stelzhammer-Reich- Gekürzte, leicht geänderte Fassung eines Beitrags aus „DAS hardt weist in ihrer Studie auf naturwissenschaftli- ZEICHEN • Zeitschrift für Sprache und Kultur Gehörloser“ chem Wege und mit musikpädagogischem Engage- (DZ 80/2008, 524-526). ment nach, dass auch trotz Gehörlosigkeit eine Wahr- www.sign-lang.uni-hamburg.de/signum/zeichen

94 Daniel Giordani: Worum geht es also? Das Rhythmusorakel Mit Hilfe von Spielsteinen bzw. den dem Buch bei- Eine alternative Trommel- und Rhythmusschule gefügten Kärtchen, die mit den Notationssymbolen Fidula, Boppard am Rhein 2012, der wichtigsten Klänge (Bass, Open, offener Ton, ISBN 978-3-872266-930-0, Slap und Pause) der Trommel bezeichnet sind, wer- ISMN 979-0-2003-0930-0, www.fidula.eu den nach unterschiedlichen Spielregeln Rhythmen zu- sammengestellt. Dabei werden die Rhythmusbau- steine, wie bei manchen Kartenspielen, verdeckt ge- zogen und in festgelegte Raster von Pulsationen in Gruppierungen zu jeweils 2er, 3er, 4er, 6er usw. ge- legt. Die sich daraus ergebenen Rhythmen sind da- durch nicht vorher absehbar, sondern rein zufällig. Im Gegensatz zu sonstigen Trommelschulen, werden hier kaum festgelegte Rhythmusmodelle, auch keine Im- provisationsvorgaben, sondern Strukturierungsvor- schläge angeboten. Dabei bedient sich Giordani einer graphischen Nota- tion, die von vielen Trommlern und Perkussionisten verwendet wird (vgl. Ulrich Moritz / Klaus Staffa in: „Trommeln ist Klasse“, Fidula-Verlag), aber eher sel- ten Eingang in die Literatur findet. Diese könnte man als Pulsationsnotenschrift be- zeichnen, welche die verschiedenen Unterteilungen einer Rhythmusstruktur sowie den „Beat-Bezug“ dar- stellt (ähnlich der Weise, wie es Musikethnologen tun). Schwer zu lesende Punktierungen und Überbin- dungen, wie in der westlichen Notation, die auf den verschiedenen Notenwerten basieren, fallen damit weg, und Rhythmusstrukturen werden somit leichter Lässt man den Titel des Buches von Daniel Giordani erfassbar. Diese Notationsraster findet man, neben auf sich wirken, ist man sogleich in einen transzen- den Klangsymbolen, im Umschlag des Buches. Dar- denten Bedeutungszusammenhang entführt. Ein Ora- über hinaus sind dort auch Vorlagen für eine Kreis- kel (abgeleitet aus dem lateinischen Substantiv ora- notation, die Zyklen und Rhythmen in Kreisform dar- culum: Götterspruch, Sprechstätte) bezeichnet eine stellen, zu finden. durch ein bestimmtes Ritual gewonnene göttliche, bzw. transzendente Weissagung, z. B. für Fragen an Das Buch ist sehr anschaulich und übersichtlich die Zukunft oder als Entscheidungshilfe; oft un- strukturiert. durchschaubar und rätselhaft in seiner Aussage. – Besonders in den ersten Kapiteln findet der Trom- Ganz so tiefgründig wird der Titel wohl nicht gemeint melanfänger und interessierte Laie eine Reihe von sein, da das Buch im Wesentlichen ein Spiel- und Ar- grundlegenden Übungen und Erläuterungen zum beitsbuch darstellt, in dem man sich mit Hilfe von Phänomen Rhythmus. Dazu zählen auch Ausflüge Notationssymbolen auf spielerische Art und Weise in Instrumentenkunde, Schwingungslehre, Hirn- dem Phänomen Rhythmus nähert. Der Untertitel – forschung sowie Spieltechniken der afrikanischen „eine alternative Trommel- und Rhythmusschule“ – Djembé-Trommel, auf die der Autor besonders Be- ist hingegen durchaus zutreffend und weist auf eine zug nimmt. (Manches Mal lässt sich in diesen Ab- pädagogische Herangehensweise hin, die sich von an- schnitten des Buches der Eindruck der inhaltlichen deren Trommelschulen abhebt. Nähe zu anderen Veröffentlichungen, wie bei-

95 spielsweise „Rhythm for Evolution“ von Reinhard Manuela Widmer und Corinna Ensslin: Flatischler, nicht ganz vermeiden.) Musik und Tanz für Kinder – Unterrichtswerk für – Ab dem 5. Kapitel geht es dann los mit den „Ora- Eltern-Kind-Kurse kelspielen“. Diese sind sehr klar und schlüssig auf- mit Illustrationen von Stéffie Becker gebaut und bieten Spiel- und Experimentiermög- – Lehrerkommentar, ISBN 978-3-7957-4642-1 lichkeiten für sich alleine, mit einem Partner bzw. – Bim und Bam bei uns zu Hause, Elternheft, in der Gruppe. ISBN 978-3-7957-4641-4 Andere bekannte Trommellehrer wie Michael – Bim und Bam fangen an, Kinderbuch 1 für Siefke oder Uli Moritz bieten ähnliche Spielm- Eltern-Kind-Kurse, ISBN 978-3- 7957-4640-7 odelle an, jedoch zeichnet sich Daniel Giordanis – Hallo Bim – Hallo Bam, Kinderbuch 2 für Buch durch eine geradezu akribische Systemati- Eltern-Kind-Kurse, ISBN 978-3-7957-4646-9 sierung seiner Spielideen aus. alle Schott Music, Mainz 2012, – In weiteren Kapiteln versucht er eine Brücke www.schott-music.com zwischen außereuropäischer Spiritualität und sei- nen Spielvorschlägen zu schlagen. Da werden Vor- schläge gemacht, wie man zu eigenen Kraft- und Hilfsrhythmen gelangen kann oder wie man mit Wörtern und Zahlen und dazu erfundenen Tabel- len sowie zugeordneten Trommelklängen wie- derum Rhythmuspatterns erstellt. Die Frage, ob man durch innere Ausrichtung, bei- spielsweise durch persönliche Wünsche und dem darauffolgenden „Ziehen“ von Rhythmusbaustei- nen tatsächlich „eigene Rhythmen“ entstehen las- sen kann, oder ob dies „nur“ eine konstruierte Herangehensweise ist, die das Entstehen von Rhy- thmen dem Zufall überlässt, kann hier nicht beant- wortet werden. Dies muss der Leser selbst auspro- bieren. Es hängt wohl auch vom persönlichem Weltbild ab. Auf jeden Fall führt dieser Zugang zu interessanten Ergebnissen und kreativen Anwen- dungsideen.

Fazit: Diese Buch bietet eine Fülle von Spiel- und Nach den Standardwerken für die musikalische und Experimentiermöglichkeiten an, die vor allem die tänzerische Früherziehung und Grundausbildung „Konstruierbarkeit“ eigener Rhythmen in den Vor- „Musik und Tanz für Kinder“ sowie dem den Über- dergrund stellt und dadurch eine sinnvolle Ergänzung gang zum Instrumentalunterricht behandelnden Werk zu sonstigem Trommelunterricht darstellt. Nebenbei „Musik und Tanz für Kinder – Wir lernen ein Instru- wird ein rhythmisches Basistraining angeregt und ment“ ist nun „Musik und Tanz für Kinder – Unter- durch die ständig verwendete graphische Notation richtswerk für Eltern-Kind-Kurse“ von Manuela Wid- vertieft. mer und Corinna Ensslin für das jüngste Publikum im Ari Glage Musik- und Bewegungsunterricht erschienen, in dem Bim und Bam, zwei Pandabären, die Kinder im Alter zwischen 18 Monaten und 4 Jahren als Identifikati- onsfiguren durch die Zeit in der Eltern-Kind-Gruppe begleiten. Der nahezu 300 Seiten starke Lehrerkommentar bie-

96 tet im sehr lesenswerten Einführungsteil unter ande- „Hallo Bim – Hallo Bam“), von Stéffie Becker ge- rem Erläuterungen zu den fachlichen Schwerpunkten lungen illustriert, zeigen Szenen aus den Unterrichts- des Unterrichts, gibt wertvolle Hinweise zur Unter- modellen und geben so auch den Kindern die Mög- richtsorganisation (Zeit- und Raumgestaltung, Aus- lichkeit, zu Hause musikalische Impulse zu setzen. stattung etc.) und enthält kreative Hinweise für El- Die beiden Plüschbären Bim und Bam sowie ein Lie- ternabende. derposter mit 15 Kinderliedern werden zusätzlich Der Hauptteil „Vorschläge für den Unterricht“ (aus- hilfreich sein, wenn es darum geht, Musik und Tanz in gewogen und genau durchdacht) ist auf zwei Jahre den Alltag zu integrieren. ausgerichtet und stellt 17 Unterrichtsmodelle – sowie Somit präsentiert sich „Musik und Tanz für Kinder – Zusatzmaterial und Spielprojekte mit bekannten Kin- Unterrichtswerk für Eltern-Kind-Kurse“ als fundier- derbüchern als Grundlage – vor, die die Erlebniswelt tes, umfangreiches Werk, das sowohl die Bedürfnisse junger Kinder im Fokus haben und sich inhaltlich in der Lehrenden als auch die der Eltern und Kinder drei Bereiche gliedern: Tierisches, Naturhaftes, berücksichtigt, und einen wertvollen Beitrag für die Menschliches. Hier gehen die Kursteilnehmer mit Arbeit mit Eltern-Kind-Gruppen darstellt. Bären auf Honigsuche, lassen sich die Sonne auf den Sigrid Mitterbauer Bauch scheinen oder unternehmen eine Fahrt mit dem Traktor. Die liebevoll ausgewählten Lieder sind viel- fach einfach gehalten, sodass sie auch für Begleitper- sonen mit wenig musikalischer Erfahrung gut um- setzbar sind, andere wiederum tanzen zum Beispiel durch ihre rezitativische Gestaltung („Pinguinlied mit Klangstabbegleitung“) oder einen überraschenden Taktwechsel („Instrumentenkarussell zur Studenten- polka“) lustig aus der Reihe. Abgerundet wird das Angebot für Lehrkräfte durch eine CD mit abwechs- lungsreichen, durch die Bank sehr schönen Musik- beispielen (sehr sympathisch: die „Streichelchen“, kleine Wesen aus Stoffresten, die beim Musik-Hören gegen Ende der Stunde zum Einsatz kommen) und einem CD-Rom-Teil mit Bastelanleitungen, Litera- turliste und weiteren Musikvorschlägen. Wie schade wäre es nun, würde ein Gutteil dieser auf- wändigen Unterrichtsgestaltung verpuffen, weil die Eltern nicht genügend Anregungen bekommen, um die Inhalte zu Hause aufgreifen zu können. Dem wird durch „Musik und Tanz für Kinder – Bim und Bam bei uns zu Hause“ vorgebeugt, einem Elternheft, das nicht nur eine CD plus Hinweise zu einem Gratis- Download und die Noten und Texte des im Unterricht verwendeten Materials enthält, sondern auch einen in- formativen Abriss über die körperliche und kognitive Entwicklung des Kindes sowie nützliche Hinweise, etwa zu versuchen, das eigene Kind nicht an anderen zu messen oder Privatgespräche an den Rand des Un- terrichts zu legen (jede/r Unterrichtende wird dafür dankbar sein!). Zwei Bilderbücher („Bim und Bam fangen an“,

97 Orff-Schulwerk Kurse Orff-Schulwerk Courses

Lieber Leserinnen und Leser, auf der Website www.orff-schulwerk-forum-salzburg.org finden Sie eine ständig aktualisierte Liste von inter- nationalen Kursen sowie Ankündigungen zu Konfe- renzen, Kongressen und Symposien aus aller Welt. Die Redaktion

Dear readers, Please find the updated list of international courses as well as announcements of international symposia, conferences and congresses on our website: www.orff-schulwerk-forum-salzburg.org

The editor

98 Adressen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dieser Ausgabe Addresses of Authors and Co-Authors of this Issue Auernig, Fato¸s Özel ALEV Okullari, Kadirova Caddesi No. 56 Ömerli Mah. Çekmeköy, TR-34797 Istanbul, Türkei E-mail: [email protected] Bacher, Esther Pruntruterstrasse 37, CH-4053 Basel, Schweiz Mag. phil. E-mail: [email protected] Beidinger,Werner Billy-Wilder-Promenade 43, D-14167 Berlin, Deutschland Univ. Prof. E-mail: [email protected] Blanco Aloy, Cristina c/o St. Pau, 35 / 1a, E-08221 Terrassa, Spanien Burmann, Ruth Hans-Pfitzner-Straße 7a, A-5020 Salzburg, Österreich MA E-mail: [email protected] Fehrer, Katharina Akademiestraße 13/8, A-5020 Salzburg, Österreich E-mail: [email protected] Forrest, Sue 41 Avondale Drive, Hayes, Middlesex, United Kingdom E-mail: [email protected] Glage, Ari Fadingerstraße 24/1, A-5020 Salzburg, Österreich E-mail: [email protected] Grosse, Paul Block 601 Ang Mo Kio Avenue 5, 05-2613, Singapore 560601 E-mail: [email protected] Grüner, Micaela Friedrich-Ebert-Allee 4, D-83435 Bad Reichenhall, Deutschland Mag. art., MAS E-mail: [email protected] Haselbach, Barbara Gfalls 5d, A-5061 Elsbethen, Österreich Univ. Prof. em. E-mail: [email protected] Holland-Moritz, Thomas Hochschule Osnabrück, Institut für Musik, Caprivistraße 1 Prof. D-49076 Osnabrück, Deutschland E-mail: [email protected] Jukk, Tuuli Pargi 3, Põltsamaa, EST- 48103, Estland E-mail: [email protected] Kugler, Michael Priessnitzerweg 4, D-82538 Geretsried, Deutschland Prof. Dr. E-mail: [email protected] Maschat, Verena Calle Nueva 15-3A, E-28230 Las Rozas de Madrid, Spanien E-mail: [email protected] Maubach, Christoph 116 Rosebanks Drive, Tamahere RD3, Hamilton 3283, New Zealand E-mail: [email protected] Meyer, Ruth Wilhelmine Kjelsåsveien 65, N-0488 Oslo, Norwegen E-mail: [email protected] Meyerholz, Uli Wiederholdstraße 21, D-34132 Kassel, Deutschland E-mail: [email protected]

99 Mitterbauer, Sigrid Burgfried 3, A-4550 Kremsmünster, Österreich E-mail: [email protected] Murray, Margaret 7, Rothesay Av. Richmond, Surrey TW10 5EB, United Kingdom E-mail: [email protected] Puig Canal, Ana c/o Ramon Liull, 11, E-08302 Mataró, Spanien Rebholz, Susanne Panoramaweg 705, A-5412 Puch, Österreich Mag. E-mail: [email protected] Rohlfs, Katrin Wessobrunnerstraße14, D-82166 Gräfelfing, Deutschland E-mail: [email protected] Salmon, Shirley Flurweg 1, A-8070 Grambach, Österreich MA Mag. phil. E-mail: [email protected] Samuelson, Miriam Kreuzhofweg 26, A-5020 Salzburg, Österreich E-mail: [email protected] Savage-Kroll, Camille Helene-Noltenius-Weg 82, D-28357 Bremen, Deutschland E-mail: [email protected] Schröder, Gunda Nerlichsweg 6, D-20535 Hamburg, Deutschland E-mail: [email protected] Stibi, Sonja c/o Carl Orff-Institut, Frohnburgweg 55, A-5020 Salzburg, Österreich Univ. Prof. Mag.art. E-mail: [email protected] Trüün, Friedhilde Johannesweg 10, D-72072 Tübingen, Deutschland E-mail: [email protected] Valsdottir, Kristin Reynimel 107, Reykjavík, Iceland E-mail: [email protected] Wieblitz, Christiane Rosittengasse 23, A-5020 Salzburg, Österreich E-mail: [email protected] Wieblitz, Ernst Rosittengasse 23, A-5020 Salzburg, Österreich Prof. E-mail: [email protected] Widmer, Manuela Salzburger Schützenweg 6, A-5400 Hallein, Österreich Dr. Mag. art. E-mail: [email protected]

Adressen der Sponsoren und Herausgeber / Addresses of the Sponsors and Editors Orff-Schulwerk Forum Salzburg, Frohnburgweg 55, A-5020 Salzburg, Österreich, E-Mail: [email protected], Homepage: www.orff-schulwerk-forum-salzburg.org Carl Orff-Institut für Elementare Musik- und Tanzpädagogik der Universität Mozarteum Salzburg, Frohnburgweg 55, A-5020 Salzburg, Österreich, E-Mail: [email protected], Homepage: www.orffinstitut.at Universität Mozarteum Salzburg, Mirabellplatz 1, A-5020 Salzburg, Österreich, Homepage: www.moz.ac.at Studio 49, Musikinstrumentenbau GmbH, Lochhamer Schlag 2, D-82166 Gräfelfing, Deutschland, E-Mail: [email protected], Homepage: www.studio49.de

100 ORFF-SCHULWERK INFORMATIONEN Themenschwerpunkte der letzten Ausgaben Main themes of the last issues

OSI 87 Drei Säulen des Orff-Schulwerks Three Pillars of Orff-Schulwerk OSI 86 Elementare Komposition Elemental Composition OSI 85 50 Jahre Orff-Institut 50 Years Orff Institute OSI 84 Musik- und Tanztheater mit Kindern Music and Dance Theatre with Children OSI 83 Improvisation / Improvisation OSI 82 Tanzen und Darstellen – Gestalten mit Bewegung Dancing and Presenting – Creating with Movement OSI 81 Musik und Bewegung/Tanz in Sozialer Arbeit und Inklusiver Pädagogik Music and Movement/Dance in Social Work and Inclusive Pedagogy OSI 80 Musik- und Tanzgeschichte in Aktion Music and Dance History in Action

Die Ausgaben 1–86 sind nachzulesen unter The issues 1–86 are to be downloaded from http://www.orff-schulwerk-forum-salzburg.org ISSN 2305-9079