KIRCHNER HECKEL SCHMIDT-ROTTLUFF Geheimnis der maTerie KIRCHNER HECKEL SCHMIDT-ROTTLUFF Geheimnis der maTerie

Herausgegeben von Regina Freyberger Städel Museum, am Main

Sandstein Verlag Inhalt

Vorwort 6 Philipp Demandt

„Geheimnis der Materie“ 8 Kirchner, Heckel und Schmidt-Rottluff Regina Freyberger

Katalog 20 Ausstellungs- und Geschäftsgrafik der „Brücke“

„Zurück zum Ursprung, zu den Quellen, 30 zur Natur und zum Material“ Holz – Material mit Geschichte Theresa Nisters

„Im steten Fluss bleibende Darstellungsenergien“ 48 Fruchtbare Wechselwirkungen zwischen den Medien im Werk von Alexander Eiling

„Aufbauarbeit zum Besten der lebenden Kunst 64 und der Künstler selbst“ Der Sammler Carl Hagemann Iris Schmeisser

„Auch die unbezeichnet bleibenden Teile 84 des Blattes formen das Bild“ Anmerkungen zum Papier Ruth Schmutzler und Sabine Protze

Katalog Ernst Ludwig Kirchner 94 168 Karl Schmidt-Rottluff 212

Ausgestellte Werke 274 Ausgewählte, abgekürzt zitierte Literatur 286 Impressum, Bildnachweis 294 8 / 9

„Geheimnis der Materie“ Kirchner, Heckel und Schmidt-Rottluff

Regina Freyberger 10 / 11

Kein Material ist mit der Kunst des deutschen Expres- zeug (Hohleisen, Geißfuß) aus dem Holz herausgeho- Wege zum Holzschnitt tion der Schaffenden wie der Geniessenden rufen wir sionismus stärker verbunden als Holz – und „nichts ben. Die Holzplatte zeigt nun die Darstellung in Form und zur Holzskulptur alle Jugend zusammen“, heißt es im Programm der ist so sehr ‚Brücke‘ wie der Holzschnitt“.1 Bei dieser eines flachen Reliefs. Dessen erhabene Bereiche wer- Künstlergruppe „Brücke“ (Kat. 1, S. 21), „und als Ju- Drucktechnik ‚schnitzt‘ der Künstler die zu drucken- den anschließend mit einer Walze gleichmäßig ein­ Die Auseinandersetzung mit dem natürlichen Werk- gend, die die Zukunft trägt, wollen wir uns Arm- und den Formen wie ein Relief ins Holz. Die Bildidee ver- gefärbt und sodann mithilfe eines Reibers oder Falz­ stoff Holz begann für Kirchner, Heckel und Schmidt-­ Lebensfreiheit verschaffen gegenüber den wohlan­ mittelt sich entsprechend „als Abdruck oder Spur beins von Hand (Handdruck) oder mit einer Presse auf Rottluff über den Holzschnitt. Kirchner besserte eige- gesessenen älteren Kräften. Jeder gehört zu uns, der dessen, was in einer gleichsam bildhauerischen Arbeit einen Bogen Papier abgezogen.5 Nach dem Abziehen nen Angaben zufolge bereits als Gymnasiast „alte in unmittelbar und unverfälscht das wiedergiebt, was ihn geschaffen“ wurde.2 So beschrieb schon 1895 Julien des Papiers vom Stock bilden die zuvor eingefärb- Holz geschnitten[e] Papierfabrikzeichen“7 für seinen zum Schaffen draengt.“ Kirchner hatte dieses Manifest Leclercq die Holzschnitte Paul Gauguins als mittleres ten, hochliegenden Bereiche die Darstellung spiegel­ Vater aus, einen Chemiker und Ingenieur, der sich 1906 verfasst und – ebenso wie das erste Signet der Medium zwischen Skulptur und Malerei.3 Auch die verkehrt auf dem Papier ab. Mithilfe mehrerer, auch unter anderem der Erforschung von Papier verschrie- „Brücke“ 1905 (Abb. 5) – programmatisch in Holz ge- Holzschnitte der drei Gründungsmitglieder der „Brü- ­zersägter Druckstöcke können zuletzt verschiedene ben hatte und für dessen Wasserzeichensammlung schnitten: Kantige, markante Großbuchstaben in cke“ Ernst Ludwig Kirchner (1880–1938), Erich Heckel ­Farben neben- und übereinander gedruckt werden, Kirchner den Stempel gefertigt haben dürfte (Abb. 1).8 schlankem Satzspiegel ergeben ein typogra­fisches (1883–1970) und Karl Schmidt-Rottluff (1884–1976) ­wo­­bei das Drucken der Farben in unterschiedlicher Die frühesten überlieferten Holzschnitte Kirchners Kunstwerk, das sich entschieden von zeitgenössischen nehmen eine solche Gelenkstelle ein. Sie haben eine Reihenfolge zu neuen Farbmischungen und damit zu stammen aus dem Jahr 1904, sicherlich befördert Druckwerken absetzt und in der Wahl der Technik nicht skulpturale Dimension und wurden ganz bewusst im einer gänzlich eigenen Farbwirkung führen kann. durch das Erlebnis der Holzschnitte Albrecht Dürers nur für die zukünftige Ausstellungs- und Geschäftsgra- Dialog mit dem Material geschaffen, dessen Struktu- Kirchner, Heckel und Schmidt-Rottluff dürfte im Germanischen Nationalmuseum in Nürnberg und fik der „Brücke“ wegweisend wurde, sondern für das ren und Besonderheiten manchmal Teil der Gestal- dieses große experimentelle Potenzial des Druckver- durch einen Kurs zu diesem Druckverfahren, den der gesamte künstlerische Schaffen der drei Gründungs- tung sind, manchmal hinter der zeichenhaften Faktur fahrens mindestens so gereizt haben wie das Holz, das junge Student an der Debschitz-Schule in München mitglieder Kirchner, Heckel und Schmidt-­Rottluff. geradezu verschwinden. Es überrascht angesichts in seinen natürlich gewachsenen Strukturen immer bei Hugo Steiner-Prag absolviert hatte.9 Jene frühen Dies ist durchaus bemerkenswert, wurde der dessen wenig, dass sich Kirchner, Heckel und Schmidt-­ auch ein Element des Zufälligen in sich birgt. Die Aus- Schnitte zeigen eine Reihe karikierter Köpfe (vgl. Holzschnitt um 1905 doch dank der Arts-and-Crafts- Rottluff etwa gleichzeitig und in enger Wechselwir- einandersetzung mit der Eigenart des Materials und Abb. 2),10 die im klaren Schwarz-Weiß-Kontrast und in Bewegung, Jugendstil und einzelner Künstler wie Félix kung dem Holzschnitt und der Holzskulptur zuwand- der Technik zieht sich entsprechend wie ein roter Faden der ironischen Überzeichnung Illustrationen der da- Vallotton, Paul Gauguin oder Edvard Munch erst lang- ten. Der Holzschnitt nimmt in ihren druckgrafischen durch die Œuvres der drei Künstler. Dies geschah be- mals populären satirischen Wochenzeitschrift Simp­ sam wieder als genuin künstlerisches Medium gese- Œuvres gar den breitesten Raum ein. Weit über die wusst wie unbewusst eingebettet in einen geistes­ licissimus ins Gedächtnis rufen. Ebenfalls noch als hen.13 Auf diese Entwicklung bauten die jungen „Brü- „Brücke“-Zeit hinaus tritt hier der spezifisch künst­ geschichtlichen Kontext, in dem Industriekritik, Exo- Schüler schnitt Erich Heckel 1903 verschiedene kleine cke“-Künstler auf: Der Holzschnitt reizte sie als spe­ lerische Ausdruck aller drei Künstler vielleicht am tismus, romantische Mittelalterrezeption, die Idee der Landschaftsmotive in Holz (vgl. Abb. 3),11 und Karl zifisches Druckverfahren mit seinen Grenzen und deutlichsten zutage. Menschheitskindheit, lebensreformerische Vorstel- Schmidt-Rottluff schuf wohl um dieselbe Zeit einzelne Möglichkeiten, nicht als Mittel der Vervielfältigung. Der Holzschnitt, die älteste der grafischen lungen und vieles mehr mit der Wahrnehmung von Exlibris für Freunde und Studienkollegen (Abb. 4),12 die Sie druckten daher die meisten Blätter selbst, nicht als Techniken zur Bildherstellung, ist ein Hochdruckver- Holz und Holzschnitt verwoben waren (vgl. hierzu den – wie die frühen Arbeiten Kirchners und Heckels – Auflagengrafik, sondern in wenigen (nicht nummerier- fahren. Der Druckstock wird aus einer wenige Zenti- Aufsatz von Theresa Nisters, S. 30–47). Auch zwi- ohne eine Rezeption des Jugendstil kaum denkbar ten) Abzügen. Von Kirchner ist von einzelnen Holz- meter starken, sorgfältig geglätteten Holzplatte ge- schen Holzschnitt und Skulptur, Zeichnung und Male- sind. Eine eigene Formensprache entwickelten die drei schnitten bisweilen nur ein Abzug bekannt.14 wonnen, die so aus dem Stamm eines eher weichen rei gibt es viele wechselseitige Bezüge:6 inhaltlich, aufstrebenden Künstler im Holzschnitt erst wenige Bereits 1905 zeigten die „Brücke“-Künstler eine Holzes geschlagen wird, dass die Fasern, die im Quer- wenn einzelne Motive oder Themen in den verschie- Jahre später in Dresden. Auswahl ihrer eigenen Holzschnitte in einer Grafik­ schnitt die Jahresringe bilden, in Richtung der Bildflä- denen Medien neu interpretiert wurden, und formal, 1901 hatte sich Kirchner in der sächsischen Re- ausstellung in und ließen sie ab Juli 1906 durch che verlaufen (Längsholz). Schmidt-Rottluff, Heckel wenn beispielsweise das dreidimensionale Schnitzen sidenzstadt zum Studium der Architektur an der Tech- acht deutsche Städte touren.15 Auch bei der ersten und Kirchner wählten für ihre Druckstöcke die unter- auf das zweidimensionale Schaffen zurückwirkte und nischen Hochschule eingeschrieben; dort lernte er Ausstellung als eigene Gruppe, in Dresden-Löbtau im schiedlichsten Hölzer, auch solche, die aufgrund ihrer umgekehrt. Am Werk von Ernst Ludwig Kirchner lässt 1904 durch Vermittlung des älteren Bruders, Manfred September 1906, waren zahlreiche Holzschnitte zu markanten Struktur als eher ungeeignet galten.4 Die sich dies in eindrücklicher Weise exemplarisch nach- Heckel, Erich Heckel kennen, der 1905 den Schul- sehen, und die zweite Gruppenausstellung, im Winter zu druckende Darstellung wird auf dem Holzstock zu- vollziehen (vgl. dazu den Aufsatz von Alexander Eiling, freund Karl Schmidt(-Rottluff) bei Kirchner einführte. 1906/07, widmete sich sogar gänzlich diesem künstle- nächst mit einem Messer scharf umschnitten, sodass S. 48– 63). An den Holzschnitten und Skulpturen aus Noch im Juni desselben Jahres gründeten die drei rischen Medium: Gezeigt wurden neben Drucken von die Linien und Flächen der Zeichnung in Form von er- dem Bestand des Städel Museums kann beispielhaft gleichgesinnten Architekturstudenten zusammen mit Kirchner, Heckel und Bleyl Arbeiten der erst unlängst habenen Stegen, Graten oder Inseln stehenbleiben. gezeigt werden, wie vielgestaltig das Holz als Material ihrem Kommilitonen die Künstlergemein- der „Brücke“ beigetretenen Künstler , Cuno Diese werden später farbig gedruckt. Die Leerstellen das Schaffen der Künstler prägte; durch die Samm- schaft „Brücke“, ein bewusster, auch ambitionierter Amiet und .16 Darüber hinaus hatte Karl oder Linienverläufe dazwischen, die nach dem Druck lung Carl Hagemann (vgl. zu diesem Thema den Auf- Schritt gegen die akademische Kunstausbildung, den Schmidt-Rottluff Leihgaben von Wassily Kandinsky, in ‚Weiß‘, also der Farbe des Papieres, erscheinen sol- satz von Iris Schmeisser, S. 64–83) zählt er zu den offiziellen Kunstbetrieb und Kunstgeschmack. „Mit Wilhelm Laage, Akseli Gallén-Kallela und anderen len, werden anschließend mit entsprechendem Werk- besten weltweit. dem Glauben an Entwicklung an eine neue Genera- zusam­men­getra­gen sowie erfolglos von Vallotton, 12 / 13

Munch, Carl Moll und Christian Rohlfs erbeten. Von 1908 an wurden schließlich auch die Ausstellungen der „Brücke“ zumeist mit Plakaten in Holzschnitt bewor- ben (Kat. 2–4, S. 22–25). Der Holzschnitt stand, so Schmidt-Rottluff, „auf der Höhe des Interesses“.17 Er selbst begann erst 1909, in größerem Umfang im Holzschnitt zu arbeiten. Allein von Kirchner entstanden in den Jahren 1905 und 1906 über achtzig Holzschnitte, von Heckel mehr als sechzig, woran sich der besondere Stellen- wert der Drucktechnik deutlich ablesen lässt. Es ver- wundert daher nicht, dass es vor allem Holzschnitte waren, die von 1906 an einmal jährlich in einer Mappe an die ‚passiven‘ Mitglieder der „Brücke“ geschickt wurden, als Zeichen des Dankes und gleich­zeitig als Gegenleistung für den Mitgliedsbeitrag, als Lockmittel für neue Förderer und als steuerbares Instru­ment, um die eigene künstlerische Position und Entwicklung auf- zuzeigen.18 Die erste und dritte Jahresmappe enthiel- ten sogar ausschließlich Holzschnitte und etablierten dieses ‚hand‘-werkliche Druckverfahren damit endgül- tig als besonderen Schwerpunkt der „Brücke“-Kunst. Als ab 1909 die Jahresmappen je einem aktiven Mit- glied der „Brücke“ gewidmet wurden und entspre- chend Grafiken enthielten, die der Künstler für beson- ders gelungen hielt und für sein Schaffen als wichtig empfand, wurde das Umschlagmotiv von je einem Kollegen gleichsam als Einführung in Holz geschnitten. Abb. 1 Ernst Ludwig Kirchner (?) Die „Brücke“ präsentierte sich damit von 1909 an be- Stempel für die Wasserzeichensammlung ­seines Vaters, 48 × 42 mm, Deutsches Museum, wusst als Vereinigung gemeinsam schaffender, aber in München, Archiv ihrem Wirken durchaus eigenständiger Künstler. Abb. 2 Ernst Ludwig Kirchner Der Umschlag der ersten dieser neu konzipier- Postkarte an Fritz Bleyl vom 18. 3. 1904 mit dem Holzschnitt Appelfatzke, 93 × 84 mm ten Jahresmappen (Kat. 5, S. 26), der Schmidt-Rottluff- (Druckstock), Stiftung Historische Museen Mappe, stammt dabei von Kirchner: In groben Kontu- ­Hamburg, Altonaer Museum ren zeigt er das Gesicht des Kollegen, kühn vom rechten Abb. 3 Erich Heckel Junge Allee, 1904/06, Farbholzschnitt, Rand überschnitten, gedruckt in leuchtendem Rot­ 112 × 201 mm (Druckstock), Staatliche Kunst­ orange, das durch die deutlich sichtbare Maserung des halle Karlsruhe Holzstocks reich strukturiert wird. Ganz auf Flächen- Abb. 4 Karl Schmidt-Rottluff Exlibris Paul Holstein, um 1904, Holzschnitt, wirkung, Kontrast und Vereinfachung hin angelegt, ist 80 × 52 mm (Druckstock), Sammlung Hermann dieser Holzschnitt, gerade im betonten Einsatz der Gerlinger im Buchheim Museum der Phantasie, Materialeigenschaften, charakteristisch für jenen „Brü- Bernried am Starnberger See Abb. 5 Ernst Ludwig Kirchner cke“-Stil, der, wenngleich nur für kurze drei Jahre, die Künstlervereinigung Brücke, Signet, 1905, unterschiedlichen Künstler scheinbar aufs Engste mit- ­Holzschnitt, 50 × 65 mm (Druckstock), einander verband. Während Schmidt-Rottluff ‚seiner‘ Sammlung Hermann Gerlinger im Buchheim ­Museum der Phantasie, Bernried am Starn­ Mappe keine Holzschnitte beigab, enthielten die folgen- berger See den Mappen zu Kirchner (mit einem Umschlag von 64 / 65

„Aufbauarbeit zum Besten der lebenden Kunst und der Künstler selbst“ Der Sammler Carl Hagemann

Iris Schmeisser 66 / 67

Erich Heckel, Berlin, an Carl Hagemann, Leverkusen, trag ‚Jahresgaben‘: Mappen mit grafischen Arbeiten, 1915: „Ich freue mich sehr, in Ihnen einen Freund für die in den Jahren 1906 bis 1912 entstanden (Kat. 5–8, meine Arbeit gefunden zu haben.“1 S. 26–29). So brachte es die Künstlergruppe bereits in ihrer frühen Dresdner Phase schnell zu einigen bedeu- Die über eintausend Werke umfassende Grafiksamm- tenden Ausstellungen und konnte die Zahl ihrer För- lung Carl Hagemanns im Städel Museum ist die einzige derer und Käufer erweitern.5 Zwar gehörte Hagemann historische Privatsammlung expressionistischer Kunst nicht zum ursprünglichen Kreis dieser passiven „Brü- in Deutschland, die zu Lebzeiten der Künstler entstand cke“-Mitglieder, doch zeichnete sich auch sein Samm- und bis heute fast vollständig erhalten ist. Mehr als die lungsstil durch den unmittelbaren und individuellen Hälfte, an die sechshundert druckgrafische Arbeiten, Kontakt zu den Künstlern selbst aus.6 sind Werke der Künstler der „Brücke“: über zweihun- Hagemann, der bereits um die Jahrhundert- dert Drucke von Karl Schmitt-Rottluff (davon allein wende mit dem Sammeln insbesondere grafischer 162 Holzschnitte), über 190 Drucke von Ernst Ludwig Kunst begonnen hatte, wandte sich vermutlich um Kirchner, 95 Drucke von Emil Nolde und 54 Drucke 1910 der expressionistischen Kunst zu.7 Belegt ist, dass von Erich Heckel.2 Der aus Essen stammende Chemi- er spätestens seit Dezember 1911 mit Nolde, seit ker Carl Hagemann (1867–1940), der 1920 nach Frank- Herbst 1915 mit Erich Heckel (vgl. Abb. 3) und Ernst furt am Main übersiedelte (Abb. 1), baute seine Samm- Ludwig Kirchner und seit März 1918 mit Karl Schmidt-­ lung über einen Zeitraum von mehr als dreißig Jahren Rottluff brieflich korrespondierte. Wie fast 350 Briefe auf. Dabei war seine enge Freundschaft zu dem eben­ Kirchners (und seiner Lebensgefährtin) an Hagemann ­falls aus Essen gebürtigen Kunsthistoriker Ernst Go­ verdeutlichen, war jedoch die Beziehung zu diesem sebruch von maßgeblicher Bedeutung (Abb. 2). Zu- Künstler die intensivste. Da Hagemann Kirchner an- nächst in Essen als wissenschaftlicher Assistent, spä- fänglich mit regelmäßigen Zahlungen unterstützte und ter als Direktor des Städtischen Kunstmuseums und der Künstler ihm im Gegenzug Ansichtsexemplare zur des 1922 mit diesem vereinigten Museums Folkwang Auswahl schickte, die sich Hagemann dann anrechnen tätig, setzte Gosebruch die entscheidenden Akzente lassen konnte,8 entstand über Jahrzehnte eine um- für Hagemanns Interesse an den Werken der Künstler fangreiche Kirchner-Sammlung von 25 Gemälden und seiner Zeit. Die über Jahrzehnte gewachsene Verbin- über 280 Arbeiten auf Papier aus den Jahren 1905 dung zwischen dem Kunsthistoriker und dem Kunst- bis 1937, darunter auch zwei Porträts des Förderers liebhaber ist untrennbar mit der Geschichte der (ein Gemälde sowie ein Druck in zwei Varianten; Sammlung Hagemann verknüpft. Abb. 4, 5). Auch Nolde, Heckel und Schmidt-Rottluff Hagemanns Sammlungsinteresse galt bis auf sandten Hagemann kontinuierlich über die Jahre wenige Ausnahmen der zeitgenössischen Kunst, ins- Werke zur Ansicht, die Hagemann dann oftmals in besondere den Künstlern der „Brücke“. Impulse zum engem Austausch mit seinem Vertrauten Gosebruch direkten Kontakt mit Förderern und Sammlern waren auswählte: 17 Gemälde von Nolde (wobei er fünf wei- ursprünglich von den Künstlern der „Brücke“ selbst tere wieder abgab), 10 von Heckel und 17 von Schmidt-­ Abb. 1 ausgegangen – und zwar bereits zu Beginn ihrer un- Rottluff fanden im Laufe von Hagemanns Sammel­ Carl Hagemann auf einer seiner Reisen konventionellen Karrieren.3 Da die Künstler in hohem aktivitäten dauerhaft Eingang in seine Sammlung. mit dem Dienstwagen der IG Farben, Maße autodidaktisch vorgingen und eine akademische Eben­­so haben sich zahlreiche Schenkungen an den um 1937, historische Aufnahme, Ernst Wilhelm Nay Stiftung Ausbildung ablehnten, schlossen sie sich – im Juni Förderer – oftmals mit persönlichen Widmungen der Abb. 2 1905 – zu einer kollektiv arbeitenden Gemeinschaft Künstler – darin bis heute erhalten und bezeugen die Carl Hagemann mit Anni Dinkgraeve zusammen. Man wandte sich bewusst gegen beste- Gegenseitigkeit der Sympathie. und dem Ehepaar Gosebruch in Kärnten, 1938, ­historische Aufnahme, Privatbesitz hende Ordnungen und Traditionen, dafür musste eine Die in den 1910er Jahren geknüpften freund- Abb. 3 ebenso individuelle moderne Förderstruktur etabliert schaftlichen Beziehungen zu Heckel, Kirchner, Nolde Postkarte von Erich Heckel an werden.4 Sogenannte passive Mitglieder – meistens und Schmidt-Rottluff – damals lebte Hagemann in Le- Carl Hagemann vom 28. 12. 1923 mit dem Holzschnitt Badende, wurden gezielt potenzielle Unterstützer angespro- verkusen – ziehen sich wie ein roter Faden durch die Beckmann-­Archiv München, Leihgabe chen – erhielten gegen einen jährlichen Mitgliedsbei- bewegende Geschichte seiner expressionistischen der Ernst von Siemens Kunststiftung 68 / 69

Sammlung: Hagemann erwarb nicht nur kontinuierlich Carl Hagemann und zeitgenössische und historische Werke dieser Künst- die Künstler­ der „Brücke“ – ler, bis er im November 1940 unerwartet durch einen Die Anfänge der Sammlung tragischen Unfall ums Leben kam, sondern er nahm in Leverkusen immer auch ganz unmittelbar Anteil an ihrem Leben und ihrem Alltag und kultivierte einen geradezu intui­ Karl Schmidt-Rottluff, z. Zt. beim Oberbef. Ost Sen. b. tiven, subjektiven Zugang zu ihrer Kunst, mit der er Stab, an Carl Hagemann, 1918: „Dass Sie nun gar die sich in seinen Privaträumen umgab.9 Eberhard Frei- gesamte Grafik, soweit sie noch vorhanden ist, in herr von Schenk zu Schweinsberg, der damalige Direk- Ihrem Besitz wissen wollen – ist ausserordentlich an- tor des hessischen Landesmuseums in Wiesbaden, erkennend und ehrend für meine Arbeit.“11 beschrieb die Modernität von Hagemanns individuel- lem Sammlungsstil sehr treffend aus der Sicht eines Carl Theodor Louis Hagemann – am 9. April 1867 in Zeitgenossen in einem Beitrag zu dessen Sammlung, Essen geboren – wuchs in einer bildungsbürgerlichen den er 1931 in Museum der Gegenwart. Zeitschrift der Familie auf. Sein Vater war Kaufmann bei Krupp. Hage- Deutschen Museen für Neuere Kunst veröffentlichte: mann war der älteste Sohn von insgesamt vier Kin- „Sammler aus Neigung und Sammler von Amts wegen dern. Nach einem Chemiestudium in Tübingen, Han- werden auf allen Gebieten mit Nutzen zusammen­ nover und Leipzig, das er mit einer Promotion im Jahr gehen. Auf dem Gebiet der Gegenwartskunst aber sind 1892 abschloss, begann er zunächst als Privatassistent die Gründe dazu von einer besonderen, freieren, an der Universität Leipzig. Er forschte und publizierte menschlicheren Art als auf den übrigen. Zu der ge- dort erfolgreich zu einer chemischen Verbindung, die meinsamen Sorge um das Einzelwerk, seine Erhaltung bis heute international als „Hagemann’s ester“ im Ge- und seine Pflege [. . .] kommt in unserem Fall als neue brauch ist.12 1894 setzte er seine berufliche Karriere Bindung die Sorge um den Künstler, den Schaffenden bei den Farbenfabriken Friedr. & Co. in Elber- selbst. [. . .] Was [. . .] an leisen Regungen des Neides feld (später in Leverkusen) fort, arbeitete dort an der dem Privatsammler alter Kunst gegenüber vielleicht Entwick­lung und Verwendung von lichtechten Farb­ nicht immer ganz zu unterdrücken ist, das wird hier stoffen und übernahm später die Betriebsführung der fortgeschwemmt von der Mitfreude an der unge- Azo­farb­stoff-Abteilung.13 Es ist daher nicht unge- hemmteren Aufbauarbeit zum Besten der lebenden wöhnlich, dass Hagemann – wie Briefwechsel mit Kunst und der Künstler selbst. Dr. Karl Hagemann in Kirchner und Nolde belegen14 – wohl eine gewisse Frankfurt am Main gehört zu den schaffenden Kunst- Sensibilität und ein besonderes Interesse für Farben freunden, die zugleich Künstlerfreunde sind.“10 und ihre Mate­ria­li­tät hatte. Dank Tantiemen aus ver- Mit der Machtübernahme der Nationalsozialis- schiedenen chemischen Patenten konnte er sich in- ten und der beginnenden Verfemung der Moderne nerhalb kurzer Zeit einen relativen Wohlstand erwirt- sowie derer, die sie kauften und verkauften, förderten schaften.15 Er begann vermutlich bereits um 1900 mit und ausstellten, fand sich Hagemann als Sammler nun- dem Sammeln von deutscher Grafik des 19. Jahrhun- mehr „entarteter Kunst“ in einer zunehmend verun­ derts und der Jahrhundertwende.16 Von diesen frü- sichernden, geradezu prekären Situation – getrieben hesten Erwerbungen befinden sich heute noch Arbei- nicht nur von der Sorge um die Zukunft ‚seiner‘ Künst- ten von unter anderem Adolf Schinnerer, Fritz Boehle, ler, sondern, insbesondere seit der systematischen Wilhelm Leibl und Hans Thoma in Hagemanns Nach- Abb. 4 Ernst Ludwig Kirchner ‚Sicherstellung‘ der Moderne ab 1937 in den öffent­ lass im Städel. Hagemann wohnte und arbeitete zwar Bildnis Dr. Carl Hagemann, 1928/33, lichen Museen, um das Überleben ihrer Kunst und in Leverkusen, verbrachte jedoch häufig Zeit in Essen, Öl auf Leinwand, 121 × 190 cm, Städel Museum, Frankfurt am Main seiner Sammlung. nicht nur aufgrund familiärer Bindungen, sondern er Abb. 5 Ernst Ludwig Kirchner nahm aktiv am dortigen Kunst- und Kulturleben teil. Dr. Carl Hagemann, 1925, Radierung und Flächen­ätzung, 2. Zustand, 310 × 250 mm (Platte), mit Widmung an Carl Hagemann von 1937, Städel Museum, Frankfurt am Main 94 / 95

Geboren am 6. Mai 1880 in Aschaffenburg als Sohn eines Papierchemikers. 1901–1905 Architekturstudium an der Tech- nischen Hochschule Dresden, Diplom. Im Wintersemester 1903/04 zum Studium in München, Besuch der sogenannten Debschitz-Schule. 1904 erster Holzschnitt. 1905 Mitbegründer der „Brücke“. 1906 Programm der „Brücke“. 1909/10 erste bild- hauerische Arbeiten. 1910 Zeichnungen im Dresdner Völker- kundemuseum. 1911 Umzug nach Berlin, Bekanntschaft mit seiner künftigen Lebensgefährtin, Erna Schilling. 1913 Auf­ lösung der „Brücke“. Spätestens seit 1915 Kontakt zu dem Kunstsammler Carl Hagemann. Seit Juli 1915 Kriegsdienst in Halle (Saale), nach wenigen Monaten nervlicher Zusammen- bruch; Aufenthalt im Sanatorium bei Dr. Oskar Kohnstamm in Königstein im Taunus, 1917/18 bei Dr. Otto Binswanger in Kreuzlingen. 1916 erster Ankauf eines Holzschnitts für die Städtische Galerie, Frankfurt am Main. 1916–1922 Ausstellun- gen im Frankfurter Kunstsalon Ludwig Schames. Seit 1918 bei Frauenkirch, nahe Davos, ansässig. 1920 erste Veröffent­ lichung unter dem Pseudonym Louis de Marsalle. 1925/26 letzte Reise nach Deutschland mit Zwischenhalt in Frankfurt am Main. 1937 als „entartet“ verfemt. Am 15. Juni 1938 Freitod in Frauenkirch-Wildboden.1 Ernst Ludwig Kirchner 96 / 97

„Aber ich stelle doch nochmals einen neuen Kirchner auf“, schrieb der Künstler 1927 an Will Groh- bener Bereiche aufgegeben, die als Halbtöne strukturierend mitgedruckt wurden. Bei Tattersall mann, den Dresdner Kunsthistoriker, der zwei Jahre zuvor eine Monografie über Ernst Ludwig (Kat. 14), einem Farbholzschnitt von drei Stöcken, eignet diesen Mitteltönen eine entschieden ma- Kirchners Zeichnungen und 1926 eine weitere über dessen gesamtes künstlerisches Schaffen publi­ lerische Qualität: Denn durch das Übereinander von Orange auf Schwarz im Hintergrund sowie in ziert hatte. „Kunst ist doch stete Verwandlung und das alt werden in gewohntem Schema ist Hand- den mächtigen Leibern der Pferde erreicht Kirchner eine geradezu vibrierende Farbwirkung. Die werk, nicht Kunst.“2 Rund eintausend Holzschnitte schuf Kirchner; das entspricht etwa der Hälfte bewusst mitgedruckte, quer verlaufende Maserung des Holzes in der grünen Bluse der Reiterin seines druckgrafischen Schaffens.3 Gleichzeitig und in enger Wechselwirkung entstanden an die steht dazu in spannungsvollem Kontrast und ist, wie zeitgleich auf dem Umschlag zur vierten Jah- 140 plastische Werke, etwa einhundert davon aus Holz, darunter auch Möbel und kunsthandwerk- resmappe der „Brücke“ (1909; Kat. 5, S. 26), sicherlich auch unter dem Eindruck von Paul Gauguin liche Schnitzereien.4 Als Künstler forderte sich Kirchner dabei beständig neu heraus. Immer wieder und Edvard Munch nun zu einem eigenen Gestaltungselement geworden. stellte er den gefundenen Ausdruck infrage; so reicht die Formensprache der Holzschnitte von entschiedener Vereinfachung bis hin zu höchster Differenzierung. Von wenigen Ausnahmen abge- sehen druckte Kirchner zudem meist nur acht bis zehn Abzüge,5 diese auf wechselnde und sorgsam Materialgerechtes Schaffen ausgewählte Papiere, in die sich der Druckstock nicht selten so tief eingegraben hat, dass der Abzug selbst eine haptisch äußerst reizvolle, geradezu skulpturale Dimension erhält. „Meine Grafik“, erklärte „Der Holzschnitt bringt durch seine starke Vereinfachung die grösste Steigerung des Linearen“, Kirchner dem Freund und Förderer Gustav Schiefler 1924,6 „ist im eigentlichen Sinne [. . .] persön­ erklärte Kirchner 1913 in der Chronik der „Brücke“. „Der flache Flächenschnitt und die Benutzung licher Versuch, Weg zur Erzielung neuer Formen.“7 Unter den drei Künstlern der Ausstellung ist der Holzstruktur ermöglichen reiche Tonabstufungen.“8 Diese Tonabstufungen setzte Kirchner Kirchner daher auch der größte Experimentator. 1909/10 allerdings verschiedentlich so dezent ein, dass zunächst vor allem die kühne grafische Verflächung ins Auge springt, sei es bei dem Farbholzschnitt Mit Schilf werfende Badende (1909; Kat. 15), bei der Tänzerin mit gehobenem Rock (1909; Kat. 16), bei dem Sitzenden Mädchen (1910; Pinselhiebe in Holz Kat. 17) oder bei dem aufwendig wie ein Aquarell angelegten Farbendruck Badende Frauen (Moritz­ burg) (1909; Kat. 18). Stets verzichtete Kirchner auf eine Binnenmodellierung und baute die Holz- Zeigen die ersten Holzschnitte Kirchners noch deutliche Reminiszenzen an das Formempfinden schnitte im Widerstreit mit dem Material aus wenigen ausdrucksstarken Linien und Formen auf: des Jugendstil (Kat. 9, 10), so weichen dessen geschwungene Schönlinigkeit und klarer Schwarz- bewusst reduziert – gemäß den technischen Besonderheiten des ‚Flächenstils‘ Holzschnitt. Weiß-­Kontrast von 1906 an einem teils ‚tupfenhaft‘ aufgebrochenen Schnittduktus, der die Struk- tur des Holzes in Form malerischer Mitteltöne deutlich mitsprechen lässt. Formal und inhaltlich erweisen sich diese Holzschnitte als eng mit Kirchners malerischem Schaffen verschränkt, das in Auseinandersetzung mit dem französischen Spätimpressionismus und Vincent van Gogh in jener Zeit durch vergleichsweise heftige, kurze Pinselstriche geprägt ist. Gleichzeitig demonstrieren die Holzschnitte Kirchners hohes Verständnis der drucktechni- schen Möglichkeiten: So ist das zutiefst impressionistische Motiv der beschwingt sommerlichen Flaneurszene Spazierengehendes Paar von 1907 (Kat. 11) beispielsweise ganz ohne formbegrenzende Linien allein aus farbigen Flächen komponiert. Aus einem ersten Stock hob Kirchner dafür zunächst die Figur der Frau, die Sonnenflecken und den Hut des Mannes aus, dann druckte er den Stock in sattem Blau auf Büttenpapier. Die ausgehobenen Bereiche erscheinen im Weiß des Papiers. In einem zweiten Stock ließ er anschließend alles außer den beiden Spaziergängern stehen und druckte diesen Stock sodann passgenau in Orange darüber. Durch das Überdrucken von Blau und Orange mischen sich die beiden Farben zu dem grünlichen Ton der Natur, ein Effekt, auf den Kirchner auch bei späteren Farbholzschnitten immer wieder zurückgriff. Schon die orangefarbenen Sonnen­ flecken lassen sich dabei analog zur Malerei als kommaartig pastose Pinselstriche lesen, die bei dem Holzschnitt Weiblicher Akt von 1908 (Kat. 12) gar die gesamte Komposition ausbilden. Die motivisch von Edgar Degas angeregte Szene gibt Kirchner dabei extrem nahsichtig und bildsprengend, vor allem aber lässt er die Darstellung nicht aus schwarzen Kontur- und Binnenlinien entstehen, sondern entwickelt sie mithilfe einer Vielzahl vehement aus dem Holz gehobener Inseln, die den Körper im Papierton – also im Negativ – aus dem Schwarz der gedruckten Fläche herausmodellieren. Bei dem noch im selben Jahr unter dem Eindruck von Henri Matisse geschnittenen Sitzenden Abb. 1 Stehendes Mädchen (Karyatide), 1910, Akt, die Haare ordnend (Kat. 13) ist der Duktus beruhigter, die Komposition flächiger, auch die Erle, bemalt, 43,3 × 12 × 7,5 cm, ­Privat­besitz stakkato-artigen Schnitte sind zugunsten nicht gänzlich mit dem Messer oder Hohleisen ausgeho- (ehemals Sammlung Schiefler) 128 / 129

Kat. 23 Kat. 24 Zwei nackte Mädchen mit Blumen, 1923 Mutter und Kind, 1924 Holzschnitt Arve, bemalt Städel Museum, Frankfurt am Main Städel Museum, Frankfurt am Main 130 / 131

Kat. 25 Kat. 26 Tanzende, 1911 Drei Badende in den Wellen, 1913 Erle, ockergelb und schwarz bemalt Farbholzschnitt von drei Stöcken Collection Stedelijk Museum Amsterdam Städel Museum, Frankfurt am Main 168 / 169

Geboren am 31. Juli 1883 in Döbeln als Sohn eines Eisen­ bahnbauingenieurs. Ab 1902 in Chemnitz Freundschaft mit Karl Schmidt(-Rottluff). 1903 erste Holzschnitte. 1904–1906 Architektur­studium an der Technischen Hochschule Dresden. 1905 Mit­begründer der „Brücke“. 1906 erste Holzskulpturen. 1909 Italien­reise; Begegnung mit afrikanischer Kunst in den Völkerkundemuseen Hamburg und Berlin. 1910 Bekanntschaft mit der Tänzerin Sidi Riha (bürgerlich Milda Frieda Georgi), Heirat 1915.1 1911 Umzug nach Berlin. 1913 Auflösung der „Brücke“; Ankauf eines ersten Holzschnitts beim Künstler für die Städ­tische Galerie, Frankfurt am Main. 1914 Reise nach Holland und Belgien. 1915–1918 Sanitätssoldat in Flandern. 1915 erster Kontakt mit dem Kunstsammler Carl Hagemann. 1916 Aus­stellung bei dem Frankfurter Galeristen Ludwig Schames, Besuch bei diesem 1919. 1919–1941 in Berlin, sommers in Oster- holz an der Flensburger Förde. 1937 als „entartet“ verfemt, Ausstellungsverbot. 1944 Zerstörung des Berliner Ateliers durch eine Brandbombe; Umzug nach Hemmenhofen am Bodensee. 1949–1955 Professur an der Hochschule der Bilden- den Künste in Karlsruhe. Gestorben am 27. Januar 1970 in Radolfzell am Bodensee.2 Erich Heckel 186 / 187

Kat. 61 Kat. 62 Stehendes Kind, 1911 Trägerin, 1907 Farbholzschnitt vom zersägten Stock Erle, grün-schwarz bemalt Städel Museum, Frankfurt am Main Museum für Kunst und Gewerbe Hamburg 192 / 193

Kat. 65 Kat. 66 Kniende am Stein, 1913/21 Geschwister (Mann und Mädchen), 1913 Holzschnitt Holzschnitt Städel Museum, Frankfurt am Main Städel Museum, Frankfurt am Main 212 / 213

Geboren am 1. Dezember 1884 in Rottluff bei Chemnitz als Sohn eines Müllers. Seit 1902 Freundschaft mit Erich Heckel. Wohl 1904 erster Holzschnitt. 1905 Erweiterung seines Namens, Karl Schmidt, zu „Schmidt-Rottluff“. 1905/06 Archi- tekturstudium an der Technischen Hochschule Dresden. 1905 Mitbegründer der „Brücke“. Seit 1908 persönliche Bekanntschaft, bald Freundschaft mit der Kunsthistorikerin und -förderin­ Rosa Schapire, Verfasserin des Werkverzeich­ nisses von Schmidt-Rottluffs Druckgrafik (1923). 1910 Kontakt zu dem Dichter und Kunsthistoriker Wilhelm Niemeyer. 1911 Umzug nach Berlin; erste Plastik. 1913 Auflösung der „Brücke“. 1915–1918­ Soldat in Litauen und Russland. 1918 über den Frankfurter Kunstsalon Ludwig Schames erster Ankauf eines Holzschnitts für die Städtische Galerie, Frankfurt am Main; spätestens­ seit diesem Jahr auch Erwerb seiner Druckgrafik durch Carl Hagemann. 1919 Heirat mit Emy Frisch. Bis 1943 in Berlin, im Sommer an der Ostseeküste. Seit den 1920er Jahren Freundschaft mit Hanna Bekker vom Rath. 1937 als „entartet“ verfemt; 1941 Berufsverbot. 1943 Vernich- tung des Berliner Ateliers durch Bomben; Umzug nach Rottluff. 1946 Rückkehr nach Berlin. 1947–1954 Professur an der ­Hochschule für Bildende Künste in Berlin-Charlottenburg. Gestorben am 10. August 1976 in West-Berlin.1 Karl Schmidt-Rottluff 234 / 235

Kat. 86 Kat. 87 Relief mit zwei weiblichen Akten, 1911 Hockende, 1911 Holz, farbig bemalt Holzschnitt Brücke-Museum, Dauerleihgabe aus ­Privatbesitz Städel Museum, Frankfurt am Main 274 / 275

Kat. 7 Kat. 10 Wasserzeichen nicht vorhanden Max Pechstein Männliche Figur auf einem Berg (Die Sehnsucht), Signiert unterhalb der Darstellung rechts Ausgestellte Werke Umschlag der VI. Jahresmappe der Künstler- aus der Folge Zwei Menschen (mit Bleistift): E L Kirchner; bezeichnet unterhalb gruppe „Brücke“ (E. Heckel) 1905 der Darstellung mittig: Handdruck 1911 Holzschnitt in Schwarz auf grauem, Inv.-Nr. 65736 | Erworben 1948 als Schenkung der Holzschnitt auf blauem Velinpapier, mittig gefalzt wohl handgeschöpftem Vergépapier Erben aus dem Nachlass Carl Hagemann Blatt: 566 × 856 mm (ganzer Bogen) Blatt und Druckstock: 199 × 200 mm Schiefler H. 108; Dube H. 131; Gercken 270 Druckstock: 371 × 302 mm Wasserzeichen nicht vorhanden Abb. S. 113 Verzeichnet sind die ausgestellten Werke nach Kat. 2 Betitelt im Druckstock unten: LAPPAN / Kunst­ Wasserzeichen nicht vorhanden Nicht bezeichnet Monogrammiert im Druckstock unten rechts: Künstlern – entgegen der Nummerierung in den Erich Heckel ausstellung Carl G. Onckens / Hofkunsthandlung; Inv.-Nr. SG 3177 | Erworben 1953 aus dem ( HMP; bezeichnet im Druckstock oben mittig: Kat. 14 einführenden Texten – in jeweils chronologischer Weiblicher Akt Plakat der KG. Brücke monogrammiert im Druckstock unten rechts: EH; ­Nachlass des Künstlers ) BRÜCKE 1911 / E. Heckel Tattersall (Zirkusbild) Reihenfolge, unterteilt nach Holzschnitten/­ bei Emil Richter in Dresden signiert und datiert unter der Darstellung rechts: Schiefler H. 61; Dube H. 41; Gercken 64 1909 Druckstöcken und Skulpturen. Wenn nicht anders 1908 E Heckel 09 Inv.-Nr. 66433 | Erworben 1948 als Schenkung Abb. S. 109 angegeben, stammen die Werke aus der Samm- Farbholzschnitt in Rot auf grünem, Farbholzschnitt von drei Stöcken in Grün Landesmuseum für Kunst und Kulturgeschichte der Erben aus dem Nachlass Carl Hagemann lung des Städel Museums. holzhaltigem Papier (1. Farbstock), Schwarz (Zeichnungsstock) und Oldenburg Nicht bei Fechter; Krüger H. 132; Hoffmann 51 a Die Maße der Druckgrafiken und Holzstöcke Druckstock: Weißtanne Kat. 11 Orange (2. Farbstock) auf glattem Velinpapier Dube H. 172; Hoffmann 39 Abb. S. 28 sind in Millimetern genannt, Höhe vor Breite; die Drucker: Adolf Littmann, Oldenburg Spazierengehendes Paar Blatt: 410 × 390 mm Abb. S. 25 der Skulpturen in Zentimetern, Höhe vor Breite Blatt: 895 × 620 mm 1907 Druckstock: 375 × 344 mm vor Tiefe. Da einige Holzschnitte formatändernd Druckstock: 840 × 596 mm Kat. 8 Farbholzschnitt von zwei Stöcken in Orange Wasserzeichen nicht vorhanden und teils schief an den Rändern umgeschlagen Wasserzeichen nicht vorhanden Kat. 5 (2. Farbstock) über Blau (1. Farbstock) auf Signiert unterhalb der Darstellung rechts wurden, ist dort das (auch in den Abbildungen) Betitelt im Druckstock oben: KG. Brücke / bei Emil Ernst Ludwig Kirchner Umschlag der VII. Jahresmappe der Künstler- schwerem, handgeschöpftem Vergépapier (mit Bleistift): E L Kirchner; bezeichnet unterhalb sichtbare Blattmaß angegeben. Handgeschöpfte Richter; darunter links und rechts eines Wappens Umschlag der IV. Jahresmappe der Künstler- gruppe „Brücke“ (Pechstein) Blatt: 341 × 292 mm der Darstellung links: Handdruck; darunter beti- Papiere sind bei den jeweiligen Holzschnitten bezeichnet: Inhab. Holst. / Kgl. Hoflief. // Prager/ gruppe „Brücke“ (Schmidt-Rottluff) 1912 Druckstock: 280 × 215 mm telt: Tattersall Holzschnitt in Gold auf schwarzem Papier, mittig Wasserzeichen nicht vorhanden ­vermerkt, Maschinenpapiere werden nicht eigens strasse; Angabe des Druckers unten rechts: Druck 1909 Inv.-Nr. 65581 | Erworben 1948 als Schenkung der gefalzt Signiert unterhalb der Darstellung links ausgewiesen. v Littmann, Oldb; monogrammiert im Druckstock Holzschnitt in Rot auf Velinpapier, mittig gefalzt Erben aus dem Nachlass Carl Hagemann ( ) Blatt: 577 × 854 mm (ganzer Bogen) (mit Bleistift): E L Kirchner Die Titel der genannten Werkverzeichnisse finden unten rechts: H; signiert unter der Darstellung Blatt: 553 × 824 mm ganzer Bogen Schiefler H. 105; Dube H. 149; Gercken 299 a ( ) Druckstock: 371 × 302 mm sich in der ausgewählten, abgekürzt zitierten Lite- rechts mit Bleistift : Heckel Druckstock: 398 × 300 mm Inv.-Nr. 65577 | Erworben 1948 als Schenkung der Abb. S. 115 ratur, S. 286–293. Wasserzeichen nicht vorhanden Wasserzeichen nicht vorhanden Albertina, Wien Erben aus dem Nachlass Carl Hagemann Monogrammiert im Druckstock unten rechts: ELK; Bezeichnet im Druckstock: Brücke 1912 / Pechstein Dube H. 150; Hoffmann 32 Schiefler H. 38; Dube H. 109 1; Gercken 178 b Kat. 18 betitelt und datiert oben: BRÜCKE 1909; unten: Inv.-Nr. 66437 | Erworben 1948 als Schenkung der Abb. S. 111 Abb. S. 22 Badende Frauen (Moritzburg) Schmidt-Rottluff Erben aus dem Nachlass Carl Hagemann 1909 Ausstellungs- Inv.-Nr. 66425 | Erworben 1948 als Schenkung der Karsch 5; Nierendorf 5; Hoffmann 58 a Kat. 3 Kat. 12 Farbholzschnitt von fünf Stöcken in Blau Erben aus dem Nachlass Carl Hagemann Abb. S. 29 und Geschäftsgrafik Erich Heckel Weiblicher Akt (Weiblicher Akt im Tub) (1. Farbstock), Rot (1. Zeichnungsstock), Grün Nicht bei Schiefler; Dube H. 706; Hoffmann 34 a Druckstock für die Plakate KG Brücke 1908 (2. Farbstock), Schwarz (2. Zeichnungsstock) und der „Brücke“ Abb. S. 26 bei Emil Richter und Lappan Kunstausstellung Holzschnitt in Schwarz auf Löschpapier Gelb (3. Farbstock) auf dickem Velinpapier 1908/09 Blatt: 580 × 444 mm Blatt: 360 × 241 mm Kat. 1 Weißtanne Kat. 6 Ernst Ludwig Kirchner Druckstock: 503 × 381 mm Druckstock: 295 × 220 mm Ernst Ludwig Kirchner 842 × 600 × 37 mm Erich Heckel Wasserzeichen am unteren Blattrand: Wasserzeichen nicht vorhanden Programm der Künstlergruppe „Brücke“, (1880–1938) Zur Bezeichnung vgl. die Abzüge Kat. 2 und 4 Umschlag der V. Jahresmappe der Künstler- FRÈRES WINTERTHUR SILK BLOTTING Signiert und datiert unterhalb der Darstellung ­Titelvignette und Text gruppe „Brücke“ (E. L. Kirchner) HUBER FRÈRE[S] rechts (mit Bleistift): E L Kirchner 06; bezeichnet 1906 Landesmuseum für Kunst und Kultur­ Kat. 9 1910 Signiert unterhalb der Darstellung rechts unterhalb der Darstellung links: Eigendruck; Holzschnitte in Schwarz auf Vergépapier, geschichte Oldenburg Liegender Rückenakt Holzschnitt auf gelbem Vergépapier, mittig gefalzt (mit Bleistift): E L Kirchner; bezeichnet unterhalb ­darunter betitelt: 2 Badende Moritzburg mittig gefalzt Abb. S. 23, 24 1905 Blatt: 839 × 548 mm (ganzer Bogen) der Darstellung links: Eigendruck Blatt: 223 × 348 mm (ganzer Bogen) Holzschnitt in Schwarz auf kräftigem, Inv.-Nr. 65582 | Erworben 1948 als Schenkung der Druckstock: 299 × 396 mm Druckstock Vignette: 74 × 41 mm ­handgeschöpftem Vergépapier Inv.-Nr. 65580 | Erworben 1948 als Schenkung der Erben aus dem Nachlass Carl Hagemann Kat. 4 Wasserzeichen nicht vorhanden Druckstock Text: 151 × 75 mm 1. Zustand (von 2) Erben aus dem Nachlass Carl Hagemann Schiefler H. 122; Dube H. 154; Gercken 310 2 Erich Heckel Monogrammiert im Druckstock unten rechts: EH; Wasserzeichen Textseite mittig: Krone / Blatt: 92 × 110 mm Schiefler H. 101; Dube H. 129 I; Gercken 269 Abb. S. 120; 94 (Detail) Der Lappan in Oldenburg (Plakat der Kunst­ bezeichnet: Brücke 1910 / EL / Kirchner; signiert Bavari.oo [?]; Gegenzeichen Signetseite Druckstock: 44 × 75 mm Abb. S. 112; 93 (Wasserzeichen) handlung C. G. Oncken in Oldenburg) unter der Darstellung rechts (mit Bleistift): mittig: 1509 Wasserzeichen nicht vorhanden 1909 ErichHeckel Kat. 15 Monogrammiert im Druckstock der Vignette Monogrammiert im Druckstock unten rechts: ELK; Holzschnitt in Schwarz auf glattem, Kat. 13 Mit Schilf werfende Badende, aus der V. Jahres- unten mittig sowie im Druckstock des Texts Inv.-Nr. 66429 | Erworben 1948 als Schenkung signiert unterhalb der Darstellung links (mit Blei- holzhaltigem Papier Sitzender Akt, die Haare ordnend mappe der Künstlergruppe „Brücke“ oben links: ELK der Erben aus dem Nachlass Carl Hagemann stift): E L Kirchner Druckstock: Weißtanne 1908 1909 Dube H. 181; Hoffmann 41 a Inv.-Nr. SG 3531 | Erworben 1962 aus dem Drucker: Adolf Littmann, Oldenburg Inv.-Nr. 65718 | Erworben 1948 als Schenkung Holzschnitt und Pinsel in Schwarz auf grauem Farbholzschnitt von drei Stöcken in Schwarz Abb. S. 27 ­Schweizer Kunsthandel Blatt: 981 × 748 mm der Erben aus dem Nachlass Carl Hagemann Karton, Druck an einzelnen Stellen in Schwarz (Zeichnungsstock), Grün (1. Farbstock) und Nicht bei Schiefler; Dube H. 696; Hoffmann 17 Druckstock: 838 × 598 mm Nicht bei Schiefler; Dube H. 61 I retuschiert und ergänzt, Fehlstelle an der rechten Orange­rot (2. Farbstock) auf Velinkarton Abb. S. 20, 21; 92 (Wasserzeichen) Wasserzeichen nicht vorhanden Abb. S. 108 unteren Ecke vom Künstler mit anderem Karton Blatt: 400 × 540 mm hinterlegt und retuschiert Druckstock: 195 × 285 mm Blatt: 703 × 485 mm Wasserzeichen nicht vorhanden Druckstock: 655 × 462 mm Signiert unterhalb der Darstellung rechts (in Grafit): E L Kirchner 9 783954 984701 SANDSTEIN