JAHRBUCH 37 FUR GESCHICHTE

Fortschritt und Reaktion im Geschichtsdenken der ersten Hälfte des z9. Jahrhunderts

Herausgegeben von Hans Schleier

AKADEMIE-VERLAG " 1 ý88 Redaktionsschluß: z5. Juni 1987

ISBN 3-05-000558-0 ISSN 0448-2526

Erschienen im Akademie-Verlag, DDR-1oS6 Berlin, Leipziger Str. 3-4 © Akademie Verlag Berlin 1988 Lizenznummer: zoz . 100/30/88 Printed in the German Democratic Republic Gesamtherstellung: VEB Druckhaus Afaxim Gorki", Altenburg , 7400 LSV: 0215 Bestellnummer: 754 826 8 (2130/37) 02500 Inhalt

Werner Diefiner/ Einige Aspekte der Gesellschaftstheorien von Kant und Martina Thom Hegel 7 ...... Jaroslav Kudrna Der theoretische und historische Gehalt der Hegelschen über die Vorlesungen Philosophie der Weltgeschichte" 43 Wolfgang Förster Die Geschichtsphilosophie Friedrich Schlegels 71 ..... Hans Schleier Wilhelm Wachsmuths Entwurf einer Theorie der Ge- schichte" aus dem Jahre 1820 ...... 103 Emil Niederhauser Johann Christian Engel und Ignatz Aurel Fessler über die Geschichte der Völker Osteuropas 137 ...... Andrzej F. Grabski Joachim Lelewel und die Geschichtswissenschaft seiner Zeit ...... 161 Conrad Grau Georg Heinrich Pertz (1795-1876) als Wissenschaftsorga- nisator. Dokumente über den Alltag und zur Professio- nalisierung der Geschichtswissenschaft 177 ...... Daniela Liilfing Friedrich Christoph Dahlmann - sein Beitrag zur Ent- wicklung der bürgerlich-liberalen Ideologie im 19. Jahr- hundert ...... 205 Hans-Peter Jaeck Gesellschaftsbildung als historiographisches Problem. Analysen und Erkenntnisse des Restaurationshistorikers Francois Guizot 237 ...... Kurt Holzapfel/ Tocqueville und die Geburt der bürgerlichen Gesellschaft Matthias Middell in Frankreich 267 ...... B. G. Mogil'nickij Timofej Nikolaevie Granovskij über Gegenstand und Aufgaben der Geschichtswissenschaft 297 ...... Hartmut Harnisch Georg Hanssen und die Entstehung der Agrargeschichte als Wissenschaftsdisziplin 323 eigenständige ...... Autorenverzeichnis ...... 361 Conrad Grau

Georg Heinrich Pertz (1795--1876) als Wissenschaftsorganisator

Dokumente über den Alltag und zur Professionalisierung der Geschichtswissenschaft

Die Geschichte der Historiographie stellt sich dem Forscher als ein außerordent- lich komplexes Untersuchungsgebiet dar. Die möglichen Zugänge zu dieser Problematik schließen sich nicht aus, sondern ergänzen sich. Es ist dabei völlig legitim, besonders die historisch-politischen Konzeptionen in den sich auf jeweiligen Entwicklungperioden" zu konzentrieren, da diese alle anderen ' Strukturelemente" maßgeblich bestimmen. Ebenso wichtig und unentbehrlich bleiben geschichtstheoretisch-methodologische Untersuchungen, biographische Forschungen sowie Darstellungen geschichtsforschender Institutionen und Orga- nisationen. Alle diese und andere Seiten des historiographischen Prozesses lassen sich durchaus getrennt voneinander untersuchen, bilden aber in praxi eine Einheit, die darstellerisch zu reproduzieren dem Geschichtsschreiber als Leitbild vorschwebt. Ob und wie weit ihm das gelingt, hängt außer von seinen Fähigkeiten nicht zuletzt von der Quellenlage ab. Die folgenden Überlegungen, angestellt im Umfeld der Forschungen zum idealistischen deutschen Historismus anläßlich des 100. Todestages von Leopold von Ranke und gestützt auf einen relativ geschlossenen Quellenbestand, beschränken sich darauf, in Form einer Fallstudie mit Dokumenten die Aufmerksamkeit auf bisher weniger beachtete Aspekte zu lenken. Die Möglichkeit dazu bietet eine in der Geschichte der Geschichtswissenschaft vielleicht einmalige Tatsache. Georg Heinrich Pertz stand als maßgeblicher Mit- des Freiherrn Stein der Wiege der Germaniae arbeiter vom an Monumenta Historica" (MGH). Als in seiner Zeit hochgeschätzter Historiker und Wissen- schaftsorganisator hat er das von ihm inhaltlich wesentlich bestimmte Unter- nehmen annähernd 50 Jahre geleitet, und zwar zunehmend selbständig, sogar fast autokratisch, wie die ausführliche Geschichte der MGH von Harry Bresslau Danach trat 1824 die Stelle des Schwankens Zweifelns, des Über- zeigt. an und leget und Beratens" nach Pertz' Übernahme der wissenschaftlichen Leitung Tat", daß der äußeren Organisation Wesentliches die ohne an geändert wurde. der Idee die Gesellschaft für ältere deutsche Nach wie vor war es nach Ge- schichtskunde, eine unsichtbare Kirche', wie Böhmer einmal sagt, von der das Unternehmen ausging und deren Eigentum es war. Nach wie vor aber bestand zwischen ihren Mitgliedern keinerlei Zusammenhang, wußten sie nichts vonein-

Schieier, Hans, Geschichte der Geschichtswissenschaft. Grundlinien der bürgerlichen deutschen Geschichtsschreibung und Geschichtstheorien vor 1945, (Potsdam) 1983, S. 13.

12 Jahrbuch 37 178 Grau, Conrad ander und vermochten sie in den Angelegenheiten der Gesellschaft weder Beschlüsse zu fassen noch solche zu verhindern. "' In der Zeit der Reorganisation der MGH ab 1872, nachdem Pertz 1863 nach dem Tode Böhmers auch formal die alleinige Leitung übernommen hatte, würdigte zwar eine Kommission aus Berliner Akademiemitgliedern die Leistungen von Pertz - und das auch aus heutiger Sicht mit vollem Recht -, bezeichnete aber die Hauptübelstände als Folge dessen Autonomie". Direktion von unbeschränkter Eine sei zwar vor- handen", faßt Harry Bresslau das Gutachten ihr zusammen, aber gemeinsames Wirken nirgends erkennbar; die Gesellschaft sei seit mehr als dreißig Jahren ein Phantom. ` Obwohl die Staaten des Deutschen Bundes die Forschungsarbei- ten teilweise finanzierten, es sich also um ein staatlich gefördertes Unternehmen handelte, lagen alle Entscheidungsbefugnisse zunehmend letztlich bei Pertz. Nicht ohne sein Zutun hatte sich immer stärker ein Gleichheitszeichen zwischen den Namen Pertz und das Unternehmen MGH geschoben, in der Öffentlichkeit . galten Pertz und MGH schon seit den 30er Jahren weitgehend und schließlich völlig als Synonyme. hier Aus dieser nur angedeuteten Geschichte der Monumenta wird verständlich, daß deren Geschäftsakten aus der Zeit von 1820 bis 1872 einen Teil der Korre- Pertz spondenz von - vorwiegend Briefe an ihn - enthalten, die teilweise privaten Charakter tragen. Dieser Bestand aus dem Archiv der einstigen Zen- traldirektion der MGH wird heute nach verschiedenen Zwischenstationen im Zentralen Archiv der Akademie der Wissenschaften der DDR aufbewahrt. ' Ihn hat ebenso wie weitere Akten bereits Bresslau für benutzt, ' seine Geschichte" ohne ihn in den über die Belange der MGH im-engeren Sinne hinausgehenden Teilen erschöpfend auszuwerten. Diese Dokumente vermitteln zahlreiche Infor- mationen über das wissenschaftsorganisatorische Wirken von Pertz, biographi- sches Material über seine Korrespondenzpartner, Nachrichten über gesellschaft- liche Ereignisse und über Lebens- und Arbeitsbedingungen einzelner Historiker, sie bereichern unsere Kenntnis über die Systematik der Quellenerschließung in ganz Europa, und sie widerspiegeln das persönliche Echo auf die-quellenkund- lichen Bemühungen von Pertz. Für die Herausbildung des idealistischen deut- schen Historismus, über dessen Leitprobleme, Chronologie und damit zusam- menhängende weitere Forschungsprobleme intensiv- nachgedacht wird, ' vermag eine hier allerdings nur begrenzt vorzunehmende Auswertung und auszugsweise Veröffentlichung dieser Quellen ergänzende Kenntnisse zu vermitteln. Sie er-

I Bresslau, Harry, Geschichte der Monumenta Germaniae Historica, Hannover 1921, S. 143 (Neues Archiv der Gesellschaft für ältere deutsche Geschichtskunde, Bd. 42). Vgl. auch Obermann, Karl, Die Begründung der Monumenta Germaniae Historica und ihre Bedeutung, in: Die deutsche Geschichtswissenschaft vom Beginn des 19. Jh. bis zur Reichseinigung von oben, hrsg. von Joachim Streisand, Berlin 1963, S. 113 ff. Bresslau, S. 486. Vgl. auch Waitz, Georg, Die Bildung der neuen Zentraldirektion der Monumenta Germaniae, in: Neues Archiv der Gesellschaft für ältere deutsche Ge- schichtskunde, 1876, Bd. 1, S. 1 ff. (mit Statut); ders., Georg Heinrich Pertz, ebenda, Bd. 2, S. 451 ff. y Zentrales Archiv der Akademie der Wissenschaften der DDR (im folg.: AAW), Be- standsgeschichte im Findbuch MGH, Abschnitt XXII. Der Leitung und den Mitarbei- tern des Archivs danke ich für ihre Unterstützung. Y Vgl. die Quellenübersicht bei Bresslau, S. VI-VIII. Georg Heinrich Pertz 179

Blicke Werkstatt der Geschichtswissenschaft, möglichen in den Alltag -und in die auch unter dem Gesichtspunkt ihrer. Professionalisierung. ' Den roten Faden der Darlegungen bietet die an äußeren Ereignissen arme Bio- Begegnung graphie von Pertz. Den wichtigsten Einschnitt - nach seiner 'mit die Stein - in seinem wissenschaftsorganisatorischen Wirken -für Geschichts- wissenschaft bildet das'Jahr 1842 mit der Übersiedlung von Hannover nach Berlin, seinem Arbeitsort bis ins hohe Alter. Der wissenschaftlichen Öffentlichkeit stellte' sich Pertz nach seinem Studium in Göttingen bei Arnold Heeren Dissertation Geschichte der mit seiner Die mero- wingischen Hausmeier" vor, die 1819 im Druck erschien, als auch die ersten Kontakte zu Stein geknüpft wurden. 1820 unternahm er durch dessen Vermitt- lung im Auftrage der Monumenta eine Archivreise nach Wien, von wo er 1821 nach Italien aufbrach. Hier arbeitete er bis 1823 in Rom. In Hannover, wo Pertz seit 1821 als Archivar angestellt war, hatte man ihn für diesen Zweck beurlaubt. Das 1819 der Gesellschaft für ältere deutsche Ge- seit erscheinende Archiv schichtskunde" redigierte Pertz von Band 5, der mit der Jahreszahl 1824 im folgenden Jahr publiziert wurde, bis Band 12 (1872/1874). Pertz' Lebensstationen markieren einen Weg der Professionalisierung der Geschichtswissenschaft, der sich von dem anderer Zeitgenossen unterschied: Er vollzog sich bis auf seine Göttinger Lehrjahre außerhalb der Universitäten, da Pertz zu keinem Zeitpunkt irgendwo als Professor berufen wurde. Neben seiner Stellung als Archivar in Hannover wurde er 1827 in seiner Geburtsstadt zusätzlich Bibliothekar. Dieser Tatsache maß er offensichtlich hohen Wert bei. 7 Für die Geschichte der Monu- menta Germaniae Historica war es sicherlich prägend, 'daß nicht ein an Lehrver- pflichtungen gebundener Universitätsprofessor, sondern ein mit den Aufbe- wahrungsstätten der in den MGH zu veröffentlichenden Dokumente durch seine berufliche Arbeit verbundener Gelehrter die Leitung des Unternehmens wahr- nahm. Als fördernd wirkte sich aus, daß Pertz durch vorgeordnete Behörden Arbeitsbedingungen zugestanden wurden, die seine' Editionstätigkeit nicht be- hinderten. Immerhin hat er seit 1826 insgesamt 25 Bände der MGH, zu einem beachtlichen Teil von ihm selbst bearbeitet, herausgegeben. Funktion In seiner als Bibliothekar in Hannover stand Pertz in der Nachfolge von Gottfried Wilhelm Leibniz. Durch die erstmalige Edition des historischen Hauptwerkes von Leibniz, der Annales Imperii Occidentis Brunsvicenses, die in Hannover geplant und in Berlin ab 1843 realisiert wurde, nimmt Pertz einen hervorragenden Platz in der Geschichte der Werkausgaben des Begründers der Berliner Akademie der Wissenschaften ein, wodurch mein Interesse aus akade- miegeschichtlicher Sicht zunächst auf ihn gelenkt wurde. Dieser Beitrag zur Leibnizforschung, deren noch nicht geschriebene Geschichte vom 18. Jh. bis in die Gegenwart vertiefte' Einblicke in die Entwicklung " der Wissenschaft ver- ausdrücklich spräche, ' Pertz ' in das Umfeld der Monumenta. Sorg- rückte Die f ' Vgl. Schleier, Hans, Zum idealistischen Historismus in der bürgerlichen deutschen Geschichtswissenschaft, in: JbG, Bd. 28,1983, S. 133 ff. H. S. danke ich für biblio- graphische Hinweise. Dokument 1. Vgl. die entsprechenden Beiträge in Leibniz - Werk-und Wirkung. IV. Internatio- naler Leibniz-Kongreß, Hannover 1983: Scheel, Günter, Leibniz' historiographisches Erbe als Aufgabe für Hannovers Bibliothekare von Eckart bis Pertz (S. 936-949);

12" 180 Grau, Conrad falt und Ausdauer im Sammeln des weitverstreuten ungekannten Stoffes", die Pertz Leibniz bescheinigte, gilt auch für sein eigenes Arbeiten, bis hin zu der Tatsache, daß das Streben nach maximaler Vollständigkeit zuweilen den Edi- tionsprozeß verzögerte oder sogar verhinderte. Die seit Leibniz gerade auch durch das Bemühen von Pertz selbst erreichten Fortschritte unterstrich dieser dem Hinweis, daß in den letzten Jahrzehnten die Wissenschaft Kennt- mit die niss der Handschriften und Urkunden in einem nicht geahnten Umfange er- weitert, die Ansichten über einzelne Schriftsteller, ihre Quellen, Texte und Ableitungen berichtigt, eine bedeutende Zahl uralter Denkmähler zuerst ans Licht gezogen und dadurch eine Menge Zweifel gelös't hat, welche Leibniz mit seinen Hülfsmitteln unberührt lassen mußte. Denn was mit unsern Mitteln selbst dem Anfänger gegeben ist, war frühes dem Gelehrtesten unerreichbar. " So Pertz 1843 in der Vorrede zu seiner. Leibniz-Edition, womit letztlich zugleich eine Seite des Professionalisierungsprozesses der Geschichtswissenschaft um- schrieben ist. Pertz' Leibniz-Edition Wenn sich verzögerte, - trug daran nicht zuletzt sein gesellschaftliches Engagement in Hannover die Schuld. Von 1832 bis 1837 redi- die Zeitung". In dieser Zeit hier den gierte er Hannoversche war nach revo- lutionären Ereignissen der Jahre 1830/31 von 1833 bis 1837 das im Vergleich zu anderen deutschen Bundesstaaten liberale Staatsgrundgesetz in Kraft. Durch die bis 1837 bestehende Personalunion des Landes mit England ergaben sich lebenslange Kontakte für Pertz mit dem Inselreich, die zudem familiärer Art waren. Pertz war zweimal mit Engländerinnen, verheiratet, seit 1827 mit Julia Garnett, der Tochter eines Astronomen, die 1852 starb, und seit 1854 mit Leo- nora Horner, der Tochter eines Geologen, wodurch Pertz der Schwager des berühmten Charles Lyell wurde. Seiner zweiten Frau diktierte er 1869 seine Autobiographie (bis 1835), die diese 1894 mit Briefen publizierte. 10 Der Verfassungsbruch des neuen Hannoverschen Königs im Jahre 1837, der zum' bekannten Protest der sieben Göttinger Professoren führte, veränderte die Stellung von Pertz, der seitdem aus Hannover wegstrebte. Die Abgabe der Zeitungsredaktion, auch durch Arbeitsüberlastung bedingt, war ein deutliches Zeichen. Obwohl mir direkte Aussagen von Pertz nicht bekannt sind, kann man ihn wohl zu den Sympathisanten der Göttinger rechnen. Der Marburger Pro- fessor Viktor Aime Huber, ein Mitarbeiter an Pertz' Zeitung, der persönlich Ansicht über die Unrechtmäßigkeit königlichen Patents ganz der -des nicht so beitreten kann", im November 1837 dennoch fest, Zehntel der stellte daß neun Juristen, die Sache die hannöverschen Beamten u. s. w. ebenso ansehen, wie "

Heinekamp, Albert, Louis Dutens und die erste Gesamtausgabe der Werke von Leibniz (S. 263-272);. Utermöhlen, Gerda, Leibniz' Schriften im politischen Span- nungsfeld von Reichsgründung und Kulturkampf: die Edition Onno Klopps (S. 794 bis 801); Hess, Heinz-Jürgen, Ein großer Leibniz-Editor: Carl Immanuel Gerhardt (S. 282-286). ° Leibnizens Gesammelte Werke, hrsg. von Georg Heinrich Pertz, 1. Folge, Bd. 1, Hannover 1843, S. XXIV f. 10 Vgl. Autobiography and letters of George Henry Pertz, ed. by his wife. Dazu Bresslau, S. 91 f., und Berg, Gunter, Leopold von Ranke als akademischer Lehrer, Göttingen 1968, der S. 42 f. auch über die freundschaftlichen Beziehungen der Familien Pertz und Ranke berichtet. Georg Heinrich Pertz 181

Sieben. Wie viele werden dieser Überzeugung gemäß handeln? "11 So fragte er nicht ohne Grund - auch Pertz handelte mit Zeitverzug! Pertz hatte die Ereignisse in Hannover 1830/31 im Umfeld gesamteuropäischer Vorgänge gesehen. Seine Hoffnung Vertrauen Wohlseyn auf erhöhtes und unserer Landsleute" dürfte nicht zuletzt der Anlaß gewesen sein, selbst politisch wirksam zu werden. 121837 änderten sich die Voraussetzungen. Für die Jahre bis 1842, als Pertz nach Berlin übersiedelte, bieten die Dokumente ergänzende Auf- schlüsse. So reflektierte Waitz beispielsweise 1838 das Echo der Vorgänge in Hannover. 13 Waitz war es auch, der Pertz' Plan der Übersiedlung nach Berlin zustimmend kommentierte. 11 Recht offen spiegeln sich darin die Hoffnungen wider, die um 1840 an Berlin als ein Zentrum der Geschichtsforschung geknüpft wurden. Pertz genoß zu dieser Zeit bereits hohes Ansehen als Historiker. Ein Kriterium dafür sind seine Wahlen zum Mitglied von Akademien der Wissenschaften, die, teils anknüpfend an Bestrebungen des 18. Jh., zunehmend editorische Aufgaben auch auf geschichtswissenschaftlichem Gebiet übernahmen. Pertz, der die Wahl- politik in seiner Berliner Zeit mit Erfolg für die Förderung seiner Vorhaben nutzte, war seit 1836 Auswärtiges Mitglied der Bayerischen Akademie der '' Wissenschaften in München. 1839 wurde er in Frankreich zum Mitglied der Akademie des Inscriptions et Belles-Lettres des 'Institut de France gewählt, worüber der damals in Paris weilende Waitz recht ausführlich berichtete. '6 Die Preußische Akademie der Wissenschaften in Berlin berief ihn 1840 unter ihre ` Korrespondierenden Mitglieder. Welche herausragende Stellung er damals bereits als Leiter der MGH in der deutschen Geschichtsforschung einnahm, dokumentierte rückschauend der mit ihm gleichaltrige Ranke, der seit einer Begegnung in Paris 1839 persönlich mit Pertz bekannt war, den er 1876 zu Freunde[n]" dem seinen ältesten rechnete und von er - wohl auch in Rücksicht die langjährige Freundschaft auf - sagte: Er war nicht genial, aber gediegen", Wirksamkeit ist doch bedeutende und: Seine eine sehr gewesen. " Ranke war daran beteiligt, daß der hannoversche Archivar und Bibliothekar 1842 als Leiter der Königlichen Bibliothek nach Berlin berufen wurde, und schrieb über seine Gründe: Der vornehmste war ein nebensächlicher, der mir aber die Haupt-

It Zit. nach Heilfurth, Gerhard, Victor Aimö Huber und die Brüder Grimm auf dem Hintergrund der lebens- und zeitgeschichtlichen Zusammenhänge, in: Brüder Grimm Gedenken, Bd. 6, Marburg 1986, S. 101. Vgl. auch Löschburg, Winfried, Es begann in Göttingen. Protestation und Entlassung der Göttinger Sieben, Berlin 1964. 12 Dokument 2. 13 Dokument 3. 14 Dokument 4. 15 Gesamtverzeichnis der Mitglieder der Bayerischen Akademie der Wissenschaften in den ersten beiden Jahrhunderten ihres Bestehens 1759-1959, bearb. von Ulrich Thürauf, München 1963, S. 105. 16 Dokument 5. 17 Die Mitglieder der Deutschen Akademie der Wissenschaften zu Berlin 1700-1950, bearb. von Erik Amburger, Berlin 1950, S. 119; Hartkopf, Werner, Die Akademie der Wissenschaften der DDR. Ein Beitrag zu ihrer Geschichte. Biographischer Index, Berlin 1983, S. 316 (beide Verzeichnisse auch für die weiter zu nennenden Mitglieder der Berliner AdW). 182 Grau, Conrad sache zu enthalten schien: die Direktion der Monumenta Germaniae, für welche Berlin ein besserer Platz sei als Hannover. Kluge Freunde fanden es auffallend, Berlin "" Pertz daß ich mir einen Nebenbuhler nach ziehen wolle. als Neben- buhler" von' Ranke das widerspiegelt das Ansehen des Hannoveraners. - königlichen Als sich Pertz entschlossen hatte, die Berufung als Leiter der Biblio- thek in Berlin als Nachfolger von Friedrich- Wilken, der auch Mitarbeiter der MGH gewesen war, endgültig anzunehmen, informierte er sich bei dem Münche- ner"Bibliothekar Föringer, mit dem er seit 1833 korrespondierte, über die Stel- lung eines Bibliothekars und 'eines Akademiemitglieds in Bayern, besonders im 19 Hinblick auf die Frage, ob eine Zwangsversetzung möglich war. Die Antwort, die ihm Föringer am 22. März 1842 gab, wäre zwar zu spät gekommen, da Pertz schon im November 1841 die Berufung nach Berlin angenommen hatte. Den- noch bleibt der Hintergrund seiner Anfrage nach München interessant, denn Bresslau über Pertz' hannoversche Stellung 1840: befürchtete schreibt um Er ganz ernstlich, daß man ihn eines Tages an das Archiv in Stade oder in Ostfries- land versetzen könnte, wogegen er mit Erfolg nichts hätte tun können, wenn man ihm sein bisheriges Gehalt ließ. ` Unmittelbar nachdem Pertz 1842 sein Amt als Leiter der Königlichen Biblio- thek in Berlin angetreten hatte, wurde er noch im Dezember zum Ordentlichen Mitglied der Akademie gewählt. Die- Bibliothek leitete er bis 1873. Über die ersten 25 Jahre seiner Berliner Tätigkeit hat er 1867 einen Bericht veröffentlicht. 1844 wurde auf seine Veranlassung mit der Erarbeitung des systematischen Bandkatalogs begonnen, der 1881 fertiggestellt wurde. Das dabei angewandte System springender Nummern" hatte Pertz 1867 feststellen elastische sich, wie konnte, bei Verdoppelung der durchaus bewährt" 21 seither naher Bibliothek Für-die Ernsthaftigkeit, mit der sich Pertz seiner bibliothekarischen Aufgabe zu widmen beabsichtigte, spricht der von ihm angeforderte Bericht seines Korre- spondenzpartners Föringer, der 1842 als 4. Kustos der Hof- und Staatsbibliothek in München tätig war. Dieses Dokument, das wegen seiner Bedeutung für die Bibliotheksorganisation gekürzt publiziert wird, ' enthält außerdem Angaben über die soziale Stellung der Mitarbeiter. Danach erhielten der Unterbibliothe- kar 1 400 Gulden, die vier Kustoden 1 200 bis 1 000 Gulden sowie die Sekretäre die Scriptoren 700 bis 500 Gulden. diese Gehälter", kommentierte und Daß so Föringer, die Bank jenem des Direk- durch nicht sehr glänzend sind, und, von tors abgesehen, durchaus nicht hinreichen, einen mit Familie gesegneten Beam- ten anständig zu ernähren, werden Ew. Hochwohlg. leicht erkennen. " Neben dem alphabetischen Katalog für alle Bücher seien Fachkataloge geplant, doch das Personal dafür Deshalb die reiche nicht aus. nutze man Standorts-(Num- mern-)Repertorien über die einzelnen Aufstellungsfächer, welche vor der Hand die Stelle Fachcatalogen Der bis von vertreten". Realkatalog erstreckt sich

13 Ranke, Leopold von, Sämtliche Werke, Bd. 53/54, Leipzig 1890, S. 610 f., 613. 19 Dokument 6. 20 Bresslau, S. 247. 21 Pertz, Georg Heinrich, Die Königliche Bibliothek zu Berlin in den Jahren 1842 bis , 1867, Berlin 1867, S. 15. Vgl. zum wissenschaftsorganisatorischen Wirken: Krause, Friedhilde, Die slawistischen Verbindungen der Königlichen Bibliothek zu Berlin und der Aufbau ihres Slavica-Bestandes seit ihrer Gründung bis 1871 (= Zentral- blatt für Bibliothekswesen, Beih. 88), Leipzig 1976. Georg Heinrich Pertz 183 jetzt auf ohngefähr die Hälfte unserer Fächer und leistet treffliche praktische Dienste, in Hinsicht läßt ", so sehr er auch wissenschaftl. unbefriedigt .. . schrieb Föringer. Der Hinweis die der bayerischen Handschriften" in der auf Bearbeitung Münchener Bibliothek verweist auf Bestände besonders älterer Bibliotheken, die für die Arbeit an den MGH unentbehrlich waren. Es ist daher verständlich, daß Fragen der wissenschaftlichen Verfügbarkeit dieser Quellen in den vor- liegenden Archivalien immer wieder aufgeworfen werden. ' Neben den Biblio- theken betraf das in noch höherem Maße die Archive, für deren systematische Erschließung die Männer des Pertz-Kreises Hervorragendes geleistet haben. In zahlreichen Briefen zu dieser Problematik wird direkt oder mittelbar der Professionalisierung der Geschichtsforschung Beachtung geschenkt, die untrenn- bar mit der Arbeit an den Quellen verknüpft war. Einige Auszüge, die - be- dingt durch hier benutzten auch die Dokumente - notwendigerweise nur punk- tuell einige Fragen verdeutlichen, vermögen immerhin eine ' Vorstellung von der Breite der Bewegung zu vermitteln, die zur wissenschaftlichen'Grundlegung der Geschichtsschreibung führte, wobei hier besonders die Darstellung der mittelalterlichen deutschen Geschichte im Vordergrund steht. Mit Fiebereifer suchte man-überall nach Quellen. So erbot sich 1831 unaufge- fordert der damals noch ganz unbekannte Moriz Haupt in Zittau, später Pertz' Kollege als Mitglied der Preußischen Akademie und sein Sorgenkind, weil er mit der Bearbeitung eines für die MGH übernommenen Textes nicht zu Ende kam, eine Handschrift in der Bibliothek der Oberlausitzischen Gesellschaft der Wissenschaften in Görlitz Er höchste Genauigkeit zu vergleichen. schrieb: Die verspreche ich. Philologische Studien haben mich genöthigt, mehr als eine Hs. classischer Schriftsteller zu vergleichen, und dabei an die unerläßliche Sorgfalt gewöhnt. " Der Einfluß der klassischen Philologie auf die Edition mittelalter- licher Texte wird hier mit Recht herausgestellt. In diesen Kontext gehören auch die Reiseberichte ständiger Mitarbeiter der MGH, die das große Interesse oder auch die fehlende Bereitschaft der Leiter örtlicher Einrichtungen an der Förderung des Unternehmens belegen und zu- weilen wichtige Informationen forschungsorganisatorischer Art enthalten. Wil- helm Giesebrecht wußte beispielsweise 1843 Rom berichten: aus zu Die glück- lichen Zeiten sind vorüber, die Sie in Rom sahen. Man interpretiert das Gesetz jetzt dahin, daß auf der Vaticana nur Collationen erlaubt seien, die Herausgabe ist von ineditis allein den Bibliotheksverwandten zugestanden. "2 Philipp Jaffe stieß im Thurn-und-Taxisschen Archiv Schwierigkeiten": auf große ' Auf ein schriftliches Gesuch an den Chef der fürstlichen Verwaltung erfolgte der Be- keiner Bedingung scheid, daß unter Archivalien benutzt werden dürften. " In Würzburg hatte Werthvolle des hiesigen man alles Archivs an das Münchner Archiv" abliefern müssen, und in Augsburg war man, ebenso wie anderwärts in Baiern, durch Münchner Beraubungen die dermaßen eingeschüchtert, daß sie ihre Besitzthümer Preis zu geben fürchten, wenn ihr Vorhandensein bekannt wird". Hilfe fand Jaffe indes für die Vorbereitung seiner Italienreise bei Föh-

22 Dokument 7. z; Moriz Haupt an Pertz, Zittau, 1.9.1831. AAW MGH 135, Bl. 1 a. «",Wilhelm Giesebrecht an Pertz, Rom, 22.12.1843. AAW MGH 130, Bl. 1ar. 184 Grau, Conrad ringer, der über die Mailänder Bibliotheksverhältnisse, glaube ich, gut unter- richtet ist". ' Auf wichtige Dokumente zur Reformationsgeschichte und zur Geschichte des 30jährigen Krieges in Spanien machte 1844 G. Heine aus Madrid aufmerksam, Beschaffungsschwierigkeiten Er wobei er zugleich auf verwies. schrieb : Sollten Sie nicht die preußische Regierung zu einer Expedition derart veranlassen können? Die Kosten derselben sind so unbedeutend, daß man im andern Fall vielleicht selbst Privatleute finden möchte, die sich derselben unterziehen wür- den im Interesse der Wissenschaft und der Deutschen Geschichte. Einen geeig- neten Gelehrten aber dazu zu finden, wird gewiß nicht schwer sein... "" Pertz wandte sich daraufhin in einem lateinischen Schreiben an das Domkapitel nach Toledo. Aufschlußreich für die Bemühungen um die Erforschung der mittelalterlichen deutschen Geschichte sind einige Briefe von Wattenbach, der sich seit 1847 im Auftrage der MGH zu Quellenstudien in Österreich aufhielt. Ein Echo fand darin beispielsweise die zweite Germanistenversammlung in Lübeck im Sep- 1847 der tember - nach Frankfurter von 1846 -, an der Pertz teilgenommen hatte und die als Beratung von Vertretern der deutschen Sprach-, Rechts- und Geschichtswissenschaft den vaterländischen Studien im ausgehenden Vormärz wichtige Impulse vermittelte. Wattenbach, der seine Abwesenheit bedauerte, äußerte denn ist Wunsch " Nach- auch: Hoffentlich sie recht nach ausgefallen. dem Nachrichten hatte, fest, daß trotz er erste erhalten stellte er sie ja einiger Mängel doch im Ganzen befriedigend ausgefallen zu sein scheint"? Für die Wirkungsgeschichte der Beratung wichtiger ist, was Wattenbach in diesem Zu- sammenhang über die Folgerungen im Umfeld der gerade gegründeten Akade- mie der Wissenschaften in Wien mitzuteilen wußte. Zu den am 17. Mai 1847 ernannten 40 Wirklichen Mitgliedern dieser Akademie gehörte auch der Vizedirektor des Haus-, Hof- und Staatsarchivs Josef Chmel, mit dem Pertz seit 1828 korrespondierte und den er 1846 zum Korrespondieren- den Mitglied der Berliner Akademie vorgeschlagen hatte. Chmel hatte sich für die große Auszeichnung, mit der die erste Gesellschaft der Wissenschaften in Deutschland seine wissenschaftlichen Bestrebungen aufmunterte", bedankt und zugesagt, weiter für die vaterländische Geschichte zu arbeiten. Formen solcher Unterstützung waren die Förderung, die er Forschern wie Wattenbach zuteil werden ließ, und der Versuch, an der Wiener Akademie eine Forschungsbasis

2 Philipp Jaffe an Pertz, München, 28.7.1858; Augsburg, 24.8.1859; Würzburg, 7. u. 12.9.1859. AAW MGH 138, Bl. 61,72,80,82 r. G. Heine an Pertz, Madrid, 30.3.1844. AAW MGH 136, Bl. 7 r-8. 27 Berlin, 3. Kal. Junius 1844. Ebenda, Bl. 11. Pertz hier: schreibt Societas nostra anno 1819 sub Confoederationis Germanicae Excellentis- auspiciis ... a v. m. viro simo Carolo L. B. de Stein instituta. " Wohl gezielt das Domkapitel ... auf nennt er den späteren Kölner Erzbischof Spiegel, die Fürsten Metternich, Thurn und Taxis sowie Fürstenberg neben Niebuhr als Mitwirkende neben anderen, die nicht na- mentlich erwähnt werden. 23 Wilhelm Wattenbach an Pertz, Admont, 4.10.1847; Seitenstetten, 17.10.1847. AAW MGH 153, Bl. 16,18. Vgl. Verhandlungen der Germanisten zu Lübeck 1847, hrsg. von J. Grimm, Lübeck 1848. 2-9AAW II-III, 117, Bl. 198. Georg Heinrich Pertz 185 zu schaffen, worüber Wattenbach berichtet 30 Tatsächlich hatte Chmel bereits auf der konstituierenden Sitzung der Philosophisch-Historischen Klasse am 24. November 1847, die die Einsetzung Herausgabe einer Kommission zur österreichischer Geschichtsquellen" beschloß, großzügigen Plan" einen vorge- legt, der gebilligt wurde. Die von Wattenbach erwähnte &cole des Chartes, nach dem Vorbild der 1821 in Paris gegründeten Anstalt zur Ausbildung in Archiv- kunde und historischen Hilfswissenschaften, entstand 1854 in Gestalt des Insti- tuts für österreichische Geschichtsforschung, dessen Direktor Theodor Sickel 1867 wurde? ' Damit war ein Schritt zur Überwindung des Zustandes auf dem Gebiet der Quellenforschung getan, den Wattenbach am vielleicht besonders negativen Beispiel der Zisterzienser-Abtei Heiligenkreuz bei Baden in Nieder- österreich 1847 hat 32 Chmel, durch Fleiß Umsicht die geschildert der und archivalische Forschung innerhalb der Akademie begründete", hat sein Interesse an der Wissenschaftsorganisation und Professionalisierung der Geschichtswis- senschaft auch durch seinen Plan für die Gründung einer historischen Zeitschrift unterstrichen. ° Er blieb ein wichtiger Partner von Pertz. 3' Letzterer gehörte im Januar 1848 zu den ersten acht Ehrenmitgliedern, die die Philosophisch-Histo- Klasse der Wiener Akademie rische wählte - Ranke erhielt diesen Ehrentitel 1868! 3' Mit der Wiener Akademie bereits erst - wie mit anderen Akademien - verbanden sich von Anfang an weitgehende Hoffnungen auf die Förderung der ' historischen Forschung. - Pertz hat es übrigens verstanden, ähnlich wie bei Chmel auch in anderen Fällen die Akademiemitgliedschaft geschickt für die Förderung der Geschichtswissen- schaft, aber auch seiner eigenen Anliegen, zu nutzen. So wurden die französi- schen Wissenschaftler Benjamin Edme Charles Guerard und Joseph Reinaud, denen Anteil an der Wahl von Pertz zum Akademiemitglied in Paris 1839 ge- bührt, 1845 und 1850 Korrespondierende Mitglieder in Berlin. Der in diesem Zusammenhang ebenfalls zu nennende Deutsche Karl Benedikt Hase, der seit 1805 in Paris wirkte und der auch in engem Kontakt mit Alexander von Hum- boldt stand', wurde in Berlin schon 1812 Korrespondierendes und 1850 Ehren- jedem, werde mitglied. Wie für den Sie sich verwenden, ich suchen, auch ihm nach Kräften förderlich zu werden", schrieb Hase 1857 an Pertz, der einem Mit- arbeiter in Paris den Weg ebnen wollte' Ein kennzeichnendes Beispiel für diesen Komplex im wissenschaftsorganisato- rischen Wirken von Pertz ist sein Vorschlag für die Wahl von Sir Thomas Phillips zum Korrespondierenden Mitglied der Berliner Akademie 1845. Nach Pertz hatte jener Beharrlichkeit mit größter und unglaublichen Kosten die Manuscriptsammlung größte erworben, welche ein Privatmann wohl -je beses-

30 Dokumente 8 und 9. 31 Meister, Richard, Geschichte der Akademie der Wissenschaften in Wien 1847-1947, Wien 1947, S. 69,88. 32 Dokument 10. 33 Meister, S. 105; Dokument 11. 31 Dokument 12. 3' Meister, S. 56,273. 36 Dokument 13. 37 Vgl. Biermann, Kurt-R., Alexander von Humboldt, Leipzig 19833,S. 112. 39 Karl Benedikt Hase an Pertz, Paris, 19.7.1857. AAW MGH 134, Bl. 2 r. 186 Grau, Conrad ' sen hat. Sie steigt jetzt auf 14 000 Stück, worunter sich auch die werthvollsten Handschriften für Geschichte, Jurisprudenz, Genealogie u. Philologie befinden. " Hingewiesen folgende Tatsache: Besitzer läßt wurde zugleich auf Der - seine Handschriften mit größter Liberalität benutzen; Prof. Hänel verdankt ihm die älteste Hdschr. des Codex Theodosianus, ich selbst das Original des. Hugo Flavi- ninensis [Flavigny] u. a. Werke. "" Phillips fühlte sich durch seine Wahl zum Akademiemitglied verpflichtet und würdigte zugleich die Leistung von Pertz bei der Edition der MGH. '° Der erwähnte Leipziger Historiker Gustav Friedrich Hänel, der viele Jahrzehnte mit Pertz zusammenarbeitete, hatte 1829 nach siebenjähriger Reise durch Ita- lien, Spanien, England die Niederlande librorum Frankreich, und seine Catalogi manuscriptorum" veröffentlicht. Pertz war bereit, dieses Werk zu rezensieren. Der Dankbrief Hänels mit dem Hinweis auf das Streben nach Vollständigkeit im Faktischen, Wahrheit und Gemeinnützigkeit weist auf die ideellen Trieb- federn, die eine Masse bienenfleißiger Editoren damals bewegte4' Von ihnen erhoben sich zwar nur wenige zu geschichtsbildprägenden Historikern, doch der Gesamtkomplex des idealistischen deutschen Historismus bleibt ohne ihr Wir- ken unvollständig. Der Einfluß von Pertz als Leiter-der MGH und damit auf dem Gebiet der mittel= alterlichen deutschen Quellenkunde hatte ausgangs der 50er Jahre auf der Grundlage seiner wissenschaftlichen Leistungen und infolge seiner organisato- rischen Fähigkeiten, aber auch Eigenheiten, einen Grad erreicht, der die weitere Arbeit zunehmend hemmte und schließlich im Umfeld der politischen Ereig- nisse, die zur Auflösung des Deutschen Bundes und zur Reichsgründung 1871 führten, eine Neuorganisation der MGH notwendig machte. Die objektiven Erfordernisse erzwangen eine Veränderung der ursprünglich sehr produktiven, fast ausschließlich auf eine Person zugeschnittenen Forschungsorganisation, wie sie die MGH unter Pertz darstellten. Frankreich mit der fcole des Chartes und die Habsburger Monarchie mit dem Institut für österreichische Geschichtsfor- schung, die hier als Beispiele angeführt werden können, erwiesen sich als effek- tiver. Kennzeichnend für die Stellung von Pertz war vor allem sein Anspruch auf seine persönliche Entscheidung darüber, wer die schließlich unter dem Signum einer staatlich geförderten Gesellschaft gesammelten Unterlagen der MGH überhaupt benutzen durfte. Das Problem stellte sich beispielsweise in seiner wissenschaftlichen Relevanz, als der aus Preußen' stammende Theodor Sickel, der seit 1855 am genannten Wiener Institut wirkte, seit 1862 in den Abhandlungen der Akademie in Wien Diplomatik" denen bahnbrechenden seine Beiträge zur publizierte, mit er seine Arbeiten dem Gebiet der Urkundenforschung auf und -lehre einleitete. Als Student 1849 aus politischen Gründen aus Berlin ausgewiesen, promovierte er 1850 in Halle und ging dann nach Frankreich. Hier rezipierte er die paläo- rcole graphischen Erfahrungen der des Chartes und untersuchte mit Unter- stützung des französischen Unterrichtsministeriums mittelalterliche Urkunden Oberitalien in Wien, in Frankreich, und schließlich wo er 1855 - mit 29 Jah-

a9 AAW II-III, ý117, Bl. 153. Dokument 14. Dokument 15. Georg Heinrich Pertz 187 ren - am Institut für österreichische *Geschichtsforschung zunächst eine Dozen- tur erhielt. 42 Sickel wurden später höchste wissenschaftliche Ehren zuteil. Sd war' er seit 1864 Korrespondierendes und seit 1870 Wirkliches Mitglied der Wiener sowie seit 1876 Korrespondierendes und seit 1899 Auswärtiges Mit- glied -der Berliner Akademie. In München war er seit 1866 Korrespondierendes und seit 1884 Auswärtiges Mitglied. Die Wahlzeitpunkte in Wien, Berlin und München sind nicht zuletzt unter politischen Gesichtspunkten interessant. Ab 1875-vertrat Sickel für viele Jahre die Wiener Akademie in der neugebildeten Zentraldirektion der MGH. 1903 schließlich wurde der einstige Berliner Stu- dent aus Wien Mitglied des preußischen Ordens Pöur le Merite 43 Gestützt auf seine eigenen Forschungen und unter Verwendung der Samm- lungen der 2cole des Chartes in Paris, die er für "seine Zwecke vervielfältigen durfte, plante Sickel 1862 ein Werk über die Urkunden der Karolingerzeit und wandte sich um Unterstützung an Pertz. Unter Würdigung von dessen Leistun- gen entwickelte Sickel darin sein Arbeitsprogramm - und stieß auf Ablehnung mit der von Pertz unter Berufung auf Stein auch sonst gegebenen Begrün- dung, das gesammelte Material ' stünde außer in ausgewählten Sonderfällen ausschließlich für die MGH zur Verfügung'? ' Nur ein Jahr nach 'diesem Vorgang starb im Oktober 1863 Johann Friedrich Böhmer, seit 1831 de jure neben Pertz Leiter der MGH. Nunmehr setzten unter sich verstärkender Kritik an Pertz Überlegungen über eine Umgestal- tung der MGH ein, die jedoch ein Jahrzehnt lang von Pertz'erfolgreich unter- laufen werden konnten. Ohne die in den Einzelheiten bereits ausführlich dar- gestellten Vorgänge4J hier zu reproduzieren, soll ' nur darauf - hingewiesen werden, daß sich die starre Haltung von Pertz, der die MGH vor allem als sein Unternehmen betrachtete, weiter verhärtete. Kennzeichnend dafür ist die Darlegung der Arbeitsorganisation der MGH für den Stuttgarter Bibliothekar Christoph Friedrich Stälin, der seit 1840 mit dem 'Unternehmen verbunden war und den Pertz nun an Stelle von Böhmer für die Zentraldirektion gewinnen wollte, was auch gelang. 46 Neben seinem Hauptberuf als Direktor der Bibliothek 'in Berlin und seiner Hauptbeschäftigung nahm Pertz seine Mitgliedschaft in der Akademie 'der Wissenschaften ernst, wie exemplarisch bereits an seiner Mitwirkung bei den Zuwahlen gezeigt wurde. Die Bibliographie von Pertz' Akademieabhandlun= gen verzeichnet 26 fast durchweg mittelalterlich-quellenkundliche Themen aus 47 den'Jahren 1843 bis 1875 In den Beratungen zur Vorbereitung des wichtigen historiographischen Akademie-Unternehmens Corpus Inscriptionurri Latina- rum" (CIL) ausgangs der 40er Jahre setzte er sich für Theodor Mommseirs' Vor- Dieser 1847: ist Mann stellungen ein. schrieb Pertz gewiß ein guter und mir

4s Vgl. Bresslau, S. 400; Biographisches Jahrbuch und Deutscher Nekrolog, Bd. 13, Berlin 1910, S. 62-72. "'' 4: Orden Pour le Merite für Wissenschaften und Künste. Die Mitglieder des Ordens, Bd. 2, Berlin (West) 1978, S. 188 f. 44 Dokumente 16 find 17. Bressiau, S. 396-477. ' Dokument 18. 47 Vgl. Harnack, Adolf, Geschichte der Königlich Preußischen Akademie der Wissen- schaften zu Berlin, Bd. 1-3, Berlin 1900. 188 Grau, Conrad geneigt; wenigstens habe ich keinen Grund daran im geringsten zu zwei- feln "''s Pertz' Biographien über Stein (1849-1855) und über ... mehrbändige Gneisenau (1864-1867) lagen inhaltlich außerhalb seines eigentlichen Arbeits- gebietes. Aus der Thematik der Steinbiographie und dem Zeitpunkt, zu dem sie zu erscheinen begann (1849), läßt sich - gestützt auf das Vorwort - einer- seits schließen, daß sich Pertz dem Staatsmann verpflichtet fühlte, als dessen Testamentsvollstrecker er sich im Hinblick auf die MGH verstand, anderer- Öffent- seits lenkte er damit gerade im Umfeld der Revolution von 1848/49 die lichkeit auf die Zeit der Befreiungskriege. So bestätigte Otto Abel 1851 das allgemeine Interesse an Pertz' Steinbiographie und deren Fortsetzung. Seine beruhende Vermutung, höheren Orts der Wunsch auf Hörensagen es sei aus- gesprochen worden, Sie möchten mit der Herausgabe zögern", bestätigte sich zwar nicht, deutet jedoch auf weiter zu erforschende Bemühungen, die sich in der Nachrevolutionszeit gegen eine Propagierung der Zeit der Befreiungs- kriege Abel fest, die Biographie richteten. stellte zugleich würde mit großem Eifer gelesen u. besprochen und man ist nun gespannt auf den folgenden Band" 49 Und aus Stuttgart hatte Stälin bereits Ende 1849 an Pertz geschrie- ben: Abendunterhaltung ist Ihr Stein`. i50 Mit den 1854 Meine gegenwärtig , und 1855 erschienenen Bänden 5 und 6, in denen ausführlich über die Früh- geschichte der Monumenta berichtet wird, kehrte Pertz gleichsam zu seinem eigentlichen Arbeitsgebiet zurück. Die Leistungen von Pertz für die deutsche mittelalterliche Quellenforschung im mittleren Drittel des 19. Jh. haben zweifellos die Herausbildung des Histo- rismus gefördert, wenn nicht im Hinblick auf die theoretische Grundlegung, Über- so doch durch das Mitschaffen der Basis für geschichtskonzeptionelle legungen. Die Spezifik der 'für diese Studie herangezogenen Quellen und die spezielle Begabung von Pertz für die Organisation der Wissenschaft, die schon Ranke dem Epitheton von mit nicht genial, aber gediegen" erfaßt wurde, mußten biographisch-subjektive Momente etwas einseitig in den Vordergrund rücken. Für zahlreiche Historiker, bekannte wie Wattenbach und Waitz, die später selbst an der Spitze der MGH standen, und heute weitgehend unbe- kannte, die über die Materialsammlung und mehr oder weniger umfangreiche Quelleneditionen nicht hinauskamen, war die Arbeit mit Pertz eine handwerk- liche Lehre. Was sich im Alltag vieler einzelner Historiker als rein faktische Erweiterung des Wissens über Ereignisse der Vergangenheit darstellte, schuf letztlich mit die Basis für eine neue Geschichtskonzeption. Insofern scheint es schon wichtig zu sein, die oft opferreiche, aber auch findige Arbeit der Kärrner ins Blickfeld zu rücken und hinter dem, was die Entwicklung der Geschichts- wissenschaft im Großen ausmacht, die vielen Einzelpersönlichkeiten zu sehen, denen Geschichtsforschung Berufung und Beruf war und deren Wirken in

45 Wickert, Lothar, Theodor Mommsen. Eine Biographie, Bd. 2, Frankfurt a. M. 1964, S. 403 (Mommsen an Eduard Gerhard, 16.11.1847). .9 Otto Abel an Pert4 Berlin (richtig: Bonn), 21.6.1851. AAW MGH 121, Bl. 16. Abel in Frankfurt a. M. und Wattenbach in Wien reflektierten in Briefen an Pertz aus den Jahren 1848/49 die revolutionären Ereignisse. Eine Veröffentlichung dieser Do- kumente, die den Rahmen der vorliegenden Studie sprengen würde, behalte ich mir vor. ý0 Christoph Friedrich Stälin an Pertz, Stuttgart, 12.12.1849. AAW MGH 149, Bl. 11. Georg Heinrich Pertz 189 seiner- Gesamtheit den Professionalisierungsprozeß trug und mehr oder minder förderte Gerade dafür aber bietet der hier benutzte Briefwechsel von Pertz Überlieferungssituation ungeachtet seiner der geschuldeten. Zufälligkeit man- chen Anhaltspunkt und zuweilen sogar exemplarische Beispiele. Einer der letzten Mitarbeiter von Pertz war seit 1863 Hermann Pabst. Er wurde 28jährig im Jahre 1870 ein Opfer des deutsch-französischen Krieges, an dem er als Offizier teilgenommen hatte. Seine Briefe an Pertz zeigen ihn als einen aktiven Forscher und klugen Beobachter, aber auch als selbstbewußten Wahrer seiner eigenen als richtig erkannten Interessen, wobei zugleich ein Licht auf die Arbeitsmethoden Pertz fällt. So Pabst 1867: von schrieb Das, was ich nach allseitiger, reiflicher Erwägung als meine Pflicht erkannt, bin ich auszuführen entschlossen: meine wissenschaftliche Überzeugung kann ich nicht aufgeben. "51 Und der Beilegung des Streits Pertz: weiter, nach mit Zu einer wahrhaft ersprießlichen Thätigkeit des Einzelnen- erscheint mir aber vor allem die Selbständigkeit in dem von der Direktion zugewiesenen Kreise nöthig: nur wo diese besteht, wird auch das Gefühl der vollen Verantwortlich- keit rege und lebendig sein. Eine Revision von Seiten der Direktion, eine Korrektur etwaiger Irrthümer bleibt natürlicherweise vorbehalten: bei Ver- schiedenheit der Meinungen ist ja schon früher das Verfahren beobachtet, daß beiden ein Platz eingeräumt wurde. "52 Die ihm- von Pertz 1869/70 ermöglichte Italienreise zu archivalischen Studien betrachtete Pabst auch unter dem Gesichtspunkt, daß er dadurch ein persön- liches Ziel verwirklichen konnte. Damit ist eine Seite der Geschichte der Ge- schichtswissenschaft angesprochen, nämlich die individuelle Motivation des Beteiligten, die gewöhnlich weniger ins Blickfeld tritt. Nachdem Pabst schon aus Siena hatte: immer geschrieben Es war mein sehnlicher Wunsch, einmal längere ' Zeit in Italien leben zu können", kam er später noch einmal darauf zurück, wobei er jetzt die verpflichtende Wirkung her- solcher Dienstreisen" fortdauernd vorhob: Mir selbst geht es wol. Ich spreche es Ihnen gegenüber noch einmal offen aus, daß diese Reise' nach Italien auch einem meiner lange gehegten persönlichen Wünsche in umfassender Weise entspricht, -u. sehe darin ein neues Band, das mich mit den Monumenta u. mit Ihnen verknüpft. i54 Nur wenig mehr als vier Monate hatte der junge Gelehrte noch zu leben. Solche Reisen wie die von Pabst dienten natürlich der Förderung der MGH. Doch schloß das andere Arbeiten und Interessen nicht aus. So hat Pabst in Flo- für Ranke Archivforschungen renz auch durchgeführt, sogar auf dem Gebiet Geschichte. 5 der neueren Diese Information ist ebenso- aufschlußreich für die Arbeitsweise Ranke, dessen von wie sie Stellung und sein Verhältnis zu Pertz charakterisiert. Nicht ohne Interesse für den Prozeß der Professionalisierung ist eine Aussage von Pabst über Gespräche im Archiv von Florenz, in denen die Archivarausbildung behandelt wurde., %

51 Hermann Pabst an Pertz, Berlin, 25.5.1867. AAW MGH 141, Bl. 8. Hermann Pabst an Pertz, Berlin, 28.5.1867, ebenda, Bl. 14-14 r. Hermann Pabst an Pertz, Siena, 15.12.1869, ebenda, Bl. 45. ss Hermann Pabst an Pertz, Rom, 13.4.1870, ebenda, Bl. 60 r-61. 55 Dokument 19. 56 Dokument 20. 190 Grau, Conrad

Noch Pertz Mitarbeiter Pabst, von Berlin aus hatte seinen meinen gelehrten Gehülfen", an Augustin Theiner in Rom empfohlen, der seit 1855 Präfekt der Archive ihm zuverlässi- vatikanischen war. Sie werden an einen vollkommen gen Gelehrten finden, der sich mit vieler Kenntniß und lebhaftem Eifer unsern 57 Studien gewidmet hat", schrieb Pertz Pabst kam freilich 1869 in einem, Augen- blick nach Rom, als die Stellung Theiners wegen seiner nicht in jeder Hinsicht auf der, Linie des Vatikans liegenden Haltung und wegen seiner Kontakte zur Opposition des Vaticanums bereits untergraben war. Insgesamt fand Pabst die Arbeitsbedingungen im Vatikanischen Archiv nicht günstig, sie wären noch so Zeit der Reisen Pertz: immer fällt jeder Festtag jeder wie zu der von Noch u. Donnerstag ganz aus; noch immer ist die Arbeitszeit von neun bis auf zwölf beschränkt. "-*'ý8Im Zusammenhang mit der Beeinträchtigung der Arbeitsmöglich- , keiten von Theiner beklagte sich Pabst insgesamt über Schwierigkeiten der Archivbenutzung in Rom. ` Auch Theiner hat diese Situation in Zusammenhang mit seinem eigenen Schicksal instruktiv dargestellt G0 Publizierte Forschungsergebnisse und geschichtskonzeptionelle Überlegungen setzen die Marksteine im historiographischen Prozeß. Ergänzende Kenntnisse über alltägliche und handwerkliche Vorgänge im Leben von Historikern ver- mitteln in der Regel nur eigentlich nicht für die Öffentlichkeit bestimmte Briefe. Sie spiegeln unmittelbar wider, welche Probleme, den Schreiber im Beruf und im gesellschaftlichen Umfeld bewegten. Ihre Erschließung ergibt sich folglich als wichtiges Anliegen der Forschung.

Dokumente (Auszüge) Dokument 1 Pertz an Sir Thomas Philipps, Hannover, 28. November 1827

Soon after You left England, I have been appointed by the Kings Majesty chief of His library at Hannover, conserving my place as Counsellor of the Archives. So I find myself in a very agreable situation. The library is, as You know, very rich in the classes of history and jus publicum, and I hope to continue it in the same way. But as it has been for 20 years without any responsible chief, I find a great deal to do, and my time is therefore very limited. My next litterary publication will be the account of my last journeys in Germany, France and England, and the 2nd Volumed of the Monumenta, for which a great part is already prepared.

AAW MGH. 143, Bl. 3 r.

57 Pertz an Augustin Theiner, Berlin, 31.3.1869. AAW MGH 151, Bl. 10. Hermann Pabst an Pertz, Rom, 20.6.1869. AAW MGH 141, Bl. 22. 69 Dokument 21. cc Dokument 22. si Der 2. Band der MGH erschien 1829. Bresslau, S. 161. Georg Heinrich Pertz 191

Dokument 2_ Pertz an Gustav Adolf Harald Stenzel, Hannover, 29. Februar 1831 [! ]

Möge es nur nicht bald auch bei uns heißen: inter arma silent Musae. 12 Europa steht bereits in vollen Flammen, wie sollte Deutschland davon unberührt blei- ben, wenn Polen und Italien, Frankreich und die Niederlande so gewaltsam er- schüttert werden. Bisher haben diese Ereignisse bei uns nur eine heilsame Rei- nigung in, Hessen, Braunschweig u. Sachsen zur Folge gehabt; auch Hannover steht eine Reform bevor, die vom Könige selbst durch Ernennung des Herzogs von Cambridge zum Vicekönig eingeleitet ist. Ich hoffe, daß Befestigung der Regierungen, erhöhtes Vertrauen u. Wohlseyn unserer Landsleute daraus her- vorgehen, und Einigkeit Deutschland gegen die Fremden, sowohl Franzosen als Russen, stark und siegreich machen werde, wenn ein neuer Kampf uns bevor- steht.

AAW MGH 150, Bl. 20 r.

Dokument3 an Pertz, o. 0., o. D. [Kopenhagen, August 1838]

Die allgemeine politische Bewegung scheint sich hier etwas. gelegt und wieder mehr nach den Herzogthümern [Schleswig-Holstein] zurückgewandt zu haben; dagegen interessirt sich Alles für Hannover und ich habe nicht selten berichten, erzählen und halb anklagen, halb vertheidigen müssen.

AAW MGH 152, Bl. 25 r. Vermerk von Pertz: erh. 28.8.38, Antw. 3.9.38.

Dokument 4 Georg Waitz an Pertz, Hannover, 15. September 1841

Sollte aber in der Zwischenzeit über Ihre Berliner Verhältnisse sich etwas Näheres feststellen, so könnte das bei mir leicht den Wunsch veranlassen, von Leipzig aus auf ein paar Tage mit der Eisenbahn nach Berlin zu eilen. Ich will Sie also bitten, mir das gütige Vertrauen, das Sie und Ihre Frau Gemahlin mir in dieser wichtigen Angelegenheit bisher erwiesen haben, auch in meiner Ab- wesenheit mir nicht entziehen zu wollen. Niemand kann an diesem Ereignisse lebhaftern Antheil nehmen als ich. Auf der Reise wurde der Sache viel gedacht;, ich enthielt mich natürlich jeder Mittheilung deßen, was ich von Ihnen wußte. Doch war alles sehr bekannt und alle glaubten einstimmig, Sie würden und müßten folgen. Ich sehe, daß jetzt selbst hier in Hannover diese Meinung sich geltend macht. Auch habe ich hier nie die 'Stimmung so unglücklich, so fast verzweiflungsvoll wie jetzt gefunden.

AAI'V MGH 152, Bl. 77-77 r.

Q Vgl. Löschburg, S. 20 ff. 192 Grau, Conrad

Dokument' 5 Georg Waltz an Pertz, Paris, 9. Februar 1839

Es liegt mir die angenehme Pflicht ob, Ihnen zuerst auch meinen Glückwunsch zu der vorgestrigen Ernennung zu sagen, die Ihnen als eine verdiente Anerken- nung Ihrer großen Verdienste für die mittelalterliche Geschichte gewiß eine kleine Freude gemacht hat. Aber doch scheint mir, daß die Franzosen noch auch Gewicht darauf legen, Sie für Ihre Akademie' gewonnen zu haben als Sie es thun werden ihr anzugehören, obschon sie ein Recht hat, sich als die erste gelehrte Corporation Europas zu betrachten und ihre Ehren als solche geschätzt zu werden pflegen. Ich kann es unterlassen, Ihnen über die Geschichte der Wahl Details zu senden, da außer dem officiellen Schreiben des Secretairs, wie ich höre, schon 3 sich die Freude gemacht haben, Ihnen davon zu melden. Ich will nur hinzufügen, daß man sich unter Ihren Freunden ernstlich streitet, wer am meisten Verdienst um die Sache habe: neben GuerarcP4 und Pardessus' recla- mirt auch Hase, von dem ich Grüße und Glückwünsche melden soll, seinen Theil. Selbst ReinaudG7 fand sich ein, seine Theilnahme zu bezeugen. Im Grunde ist der Streit aber sehr unnütz, da die fast völlige Einstimmigkeit zeigt, daß alle daßelbe wollten und es keiner Bemühung bedurfte. Ein beifälliges Gemurmel lief durch die Versammlung, sagt Pardessus, als er Ihren Namen vorschlug.

AAW MGH 152, Bl. 35.

Dokument 6 Heinrich Konrad Föringer an Pertz, München, 22. März 1842

dem Resultate daß durch Norm der frag- ... zu gelangt, zwar eine geschriebene liche Fall einer Versetzung, Quiescirung oder Entlassung akademischer Mitglie- der nicht vorgesehen ist, daß jedoch hinsichtlich des Umfangs der in dieser Be- ziehung der Regierung, d. h. dem König zustehenden Gewalt kein Zweifel obwalten kann.... Versetzung eines Staatsdieners kann aus administrativen Rücksichten oder infolge organischer Einrichtungen jederzeit verfügt werden, wenn damit keine Zurücksetzung in Bezug auf die Dienstesklasse oder auf den ständigen Gehalt verbunden ist.... Steht das akademische Mitglied nicht im bayer. Staatsdienste, so kann es zwar ohne richterliches Urtheil nicht versetzt werden, aber daß es auf den bloßen Befehl des Königs aus den Listen der Akademie gestrichen werden kann, wenn nicht etwa die Akademie ihre eigene hat, Gesammt-Existenz aufs Spiel zu setzen Lust - kann nicht bezweifelt werden, und der einzige wirklich vorliegende Präjudicial-Fall mit Hormayrl, der auf eine solche allerhöchste Order hier im J. 1809 aus der Liste der akad. Mitglieder

63 Academie des Inscriptions et Belles-Lettres de 1'Institut de France in Paris. G" Guerard, Benjamin Edme Charles (1797-1854). 65 Pardessus, Jean Marie (1772-1853). 66 Hase, Karl Benedikt (1780-1864). 07 Reinaud, Joseph Toussaint (1795-1867). cs Hormayr, Joseph Freiherr v. (1782-1848), 1801 Korr. Mitgl. d. Bayerischen AdW, 1809 ausgeschlossen, 1817 Ausw. Mitgl., 1828 Ord. Mitgl., 1832 Ausw. Mitgl. Georg Heinrich Pertz 193 . gestrichen wurde, ist ein hinlänglicher Beleg hierfür. Das Plus oder Minus der Selbständigkeitsrechte der Akademie liegt ja lediglich in' der Hand des Königs. Die jüngste Erweiterung des frühern Vorbehalts der königlichen Ernennung eines Mitgliedes auf die k. Ernennung von sechs Mitgliedern ist unter anderm ein exemplum ad minus. Die Quiescirung eines b[ayerischen] Staatsdieners hat übrigens auf seine Eigen- schaft als Akademiker keinen Einfluß, er bleibt Akademiker nach wie vor; nur die Versetzung von München weg macht. nothwendiger Weise das ordentliche einheimische Mitglied zum correspondirenden.

AAW MGH 127, B1.55-55 r.

Dokument 7 Heinrich Konrad Föringer an Pertz, München, 22. März 1842

Die Bibliothek [in München] hat 10 etatsmäßig angestellte eigentliche Beamte: einen Oberbibliothekar mit dem Range und Titel eines Directors; einen Unter- bibliothekar/: /, 4 Custoden, 2 Sekretäre schlechtweg Bibliothekar" genannt: und 2 Scriptoren. Das subalterne, nicht definitiv angestellte Personal besteht gegenwärtig außer dem - ursprünglich für die Bearbeitung der bayer. Hand- schriften aufgenommenen functionär Hoheneicher aus 3 Praktikanten /: Biblio- thekdienst-Aspiranten: / und aus 5 Bibliotheksdienern, von welchen sich der jüngste: Bibliotheksbote Heitzer lassen Bücherträger" u. ein andrer u. schimpfen muß, davon letzterer jedoch das Bene hat, daß er nicht als simplex, sondern dupliciter functionirt u. bezahlt ist, indem seine Frau das Heitzungs- und Bodenreinigungsgeschäft mit ihm theilen darf. Dem Director (Oberbibliothekar, mit einem Geldgehalte von 2.200 f. und eini- Punkte gen Klaftern Brennholz) obliegt außer der - hinsichtlich einiger vom General-Conservator der wiss. Sammlungen des Staats, i. e. dem Vorstande der die Akademie d. Wiss., abhängigen - obersten Leitung der Anstalt gesammte amtliche Correspondenz und die Verausgabung der Bibliotheksfonds, wovon 12.000 f. unüberschreitbar für Bücher-Ankauf und 6.000 f. für den Regiebedarf (Taggehälter der Praktikanten u. Diener, Buchbinderlohn, Schreibmaterialien, Porto pp. ) bestimmt sind; die Entscheidung über die zum Ankauf vorgeschla- genen oder vorgelegten Bücher p. Ob wir gegenüber unserem Vorstande in einer monarchischen, aristokratischen oder republikanischen Verfassung leben, wissen wir selbst nicht (unsere Satzun- gen bestimmen hierüber nichts); sie ist wohl eine monarchisch-constitutionelle, denn Lichtenthaler69, der übrigens nicht bloß die Anstalt und alle ihre Interes- sen, sondern auch uns alle mit wahrhaft väterlicher Liebe u. Sorgfalt umfaßt, ruft uns bei allen wichtigeren Angelegenheiten zusammen, berathet [sich mit] uns, und - verbescheidet dann die Sache, wie Ihm gutdünkt. - Nur eine Parthie unserer Anstalt giebt es, die offenbar aristokratisch organisirt ist u. in welcher der Unterbibliothekar u. wir Custoden eine gewichtige Rolle spielen, das ist der Verkauf der Doubletten, deren Erlöse einen integrirenden Theil unserer Fonds

611Lichtenthaler, Johann Philipp v. (1778-1857).

13 Jahrbuch 37 194 Grau, Conrad bilden. Nach dem Befehle der obersten Rechnungskammer muß nemlich jeder Verkaufbeleg zum Zeichen des Einverstandenseyns mit den Verkaufspreisen von uns eigenhändig unterschrieben seyn.

Das angestellte Personal reicht nach seinem gegenwärtigen Stande mit knapper Mühe zur Erledigung der Gesammt-Currentgeschäfte hin; nur darf an eine Er- weiterung dieser letzteren, z. B. an Potenzirung der Cataloge, nicht gedacht wer- Weise Aufstellungsmethode ist im Allgemeinen den. - Die Art und unserer von Molbech70 S. 60 richtig angegeben: sie ist eine systematisch-alphabetische, eine Zerfällung der Gesammtmasse in XII Hauptklassen u. dieser wieder in c. 180 Unterabteilungen /: Fächer: / nach den 3 Formaten, in deren jedem die Bücher alphabetisch nach den Namen der Autoren aufgestellt sind. Die Evidenthaltung des Alphabets, d. h. die Einreihung des neuen Zugangs wird durch Anwendung von Buchstaben-Exponenten erzielt. Einige der Unterfächer sind etwas zu groß angelegt, auch hat man bei der primitiven Nummerngebung übersehen, für den Nachwuchs durch Offenhaltung (Nichtbesetzung) von Nummern geeignete Sorge zu treffen; infolge der dadurch veranlaßten Häufung der Buchstaben-Exponen- ten drohen uns hinsichtlich des Einschalten der Nachträge Verlegenheiten, die vieleicht in 20 bis 30 Jahren partielle Umnummerirungen in den Oktavformaten nothwendig machen werden; im Allgemeinen aber ist diese Aufstellungsweise zuverläßig die beste, d. h. die brauchbarste, die es geben kann. Daß sie dem Ideale eines wissenschaftl. Bibliothek-Systems nicht entspreche, muß freilich zugegeben werden; allein, welche andere Aufstellung entspricht jenem Ideale ganz? Mit welchen unsäglichen Schwierigkeiten u. Jämmerlichkeiten hat die vielgepriesene größere Annäherung an das Ideal zu kämpfen? Welche Ver- schwendung edler Kräfte ist es, wenn einem Phantome zulieb die Bibliothekare in höchsteigner Person das gräßliche Geschäft des Deponirens und Herbeiholens der Bücher zu versehen genothzüchtigt sind? Und wozu nutzt die nach den kleinsten systematischen Fasern durchgeführte Aufstellung /: in die sich außer ihrem Urheber kein selbstdenkender Kopf ohne ziemliche Selbstverläugnung B. in in jeder öffentlichen, der finden kann: / wenn - wie es z. unserer u. wohl größtmöglichen Benutzung dargebotenen Bibliothek der Fall ist, Tausende von Büchern und zwar die beßten u. neuesten fortwährend ausgeliehen, also nicht am Fache sind?

AAW MGH 127, Bl. 55 r-56 r.

Dokument 8 Wilhelm Wattenbach an Pertz, Wien, 12. /13. November 1847

Sehr erfreulich war mir aus Ihrem Briefe zu erfahren, daß Sie mit den in Lübeck` zugebrachten Tagen so wohl zufrieden sind; auch aus Lübeck fand ich hier ausführlichere Briefe vor, die freilich einiges Bedauern in mir erregten,

70 Molbech, Christian (1783-1857), Ueber Bibliothekswissenschaft oder Einrichtung und Verwaltung öffentlicher Bibliotheken. Nach d. 2. Ausg. d. dänischen Originals übers. von H. Ratjen, Leipzig 1833, S. 60 ff. u. passim. 71 Germanistentagung in Lübeck, September 1847. Georg Heinrich Pertz 195 daß ich in diesen Tagen nicht hatte dort sein können, allein ich muß mich schon mit dem vielen Interessanten und Lehrreichen dieser Reise zufrieden geben, da sich einmal nicht alles vereinigen läßt. Ihre Bekanntschaft gemacht zu haben, ist den Meinigen eine große Freude gewesen, und mein Schwager schreibt mir besonders sehr erfreut darüber, daß Sie es sich bei ihm haben gefallen lassen. Ueber die Verhandlungen selbst habe ich wenig erfahren und warte den Druck derselben ab, für jetzt aber habe ich ein Anliegen in Bezug darauf. Der Reg. rath Chmeln nämlich, der mich auch jetzt wieder sehr freundlich aufgenommen hat, wünscht sehr zu erfahren, was in der histor. Section u. dem hist. Verein eigent- lich beschlossen ist. Er wird nämlich in der Akademie einen Vortrag halten über den Zustand und die Bedürfnisse der geschichtlichen Forschung, um Vorschläge für die Thätigkeit der Akademie und auch in Bezug auf die noch übrigen Wahlen zu machen. Er wünscht da besonders den Anschluß an auswärtige Be- strebungen zu bewirken, um daran auch einen Anhalt zu haben, und bittet also um Nachricht von dem Stande der Arbeiten, namentlich in Bezug auf die Aus- gabe der Reichstagsakten. Durch Mittheilung davon also, binnen 14 Tage, wür- den Sie mich und Hrn Chmel sehr verbinden.

AAW MGH 153, Bl. 21 r.

Dokument 9 Wilhelm Wattenbach an Pertz, Wien, 4. Dezember 1847

Die' Nachricht von den Beschlüssen der Germanistenversammlung [in Lübeck] war H. Chmel sehr lieb, da gerade am folg. Tage die erste Classensitzung der Akademie war. Es ist eine Commission niedergesetzt, um über die zweckmäßig- ste Richtung ihrer Thätigkeit motivirte Vorschläge auszuarbeiten. Alles hofft auf ihre Unterstützung bei Druckwerken; zunächst wird das Diplomatar von Kremsmünster gedruckt, und Sachen der San Blasianer. Man macht Pläne für eine l; cole des Chartes, da allerdings der Mangel geeigneter Arbeiter größere Schwierigkeiten bietet wie die Gelder, welche wirklich vorhanden sind. Es wäre sehr schön, wenn die Archive und Bibliotheken der Klöster auf diese Weise mit besser ausgebildeten Männern besetzt würden, da sie jetzt oft bei gutem Willen zu nichts kommen, weil sie auf verkehrte Weise anfangen und keine gehörige Vorkenntnisse haben.

AAW MGH 153, Bl. 24.

Dokument 10 Wilhelm Wattenbach an Pertz, Heiligenkreuz, 16. Dezember 1847

Der Bibliothekar, Prof. Adolf, den ich noch von meinem ersten Besuche kannte, empfing mich sehr freundlich und hat den besten Willen, mich auf alle Weise zu unterstützen. Leider bietet er nur ein trauriges Beispiel der Vernachlässi-

'+ Chmel, Josef (1798-1858).

13" 196 Grau, Conrad gung, worin sich, namentlich bei den Cisterciensern, die nicht praktisch noth- wendigen Wissenschaften befinden. Er -ist Professor des Alten Bundes, und hat daneben die Bibliothek, der er also nur wenig Zeit widmen kann, und alle dazu erforderlichen Kenntnisse muß er sich rein autodidaktisch mit sehr mangel- haften Hülsmitteln (J. A. Fabriciiisn ist hier unbekannt) und ohne alle Auf= munterung u. Theilnahme, oder gar Hülfe, von anderen erwerben. An Eifer für die Sache fehlt es ihm gar nicht, er hat viel* für die Geschichte des Stifts und namentlich der Bibliothek gesammelt, aber an Vorbildung für diese Studien fehlt es ihm sehr. AAW MGH 153, Bl. 25.

Dokument 11 Wilhelm Wattenbach an Pertz, Wien, 6. Januar 1848

Die Akademie [in Wien] wird einige Gelegenheit [zur Quellenpublikation] bie- ten, aber lange nicht genügend. Daher ist es sein [Chmels] Lieblingsplan, eine Zeitschrift dazu zu gründen, die auch andern Gelegenheit dazu gäbe (z. B. Voigt7i hätte vieles), die auch den Vereinen zum Mittelpunkt diente. Er wäre bereit, zu etwa 40 Bogen jährlich die Hälfte der Druckkosten zu übernehmen, denn wie schlimm. es ist, dabei "von Verlegern abhängig zu sein, hat er bei seinem Ge- schichtsforscher' empfunden. Hier sind viele Umstände im Wege, in Berlin schon das Bestehen der Schmidt'schen Zeitschrift76, und außerdem würde ihm ein zu lebhafter Verkehr mit Berlin zu sehr verdacht werden. Da ist sein Ge- danke, ob es nicht möglich wäre in Frankfurt als an einem neutralen Platze etwas der Art ins Leben. zu rufen. Ob sich wohl Dr. Böhmer dafür interessiren würde? Schwierig würde es aber sein, einen Redacteur zu finden. Wäre wohl Aussicht, die andere Hälfte der Kosten zu decken? d. h. etwa 200 fl., wenn man. nur den Druck nimmt. Die ganze Sache beschäftigt ihn sehr, und er hat mich gebeten, um Ihre Ansicht von der Sache anzufragen. Er hatte gehofft, daß in Regie- Lübeck eine solche Zeitschrift gegründet wäre. - Wenn etwa die Preuß. rung zur Unterstützung einer solchen Unternehmung geneigt wäre, so würde. hier ist keine Aussicht. man vielleicht nachfolgen, sonst . AAW MGH 153, Bl. 28.

Dokument 12 Josef Chmel an Pertz, Wien, 1. Januar 1853

Daß unsere Akademie, die jüngste unter den deutschen, wenigstens guten " _ Willen hat, darf ich versichern.

,3 Fabricius, Johann Albert (1668-1736). Edierte u. a. die Bibliotheca latina mediae et infimae aetatis, 5 Bde., Hamburg 1734-1736. 7i Voigt, Johannes (1796-1863). 75 Chmel, Josef, Der österreichische Geschichtsforscher, Bd. 1-3, Wien 1838-1842. 79 Schmidt, Wilhelm Adolf (1812-1887). Begründete 1844-1848 die und redigierte Zeit- schrift für Geschichtswissenschaft" in Berlin. Georg Heinrich Pertz 197

Es fehlen aber noch viele, viele Arbeiter, denn es bleibt auf dem Felde der Geschichte unseres vielgliedrigen Staates noch sehr viel zu thun: Leider sind der Leute, welche Assignation und Sinn für mühsame Forschung haben, nicht gar viele. Was ein Einzelner thun kann, der die Desideranda wenigstens kennt, soll geschehen.

AAW MGH 124, Bl. 31 r-31 ar.

Dokument 13 Wilhelm Wattenbach an Pertz, Wien, 3. Februar 1848

freue ich Glückwunsch der Ehrenmitgliedschaft ... mich zugleich, meinen zu der K. Akademie der Wissenschaften hinzufügen zu können, welche gestern bei der feierlichen Eröffnung derselben öffentlich verkündigt wurde. Es war sehr erfreulich, hier in Wien eine solche Versammlung vereinigt zu sehen, um der Wissenschaft eine Anerkennung zu bezeugen, welche ihr hier noch nicht zu Theil geworden war, und die hier vielleicht noch mehr Bedeutung hat, wie in anderen Ländern, da im Staatsdienst wenig Gelegenheit ist, sich durch Beschäf- tigung mit den Wissenschaften auszuzeichnen, wie denn auch z. B. die Wiener Universität in der Akademie sehr schwach vertreten ist. Für historische Studien verspricht sie durch ihre reiche Dotation manchen Gewinn, und bietet hoffent- lich mehreren Gelegenheit, sich damit zu beschäftigen; die Ausgabe von Fontes ist gleich beschlossen und dazu ein Ausschuß von 3 Mitgliedern, Chmel, Kara- jan" und (ich glaube) Bergmann78, eingesetzt.

AAW MGH 153, Bl. 33.

Dokument 14 Thomas Phillips an Pertz, Middle Hill, o. D. [1846]

I should be very unworthy of the Honor of being a Member of the Royal Aca- demy of Berlin'", if I did not assist in every way in which I consistently could in aiding + promoting so grand and well conducted a work as that of the Scrip- tores Germanici + therefore I beg you will accept of the Transcript which I intend to make for you + if you will send me the Proof Sheets of Hugo, I shall be very happy to collate them for you. I shall have occasion to write to you again soon in which will reply to the other points of your letter. I two the transcript now send sheets of ... AAW MGH 143, B1.9-10.

77 Karajan, Theodor Georg Ritter v. (1810-1873). 78 Bergmann, Josef Ritter v. (1796-1872). Thomas Phillips (1801-1867) war seit 27.2.1845 Korr. Mitgl. der Preußischen AdW. 198 Grau, Conrad

Dokument 15 Gustav Friedrich Hänel an Pertz, 5. Dezember 1831

Zwar Sie deren [der Schwächen ich werden Catalogiiß0j wohl wahrnehmen und habe deshalb einen strengen Richter zu erwarten, wie ich es auch nicht anders wünsche, denn mir ist es um Wahrheit zu thun, aber wohl auch einen competen- ten und gerechten Richter, da Sie infolge eigener Reisen am besten zu beur- theilen im Stande sind, mit welchen unendlichen Schwierigkeiten eine der- gleichen Sammlung verbunden ist und daher meine Absicht wohl gemeinnützig zu nennen, welche dahin geht, bei dem Mangel früherer Nachrichten künftigen Forschungen wenigstens einen Fingerzeig auf den einzuschlagenden Weg zu geben. ÄAW MGH 133, Bl. 5.

Dokument 16 Theodor Sickel an Pertz, Wien, 3. Oktober 1862

Ich habe die Absicht, die Urkunden der ganzen Karolingerzeit81, etwa wie ich denen Ludwigs es mit d. D. versucht habe, einer eingehenden Untersuchung zu unterziehn: die Resultate sollen einerseits in einer systematischen Urkunden- lehre für diese Zeit, andrerseits in Regesten niedergelegt werden (letztere etwa in der Weise Meillers82 mit kritischen Anmerkungen versehn). Als Zuthat zur Urkundenlehre will ich Facsimiles veröffentlichen, um an ihnen die äußeren Merkmale, von denen die Kritik auszugehen hat, zu veranschaulichen.

Ich glaube, so viel als man von dem einzelnen verlangen kann, gethan zu haben, um mich in der Weise wie ich es beabsichtige für eine Bearbeitung der Karo- lingerdiplome vorzubereiten. Mit Ausnahme von Euer Hochwolgeboren hat keiner Mitlebenden wahrscheinlich der eine solche Anzahl von Originalen unter- sucht und für sich allein so viel Material gesammelt wie ich. Aber die Kräfte des einzelnen reichen hier nicht aus. Das hat man in Frankreich besonders mir gegenüber anerkannt und in Folge davon mir eine allseitige Unterstützung zu Theil lassen: dort werden sind mir auch von den Orten, die ich nicht selbst besuchen konnte, Abschriften und Notizen aller Art zur Verfügung gestellt. Ich habe die Vorarbeiten für die von dem Institut beabsichtigte Ausgabe der Diplome benutzen können, ich habe von Urkundenwerken, die vielleicht erst in Jahren erscheinen werden, die für mich wichtigen ersten Druckbogen erhalten, die Generalverwaltung der Departementalarchive hat mir die größten Dienste erwiesen und sich zu jeder weiteren Unterstützung erboten usw. So gebiete ich für meine Arbeit über das ganze Material in Frankreich, ebenso in der Schweiz

so Hänel, Gustav Friedrich (1792-1878), Catalogi librorum manuscriptorum, qui in bibliothecis Galliae, Helvetiae, Belgii, Britanniae M., Hispaniae, Lusitaniae asser- vantur, Leipzig 1830. 81 Sickel, Theodor Ritter v. (1826-1908), Acta regum et imperatorum Carolinorum, 2 Bde., Wien 1867. 83 Meiller, Andreas v. (1812-1871), Regesten zur Geschichte der Markgrafen und Her- zoge Oesterreichs aus dem Hause Babenberg, Wien-1850. Georg Heinrich Pertz 199 und so ziemlich schon in Deutschland. Aber es fehlt mir ganz aus den Nieder- landen und aus Italien, und ich muß mich im voraus außer Stande erklären, mir dasselbe noch selbst zu verschaffen. Soll ich nun in Bezug auf diese Gebiete mich auf das gedruckt vorliegende Material beschränken? Mir persönlich wird kein Vorwurf daraus gemacht werden können, aber meine Arbeit wird doch nach dieser Seite hin dadurch leiden. Davon bin ich selbst um so mehr überzeugt, da meine bisherigen Vorarbeiten mich hinlänglich die oft jedes bestimmte Urtheil unmöglich machende Mangelhaftigkeit des bisher gedruckt vorliegenden Mate- rials erkennen ließen. Um die Aufgabe, die ich mir nun einmal gestellt habe und für deren Lösung ich mich befähigt halte, ganz und gleichmäßig durch- führen zu können, richte ich daher an Euer Hochwolgeboren die ergebenste Bitte, mir gütigst auch die Benutzung des in Ihren Händen befindlichen Mate- rials gestatten zu wollen. Ich brauche nicht zu sagen, welchen wesentlichen Nutzen ich daraus für meine Arbeit gewinnen würde, wie dankbar ich dafür sein würde. Ich hebe nur das andere hervor, daß meine Arbeit, wenn sich auch nicht alles in ihr bewähren sollte, doch auch eine Vorarbeit wird für die von uns allen sehnlich erwartete Ausgabe der Urkunden in den Monumenta und daß diese wesentlich dadurch gefördert werden kann, wenn ich in den Stand gesetzt werde, nicht nur über ein Theil des neu revidirten Materials, sondern über das gesammte Material zu verfügen und dasselbe kritisch zu sichten. Es ist eine ganz besondere Gunst, die ich von Ihnen, hochverehrter Herr, erbitte, und es handelt sich dabei vor Allem um Ihr persönliches Vertrauen in meine Tüchtigkeit, in meine Befähigung zu der Arbeit, die ich vorhabe. Mir kommt es nicht zu, davon weiter zu reden, und ich füge nur das hinzu, daß ich zu jeder weiteren Auskunft über den specielleren Plan meiner Arbeit, sobald Sie die- selbe vor einer definitiven Entscheidung von mir fordern zu müssen glauben, [bereit bin]. Dann bemerke ich noch, daß ich natürlich, im Fall einer gütigen Gewährung meiner Bitte, keine Zusendung des betreffenden Materials bean- spruche, sondern die Osterferien dazu benützen würde, nach Berlin zu gehn.

AAW MGH 148, Bl. 3-6 r.

Dokument 17 ' Pertz an Theodor Sickel, Berlin, 30. Oktober 1862

Was nun die von Ihnen für die Karolinger beabsichtigte und bereits so weit fortgeführte Arbeit betrifft, so ist sie in hohem Grade verdienstlich, und wie für die Karolingische, so auch für alle folgenden Perioden die nothwendige Grundlage der künftigen Ausgaben. Daher habe ich auch solche bereits für Perioden mehrere schon vor mehreren Jahren unternehmen lassen, und nur die Nothwendigkeit, mit den Geschichtsschreibern zunächst vorwärts zu kommen, hat abgehalten, zu der Ausgabe der Urkunden fortzuschreiten. Dieser Verzug, Niemand welchen mehr als ich selbst bedauerte, hat dann von Seiten mehrerer Bearbeiter einzelner geschichtlicher Perioden und Gegenstände die Wünsche Einsicht veranlaßt, von dem für die Monumenta gesammelten Material, soweit es ihnen nützlich sein würde, zu erhalten; Wünsche, deren subjective Berechti- gung in ihrem Kreise nicht verkannt wurden, deren Erfüllung jedoch deshalb nicht thunlich war, weil sie, einmal gewährt, zu anderen Forderungen führen 200 Grau, Conrad mußten, welche im Interesse des Unternehmens selbst nicht, gewährt werden durften. Ich nenne in dieser Beziehung nur zwei solcher Anforderungen, -die des Herrn von Raumee' zuerst und die des Herrn Dümmler8` zuletzt. Auf Veran- lassung des 'ersten dieser Fälle ist unter ausdrücklicher Bestimmung des Mini- sters vom Stein der Beschluß gefaßt worden, solche Benutzung des für die Monumenta gesammelten Stoffs nicht zu gestatten; und sehe ich mich daher zu meinem Bedauern verhindert, Ihrem mir bezeugten Wunsche zu entsprechen. Dieses wird jedoch nicht verhindern, daß ich in solchen Fällen, wo Sie über irgend eine bestimmte Urkunde, welche sich in unsern Sammlungen befindet, Aufschlüsse zu erhalten wünschen sollten, sie Ihnen mit Vergnügen ertheile.

AAW MGH 148, Bl. 7 r-8 (Abschrift).

Dokument 18 Pertz an Christoph Friedrich Stälin, Berlin, 23. Februar 1864

Ich hege den lebhaften Wunsch, daß dieses [die Besetzung der durch den Tod von Johann Friedrich Böhmer (1795-1863) freigewordenen Stelle in der Zentral- direktion der MGH] durch Sie, verehrtester Freund, und Lappenberg' gesche- hen möge, indem ich von Ihnen. beiden die wohlbegründete und feste Ueber- zeugung hege, daß Sie mir mit wohlwollendem und erfahrenem Rathe gern zur Seite stehen- werden. Sie standen unserm seligen Freunde so nahe, daß ich durchaus in seinem Sinne handle, ja ich habe darüber mit ihm gesprochen und Sie ganz besonders genannt, wobei er noch den eigenthümlichen Vortheil er- kannte, daß Ihre Wahl Süddeutschland ein erwünschtes Pfand gerechten Ein- flusses geben würde. Worin unseres Freundes Theilnahme an den Geschäften bestand, wird Ihnen aus dessen Aeußerungen hinlänglich, bekannt sein. Die alle zwei Jahr erforderlichen Berichte über die vdllendeten Arbeiten nebst den betreffenden Bänden der Monumenta, Scriptores, Archiv, Regesten, sowie Rechnungsuebersicht über die Verwendung der von den Bundesregierungen eingegangenen Unterstützungsgelder sind, da unser seliger Freund sich von allen solchen Geschäften losgemacht hatte, seit 1844 sämmtlich von mir ent- worfen, ihm mitgetheilt und nach erfolgter Prüfung und Billigung durch ihn in als Frankfurt anwesend - von uns beiden unterschrieben - der Bundesver- sammlung übergeben, und die Antwort darauf entgegengenommen und mir mitgetheilt worden. Das war seine wesentliche Theilnahme an den Geschäften. Ich dagegen theilte ihm jedes irgend bedeutende Ereigniß, Entdeckung von Handschriften, Erfolge der Reisen mit, befragte ihn um seine Meinung und habe eine solche nur der Förderung der Sache geltende Zustimmung seiner Seits gefunden, wie sie nur je gewünscht werden konnte. Die Meinungsverschieden- heiten, die sich hinsichtlich des Formats der Monumenta gezeigt haben, sind von

$ý Raumer, Friedrich Ludwig Georg v. (1781-1873), Geschichte der Hohenstaufen und ihrer Zeit, 6 Bde., Leipzig 1823-1825. Dümmler, Ernst Ludwig (1830-1902), Geschichte des Ostfränkischen Reichs, 2 Bde., Leipzig 1862-1865. F,' Lappenberg, Johann Martin (1794-1865). Vgl. Postei, Rainer, J. M. Lappenberg. Ein Beitrag zur Geschichte der Geschichtswissenschaft im 19. Jh., Lübeck/Hamburg 1972. Georg Heinrich Pertz 201 beiden Seiten auf ehrlicher Ueberzeugung beruhend gewesen, obwohl ich frei- lich glaube, sie würden nie entstanden sein, wäre ich in Hannover geblieben und nicht nach Berlin gegangen. Indessen haben sie sich ganz zuletzt wieder ausgeglichen, da ich mit seinem Beifall die Octavausgabe der Scriptores be- schlossen, mit Hahns darüber Verabredung getroffen und zum Angriff willig bin. Es darf aber dabei der Fortschritt des Hauptwerkes nicht leiden; wir haben zu bedenken, daß uns jetzt zunächst vorliegt: 1. Die Herausgabe des 13.14.15. Bandes der Monumenta Scriptores, nämlich die Merowingisch-Langobardischen Geschichtsquellen und die Geschichtsschrei- ber der Päbste; 2. nach bald bevorstehender Beendigung des 19. Scriptoren-Bandes, der jetzt im Drucke halb vollendet ist, der 20.21., die Chroniken der Staufischen Zeit, Otto von Freisingen, Helmold, Arnold, Gottfried von Mileto, Gisilbert von Henne- gau, Ursprungensis, Eimo und Manko, Albericus trium fontium u. a., auf die schon lange geharret, wird, nebst den folgenden Geschichtswerken; 3. der 4. Band der Leges, jetzt im Druck, nebst den 5.6.7. Gesetzen und For- meln; 4. Die Kaiserurkunden, welche nach gemeinsamem Beschluß Böhmers und meiner meinem Sohn übertragen sind, und wovon jetzt nach dessen Reisen in früheren Jahren und zuletzt 1862 & 63 durch Süddeutschland, Schweiz, Paris, Metz, Trier pp. die Merowingisch-Karolingischen der Ausgabe entgegen gehen. 5. Die Briefe sind in Arbeit, die des Bonifacius fast druckfertig, warten nur auf Cassiodors Vollendung durch Prof. Haupt, 87 damit der 1. Band Epistolae er- scheine, welchem die folgenden rasch folgen können, da Stoff hinreichend vor- handen ist. Sie sehen, verehrter Freund, wir haben noch Berge Arbeit vor uns, obwohl die Hauptsache freilich gethan ist und die Lawine den Berg hinunter rollt. Was nun aber die Octavausgabe betrifft, so waren Dr. Böhmer und ich der Meinung, keineswegs jetzt Waitz Bände - wie vorschlägt - die sämtlichen gedruckten nochmals unverkürzt abzudrucken, sondern 1. nur die speciell deutschen Quellen, 2. mit Weglassung der abgeschriebenen Stücke, 3. nur mit einer Auswahl bedeutender Varianten. So wird die Sache ausführbar. Wie kann man dem Buchhändler ansinnen, die schon jetzt erschienenen und im Druck befindlichen 20 Foliobände nebst den nächstbevorstehenden wenigstens 6 Scriptorenbänden, 3 Leges, 3 oder 4 Epi- ich 5 6 Kaiserurkundenbänden 40 Folio- stolae und, sage wenig, oder - also bände, von denen er die Hälfte erst gedruckt hat - auch noch in Octavformat drucken zu lassen?

Hahn, A. Heinrich Wilhelm d. (1760-1831), begründete 1792 in Hannover eine Verlagsbuchhandlung, die von seinem Sohn Heinrich Wilhelm Hahn d. J. (1795 bis 1873) weitergeführt wurde. In diesem Verlag erschienen die MGH und das. Archiv". Hahn d. J. war mit Pertz befreundet; ihm 1865, daß Nachbars- er schrieb wir als kinder schon zusammen spielten und noch nicht unsere einstige bevorzugte Stel- lung in der Welt kennen konnten" (Bresslau, S. 133). Zum Streit um das Format der MGH-Bände vgl. ebenda, passim, vor allem S. 149,359 ff. 51,Haupt, Moriz (1808-1874). Am Cassiodor arbeitete er seit 1846. 202 Grau, Conrad

Ueber alle diese Gegenstände werde ich mich sehr freuen, Ihre Meinung und Rathschläge zu vernehmen und hoffe aufs lebhafteste, daß Sie solche mir und dem vaterländischen Werke, welches wir aus dem Nichts bis hierher gebracht haben, nicht versagen wollen.

AAW MGH 149, Bl. 37-38 (Abschrift).

Dokument 19 Hermann Pabst an Pertz, Siena, 31. Oktober 1869

Durch einen eigenthümlichen Zwischenfall ward mein Florentiner Aufenthalt über Erwarten verlängert. Der preußische Gesandte, Graf Brassier de St. Si- mon88, nemlich war vor seiner Abreise von Berlin von Ranke gebeten worden, die im Florentiner Archiv befindliche Korrespondenz aus den Jahren 1780 bis 1790 durch einen Sachverständigen untersuchen zu lassen. Da sich nun augen- blicklich kein anderer deutscher Historiker in Mittelitalien befindet als ich; da weiters mein Name auf der Preußischen Gesandtschaft in Florenz sehr bekannt ist, so war es ziemlich natürlich, daß Graf Brassier zur Erfüllung jener Bitte sich an mich wandte. Persönliche Gründe, Ranke einen Gefallen zu erweisen, . habe ich gar nicht: wol aber glaubte ich es seiner Stellung in der Wissenschaft überhaupt wie speziell zu Ihnen, dann auch der Persönlichkeit des Vermittlers schuldig zu sein, dieser Aufforderung nachzukommen. So habe ich denn über zwanzig Bände diplomatischer Korrespondenz durchgesehen. Die Ausbeute ist freilich sehr dürftig, höchstens einige Berichte aus Rußland von Wichtigkeit. Nebenbei wurden von mir vier Bände Catalog für unsere Zwecke durchge- arbeitet.

AAW MGH 141, Bl. 38-38 r.

Dokument 20 Hermann Pabst an Pertz, Florenz, 15. August 1869

Daran schloß sich eine längere Unterredung über Prinzipien der Archivverwal- tung. Seine [des Leiters des Archivs in Florenz] Ansichten sind im Großen u. Ganzen die nehmlichen, die man allmählich auch bei uns zum Durchbruch kom- men sieht: er sieht die wissenschaftliche Seite als die Hauptsache an, die prak- tische steht ihm erst in zweiter Linie: er wünscht deshalb zu Beamten gebildete Historiker, nicht heraufgekommene Subalterne.

AAW MGH 141, Bl. 29.

Brassier de Saint-Simon Vallade, Joseph Maria Anton (1798-1872). Nachkomme aus Frankreich nach der Revolution von 1789 geflüchteter Royalisten, preußischer Diplo- mat, Gesandter in Florenz seit Mai 1869. Georg Heinrich Pertz 203

Dokument 21 Hermann Pabst an Pertz, Rom, 3. Juli 1870

Wie weit er [Theiner]F'9 dadurch in seinen Befugnissen wirklich beschränkt wor- den ist, kann ich nicht genau ermitteln, da seine eigenen-, Angaben in schroffem Widerspruche stehen mit anderem, was ich darüber von gut unterrichteter Seite höre. Jedenfalls hat er in der Person des Erzbischofs in partibus Cardoni (? ) Oberen einen bekommen u. dies sofort als Grund benutzt, mir jene Urkunden vorzuenthalten. Er versprach mir dabei, in Tagen" genaue Ab- besseren eine schrift nehmen lassen zu wollen. Ob er aber solche Tage noch sehen wird, steht meines Erachtens sehr dahin. Von der Erbitterung, die jetzt hier gegen alles herrscht, was deutsche Wissen- schaft heißt, sollte ich noch einen zweiten Beweis Als ich nun jetzt erhalten. ... herauskam [zum Abt Bibliothekar in 'Santa Croce und in Jerusalemme, der namentlich stets mit den Deutschen im besten Einvernehmen gestanden hat"], Ihrem Auftrage Hdschr. gemäß die des Prosper zu vergleichen: erklärte er mir rund und nett, er habe von seinen Oberen den strengsten Befehl, den Deutschen italienischen Bibliotheken überschwemmten, welche die die Codices verdürben, der Geistlichkeit den Ruhm der Arbeit wegnähmen u. die Ergebnisse derselben die heilige Kirche schließlich noch gegen richteten", nicht das Geringste mehr zu zeigen. [Auf Einwände die Bemerkung], ich und begriffe nicht recht, daß ein so alter Orden u. edler wie die Schüler des heil. Bernardus sich von den jungen Jesuiten so völlig ins Schlepptau nehmen ließe, [wurde Pabst eingelassen].

AAW MGH 141, Bl. 67-67 r.

Dokument 22 Augustin Theiner an Pertz, 23. Dezember 1870

Durch Dr. Pabst, den vortrefflichen Herrn dessen Tod ich innigst bedaure, sowie durch die Zeitungen werden Sie wohl mein Loos erfahren haben. Die Gegner XIV. "` hatten dasselbe langer meines Clemens mir seit Zeit vorbereitet. Mein nahes Verhältniß zu den Bischöfen der Opposition auf dem Konzil` hat ihnen blos zum Vorwand gedient und der edle Pabst fiel endlich in ihre wohlangelegte Schlinge. Gilt doch unser Freund Döllinger92 itzt auch für einen Ketzer.

° Theiner, Augustin (1804-1874), 1855 bis 1870 Präfekt des Vatikanischen Archivs, Kirchenhistoriker. 9° Theiners Geschichte des Pontifikats Klemens' XIV. erschien in 2 Bänden 1853 in Leipzig und Paris. Unter Papst Klemens XIV. (1769-1774), einem Förderer von Wissenschaft und Kunst, wurde 1773 die Societas Jesu (SJ) aufgehoben. Der Jesu- itenorden wurde 1814 wiederhergestellt. 91 Das Vatikanische Konzil (1869-1870) erhob die Lehre von der Unfehlbarkeit des Papstes zum Dogma. Alle katholischen Bischöfe unterwarfen sich, obwohl der Vor- gang vielfach Widerspruch hervorrief. 92 Döllinger, Ignaz (1799-1890), Kirchenhistoriker, von 1873 bis 1890 Präsident der Bayerischen AdW in München, einer der Führer des in Deutschland entstandenen Altkatholizismus als Reaktion auf das Vatikanische Konzil. 204 Grau, Conrad

Uebrigens bin ich noch Präfekt, für den Augenblick wohl etwas in partibus Infidelium, habe aber immer die erste Stimme im Kapitel, da mein Vorgesetz- ter, ein hoher Prälat und dazu Erzbischof, in seinem ganzen Leben nie eine Urkunde auf Pergament in den Händen gehabt' und de re diplomatica nicht ein Wort versteht. Leider ist itzt gegenwärtig alles, Archiv und Bibliothek, unter Schloß und Riegel.

AAW MGH 151, Bl. 16.

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