i e r h E R – u s h n d B i n o c ! h w e i t e r

JAHRBUCH 2010 2011

aidshilfe.de Wir über uns

Die Deutsche AIDS-Hilfe e. V. (DAH) …

… wurde am 23. September 1983 in gegründet. Ziel waren Aufklärung und In- formation, die Unterstützung der Kranken und das Engagement gegen die befürchtete erneute Repression schwuler Lebensweisen.­ Seit 1985 ist die Deutsche AIDS-Hilfe der Dachverband von derzeit rund 120 regionalen­ Aidshilfe-Organisationen,­ Interessenver- band von Menschen mit HIV/Aids und Fachverband für Strukturelle­ HIV-Prävention.

nisterium/BZgA), für den die DAH als Orga- tete sie die Bundesversammlung der Men- nisation der hauptsächlich von HIV Bedroh- schen mit HIV und Aids (Bundespositiven- ten und Betroffenen ein idealer Partner in versammlung/BPV), die sich mittlerweile der Prävention ist. mit der Bundesversammlung der An- und Zugehörigen von Menschen mit HIV und Unsere Arbeitsgrundlage: Aids zu „Positive Begegnungen – Konfe- „Strukturelle Prävention“ renz zum Leben mit HIV und Aids“ weiter- entwickelt hat. Zu den Aufgaben der DAH Die Arbeit der Deutschen AIDS-Hilfe ori- als Fachverband gehört auch die Aus-, Fort- entiert sich an der Ottawa-Charta zur Ge- und Weiterbildung für die haupt- und eh- sundheitsförderung von 1986 und dem renamtlichen Mitarbeiter/innen der regi- ihr zugrunde liegenden Lebensweisen- onalen Aidshilfen. Darüber hinaus organi- bzw. Lebensweltenkonzept der WHO. Un- siert sie das Gespräch von Bedrohten und ser Konzept der „Strukturellen Prävention“ Betroffenen – den „Experten in eigener Sa- nimmt das Verhalten Einzelner ebenso in che“ – mit Wissenschaft und Medizin, sorgt den Blick wie die Verhältnisse (Strukturen), für die Kommunikation mit Politik, Verwal- in denen sie leben. Denn was die Einzelnen tung und Verbänden und leistet Öffentlich- zu ihrer Gesundheit und zur Verminderung keitsarbeit im Interesse ihrer Zielgruppen. von Risiken beitragen können, hängt stark Die regionalen Aidshilfen informieren von ihrem sozialen Umfeld und der Gesell- und beraten Menschen aus allen Bevölke- Von Aachen bis Zwickau: Aidshilfe vor Ort schaft ab. Die DAH richtet daher ihre Ange- rungsgruppen: persönlich, telefonisch, on- Einleger bote zu risikominimierendem und gesund- line oder per E-Mail und auch vor Ort, z. B. heitsförderndem Verhalten an den Lebens- in der Schwulen- und Drogenszene oder Kooperation zwischen NGO welten von Individuen und Gruppen aus, bei Menschen, die anschaffen gehen. Sie und Staat fördert Selbsthilfe und Selbstorganisation, bieten Selbsthilfe- und Gesprächsgruppen mahnt Veränderungen an, wo Politik und für Menschen mit HIV/Aids, ihre Freunde Bei der HIV- und Aids-Prävention in Deutsch- Gesellschaft Gesundheitsförderung be- und Angehörigen an, betreuen und pfle- land besteht eine erfolgreiche Arbeitstei- hindern, und engagiert sich für eine Pfle- gen Menschen mit HIV und Aids zu Hau- lung: Die staatliche Bundeszentrale für ge- ge und Versorgung, die sich an den Rech- se, im Krankenhaus, im Justizvollzug und in sundheitliche Aufklärung (BZgA) wendet ten und Bedürfnissen der Patienten orien- Drogentherapie-Einrichtungen, führen Auf- sich mit ihren Veröffentlichungen und Kam- tieren. klärungs- und Fortbildungsveranstaltun- pagnen an ein allgemeines Publikum, wäh- gen durch und leisten Presse- und Öffent- rend die nichtstaatliche DAH mediale und Was wir tun lichkeitsarbeit auf örtlicher Ebene. personalkommunikative Angebote (z. B. Vor-Ort-Arbeit/Streetwork) für jene Grup- Die DAH veröffentlicht Medien und Materi- Unsere Partner pen entwickelt, die besonderen gesund- alien (z. B. Broschüren, Faltblätter, Postkar- heitlichen Risiken durch HIV/Aids, Hepati- ten, Plakate, Anzeigen, Banner, Internet­ Die Deutsche AIDS-Hilfe ist Mitglied in tis und andere sexuell übertragbare Infekti- auftritte oder Fachbücher), die in Inhalt, Wohlfahrts- und Behindertenverbänden onen ausgesetzt sind (z. B. Männer, die Sex Stil, Verständlichkeit, Motiv und Gestal- und kooperiert im europäischen und inter- mit Männern haben, Drogengebraucher/in- tung auf ihre Zielgruppen zugeschnitten nationalen Rahmen mit Partnern wie AIDS nen, Gefangene, Frauen in Risikokontexten, sind, eröffnet Möglichkeiten zur Selbsthil- Action Europe, den East European & Central Armuts- und Beschaffungsprostituierte, Mi- fe und unterstützt das Engagement ver- Asian PLWH Organisations (ecuo) oder der grantinnen und Migranten aus Ländern, in schiedener Selbsthilfenetzwerke (z. B. das International Harm ­Reduction Association denen HIV besonders weit verbreitet ist). Netzwerk der Angehörigen von Menschen (IHRA) sowie mit Institutionen wie UNAIDS, Für diese Arbeit bekommen wir seit 1985 mit HIV und Aids oder JES – Junkies, Ehe- dem ­Civil Society Forum oder der Weltge- Mittel vom Staat (Bundesgesundheitsmi- malige, Substituierte). Seit 1990 veranstal- sundheitsorganisation (WHO).

2 Inhalt

Vorstand/Geschäftsführung Impressum 4 Bis hierher – und noch weiter! © Deutsche AIDS-Hilfe e.V. Delegiertenrat Wilhelmstraße 138 7 „Aidshilfe kann auf Aids nicht verzichten“ 10963 Berlin Tel.: 030 / 69 00 87-0 Ehrenamt www.aidshilfe.de [email protected] 8 ehrenamt bringt’s! 10 Braucht die Aidshilfe ihre Buddys noch? September 2011 Bestellnummer: 025199 Positiv leben 12 hiV-Positive sprengen den Rahmen! Redaktion: Christine Höpfner, Holger Sweers, Holger Wicht 15 Bundesweite Positiventreffen: gelebte Selbsthilfe 18 „Ich wünsche mir, dass für uns alle Normalität einkehrt“ Titelfoto: coloroftime / iStockphoto.com

Medizin Gestaltung: Carmen Janiesch 20 hiV: Heilung in Sicht? Druck: X-Press Grafik & Druck GmbH, Lützowstr. 107–112, 10785 Berlin Test und Beratung 22 tests auf HIV und andere sexuell übertragbare Infektionen: DAH-Spendenkonto: Strategien und Standards Nr. 220 220 220, Berliner Sparkasse, 25 „Ich hätte nicht gedacht, dass das mal so rund laufen würde“ BLZ 100 500 00 (IBAN: DE27 1005 0000 0220 2202 20, BIC: BELADEBEXXX) Schwules Leben 27 „Wir bringen die Leute ins Gespräch“ Online-Spenden: www.aidshilfe.de 30 starke Bilder zum Tag gegen Homophobie 31 „Homophobe Menschen kennen oft keine Schwulen“ Sie können die Arbeit der DAH auch unter- stützen, indem Sie Fördermitglied ­werden. Nähere Informationen unter www.aidshilfe.de Web 2.0 oder bei der DAH. 32 hiV-Prävention und Soziale Medien Die DAH ist als gemeinnützig und besonders Frauen förderungswürdig ­anerkannt. Spenden und Förder­mitgliedschaftsbeiträge sind daher 34 in der Sexarbeit klarkommen und gesund bleiben steuerabzugsfähig.

Drogen 36 test it! HIV- und Hepatitis-Prävention für Drogengebraucher 38 „Drogenfachgeschäfte statt Drogenverbote“

Haft 40 recht und Gesundheit hinter Gittern

Migration Foto: Carmen Janiesch 42 Migranten-Communities: von wegen „schwer erreichbar“

International 44 Zivilgesellschaftliches Engagement in der „letzten Diktatur“ Europas

Finanzen 46 einnahmen und Ausgaben der DAH im Jahr 2010 47 Öffentliche Projektmittel

DAH intern 48 daten zur Organisation

DAH extern 50 Veröffentlichungen der DAH im Jahr 2010

Sponsoren Eingang zum „Wilhelm-Quarree“ 51 unterstützer/innen der Deutschen AIDS-Hilfe im Jahr 2010 in der Wilhelmstraße 138 in Berlin

3 3 Vorstand/Geschäftsführung Fotos: Andreas Fux

Der Vorstand der Deutschen AIDS-Hilfe e. V. (v.l.n.r.): Hansmartin Schön (München), Carsten Schatz (Berlin), Sylvia Urban (Dresden), Winfried Holz (Berlin) und Tino Henn (Berlin)

Bis hierher – und noch weiter!

Nach 30 Jahren HIV/Aids 30 Jahre nach den ersten öffentlichen Er- Kondome. Das gilt, wenn dauerhaft kein wähnungen von HIV/Aids im Juni 1981 sind HIV im Blut nachweisbar ist und keine an- vollzieht sich manche bahnbrechende Erkenntnisse selten ge- deren Infektionen vorliegen. Revolution fast unter Aus- worden. In den 80ern verfolgte die ganze Schon 2008 hat die Eidgenössische Kom- Republik, wie Gesundheitsministerin Rita mission für AIDS-Fragen (EKAF) erstmals öf- schluss der Öffentlichkeit. Süssmuth in Deutschland eine Präventi- fentlich diese Erkenntnis ausgesprochen Wer weiß schon, dass HIV- onsstrategie durchsetzte, die die am stärks- und damit für große Aufregung in der in- Medikamente genauso gut ten betroffenen Gruppen wie Schwule und ternationalen Fachöffentlichkeit gesorgt; Drogenkonsumenten einbezog – statt auf das Kürzel EKAF wurde zum Synonym für vor einer HIV-Übertragung Repression gegen die ohnehin schon Stig- Schutz durch Therapie. schützen können wie Kon- matisierten zu setzen. Und als bei der XI. Die Deutsche AIDS-Hilfe (DAH) hat die ­Internationalen Aids-Konferenz 1996 die Position der Schweizer 2009 in ihrem Pa- dome? Aus den Medien Öffentlichkeit von den pier „HIV-Therapie und erfährt man zugleich, wie hoch wirksamen Kom- Die Erkenntnis, dass Prävention“ bekräftigt Menschen mit HIV vor Ge- binationstherapien er- HIV-Positive unter gut und als erste Organi- fuhr und das große funktionierender sation en détail for- richt stehen oder ihren Job Sterben ein Ende fand, muliert, unter welchen war das eine Weltsen- Therapie praktisch nicht Bedingungen die HIV- verlieren – zugrunde liegt sation. Seitdem schrei- mehr infektiös sind, Medikamente des HIV- Panik wie in den 80ern. tet die Wissenschaft reduziert Ängste Positiven zum Schutz Dabei wissen wir genau, zwar sehr erfolgreich, des Partners ausrei- aber in überschaubaren Schritten voran. chen. EKAF wie DAH stützten sich dabei auf was heute gegen HIV und Manchmal allerdings gibt es kleine Revolu- diverse seriöse Studien, standen weltweit Ausgrenzung von Men- tionen, von denen die breite Öffentlichkeit aber als einsame Rufer in der Wüste da. Das nicht einmal Kenntnis nimmt. hat sich mittlerweile geändert, denn HPTN schen mit HIV zu tun ist. Das Jahr 2011 hat solch einen versteck- 052 lieferte den unumstößlichen Beweis: Es Vorstand und Geschäfts- ten Meilenstein der Geschichte von HIV/ funktioniert. Aids hervorgebracht. Eine auf der Interna- Die Erkenntnis, dass HIV-Positive unter führung der Deutschen tionalen Aids-Konferenz in Rom vorgestell- funktionierender Therapie praktisch nicht AIDS-Hilfe berichten über te Studie mit dem unscheinbaren Kürzel mehr infektiös sind, ist kaum zu unterschät- HPTN 052 beweist: Antiretrovirale Thera­ zen. Sie kann in erheblichem Maß Ängs- Erfolge und Herausforde- pien schützen mindestens genauso zuver- te vor Menschen mit HIV reduzieren – und rungen lässig vor der Übertragung von HIV wie damit Ausgrenzung entgegenwirken. Auch

4 Paare, bei denen ein Partner HIV-positiv, der Vorbildcharakter für „Positiv zusammen onalen Fachwelt haben wir viel Lob bekom- andere HIV-negativ ist, erfahren eine enor- leben“ hatte übrigens unsere Kampagne men, die Kampagne erhielt zudem mehre- me Erleichterung: Viele haben nun endlich ICH WEISS WAS ICH TU, die sich an schwu- re Preise. Die Experten sind sich einig: So ohne Angst miteinander Sex – wenn sie le und bisexuelle Männer richtet. Auch dort funktioniert Prävention in Zeiten der Kom- wollen auch ohne Kondome. Und gegebe- stehen nicht Prominente oder Models mit binationstherapien. Darauf sind wir durch- nenfalls können sie auch auf natürlichem vorgefertigten Slogans im Mittelpunkt, son- aus ein kleines bisschen stolz. Und entwi- Wege Kinder zeugen und gebären. dern „echte Menschen“ mit all ihren Stärken ckeln die Kampagne weiter, um noch mehr Mit anderen Worten: Die Safer-Sex-Re- und Schwächen, die aus ihrem Leben er- Männer mit den für sie relevanten Informa- geln müssen nach drei Jahrzehnten umge- zählen. Diese Rollenmodelle regen mit ih- tionen zu erreichen. Seite 27 schrieben werden. Auch kondomloser Sex ren mutigen, offenherzigen Berichten zur Es ist wahr: Nach 30 Jahren HIV können ist geschützter Sex, wenn die genannten Auseinandersetzung mit Sexualität, Risiken wir auf zahlreiche Durchbrüche und Erfol- Bedingungen erfüllt sind. und Schutzmöglichkeiten an. ge zurückblicken. Und doch gibt es immer Dieser Durchbruch überfordert heute al- Unsere Kampagne steht für eine neue wieder Ereignisse, die uns das Gefühl ge- lerdings noch viele Menschen. Zu sehr ist Art von HIV-Prävention, die auf Bewähr- ben, auf direktem Weg in die 80er Jahre zu- die HIV-Infektion mit der Vorstellung ver- tes wie die Stärkung der Zielgruppe auf- rückkatapultiert worden zu sein. Der Pro- knüpft, dass der oder die Infizierte ande- baut, zugleich aber mit der Zeit geht. Die zess gegen die Sängerin Nadja Benaissa re Menschen gefährdet. Und obwohl eine Kondombotschaft al- im letzten Jahr war so Übertragung des Virus durch alltäglichen leine hat noch nie aus- Wenn eine HIV-Infektion ein Moment: Da wur- Kontakt nicht möglich ist, haben viele Men- gereicht, doch in den de die Verantwortung schen auch nach 30 Jahren HIV noch gro- letzten Jahren sind dif- bedeutet, ein potenzieller für Schutz vor HIV allei- ße Angst – mit der Folge, dass Ausgrenzung ferenzierte Informati- Straftäter zu sein, fällt ne der positiven Frau nach wie vor zum Alltag von HIV-Positiven onen und Botschaften es schwer, davon zu zugewiesen, und sie gehört. Daran etwas zu ändern, sehen wir darüber hinaus immer erzählen oder sich auch stand monatelang öf- als eine unserer wichtigsten Aufgaben. wichtiger geworden. fentlich am Pranger. Eine zweite kleine Revolution hat uns da- Schwule Männer ver- nur testen zu lassen Juristen und Journa- rum besonders gefreut: Seit dem Jahr 2010 suchen heute verstärkt, listen schwangen sich rückt die deutsche Kampagne zum Welt- sich auch mit anderen Methoden als Kon- auf, ein Exempel zu statuieren, in dem völ- Aids-Tag erstmals Menschen mit HIV in den domgebrauch vor HIV zu schützen. Sie ma- lig verblendeten Glauben, so zur HIV-Prä- Fokus. Nachdem früher oft Prominente zum chen zum Beispiel in einer gerade begin- vention beizutragen. Schutz vor HIV aufriefen, kommen nun un- nenden Beziehung einen gemeinsamen Das Gegenteil haben sie getan: Je stär- ter dem „Positiv zusammen leben. Aber si- HIV-Test oder versuchen bei neuen Part- ker HIV öffentlich stigmatisiert wird, desto cher!“ diejenigen zu Wort, die mit dem Vi- nern abzuschätzen, ob sie den gleichen weniger wird darüber geredet. Und wenn rus leben. Auch dies ist ein wichtiger Mei- HIV-Status haben wie sie selbst. Dabei kann eine HIV-Infektion bedeutet, ein potenziel- lenstein, zu dem die Deutsche AIDS-Hilfe in natürlich einiges schiefgehen. Deshalb ent- ler Straftäter und ein Außenseiter zu sein, den Gesprächen mit den Kampagnenpart- kräftet ICH WEISS WAS ICH TU Safer-Sex-­ fällt es vielen schwer, anderen davon zu er- nern Bundesgesundheitsministerium, der Mythen und hilft mit differenzierten Infor- zählen oder sich auch nur testen zu lassen. Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklä- mationen beim individuellen Umgang mit Viele werden aus Angst vor juristischen Fol- rung und der Deutschen AIDS-Stiftung viel Lust und Risiken. gen über ihre Infektion schweigen, statt beitragen konnte. Wir freuen uns sehr, dass Die nun vorliegende Evaluation von ICH Verantwortung für sich selbst und andere die gemeinsame Kampagne in diesem und WEISS WAS ICH TU zeigt: Die Kampagne ist zu übernehmen. Auch hier gilt die Weisheit: im nächsten Jahr mit entscheidenden Ver- in der Zielgruppe gut angekommen und Von Druck kommt nichts Gutes. Die Krimi- besserungen fortgesetzt wird. wirkt. Auch in der nationalen und internati- nalisierung der (potenziellen) HIV-Übertra- gung ist in jeder Hinsicht kontraproduktiv. Die Deutsche AIDS-Hilfe hat das Thema Staffelübergabe Kriminalisierung darum zu einem Schwer- punkt ihrer Arbeit gemacht. Aus einer brei- Von 1987 bis 2011 hat Dr. Dr. Wolf- ten Diskussion im Verband sollen Impulse gang Müller (rechts) das Aids-Referat in die Justiz und die Politik hinein gesendet der Bundeszentrale für gesundheit- werden, damit klar wird: Verantwortung ha- liche Aufklärung (BZgA) geleitet. Wir ben immer beide Partner. Nicht Strafen ver- bedanken uns sehr herzlich für die hindern HIV-Infektionen, sondern Offenheit Foto: AH NRW Foto: BZgA lange und vertrauensvolle Zusam- und Solidarität gegenüber Menschen mit menarbeit und wünschen alles Gute! HIV. Und dann das: Ein pharmazeutisches Sein Nachfolger ist Dirk Meyer (links). Er hat vor 25 Jahren die Aids-Hilfe im Unternehmen aus Berlin hat in diesem Jahr Kreis Unna mitgegründet, war Geschäftsführer der AIDS-Hilfe Bonn und schließ- einen 24-jährigen Chemielaboranten in der lich 18 Jahre Geschäftsführer der AIDS-Hilfe NRW. Wir freuen uns auf die ge- Probezeit entlassen, weil er HIV-positiv war. meinsame Arbeit! Begründung: Es gehe von ihm eine Gefahr für die Kunden des Unternehmens aus. Der

5 Vorstand/Geschäftsführung

junge Mann war in einem sterilen Bereich Interviewten Unterstützung, etwa durch sitive Häftlinge outen, wenn sie am „Um- für die Qualitätskontrolle eingesetzt, die Kontakt zu Selbsthilfezusammenhängen. schluss“, also den Gemeinschaftszeiten mit Mittel, die er untersuchte, wurden danach Die DAH koordiniert das Projekt in Deutsch- anderen Häftlingen teilnehmen wollten. vernichtet. Irrationaler geht’s nimmer! land, es trägt hier den programmatischen Dem Irrtum, damit sei dem Schutz ande- Der Fall zeigt: Nach 30 Jahren Aufklä- Titel „Positive Stimmen“. Seite 14 rer Häftlinge gedient, haben wir laut wider- rung ist die Bevölkerung über HIV zwar ins- Innovation auch im Bereich Präventi- sprochen. Nach unserer Intervention be- gesamt gut informiert, doch immer wieder on: Mit dem Projekt PAKOMI („Partizipati- schäftigen sich nun zwei Ausschüsse mit brechen sich Ängste Bahn. Wie absurd das on und Kooperation in der HIV-Prävention dem Thema, und diese untragbare Praxis enden kann, illustriert die Tatsache, dass mit Migrant[inn]en“) haben wir in den letz- wird hoffentlich bald der Geschichte ange- der junge Mann sogar eine Viruslast unter ten drei Jahren gezeigt: Keine Gruppe ist hören. Seite 40 der Nachweisgrenze hatte. Er hätte die Kun- schwer erreichbar – es kommt immer dar- In diesem Jahrbuch informieren wir den des Unternehmens nicht einmal infizie- auf an, wer sie auf welche Weise anspricht. Sie zu diesen und weiteren ausgewählten ren können, wenn er Sex mit ihnen gehabt Mit anderen Worten: Gute Prävention be- Schwerpunkten unserer Arbeit und werben hätte. zieht immer die Menschen maßgeblich mit für Unterstützung. Die Beispiele zeigen: Die Es nützt wenig, darü- ein, für die sie gemacht HIV-Prävention funktioniert auch nach 30 ber zu klagen. Dagegen Die HIV-Prävention wird. Seite 42 Jahren HIV nach wie vor sehr effektiv. Ent- zu klagen ist schon aus- Und achtet, zwei- gegen anderslautenden Medienberichten sichtsreicher. Leider hat funktioniert auch nach tens, deren Bedürfnisse ist das Schutzverhalten in Deutschland sta- das Arbeitsgericht Ber- 30 Jahren sehr effektiv, und Lebensumstände: bil, die Neuinfektionszahlen haben sich bei lin in erster Instanz ent- ist aber aufwendiger Beim Projekt „Test it!“ rund 3.000 pro Jahr stabilisiert. Damit die schieden, dass Sebas- geworden – Kürzungen hat die Aidshilfe Dort- Prävention erfolgreich bleibt, werden wir tian F. nicht durch das mund Spritzdrogen- auch weiterhin auf die bewährten Grundla- Allgemeine Gesetz zur sind ein falsches Signal konsumenten in der gen unserer Arbeit aufbauen und wo immer Gleichbehandlung ge- Dro­genhilfeeinrichtung nötig neue Wege beschreiten. Sehr bewusst schützt war, das Benachteiligungen auf- KICK HIV-Schnelltests angeboten – statt der haben wir den Titel für unsere Präventions- grund von Behinderungen untersagt, und konventionellen Tests, bei denen man eine konferenz im November 2011 (nach Redak- das schon in der Probezeit. Die Deutsche Woche auf das Ergebnis warten muss, was tionsschluss dieses Jahrbuchs) in Berlin ge- AIDS-Hilfe fordert daher schon lange: Auch für Drogenabhängige ein unüberschaubar wählt: „Bis hierher – und noch weiter!“ die Benachteiligung aufgrund chronischer langer Zeitraum ist. Die Zahl der Tests und Die heute verfügbaren Therapien haben Krankheiten wie einer HIV-Infektion muss der dazu gehörigen Beratungen explodier- vieles verändert: Wenn immer mehr Men- im Gesetz ausdrücklich verboten werden. te förmlich. „Test it!“, das zeigt die nun vor- schen individuelle Wege suchen, um sich Vor allem aber müssen wir weiter Aufklä- liegende Evaluation, war ein guter Schritt, zu schützen, brauchen sie passgenaue In- rung leisten, Ängste entkräften. Das geht um Drogenkonsumenten zur Auseinander- formationen und die richtige Ansprache nur, indem wir das Leben mit HIV in seiner setzung mit Gesundheitsfragen zu motivie- zum richtigen Zeitpunkt. Prävention ist dar- ganzen Vielfalt öffentlich zeigen und zu- ren. Seite 36 um aufwendiger geworden. gleich Betroffene dabei unterstützen, mit Aktive Antidiskriminierungsarbeit im Ein völlig falsches Signal sind da die Kür- ihrer Infektion souverän umzugehen. „Wir Haftbereich haben wir gemeinsam mit der zungen des Bundesetats für Maßnahmen sprengen den Rahmen“ war darum im Jahr AIDS-Hilfe NRW geleistet. In den Haftanstal- gegen HIV/Aids und andere sexuell über- 2010 das Motto unserer Konferenz „Positi- ten des Landes müssen sich bislang HIV-po- tragbare Infektionen von 13 auf 12 Millio- ve Begegnungen“ – europaweit nen. Ein Skandal ist der Rückzug die größte Zusammenkunft für aus dem Globalen Fonds gegen Menschen mit HIV sowie ihre An- HIV/Aids, Tuberkulose und Ma- und Zugehörigen. Thema der laria, den Entwicklungshilfemi-

Konferenz waren die Bilder von Foto: David Biene nister Dirk Niebel unter dem Vor-

HIV in der Öffentlichkeit – und es Foto: Dirk Matthecka wand der Korruptionsbekämp- wurden gleich neue produziert.­ fung betrieben hat. Hier darf Seite 12 sich Deutschland nicht aus der Seit diesem Jahr sind wir Teil Verantwortung stehlen – gerade des internationalen Projekts jetzt, da die internationalen Maß- „Stigma-Index“, das ebenfalls nahmen gegen HIV/Aids so gut das Attribut revolutionär ver- greifen wie nie zuvor. In Gefahr dient: HIV-Positive interviewen sind Gesundheit und Leben von HIV-Positive über ihre Diskrimi- Millionen Menschen, obwohl nierungserfahrungen. Die Inter- Die Bundesgeschäftsführung der Deutschen AIDS-Hilfe: die nötigen Mittel und Wege be- views dienen einerseits dazu, Peter Stuhlmüller (Schwerpunkte: Projektmanage- kannt und verfügbar sind. Ausgrenzung in den teilneh- ment, Öffentliche Mittel, Verwaltung) und Silke Klumb Anders formuliert: Nach 30 menden Ländern besser wahr- (Schwerpunkte: Öffentlichkeitsarbeit, Fundraising, Jahren HIV/Aids ist klar, was zu zunehmen und dagegen anzu- Kooperationen und Zusammenarbeit im Verband) tun ist. Packen wir’s weiterhin gehen, zugleich bekommen die an!

6 Delegiertenrat

res eigenen Leitbilds standhalten, Menschen zu einem selbstbestimmten und verantwor- tungsvollen Umgang mit Risiken zu befä- higen. Dies schließt nämlich mit ein, dass Foto: Andreas Fux wir die informierte Entscheidung zur Selbst- gefährdung respektieren. Das Gleiche gilt für den HIV-Test: Heute haben HIV-Infizierte durch die antiretrovirale Behandlung nicht nur echte Lebensperspektiven, sondern sind – wenn ihre Viruslast nicht nachweisbar ist und sie keine sonstigen sexuell übertragba- ren Krankheiten haben – praktisch nicht in- fektiös. Dennoch müssen wir ihr Recht auf Der Delegiertenrat der Deutschen AIDS-Hilfe Selbstbestimmung auch dann akzeptieren und aushalten, wenn sie z. B. das Recht auf „Aidshilfe kann auf Aids nicht verzichten“

Über Spannungsfelder, Stigma und Streichungen sprach Fotos: privat Annette Fink mit den Delegiertenratssprechern Ricardo Ricardo Schulze und Klaus Stehling, Schulze und Klaus Stehling Sprecher des Delegiertenrats

Im Delegiertenrat sind die Aidshilfen auf einen, um Ratsuchenden mit dem positiven Nichtwissen oder auf Nichtbehandlung in regionaler und Landesebene sowie die Begriff die Schwellenangst zu nehmen, zum Anspruch nehmen. Selbsthilfestrukturen des Verbands vertre- anderen, um darzustellen, dass ihr Aufgaben- ten. Als „kleine Mitgliederversammlung“ spektrum längst nicht mehr allein auf HIV/ Das klingt nach Auseinandersetzungen. hat er unter anderem die Aufgabe, die Aids beschränkt ist. Unter sexueller Gesund- Ricardo Schulze: Ja, aber nur wenn wir sie Grundlinien der DAH-Arbeit festzulegen. heit verstehen sie nicht nur die Abwesenheit führen und uns unserer Haltung vergewis- Wie setzt ihr das um? von sexuell übertragbaren Krankheiten, son- sern, können wir uns auf unsere Stärken kon- Ricardo Schulze: Der Delegiertenrat hat dern auch die Möglichkeit, die sexuelle Iden- zentrieren und als der Fach- und Interessen- 2009 die Diskussion zum „Zukunftsmodell tität in einer akzeptierenden Gesellschaft verband zu HIV und Aids weiterbestehen. Die AIDS-Hilfe“ angestoßen und sieben Span- auszuleben. Andere – und das ist die Mehr- Bedingungen werden ja nicht einfacher. nungsfelder identifiziert, die unsere Arbeit in heit – sehen in der Umbenennung den Ver- den nächsten Jahren wesentlich bestimmen such, sich vom Stigma Aids zu befreien. Für Du lieferst das Stichwort für den „kommu- werden: Stigma, Normalisierung, Selbsthil- sie grenzt der Begriff der sexuellen Gesund- nalpolitischen Ratschlag“, der auch in der fe und Interessenvertretung, sexuelle Ge- heit nicht nur HIV-Positive aus; er setzt auch nächsten Amtsperiode ab November auf sundheit, Prävention, HIV-Test und Zukunft neue Normen und überträgt quasi die For- der Agenda steht. der Versorgung. Zu jedem dieser Felder ha- mel „viel Obst, Gemüse und Sport“ auf die Se- Klaus Stehling: Das erfolgreiche Präventi- ben wir eine zugespitzte, zum Teil auch pro- xualität. Sie wollen, dass die Aidshilfe weiter onskonzept der DAH geht nur im Zusammen- vokante These formuliert, die die Auseinan- für die Stigmatisierten da ist, und begreifen wirken von Bundes-, Landes- und kommuna- dersetzung im Verband voranbringen soll. den Namen als Marke, der für sehr besondere ler Ebene auf. Die praktische Arbeit „am Men- Offensichtlich ist das ein guter Weg, um die Kompetenzen steht: Nämlich Menschen mit schen“ wird vor Ort geleistet. Wenn man alle bisherige Arbeit kritisch zu reflektieren und „normbrüchigen“ Lebensweisen so anzuneh- Etats zusammenrechnet, ist die Aidshilfe zu gemeinsamen Positionen in wesentlichen men, wie sie sind, und sie zu unterstützen. mehrheitlich kommunal- und landesfinan- Fragen zu kommen, in denen es vielleicht nur ziert. Wir wollen, dass die DAH in ihrer Lob- einen scheinbaren Konsens gibt. Klaus Stehling: Wir haben allerdings auch byarbeit noch stärker an konkreten Zahlen festgestellt, dass Aidshilfe – auch wenn sie darlegt, wo welche Arbeitsbereiche gefährdet Kannst du das näher erläutern? das nie gewollt hat – schon selbst zum Nor- sind. In einer Aidshilfe ist z. B. eine Kürzung Ricardo Schulze: Nehmen wir das Beispiel mierer geworden ist: Gerade junge schwule der städtischen Zuwendung um acht Prozent Stigma. Unsere These dazu lautet „Aidshil- HIV-Infizierte fühlen sich häufig als „Präven- geplant. Das hört sich nicht so erschreckend fe kann auf Aids nicht verzichten“. Einige Mit- tionsversager“ und quälen sich mit Scham- an, aber es bedeutet die Streichung einer hal- gliedsorganisationen haben sich z. B. in Zent- und Schuldgefühlen. Hier müssen wir drin- ben Stelle. Und dadurch können 45 Klienten ren für sexuelle Gesundheit umbenannt, zum gend überprüfen, ob wir der Forderung unse- nicht weiter betreut werden.

7 Ehrenamt

Ehrenamt bringt’s!

2011 ist das „Europäische Jahr der Freiwilligen­tätigkeit“ – auch für die Aidshilfen ein wichtiges Thema: Freiwillig Engagierte waren wesentlich an ihrem Aufbau beteiligt, tragen ihre Ideen und Ziele in die Gesellschaft, lassen Solidarität mit diskriminierten und benachteiligten Menschen erfahrbar werden, machen die Vielfalt und den Umfang der Aidshilfeangebote erst möglich und halten die Aidshilfen lebendig. Wie aber gewinnt und vor

Foto: privat allem schult man Menschen, die sich für die Aidshilfe- Andreas Rau, Leiter der AIDS-Hilfe Arbeit stark machen wollen? Holger Sweers sprach Hagen darüber mit Andreas Rau, Leiter der AIDS-Hilfe Hagen:

Andreas, du hast 1995 in der AIDS-Hilfe arbeit. Die Altersspanne reicht von 18 bis 60, gibt es manchmal auch Konflikte, bei denen Hagen die „Lernwerkstatt HIV“ ins Leben würde ich mal sagen. Unter den Teilnehmern letzten Endes der Hauptamtler entscheiden gerufen. Was verbirgt sich dahinter? sind auch Mitarbeiter von Kooperationspart- muss. Aber im Großen und Ganzen arbeiten Die Lernwerkstatt bietet in erster Linie eine nern, z. B. aus der zentralen Drogenentgif- wir mit viel Spaß, sehr partnerschaftlich und Ausbildung für unsere Ehrenamtler, aber tung in Hagen, aus Behinderteneinrichtun- auf Augenhöhe zusammen. auch für andere Multiplikatoren. Und wir ler- gen oder Pflegekräfte aus dem Krankenhaus. nen auch als Organisation. Im Mittelpunkt Das ist uns sehr wichtig, denn auch wenn sie Ob haupt- oder ehrenamtlich: steht dabei das Leben mit HIV in all seiner nicht für die Aidshilfe arbeiten, sind sie doch Vielfalt. Multiplikatoren und tragen Gedanken wie Entscheidend ist, dass man die die Akzeptanz verschiedener Lebensweisen Arbeit gerne und gut macht Wie lange dauert so eine Lernwerkstatt? und die Solidarität mit Menschen mit HIV in Etwa vier Monate mit einem Termin pro Wo- ihre Arbeitsumgebungen. Wie habt ihr die Arbeit der Ehrenamtler or- che. Dazu kommt ein verlängertes Inten- ganisiert? Und wie stellt ihr sicher, dass siv-Wochenende zum Thema Lebensweisen Wo werden die Ehrenamtler, die langfristig sie auf dem aktuellen Stand sind und die und Sexualität und gegen Ende ein Intensiv- dabei bleiben, eingesetzt? Grundwerte der Aidshilfe-Arbeit vertreten? Samstag zum Thema Tod, Trauern und Ster- Eigentlich in allen Bereichen, in denen auch Einmal im Monat haben wir ein Forum, an bebegleitung. wir bezahlten Mitarbeiter tätig sind. Zum dem alle Ehrenamtler teilnehmen sollen – Beispiel in der Vor-Ort-Arbeit in der Schwu- begründete Ausnahmen sind möglich. An Ehrenamtler sind Botschafter lenszene, in der Aufklärung für Jugendliche, den ersten beiden Monaten im Quartal wird in der Sterbebegleitung, bei Positiventreffen, Organisatorisches besprochen. Das machen der Aidshilfen in die Welt in der Telefon- und Onlineberatung, in der zunächst die Teams unter sich, wobei immer Öffentlichkeitsarbeit, bei der Testberatung. ein Hauptamtler dabei ist. Da geht es dann Das klingt ganz schön aufwendig. Wie viele z. B. um Fallbesprechungen, kollegiale Bera- „Auszubildende“ habt ihr im Durchschnitt? Auf eurer Homepage sagt ihr unter dem tung, Besprechung der Termine und Einsätze. Wir kommen je nach Jahr so auf acht bis Stichwort „Mitarbeiterinnen und Mitarbei- Danach gibt’s ein Plenum, in dem wichtige fünfzehn, im Schnitt sind es zehn bis zwölf. ter“: „Unterschiedliche Personen stehen für Infos besprochen werden, also auch neue Er- Davon bleiben dann etwa fünf längerfristig unterschiedliche Arbeitsbereiche, und es kenntnisse oder Botschaften. Dieses Plenum dabei. Manche können wir auch zu beson- kommt nicht darauf an, ob sie sogenannte ist sehr wichtig für uns, denn dadurch erleben deren Anlässen aktivieren, zum Beispiel rund Hauptamtliche sind oder eben ihre Arbeit sich alle Ehrenamtler als ein großes Team. um den Welt-Aids-Tag. (wie die meisten hier) ehrenamtlich und Der dritte Monat im Quartal ist dann kom- damit unbezahlt machen. Entscheidend plett einem Update vorbehalten, das heißt, Aus welchen Gruppen und Schichten kom- ist, dass sie ihre Arbeit gerne und qualifi- wir bringen uns viermal im Jahr auf den ak- men eigentlich die Lernwerkstatt-Teilneh- ziert machen!“ tuellen Stand rund um HIV, andere sexuell merinnen und Teilnehmer? Ja, genauso sehen wir das. Unsere Teams Be- übertragbare Infektionen und Hepatitis. Bei den Männern sind es hauptsächlich ratung, Begleitung, Prävention, Testbera- Schwule, und zwar aus allen Berufen. Bei den tung und Öffentlichkeitsarbeit werden durch Habt ihr manchmal auch Leute dabei, die Frauen haben wir fast nur Heteras, darunter Hauptamtler geleitet, haben aber auch Eh- eigentlich nicht zur Aidshilfe passen, weil viele Studentinnen, zum Beispiel der Sozial- renamts-Schwerpunktsprecher. Natürlich sie zum Beispiel Berührungsängste ge-

8 genüber Schwulen haben oder Drogenge- ratungskompetenz bis hin zu Präsentations- meinsam viel mehr, als wir das allein mit un- brauch per se verurteilen? techniken. Außerdem setzen sich die Teilneh- serem kleinen Hauptamtler-Team könnten. Ja, das gibt’s. Solche Leute sortieren sich mer mit ihrem Selbstverständnis und mit Außerdem helfen Ehrenamtler uns, nicht be- aber meistens selbst aus und bleiben irgend- verschiedenen Lebensweisen auseinander triebsblind zu werden und den Kontakt zur wann einfach weg. Wir führen auch keine und stärken so ihre Sozialkompetenz. Dann Basis zu halten. Vorgespräche zur Motivationsklärung, son- machen wir jedes Jahr zu Weihnachten eine dern wollen, dass die Leute mit der Zeit selbst große Jahresabschlussparty, und auch sonst Die Lernwerkstatt HIV bietet mitkriegen, was wir machen und wofür wir feiern wir zusammen, zum Beispiel ein Som- stehen. Sie sollen dann selbstbestimmt ent- merfest oder Grillfeste. Und nicht zuletzt be- enorm viel und kostet extrem scheiden, ob wir zu ihnen und ob sie zu uns kommen die Teilnehmer ein Zertifikat für die wenig passen. Dazu gibt es im Lauf der Fortbildung Lernwerkstatt und in Zusammenarbeit mit auch mindestens ein verpflichtendes Einzel- dem Land und dem Aidshilfe-Landesverband Ich habe gelesen, dass am Ende der Ausbil- Supervisionsgespräch, und weitere Einzelge- auch einen Ehrenamtler-Nachweis, den man dung eine Prüfung steht. Wie sieht die aus? spräche sind jederzeit möglich. z. B. Bewerbungen beilegen kann. Die Prüfung hat einen praktischen und einen theoretischen Teil. Im theoretischen Teil geht Müsst ihr trotzdem in Einzelfällen auch Was kostet so eine Fortbildung, und wie fi- es um Grundlagen, z. B. Immunologie, Epide- sagen: Du passt nicht zu uns, das geht so nanziert ihr das Ganze? miologie, Kommunikation, Interaktion, Bera- nicht? Verglichen mit den Marktpreisen ist unsere tung usw. Für den praktischen Teil bereiten Das ist in all den Jahren höchst selten vorge- Lernwerkstatt extrem günstig: Die Teilneh- Teams aus drei bis vier Leuten wichtige Fak- kommen. Ein Fall war zum Beispiel eine Stal- mer zahlen einen Jahresbeitrag für die Aids- ten aus den einzelnen Fortbildungsabschnit- ten auf und präsentieren sie so, dass sie meh- rere Sinne ansprechen. Das heißt, es muss etwas zu tun, etwas zu hören und etwas zu sehen geben. Einige sind vor den Prüfungen sehr aufgeregt, aber jeder Teilnehmer hat ei- nen Mentor, der ihm helfen kann.

Was passiert nach der Prüfung? Geht’s dann gleich los mit der Arbeit? Und wer entscheidet, wer in welchem Team einge- setzt wird? Es machen ja nicht alle Teilnehmer in der Aidshilfe weiter. Wer dabei bleibt, hospitiert nach der Prüfung erst mal in einem Team. Die Teilnehmer haben die Teams ja vorher schon alle kennengelernt, und sie und wir wissen anschließend ganz gut, wo sie am besten hinpassen. Nachdem sie hospitiert haben, entwickeln wir gemeinsam mit dem jeweili- gen Team und Teamsprecher eine Art Fahr- Foto: AIDS-Hilfe Hagen plan, bis sie selbst flügge geworden sind. Bei AIDS-Hilfe Hagen proudly presents: Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Lernwerkstatt HIV 2010, hier mit Zertifikaten nach ihrer Fortbildung zu HIV-Test-Beratern (Foto: Andreas Rau) der Beratung z. B. müssen sie erst eine Schu- lung beim Aidshilfe-Bundesverband ma- kerin. Eine Frau hatte sich in mich verliebt hilfe-Mitgliedschaft, nämlich 70 Euro. Für chen. Schon während der Lernwerkstatt kön- und stellte mir nach – und außerdem auch Geringverdiener gibt es einen eigenen Tarif. nen sie aber hospitieren – hören erst mal nur Mitarbeitern anderer Aidshilfen, wie sich Wer Mitglied der Aidshilfe ist oder wird, zahlt zu, gehen dann selbst ans Telefon, melden später herausstellte. Aber das hatte ja nichts nur seinen Jahresbeitrag, bekommt die Lern- sich und reichen den Hörer weiter, werten mit dem Ehrenamt an sich zu tun. werkstatt also im Prinzip umsonst. Finanziert gemeinsam mit dem Berater das Gespräch wird das vor allem aus Eigenmitteln, die Teil- aus und protokollieren es im „Beratungsbo- Wer nicht zur Aidshilfe passt, nehmerbeiträge selbst würden gerade mal gen“, bis sie schließlich irgendwann die erste für das Intensivwochenende reichen. eigene Beratung machen können. sortiert sich meistens selbst aus Das heißt dann wohl, ihr versprecht euch Vielen Dank, Andreas, für diesen interes- Ehrenamt ist ja eine Form von unbezahlter eine Menge von der Lernwerkstatt. santen Einblick. Wenn wir das Ganze jetzt Arbeit. Wie haltet ihr eure Leute eigentlich Klar, sonst würden wir ja nicht so viel Zeit, in einem Spruch zusammenfassen wollten, bei der Stange, was könnt ihr ihnen bieten? Arbeitskraft und Geld investieren. Wie ge- würdest du dann sagen „Ehrenamt ist un- Da ist zunächst schon mal die Ausbildung. sagt, zum einen schicken wir damit gewis- bezahlbar“? Die vermittelt neben Wissen vor allem auch sermaßen Botschafter der Aidshilfe in die Nein, ich würde sagen, Ehrenamt bringt’s – Fertigkeiten, von Gesprächsführung über Be- Welt, und zum anderen erreichen wir ge- für beide Seiten.

9 Ehrenamt

Braucht die Aidshilfe ihre Buddys noch?

Mit einem besonderen Modell des freiwilligen Engage- ments in Aidshilfen, den Buddys, beschäftigt sich Bernd Aretz, Aids-Aktivist der ersten Stunde und selbst erfah- rener „Ehrenamtler“, im Gespräch mit Achim Teipelke, dem Geschäftsführer der AIDS-Hilfe /Main:

In den Anfangstagen der HIV-Epidemie Hinsicht). Der Großteil der HIV-Positiven wurden Infizierte in unseren Breiten als steht im Arbeitsleben, generationenüber- Todgeweihte und als Gefahr für die Gesell- greifende Wohnprojekte mit HIV-Positiven schaft gesehen. Aidskranke hatten eine be- sind ebenso Thema wie Altenwohngemein- merkenswert schlechte medizinische Prog- schaften, und auch über die Möglichkeit ei- nose, Ängste vor ihnen grassierten in allen ner Heilung von HIV (und die Bedeutung

Lebensbereichen. Und während einige er- dieses Umstandes für Aidshilfen) kann man Schwarz Foto: Thomas krankte Männer in ihren schwulen Freun- heute ernsthaft nachdenken, ohne ausge- Bernd Aretz, Jahrgang 1948, deskreisen emotional und lebenspraktisch lacht zu werden (siehe auch S. 20). Rechtsanwalt und Notar a. D. Er bestens versorgt und begleitet wurden, ist Aktivist der Aidsbewegung seit gab es andererseits die Alleingelassenen Braucht die Aidshilfe in dieser Situation Mitte der 1980er Jahre und war in und diejenigen, die sich voller Scham und ihre Buddys noch? Über diese und andere vielfältigen Funktionen tätig, un- Angst aus ihrem gewohnten Leben zurück- Fragen sprach ich mit Achim Teipelke, Ge- ter anderem auch als Vorstandsmit- zogen oder die schon vorher isoliert waren. schäftsfürer der Aidshilfe Frankfurt: glied der Deutschen AIDS-Hilfe. In dieser Situation gründeten viele Schwu- le, einige heterosexuelle Männer und man- Achim, welche Ideen aus den Anfangsta- che Frauen die Aidshilfen. Unabhängig von gen von Aidshilfe sind heute noch gültig? santer Geschwindigkeit zu einer entkollekti- der schnell einsetzenden Schaffung besol- Die Felder, in denen unsere sozialarbeiteri- vierten, entsolidarisierten Ansammlung von deter Stellen war und ist ihr Kern ein weit sche Kompetenz gefragt ist, mögen sich ja Individuen wandelt, in der Marktfähigkeit, verzweigtes System von ehrenamtlichen im Laufe der Jahre verändert und erweitert Leistungsfähigkeit, Gesundheit und Teilha- Hilfswilligen. Dazu gehören auch die Bud- haben. Unverändert ist aber der Wunsch der be an gesellschaftlichen und kulturellen Er- dys, in Frankfurt Homeworker genannt – Menschen, die zu uns kommen, nach Beiträ- rungenschaften immer stärker von „Selbst­ Kumpel und patente Frauen ohne Berüh- gen gegen ihre Vereinzelung. Dies ist seit der optimierungsfähigkeiten“ abhängen. Von rungsängste, die für sozial Vereinsamte die Stunde null der Aidshilfe-Bewegung ein vor- dieser Entwicklung sind viele unserer Rat, Brücke zur Teilnahme am Leben bildeten, dringliches Ziel gewesen: die Gemeinschaft Hilfe und Unterstützung Suchenden kom- zu Café- oder Kneipenbesuchen, Einkaufs- gegen die Isolation zu mobilisieren oder Ge- plett abgekoppelt. Und damit nicht genug: bummeln oder kulturellen Ereignissen mit- meinschaft überhaupt erst (wieder) zu er- Die Forderung, ein Individuum zu sein oder gingen und in Zeiten der Depression und möglichen und zu organisieren. Im Kern geht zu werden, bedeutet für viele nicht nur eine anderer Krankheiten auch Hand und Ohr es dabei um das Recht, als Person angenom- Überforderung persönlicher Fähigkeiten, liehen – gegebenenfalls auch bis zum Ster- men und wertgeschätzt zu werden, und das sondern bürdet in letzter Konsequenz dem ben: Die Hospizbewegung wurde beflü- Recht auf Teilhabe an der Gesellschaft. Es ist Einzelnen auch die Sorge für die sozialen Le- gelt, begleitetes Sterben hielt in den Klini- inzwischen aber eine soziale Realität, dass bensrisiken wie Arbeit, Bildung, Krankheits- ken Einzug ebenso wie die Pflege und das wir von immer mehr Menschen in Anspruch vorsorge und Alter auf – ein Ausstieg aus Sterben zu Hause. Und es wurde auf dem genommen werden, die sozial abgekoppelt den sozialen Sicherungssystemen der Ar- Vulkan getanzt. sind, abgekoppelt von jeder Teilhabe an Ge- beitsgesellschaft mit fatalen Folgen für un- meinschaft, Kultur und Liebe. sere Solidargemeinschaft. Ignoriert wird bei 25 bis 30 Jahre später gibt es eine Vielzahl der Entwicklung völlig, dass Individuum sein wirksamer und nebenwirkungsarmer HIV- Kannst du das präzisieren? und Verantwortung übernehmen nur in Ge- Medikamente – die HIV-Infektion ist eine Es sind die Schwachen, die Marginalisier- meinschaft geht. Das setzt wertschätzende in der Regel gut behandelbare chronische ten, die Prekarisierten, die Behinderten und und stärkende Strukturen und Räume der Erkrankung, medizinisch betrachtet ist ein Kranken, die ethnisch Ausgegrenzten, die Begegnung voraus, die Fähigkeit, in Kontakt normal langes Leben ohne größere Ein- als vulnerable, also verletzliche Gruppen ei- zu treten, und die finanziellen Möglichkeiten schränkungen möglich (auch in sexueller ner Gesellschaft gelten, welche sich in ra- zur Teilhabe.

10 bestimmte Teile des Alltags. Dies sind über- nähmen, sondern weil sie etwas geben, das wiegend Menschen, die sich aus der Fülle ih- der Sozialarbeiter nicht geben kann: eine res Lebens engagieren, denen es gut geht – wie auch immer begrenzte – reale Bezie- und die Vereinzelte daran teilhaben lassen hung. Was das In-der-Gemeinschaft-Hal- wollen. Homeworker stellen die verantwor- ten angeht, müssen wir uns übrigens zuneh- tungsethische Antwort auf die Entsolidari- mend auch mit den älter werdenden Drogen- sierung und Entfremdung innerhalb des Ge- gebraucherinnen und -gebrauchern sowie meinwesens dar, eine Schule für Solidarität, den alten Schwulen beschäftigen. Das ist im für Selbstsorge und damit für Verantwor- Grunde unabhängig von HIV, das in man- tungsübernahme von beiden Seiten, ein Er- cher Biografie, die ja von vielen Umständen gänzungssystem zu professionellen Hilfebe- geprägt ist, nur erschwerend hinzukommt. ziehungen und Lernort für die Beziehungs- und Sozialfähigkeit. Oder manchmal auch als gut nutzbarer Prügelknabe, auf den man alle Unzuläng- Was heißt das lebenspraktisch? lichkeiten des Lebens schieben kann … Gemeinsame Unternehmungen, Ausflüge Manche der Alten sind ja noch von der Ade- und Krankenreisen der Homeworker mit den nauer-Ära mit all ihrer Schwulenfeindlich- von ihnen Begleiteten schaffen immer wie- keit geprägt; Freunde sind gestorben, und der soziale Netzwerke von Menschen, die es wird immer schwieriger, neue Menschen vorher dazu nicht in der Lage waren. Man- in das Leben zu integrieren. Für sie haben cher, der sich vereinsamt wähnte und ei- wir das zweimal monatlich stattfindende nen Gesprächspartner herbeisehnte, stellt und gut angenommene Café Karussell im

Foto: Rolf Oeser aber auch fest, dass er Gemeinschaft noch Angebot, das ehrenamtlich moderiert wird Achim Teipelke, Jahrgang 1960, nicht aushält und nach einer Stunde mit sei- und in dem die Macher mit kleinen Einla- Diplom-Sozialpädagoge, seit 1986 nem Homeworker froh ist, wieder seine Ruhe gen zum Gespräch anregen. Aber das kann Mitarbeiter, Mitstreiter, Mitent- zu haben. Man sieht dem Einzelnen ja nicht natürlich nur ein Anfang sein – da kommt wickler und seit 1989 Geschäftsfüh- an, welche Traumatisierungen und Überle- noch einiges auf uns zu. Ein gutes Beispiel rer der AIDS-Hilfe Frankfurt, hat bensstrategien er hat und ob das bürgerliche für Gemeinwesenarbeit gegen die Vereinze- am Konzept der Strukturellen Prä- Wertesystem für ihn überhaupt der passende lung sind auch die Präventionsteams in der vention mitgewirkt. Maßstab für ein geglücktes Leben ist. Aber Szene, denn die Arbeit im Team erweitert die vielleicht setzen die Interventionen etwas in sozialen Möglichkeiten und gibt der Szene Gang, was Gemeinschaft befördert. eine Sprache für den Umgang mit HIV in der Welche Antwort kann Aidshilfe darauf fin- Sexualität. den? Also hat sich da im Grunde nicht viel geän- Wir müssen sehr viel lauter unsere Stim- dert? Und wie sieht es mit einer Sprache für den me gegen die sozialen und politischen Ent- Der Druck auf den Einzelnen ist größer ge- Umgang mit HIV im Arbeitsleben aus? wicklungen erheben. Wir brauchen keine worden. Die selbstverständliche Solidarität Da sehen wir bei einer anderen Gruppe von mildtätige Wohlfahrtsfürsorge als Ersatz für der schwulen Bewegung mit den HIV-Infi- Unterstützung Suchenden den Druck. Seit das sozialpolitische Versagen einer ganzen zierten existiert so nicht mehr. wir in den Schwerpunktpraxen Sprechstun- Volks- und Sozialwirtschaft. Natürlich ha- den anbieten, kommen Banker, Selbststän- ben sich Aidshilfen unter dem Druck der all- Ich gebe zu bedenken, dass die Solidarität dige, beruflich Erfolgreiche zu uns, denen täglichen Not in einem Teil zu einer Wohl- so ungebrochen nicht war. In weiten Tei- HIV als zusätzliche ständige Leistungsan- fahrtsorganisation entwickelt. Aber sie sind len der Bewegung herrschte eher ein Kli- forderung aufgebürdet wurde und die sich mehr als das. Neben den künstlichen Bezie- ma des Nicht-wissen-Wollens, des im Se- von uns Unterstützung bei der Erhaltung ih- hungen zu Sozialarbeitern bieten und or- xuellen Nicht-konfrontiert-sein-Wollens. rer Leistungsfähigkeit wünschen, zum Bei- ganisieren Aidshilfen auch „reale“ Kontak- Die Last der Angst sollten oft die Infizierten spiel durch Strategien, um den Druck aus- te zu Menschen auf Augenhöhe. Ob es nun allein tragen, zumindest, wenn es um das zuhalten. Auch ihnen fehlen im Alltag die ein Präventions-, Kneipen-, Brunch- oder Ca- körperliche Begehren ging. Aber es stimmt Menschen, mit denen sie ihre Nöte bespre- féteam ist – unter dem Dach der Aidshilfe schon, dass HIV eher wieder ins Private ver- chen könnten – letztlich geht es immer wie- findet viel Gemeinschaft statt, die sich auch lagert wurde. der um die Vereinzelung, die Unmöglichkeit, zu Freundschaften entwickeln kann und so- Dagegen bleibt für uns ein zentrales Anlie- zu sprechen. Wir brauchen all die bei uns En- ziales Leben auch fernab der Institution be- gen, tatsächliche und emotionale Räume für gagierten also auch, um einen Beitrag ge- fördert. Und für die Menschen, die sich in Begegnungen zu schaffen und auch den in- gen die Sprachlosigkeit zu leisten. diesen Zusammenhängen nicht engagie- fizierten oder kranken Menschen in der Ge- ren können oder wollen, haben wir unsere meinschaft zu halten. Im Rahmen der Ge- Achim, danke für diese Würdigung des frei- „Homeworker“ oder – wenn es nur um die meinwesenarbeit geht dies nicht, ohne die willigen Engagements! soziale Einbindung schwuler Männer geht – gesamte Szene im sorgenden Blick zu haben. die „rosa Paten“. Sie bieten sich gewisserma- Dafür sind die ehrenamtlichen Begleiter un- Zum Thema „HIV im Arbeitsleben“ ßen als reale Menschen an, als Begleiter für verzichtbar – nicht, weil sie uns die Arbeit ab- siehe auch S. 18

11 Positiv leben Foto: Matthias Schätzl

Die Vorbereitungsgruppe der „Positiven Begegnungen“ 2010 – HIV-Positive, HIV-Negative und Ungetestete HIV-Positive sprengen den Rahmen!

Wer in den 1980ern HIV-positiv getestet her für das programmatische Motto „Wir HIV auszutauschen. Vertreten war eine bun- wurde, rechnete oft nur noch mit zwei bis sprengen den Rahmen“ entschieden, um zu te Mischung aus schwul, hetero und Drogen drei Jahren Lebenszeit. Heute dagegen ist signalisieren, dass Menschen mit HIV sich aus gebrauchend, männlich und weiblich, ein- dank wirksamer Medikamente auch mit HIV einseitigen Bildern und veralteten Klischees heimisch und zugewandert, allein lebend ein langes und gutes Leben möglich (zumin- befreien müssen: Sie engen den Handlungs- oder mit Familie, Menschen in Ausbildung, dest in den reicheren Ländern wie Deutsch- spielraum ein, wirken lähmend und können Beruf und Rente. Und wie schon in Stuttgart land), und bei funktionierender und opti- im Falle eines (bewussten oder unfreiwilli- waren auch jetzt wieder Frauen und Män- mal betreuter Therapie sind Positive so gut gen) Outings zu Ausgrenzung im privaten ner aus der Positivenselbsthilfe von Öster- wie nicht mehr infektiös. Trotzdem prägen wie beruflichen Alltag führen. Das Leitthema reich, den Niederlanden und der Schweiz nach wie vor Unwissen oder Vorurteile das der Positiven Begegnungen 2009 in Stutt- dabei. Im Folgenden einige Eindrücke: Bild von Menschen mit HIV, etwa, dass Infi- gart – „Stigmatisierung von Menschen mit zierte krank und daher arbeitsunfähig seien, HIV“ – konnte so in Bielefeld erneut aufge- (Selbst-)Zuschreibungen keine Kinder bekommen sollten oder ganz griffen und weitergeführt werden. hinterfragen allein die Verantwortung für den Infektions- „Positive Begegnungen 2010“ – das schutz trügen. Andererseits kann die Mög- war zugleich das 20-jährige Jubiläum die- „Wer andere ansteckt, macht sich schuldig“ lichkeit, „normal“ zu leben, auch als Druck ser größten, kurz „PoBe“ genannten Selbst- oder „Wie kann man sich denn heute noch erlebt werden: Die HIV-Infektion als behan- hilfekonferenz Europas. Was einst in Frank- infizieren – bei all der Aufklärung?“ – solche delbare chronische Krankheit sei doch, wie furt am Main als „1. Bundesweite Positiven- Vorwürfe kommen nicht nur „von außen“, es oft heißt, eigentlich kaum noch Anlass für versammlung“ begann, hat sich im Lauf der sondern manchmal auch von Positiven und Ängste und Sorgen. Wie unterschiedlich sich Jahre zu einem der wichtigsten Kommuni- beeinflussen die Selbstwahrnehmung. Sie das Leben mit HIV gestaltet, gerät bei sol- kationsforen für Menschen mit HIV und Aids wirken umso stärker, je mehr sich die Be- chen Verallgemeinerungen aus dem Blick. entwickelt. Für das Flaggschiff ihrer Veran- troffenen bereits selbst schuldig fühlen. staltungen hatte die DAH diesmal den Ra- Schuld, Scham und die damit verbunde- Sich aus unrealistischen vensberger Park gewählt, ein ehemaliges nen Ängste: das kannten die Teilnehmer/- Bildern und veralteten Industriegelände, das schon 2002 die PoBe innen eines Workshops zum Thema aus ei- Klischees befreien beherbergt hatte. Über 500 Menschen wa- gener Erfahrung. Kaum jemand war da, der ren am 26. August gekommen, um sich vier die Verantwortung für den Schutz Nichtinfi- Die Vorbereitungsgruppe der „Positiven Be- Tage lang in rund 40 Workshops und Akti- zierter nicht bei sich verortet hätte – selbst gegnungen“ 2010 in Bielefeld hatte sich da- onen über aktuelle Themen im Leben mit dann, wenn den Einzelnen klar war, dass

12 hier beide Seiten gefordert sind. Doch wie men zu kämpfen: „Früher hatten die Ren- zu viel verlorengehe oder Zerrbilder ent- geht man mit Schuldgefühlen wegen ein- te und konnten sich engagieren, ich muss stünden. So seien z. B. schwule Historiker in gegangener Risiken um? Als Strategie emp- heute meine Infektion und meinen Beruf den 1980er Jahren selbst in die Archive ge- fahl man beispielsweise, man sollte sich sol- unter einen Hut kriegen“, so die Reaktion ei- gangen, um die Verfolgung homosexueller che Situationen genauer anschauen und nes „Jungpositiven“ auf den Vorwurf, er wür- Männer in der NS-Zeit aufzuarbeiten. überzogene Vorstellungen von ihrer Be- de sich nicht in der Selbsthilfe engagieren. Und wie kann man das geschichtliche herrschbarkeit hinterfragen: Eigene sexu- Es zeigte sich aber auch, dass es viel Ge- Bewusstsein in Positiven-Communities und elle Wünsche und Handlungen ließen sich meinsames gibt. So etwa die Hoffnung, dass Aidshilfen fördern? Vorgeschlagen wur- schließlich nicht immer in dem Maße kon­ die HIV-Therapie wirkt und neue Medika- den z. B. Geschichtswerkstätten, Jubiläums- trollieren, wie man das möchte oder tun zu mente entwickelt werden, oder der Wunsch, schriften, Blogs, Aktionen oder das Doku- müssen glaubt. sich offenbaren zu können, ohne Nachtei- mentieren lokaler Projekte, so etwa zur „Ge- Als hilfreich erwies sich für alle, im ge- le fürchten zu müssen. Einig war man sich schichte der HIV-Selbsthilfe in meinem Ort“. schützten Raum das eigene Wollen zu re- ebenso, dass Positive miteinander reden Außerdem solle die DAH das „Schwule Mu- flektieren. Erwähnung fand deshalb auch müssen, um sich in die Lage des jeweils seum“ in Berlin bei der Archivierung der die Initiative Poz & Proud in den Nieder- anderen versetzen zu können. Außerdem Aidsgeschichte unterstützen, dabei aber landen, die schwule HIV-Positive auffor- stärkt es das Selbstbewusstsein. „Wir wollen darauf achten, dass nicht nur das „schwule dert, sich mit (Selbst-)Stigmatisierung aus- nicht als Opfer gesehen werden,“ meinte ei- Aids“ seinen Platz finde – HIV habe schließ- einanderzusetzen, um selbstbewusst als ner, und ein anderer fasste es so: „Wir sind lich viele Gesichter. Positive/r auftreten und schiefe Bilder zu- wie der Rest der Menschen – mit einer blö- rechtrücken zu können. den Infektionskrankheit, die gut behandel- Sich ins rechte Bild setzen bar ist.“ Miteinander reden Dieser Vielfalt wurde in Bielefeld viel Raum Geschichte schreiben gegeben. So etwa im „Offenen Atelier“, Was denken „Langzeitpositive“ über frisch wo von früh bis spät mit Acrylfarben und Infizierte und umgekehrt? Was unterschei- Ums aktive Mitgestalten von Bildern ging Wachskreiden gemalt und gestaltet wur- det sie, was haben sie gemeinsam? Um da- es auch im „Geschichtsworkshop“. Die Zeit de. Das bewusst oder unbewusst Entstan- rauf Antworten zu finden, musste man im sei reif, sich mit der eigenen Biografie und dene konnte dann mit einer Kunstthera- Workshop „Jede Generation hat anders HIV“ derjenigen der Positivenselbsthilfe zu be- peutin reflektiert und weiterentwickelt und HIV-Positive sprengen den Rahmen! in die Rolle der jeweils anderen schlüpfen schäftigen, denn Rückschau zu halten tra- schließlich als fertiges Werk im Foyer des Ta- Foto: Karl Mai

Links: Das life+Magazin dokumentiert die „Positiven Begegnungen“ 2010; rechts: Werke aus dem „Offenen Atelier“

und durfte dann loslegen. „Für mich war ge zur Selbstvergewisserung bei und wir- gungshauses präsentiert werden. In einem HIV damals ein Todesurteil, es war ’ne ganz ke identitätsstiftend, so der Tenor. Erlebtes zweitägigen Video-Workshop konnten HIV- andere Zeit“, pointierte es einer, „die Jun- festzuhalten und weiterzugeben ermög- Positive sich selbst und ausgewählte As- gen aber wollen heute nicht mehr wissen, liche es außerdem den Jüngeren, Vergan- pekte ihres Lebens „ins rechte Bild setzen“. wie schlimm das war.“ Aus deren Perspekti- genes und die Erfahrungen der Älteren als Mit Unterstützung einer Mediengestalte- ve hörte sich das dann so an: „Ich kann das Ressource zu nutzen. Wichtig sei, die Deu- rin entstanden drei Videoclips, die im Ab- Gejammere nicht mehr hören, das ist, als ob tungshoheit über die eigene Geschichte zu schlussplenum gezeigt wurden. Der Jüngs- der Opa vom Krieg erzählt“. Die neue HIV- erlangen. Das Erforschen müsse man da- te in diesem Workshop zählte 20 Jahre und Generation hat mit ganz anderen Proble- her selbst in die Hand nehmen, weil sonst wusste seit sechs Monaten von seiner HIV-

13 Positiv leben Foto: Matthias Schätzl

Fotoaktion in der Bielefelder Innenstadt Bodymap aus Kenia

Infektion, die Älteste war Anfang 60 und den. Die in Workshops in Kenia erarbeiteten mer/innen vor seine Kamera und stellte ih- lebt seit 20 Jahren mit HIV. So unterschied- „Body Maps“ erzählen von Krankheit und nen Fragen zum Leben mit HIV, die sie per lich die Gruppe auch war: alle waren sich ei- Heilung, Ausgrenzung und Unterstützung, Mimik oder Gestik, Verbergen oder Andeu- nig, dass man den Stigmatisierungen von von Trauer und Lebensfreude. In sozialen ten beantworten sollten. Die so entstande- außen eigene Bilder entgegensetzen muss. Umfeldern, in denen HIV tabuisiert und ver- nen großformatigen Fotos wurden dann in Von dieser Idee getragen sind auch die schwiegen wird, sind „Body Maps“ ein aus- den Straßen der Innenstadt präsentiert – lebensgroßen Selbstportraits von Men- drucksstarkes Mittel zur Verarbeitung von schließlich sollte sich auch die Bielefelder schen mit HIV, die man im Tagungsgebäude Diskriminierung. Öffentlichkeit ein Bild von der Vielfalt ma- ausgestellt hatte. Entstanden sind sie beim Mit einer Fotoaktion traten die Positiven chen können. Die Gelegenheit wurde ge- „Body Mapping“, einer Methode, bei der Begegnungen schließlich auch aus dem Ra- nutzt: Trotz strömenden Regens blieben Wünsche, Hoffnungen und Erfahrungen in vensberger Park heraus. Der dafür enga- viele Passanten vor den Fotos stehen, und den eigenen Körperumriss eingemalt wer- gierte Fotograf bat mehrere PoBe-Teilneh- manchmal kam es auch zu Gesprächen. „positive stimmen“ – Forschung in eigener Sache Man ruft sie erst am Ende der Arztsprechstunde auf, obwohl sie Der Weg ist das Ziel schon früh da war. Er wird von seinen Kolleg(inn)en misstrauisch In diesem Projekt geht es darum, die im Alltag mit HIV erlebte beäugt und gemobbt – und dann auch noch entlassen. Ein ande- Stigmatisierung und Diskriminierung zu dokumentieren. Der Weg rer bekommt den gewünschten Job nicht, weil er sich geoutet hat. ist dabei genauso wichtig wie die Ergebnisse, denn Positive selbst Eine Mutter befürchtet, dass ihre Tochter im Kindergarten gehän- befragen hier andere Positive und berichten darüber – ganz im selt wird. Als er seinem Part- Sinne des „GIPA-Prinzips“, das eine stärkere Beteiligung der mit ner sagt, dass er HIV hat, will HIV lebenden Menschen an allen sie betreffenden Maßnahmen dieser keinen Sex mehr mit einfordert. Das Ziel dabei ist, die Selbstorganisation und Selbst- ihm haben. Solche oder ähn- vertretung zu stärken. Die Forschungsbefunde wiederum sollen in liche Erlebnisse und Gefüh- der Gesellschaft das Verständnis für die Lage von Menschen mit le haben HIV-Positive überall HIV fördern helfen und zugleich Anhaltspunkte liefern, in welchen auf der Welt. Man spricht da- Lebensbereichen es (weiterer) entstigmatisierender Maßnahmen bei von „HIV-bezogener Stig- bedarf und wie die Selbstorganisation unterstützt werden kann. matisierung“. Wie es sich damit in Deutschland verhält, soll das von der DAH ko- Möglichst viele sollen sich Gehör verschaffen ordinierte Projekt „positive stimmen – Leben mit HIV und Stigmati- Begleitet wird das zwölfmonatige Projekt von einem Beirat, dem sierung“ untersuchen, das am 1. August 2011 offiziell an den Start selbst wieder Positive aus Netzwerken, Initiativen und Aidshilfen ging. Wir beteiligen uns damit an der internationalen Initiative angehören. Aufgabe der DAH ist es nun, möglichst vielen Men- „Stigma-Index der mit HIV lebenden Menschen“ (PLHIV Stigma In- schen mit HIV Gelegenheit zu geben, sich Gehör zu verschaffen. dex, im Internet unter stigmaindex.org), die das Globale Positiven- Wer sich ein halbes Jahr als Forscher/in betätigen und mit Posi- netzwerk (GNP+), die Internationale Gemeinschaft HIV-positiver tiven ins Gespräch kommen möchte, wird dafür speziell ausgebil- Frauen (ICW), die Internationale Föderation für Familienplanung det. Genauere Informationen über „positive stimmen“ und die ver- (IPPF) und UNAIDS, das Aidsprogramm der Vereinten Nationen, im schiedenen Formen der Beteiligung finden sich unter www.positi- Jahr 2004 ins Leben gerufen haben. ve-stimmen.de und unter facebook.com/positivestimmen.

14 Bundesweite Positiventreffen: gelebte Selbsthilfe

Im Lauf der nunmehr 30-jährigen Geschichte von HIV hat sich im Leben mit dem Virus vieles verändert. Das spiegelt sich auch in den bundesweiten Positiventreffen wider, die seit über 25 Jahren in der Akademie Waldschlösschen bei Göttingen stattfinden.

Von Wolfgang Vorhagen Das erste Tref- Mitgestalten oder einfach fen fand im April 1986 statt – in Zeiten einer nur Kraft schöpfen mediengeschürten Aidshysterie und po- litischer Auseinandersetzungen zwischen Danach war klar, dass man diesen Weg wei- den Befürwortern einer repressiven Seu- tergehen wollte, und noch im gleichen Jahr chenstrategie (z. B. Peter Gauweiler) und ei- gab es zwei weitere Treffen. 1987 begann ner vernunftbasierten Lernstrategie (wie sich eine kleine Gruppe zu bilden, der Teil- Rita Süssmuth). Die beiden Initiatoren, Jörg nehmer/innen und ein Waldschlösschen- Sauer und Bernd Flury, kannten das Wald- Mitarbeiter angehörten. Sie wollten die schlösschen bereits als „schwules Tagungs- Regie für künftige Positiventreffen über- haus“ und erhofften sich hier auch für Men- nehmen und gründeten deshalb 1988 den schen mit HIV und Aids einen geschützten Verein „Positiv e. V.“. Fast 150 Treffen ha- Rahmen. Ihrer Einladung folgten 37 schwu- ben seither stattgefunden. Tausende Posi- le Männer und eine heterosexuelle Frau. Sie tive haben sie mitgestaltet oder im Wald- kamen aus ganz Deutschland angereist und schlösschen einfach nur neue Kraft für den hatten bis dahin noch keine anderen Positi- Alltag mit HIV geschöpft. ven kennengelernt. Entsprechend groß war Etliche derer, die in den ersten zehn Jah- ihr Bedürfnis, sich auszutauschen und Soli- ren dabei waren, sind längst an den Folgen darität zu erleben. der HIV-Erkrankung verstorben. Damals Foto: privat

Wolfgang Vorhagen ist Mitglied von Positiv e. V. und pädagogischer Mitarbeiter der Akademie Wald- schlösschen.

waren die Treffen von schwerer Erkrankung Foto: Akademie Waldschlösschen und frühem Tod geprägt. Heute dagegen gilt es vor allem, Perspektiven für die Zu- kunft zu entwickeln und das Positivsein in ein ansonsten fast „normales“ Leben zu in- tegrieren. Trotzdem wird bei jeder „Neuen- Runde“ zu Beginn der Treffen deutlich: Vie- le erleben das positive Testergebnis immer noch als tiefen biografischen Einschnitt mit erheblichen Folgen für das Privat- und Be- rufsleben.

Jedes Mal kommt eine bunte Mischung zusammen

Gemäß dem Motto „Wissen ist Macht“ geht es bei den viertägigen Positiventreffen vor allem darum, sich medizinisches und sozi- alrechtliches Wissen anzueignen und gesell- Akademie Waldschlösschen in Reinhausen bei Göttingen schafts- und gesundheitspolitische Fragen

15 Positiv leben

zu diskutieren. Sie regen aber auch dazu an, berufstätig, ein anderer Teil bereits seit län- an jedem Vormittag und Nachmittag min- sich mit der eigenen Lebenssituation und gerem berentet, die einen haben das „Trau- destens vier –, aber auch in den mindestens mit gesundheitsförderlichen Verhaltenswei- ma Aids“ fast von Beginn an erlebt, die an- drei „Sondertreffen“ pro Jahr für bestimm- sen auseinanderzusetzen. Jedes Mal kommt deren sind erst seit wenigen Jahren infiziert. te Gruppen mit ähnlichen Erfahrungen und eine bunte Mischung zusammen: gerade Für uns Veranstalter ist es immer wie- Lebenssituationen, nämlich Langzeitpositi- erst positiv Getestete und Langzeitpositive, der spannend, uns mit den unterschiedli- ve und ältere Positive, dann junge Positive Studenten, Berufstätige und Rentner, Junge chen Interessen und Erwartungen ausein- bis 30 und schließlich Berufstätige. Für alle und Ältere, Schwule, Bi- oder Heterosexu- anderzusetzen und – unterstützt durch die Positiventreffen aber gilt, dass sie gelebte elle, Männer und Frauen. Die unterschiedli- große Schar kompetenter Dozent(inn)en Selbsthilfe im besten Sinne sind: durch die chen Lebensverhältnisse HIV-positiver Men- – Trennendes wie auch Gemeinsames he- Mitglieder von Positiv e. V. und auch durch schen spiegeln sich auch bei den Ehren- rauszuarbeiten. Diese Vielfalt spiegelt sich das spontane Engagement der Teilnehmer/- amtlichen von Positiv e. V. wider: Ein Teil ist dann in der Vielzahl der Workshops wider – innen.

Die Waldschlösschen-Anlage Der Gartensaal „So was gibt Kraft“ Sicherheit in der Abgeschiedenheit „Das Waldschlösschen wird von vielen wie eine Oase empfun- Auf den Positiventreffen tanken den“, schwärmt Besucherin Tanja*. „Die Natur drum rum, der eingeschränkte Handyempfang – als Gruppe fühlt man sich Menschen mit HIV Selbstbewusstsein. hier wie unter einer Schutzglocke.“ Die 25-Jährige weiß noch Das Waldschlösschen bei Göttingen genau, wie wichtig ihr diese Abgeschiedenheit war, als sie zum bietet den perfekten Rahmen. ersten Mal zu einem Treffen für junge Positive kam. „Viele ha- ben anfangs große Probleme, überhaupt auszusprechen, dass Ein Bericht aus der „Waldeseinsamkeit“ sie HIV-positiv sind. Aber in diesem geschützten Rahmen kön- von Phillip Eicker nen sie sich öffnen.“ Konstantin Leinhos vom Organisati- onsteam bestätigt diesen Eindruck: „Besonders bei unseren Die Entschleunigung beginnt schon auf dem Weg zum Wald- Treffen für Berufstätige sind viele Teilnehmer komplett unge- schlösschen. Der Regionalbus, Abfahrt Göttinger Bahnhof, outet. Hier im Waldschlösschen fühlen sie sich sicher.“ kommt nur langsam vorwärts. Die schmale Straße schlängelt Das liegt auch daran, dass HIV für alle Mitarbeiter, vom sich durch weizengelbe Täler und über waldige Hügel. Wei- Mann am Empfang bis zur Küchenhilfe, etwas ganz Alltäg- ße Fachwerkhäuser ducken sich unter Felsvorsprünge aus ro- liches ist. Und man befindet sich in einer Einrichtung der tem Sandstein. Am Dorfausgang von Diemarden streikt ein Schwulenbewegung. Das Anderssein und die Reflexion ver- Traktor, die beiden Hänger stehen quer und versperren den schiedener Lebensstile sind hier an der Tagesordnung. Ent- Weg. Nach einem kurzen Gespräch mit dem Bauern wagt der sprechend lang sind die Wartelisten, Anmeldungen kommen Busfahrer den Umweg durchs Feld. Nächster Halt: Akademie aus der ganzen Republik. Waldschlösschen. Ganz plötzlich taucht es im Wald auf, Fach- werkfassade, Mansardendach, ein rotgeziegeltes Türmchen. „Manchmal entstehen richtige Kunstwerke“ Ein findiger Unternehmer hat das auffällige Haus 1902 als Ausflugsgaststätte im historisierenden Stil erbaut. Das Prin- Stark nachgefragt sind derzeit Seminare für Berufstäti- zip „Waldeseinsamkeit“ funktioniert auch 110 Jahre später ge. Andi* hat schon mehrere besucht. „2007 habe ich mich noch und macht das kleine Schloss zum idealen Ort für Tref- selbstständig gemacht“, erzählt der 38-jährige . „Der fen von Menschen mit HIV. ganze Input, den ich mir damals zusätzlich geholt habe, kam

16 Teilnehmen kann auch, können so auch Menschen, die nur wenig ventreffen“ sogar noch mehr Menschen als wer wenig Geld hat Geld haben, was vor allem bei Langzeitpo- früher ins Waldschlösschen: Weil die HIV- sitiven häufig der Fall ist. Die Positiventref- Infektion heute eine behandelbare chro- Die bundesweiten Positiventreffen sind fen haben sich übrigens als sehr „vermeh- nische Krankheit ist, mit der auch ein ho- ein gutes Beispiel für ein gelingendes Mit- rungsfreudig“ erwiesen und die Selbsthilfe hes Alter erreicht werden kann, hat das Le- einander von Selbsthilfe, Erwachsenenbil- HIV-positiver Menschen gestärkt: Aus den ben mit HIV viele Gesichter bekommen. Der dung und Deutscher AIDS-Hilfe. Ohne die Treffen sind diverse Initiativen entstanden, Bedarf, sich zu informieren und auszutau- schon seit 1987 währende Zusammenar- von Positiventreffen in einzelnen Bundes- schen, sich gegenseitig zu stärken und sich beit von Positiv e. V. und Akademie Wald- ländern und auf internationaler Ebene über gemeinsam für weitere Verbesserungen zu schlösschen mit der DAH (und die Unter- das Netzwerk der Jungpositiven bis zur In- engagieren, ist dadurch gewachsen. stützung durch Bundesmittel) wäre ein Pro- teressenvertretung „HIV im Erwerbsleben“. Weitere Informationen: jekt wie dieses nicht möglich – teilnehmen Dennoch kommen zur „Mutter aller Positi- www.positiv-ev.de Fotos: Akademie Waldschlösschen

Denkraum Das Team der Positiventreffen Gartenidylle von hier. Dafür bin ich sehr dankbar.“ Daneben hat der Ergo- straße: auch die Leiter und Mitglieder des verantwortlichen therapeut aber immer auch Zeit für Massageworkshops ge- Vereins Positiv e. V. können etwas lernen. „Beim Abendbrot funden. „Nicht nur, weil mir das beruflich liegt, sondern auch, oder beim Kaffee auf der Terrasse unterhalten wir uns über um mir etwas Gutes zu tun.“ die Anliegen, die den Leuten gerade auf den Nägeln brennen“, Neben nützlichem Faktenwissen, etwa zur rechtlichen Si- berichtet Leinhos. Frühzeitig spürt der Verein so Themen auf, tuation oder zur medizinischen Versorgung, sollen die Treffen die einige Jahre später in Vorträgen und Leitfäden alle HIV- immer auch das Wohlbefinden und die Kreativität ihrer Besu- Positiven in Deutschland erreichen sollen. cher steigern – mit Improvisationstheater, Video-Workshops „Die Positiventreffen sind eine Art Entwicklungsabteilung oder „Arbeit am Stein“. Lothar* ist ein besonders fleißiger für die Deutsche AIDS-Hilfe“, lobt DAH-Vorstandsmitglied Steinmetz. Drei Skulpturen im Garten des Waldschlösschens Carsten Schatz, der auch Mitglied bei Positiv e. V. ist. Eine wich- zeugen davon, dass der Berliner seit über 20 Jahren die Posi- tige Erkenntnis der letzten Jahre: Die meisten Positiven wollen tiventreffen besucht. „Manchmal entstehen richtige Kunst- und können arbeiten. Aber die Arbeitswelt ist darauf nicht dar- werke“, berichtet der 59-Jährige, „und manchmal will ich nur auf vorbereitet. „Die Lebensqualität mit HIV hat sich stark ver- was rauslassen und auf den Stein einschlagen.“ Auch Malen bessert“, so Schatz, „aber an der Umgangsweise mit Positiven, hat Lothar bei einem Positiventreffen gelernt. „Das hat mir so am Zwang zum Versteckspielen hat sich nichts geändert.“ viel Spaß gemacht, dass ich später eine Malgruppe für Positi- Umso wichtiger sind Orte wie das Waldschlösschen, wo ve ins Leben gerufen habe.“ Nächstes Jahr feiern die Berliner Positive Selbstbewusstsein tanken können. Auch Heike* Hobbykünstler 20-jähriges Jubiläum. (47) genießt das Angebot. Bei ihr zu Hause, in einem Dorf bei Hamburg, wissen nur engste Freunde von ihrer Infekti- „…eine Art Entwicklungsabteilung für die DAH“ on. „Wenn ich nicht will, dass meine 12-jährige Tochter aus- gegrenzt wird, muss ich die Schnauze halten“, meint sie la- Lothars Engagement zeigt: Die Treffen in der niedersächsi- pidar. Weil Heike im Stau stand, war sie zu spät zum Begrü- schen Provinz prägen auch die Aidsarbeit im restlichen Land. ßungsessen gekommen. „Der ganze Saal war schon voll, auf „Wir machen hier Hilfe zur Selbsthilfe“, betont Konstantin den ersten Blick nur schwule Männer“, berichtet sie. „Gleich Leinhos, „und die Besucher geben ihr im Waldschlösschen am ersten Tisch hab ich schüchtern gefragt, ob ich mich da- erworbenes Wissen auch weiter – viele engagieren sich in zusetzen darf – und sofort gehörte ich dazu. Das war toll. So Selbsthilfegruppen oder Netzwerken wie ‚Jung und positiv‘.“ was gibt Kraft.“ Die Fortbildung im Waldschlösschen ist dabei keine Einbahn- *Name geändert

17 Positiv leben

Thomas, du bist Facharzt für Innere Me- dizin in eigener Praxis und hast auch HIV- positive Patienten. Aber nicht alle Kolle- gen oder Patienten wissen, dass du selbst HIV-positiv bist. Warum ist das so? Beim Outing unterscheide ich – oute ich mich meinen Klienten oder meinen Arbeits- kollegen gegenüber? Einige meiner positiven Foto: Ioana Davies / iStockphoto.com Patienten kennen meinen Serostatus, und ich habe das Gefühl, dass damit verantwor- tungsvoll umgegangen wird. Für manche ist es tatsächlich eine Hilfe, zu wissen, dass auch ihr Doktor positiv ist. Meinen Kollegen gegenüber bin ich ehrlich gesagt noch un- entschlossen und wäge Vorteile und Nach- teile gegeneinander ab. Insgesamt betrachte ich die Mitteilung als meine sehr persönliche Sache, die stark von dem Vertrauensverhält- nis, das zu Arbeitskollegen besteht, bestimmt wird. Weil ich in meiner Leistungsfähigkeit, wie mittlerweile viele andere Positive, kaum beeinträchtigt bin, fühle ich mich auch nicht unter Druck gesetzt. Außerdem – auch wenn die HIV-Infektion mittlerweile als chronisch „Ich wünsche mir, behandelbar gilt, ist die gesellschaftliche Akzeptanz den medizinischen Fortschritten dass für uns alle nicht unbedingt gefolgt. Ist ein „positives Coming-out“ also schwie- Normalität einkehrt“ riger als das Coming-out als Schwuler? Ja, absolut. Das Coming-out als HIV-Positiver ist auch nach Jahren ein immer noch nicht abgeschlossener Prozess für mich. Es ist viel HIV ist ein schwer übertragbares Virus – im Alltag und schwieriger als das schwule Coming-out. Mit im Arbeitsleben ist keine Ansteckung zu befürchten. dem schwulen Coming-out gehen viele schö- ne Dinge einher. Du schüttelst die vorgelebte, Statistiken zeigen außerdem, dass HIV-positive normative Sexualität ab. Du erlebst viel Auf- Arbeitnehmer im Schnitt genauso leistungsfähig sind regendes, machst schöne Erfahrungen, lernst und ­genauso wenig oder viel Fehlzeiten haben wie ihre deinen ersten Freund kennen und tauchst in ein neues Leben ein. Ein positives Testergeb- ­Kollegen (unter denen es ja auch Menschen mit ­anderen nis ist zwar auch aufregend, aber in einem chronischen Krankheiten geben kann). Dieses Wissen ist sehr unangenehmen Sinne, es war für mich mit sehr viel Stress verbunden. Man setzt sich aber bei vielen Menschen noch nicht angekommen, wie dann nicht mit den Spaßfaktoren des Lebens die Journalistin Sabine Otto im Gespräch mit dem auseinander, sondern mit Krankheit, Sterben und Tod. 1998, als ich mein positives Test­ Arzt Thomas R.* erfuhr: ergebnis erhielt, waren die Perspektiven für mich noch ganz andere als heute. Die Kom- binationstherapien gegen HIV wurden da-

Foto: privat mals erst seit zwei Jahren auf breiter Basis eingesetzt, und man wusste noch nicht, dass man bei guter Behandlung einmal eine an- nähernd normale Lebenserwartung bei gu- ter Lebensqualität haben würde. Foto: Eric Hood / iStockphoto.com Du hast ja erst ziemlich spät einen HIV-Test Links: Sabine Otto; rechts: Thomas R.* machen lassen. (Symbolfoto) Ja, erst, als es nicht mehr ging und sich *Name von der Redaktion geändert Krankheitssymptome zeigten. Ich habe mich

18 lange vor dem Test und dem damit verbun- kennst oder wenn sein Testergebnis negativ cher unterhalb der Nachweisgrenze ist, stellt denen Ergebnis gedrückt. Das war damals ist, dann wird Safer Sex gemacht. Viele mei- für Patienten keine Gefahr dar und könn- bei vielen meiner Freunde so, dass man sich ner Freunde sind auch positiv, da erübrigt te seine Tätigkeit weiter fortführen. Wo kein fragte: Warum sollst du dich mit einer Sa- sich das Thema. Virus, da gibt es auch keine Übertragungs- che belasten, an der man sowieso nichts än- möglichkeiten. Das wissen aber selbst vie- dern kann? In den Anfangszeiten gab es ja Auf dem letzten Deutsch-Österreichischen le Betroffene nicht, und gesamtgesellschaft- noch keine wirksame Behandlung. Das hat- Aids-Kongress in Hannover hast du dich lich ist das auch noch nicht angekommen. te sich zwar schon 1995/96 geändert, aber bei einer Podiumsdiskussion zum Thema Ich betrachte diese Erkenntnis hier aus der ich habe die Entwicklung „verschlafen“. Ich „HIV und Erwerbsleben“ auch in der Öf- rein beruflichen Perspektive – die Präventi- musste dann sofort mit der Behandlung an- fentlichkeit als positiv geoutet. Warum? on von sexuell übertragbaren Erkrankungen fangen, weil meine Werte nicht gut waren. Das war eine spontane Entscheidung, aus bleibt weiterhin unverzichtbar. Von da an verschwand ich fast täglich in einem Bauchgefühl heraus – ursprünglich den Katakomben der Universitätsbibliothek wollte ich nicht aufs Podium. Aber kurz vor- Warum ist das Coming-out in der Firma für und versuchte, fehlendes Wissen aus Fach- her hatte ich ein Erlebnis, dass mir wieder viele Betroffene trotzdem so schwierig? journalen zu erwerben. Das war gut, weil ich gezeigt hat, wie viel Unwissen und Vorurtei- Schau dir doch die Werbefilme vieler Un- so schnell herausfand, dass meine Behand- le es gibt – und dass man was dagegen tun ternehmen an. Da kann der Spot noch so lung damals medizinisch nicht mehr auf der muss: Ein Mann kam zu mir in die Praxis und forsch und jugendlich daherkommen, wich- Höhe war. Ich habe mir dann einen ande- wollte einen HIV-Test machen. Er hatte ge- tig ist ein „unbeflecktes“ Image. Stell dir zum ren Arzt gesucht und bekam dort eine neue hört, dass der Pächter einer Kneipe, in die er Beispiel einfach ein großes deutsches Bank­ Kombinationstherapie, unter der sich mein öfter ging, HIV-positiv war. Der hatte nicht institut vor. Da geht man nicht zu irgend- Gesundheitszustand rasch besserte. Wir ha- etwa Sex ohne Kondom mit ihm gehabt – er welchen Empfängen ohne Ehefrau und ou- ben über die Jahre ein sehr gutes Vertrau- war gar nicht schwul –, sondern hatte allein tet sich schon gar nicht als HIV-positiver ensverhältnis aufgebaut, er hat mich geför- schon deshalb Angst, weil er mit ihm in ei- schwuler Mann. dert und ermuntert, mich auch beruflich mit nem Raum gewesen war. dem Thema auseinanderzusetzen. Ist es wirklich das Imageproblem, oder do- Und wie waren die Reaktionen auf dein miniert bei Arbeitgebern die Angst vor Aus- Hast du anderen schnell von deinem posi- Coming-out, wie hast du das erlebt? fallzeiten und Leistungseinschränkung? tiven Testergebnis erzählt? Viele meiner Kollegen waren bei dieser Ver- Du hast natürlich deine regelmäßigen Arzt- Ja, noch am selben Tag. Zunächst meinem anstaltung anwesend. Die Reaktionen wa- termine. Normalerweise gehe ich einmal besten Freund und später auch dem aller- ren sehr unterschiedlich, angesprochen wur- im Quartal zum Arzt, um meine Laborwer- engsten Freundeskreis. Das waren vielleicht de ich danach aber nur von wenigen. Es te checken zu lassen. Das ist aber etwas, was zwei bis maximal drei Leute, die ich sehr gut gab wohl einige, die es „kopfschüttelnd“ zur auch viele andere chronisch Kranke für sich kannte und zu denen ich Vertrauen hatte. Es Kenntnis nahmen, und andere, die mir spä- in Anspruch nehmen. Und in Bezug auf Leis- hat sich dann auch keine Freundschaft we- ter sagten, dass es ein richtiger und wichti- tungseinschränkungen sehe ich da bei mir, gen meines Positivseins aufgelöst. ger Schritt gewesen sei. Ich war überrascht, wie bei vielen anderen, zurzeit keine Proble- als ich von einem Bekannten erfuhr, dass der me. In meiner Praxis sehe ich, dass viele Pro- Weiß deine Familie, dass du positiv bist? Podiumsauftritt zum Aufhänger der Kon- bleme und Ausfallzeiten nicht körperlicher, Nein. Da schwangen dann natürlich die gressberichterstattung in der Samstagsaus- sondern eher psychosozialer Natur sind, Erlebnisse mit, die ich noch von meinem gabe der FAZ wurde. Ich empfand den Arti- also unter anderem mit der Krankheitsbe- schwulen Coming-out in Erinnerung hatte, kel insgesamt als positiv und differenziert. wältigung zu tun haben. aber ich sehe auch gar keine Notwendigkeit dazu. Klar, die Familie kann eine ganz wich- In deinem Beruf hast du sehr viel mit HIV- Was wünschst du dir also? tige Ressource bei der Unterstützung in Le- Positiven zu tun. Welche Erfahrungen ha- Einen selbstverständlicheren Umgang mit benskrisen sein, es bleibt aber eine individu- ben die mit ihrem Coming-out am Arbeits- der Erkrankung. Dass man nicht tagelang elle Entscheidung. platz gemacht? darüber nachdenken muss, ob man irgend- Ich kenne Leute, die sich am Arbeitsplatz ge- jemandem ein Ergebnis mitteilen muss oder Wie ist das positive Coming-out gegen- outet haben und die … (Pause) Es gibt nur nicht. Dass Leute sich nicht gezwungen füh- über neuen Partnern, Sexualpartnern? wenige, die wirklich schlechte Erfahrungen len, ihre Medikamente heimlich auf der Per- Am Anfang hatte ich Panik, jemanden in- gemacht haben. Ein Fall, das war ein Ma- sonaltoilette einzunehmen, und sich nicht fizieren zu können und niemanden mehr nager im Automobilbereich, wohl auch ein rechtfertigen müssen, wenn sie einen Arzt- kennenzulernen. Auch, weil ich mir bis da- sehr konservatives Unternehmen. Als seine termin wahrnehmen müssen. Dass Arbeits- hin selbst nicht vorstellen konnte, mit ei- Krankheit irgendwie im Betrieb öffentlich plätze geschaffen werden, die auf die indi- nem Positiven zusammen zu sein. Aber das geworden ist, hat man ihm ziemlich schnell viduellen Bedürfnisse von Betroffenen zu- hat sich im Laufe der Jahre vollständig auf- zu verstehen gegeben, dass es nicht zum Fir- geschnitten sind. Dass die Krankheit endlich gelöst. Auf meine Sexualität hat der positi- menimage passe, HIV-positiv zu sein. Das den Stellenwert erfährt, den sie mittlerwei- ve Status kaum noch Einfluss. Der Umgang war das extremste Beispiel, von dem ich ge- le aufgrund der medizinischen Fortschritte in der Schwulenszene ist mittlerweile rela- hört habe. Dabei dürfte es im Berufsleben ei- und Erkenntnisse im Jahre 2011 haben soll- tiv offen. Wenn du mit jemandem zusam- gentlich keine Einschränkungen für HIV-Po- te. Ich wünsche mir, dass für uns alle Norma- men bist, von dem du das Testergebnis nicht sitive geben. Sogar ein Gefäßchirurg, der si- lität in diese ganze Geschichte einkehrt.

19 Medizin

HIV: Heilung in Sicht?

Noch vor fünf Jahren galt es als unseriös, über die Möglichkeit einer „HIV-Heilung“ zu sprechen. Einer der Gründe, die man anführte, lautete: HIV baut seine Erbsubs- tanz in die DNA der menschlichen Zelle ein und programmiert sie so um, dass sie danach neue Viren produziert. Diese umprogrammierten Zellen kann man nicht mehr „retten“. Ein weiteres Argument: HIV mutiert sehr häufig und ist dadurch sehr wandlungsfähig, sodass das Virus gegen Medikamente leicht unempfindlich werden kann. Doch seit 2010 ist alles anders: Ein in Berlin lebender HIV-infizierte Amerikaner, der mittlerweile berühmte „Berliner Patient“, wurde von der Wissenschaft für geheilt erklärt. Damit ist bewiesen, dass eine Heilung prinzipiell möglich ist – ein wichtiger Meilenstein in der HIV-Forschung und -Behandlung.

Von Armin Schafberger Der „Berliner Pa- perzellen. Doch auch zahlreiche Untersu- tient“, Timothy Ray Brown, war bereits 1995 chungen von Darmschleimhaut, Lymphkno- HIV-positiv getestet worden. Im Juni 2006 ten und Nervengewebe erbrachten keinen wurde bei ihm zusätzlich eine akute myeloi- Virusnachweis. Der „Berliner Patient“ gilt da- sche Leukämie diagnostiziert, eine bösärtige her seit 2010 als von der HIV-Infektion ge- Erkrankung des blutbildenden Systems. Eine heilt. Möglicherweise ist HIV sogar vollstän- Chemotherapie half nicht – ein Jahr später dig aus seinem Körper verschwunden. schien nur noch eine Knochenmarktrans- Es geht also! Das ist die gute Nachricht. plantation sein Leben retten zu können. Die schlechte Nachricht: Die Heilung wird Hierbei werden sogenannte Stammzellen bis auf Weiteres wohl ein Einzelfall bleiben. übertragen, die Ausgangspunkt für die ge- Zum einen ist es schwer, passende Spen- samte Zellneubildung des Blutes und des der zu finden – nur etwa ein Prozent der Be- Abwehrsystems sind. Und hier kam nun der völkerung in Europa hat die Genvariante für Faktor HIV ins Spiel: Der Arzt Gero Hütter den defekten CCR5-Rezeptor –, und dann und sein Team von der Berliner Charité hat- hat eine Stammzelltransplantation auch ten sowohl eine gute Idee als auch das nöti- noch viele Risiken und Nebenwirkungen: ge Glück: Aus mehr als 60 möglichen Spen- Vor der Übertragung von Spenderzellen dern, die sich zur Verfügung gestellt hatten, müsste das Immunsystem des Empfängers wählten sie einen aus, der von beiden El- zum Beispiel durch eine Ganzkörperbestrah- ternteilen die Erbanlage für einen fehlerhaf- lung so weit wie möglich „ausgelöscht“ wer- ten CCR5-Korezeptor hat. Dies ist eine Stel- den, damit es nicht zu einer Abstoßungs- le auf der Oberfläche menschlicher Zellen, reaktion kommt und damit das Immunsys- welche die meisten HIV-Varianten zum „An- tem des Spenders „die Regie übernehmen“ docken“ brauchen. Ist dieser Rezeptor „de- kann. In dieser Phase wäre der Patient stark fekt“, können die Viren nicht in die Zelle ein- durch Infekte gefährdet – die Sterblichkeit dringen und sich nicht vermehren. liegt bei ca. 10 bis 30 Prozent. Außerdem Der Coup gelang: Nach der Transplanta- führt eine Ganzkörperbestrahlung häufig tion wurden die HIV-Medikamente von Ti- zu dauerhaften körperlichen und manch- mothy Ray Brown abgesetzt, und trotzdem mal auch geistigen Einschränkungen.

blieb die Viruslast in seinem Blut unter der Foto: Martin Westphal Nachweisgrenze. Auch nach einem Leukä- Armin Schafberger ist Medizin- Verschiedene Ansätze – mie-Rückfall und einer erneuten Transplan- referent der Deutschen AIDS-Hilfe ein Ziel tation vom gleichen Spender im März 2008 und fordert eine beschleunigte und waren keine Viren mehr im Blut nachweis- finanziell ausreichend ausgestattete Dennoch besteht Hoffnung, dass die For- bar. Anfangs waren viele HIV-Experten zwar Forschung zu Ansätzen einer HIV- schungen zur Heilung der HIV-Infektion in noch skeptisch, denn HIV findet sich nicht Heilung. einigen Jahren zum Ziel führen könnten. nur im Blut, sondern auch in anderen Kör- Verfolgt werden zurzeit folgende Ansätze:

20 1. 2.

gp41 gp120 gp120 CD4-Rezeptor CXCR4-Korezeptor CCR5-Korezeptor Zelloberfläche

Aus der HIV-Hülle ragen Eiweiße hervor, sogenannte Glykoproteine: gp41 Um in die Zelle eindringen zu können, muss HIV sich aber noch mit einem steckt in der Hülle, gp120 ist lose an gp41 gebunden. Die erste Verbindung Korezeptor verbinden, braucht also – bildlich gesprochen – ein weiteres zwischen Virus und menschlicher Zelle entsteht, indem gp120 sich an eine „Schloss“. Die meisten Virusstämme verbinden sich mit CCR5, ein kleinerer Stelle anlagert, die man CD4-Rezeptor nennt. Teil mit CXCR4 oder gleichzeitig mit beiden.

3. Nachdem HIV sich mit dem CD4-Rezeptor und einem Korezeptor verbun- den hat, verändern gp41 und gp120 ihre Form. Dadurch kann gp41 wie eine Schnappfeder in die Hülle der Wirtszelle eindringen. Anschließend ver- schmilzt HIV mit der Zelle und entlässt seine Erbinformation (RNA) sowie sei- ne Proteine ins Zellplasma.

gp41

l Gentherapeutische Veränderung der nahezu vollständig verhindern, das heißt, l Therapeutische Impfung HIV-Zielzellen es sollten keine weiteren Körperzellen in- Die Forschung zu einer Schutzimpfung ge- Bei diesem Verfahren entnimmt man dem fiziert werden. Die meisten HIV-infizierten gen HIV für HIV-negative Personen hat in HIV-Patienten Stammzellen, verändert sie Zellen „präsentieren“ an ihrer Oberfläche den letzten Jahren schwere Rückschläge gentherapeutisch so, dass die aus ihnen Bruchstücke der Viren, werden so vom Im- hinnehmen müssen – ein wirksamer Schutz gebildeten CD4-Zellen defekte CCR5-Re- munsystem als infiziert erkannt und nach gegen die HIV-Infektion wird von einer zeptoren oder andere Eigenschaften ha- wenigen Tagen zerstört. Warum kann man Impfung in der nächsten Zeit nicht erwar- ben, die ein Eindringen in die Zellen oder die Therapie also dann nicht nach Mona- tet. Allerdings könnte die gezielte Stimula- eine Vermehrung in den Zellen behindern, ten oder Jahren beenden, wenn alle infi- tion des Immunsystems bei HIV-Infizierten und überträgt sie dann zurück. Erste Er- zierten Zellen zerstört wurden oder auf dazu führen, dass sie besser und vielleicht gebnisse zeigen, dass danach die Viruslast natürliche Weise abgestorben sind? Die sogar ohne HIV-Medikamente mit dem Vi- sinkt – aber leider noch nicht dauerhaft. Antwort liegt in wenigen Zellen, die „still“ rus „fertig“ werden. Bei einer solchen „the- infiziert sind: Die Virus-Erbsubstanz ist in rapeutischen Impfung“ würde man dann l Herausschneiden der HIV-Erbinfor- der DNA eingebaut, aber sie „schlafen“ von einer „funktionellen Heilung“ spre- mation mit einer „Genschere“ und produzieren keine Viren, sind somit chen. Forscher aus Hamburg bringen eine soge- auch vom Immunsystem nicht als infiziert nannte Genschere in die HIV-Infizierte Zel- zu erkennen. Forschung braucht Geld le ein, welche die HIV-Erbinformation aus Auch nach vielen Jahren noch können dem menschlichen Erbgut herausschnei- solche inaktiven Zellen wieder aktiv wer- Heilung scheint also möglich. Die For- det und die Genstränge der DNA anschlie- den und neue Viren produzieren – des- schung dazu ist allerdings chronisch un- ßend wieder zusammenklebt. Bei Mäusen, halb gilt zurzeit, dass die HIV-Therapie le- terfinanziert. Um das zu ändern, hat die In- denen man ein menschliches Immunsys- benslang eingenommen werden muss. Ein ternationale AIDS-Gesellschaft im Juli 2011 tem transplantiert hat, funktioniert dieser Forschungsansatz zur Heilung beschäftigt einen Aufruf veröffentlicht, der wichtige Ansatz bereits. Beim Menschen braucht sich damit, diese ruhenden Zellen mit an- Akteure der globalen HIV/Aids-Prävention man aber weitere klinische Forschungen, deren Medikamenten anzuregen und ihre – vor allem große Geldgeber wie zum Bei- die vorab gut durch Tierversuche abge- Lebensdauer so zu verkürzen. Dieses Ver- spiel die Gates-Foundation, staatliche und sichert werden müssen. Schließlich wird fahren testet man vor allem bei Personen internationale Institutionen, Pharmafir- bei diesem Verfahren am Erbgut „herum- in der akuten Phase der Infektion, also we- men und Forschungseinrichtungen – dazu geschnippelt“ – da befürchtet man immer, nige Tage nach der Ansteckung, wenn sich auffordert, die Forschung zu Ansätzen ei- dass auf lange Sicht schwere Komplikatio- noch nicht so viele „Reservoire“ mit HIV-in- ner HIV-Heilung zu beschleunigen und sie nen oder Nebenwirkungen auftreten kön- fizierten und ruhenden Zellen gebildet ha- auch zu finanzieren. nen, z. B. die Entstehung von Krebs. ben. Die Kombination aus einer frühen und intensivierten HIV-Therapie (z. B. vier statt Die Deutsche AIDS-Hilfe unterstützt l Intensivierung der Therapie und Sti- drei Medikamente) und dem „Aufwecken“ diesen Aufruf und bittet auch andere mulierung ruhender infizierter Zellen ruhender Zellen könnte dann nach einigen darum, ihm mit ihrer Online-Unterschrift Die heutige HIV-Therapie kann die Pro- Jahren die Heilung bringen, so die Hoff- unter http://www.iasociety.org/Default. duktion neuer Viren in infizierten Zellen nung. aspx?pageId=583 Nachdruck zu verleihen.

21 Test und Beratung

Tests auf HIV und andere sexuell übertragbare Infektionen Strategien und Standards

Etwa 30 Prozent der HIV-Diagnosen werden WEISS WAS ICH TU für schwule und bisexu- Genauso wichtig ist eine Beratung nach in Europa bei Menschen in fortgeschritte- elle Männer (siehe S. 27), in denen bundes- dem Test. Die Botschaft für Nichtinfizierte nen Erkrankungsstadien gestellt – oft, weil weit 2.535 HIV-Tests durchgeführt wurden, muss lauten: Was kannst du tun, um nega- schwere Infektionen, Gehirnschädigun- lag der Anteil der HIV-positiven Befunde tiv zu bleiben, und was hilft dir dabei? HIV- gen oder bestimmte Krebserkrankungen bei 2,6 %. Im Präventionsprojekt Hein & Fie- positiv Getestete darf man vor allem nicht aufgetreten sind. Man kann solche Infek- te in der Hamburger Schwulenszene (siehe gehen lassen, bevor nicht geklärt ist, wel- tionen oder auch Tumoren dann zwar so- S. 23), wo sich 2010 insgesamt 638 Männer che Unterstützung sie brauchen. fort behandeln und mit einer antiretrovi- testen ließen, war die Rate festgestellter In- ralen Therapie beginnen, um weitere Schä- fektionen mit 4,7 % sogar noch höher. Ver- Standards für ein bundesweit den zu verhindern. Allerdings wird sich das gleichbare Ergebnisse bei Drogenkonsu- qualifiziertes Testangebot Immunsystem langsamer und nicht so gut menten erbrachte das 2009 durchgeführ- erholen wie bei einer rechtzeitig begonne- te Modellprojekt „test it“ (siehe S. 36) in der Wie eine solche „Lernsituation“ genau zu nen HIV-Therapie, und auch die Sterblich- Dortmunder Drogenhilfe „KICK“: Hier fielen strukturieren ist, beschreibt unsre neue keit ist höher. Für eine frühzeitige Feststel- 3,7 % der 162 durchgeführten HIV-Schnell- Handreichung „HIV- und STI-Tests 2011“ für lung und Behandlung von HIV-Infektionen tests positiv aus. Beraterinnen und Berater. Sie ist das Ergeb- spricht außerdem, dass eine erfolgreiche nis einer 2008 gestarteten Verbandsdiskus- Therapie das Risiko einer sexuellen Über- Test plus Beratung als „Paket“ sion zu diesem Thema: Weil immer mehr tragung von HIV wirksam senkt. Die Strate- Präventionsprojekte und Aidshilfen für gie „Testen und behandeln“ trägt also auch Beim HIV-Test geht es aber nicht nur dar- Tests werben und sie auch selbst oder ge- dazu bei, Neuinfektionen zu verhindern. um, HIV-Infektionen zu identifizieren: Er soll meinsam mit anderen Einrichtungen wie auch Nichtinfizierten dazu verhelfen, ihr z. B. Gesundheitsämtern durchführen, soll- Ungezielt oder gezielt testen? Schutzverhalten beim Sex und ihr persön- te für ein bundesweit qualifiziertes Testan- liches Risikomanagement zu reflektieren. gebot gesorgt werden. Doch mit welcher Teststrategie lassen sich Wie internationale Studien belegen, lassen Präsentiert werden zunächst Mindest- die meisten HIV-Infektionen identifizieren? sich Verhaltensänderungen am ehesten er- standards, die bei jedem Test im Aidshilfe- Sollten ungezielt möglichst viele Menschen reichen, wenn der Test zusammen mit einer Kontext gelten müssen, egal, ob er in den getestet werden, wie das in Frankreich der- Beratung angeboten wird – und wenn die Räumen der Einrichtung oder an ande- zeit diskutiert wird? In Ländern mit gerin- Beratung Lernen ermöglicht (siehe auch ren Orten wie z. B. in Schwulensaunen an- ger HIV-Verbreitung wie z. B. Deutschland das Interview mit Kai Eckstein auf S. 23). geboten wird. Dazu gehört so Grundsätz- scheinen die Kosten eines bevölkerungs- Das bedeutet, dass man vor dem Test ge- liches wie Anonymität und Vertraulichkeit weiten Screenings den zu erwartenden meinsam klärt, ob ein HIV-Test überhaupt (Schweigepflicht, Datenschutz), Ermögli- Nutzen bei Weitem zu übersteigen. Ergie- angezeigt ist: Zu testen, obwohl kein HIV- chen einer informierten und bewussten biger wären HIV-Tests nur bei Patienten mit Risiko bestanden hat, würde die offenbar Entscheidung für oder gegen den Test (das Erkrankungen, die in Verbindung mit HIV bestehende Unsicherheit hinsichtlich der heißt z. B. auch: „Kein Test bei nicht einwil- gehäuft auftreten, wie z. B. sexuell über- Übertragungswege nur noch verstärken. ligungsfähigen Personen“), Verlässlichkeit tragbare Infektionen (STIs). In einer europa- Zu prüfen ist ebenso, ob der/die Testwilli- (nutzerfreundliche Öffnungszeiten, gute weiten Pilotstudie, an der auch die Univer- ge ausreichend über andere sexuell über- Erreichbarkeit, Transparenz des Angebots), sität Bonn mitwirkte, waren 1,75 % der über tragbare Infektionen (STIs) informiert ist ein geschütztes Setting (der Beratungs- 2.500 Untersuchten mit solchen „Indikator- (einschließlich der Tatsache, dass manche raum darf nicht einsehbar, Besprochenes Erkrankungen“ HIV-positiv, mit dem höchs- STIs das Risiko einer HIV-Übertragung erhö- nicht mithörbar sein) oder das Recht der ten Anteil bei Patienten mit STIs. Allerdings hen). Im Gespräch können Fehlinformatio- Nutzer, die Beratung und den Test jederzeit zeigte sich auch, dass Ärzte, die keine Infek- nen korrigiert, Wissenslücken geschlossen abzubrechen. Ebenso wenig sind sie ver- tiologen sind, bisher nur selten einen HIV- und unnötige Ansteckungsängste abge- pflichtet, ihr Testergebnis entgegenzuneh- Test anbieten. Mediziner/innen müssen baut werden. Bei angezeigten Tests ist vor men: Jede/r hat ein Recht auf Nichtwissen künftig daher (stärker) für HIV-Indikatoren allem auch zu besprechen, dass man heute und darf bei einem „Ausstieg“ aus dem Test sensibilisiert werden. bei einer rechtzeitigen HIV-Behandlung mit auch nicht zur Kasse gebeten werden. Gleichzeitig sollte man Testangebo- einer annähernd normalen Lebenserwar- Neben den Mindeststandards bietet die te ausweiten, die speziell auf Gruppen mit tung und Lebensqualität rechnen kann, um Handreichung eine Fülle an Informationen hohem HIV-Risiko zielen: Bei den „Testwo- so die Bedrohlichkeit eines eventuell positi- rund um die Testung, etwa zur Aussagekraft chen“ der DAH-Präventionskampagne ICH ven Testbefundes abzumildern. und Sicherheit von HIV-Testbefunden, zu

22 Ablauf und Funktionsweise der heute ein- gesetzten HIV-Testverfahren oder zur Diag- Was HIV angeht, bieten wir sämtliche nostik von Syphilis-, Hepatitis-C-, Chlamydi- „Die allermeisten Testverfahren an, üblicherweise den „Com- en- und Gonokokken-Infektionen. Männer wollen bo-ELISA“ als Suchtest plus „Immunoblot“ als Bestätigungstest, wahlweise aber auch Der Weg zu Mindeststandards sich auch auf den Schnelltest und den PCR-Test zum di- rekten Virusnachweis. Auch hier liegt das Der erste Entwurf unserer Standards be- andere STIs Ergebnis schon nach zwei Tagen vor, man währte sich bei den 2009 durchgeführten muss also nicht mehr wie früher eine gan- Testwochen der Kampagne ICH WEISS WAS testen lassen“ ze Woche darauf warten. Einen Schnelltest ICH TU. Weiterentwickelt wurde er dann in setzen wir z. B. dann ein, wenn die Testbera- „Hein & Fiete“ ist ein HIV-Präventi- der elfköpfigen Arbeitsgruppe „Qualität in tung ergibt, dass der Nutzer ein hohes Risi- der HIV-Test-Durchführung“, der Berater aus onsprojekt für schwule und bisexu- ko hatte und nicht in der Lage ist, zwei Tage Aidshilfen und Mitarbeiter der Bundesge- elle Männer mit einem Infoladen im auf sein Ergebnis zu warten. schäftsstelle angehörten (siehe Foto). Dabei Hamburger Stadtviertel St. Georg, musste auch wieder neu geklärt werden, nur fünf Minuten vom Hauptbahn- Was hat Hein & Fiete bewogen, Tests an- was überhaupt als Mindeststandard gelten hof entfernt. Im Infoladen kann man zubieten? Eigentlich ist das doch eine kann und was nicht. HIV- und STI-Tests müs- sich auch testen lassen, neben HIV Aufgabe des öffentlichen Gesundheits- auch auf andere sexuell übertragbare dienstes … Worüber wir hier sprechen, ist ja ein Ange- ­Infektionen (STIs). Christine Höpf- bot von CASA blanca, also eines öffentli- ner befragte dazu Kai Eckstein, den chen Gesundheitsdienstes – nur eben in den ­Infoladen-Koordinator und Präven­ Räumen von Hein & Fiete. Und das hat klare tionsberater von Hein & Fiete: Vorteile: Unser Projekt ist fest in der Schwu- sen z. B. stets unter ärztlicher Aufsicht erfol- gen, was für manche Aidshilfen aus Kosten- oder Zeitgründen aber nur schwer zu rea- lisieren ist. Auch die Beratung ist ein Muss Foto: Hein & Fiete – wie bei jedem anderen Untersuchungs- verfahren auch.

Standards haben eine starke Wirkung

Was die Einhaltung der Teststandards in Aidshilfen angeht, setzen wir auf Selbstver- pflichtung. Kontrolle ist auch gar nicht nö- tig, denn wie sich bei der bundesweiten Te- lefon- und der Onlineberatung (siehe S. 25) gezeigt hat, haben eingeforderte und ge- meinsam festgelegte Regeln eine starke Wirkung. Schließlich geben sie Orientierung Präventionsberater Kai Eckstein (links) „in Aktion“ und vor allem auch rechtliche Sicherheit. In Stein gemeißelt sind sie allerdings Kai, seit wann gibt es euer Testangebot lenszene verankert und kann die Männer nicht: Wir werden sie immer wieder an ver- schon, und wie sieht es genau aus? daher besser erreichen als eine Behörde. änderte Rahmenbedingungen anpassen HIV- und STI-Tests bietet Hein & Fiete schon Der Infoladen liegt inmitten der Hamburger müssen. Unsere Arbeitsgruppe „Qualität in seit 2004 an, zusammen mit CASA blanca, Schwulenszene, und wir haben viele schwu- der HIV-Test-Durchführung“ trifft sich da- einer Beratungsstelle der Hansestadt Ham- le Ehrenamtliche, die im Infoladen mitarbei- her weiterhin zwei- bis dreimal pro Jahr, burg im Stadtteil Altona. Angefangen ha- ten und mit unserem Vor-Ort-Team auch in um Anregungen aus der Testpraxis vor Ort ben wir mit Tests auf HIV, Syphilis und He- den verschiedenen Szenen unterwegs sind. aufzugreifen. Zurzeit entwickelt sie Stan- patitis A, B und C, seit Mai 2011 sind bei Schwule und bisexuelle Männer erreichen dards für direkt in der Schwulenszene an- uns auch Untersuchungen auf Tripper und wir ebenso über Schwulenmagazine, das gebotene Tests und stützt sich dabei auf Chlamydien möglich. Beraten und testen Internet und soziale Netzwerke wie Face- die in den Testwochen gesammelten Erfah- lassen kann man sich jeden Dienstag und book. Überall dort ist Hein & Fiete auch mit rungen. In der für 2012 geplanten Neuauf- Donnerstag von 16 bis 18 Uhr. Das Angebot eigenen Kampagnen präsent, die auf das lage unserer Berater-Handreichung werden ist kostenlos, anonym, und man muss sich Thema „HIV- und STI-Test“ fokussieren. Und die AG-Ergebnisse dann bereits berücksich- vorher auch nicht anmelden. dann sind wir ja auch noch in die bundes- tigt sein.

23 Test und Beratung

weite DAH-Kampagne ICH WEISS WAS ICH tungsgespräch auszufüllen. Hier geht es da- Wie sieht es mit der Nutzung des Test­ TU eingebunden und haben bei deren Test- rum, mit dem Nutzer zu einer Einschätzung angebots bei Hein & Fiete aus? wochen mitgemacht. seines persönlichen Risikos zu kommen und 2010 haben wir 1.344 Präventionsberatun- gemeinsam zu überlegen, wie er sich schüt- gen – einschließlich der Beratung bei Be- Trotzdem habt ihr einen Kooperations- zen kann. Besprochen wird dabei auch, ob fundmitteilung – und 638 HIV-Tests durch- partner… für ihn – neben den üblichen Schutzmaß- geführt, von denen 30 positiv ausfielen. Den brauchen wir, weil bei Hein & Fiete kein nahmen wie z. B. Kondomgebrauch – noch Außerdem haben wir acht akute Syphilis-In- Arzt mitarbeitet. Wo immer HIV- und STI- andere Strategien der Risikominimierung in fektionen diagnostiziert. Die Nutzerzahlen Tests angeboten werden, muss dafür ein Betracht kommen. Da wir weder zum Test sind inzwischen noch weiter gestiegen, was Arzt oder eine Ärztin im Haus sein. Die Ko- raten noch davon abraten, kann es durch- einerseits auf unsere Werbung, andererseits operation mit einer Gesundheitsbehörde aus sein, dass der Interessent am Ende des auf die Erweiterung des STI-Testangebots hat dabei den Vorteil, dass das Testangebot Gesprächs zu dem Schluss kommt, dass er zurückzuführen ist. Von Mai bis Juli 2011 er- für die Nutzer kostenlos ist. In unserem Fall sich nicht testen lässt. folgten bei Hein & Fiete 135 Rektal- und 160 ist für die Blutentnahme und die medizini- Rachenabstriche; dabei wurden zehn aku- sche Beratung eine Ärztin von CASA blan- Beratung bietet ihr auch nach dem Test te Tripper- und zehn akute Chlamydien-In- ca zuständig, während ich und zwei weitere an… fektionen diagnostiziert. Insgesamt stellen schwule Kollegen die Präventionsberatung Sicher, bei der Mitteilung des Testergebnis- wir fest, dass die allermeisten Männer sich durchführen. Das Testergebnis wird dann ses. Bei einem negativen Ergebnis bespre- nicht nur auf HIV, sondern auch auf andere von der Ärztin und mir mitgeteilt. chen wir mit dem Getesteten, was dieser STIs testen lassen wollen.

Und welche Männer nutzen das Testange- bot? Über 90 Prozent aller Getesteten sind schwule und bisexuelle Männer aus ganz unterschiedlichen gesellschaftlichen Grup- pen und Schichten. Unser Angebot ist of- fensichtlich auch für solche Männer attrak- tiv, die sich in ihrem sozialen Umfeld nicht so ohne Weiteres als schwul outen können. Zu den Nutzern gehören immer öfter auch Männer mit Migrationshintergrund, was auf etwa ein Fünftel zutrifft. Sie stammen vor allem aus arabischen und englischspra- Flyer von Hein & Fiete zum HIV- und STI-Testangebot chigen Ländern. Hin und wieder kommen auch Touristen, wobei es sich aber meist um Wie etliche andere Präventionsprojek- Befund für ihn und sein künftiges Safer-Sex- Männer aus dem Hamburger Umland han- te hat auch Hein & Fiete an den 2011 ver- Verhalten bedeutet. Lautet die Diagno- deln dürfte. Woher sie genau kommen, wis- öffentlichten Standards der DAH für HIV- se „HIV-positiv“, kann der Betroffene natür- sen wir nicht, das fragen wir ja auch nicht und STI-Tests mitgewirkt. Hat sich da- lich erst mal alle seine Fragen loswerden. ab. durch für euch etwas geändert? Zwar ist die Information, dass heute auch Nein, denn was wir hier gemeinsam als mit HIV ein langes und relativ gesundes Le- Habt ihr vor, den Test auch direkt in den Standard formuliert haben, ist für Hein & ben möglich ist, in unserer Zielgruppe weit- Szenen anzubieten? Fiete nichts Neues, weil wir seit jeher großen gehend angekommen. Zu erfahren, dass Hein & Fiete ist ja selbst ein Szenetreffpunkt Wert auf ein qualitativ hochwertiges Ange- man selbst betroffen ist, löst aber trotzdem und wird so gut genutzt, dass wir mit dem bot legen. Besonders wichtig ist für uns da- Ängste aus – kaum jemand kann das ein- Angebot nicht noch an weiteren Orten prä- bei die Einbettung des HIV-Tests in eine Be- fach wegstecken. Für die meisten ist die Di- sent sein müssen. Außerdem testen wir auf ratung, die auch andere STIs einbezieht und agnose mit Ungewissheit und der bangen verschiedene STIs, und das lässt sich nicht das individuelle Risiko- und Schutzverhal- Frage verbunden, was jetzt passieren wird. so ohne Weiteres in jeder Umgebung ma- ten zum Thema macht. Diese „Präventions- Das „Auffanggespräch“ mit der Ärztin und chen. Aber weil STIs in der HIV-Prävention beratung“ kommt gut an – manche Männer uns Beratern kann hier sehr hilfreich sein. eine immer wichtigere Rolle spielen – man- kommen genau deswegen zu Hein & Fiete. Zugleich bieten wir den Betroffenen an, sie che von ihnen erhöhen das Übertragungs- an Einrichtungen wie die AIDS-Hilfe Ham- risiko, und für HIV-Positive gibt es besonde- Wie geht ihr bei der Präventionsberatung burg, die Aidsseelsorge oder eine andere re Behandlungsempfehlungen –, könnten vor? psychosoziale Beratungsstelle zu vermit- wir uns vorstellen, dass wir das Testangebot Wer bei uns einen HIV-Test machen möchte, teln. Und falls sie dies wünschen, sagen wir auf weitere STIs wie z. B. Feigwarzen aus- wird erst einmal gebeten, einen Fragebogen ihnen auch, wo sie HIV-Schwerpunktärzte dehnen und dann vielleicht sogar jeden Tag als Grundlage für das anschließende Bera- finden. Tests ermöglichen.

24 „Ich hätte nicht gedacht, dass das mal so rund laufen würde“

Von Werner Bock Am 4. Oktober 2005 Vielleicht sind gerade solche Erlebnisse ein viel Zeit, weil genau abzuwägen ist, was ging bei der gemeinsamen Onlineberatung Grund, weshalb sich der Teamgeist aus der „gesagt“ und vor allem wie es ausgedrückt der Aidshilfen unter www.aidshilfe-bera- Pionierphase bis heute erhalten hat. werden soll. tung.de die erste Mailanfrage ein. Ange- Jedes Jahr gibt es ein Treffen für das Ge- treten sind wir damals mit dem Anspruch, samtteam, das Haupt- und Ehrenamtliche, Gemeinsame Standards und auch im Internet eine hochwertige Bera- Schwule, Heterosexuelle und Lesben, Men- der Blick über die Schulter tung anzubieten. Vertraulichkeit, Verläss- schen mit und Menschen ohne HIV umfasst. lichkeit und Kompetenz schrieben wir uns „Wir sind schon ein bunter Haufen“, sagt Me- Bevor das Projekt an den Start ging, einig- ins Stammbuch. Doch Papier ist bekannt- lanie Luczak von der Aidshilfe Hagen, „aber ten wir uns auf gemeinsame Standards. Da lich geduldig. Haben wir unserem An- das macht auch unsere besondere Qualität von jetzt an sämtliche Anfragen und Ant- spruch also gerecht werden können? Nach aus“. Im Lauf der Zeit haben sich auch Vor- worten auf einen zentralen Beratungsser- fast sechs Jahren Onlineberatung ist es Zeit lieben für bestimmte Themen herausgebil- ver geschrieben und von dort abgerufen für eine Bestandsaufnahme. det. Der eine übernimmt lieber Anfragen werden sollten, würde Schluss sein mit dem von schwulen Männern, die andere bevor- Hin- und Herschicken von E-Mails. Webba- zugt Themen rund um das Leben mit HIV. sierung und SSL-Verschlüsselung sollten Selbst für Sozialrechtliches, ein eher „trocke- umfassenden Datenschutz gewährleisten. nes“ Feld, gibt es durchaus Liebhaber. In den Standards wurden aber auch die Be- dingungen für eine Mitarbeit in der Online- Eine besondere Beratungsform beratung und Kriterien für kollegialen Aus- tausch und Fortbildung festgelegt. Charakteristisch für die Onlineberatung ist „Speziell“ an unserem Projekt ist auch, das geschriebene Wort. Das „Schwarz-auf- dass der fachliche Leiter alle Antworten ein- Weiß“ hat Bestand, ist nicht flüchtig wie Ge- sehen kann. Die Onlineberater/innen müs- sprochenes am Telefon oder in Beratungs- sen es folglich aushalten können, dass man räumen. Was einmal gesendet wurde, lässt ihnen in die Karten schaut. Damit das nicht sich „dingfest“ machen. Der Empfänger im Sinne von „Big Brother is watching you“ kann sich seine Mail ausdrucken und im- erlebt wird, braucht es eine Kultur des Ver- mer wieder durchlesen. Daran mussten sich trauens und kollegialen Umgangs. „Ich sehe die Beraterinnen und Berater erst mal ge- das als einen Weg zur Qualitätssicherung,

Foto: Steffen Taubert wöhnen, denn das zwingt zu Genauigkeit nicht als Kontrolle“, sagt Robert Sander- Werner Bock, Fachlicher Leiter und besonderer Sorgfalt. So manche An- mann aus Freiburg. „Die fundierte Ausbil- von aidshilfe-beratung.de frage scheint auf den ersten Blick leicht zu dung und die fachliche Begleitung nehme beantworten zu sein, doch das Formulie- ich als Zeichen der Wertschätzung meiner ren der Antwort braucht dann aber doch Arbeit wahr.“ Ein besonderes Team

Zum Team von aidshilfe-beratung.de ge- hören 30 Beraterinnen und Berater aus 25 Aidshilfen von Konstanz bis Kiel und von Aachen bis Dresden. Einige sind „Einzel- kämpfer“ in kleinen Aidshilfen, andere ar- beiten in großen Organisationen. Geogra- fische Lage und Größe einer Einrichtung spielen im Internet-Zeitalter aber keine Rol- le. Wichtig war und ist jedoch persönliches Kennenlernen. „Ich kann mich noch lebhaft an unsere erste Software-Schulung erin- nern“, sagt Hartmut Evermann von der Lü- becker Aidshilfe. „Der Raum war eng, es war heiß, und der Trainer hatte es nicht leicht mit uns, nachdem wir erst mal raus hat- ten, wie der Gruppen-Chat funktioniert.“ Das Online-Beratungs-Team

25 Test und Beratung

Fachlicher Austausch und erwiesen: Man muss viel lesen, um „mitre- Vertraulichkeit, Verlässlichkeit und Kompe- kollegiales Feedback den“ zu können. Schwierigere Beratungs- tenz zu gewährleisten, steht eben nicht nur fälle können daher auch im Gruppen-Chat auf dem Papier, sondern wird tatsächlich Alle Berater/innen können sich in einem In- oder per Telefon besprochen werden. Unser gelebt. „Ich hätte nicht gedacht, dass das ternetforum austauschen, was zu Projekt- jährliches Beratertreffen schließlich nutz- mal so rund laufen würde“, sagt dazu Karl beginn eine weitere Neuheit war. Das Fo- ten wir, um gemeinsame Haltungen zu be- Lemmen, DAH-Fachreferent für Psychoso- rum eignet sich für kurze Infos und Mittei- stimmten Themen zu entwickeln, das Team- ziales/Fortbildung und Qualitätssicherung, lungen und ermöglicht es, als „virtuelles“ bewusstsein zu stärken und die Motivation der das Projekt vor mehr als sechs Jahren Team in Verbindung zu bleiben. Für längere fürs Weitermachen aufrechtzuerhalten. ins Leben gerufen hat. Dem ist nichts hinzu- Diskussionen oder die Fallarbeit hat sich die Nach mehr als 15.800 beantworteten zufügen – außer ein herzliches Dankeschön schriftliche Form aber eher als umständlich Anfragen hat sich gezeigt: Unser Anspruch, an die Berater/innen in diesem Projekt.

„Den Schritt in die ehrenamtliche ­Arbeit würde ich jederzeit wieder tun“

Gerhard Schubert, 48 Jahre, ist und ich freute mich schon darauf, um wel- überzeugter Münchner. Er liebt das ches Thema es wohl beim nächsten Anruf ­Oktoberfest und bietet Stadtfüh- gehen würde. rungen an. Außerdem hat er einen Vollzeitjob in der Logistikbranche. Hat sich dein Engagement in den letz- Trotzdem bleibt noch Zeit für ein En- ten Jahren verändert? gagement bei der Münchner Aidshil- Ich habe in verschiedene Aufgabenfelder fe, und das schon seit zehn Jahren. reingeschnuppert, bin aber der Telefonbe- Warum tut er das? DAH-Mitarbeiter ratung treu geblieben. Sie ist ein guter Ge- Werner Bock, Koordinator der ge- genpol zu meinem Beruf, wo ich ein Team meinsamen bundesweiten Telefon- von 300 Mitarbeitern mitleite. Die Kollegen beratung der Aidshilfe, hat ihn bei dort jammern manchmal wegen Banalitä-

einem Telefonberatertreffen in der Foto: privat ten, in der Beratung dagegen sind die Rat Akademie Waldschlösschen gefragt. Suchenden für offene, ehrliche Antworten oft sehr dankbar – selbst wenn sie nicht Gerhard, du bist schon lange ehrenamtlich als Telefonberater unbedingt die Antwort bekommen, die sie sich erhofft haben. in der Münchner Aidshilfe tätig. Wie kam es dazu? Du engagierst dich außerdem im Koordinationskreis der ge- Wenn ich so zurückdenke, gab es da zwei Schlüsselerlebnisse: meinsamen bundesweiten Telefonberatung der Aidshilfe. Wa- ­Während meines Studiums in Köln lernte ich 1991 bei einer Pro- rum auch noch das? jektwoche die Telefonberatung der Bundeszentrale für gesundheit­ Das ganze Projekt fasziniert mich. Viele Aidshilfen – große und liche Aufklärung zu HIV und Aids kennen. Diese Arbeit hat mich kleine, zudem mit regionalen Unterschieden – ziehen an einem damals ziemlich beeindruckt. Neun Jahre später war ich dann in Strang. Das sehe ich als Herausforderung, und dazu wollte ich Südafrika, wo ich erfuhr, dass in manchen Regionen 40 Prozent meinen Beitrag leisten. Außerdem befriedigt es mich, weil ich aller Jugendlichen HIV-infiziert sind. Wieder zu Hause, fragte ich sehe, dass das Projekt gut funktioniert. meine 14 und 15 Jahre alten Nichten, was sie über HIV wissen. Er- gebnis: wenig bis nichts. Da wusste ich, ich möchte etwas tun. Welche Tipps würdest du Menschen mit auf den Weg geben, die sich ehrenamtlich engagieren wollen? Und wie bist du dann vorgegangen? Man muss die eigenen Fähigkeiten einschätzen können: Was 2001 ging ich zu einem Informationsabend der Münchner Aidshil- kann ich und was nicht? Wo passe ich gut hin? Mit welchen Men- fe. Dort erfuhr ich, was die Aidshilfe so alles macht und in welchen schen will ich etwas zu tun haben? Wenn man das geklärt hat, Bereichen man ehrenamtlich arbeiten kann. Mir war schnell klar, sollte man einfach mal bei Organisationen reinschnuppern – hier dass ich in die Telefonberatung einsteigen wollte. Da würde ich können auch Vermittlungsstellen für Ehrenamtler hilfreich sein. Es am meisten mit dem Thema HIV zu tun haben und anderen Men- kommt darauf an, für sich die richtigen Aufgaben zu finden, weil schen direkt helfen können. man die Arbeit ja gerne tun muss. Und dabei ist mir wichtig, ver- bindlich zu sein, aber auch mal Grenzen zu setzen, wenn es zu viel Erinnerst du dich noch an deinen ersten Telefoneinsatz? wird. Damit bin ich in den letzten zehn Jahren gut gefahren. Und Oh ja, sehr gut sogar. Ich hatte schon den ganzen Tag über Herz- wenn du mich heute fragst, ob sich das Engagement für mich ge- klopfen, es wurde schlimmer, je näher mein Dienst rückte. Das Te- lohnt hat, kann ich nur sagen: Den Schritt in die ehrenamtliche lefon hat dann auch schnell geklingelt. Mein erster Anrufer war Arbeit würde ich jederzeit wieder tun. ein Standardfall – ein besorgter Freier, der aber gar kein Risiko ge- habt hatte. Nach den ersten Gesprächen fiel die Anspannung ab, Herzlichen Dank für deine Antworten!

26 Schwules Leben

„Wir bringen die Leute ins Gespräch“

ICH WEISS WAS ICH TU hat in den letzten drei Jahren neue Wege in der HIV-Prävention beschritten. Jetzt ist klar: Das funktioniert. Laut der Ergebnisevaluation ist die Kampagne in der Zielgruppe bekannt und beliebt, ver- mittelt Informationen und regt zur Kommunikation über Sexualität und Schutzverhalten an. Kampagnenmana- ger Matthias Kuske sprach mit Philip Eicker und Holger Wicht über Erfolge, Optimierungsbedarf und die Frage, wie ICH WEISS WAS ICH TU sich weiterentwickeln soll

Matthias, ICH WEISS WAS ICH TU war in gut, denn sie haben uns sehr dabei geholfen, diesem Jahr auf über 40 Christopher- die neue Kampagne einzuführen und unse- Street-Day-Paraden mit dabei. Wie ist die re Rollenmodelle vorzustellen. Aber schon CSD-Saison 2011 gelaufen? letztes Jahr haben wir gemerkt, dass die Wir- Sehr erfolgreich! Wir haben mit unserem kung nachgelassen hat. Die Menschen auf Kampagnen-Team an schätzungsweise 200 dem Truck sind weit weg von den Teilneh- Veranstaltungen teilgenommen. Das Kon- mern auf der Straße. Zu Fuß kommt man viel zept war völlig neu: Statt einen eigenen Truck leichter mit den Leuten ins Gespräch. Foto: Olaf Kretschmer auf die Demo zu schicken, haben wir vor al- lem Fußgruppen organisiert, waren an Stän- Und worüber wird dann geredet? Matthias Kuske, Manager der Kam- den ansprechbar und mit Teams unterwegs. Ich nenne mal ein Beispiel: Unsere Rollenmo- pagne ICH WEISS WAS ICH TU Wir haben darauf gesetzt, dass Menschen delle Wolfgang und Andreas waren auf vie- miteinander ins Gespräch kommen. Das hat len CSDs mit einem Banner unterwegs. Auf hervorragend funktioniert, sehr viel Spaß ge- dem stand ihr selbst gewählter Slogan: „Ich Wie verhalten sich zwei Menschen in einer macht und alle Beteiligten stark motiviert. hätte nie gedacht, mal mit einem Positi- Partnerschaft, wenn der eine HIV-positiv, der ven zu ficken.“ Das wurde unheimlich oft fo- andere negativ ist? Was spricht gegen die schicken Tieflader? tografiert, es gab spontane Gespräche am Die gemeinsame CSD-Präsenz der Kampag- Straßenrand, weil die Leute versuchen, die Der Spruch ist provokant. Gab es auch ab- ne und der regionalen Teams war in den letz- Botschaft einzuordnen. Viele erkennen dann, lehnende Reaktionen? ten Jahren von den Trucks geprägt. Das war dass es um ein sehr wichtiges Thema geht: Überhaupt nicht. Das liegt daran, dass bei ICH WEISS WAS ICH TU echte Menschen als Rollenmodelle ihre Lebenssituation themati- ICH WEISS WAS ICH TU sieren. Solche persönlichen Botschaften sind viel besser vermittelbar als jeder Slogan, den Im Oktober 2008 startete Deutschlands erste bundeswei- Fachleute formuliert haben. Sie bringen die te HIV-Präventionskampagne für Schwule und andere Män- Leute zum Nachdenken, zum Diskutieren. ner, die Sex mit Männern haben. ICH WEISS WAS ICH TU steht Genau das ist ja das Ziel unserer Kampagne. seitdem für einen neuen Ansatz in der Prävention: Wo frü- Dank unserer Evaluation wissen wir: Etwa her allein die Kondombotschaft im Vordergrund stand, geht zwölf Prozent der User kennen unsere Home- es nun auch um komplexere Informationen. Denn schwu- page www.iwwit.de aus dem Freundeskreis. le Männer versuchen heute auf vielfältige Weise, sich vor Das bedeutet, wir haben unser Ziel erreicht: HIV zu schützen, etwa indem sie in ihrer festen Beziehung Schwule Männer diskutieren miteinander auf Kondome verzichten, mit anderen Partnern aber ge- über die Kampagne und ihre Inhalte, über gebenenfalls strikt auf Safer Sex achten. Andere suchen Sexualität, HIV und Risikomanagement. nach Partnern mit dem gleichen HIV-Status. Solche Strategien können funktionieren, Wie überprüft man denn die Ergebnisse ei- es kann aber auch einiges schief laufen. ner Präventionskampagne? Deswegen entlarvt ICH WEISS WAS ICH Das ist natürlich nicht so einfach. Die Evalu- TU Safer-Sex-Irrtümer, setzt differenzier- ation basiert vor allem auf zwei Umfragen te Informationen dagegen und gibt Tipps zur schwulen Gesundheit, die auf mehre- fürs gelungene Risikomanagement. ren schwulen Online-Portalen durchgeführt

27 Schwules Leben

wurden. Bei der ersten – zum Start der Kam- figer in der Öffentlichkeit auftreten, wurden wenn beide einen HIV-Test gemacht ha- pagne 2008 – haben rund 6.000 Nutzer ge- sogar in mehreren Jahren von denselben ben. Kommen solche komplexen Botschaf- antwortet, bei der zweiten im Jahr 2010 wa- Leute erneut angesprochen. Sie wollten be- ten auch an? ren es sogar 23.000! Die enorme Steigerung richten, dass ihnen das erste Gespräch wei- Ja, die neuen Grundbotschaften kommen erklärt sich vor allem durch die enge Koope- tergeholfen hatte. an, werden aber nicht immer auf Anhieb ver- ration mit dem sehr populären Online-Portal standen. Alles andere wäre auch verwunder- Gayromeo. Es wird also weiterhin regelmäßig neue lich nach nicht einmal drei Jahren Laufzeit. Rollenmodelle geben? Bis sich komplexe Inhalte durchsetzen, ver- Was kam bei der Evaluation noch heraus? Ja, aber nicht mehr in der hohen Frequenz gehen mindestens fünf bis sieben Jahre. Wir Die Kampagne funktioniert! Sie kommt in wie bisher. Wir haben ja schon 36 Männer können nicht die letzten 20 Jahre HIV-Prä- unserer Zielgruppe der Männer, die Sex mit online und im Einsatz, die sollen nicht in den vention in knapp drei Jahren runderneuern. Männern haben, sehr gut an. Über 51 Pro- Hintergrund geraten. Wir wollen ihre Ge- Das braucht Zeit. Die haben wir nun, denn zent der Befragten kennen die Kampagne, schichte weitererzählen, laufend neue Fotos mittlerweile ist klar, dass die Kampagne wei- über 40 Prozent die Website. Für einen Zeit- und Videos präsentieren. Die Kampagnen- tergeht. Jetzt können wir die Kampagne ver- raum von nur zwei Jahren sind das sehr gute arbeit der letzten Jahre hat ja nicht nur Aus- tiefen. Werte. Im Durchschnitt wird ICH WEISS WAS wirkungen auf die schwule Community, son- ICH TU mit den Noten „sehr gut“ bis „gut“ dern auch auf die Rollenmodelle: Die sam- Was hat die Evaluation noch ans Licht ge- und als hilfreich bewertet. meln viele intensive Erfahrungen, wenn sie bracht? auf „ICH WEISS WAS ICH TU-User“ treffen. ICH WEISS WAS ICH TU wird besonders stark Wie geht es nun mit der Kampagne weiter? von sexuell aktiven und von HIV-positiven Wir haben in den letzten zweieinhalb Jah- Ein Anlass für die neue Kampagne war die Männern genutzt. Das liegt daran, dass die- ren viele Themen angerissen und bekannt Erkenntnis, dass es nicht mehr ausreicht, se Männer am meisten mit dem Thema zu gemacht. Nun merken wir, dass diese zwar nur auf Kondome hinzuweisen. ICH WEISS tun haben. Interessanterweise bewerten uns wahrgenommen, aber nicht immer vollstän- WAS ICH TU sendet komplexe Botschaften. allerdings gerade diese beiden Gruppen im dig verstanden werden. Vielleicht haben wir Zu der Frage, unter welchen Bedingungen Vergleich mit anderen Usergruppen tenden- unsere Zielgruppe in manchen Fällen sogar man in einer neuen Beziehung das Kon- ziell etwas schlechter. Den sexuell Aktiven überfordert. Künftig wollen wir deshalb pro dom weglassen kann, heißt es zum Bei- fehlen offenbar konkrete Tipps, wie sie bei Jahr mit drei bis vier Schwerpunktthemen spiel: Nur wenn wirklich ein Vertrauens- speziellen Sexpraktiken das Übertragungs- in die Tiefe gehen. 2011 haben wir damit verhältnis besteht und risiko von Geschlechtskrankheiten minimie- schon erfolgreich begonnen. Erst haben ren können. Zudem wünschen sie sich wir das Thema Älterwerden in den Fokus eine explizitere Sprache. gerückt, dann Partydrogen und zu- letzt das Thema Verantwortung. Ist die Kampagne etwa zu brav? Das ist uns gut gelungen, aber Bei unserer Wortwahl haben auch da ist noch Luft nach wir bewusst mit einer Mi- oben. (lacht) schung begonnen: nicht zu frech, aber auch nicht Das zentrale Element der zurückhaltend. Wir wollten Kampagne sind die Rollen- möglichst viele verschiede- modelle, die von ihrem Lie- ne Zielgruppen erreichen. In bes- und Sexleben erzäh- Zukunft wollen wir noch ge- len, um andere zur Kom- nauer hingucken, wie wir munikation anzuregen. die Kampagnensprache für Die Rollenmodelle funktio- die verschiedenen Grup- nieren bestens! Sowohl in der pen aufschlüsseln können. Evaluation als auch von Sexuell sehr aktive Schwu- unseren Partnerorganisa- le erwarten eine andere tionen und der Commu- Sprache als Männer ohne nity in ganz Deutsch- schwule Identität, die land bekommen wir gelegentlich mit ande- dazu überaus positi- ren Männern Sex haben. ves Feedback. Wenn unsere Rollenmodel- Warum interessieren sich le auf einem CSD im HIV-Positive so für die Kam- Einsatz sind, gehen pagne? viele Besucher aktiv Es geht bei uns ja nicht nur auf sie zu und fra- um HIV, sondern auch um gen nach. Einige andere sexuell übertragbare Modelle, die häu- Krankheiten, auch weil diese

28 die Übertragung von HIV begünstigen. He- ICH WEISS WAS ICH TU agiert bundesweit und Ballungsgebieten sind die Ressourcen patitis C ist gerade ein großes Thema in der und arbeitet mit Präventionsorganisa- oft zu gering. Positiven-Community. Das andere Stich- tionen in ganz Deutschland zusammen. wort ist Entstigmatisierung: Wir wollen die Klappt das gut? Die Deutsche AIDS-Hilfe legt großen Wert Menschen, die mit HIV leben, in der schwu- Das ist sehr unterschiedlich. Am erfolgreichs- darauf, dass die Menschen, für die eine len Community sichtbar machen und un- ten sind wir in mittelgroßen Städten und auf Kampagne gedacht ist, an ihrer Umset- terstützen. Deshalb treten auch so viele Po- mittleren und kleineren CSDs. Die Aidshilfen zung beteiligt sind. Wie sieht das konkret sitive für die Kampagne ein. Sie wollen sich und Präventionsprojekte dort sind hochzu- in der Praxis aus? in der Szene bewegen können, ohne diskri- frieden, weil die bundesweite Kampagne ih- Schon bei der Entwicklung von ICH WEISS miniert zu werden. nen einen deutlichen Nutzen bietet – sie er- WAS ICH TU haben wir mit den regiona- reichen durch ICH WEISS WAS ICH TU eine len Aidshilfen und Präventionsteams zu- Was kann ICH WEISS WAS ICH TU dafür in stärkere Präsenz. Schwierig ist es in den Re- sammengearbeitet. Zudem haben wir ei- Zukunft noch tun? gionen, wo wir nur sehr schwache Strukturen nen Initiativkreis, der Fachleute und Präven- Den HIV-Positiven fehlen laut ersten Ergeb- zur HIV-Prävention für schwule Männer vor- tionisten bundesweit vernetzt. Ein wichtiger nissen der Evaluation noch konkretere Tipps finden. Dort gibt es oft gar keine Organisati- Kritikpunkt war, dass dieser Kreis nur ein Be- und Hilfen für ihren Alltag. Hier müssen wir onen, die wir stärken könnten. Und die weni- ratungsgremium für die Kampagne gewesen schauen, was wir im Rahmen der Präventi- gen Ansprechpartner sind so mit ihrer alltäg- sei. Wir haben das aufgegriffen und ihn wei- onskampagne und durch eine engere Zu- lichen Arbeit beschäftigt, dass sie keine Zeit terentwickelt zum Fachkreis des gesamten sammenarbeit mit dem Fachbereich „Leben zur Kooperation mit uns haben. Wie wir dort Fachbereichs für Schwule und andere Män- mit HIV“ der Deutschen AIDS-Hilfe und an- am besten helfen können, die dringend not- ner, die Sex mit Männern haben. Er soll ein deren Selbsthilfeorganisationen­ noch ver- wendigen Ressourcen aufzubauen, müssen Forum sein, in dem sich alle Personen, die in bessern können. wir noch herausfinden. der HIV-Prävention für schwule Männer tätig sind, regelmäßig austauschen können. Sind die Vorbehalte gegen Positive denn Und wie läuft’s in den Großstädten? auch in der schwulen Szene tatsächlich Da stoßen wir teilweise auf größere Skep- ICH WEISS WAS ICH TU geht weiter. Ist noch so groß? sis. Das ist verständlich, denn die Aidshilfen schon klar, wie lange? Viele Leute haben noch immer die alten Bil- und Präventionsprojekte dort haben eige- Das gute Ergebnis der Evaluation hat auch der aus den 80er und 90er Jahren im Kopf: ne Strukturen und Marken, teils sogar eige- unsere Zuwendungsgeber, das Bundesge- schwere Krankheit, schneller Tod, kein Sex- ne Kampagnen. Da gibt es bei der Koopera- sundheitsministerium und die Bundeszent- leben mehr ... Diese Bilder erschweren unse- tion mehr Konfliktpotenzial. Deshalb wollen rale für gesundheitliche Aufklärung, über- re Arbeit. Sie machen den Leuten Angst, und wir uns in Zukunft noch intensiver ab- zeugt. Nach den ersten Gesprächen Angst ist ein schlechter Ratgeber. Sie führt stimmen. gehen wir davon aus, dass wir die dazu, dass die Leute weniger miteinander Kampagne über die nächsten drei reden und seltener zum HIV-Test gehen. Des- Die Kampagne soll die Initiativen vor bis fünf Jahre weiterführen können. halb ist es auch eine unserer Aufgaben, das Ort nicht ersetzen, oder? Wenn es uns gelingt, sie in dieser Leben mit HIV in seinen vielen Facetten dar- Nein, im Gegenteil! Eine bun- Zeit zu optimieren und up to zustellen. desweite Kampagne hat nur date zu halten, kann ICH WEISS dann Erfolg, wenn lokale WAS ICH TU dauerhaft zu einer Wenn sich ein freundlicheres Bild von HIV und regionale Partner vor sehr erfolgreichen Marke der durchsetzt, geht dann eine wichtige Moti- Ort über ausreichende Mit- Deutschen AIDS-Hilfe werden. vation verloren, sich vor einer Ansteckung tel für die Präventionsarbeit zu schützen? verfügen. ICH WEISS WAS ICH Und? Schon Ideen für die nächs- Nein, die Leute wollen ja gesund bleiben. HIV TU hat seit Beginn das Ziel, die te CSD-Saison? hat immer noch erhebliche Auswirkungen regionale Arbeit zu stärken. Vie- Wir werden auch 2012 präsent auf das weitere Leben: die Infektion selbst le Teams befürchten, dass ihre sein, aber fokussieren uns auf be- und die Medikamente haben gesundheitli- Träger in den Kommunen und stimmte Themen und Zielgruppen. che Auswirkungen, Positive werden sozial Ländern die Mittel für die HIV- Eine Arbeitsgruppe Fetisch hat ei- ausgegrenzt. Das sind alles Dinge, die sich Präventionsarbeit kürzen – nen Stand mit Sextoys organisiert, kein Mensch wünscht. Ehrliche Informatio- mit dem Hinweis auf die bun- um so mit Männern ins Gespräch zu nen über das Leben mit HIV stehen nicht im desweite Kampagne, die an- kommen, die härtere sexuelle Spiel- Widerspruch zur Prävention. Ganz im Ge- geblich alles abdeckt. Das ist arten bevorzugen. Dabei werden wir genteil, ICH WEISS WAS ICH TU würde sonst der falsche Weg! ICH WEISS genau hingucken, welche Themen nicht als ehrliche Kampagne wahrgenom- WAS ICH TU kann nur funk- wir an welchen Orten verhandeln. men werden. Die Menschen kriegen ja auch tionieren, wenn die regio- Auf den CSD-Paraden stehen ja vor mit, wie man heute mit HIV lebt. Wer einen nalen Organisationen vor allem Heteros am Straßenrand. Eine Positiven kennt, weiß, dass es ihm in vielen Ort finanziell ausreichend Diskussionsveranstaltung an ei- Phasen auch gut geht. Wenn wir da ein fal- ausgestattet sind. Das sind nem ruhigeren Ort ist da manch- sches Bild zeichnen – wer soll uns dann die sie aber fast nirgends, mal sinnvoller, um unsere eigentli- anderen Botschaften abnehmen? selbst in Großstädten che Zielgruppe zu erreichen.

29 Schwules Leben

„Mir reicht’s!“ war eingebettet in ICH WEISS WAS ICH TU, unsere Kampagne für Schwule, Bisexuelle und andere Männer, die Sex mit Männern haben. Verbreitetet wurden die Motive über Anzeigen, Plakate und Postkarten sowie auf der Kampagnen- homepage iwwit.de. Als unübersehbares Zeichen für Selbstvertrauen und Selbstbe- stimmung erfreuten sich die Motive auch in den sozialen Netzwerken, vor allem in Face- book, großer Beliebtheit; sie wurden sogar in französischen Blogs vorgestellt und dis- kutiert. Der Hamburger Aids-Hilfe war das nicht genug: Sie produzierte selbst ein weit- hin sichtbares Blowup und hängte es an- lässlich des Hamburger Christopher Street Days an ihrer Fassade auf (siehe S. 31). Starke Bilder zum Tag Auf dem Foto zu sehen war Alexander Freier, der mit 15, kurz nach seinem Coming- out in der Schule, einmal zusammenge- gegen Homophobie schlagen wurde (siehe Interview rechts). Für ihn ein Grund, jetzt erst recht offen und of- fensiv aufzutreten. „Viele Menschen kennen Schwule Männer zeigen sich verletzt und fordernd zu- keine Schwulen und haben verschrobene Bilder im Kopf. Ein einziger echter Schwuler gleich: Die Aktionskampagne „MIR REICHT’S“ von ICH bringt manchmal jahrelang gepflegte Vor- WEISS WAS ICH TU soll Schwulenfeindlichkeit sichtbar urteile zum Einsturz“, erläutert er seine Mo- machen und zu einer selbstbewussten Reaktion mo- tivation, an die Öffentlichkeit zu gehen. Ein Leben ohne Diskriminierung und Be- tivieren. Dabei geht es gleichermaßen um Menschen­ drohung durch Gewalt ist ein Menschen- rechte wie um HIV-Prävention recht. Zugleich hat das Statement gegen Schwulenfeindlichkeit eine wichtige Be- Blutende Wunden, blaue Augen, zerfetz- nen nicht, dass ihnen Gewalt angetan wur- deutung in der HIV-Prävention. Dazu sagt te Klamotten. Die Bilder sind drastisch und de. Doch sie gehen selbstbewusst damit DAH-Schwulenreferent Dirk Sander: „Nur machen auf den ersten Blick klar: Hier wur- um. Denn sie wollen, dass die ständige Ge- wer selbstbewusst und selbstbestimmt mit de jemandem Gewalt angetan. Auf den walt im Alltag nicht weiter übersehen wird der eigenen Sexualität umgeht, kann sich zweiten Blick irritieren die Fotos. Die Män- – und dass sie aufhört. Deswegen erklären auch wirksam vor HIV schützen. Diskrimi- ner darauf sehen nicht aus wie Opfer. Ob- sie in aller Deutlichkeit: „MIR REICHT‘S! Mei- nierung und Angst vor Gewalt beschädigen wohl schwer ramponiert, schauen sie sou- ne Würde ist unantastbar!“ das Selbstwertgefühl und oft auch die Fä- verän und fordernd in die Kamera. Die Deutsche AIDS-Hilfe (DAH) hat diese higkeit, sich um die eigene Gesundheit zu Die Doppelbödigkeit ist gewollt. Die Bil- Aktionskampagne zum Internationalen Tag kümmern. Wer sich aus Angst verstecken der sollen Schwulenfeindlichkeit sichtbar gegen Homophobie am 17.5.2011 gestar- muss, wird außerdem durch Prävention machen und zeigen, dass Gewalt und Dis- tet. Homophobie bezeichnet die irrationa- nicht erreicht.“ kriminierung Schwule noch immer schwer le Angst vor Homosexualität, die sich in Ab- Der „Internationale Tag gegen Homo- verletzen. Die Männer auf den Fotos leug- neigung und Feindschaft äußert. phobie und Transphobie“ wird seit 2005 jedes Jahr am 17.5. begangen. Anlass: Am 17.5.1990 beschloss die Generalver- sammlung der Weltgesundheitsorganisa- tion (WHO), Homosexualität aus der Lis- te psychischer Krankheiten zu streichen. In Deutschland erinnern die Ziffern des Da- tums 17.5. zufällig auch an den ehemaligen Paragraphen 175 des Strafgesetzbuchs, der von 1872 bis zu seiner endgültigen Ab- schaffung 1994 in verschiedenen Varianten sexuelle Handlungen zwischen Männern unter Strafe stellte. Schon in den 1920er Jahren sagte man „geboren am 17.5.“, wenn man Schwule meinte.

30 „Homophobe Menschen kennen oft keine Schwulen“

Die Verletzungen auf unseren Fotos hat ein Visagist hervorgebracht. Aber die ­ Narbe, die Alexander Freier täglich an seinem Kopf sieht, ist echt: Mit 15 wurde er brutal verprügelt. Zu „MIR REICHT’S!“ mussten wir ihn da nicht lange überreden. Im Interview mit Paul Schulz spricht er über Sichtbarkeit, Würde und Courage

Das heißt, wir brauchen mehr Sichtbar- Vorurteile zum Einsturz. Auch hier kann die keit? Kampagne wirken. Ich freue mich, dass ich hier ganz konkret was tun konnte, einfach indem ich mein Was sagst du zu der These, dass mehr Sicht- Gesicht in eine Kamera gehalten habe und barkeit mehr Homophobie erzeugt? Foto: Norbert Benike sage: ‚Guten Tag. Ich bin schwul. Du findest Meine Erfahrung ist eine andere. Wenn Sicht- mich ganz normal? Super. Dann kannst du barkeit Gewalt hervorruft, ist das natürlich ja nett zu mir sein.‘ Für die meisten Heterose- nicht gut, aber die schwulenfeindlichen Ein- xuellen, den Großteil der Gesellschaft, ist die stellungen hatten die Leute ja schon vorher. Situation von Lesben, Schwulen, Bisexuellen Die negative Reaktion auf sichtbare Schwule und Trans* doch normalerweise kein Thema. zeigt: Die Leute haben falsche Bilder im Kopf. Das ändert sich durch die beeindruckenden Und die kann man beeinflussen und ändern. Kampagnenmotive hoffentlich ein bisschen! Also an die Arbeit!

Wie findest du den Slogan: „MIR REICHT’S“? Hast du selbst schon Erfahrungen mit ho- Der hat ja auch noch einen zweiten Teil: mophober Gewalt machen müssen? „Meine Würde ist unantastbar.“ Es ist gut, Ja. Als ich klein war, so 15, war ich auch schon diese Aussage zu treffen und mit einer Forde- offen schwul und bin deswegen mal von rung zu verknüpfen. Wir müssen unsere see- zwei Jungs verprügelt worden, ziemlich bru- lische, geistige und körperliche Unversehrt- tal sogar. Ich habe deswegen eine Narbe am heit von der Gesellschaft einfordern, können Kopf. Die ist zwar gut verheilt, aber ich sehe aber auch selbst einiges dafür tun. Wer sich sie jeden Tag und werde so daran erinnert. wehrt und versucht, unhaltbare Zustände zu Ein Grund mehr, etwas dafür zu tun, dass sol- verändern, ist kein Opfer – im Gegenteil! che Erfahrungen anderen 15-Jährigen – und allen anderen – erspart bleiben. Du bist bei „Schule ohne Rassismus/Schu- le mit Courage“ (SOR/SMC) engagiert. Wel- Engagiert ist Alex schon lange: Als SPD- che Erfahrungen machst du da mit Homo- Abgeordneter im Bezirksparlament von phobie? Berlin-Treptow/Köpenick, jugendpoliti- Es gibt inzwischen gut 800 Schulen, die unser Label bekommen haben, aber auch wenn ich

scher Sprecher seiner Fraktion und Mit- Foto: Aidshilfe Hamburg begründer der Aktion „Schule ohne Ras- an diesen Schulen unterwegs bin, werde ich sismus/Schule mit Courage“ (SOR/SMC). oft mit homophoben Äußerungen konfron- tiert. Ich mache das ganz bewusst zum The- Alex, warum bist du bei unserer Kampagne ma, einfach indem ich meine eigene Sexu- gegen Homophobie dabei? alität nicht verstecke. Ich höre dann oft sol- Weil ich das Konzept unmittelbar verstan- che Dinge wie „Du bist ja ganz normal, aber den habe und großartig finde! Einer der andere Schwule sind doch echt eklig.“ Auf Hauptgründe für Homophobie ist mangeln- Nachfrage stellt sich dann heraus, dass das de Sichtbarkeit. Homophobe Menschen ken- Schwulenbild dieser Jugendlichen nur von nen oft keine Schwulen. Und haben ein ganz Bildern aus den Medien bestimmt wird, die verschrobenes Bild von Homosexualität im eben oft Klischees reproduzieren oder sen- Kopf. Das macht ihnen Angst, und aus Angst sationslüstern berichten. Ein einziger ech- entsteht Gewalt. ter Schwuler bringt da jahrelang gepflegte Blowup an der Fassade der Hamburger Aidshilfe

31 Web 2.0

nen bestimmter Absender zu erhalten, und weil Kommentare und das Drücken der „Ge- HIV-Prävention und fällt-mir“-Schaltfläche eine Auseinanderset- zung mit den Inhalten voraussetzen, stellt sich auch leichter ein persönlicher Bezug Soziale Medien dazu her. Diese Kommunikation hat nichts Belehrendes, vielmehr findet ein Dialog auf „Wir brauchen eine Revolution der HIV-Prävention – Augenhöhe statt, denn Absender (z. B. die DAH) und andere Nutzer (z. B. die „Fans“) mit den Sozialen Medien und mobilen Technologien können gleichberechtigt Inhalte erstellen im Zentrum“, erklärte UNAIDS-Direktor Michel Sidibé und diskutieren. Damit bietet sich häufig zugleich auch schon die Möglichkeit, eine Anfang Mai 2011 bei einem Expertentreffen in Süd-­ erste Instanz der persönlichen Beratung an- afrika. Auch die Deutsche AIDS-Hilfe hat sich mit der zubieten – der Charme und die Chancen der Social Media liegen dabei darin, dass es Frage auseinandergesetzt, worin der „Mehrwert“ die- kaum Interaktionsbarrieren gibt, denn die ser neuen Kommunikationsform liegt und wie sie für Kommunikation kann in gewohnter Weise die Präventionsarbeit genutzt werden kann. Unterstützt (Chat, persönliche Nachrichten) und ohne Wechsel auf ein anderes Medium erfolgen. wurde das DAH-Team dabei durch dual Studierende der IBM Deutschland, die mehrwöchige Praxiseinsätze in der Meinungsbildend und zielgruppenspezifisch DAH-Bundesgeschäftsstelle absolvierten. Zu ihnen ge- Ein weiteres wichtiges Merkmal der Social hörte auch Philipp Sommer, dem wir für den folgenden Media ist das Sichtbarmachen von Einstel- lungen und Haltungen und die Diskussion Beitrag herzlich danken: darüber – je mehr Nutzer signalisieren, dass ihnen ein Inhalt gefällt, desto stärker beein- Chancen der flusst das die Meinungsbildung. Wichtig da- Sozialen Medien … bei ist die soziale Nähe: Wenn ein Fernseh- spot zur Krebsvorsorge rät, dann ist das für Reichweitenstark und interaktiv viele weniger relevant als der Bericht ei- Unter dem Schlagwort Soziale Medien oder nes Bekannten, der bereits zur Früherken- Social Media werden alle Angebote des In- nungsuntersuchung gegangen ist. Genau ternets verstanden, welche die Kommuni- diese Kommunikation fördern die Sozialen kation der Nutzer und die Veröffentlichung Medien, denn hier werden die eigenen Ak- von Inhalten jeglicher Art vereinfachen sol- tivitäten für andere Nutzer sichtbar, z. B. in- len; die bekanntesten Vertreter dieser Medi- dem man mitteilt, was man gerade macht, en sind Facebook, Youtube und Twitter. Die gemacht hat oder machen wird. Eine ver- Sozialen Medien verfügen inzwischen über gleichbare Möglichkeit, Personen mit An- eine Reichweite, die dem Vergleich mit den sichten und Aktivitäten ihres Umfeldes zu

traditionellen Massenmedien Stand hält: Foto: privat konfrontieren und so die Entwicklung von Bereits rund 57 % der deutschen Erwach- Haltungen und die Meinungsbildung zu Philipp Sommer, B.A. Internatio- senen sind auf Facebook und Co. registriert fördern, bietet kein anderes Medium. nal Business Administration, cand. – Tendenz steigend. Von den jüngeren Al- Darüber hinaus kann man innerhalb der Master Universität Köln tersgruppen sind sogar über 95 % hier ak- Social-Media-Plattformen eigenständige tiv. Der Anteil der Personen, die durch Soci- Verbreitungskreise für zielgruppenspezifi- al Media erreicht werden können, wird also tionalitäten die Qualität der Kommunikati- sche Inhalte schaffen, zum Beispiel Nach- weiter stark zunehmen, sodass auch die Be- on signifikant erhöhen. richten aus dem schwulen Leben und aus deutung dieser Plattformen als Kommuni- Zu verdanken ist das insbesondere der der HIV-Prävention für Männer, die Sex mit kationsinstrument für die HIV-Prävention Möglichkeit zur direkten Interaktion mit Männern haben, oder Infos zu häufig ge- wächst. der Zielgruppe: Die Sozialen Medien regen stellten Safer-Sex-Fragen – ein Beispiel da- Die Reichweite aber ist nicht der allei- die Nutzer „von Natur aus“ zur Kommuni- für ist der Facebook-Auftritt der DAH-Kam- nige Grund, warum Social Media als Mit- kation an, z. B. indem sie es ermöglichen, pagne ICH WEISS WAS ICH TU (www.face- tel der Präventionsarbeit eingesetzt wer- selbst Beiträge zu verfassen, andere auf in- book.com/ICH.WEISS.WAS.ICH.TU). Diese den sollten, denn andere Massenmedien teressante Links hinzuweisen, Kommentare Möglichkeit zur gezielten Ansprache ist verfügen über eine vergleichbare oder so- zu Beiträgen zu schreiben oder einfach nur sehr wichtig, denn in der Präventionsarbeit gar höhere Wahrnehmung in der Zielgrup- mit einem Klick zu signalisieren, dass man hat sich gezeigt, dass zielgruppenspezifi- pe. Nein, besonderes Interesse verdienen einen Inhalt gut findet. Weil die Nutzer sich sche Inhalte größere Wirkung erzielen als die neuen Medien, weil sie durch ihre Funk- selbst dazu bereit erklärt haben, Informatio- allgemeine Botschaften.

32 Niedrigschwellig und vernetzt

Nicht zuletzt zeichnen sich die Social Me- dia dadurch aus, dass sie sich hervorragend miteinander und mit anderen Internetan- Foto: Carmen Janiesch geboten verknüpfen lassen. Videos etwa, die auf Youtube veröffentlicht wurden, kön- nen direkt in Facebook eingebunden und ohne Verlassen der Plattform angeschaut werden. Der Microblogging-Dienst Twitter hingegen bietet sich an, um auf Beiträge der eigenen Website aufmerksam zu ma- chen und mit Hyperlinks direkt dorthin zu verweisen. Inzwischen ist zum Beispiel fast die Hälfte der Zugriffe auf den DAH-Blog auf diese Vernetzung zurückzuführen. Die verschiedenen Plattformen bieten außer- dem die Möglichkeit, je nach Anlass, Bot- schaft oder Ziel unterschiedliche Elemente aus diesem Kommunikationsmix zu nutzen: Für Videos bietet sich Youtube an, für kur- ze Nachrichten Twitter, für längere Texte ein Blog, für Bilder eine Plattform wie Facebook oder Flickr.

… und wie die DAH diese Chancen nutzt

Im Rahmen meines Praxiseinsatzes in der DAH-Bundesgeschäftsstelle habe ich zu- sammen mit anderen Studierenden an der Konzeption und am Ausbau der Social-Me- dia-Aktivitäten der Deutschen AIDS-Hilfe zum Beispiel zum Schutz vor HIV beim Dro- unter anderem durch die öffentliche Auf- mitgewirkt. Unser Engagement war für die gengebrauch, zur HIV-Behandlung oder merksamkeit zum Welt-Aids-Tag am 1. De- DAH dabei auch deshalb von Vorteil, weil zum HIV-Test. zember möglich sein, bis zum Jahreswech- wir altersmäßig die wichtigste Ziel- und sel eine fünfstellige Zahl an Facebook-Fans Nutzergruppe der Social-Media-Angebote Ausblick zu erreichen. Dabei gilt es natürlich immer repräsentieren. Das Herzstück unserer Ar- auch, Entwicklungen bei der Mediennut- beit stellt die neue Facebook-Fanpage der Der Erfolg der Präventions- und Öffentlich- zung der Zielgruppe im Auge zu behalten. DAH dar (http://www.facebook.com/deut- keitsarbeit in den Sozialen Medien hängt Bereits jetzt deutet sich an, dass die Social scheaidshilfe), die Anfang Mai 2011 online zwangsläufig von der Größe des Netzwer- Media immer mehr Aufgaben des „traditi- ging. Die Seite greift Elemente aus dem kes, sprich der Anzahl der „Fans“ ab: Nur sie onellen“ Internets übernehmen und damit bewährten Design der DAH-Homepage werden direkt auf die die Beiträge der DAH mehr und mehr zum Mittelpunkt von Kom- auf und nutzt auf diese Weise die Seriosi- aufmerksam (gemacht) und können dann munikation und Wissensvermittlung wer- tät der Marke Deutsche AIDS-Hilfe. Betreut ihrerseits ihre Netzwerke informieren. Die den. Die DAH sollte ihrer Zielgruppe fol- wird die Seite durch einen Social-Media- DAH-Facebookseite hat dabei offenbar An- gen und dort präsent sein, wo sie sich infor- Redakteur und Dirk Hetzel, den DAH-Re- klang gefunden: Von Anfang Mai bis Ende miert, austauscht und engagiert. ferenten für internetgestützte Präventi- September haben sich mehr als 8.000 Per- Ob die Social Media tatsächlich Teil einer on; eingestellt werden Beiträge aber auch sonen zu „Fans“ erklärt, was die DAH-Er- Revolution der HIV-Prävention sind, muss durch Mitglieder der Redaktion von www. wartungen um ein Vielfaches übertroffen – zumindest für Deutschland – wohl rela- aidshilfe.de. Die Facebook-Seite der DAH hat. Bei Twitter folgen inzwischen über 600 tiviert werden. Der erstaunliche Anklang, nutzt die Chance zur Interaktion mit der Nutzer den Kurznachrichten der DAH, und den die Angebote in der Zielgruppe bis- Zielgruppe, wie die oft lebhaften Diskussi- dem Facebook-Netzwerk der DAH-Kampa- her finden, belegt aber im jeden Fall, dass onen und der Austausch von Erfahrungen gne ICH WEISS WAS ICH TU gehören bereits das Thema in den Sozialen Medien richtig und Meinungen zeigen. Um verschiedene über 1.600 Interessierte an. aufgehoben ist. Wenn es gelingt, die vor- Schwerpunkte der Präventionsarbeit ab- Ein Schwerpunkt der zukünftigen Ar- handenen Potenziale zu nutzen, hat die zudecken und das Interesse der Fans auf- beit ist ohne Zweifel die weitere Steigerung HIV-Prävention ein weiteres wertvolles In- rechtzuerhalten, werden in regelmäßigen der Nutzerzahlen der DAH-Angebote auf strument in der Hand, das die bisherigen Abständen „Themenwochen“ veranstaltet, den Social-Media-Plattformen. So sollte es Kommunikationsmittel sinnvoll ergänzt.

33 Frauen

Anders als oft angenommen ge- dieses Jahr kommen die Städ- hören Sexarbeiterinnen als sol- te München, Nürnberg, Bremen che nicht zu den Gruppen, in und Hamburg hinzu. Der Infor-

denen HIV weit verbreitet ist. iStockphoto.com mationsbedarf der Teilnehmerin- / Gefährdet für sexuell übertrag- nen ist enorm, wobei sich jedes bare Infektionen (STIs) sind je- Mal aufs Neue erweist, dass Wis- doch jene Frauen, die in der Sex- senslücken in punkto HIV und

arbeit unerfahren sind oder un- Foto: Don Bayley STIs ein selbstsicheres Auftre- ter Drogeneinfluss anschaffen ten gegenüber Kunden und Bor- gehen und daher keine Kontrol- dellbetreibern erschweren. Viel le über die Situation haben. Hin- Raum nehmen auch Diskussi- zu kommt, dass die Gefahr von onen darüber ein, wie sich das Zwang und Gewalt, Abhängig- erworbene Wissen in möglichst keit und Ausbeutung in dieser konsequentes Handeln umset- Branche sehr hoch ist und die zen lässt. Die Schulungen kom- Sexarbeit auch nach zehn Jah- men insgesamt sehr gut an: Bis ren Prostitutionsgesetz noch dato haben fast 300 Sexarbeite- lange kein Beruf wie jeder an- rinnen daran teilgenommen, da- dere ist – all das sind Faktoren, von hatte knapp die Hälfte einen die das Schutzverhalten und die Migrationshintergrund. Auch Sorge für die Gesundheit beein- der Peer-Ansatz greift: Bei vielen trächtigen. In der Sexarbeit Frauen ist zu erkennen, dass sie Die HIV- und STI-Prävention sich am Arbeitsplatz immer auch für und mit Prostituierten gehört klarkommen und als Multiplikatorinnen verstehen. deshalb zum „Kerngeschäft“ der Durch die Vor-Ort-Arbeit sind DAH. Wir kooperieren dabei mit außerdem gute Kontakte zu den den Fachberatungsstellen für gesund bleiben Betreiber(inne)n entstanden, die Sexarbeit, setzen uns gemein- wir künftig verstärkt für unse- sam für bessere Arbeitsbedin- re Sache nutzen wollen. Denk- gungen im Sexgewerbe ein und entwickeln beit tätig sind oder waren: Sie kennen die bar wären beispielsweise Workshops zum Angebote, die den Frauen helfen, im Joball- Gefahren und gesundheitlichen Risiken der Thema „Gute Arbeitsbedingungen und Hy- tag klarzukommen und gesund zu bleiben. Sexarbeit aus erster Hand und wissen am giene“, in denen sich herausarbeiten ließe, Im Blick haben wir dabei aber immer auch besten, wie man sich dagegen wappnet. dass davon auch der eigene Betrieb profi- die Nutzer sexueller Dienstleistungen. So Auch die Schulung selbst zielt auf die Ge- tiert: Zufriedene, professionell arbeiten- wollen wir noch dieses Jahr mit den Kolle- winnung solcher „Peers“, indem sie Teilneh- de Sexarbeiterinnen sorgen für Kundschaft ginnen der Fachberatungsstellen beraten, merinnen zur Weitergabe des Gelernten an und verbessern nicht zuletzt auch das Ver- wie eine bundesweite Freier-Aktion aus- andere Kolleginnen motiviert. hältnis zu den Ordnungsbehörden – wich- sehen könnte. Wie immer in der Präventi- 2010 wurden die Schulungen in Frank- tig in Zeiten, in denen die Zeichen auf mehr on heißt es aber auch hier, die Adressaten furt, Bochum und Hannover angeboten, Kontrolle stehen. so zu nehmen, wie sie sind: Würde man sie verurteilen oder gar als „Täter“ abstempeln, würde sie das nur abschrecken – und keine Botschaft könnte sie mehr erreichen.

Fortbildung direkt am Arbeitsplatz

Besonders unter Sexarbeiterinnen mit Mi- grationshintergrund finden sich viele, die kaum über STIs informiert sind, ohne pro- fessionelles Know-how anschaffen und nicht auf Kondomgebrauch bestehen. Hier setzt z. B. unsere 2008 in Berlin gestartete Schulungsreihe in Wohnungsbordellen an, Unser Kalender „Gesund durchs Jahr“ für Sexarbeiterinnen in Deutsch, Englisch, Pol- die wir inzwischen bundesweit anbieten nisch, Russisch, Bulgarisch und Tschechisch war in kürzester Zeit vergriffen. Er bietet und auf weitere Segmente der kommerzi- ellen Sexarbeit ausgedehnt haben. Als Trai- Tipps und Infos sowie Adressen zu Themen wie „Du entscheidest, wo deine Grenzen nerinnen werden dabei bevorzugt Kolle- liegen“, „Safer Sex - Schutz vor sexuell übertragbaren Infektionen“ oder „Prostitution ginnen eingesetzt, die selbst in der Sexar- und Recht“ und soll auch für 2012 wieder erscheinen.

34 Gefährlicher Trend: pflichten, auf die Kondompflicht deutlich spiel ist Dortmund, wo der Stadtrat im März Repression gegen Prostitution sichtbar hinzuweisen und ungeschützten 2011 beschloss, den Sperrbezirk auf das ge- Geschlechtsverkehr nicht zuzulassen. samte Stadtgebiet auszuweiten. Mit der Durch das seit 2002 gültige Prostitutionsge- Eine solche „Kondompflicht“ gibt es bis- Schließung des legalen Straßenstrichs in setz kann man legal der Sexarbeit nachge- her nur in Bayern – seit der Einführung des der Ravensberger Straße wurde ein siche- hen, entweder selbstständig oder in einem Infektionsschutzgesetzes im Jahr 2001. Ob rer Arbeitsplatz beseitigt – und damit das sozialversicherungspflichtigen Beschäfti- ihr Genüge getan wird, lässt sich freilich nur als vorbildlich gelobte und auch internatio- gungsverhältnis. Bordellbetreiber wiede- schwer überprüfen. Versucht wird es trotz- nal beachtete „Dortmunder Modell“ zu Gra- rum können für sichere Arbeitsplätze mit dem. „In München und Augsburg schickt be getragen. hohem Hygienestandard sorgen, ohne sich man dazu Polizisten ins Milieu, die sich als In einem Container, den die örtliche wegen „Förderung der Prostitution“ strafbar Freier ausgeben und Prostituierte fragen, Fachberatungsstelle KOBER direkt am Stra- zu machen. Doch wirklich gebessert haben ob sie auch ‚ohne’ zu haben seien“, berich- ßenstrich platziert hatte, konnten Prostitu- sich die Arbeitsbedingungen im Sexgewer- tet Claudia Fischer-Czech vom Bündnis der ierte sich zu sexuell übertragbaren Infekti- be seither nicht. Fachberatungsstellen für Sexarbeit (bufas). onen einschließlich HIV beraten lassen, sich Das liegt vor allem daran, dass das Gesetz „Wenn eine Frau das bejaht, beweist sie da- aufwärmen oder eine Mahlzeit einnehmen. bisher nur unzureichend umgesetzt worden mit bereits, dass kein Kondom zum Einsatz Hier bekamen sie Kondome, Adressen für ist. So legen die Finanzämter für die Besteu- kommen wird. Beim ersten Mal gibt es eine ärztliche Untersuchungen, und einmal pro erung selbstständiger Sexarbeit oft ein Ein- Verwarnung. Im Wiederholungsfall kann es Woche war eine ehrenamtlich tätige Ärz- kommen zugrunde, das weit über den tat- tin vor Ort. Auch für den Schutz vor gewalt- sächlichen Verdienstmöglichkeiten in der tätigen Übergriffen war gesorgt: Die Freier Branche liegt. Behindert werden ebenso stellten ihre Autos in sogenannten Verrich- die Sexbetriebe: Wer sein bisher geduldetes tungsboxen ab, wo sich die Autotüren nur Bordell oder Erotikzentrum anmelden will, auf der Beifahrerseite öffnen ließen. Drück- wird entweder mit überzogenen ordnungs- te man den dort installierten Alarmknopf, oder gewerbeamtlichen Auflagen überhäuft löste er ein Lichtsignal aus, das die anderen – oder findet erst gar kein Amt, das sich da- Frauen alarmierte. Ein weiteres Plus der Bo- für zuständig fühlt. Und nicht zuletzt gelten xen: Die Nachbarschaft bekam vom Sexser- für die Prostitution immer noch Sonderre- vice nur noch wenig mit und konnte so be- gelungen wie z. B. Sperrbezirksverordnun- ruhigt werden. gen – Berlin und Rostock sind die einzigen Das Modell funktionierte auch dann Foto: privat Städte Deutschlands ohne Sperrbezirk. noch, als im Zuge der EU-Osterweiterung Nach beinahe zehnjähriger „Prüfzeit“ Die DAH-Frauenreferentin Mari- viele Frauen aus Bulgarien und Rumänien wäre es allerhöchste Zeit, das Gesetz nach- anne Rademacher fordert konse- kamen. KOBER setzte Mediatorinnen ein, zubessern und seine bundesweit einheitli- quente Werbung für Safer Sex und um das Vertrauen der Osteuropäerinnen che Umsetzung voranzutreiben. Doch statt Kondome in Bordellen – und die zu gewinnen und mit ihnen über Safer Sex endlich Rechtssicherheit zu schaffen, re- Einbeziehung der Freier. reden zu können. In der Stadtpolitik sei je- agiert die Politik mit (Forderungen nach) doch plötzlich von notwendigen Schritten mehr Kontrolle. Geschadet wird damit auch zu Bußgeldern und im weiteren Verlauf zu zur Bekämpfung organisierter Kriminali- einer HIV- und STI-Prävention, die gerade Haftstrafen kommen.“ tät und von ungezügeltem Zuzug aus Ost- deshalb so erfolgreich gewesen ist, weil sie Aus Bayern wird berichtet, dass Sexarbei- europa die Rede gewesen, sagt Claudia Fi- eben nicht mit Strafe droht, sondern auf ei- terinnen sich sogar in der Beratung scheu- scher-Czech. „Aber es war nicht so, dass die- genverantwortliches Handeln setzt und en, offen über Probleme bei der Durch- se Frauen überall in der Stadt angeschafft dieses durch Information, Motivation und setzung des Kondomgebrauchs zu reden. hätten. Sie haben den legalen Straßenstrich „Empowerment“ fördert. „Bleibt zu hoffen, dass sich eine bundes- sehr wohl erkannt und ihn auch genutzt.“ weite Kondompflicht verhindern lässt“, sagt Die Stadt Dortmund verlässt sich jetzt Kondompflicht: polizeiliche DAH-Frauenreferentin Marianne Radema- darauf, dass die von ihr eingesetzte „Task- „Scheinfreier“ kontrollieren cher. „Statt mit einer solchen Verordnung zu Force“ Prostituierte aus der Stadt vertreibt. Einhaltung drohen, sollte lieber dafür gesorgt werden, Die Streetworkerinnen von KOBER müssen dass in Bordellen konsequent für Kondome ihre Klientinnen seither suchen – mit der Dass der Wind wieder schärfer weht, zeigte und Safer Sex geworben wird. Und dabei Task-Force im Nacken. sich etwa im Juli 2010, als die Polizeibehör- muss man natürlich auch den Freier anspre- In Hamburg bahnt sich bereits der den der Innenministerkonferenz empfah- chen – schließlich ist es ja nicht die Prostitu- nächste Fall an: Der Stadtteil Sankt Georg len, die 2001 abgeschaffte Untersuchungs- ierte, die zum Kondomverzicht nötigt.“ soll aufgewertet werden – da ist der Stra- pflicht für Prostituierte wieder einzuführen. ßenstrich am Hansaplatz ein Dorn im Auge. Und im Februar 2011 forderte der Bundes- Vom sicheren Arbeitsplatz Ähnliche Trends zeichnen sich auch in an- rat die Bundesregierung zu Gesetzesände- vertrieben deren Städten ab, und das europaweit. „Trif- rungen auf, um den Betrieb von Prostituti- tige Gründe“ für die Vertreibung der öffent- onsstätten stärker zu reglementieren. Unter Vernunft und Augenmaß lassen immer öf- lich sichtbaren Prostitution aus den Innen- anderem solle man die Betreiber/innen ver- ter auch Kommunen missen. Jüngstes Bei- städten finden sich immer …

35 Drogen

auch sterile Spritzen, Abszess- und Wund- behandlungen, Beratungen zum Thema Substitution und Ausstieg sowie ein Kon- taktcafé – hat dies 2010 mit ihrem Modell- projekt „test it“ untersucht.

Foto: Aidshilfe Dortmund Das KICK wählte dazu einen HIV-Schnell- test: Zur Blutentnahme genügt hier ein klei- ner Pieks in die Fingerkuppe, und das Er- gebnis liegt bereits nach etwa 15 Minuten vor. Verbunden mit dem Test war eine ver- pflichtende Beratung inklusive Risikocheck, um das Bewusstsein für die HIV-Risiken (zum Beispiel durch die gemeinsame Be- nutzung von Spritzbesteck oder durch Sex ohne Kondom) zu erhöhen und die Ent- wicklung persönlicher Schutzstrategien zu unterstützen. Das Modellprojekt wurde wissenschaft- lich von Prof. Dr. Sigrid Michel von der Fach- hochschule Dortmund begleitet. Sie folg- te einem partizipativen Forschungsansatz, die Projektmitarbeiter/innen und die Ziel- gruppe waren also von Anfang an beteiligt. So kam zum Beispiel auch ein Fragebogen zum Einsatz, der gemeinsam mit Besuche- rinnen und Besuchern des KICK entwickelt worden war und dann in der Beratung als Gesprächsleitfaden diente. Test it! HIV- und Die Ergebnisse des Modellprojekts spre- chen für sich: Wurden im gesamten Jahr 2009 nur 21 HIV-Tests durchgeführt, wa- Hepatitis-Prävention ren es von Januar bis Ende September 2010 schon 179. 133 Männer und 35 Frauen wur- den zum ersten Mal im KICK zum Thema für Drogengebraucher HIV beraten und 162 Personen erstmals mit dem HIV-Schnelltest getestet, in sechs Fäl- len wurde eine HIV-Infektion festgestellt. Drogenkonsumenten auf der offenen Sze- die körperliche und psychische Gesund- Drei von diesen sechs positiv Getesteten ne sind von Infektionskrankheiten wie HIV heit häufig nachrangig; waren sich dabei übrigens keiner Risikosi- und Hepatitis B oder C besonders betrof- l die anonyme und wenig vertraute At- tuation bewusst, drei Personen nannten die fen. Die Hepatitis-C-Rate zum Beispiel liegt, mosphäre in Kliniken, Gesundheitsäm- gemeinsame Benutzung von Spritzen, eine je nach untersuchter Gruppe, zwischen 50 tern oder Arztpraxen; Person zusätzlich Sex ohne Kondom als und 90 Prozent, die Hepatitis-B-Rate bei 30 l die Blutentnahme aus der Leiste oder Übertragungsrisiko. bis 50 Prozent, und auch HIV ist unter Men- dem Hals – da die Venen nach langjäh- Ein Grund für die hohe Teilnehmerzahl schen, die Drogen intravenös konsumieren, rigem Drogenkonsum in der Regel stark war offenbar der Faktor „Unkompliziert- weiter verbreitet als in der Allgemeinbevöl- geschädigt sind, bleibt häufig keine an- heit“, und zwar sowohl bei der Testart (Ent- kerung. dere Wahl; nahme von Blut aus der Fingerkuppe und Viele Betroffene aber wissen gar nicht, l die lange Dauer zwischen Blutentnah- schnelle Mitteilung des Ergebnisses, außer- dass sie infiziert sind. In der Drogenhilfe ge- me und der Mitteilung des Ergebnis- dem die Möglichkeit, anonym zu bleiben) hört dieses Thema nämlich meist nicht zum ses (beim üblichen HIV-Antikörpertest als auch beim Testort: „Wenn hier so was üblichen Beratungsangebot, und Testan- etwa eine Woche) und verbunden damit geht, schnell, ohne große Überwindung, gebote des „normalen“ medizinischen Sys- die Notwendigkeit, sich ein zweites Mal ich find das klasse“, sagte einer der Befrag- tems werden von Drogengebrauchern „aufzuraffen“, um das Ergebnis innerhalb ten stellvertretend für viele andere. Insge- kaum genutzt – dies zumindest ist die Er- begrenzter Öffnungszeiten abzuholen. samt gaben 69 % der Teilnehmer als Grund fahrung vieler Mitarbeiterinnen und Mitar- Wie aber kann man HIV-Tests so organisie- für die Testung im KICK an, dass der Schnell- beiter aus der Drogenhilfe. Als Gründe wer- ren, dass sie von Drogenkonsumenten an- test dort „so unkompliziert“ sei bzw. dass den vor allem genannt: genommen werden? Die Drogenhilfe-Ein- sie das KICK und die Mitarbeiter kannten. l der Druck zur Befriedigung der Sucht – richtung KICK der Aidshilfe Dortmund – sie Auch Dirk Schäffer, Referent für Drogen und wenn allein das „Hier und Jetzt“ zählt, ist bietet neben einem Drogenkonsumraum Strafvollzug bei der Deutschen AIDS-Hilfe

36 test in großer Zahl in Anspruch nehmen, wenn es auf ihre Zielgruppe abgestimmt JES im neuen Gewand ist. HIV stand und steht bei Drogengebrau- chern allerdings nicht im Zentrum. Eine 1986, drei Jahre nach Gründung der Deutschen AIDS-Hilfe (DAH), wurde in der größere Rolle spielt die Angst vor einer He- DAH-Bundesgeschäftsstelle das Referat für Drogen und Strafvollzug aufgebaut patitis-C-Infektion, denn viele kennen Be- – Hintergrund war, dass die Zahl der bei Drogengebrauchern festgestellten HIV- troffene, von denen einige elendig gestor- Infektionen damals massiv anstieg. Dass die Aufklärung über Maßnahmen zur ben sind. Außerdem werden die Faktoren, Infektionsvermeidung und die Vergabe steriler Spritzen helfen würden, war klar. die das individuelle Verhalten beeinflussen Legalisiert wurde die Spritzenvergabe allerdings erst 1992, und auch die Einbe- – zum Beispiel die Biografie, der Bildungs- ziehung der Selbsthilfe zur Verbreitung der Safer-Use-Regeln musste struktu- stand, die Einbindung ins soziale Netz und relle und ideologische Barrieren überwinden. 1989 begann die DAH – und hier vieles mehr –, durch ein einzelnes Bera- vor allem Helmut Ahrens, der damalige Drogenreferent –, die Selbstorganisati- tungsgespräch nicht außer Kraft gesetzt. on von Drogengebrauchern zum Beispiel durch Seminare und Treffen gezielt zu Aufklärung über die Infektionsvermeidung fördern, und am 21. Juni 1989 gründete sich nach einem DAH-Seminar in Ham- ist wichtig, stößt aber dort an ihre Grenzen, burg das Selbsthilfenetzwerk JES – Junkies, Ehemalige, Substituierte. wo sie auf besondere Lebenslagen trifft. In Situationen mit hohem Druck zum Beispiel Viel hat JES seither erreicht: Das Netz- kann risikominderndes Verhalten nicht im- werk hat die Lebenswirklichkeit von mer durchgehalten werden.“ Drogengebrauchern ins Gesundheits- Schäffers Fazit lautet daher: „Wir müs- system getragen und erfolgreich für sen die Rahmenbedingungen so verän- Spritzenvergabe, Drogenkonsumräu- dern, dass risikominderndes Verhalten un- me, Substitution und Diamorphinbe- terstützt und gefördert wird. Ein Weg dazu handlung gekämpft. Seit März 2010 ist, Drogen zu legalisieren und ihre Quali- ist JES nun ein eingetragener, gemein- tät zu kontrollieren, anstatt zu versuchen, nütziger Verein – und kann dank der den Drogengebrauch und -handel über neuen Rechtsform auch selbst Pro- das untaugliche Mittel der Strafverfolgung jektanträge bei Krankenkassen, Mi- zu kon­trollieren.“ nisterien oder Wohlfahrtsverbänden stellen. Übrigens: Ärztinnen und Ärz- te, Mitarbeiter/innen von Aids- und Drogenhilfen, Wissenschaftler/innen und solidarische Mitbürger/innen können Fördermitglieder werden – und sind herz- lich dazu eingeladen.

Doch nicht nur die Rechtsform ist neu – auch das Logo und die Internetseite kommen im neuen Gewand daher. Das Logo behält die alte Schriftart bei und ist dadurch wiedererkennbar, ergänzt die Schrift aber um grafische Elemente, die an verschiedene Umlaufbahnen erinnern und damit sowohl die Eigenständig- keit der Netzwerkmitglieder als auch die gemeinsame Sache des Bundesverban- des symbolisieren. Es kann von allen örtlichen JES-Gruppen genutzt und durch den jeweiligen Namenszusatz (z. B. JES Wuppertal, JES München usw.) ergänzt werden. Die JES-Internetseite hat jetzt die Adresse www.jes-bundesverband.de (bisher jes-netzwerk.de).

und Leiter des Projekts, sieht in der Nied- genhilfe Beratung zu Infektionskrankheiten Entwicklung, Erfolge und Perspektiven rigschwelligkeit des Angebots einen ent- und Schnelltestangebote zu verankern – es des JES-Netzwerks würdigt unser Band scheidenden Vorteil: „Für Drogengebrau- ist in jedem Fall ’ne gute Sache, wie es einer cher ist die Barriere, zum Arzt zu gehen, der Befragten ausgedrückt hat.“ „Für ein menschenwürdiges Leben mit groß. In der vertrauten Umgebung der Dro- Allerdings sieht der DAH-Drogenrefe- Drogen“, der anlässlich des zwanzig- genhilfe dagegen nimmt man Informatio- rent auch die Grenzen des Projekts: „Test it jährigen Bestehens des Netzwerks im nen zum Schutz vor HIV und Hepatitis eher zeigt, dass Drogenkonsumenten – entge- Jahr 2009 erschienen ist und kosten- mit und lässt sich dann vielleicht auch tes- gen verbreiteten Vorurteilen – großes In- ten“, sagt er. „Das macht Mut, auch in ande- teresse an ihrer Gesundheit haben und ein los beim DAH-Versand bestellt wer- ren Einrichtungen der akzeptierenden Dro- Gesundheitsangebot wie den HIV-Schnell- den kann.

37 Drogen

„Drogenfachgeschäfte statt Drogenverbote“

Nicht nur die Deutsche AIDS-Hilfe, sondern auch nam- hafte internationale Politiker und Experten fordern eine Neuausrichtung der Drogenpolitik: Weg von der Illega- lisierung und dem „Krieg gegen Drogen“, der allzu oft ein Krieg gegen Drogengebraucher ist und mehr Prob- leme hervorbringt als er löst, hin zu sinnvoller staatli-

cher Kontrolle. Wie das aussehen könnte, erklärt Dirk Foto: Olaf Kretschmer ­Schäffer, Drogenreferent der Deutschen AIDS-Hilfe, im Dirk Schäffer, Drogenreferent der Deutschen AIDS-Hilfe Interview mit Holger Wicht und Holger Sweers:

Wir würden gerne zunächst einmal etwas den mit den immensen Erlösen aus dem Dro- der Drogen beraten. Dafür müssten sie ähn- genauer darauf schauen, welche Schäden genhandel mafiöse Organisationen und lich ausgebildet werden wie Pharmazeu- durch die Illegalisierung von Drogen ent- Strukturen finanziert – und das ist nicht nur tisch-Technische Assistenten, Apotheker oder stehen. ein Schaden für die Wirtschaft und für die Ge- Drogisten, zusätzlich aber auch als Berater Bei den Konsumentinnen und Konsumenten sellschaft, sondern auch für die Demokratie. und Präventionsfachkräfte – und sie müss- der Drogen kommt es zu psychischen und ten sich ständig fortbilden. Sie wären an Be- körperlichen Schäden, zum Beispiel zu HIV- Gemeinam mit vielen anderen forderst du stimmungen für den Drogenverkauf gebun- und Hepatitis-Infektionen oder Abszessen. deswegen eine grundlegende Neuausrich- den, müssten zum Beispiel auf den Jugend- Die sehen wir in den Drogenhilfen und Be- tung der Drogenpolitik. Was aber heißt schutz achten und dürften eine bestimmte ratungsstellen Tag für Tag. Die meisten kör- das genau? Abgabemenge pro Einkauf und Person nicht perlichen Schäden entstehen nämlich nicht Eine grundsätzliche Neuausrichtung bedeu- überschreiten. Finanzieren könnte man das in erster Linie durch die Substanzen selbst, tet, nicht mehr auf Verbote und Strafverfol- Ganze über Steuern – schließlich gibt es ja sondern durch gefährliche Streckmittel, gung zu setzen, um die Bürger zu schützen, auch eine Alkohol- oder eine Tabaksteuer. durch unhygienische Bedingungen, durch sondern auf die Förderung der Drogenmün- den Stress, dass man ständig von der Polizei digkeit und auf Legalisierung von Drogen. Und kurz darauf gibt’s dann den Internet- aufgegriffen werden kann, durch einen Man- Wobei Legalisierung nicht heißt „Drogen für handel oder Drogen im Supermarkt? gel an sterilen Spritzutensilien, zum Teil auch alle zu jeder Zeit und überall“. Nein, Legalisierung, wie wir sie verstehen, durch falschen Umgang mit Drogen. Weil meint genau dies nicht. Wir finden eben sehr Drogen illegalisiert werden, kann man sie Sondern? wohl, dass der Jugendschutz umgesetzt wer- nicht „offiziell“ untersuchen, man kann also Die Übernahme der Kontrolle durch den Staat den muss und dass Drogen im Straßenver- gewissermaßen keine „geprüfte Qualität“ – weg von der Straße und der Drogenmafia. kehr nichts zu suchen haben. Wie gesagt: Le- anbieten oder Leute vor gefährlichen Beimi- Der Staat würde also seine Verantwortung für galisierung heißt Kontrolle. schungen warnen. Jahr für Jahr sterben des- die Gesundheit der Bürger übernehmen, in- halb mehr als 1000 Menschen in Deutsch- dem er den heute völlig unkon­trollierten Dro- Besteht nicht das Risiko, dass viele Leute land an den Folgen des Konsums illegalisier- genhandel und Drogenkonsum kontrolliert. drogenabhängig werden, weil sie so leicht ter Drogen. an Drogen herankommen? Wie könnte das konkret aussehen? Hier eine Antwort zu geben, ist schon speku- Ein häufig vorgebrachtes Argument für das Dafür gibt es verschiedene Modelle. Eins lativ. Aber die Erfahrungen aus den Nieder- Verbot von Drogen lautet: Die Gesellschaft sieht zum Beispiel vor, dass Drogen in soge- landen mit der teilweisen Legalisierung von muss sich schützen. nannten Drogenfachgeschäften verkauft Cannabis haben gezeigt, dass die Zahl der Auch der Gesellschaft entstehen durch die Il- werden. Diese Substanzen wären dann ge- Konsumenten dort nicht gestiegen ist. Ähnli- legalisierung große Schäden! Nehmen wir die prüft und rein, sie würden keine gefährlichen ches gilt für Portugal. Dort sind Drogen zwar Beschaffungskriminalität als Folge der ho- Streckmittel enthalten, und es würde auch offiziell illegal, der Besitz eines persönlichen hen Schwarzmarktpreise oder die hohen Kos- nicht mehr zu Überdosierungen kommen, Vorrats für 10 Tage wird aber nicht mehr be- ten für die Strafverfolgung und Inhaftierung. weil ja dann eine bestimmte Menge „Stoff“ straft oder verfolgt – und das gilt nicht nur Etwa ein Drittel aller Gefangenen in Deutsch- immer dieselbe Menge Droge enthält. Die für die „weichen“ Drogen wie Cannabis, son- land sitzt aufgrund von Verstößen gegen das Angestellten in solchen Drogenfachgeschäf- dern auch für die „harten“ Drogen wie He- Betäubungsmittelgesetz ein. Außerdem wer- ten würden zu Risiken und Nebenwirkungen roin. Ich bin überzeugt, dass Menschen, die

38 keine Affinität zum Rausch und zu bewusst- genmündigkeit, für mich das Einzige, was Er- solche Räume viele positive Effekte haben seinserweiternden Substanzen haben, auch folg verspricht – schließlich haben die letzten und unter anderem zur Senkung der Drogen- dann nicht zu Drogen greifen werden, wenn 30 Jahre gezeigt, dass Prävention durch Ab- todesfälle beitragen. sie frei erhältlich sind. Außerdem wollen wir schreckung und Verfolgung nicht wirkt. ja auch die Drogenmündigkeit fördern, also Warum gibt es solche Räume dann noch schon früh über die Wirkungen und Risiken Im Moment stehen die Zeichen aber ja nicht überall? von Drogen informieren. weiterhin auf Drogenverbot. Mit welchen Weil die Einrichtung in der Hand der Länder Maßnahmen könnte man in der Drogen- liegt. In Bayern, Baden-Württemberg und ei- Du traust den Leuten eine Menge zu im politik zumindest etwas vorankommen? nigen anderen Bundesländern sind Drogen- Umgang mit Drogen! Am Ziel der Legalisierung halten wir fest. So- konsumräume bisher politisch nicht gewollt. Selbstverständlich muss man den Umgang lange wir aber noch nicht dort angekom- Das Ergebnis der Landtagswahlen in Baden- mit Drogen „lernen“. Wie in vielen anderen men sind, müssen wir die Rahmenbedingun- Württemberg macht Mut, dass wir hier end- Bereichen reduziert man auch beim Drogen- gen verbessern, unter denen Drogenkonsum lich einen Schritt weiterkommen – hin zu konsum die Risiken, indem man aufklärt und heute stattfindet. Zum Beispiel durch Drug- Angeboten der Überlebenshilfe für Drogen- Selbstbewusstsein sowie Mündigkeit fördert. checking-Projekte: Hier können Menschen gebraucher, anstatt sie zu verfolgen, in die Il- Hier müssen wir schon die Jugendlichen die Substanzen, die sie konsumieren wollen, legalität zu treiben und ihre Gesundheit und dazu bringen, dass sie eigenständig und in vorher auf den Reinheitsgehalt und Streck- ihr Leben zu gefährden. verschiedenen Alltagssituationen zum je- stoffe testen lassen. Außerdem müssen wir weils angemessenen Umgang mit Drogen endlich in allen Bundesländern Drogenkon- Weitere Informationen: finden. Dahinter steht das Konzept der Dro- sumräume etablieren – Studien zeigen, dass www.drogenfachgeschaeft.de

„Der Krieg gegen Drogen ist gescheitert“

In der Global Commission on Drug Policy („Globale Kommis- Was aber ist stattdessen zu tun? Die Kommission empfiehlt sion zur Drogenpolitik“) haben sich hochrangige Politiker unter anderem, die Kriminalisierung, Marginalisierung und und Politikerinnen sowie weitere Expertinnen und Experten Stigmatisierung von Menschen, die Drogen gebrauchen, aber aus aller Welt zusammengeschlossen. Ihr Ziel: auf internati- anderen nicht schaden, zu beenden. An die Stelle einer ideo- onaler Ebene über humane und effektive Wege zu diskutie- logisch begründeten Drogenpolitik müssten Strategien zur ren, wie man die durch Drogen verursachten Schäden für In- Schadensvermeidung und Schadensminderung treten, die dividuen und Gesellschaften reduzieren kann. auf wissenschaftlichen Erkenntnissen basieren und sich an der Gesundheit, Sicherheit und den Menschenrechten der Zu den Mitgliedern gehören etwa die ehemaligen Präsiden­ Bürger orientieren. Darüber hinaus sei es wichtig, Drogenge- ten Kolumbiens, Mexikos und Brasiliens (César Gaviria, brauchern (auch und gerade jenen in Haft) eine große Band- ­Ernesto Zedillo und Fernando Henrique Cardoso), der ehe- breite von Behandlungsangeboten zu machen, darunter die malige UN-Generalsekretär Kofi Annan, der ehemalige US- Substitutionstherapie und die heroingestützte Behandlung. Außenminister George P. Shultz, der griechische Minister- präsident Papandreou, die Schriftsteller Mario Vargas Llosa und Carlos Fuentes, Michel D. Kazatchkine (Direktor des Glo- balen Fonds zur Bekämpfung von Aids, Tuberkulose und Ma- laria), Javier Solana (von 1999 bis 2009 Generalsekretär des Rates der Europäischen Union und Hoher Vertreter für die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik) und die ehema- lige Staatssekretärin und Bundes-Drogenbeauftragte Mari- on Caspers-Merk.

Im Juni 2011 wandte sich diese Kommission mit einem Be- richt zum „Krieg gegen Drogen“ an die Weltöffentlichkeit,

der für Aufsehen sorgte. Ihr Fazit: „Der Krieg gegen Drogen Foto: www.foto-fine-art.de / pixelio.de ist gescheitert – mit verheerenden Konsequenzen für Indi- Mohn verbrennen, Drogen verbieten? Experten fordern eine neue Dro- genpolitik viduen und Gesellschaften auf der ganzen Welt.“ Die Un- summen, die für Strafverfolgung und repressive Maßnah- „Brecht das Tabu, das Debatten und Reformen verhindert – men ausgegeben worden seien, hätten Konsum und Handel die Zeit drängt“, so könnte man den Appell der globalen nicht reduziert, sondern vielmehr Maßnahmen zur Vermei- Kommission zur Drogenpolitik zusammenfassen. Hoffen wir, dung von HIV/Aids, von Todesfällen durch Überdosierungen dass er Gehör findet. und von anderen schädlichen Folgen des Drogenkonsums Weitere Informationen: behindert. www.globalcommissionondrugs.org

39 Haft

ein berechtigtes Interesse, vor Infektions- gefahren gewarnt zu werden? „HIV ist ein schwer übertragbarer Erreger“, stellt Bärbel Knorr klar. „Bei alltäglichen sozialen Kon- takten kann man sich nicht mit HIV anste- Foto: Carmen Janiesch cken, auch in Haft nicht.“ Außerdem schüt- ze ein Zwangsouting von HIV-infizierten Gefangenen andere nicht vor einer Infekti- on – im Gegenteil: „Manche Häftlinge wis- sen gar nicht, dass sie infiziert sind. Im Rah- men der Zugangsuntersuchung gibt es keinen Zwang zu einem HIV-Test, und es besteht keine Mitteilungspflicht, wenn be- reits eine HIV-Infektion diagnostiziert wur- de. Hinzu kommt, dass Gefangene sich ja auch im Gefängnis infiziert haben könnten, zum Beispiel, weil keine sterilen Spritzen zur Verfügung stehen.“ Die Angst vor Dis- kriminierung könne außerdem dazu füh- ren, dass Häftlinge sich nicht auf HIV testen oder behandeln lassen, fürchtet Knorr. Und manch einer könnte sich in falscher Sicher- Recht und Gesundheit hinter Gittern

Von Kim Winkler und Holger Sweers HIV-Infektion offenlegen – Wiegt das informationelle Selbstbestim- oder auf Gemeinschaft mungsrecht HIV-infizierter Gefangener verzichten? schwerer als das Schutzbedürfnis von Jus- tizbediensteten ? Aber besteht tatsächlich ein Zwang zum Um diese Frage geht es im Kern bei ei- Offenlegen der Infektion? In der Debat- ner Auseinandersetzung, die im Herbst te fiel das Argument, HIV-infizierte Häftlin-

2010 akut wurde: Dirk Meyer, damals Lan- ge könnten doch auf die Gemeinschaftszei- Foto: privat desgeschäftsführer der AIDS-Hilfe NRW, ten verzichten – was Bärbel Knorr vom Be- Bärbel Knorr vom Arbeitsbereich forderte die Landesregierung im Septem- reich HIV und Strafvollzug der Deutschen Haft der Deutschen AIDS-Hilfe ber auf, das „Zwangsouting“ HIV-positi- AIDS-Hilfe empörend findet. Auch die AIDS- ver Gefangener zu beenden, die Deutsche Hilfe NRW weist darauf hin, dass der Ver- AIDS-Hilfe schloss sich dieser Forderung zicht auf den Umschluss „im individuellen heit wiegen – nach dem Motto: Solange ich an. Hintergrund: In Nordrhein-Westfalen Fall verheerende Folgen für die Persönlich- nicht über die HIV-Infektion eines Gefange- werden HIV-positive Gefangene seit Ende keitsentwicklung der betroffenen Gefange- nen informiert werde, kann ich davon aus- der 1980er Jahre genötigt, ihre Infektion nen, ihr Selbstbewusstsein und die Mög- gehen, dass er nicht infiziert ist. gegenüber Mitgefangenen und Bediens- lichkeit der Verarbeitung der HIV-Infektion“ teten offenzulegen, wenn sie an Gemein- haben kann. „Manche Gefangene erfahren Auch Gefangene mit HIV schaftszeiten („Umschluss“) teilnehmen erst bei Haftantritt von ihrer Infektion“, er- haben ein Recht auf informa­ wollen. Die Mithäftlinge müssen unter- klärt Knorr. „Da haben sie es schon schwer tionelle Selbstbestimmung schreiben, dass sie über die HIV-Infektion genug, mit sich selbst klarzukommen und informiert wurden. Bedienstete werden of- mit ihren Freunden und Angehörigen über DAH-Vorstandsmitglied Winfried Holz sieht fenbar sogar ohne Zustimmung der Gefan- die Diagnose zu sprechen. Umso schwie- in dem nordrhein-westfälischen Verfah- genen über eine bekannte Infektion unter- riger ist das in einem Umfeld, in dem man ren eine Missachtung der informationellen richtet – mit einem Hinweis „Blutkontakt mit Vorurteilen und Ausgrenzung zu rech- Selbstbestimmung der Gefangenen und ei- vermeiden“, der auf dem PC-Bildschirm er- nen hat.“ nen Eingriff in ein Grundrecht. Dieses Pro- scheint, wenn die Daten des Inhaftierten Doch was ist mit den Mitgefangenen blem sehen offenbar auch die Parteien in aufgerufen werden. und Bediensteten? Haben sie denn nicht NRW: Nach einer Beratung im Landtag be-

40 schlossen sie im Februar 2011, den seit den die Position, dass ein Zwangsouting anstel- Menschenrechte inhaftierter 1980er Jahren gültigen Erlass zum Umgang le einer Sensibilisierung der Bediensteten Drogengebraucher achten – mit HIV-infizierten Gefangenen auf den eine Scheinsicherheit erzeuge – mit der Fol- Gesundheit und Leben Prüfstand zu stellen. Weiterbehandelt wird ge, dass sich das Gefahrenbewusstsein in schützen! das Thema jetzt im Rechtsausschuss und Fällen, in denen kein Warnhinweis vorliegt, im Ausschuss für Arbeit, Gesundheit, Sozia- reduziert und vermeidbare Risiken einge- Um das zu ändern und um gegen diese les und Integration – ein guter Weg, wie Dr. gangen werden. Verletzungen des Menschenrechts auf Ge- Guido Schlimbach findet, Pressesprecher „Jeder in Haft arbeitende und auch le- sundheit zu protestieren, hat die Deutsche der AIDS-Hilfe NRW. bende Mensch muss sich so verhalten, als AIDS-Hilfe zum Gedenktag für verstorbene Und wie sieht es in anderen Bundeslän- seien die Mitmenschen infiziert“, sagt Knorr. Drogengebraucher am 21. Juli eine Online- dern aus? Die Deutsche AIDS-Hilfe hat dazu „Anstatt HIV-Positive auszugrenzen, sollten Unterschriftensammlung gestartet. Auf die Datenschutzbeauftragten der Länder alle Gefangenen über Infektionsrisiken und www.drogenundmenschenrechte.de for- befragt. Das Ergebnis: Ein „Zwangsouting“ Präventionsmaßnahmen informiert werden. dern die Unterzeichner die Justizminister gibt es nur in Nordrhein-Westfalen. Aller- Das gilt übrigens viel mehr noch für Hepati- der Länder auf: „Sorgen Sie dafür, dass auch dings werden Bedienstete auch in anderen tis, denn die ist in Haft viel weiter verbreitet im Gefängnis sterile Spritzbestecke, Kondo- Ländern (bis auf Berlin und Sachsen-An- als HIV und viel leichter übertragbar. Wenn me und Gleitgel zugänglich sind und dass halt) durch den Aktenvermerk „Blutkontakt aber alle über Risiken und Schutzmöglich- Drogenkonsumenten eine Substitutionsbe- vermeiden“ über eine bekannte HIV-Infek- keiten informiert sind und sich und ande- handlung mit dem für sie geeigneten Medi- tion von Gefangenen in Kenntnis gesetzt re entsprechend schützen können, dann ist kament erhalten können.“ „HIV-Prävention – für Bärbel Knorr ein Bruch der ärztlichen die Weitergabe von Krankheitsdaten erst und der Schutz der Menschenrechte gehö- Schweigepflicht. In Baden-Württemberg, recht überflüssig.“ ren eben untrennbar zusammen“, sagt Bär- Thüringen und NRW ist dies grundsätzlich bel Knorr. der Fall, in Hamburg, Schleswig-Holstein Das eigentliche Problem ist der und im Saarland wird im Einzelfall darüber eingeschränkte Zugang zu entschieden, ob der Befund an die Anstalts- Prävention und Behandlung leitung weitergegeben wird, und diese ent- scheidet dann über die Information der Ge- Genau hier sieht Knorr aber das eigent- fängnisbediensteten. liche Problem: „Menschen in Haft haben Was aber ist ein solcher „Einzelfall“? Aus kaum oder gar keinen Zugang zu Präventi- Hamburg beispielsweise kommt die Aus- onsmaßnahmen.“ Sterile Spritzen zum Bei- kunft, ein Grund für die Offenlegung ei- spiel gebe es nur in einem einzigen der 185 ner HIV-Infektion könne bei „bekennen- deutschen Gefängnisse, sodass Nadeln oft den Homosexuellen“ gegeben sein … „Da gemeinsam benutzt würden. Auch Kondo- muss man sich schon fragen, was für Vor- me seien entweder gar nicht oder nicht an- stellungen hinter dieser Praxis stecken – onym zugänglich. Nur in Nordrhein-West- gelten schwule Männer denn hier als Sex- falen müssten die Vollzugsanstalten den monster, die ihre Mitgefangenen überfal- anonymen Zugang zu Kondomen und len könnten? Außerdem bestärkt das doch Gleitmitteln gewährleisten und begleiten- nur den Generalverdacht, dass HIV-Infizier- de Informationen anbieten. Und auch eine te entweder homosexuell oder drogen- bedarfsgerechte Substitutionsbehand- abhängig sind, was Betroffenen das Le- lung (kontrollierte Vergabe von Drogen- ben in Haft erheblich erschwert“, sagt Bär- ersatzstoffen) sei in Haft nicht gegeben: bel Knorr. Manche HIV-positive Gefangene „In vielen Gefängnissen verbirgt sich hin- würden deshalb sogar mit dem Gedanken ter Substitution lediglich ein medikamen- Das Thema „HIV im Strafvollzug“ spielt spielen, auf ihre HIV-Medikamente zu ver- tengestützter Entzug oder ein Angebot zur auch in der Anfang 2011 veröffentlich- zichten, um eine Informationsweitergabe Vorbereitung der Haftentlassung und nicht zu umgehen. die draußen übliche längerfristige Behand- ten achten, grundlegend überarbeiteten lung“, erklärt Knorr. Damit werde gegen die Auflage unseres seit über 20 Jahren er- Zwangsouting schützt nicht, auch für Anstaltsärzte bindende Richtlinie scheinenden Klassikers „positiv in Haft“ der Bundesärztekammer zur Substitutions- sondern führt zu Scheinsicher- eine wichtige Rolle. Neben ausführlichen heit – und psychischem Druck therapie Opiatabhängiger verstoßen, wo- nach das Gefängnis die Kontinuität der Be- ­Informationen zur HIV-Infektion und Die Nachfragen der DAH haben aber offen- handlung sicherstellen müsse. „Die Realität -Behandlung, zu Hepatitis und zur Subs- bar erste Wirkung gezeigt: Niedersachsen sieht anders aus“, so Knorr: „In Bayern zum titution bietet die rund 150 Seiten starke kündigte an, die Anstaltsleitungen würden Beispiel wird überhaupt keine Substituti- Broschüre auch zahlreiche Antworten auf künftig nicht mehr über HIV-Infektionen onsbehandlung angeboten. Die Petition ei- rechtliche Fragen – von A wie Arbeits- von Gefangenen informiert. Der nieder- nes Ex-Gefangenen, der das ändern wollte, sächsische Landesdatenschutzbeauftragte wurde vom bayerischen Landtag ohne Be- pflicht bis Z wie Zwangsmaßnahmen – teilte in seiner Antwort auf unsere Anfrage gründung abgeschmettert.“ sowie Musteranträge.

41 Migration

Migranten-Communities: von wegen „schwer erreichbar“

Fast jede dritte HIV-Infektion in Deutschland betrifft eine Migrantin oder einen ­Migranten – Menschen, die aus anderen Ländern, zum Beispiel aus Afrika oder ­Zentral- und Osteuropa, zu uns gekommen sind. Diese epidemiologisch wichtige Gruppe gilt in der HIV-Prävention zugleich als „schwer erreichbar“

Niemand aber ist per se schwer zu errei- türkischsprachigen Communities haben die sich die Jungs sonst nur selten leisten chen. Die eigentliche Frage lautet: Schwer gemeinsam geforscht, Workshops und Fall- können. erreichbar für wen? Oder besser: Wer kann studien in Berlin, Dortmund, Hamburg und Wie kann man diese Zielgruppe errei- „Menschen mit Migrationshintergrund“ er- Osnabrück durchgeführt, um Zugänge zu chen? Schritt eins: Ein Mitarbeiter des Stri- reichen? Auf diese Frage haben die Aids- vulnerablen Zielgruppen zu erkunden, ihre cherprojekts Neonlicht der AIDS-Hilfe Dort- hilfen und ihre Partner in den letzten Jah- Lebenswelten und Bedürfnisse besser zu mund nimmt im Rahmen seiner aufsuchen- ren Antworten gesucht und gefunden. verstehen und passende Angebote der HIV- den Arbeit Kontakt zu zwei schon länger Die wichtigste Erkenntnis lautet: Die Ziel- Prävention zu entwickeln. in der Stadt lebenden bulgarischen Jungs gruppe Migranten gibt es nicht – zu unter- auf und baut ein Vertrauensverhältnis zu schiedlich sind die Hauptübertragungswe- Das Beispiel Dortmund ihnen auf. Gemeinsam analysieren sie die ge (z. B. Drogenkonsum oder sexuelle Über- Lage und kommen zu folgenden Ergeb- tragung), die Kulturen, Sprachen, vor allem Wie sieht so etwas praktisch aus? Greifen nissen: Die bulgarischen Stricher bleiben aber die Lebenssituationen und der rechtli- wir in die Lostrommel und ziehen eine der meist unter sich und haben wenig oder kei- che Status. So sind zum Beispiel Menschen vier Fallstudien heraus, sagen wir: Dort- nen Kontakt zu deutschen Strichern oder ohne Papiere sozial und rechtlich beson- mund, und hier wiederum ein Teilprojekt, anderen Migrantengruppen. Auch unter- ders „vulnerabel“ (verletzlich), weil sie nicht das sich mit Jungs und Männern in der Sex- einander sprechen sie kaum über die mit nur ausgegrenzt, sondern oft auch ausge- arbeit beschäftigt hat. Dortmund ist mit ihrer Tätigkeit verbundenen Risiken, zum wiesen werden können. 250 bis 300 Strichern und Callboys Zentrum Beispiel über Kunden, die nicht bezahlen Lassen sich aber solche besonders ge- der „Stricherszene“ im östlichen Ruhrgebiet. oder kein Kondom benutzen wollen. Bis zu fährdeten Untergruppen identifizieren, Mehr als die Hälfte dieser Stricher (Durch- zehn Jungs teilen sich ein Zimmer, bis zu 60 kann man sie auch ansprechen, so die Er- schnittsalter: 21 Jahre) kommt aus Osteu- Menschen benutzen ein Bad, zum Heizen fahrung. Und zwar am besten, indem man ropa, viele davon sind türkisch sprechende bleiben oft nur die Herdplatten. Zugang Menschen aus den Communities beteiligt, Bulgaren, oft mit Roma-Hintergrund. Wie zum Gesundheitssystem oder zu Hilfsan- z. B. Vertreter/innen von Migrantenselbst- eine von den Aidshilfen Essen und Dort- geboten gibt es so gut wie nicht. Die jun- organisationen (MSOs), Schlüsselpersonen mund beauftragte Studie bereits 2008 er- gen Männer sind wahre Überlebenskünst- und „Peers“ – Menschen in der gleichen gab, haben diese Jugendlichen und jungen ler; sie helfen sich gegenseitig und sind oder einer ähnlichen Situation wie die Ziel- Männer oft massive psychosoziale und ge- auch dem PaKoMi-Projekt gegenüber auf- gruppen. sundheitliche Probleme, und über HIV oder geschlossen. andere sexuell übertragbare Infektionen Erfolgreiches Modellprojekt wissen sie kaum Bescheid: Viele der Jungs PaKoMi wurden in der Heimat diskriminiert, hatten kaum Zugang zu Bildung, können weder le- Ein gutes Beispiel für diesen Ansatz ist un- sen noch schreiben, die Deutschkenntnis- ser 2008 begonnenes und im Oktober 2011 se sind oft nur minimal. Und herkömmli- abgeschlossenes Modellprojekt PaKoMi che Präventionsangebote laufen auch des- (Partizipation und Kooperation in der HIV- wegen oft ins Leere, weil viele Stricher nicht Prävention mit Migrantinnen und Migran- schwul sind oder sich nicht so definieren – ten), das vom Wissenschaftszentrum Ber- viele versorgen Frau und Kinder in der Hei- lin für Sozialforschung (Dr. Hella von Unger) mat (und manche auch die Eltern). Der Ver- begleitet wurde. Wissenschaftler/innen, dienst pro sexueller Handlung liegt dabei Praktiker/innen der HIV-Prävention (z. B. lediglich zwischen fünf und zwanzig Euro, Mitarbeiter/innen von Aidshilfen oder Be- und oft fließt auch gar kein Geld – die Be- Beim ersten Treffen tragen die Jungs die Orte, die ratungsstellen) und Partner/innen aus af- zahlung besteht dann in Naturalien, einem für ihr Leben wichtig sind, in eine Karte ein und rikanischen, bulgarischen, russisch- und heißen Bad oder einer warmen Mahlzeit, erklären sie. Illustration: Chris McBride

42 Der Aidshilfe-Mitarbeiter und seine beiden Und so „ganz nebenbei“ stärkt das Projekt Kontaktpersonen bereiten nun den zweiten auch die Gemeinschaft und das Selbstwert- Schritt vor: Unter dem Motto „Dortmund, gefühl der jungen Männer, denn sie wer- hier lebe ich“ laden sie acht weitere bulgari- den als Experten in eigener Sache ange- sche Stricher zu einem Treffen ein. Das Ziel: sprochen und ernstgenommen. Sie sollen eine Karte mit Orten anfertigen, die für ihr Leben wichtig sind („Communi- Bei der gemeinsamen Arbeit wird deut- ty Mapping“). Das hilft ihnen selbst – weil lich, dass die Jungs sich nur in einem eng sie im Gespräch mit anderen vielleicht neue begrenzten Gebiet bewegen. Vieles ken- nützliche Sachen kennenlernen –, und das nen sie daher noch nicht, etwa die Innen- hilft Jungs, die neu in die Stadt kommen. stadt, das Gesundheitsamt oder Hilfsange- Auch die AIDS-Hilfe profitiert: Sie kann als bote. Andere Orte dagegen – zum Beispiel Beim zweiten Treffen der Gruppe wird die Karte solidarischer Partner ihre Angebote und an- Stricherkneipen, Kinos, den schwulen Ge- besprochen, ergänzt und dann „verabschiedet“. dere Hilfsmöglichkeiten bekannt machen. sundheitsladen Pudelwohl, in dem die Pro- Mit dabei sind auch zwei neue Männer, die erst vor kurzer Zeit nach Dortmund gekommen sind. jekttreffen stattfinden, Internetcafés, Apo- Illustration: Chris McBride theken oder das Klinikum Nord – kennen sie sehr wohl, und das gibt ihnen Selbst- Ende gut, alles gut? Leider nein. Im Mai 2011 bewusstsein. Selbstbewusstsein gewinnen trat in Dortmund eine Sperrgebietsverord- auch die beiden Peers, die die Gruppe mit nung für das gesamte Stadtgebiet in Kraft, leiten. Und der Aidshilfe-Mitarbeiter kann die an allen öffentlichen Orten verbietet (sie- nun gezielt über Angebote informieren, he auch S. 35). Die Folge: Die öffentliche Pro- welche den Bewegungs- und Handlungs- stitution wird nicht unterbunden, aber der spielraum der Jungs erweitern – die nun Verfolgungsdruck erschwert die Situation auch von sich aus mit Fragen zu ihm kom- der Jungs. Sie verdienen weniger, nehmen men und eher bereit sind, Hilfsangebote eher Risiken in Kauf – und sind für Präventi- anzunehmen. onsangebote wieder schwerer erreichbar.

Bei einem Zwischentreffen zeichnen der Aidshilfe-­ Weitere Informationen zu PaKoMi bietet die Website www.pakomi.de. Mitarbeiter und die beiden Peers die Informatio- Unter „Publikationen“ kann man dort unter anderem auch das informative nen ins Reine. Illustration: Chris Mc Bride und gut lesbare PaKoMi-Handbuch als PDF-Datei herunterladen.

Deine Gesundheit – deine Rechte Viele Migrantinnen und Migranten sind gut über HIV und Aids informiert – zu- mindest über den sexuellen Übertragungsweg. Das hat zum Beispiel auch die PaKoMi-Fallstudie mit Afrikanerinnen und Afrikanern in Hamburg gezeigt. In- formationslücken bestanden dort allerdings bei anderen Übertragungswegen, bei den Behandlungsmöglichkeiten und bei Testangeboten. Und auch über (auf- enthalts)rechtliche Fragen, das deutsche Gesundheitssystem sowie Unterstüt- zungs- und Hilfsangebote weiß nicht jede Migrantin und jeder Migrant Bescheid. Hinzu kommt, dass Menschen mit Migrationshintergrund häufig mit Rassismus und damit einhergehender Ausgrenzung und Diskriminierung konfrontiert wer- den und deswegen kaum Vertrauen ins deutsche Hilfesystem haben.

Unsere neue zweisprachige Broschüre „Deine Gesundheit – deine Rechte“, die gemeinsam mit Migrant(inn)en und Expert(inn)en aus der Migrationsarbeit ent- wickelt wurde, will hier Abhilfe schaffen. Sie vermittelt zunächst Informationen zu den Themen „Krankenversicherung und medizinische Versorgung für ver- schiedene Gruppen“ (Asylbewerber, Ausreisepflichtige und Geduldete, Empfän- ger von Arbeitslosengeld II oder Sozialhilfe, Menschen ohne Papiere) sowie „Be- handlung und Beratung“. Im zweiten Teil präsentiert „Deine Gesundheit – deine Rechte“ Basisinformationen zu HIV und Aids und anderen sexuell übertragbaren Infektionen sowie zu den Themen Schwangerschaft und Verhütung. Abgerundet wird die Broschüre durch einen ausführlichen Adressteil. Die erste Ausgabe er- schien 2011 in der Kombination Deutsch und Englisch, als Nächstes folgen eine deutsch-russische und deutsch-französische Version.

43 International

Zivilgesellschaftliches Engagement in der „letzten Diktatur“ Europas

In Osteuropa und Zentralasien verbreitet renen Kinder jährlich an. Elf Prozent dieser menschenwürdig zu leben. Doch die ef- sich HIV zurzeit so schnell wie nirgendwo Kinder sind HIV-positiv – trotz vorbeugen- fektive Behandlungsform, die zugleich die sonst. Seit 2001 hat sich die Zahl der Infi- der HIV-Therapie. HIV-Ausbreitung eindämmt, ist weithin ver- zierten mehr als verdoppelt und liegt der- Drogenkonsumenten stellen nach wie pönt und wird sogar von vielen Ärzten ab- zeit bei 2,2 Millionen. In Russland gab es im vor die größte Gruppe der mit HIV leben- gelehnt: Sie sehen in Methadon kein Medi- Jahr 2010 etwa 56.000 Neu­infektionen, in den Menschen. Doch inzwischen dominiert kament, sondern schlicht eine Droge. Das der Ukraine fast 20.000. die sexuelle Übertragung: 2009 erfolgten spiegelt sich auch in der Substitutionspraxis Besorgnis erregend ist die Situation laut offizieller Statistik 77 % der HIV-Neuin- wider: Die Patienten können ihren Wohnort auch in Belarus: Nach offiziellen Angaben fektionen auf diesem Weg. Davon entfielen nicht verlassen, weil sie das Methadon nur waren dort am 1. Juni 2011 12.222 HIV-Fäl- etwa zwei bis vier Prozent auf Schwule und in der Klinik und nur in täglichen Dosen be- le registriert – das sind 1,03 HIV-Positive pro andere Männer, die Sex mit Männern haben kommen. 1.000 Einwohner. Die Zahl der HIV-Infektio- (MSM) – das sind rund 1.100 Fälle. Beson- Und nun ist auch noch ein Gesetz im An- nen hat von 2010 auf 2011 um 14 % zuge- ders erschreckend: Die Zahl der HIV-Neudi- marsch, das die HIV-Infektion mit anderen nommen. Diese Steigerung ist enorm, doch agnosen in dieser Gruppe ist seit 2007 um „sozial gefährlichen Krankheiten“ wie etwa die inoffiziellen Schätzungen liegen zwei- das Fünffache gestiegen. der Tuberkulose gleichstellt. Demnach bis dreimal so hoch. Dabei gibt es große regionale Unterschiede: Im Bezirk Gomel, NGOs haben keinen wo nur 16,4 % der belarussischen Bevölke- gesellschaftlichen Rückhalt rung leben, sind mit 6.153 HIV-Fällen über Fotos: privat die Hälfte aller Betroffenen des Landes re- Dringend gebraucht werden wirksame Ge- gistriert. Im Bezirk Minsk lebten zum ge- genmaßnahmen. Die Voraussetzungen für nannten Zeitpunkt 1.626 und in der Stadt die HIV- und Aids-Prävention sind in Bela- Minsk 1.730 Menschen mit HIV. Die übrigen rus allerdings (noch) schlechter als in ande- HIV-Fälle verteilen sich auf die anderen fünf ren Staaten Osteuropas. Das Land ist poli- weißrussischen Bezirke. tisch und wirtschaftlich isoliert, hat als ein- ziges in Europa noch die Todesstrafe und Die Epidemie trifft wird zu Recht als die „letzte Diktatur“ des überwiegend junge Menschen Kontinents bezeichnet. Die Menschen- und Bürgerrechte sind eingeschränkt, einen ge- Der Grund für die unterschiedliche Vertei- setzlichen Schutz vor Diskriminierung gibt Delegationen aus Belarus zu Besuch bei Aids- und lung liegt in den Anfängen der Epidemie: es nicht. Drogenhilfeprojekten in Deutschland Ende der 1980er wurde der Drogenkonsum Nichtregierungsorganisationen (NGOs) per Spritze in einigen Städten des Landes unterliegen strenger staatlicher Kontrolle. könnte eine HIV-Therapie zwangsverordnet zu einem Massenphänomen. Wenige Jah- Ihre Arbeit für die besonders betroffenen werden. NGOs und auch die UNO-Vertre- re später sind dort die Neuinfektionszah- Gruppen hat auch in der breiten Gesell- tung in Belarus haben gegen das Gesetzes- len regelrecht explodiert. So etwa in Swet- schaft keinen Rückhalt: Sexualaufklärung vorhaben protestiert. Doch die Chancen, es lahorsk, einer Stadt im Südosten des Lan- und folglich auch die HIV-Prävention gilt als noch zu verhindern, schätzt Oleg Eryomin, des mit rund 70.000 Einwohnern, wo 1996 Gefahr für die Moral der Jugend. In Belarus Geschäftsführer des Aids-Netzwerks Bela- innerhalb eines halben Jahres rund tau- gibt es zwar kein Gesetz, das Sex zwischen rus, als gering ein: „Das liegt daran, dass die send HIV-Fälle diagnostiziert wurden – eine Männern unter Strafe stellt, aber Homopho- obere staatliche Ebene zivilgesellschaftli- Massenepidemie war ausgebrochen. Mit bie ist weit verbreitet. Und allein schon der che Organisationen nicht als Partner bei 100 HIV-Infizierten pro 100.000 Einwoh- Besitz von Drogen ist strafbar – womit fak- der Lösung von Problemen ansieht.“ ner weist Swetlahorsk auch heute noch die tisch jeder Drogengebraucher gegen gel- höchste HIV-Rate auf. Und rund 95 % der tendes Recht verstößt. Engagement im Nirgendwo Infektionen, die heute in Belarus diagnos- Da erstaunt es fast, dass 2007 die Be- zwischen Duldung und tiziert werden, sind vom „Swetlahorsk HIV- handlung mit Methadon eingeführt wur- Illegalität Subtyp A“ verursacht. de. Zurzeit wird die Substitution in insge- Betroffen sind überwiegend junge Men- samt sieben Zentren durchgeführt, die von Allen widrigen Bedingungen zum Trotz ar- schen: 64 % aller HIV-Neuinfektionen ent- UNAIDS und der belarussischen Regierung beiten sozial engagierte Menschen in Bela- fallen auf 19- bis 29-Jährige. Infolge des ho- betrieben werden. Hunderte haben es da- rus erstaunlich gut zusammen. Organisiert hen Anteils junger Infizierter steigt auch die durch geschafft, sich von den Straßendro- haben sie sich im Nirgendwo zwischen Dul- Zahl der von HIV-positiven Müttern gebo- gen zu lösen, sich sozial zu integrieren und dung und Illegalität: HIV-Positive, ehema-

44 lige Drogengebraucher, Mütter von Dro- takten kam es 2010 auf einem nationalen Hier wollen wir Lernprozesse anstoßen, genkonsumenten, schwule Männer und Treffen der in der HIV-Prävention aktiven denn der Erfolg von Präventionsbotschaf- Menschen, die Prostituierte unterstützen. NGOs in Minsk. „Wir haben schnell erkannt, ten oder Behandlungsmaßnahmen setzt ja Sie meldeten ihre Zusammenschlüsse als dass eine Partnerschaft sinnvoll wäre“, sagt voraus, dass man die Lebensweisen der Ad- NGOs an – in Belarus ein kompliziertes bü- Sergiu Grimalschi vom DAH-Fachbereich ressaten akzeptiert. rokratisches Verfahren –, bildeten Interes- Internationales. „Der Erfahrungs- und Wis- Viel Fingerspitzengefühl ist gefragt, um senvertretungen und sind so zu Empfän- senstransfer würde das NGO-Engagement zu überzeugen. „Aber auch offene Ausei- gern von Geldern des Globalen Fonds zur in Belarus stärken und als Nebeneffekt die nandersetzungen bringen etwas“, weiß Bekämpfung von Aids, Tuberkulose und Aidshilfe-Arbeit mit osteuropäischen Mig- Sergiu Grimalschi. „Belarussische Kollegen Malaria geworden. Damit ist für die NGOs ranten in Deutschland voranbringen.“ berichten mir oft, nach Disputen mit DAH- schon viel gewonnen, zumal sie vom Staat Aus den ersten Schritten aufeinander zu oder Aidshilfe-Mitarbeitern könnten sie zu null Fördermittel erhalten. Allerdings finan- ist eine enge Zusammenarbeit erwachsen, Hause sehr viel lockerer mit Leuten umge- ziert der Global Fonds nur die Arbeit, nicht besonders mit dem „Aids-Netzwerk Bela- hen, die auf Drogen nicht verzichten kön- aber den Auf- und Ausbau zivilgesellschaft- rus“. Finanziert wird sie ausschließlich aus nen oder wollen.“ licher Organisationen. Oleg Eryomin sieht Mitteln des Globalen Fonds. Auf Studien- das Hauptproblem darin, „dass die Zivilge- reisen nach Deutschland werden den bela- Menschen auf sellschaft in Belarus – anders als in Deutsch- russischen Kolleg(inn)en Beispiele für le- verlorenem Posten land – keinen staatlichen Auftrag für die bensweltorientiertes Arbeiten mit MSM den Rücken stärken HIV- und Aids-Prävention hat“. und Drogenkonsumenten gezeigt. DAH- Und doch gibt es immerhin 14 NGOs, die Mitarbeiter/innen wiederum lernen bei In künftigen Projekten will das deutsch-be­ sich im Arbeitsfeld „HIV und Aids“ engagie- diesen Treffen die Probleme und Arbeits- larussische Tandem besonders jenen Men- ren. Sie informieren und klären Jugendli- weisen der belarussischen Projekte ken- schen den Rücken stärken, die quasi überall

che auf, beraten Prostituierte und Männer, nen. Hinzu kommen Trainings, die deut- auf verlorenem Posten stehen. Unter ande- die Sex mit Männern haben, unterstützen sche Spezialist(inn)en aus Drogenprojekten rem soll der Austausch von belarussischen Menschen mit HIV und ihre Angehörigen in Belarus anbieten. Sie bilden z. B. ehema- Substituierten mit Substituierten aus Län- und bieten medizinische Hilfen an. Außer- lige Drogenkonsumenten zu Drogenbera- dern wie Polen oder der Ukraine gefördert dem sind sie überall dort politisch aktiv, wo tern aus, vermitteln Know-how in substi- werden: Dort nämlich gibt es bereits orga- Menschen ausgegrenzt und ihre Rechte be- tutionsbegleitender Beratung oder veran- nisierte Gruppen, die ihre Interessen selbst schnitten werden. Um hier noch mehr Po- schaulichen staatlichen Schlüsselpersonen vertreten. Als Modell bietet sich aber auch wer entwickeln und noch effektiver auf die die Vorzüge von Drogentherapien gegen- das bundesweite Netzwerk JES an, in sich HIV-Epidemie antworten zu können, haben über Gefängnisstrafen. dem Junkies, Ehemalige und Substituierte sich inzwischen zehn dieser NGOs im „Aids- Bei allen gemeinsamen Anliegen zeigt gemeinsam engagieren. Netzwerk Belarus“ zusammengeschlossen. sich aber auch, dass hier doch zwei recht Um die gesellschaftliche Akzeptanz der Das ermöglicht es ihnen, ihre politischen unterschiedliche Welten aufeinandertref- mit HIV und Aids lebenden Gruppen zu Aktivitäten zu koordinieren, überregio- fen. Denn auch innerhalb der belarussi- fördern, planen wir darüber hinaus öffent- nal in Projekten zusammenzuarbeiten und schen NGOs sind bestimmte Minderhei- lichkeitswirksame „Events“ wie etwa eine sich mit vereinten Kräften für benachteilig- ten verpönt, etwa promisk lebende schwu- gemeinsame Aids-Gala, aber auch Fort- te Gruppen einzusetzen. le Männer, die als unmoralisch gelten, oder bildungsangebote und Studienreisen für Drogenkonsumenten, mit denen (inzwi- Vertreter/innen aus Politik und Medienwelt. DAH und belarussische schen) drogenfrei Lebende ziemlich rigo- In der „Schublade“ liegt auch schon ein Kon- NGOs in Partnerschaft ros umgehen. Wo das Abstinenzgebot re- zept bereit, mit dem wir Promis und Sympa- giert, tut man sich selbst mit Substituierten thieträger – Schauspieler, Sänger, Modema- Das Potenzial dieser Organisationen hat schwer: Ihnen wird vorgeworfen, sie seien cher usw. – als Botschafter für die gute Sa- auch die DAH beeindruckt. Zu ersten Kon- ja bloß auf eine legale Droge umgestiegen. che gewinnen wollen.

45 Finanzen

Einnahmen und Ausgaben der DAH im Jahr 2010*

Einnahmen (Angaben in Euro) Ausgaben (Angaben in Euro)

Öffentliche Zuwendungen Öffentlich geförderte Projekte

Bundesministerium für Gesundheit (BMG) 5.459.501,– Bundesministerium für Gesundheit (BMG) 5.492.884,–

Bundesministerium für Bildung und Forschung 41.526,– Bundesministerium für Bildung und Forschung 41.876,–

Sonstige Zuwendungen 87.136,– Sonstige Aufwendungen 25.185,–

Mitgliedsbeiträge Vereinsaufwand 1.012.329,–

ordentliche Mitglieder 75.281,–

Fördermitglieder 20.621,–

Spenden u. Ä. Zweckgebundene Projekte

freie Spenden 80.988,– GSK-Projekte 24.499,–

Sachspende Kondome 166.600,–

Spenden „Verzicht auf Zahlung“ 42.842,– Sonstige zweckgebundene Projekte 21.774,– zweckgebundene Einnahmen 45.411,–

Nachlässe/Erbschaften 144.969,–

außerordentliche Erträge/Geldbußen 83.736,–

sonstige Erträge (z. B. Teilnehmerbeiträge) 115.705,–

Vermögensverwaltung 99.517,–

Umsatzerlöse aus Wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb wirtschaftlichem Geschäftsbetrieb 62.937,– Aufwand für Warenbezug 33.702,–

sonstige Kosten 30.699,–

Mindereinnahmen 156.178,–

gesamt 6.682.948,– gesamt 6.682.948,–

* Dargestellt ist die Gewinn- und Verlustrechnung aus dem Abschluss 2010.

46 Öffentliche Projektmittel

I. Förderung durch die Veranstaltungen und verfasst Beiträge für Websites verschie- dener Anbieter (z. B. das Schwulenportal Bundeszentrale für Im Jahr 2010 nahmen mehr als 5.000 Perso- www.gayromeo.de). Mit dem Kooperati- ­gesundheitliche Aufklärung nen an über 300 DAH-Veranstaltungen mit onsprojekt „Health Support“ betreiben DAH rund 11.000 Teilnehmertagen teil. Dazu ge- und GayRomeo modellhaft Onlinepräventi- Die Arbeit der DAH wird überwiegend aus hörten Angebote zur Fort- und Weiterbil- on – ein zeitgemäßes Angebot, das sowohl Mitteln des Bundesministeriums für Ge- dung bzw. Qualifizierung von haupt- und bei Nutzern als auch Betreibern und Prä- sundheit (BMG) gefördert. Zuwendungs- ehrenamtlichen Mitarbeiter(inne)n in der ventionisten großen Anklang findet. Auch geberin ist die Bundeszentrale für gesund- Präventions- und Selbsthilfearbeit, Kon- die Präventionskampagne „ICH WEISS, WAS heitliche Aufklärung (BZgA), eine obere zeptseminare sowie Seminare zur Quali- ICH TU“ bei Männern, die Sex mit Männern Bundesbehörde im Geschäftsbereich des tätssicherung und Evaluierung. Darüber hi- haben, hat als zentrales Modul eine Inter- BMG. Bei der bundesweiten HIV- und Aids- naus war die DAH auf nationalen und inter- netseite; diese ist unter www.iwwit.de er- Prävention besteht eine Aufgabenteilung: nationalen Kongressen vertreten. reichbar. Während sich die staatliche BZgA primär an die Allgemeinbevölkerung richtet, ist Weiterhin fand in Bielefeld die Selbsthilfe- die Selbsthilfeorganisation DAH vorrangig konferenz „Positive Begegnungen“ statt, für die von HIV/Aids besonders betroffenen die auch wesentlich durch nicht öffentliche und bedrohten Gruppen zuständig, z. B. Mittel finanziell unterstützt wurde. Schwule und andere Männer, die Sex mit Männern haben, Drogengebraucher/in- Für das 2006 gestartete Projekt „Möglich- nen, Menschen aus Weltregionen mit wei- keiten und Grenzen einer ärztlichen Prä- ter HIV-Verbreitung. Diese Arbeitsteilung ventionsberatung für Menschen mit HIV/ ist ein wesentliches Element der erfolgrei- Aids“ erhält die DAH Fördermittel von der chen HIV- und Aids-Prävention in Deutsch- BZgA, die zugleich Mittel vom Verband der Für die Einrichtung und den Unterhalt ihrer land. Privaten Krankenversicherungen (PKV) ent- Onlineberatung erhält die DAH zusätzlich halten. Die Fördersumme belief sich im Jahr zur BZgA-Förderung Mittel vom Verband Im Jahr 2010 wurde die DAH mit 5.200.923,- 2010 auf 59.419,- €. der Privaten Krankenversicherungen (PKV). Euro gefördert. Die Mittel verteilen sich auf Die Unterstützung im Jahr 2010 belief sich drei Aufgabenbereiche: Mediale Prävention auf 166.266,- €.

1. Zielgruppenspezifische Prävention mit Über 100 mit öffentlichen Mitteln finan- den Fachgebieten Schwule und ande- zierte Printmedien hat die DAH 2010 veröf- re Männer, die Sex mit Männern haben fentlicht oder für die Veröffentlichung vor- II. Bundesministerium (MSM)/männliche Sexarbeit (hier wur- bereitet (neue, nachgedruckte und überar- für Gesundheit den 2010 zusätzliche Mittel für eine Bun- beitete Produkte): Faltblätter, Broschüren, deskampagne zur Intensivierung der Fachbücher, Dokumentationen, Postkarten, Für den Relaunch der Website des Selbst- HIV-Prävention bei MSM bewilligt), Dro- Podcasts, Anzeigen, Give-aways und Perio- hilfenetzwerks JES – Junkies, Ehemalige, gen/Strafvollzug und HIV/Aids, Frauen dika wie den HIV-Report. Zugleich wurden Subsituierte bewilligte das Bundesverwal- im Kontext von HIV/Aids, Migration im zahlreiche Werkverträge vergeben, die von tungsamt 7.500,- €. Kontext von HIV/Aids sowie Aufklärung Recherchen über die Erstellung von Tex- und Information und Internationales ten bis hin zu Beiträgen zur Prozessevalu- ierung oder Qualitätsentwicklung reichten. 2. Leben mit HIV und Aids mit den Fachge- Die DAH verfügt ebenso über eine eigene III. Kompetenznetz bieten Menschen mit HIV/Aids, Medizin, Homepage (www.aidshilfe.de), die viele In- HIV/AIDS Psychosoziales/Fortbildung und Quali- formationen – insbesondere zur HIV-Prä- tätssicherung vention – bietet und eine stetig wachsen- Das Bundesministerium für Bildung und de Nutzerzahl verzeichnet. Weitere Inter- Forschung hat ein Kompetenznetz HIV/ 3. Verwaltung mit den Bereichen Service, netangebote der DAH sind ein Extranet mit AIDS gefördert. Die DAH als Kooperations- Seminarorganisation, Finanzen/Buch- Fachinformationen, eine Onlineberatung partnerin moderierte den Dialog zwischen haltung und Projektabrechung. (www.aidshilfe-beratung.de) sowie eine der Positiven-Community und den im Kom- Datenbank zu Wechselwirkungen (www. petenznetz tätigen Wissenschaftler(inne) Die Projektförderung umfasste über 400 hiv-drogen.de). Daneben wirkt sie an Inter- n und Ärzt(inn)en und erhielt für den Zeit- Einzelprojekte in den Bereichen Veranstal- netauftritten ihrer Mitgliedsorganisationen raum September 2005 bis April 2011 insge- tungen und mediale Prävention: mit (so etwa für Stricher oder Gehörlose) samt 251.008,- €.

47 DAH intern

Daten zur Organisation

Vorstand Niedersachsen Teams ela Ressel, Jan Murmann, Claudia Vorhagen, Wolfgang Veth, Saskia Kopf, Petra Becker, Sa- Henn, Tino Trainerteam der Basisqualifizierung bine von der Lieth, Roland Büche- Holz, Winfried Nordrhein-Westfalen neuer Aidshilfe-Mitarbeiter/innen: ler, Martin Dohmstreich, Thorsten Schatz, Carsten Meyer, Dirk Monika Henne, Susanne Drang- Berschuck Schön, Hansmartin meister, Stefan Faistbauer, Edgar Urban, Sylvia Rheinland-Pfalz Kitter, Jörg Lühmann, Grit Mattke, Regionale Koordinatoren der bun- Weiland, Uschi Ulrich Mennecke, Tina Micko, Mi- desweiten Telefonberatung: Tho- chael Rack, Wolfgang Vorhagen, mas Fraunholz, Claudia Veth, Ge- Geschäftsführung Saarland Mara Wiebe, Ulrich Scherer, Klaus org Backenecker, Arne Kayser, Kreutzer, Frank Steinkemper, Birgit Brockmann Christian Willmo, Rüdiger Wäch- Silke Klumb ter, Iris Hufnagel, Melanie Luczak, Sachsen Peter Stuhlmüller Trainerteam Bereich Vor-Ort-Arbeit Saskia Kopf, Mara Wiebe, Rüdiger Schulze, Ricardo in Schwulenszenen: Stefan Baune, Klausmeyer, Rainer Schultz, Ute Frank Guhl, Martin Jautz, Michael Krackow, Katja Nill, Sven Warmins- Sachsen-Anhalt Mitglieder des Wurm, Michael Krone ky, Gerhard Schubert, Ulrich Bes- Czerwinski, Marek C. Delegiertenrats­ ting, Ulrich Breitbach, Helmut Go- Trainer im Bereich Stricher: Markus erdt, Ulrike Karminski, Tom Scheel, Ende 2010 Schleswig-Holstein Klein, Sergiu Grimalschi Perthun, Bernd Joschi Moser, Hans-Peter Diez, Martin Dohmstreich, Indra Kraft, Sprecher des Delegiertenrats Trainerinnen Bereich „Frauen in spe- Edgar Kitter Schulze, Ricardo Thüringen zifischen Settings“: Luise Frank, Stehling, Klaus Theuerkauf, Tobias Claudia Fischer Arbeitsgruppen Delegierte der „kleinen“ Für spezielle Themen Trainer/innen Bereich Drogen und Aidshilfen zuständige Delegierte Strafvollzug: Christoph Straub, Folgende Männer und Frauen ha- Böse, Siegfried aus den Netzwerken und Uwe Täubler, Astrid Leicht, Kerstin ben gemeinsam mit Beschäftigten Ratzer, Susanne kooperierenden Gruppen Dettmer, Gil Vogt, Jürgen Heim- der Bundesgeschäftsstelle pro- (ab Oktober 2010) chen, Werner Utech, Marco Jes- jektbezogen gearbeitet: Delegierte der „mittelgroßen“ se, Claudia Schieren, Katrin Hein- Menschen mit HIV/Aids – Aidshilfen ze, Frank Langer, Ralf Bär, Kai Bam- AG Qualitätssicherung in der Tele- weibliche Perspektive Ringeler, Rolf mann, Birgitta Kolte fonberatung: Georg Backenecker, Wirz, Gaby Wermter, Wolfgang Jörg Lühmann, Carlos Stemme- Menschen mit HIV/Aids – Medizinische Rundreise: rich, Iris Hufnagel, Claudia Veth Delegierte der „großen“ männliche Perspektive Referent(inn)en: Helmut Hartl, Axel Aidshilfen Grühn, Gerhard J. Schmidt, Siegi Schwarze, Bernd AG HIV/Aids-Frauenarbeit in Aids- Hackbarth, Klaus-Peter Vielhaber, Christiane Stöter hilfe: Jens Ahrens, Annette Bis- Hentschke-Kristal, Ulf Migration Moderation: Peter Wiessner, Ulla kamp, Daniela Flötgen, Sandra Kouabré, Régisse Clement-Wachter, Birgit Körbel, Gödicke, Petra Hielscher, Indra Delegierte aus den Harald Hägele Kraft, Jutta Rosch Bundesländern Drogen Heinze, Katrin Medizinische Rundreise – AG AIDS & Mobility: Tanja Gangaro- Baden-Württemberg ­frauenspezifische Themen: va, Norbert Müller, Antje Sanogo, Koch, Klaus Arbeit und Beschäftigung Referentinnen: Iris Biesewinkel, Régisse Kouabré, Robert Koami Lonczewski, Olaf Dr. Cornelia Feiterna-Sperling, Akpabli, Natalie Kusmin, Elisabeth Bayern Dr. Katja Römer, Dr. Esther Voigt Suttner-Langer, Miriam Mayer, Si- Häuslmann, Michael Generationen Moderation: Regina M. Banda- mone Kellerhoff, Simone Wiegratz, Schott, Dirk Stein, Petra Hielscher, Harriet Rosaline M’Bayo, Nozomi Spenne- Berlin Welbers, Hildegard ­Langanke mann, Natalie Rudi, Iris Hufnagel, Meurer, Uli Idrissa Omer Ouedraogo, Mara Haft (und andere institutionelle Trainerinnenteam der Rundreise Mi- Wiebe, Inge Häberle, Wladi Rzep- Brandenburg Unterbringung) gration: Bettina Gütschow, Idrissa ka, Tzvetina Netzelmann, Sergiu Herrmann, Dieter Rehnen, Heiner Omer Ouedraogo Grimalschi

Bremen MSM außerhalb von Aidshilfe Team der Onlineberatung der Aids- Arbeitskreis der regionalen Aidshil- nicht benannt Wilde, Thomas hilfen: Elke Schulte, Thomas Fraun- fen sowie Patientenbeirat im Kom- holz, Sandra Lemmer, Uwe Brixi- petenznetz HIV/AIDS: Sylvia Urban, Hamburg Einzelpersonen us, Christoph Gött, Felix von Plo- Jens Ahrens, Helga Neugebauer, nicht benannt Haagen, Sigrun etz, Klaus Bleymehl, Mara Wiebe, Annette Piecha, Siegfried Schwar- Dr. Hentschel, Axel Evelin Tschan, Hartmut Evermann, ze, Engelbert Zankl Hessen Schilling, Rainer Johanna Schneider, Bernd Rein- Stehling, Klaus hard, Helmut Ulrich, Thomas Pfis- Arbeitsgemeinschaft HIV-Versor- Kassenprüfer ter, Michael Jähme, Ute Krackow, gung (AGAV): Holger Bayer, André Mecklenburg-Vorpommern Hentschke-Kristal, Ulf Ute Dietrich, Susanne Ratzer, Me- Bußkamp, Peggy Coburger, Johan- Scheel, Tom Scheel, Tom lanie Luczak, Jörg Lühmann, Dani- nes Eidens, Gabriele Grünewald,

48 Dayved Hirsch, Thile Kerkovius, l ArbeitsGemeinschaft AIDS-Ver- l Interessenvertretung „HIV im Er- Schafberger, Armin ­Katrin Medack, Lutz Middelberg, sorgung in der DAH (AGAV) werbsleben“ Schäffer, Dirk Pirmin Starck, Wolfgang Tittmann, l Arbeitsgemeinschaft Gesund- l International Harm Reduction Schönwetter, Beate Ina Unrau, Klaus-Jürgen Weber, heit (VENRO e. V.) Association (IHRA) Schraml, Katja Volker Wierz, Diana Zambelli l Arbeitsgemeinschaft Qualitäts- l International Network of People Schwarz, Thomas entwicklung in der Telefonbera- Who Use Drugs (INPUD) Seithe, Matti Arbeitskreis HIV und Arbeit: Da­vina tung der DAH l JES – das bundesweite Netz- Sellmayr, Erika Durasamy, Ralph Ehrlich, ­Pablo l Arbeitsgemeinschaft „Sexuelle werk von Junkies, Ehemaligen Sindelar, Clemens Fernandez, Heike Gronski, Ste- Gesundheit“ und Substituierten Speer, Jacqueline phan Jäkel, Ulrich Käfer, Gabrie- l Arbeitskreis AIDS niedergelasse- l Kompetenznetz HIV/AIDS e. V. Sporleder, Uli le Kalmbach, Christian Kranich, ner Ärzte Berlin e. V. (Gast) (Steering Committee) Strunk, Brigitte ­David Leyendecker, Kathrin Lux, l Arbeitskreis „HIV und Arbeit“ der l Netzwerk der Angehörigen von Stuhlmüller, Peter Josef Mensen, Olaf Moisa, Kerstin DAH Menschen mit HIV und AIDS Sweers, Holger Mörsch, Stephanie Müller, Dieter l Arbeitskreis „Altenhilfe und Pfle- l Netzwerk plus – das bundeswei- Taubert, Steffen Telge, Henny Wendt ge“ des DPWV te Netzwerk der Menschen mit Timmermanns, Stefan l Arbeitskreis „chronische Erkran- HIV und Aids e. V. Vierneisel, Carolin Vorbereitungsgruppe „Positive kungen“ der BAG Selbsthilfe l PositHIV & Hetero Wagner, Anne ­Begegnungen 2010“: D. B., Dennis l Arbeitskreis „FORUM chronisch Weitz, Alexander Graham, Barbara Grappa, Sigrun kranker und behinderter Men- Planmäßige, außer­ Westphal, Martin Haagen, Andreas Hudecek, schen“ des DPWV planmäßige, freie und Wicht, Holger ­Michèle Meyer, Bert-Ulf Prellwitz, l Arbeitskreis „Sucht“ des DPWV ­ehrenamtliche Mitar- Peter Thomas, Ulrich Würdemann l Berliner Arbeitskreis „Frauen beiter/innen der DAH- Im Berichtszeitraum und Aids“ ausgeschiedene Wissenschaftlicher Beirat des l Bundesarbeitsgemeinschaft Bundesgeschäftsstelle ­Projekts „Ärztliche HIV/STD-Präven- Selbsthilfe von Menschen mit 2010/2011 Mitarbeiter/innen tion“: Jens Ahrens, Prof. Dr. N. H. Behinderung und chronischer Brockmeyer, Prof. Dr. Martin Dan- Erkrankung und ihren Angehö- Altmann, Peter Altmann, Peter necker, Ulrike Dücker, Dr. Jörg rigen e. V. (BAG Selbsthilfe) Ayanoğlu, Sibel Bernhardt, Markus Gölz, Dr. Christoph Mayr, Dr. Dr. l Bundesverband der Eltern und Bäcker, Arne Gamroth, Anna Wolfgang Müller, Helga Neuge- Angehörigen für akzeptierende Bahr-Dixson, Barbara Pünner, Kathrin bauer, Prof. Dr. Jürgen Rockstroh, Drogenarbeit e. V. Bakambamba, Alphonsine Seithe, Matti Axel J. Schmidt, Engelbert Zankl l Bundesvereinigung für Gesund- Bergau, Svenja Timmermanns, Stefan heit e. V. Berger, Simone Wagner, Anne Initiativkreis der Kampagne ICH l Bundesweites Netzwerk Frauen Bernhardt, Markus Weitz, Alexander WEISS WAS ICH TU: Robin Bauer, und Aids Bitzan, Matthias Axel Blumenthal, Alexander Gans, l Bündnis der Fachberatungsstel- Bock, Werner Praktikant(inn)en Marc Grenz, Volker Iwannek, Jan- len für Sexarbeiterinnen und Cap, Juraj nis Karamanidis, Holger Kleinert, Sexarbeiter (Bufas) Caporaso, Stefano Anselm, Witali Reinhard Klenke, Frank Landwehr, l Deutsches Community Advisory Carstensen, Jens Arslan, Emrah Andreas Paruszewski, Robert Board HIV e. V. (DCAB HIV) Dähne, Michael Berliner, Lukas Sandermann, Tom Scheel, Horst l Civil Society Forum Dörr, Arnold Beuttler, Benedikt Schmitz, Guido Vael, Wolfgang l Deutsche AIDS-Gesellschaft e. V. Eggers, Silke Brock, Saskia Wermter, Harry Wrensch, Stefan (DAIG) Einfinger, Holger Craß, Miriam Zimmermann l Deutscher Behindertenrat (DBR) Eldau, Monika Fleischer, Deborah l Deutscher Hospiz- und Palliativ- Fiechtner, Armin Gruse, Philippe AG Relaunch: Dirk Meyer, Bernd Verband e. V. (DHPV) Fink, Annette Gurinova, Alexandra Aretz, Axel Wedler, Christian Koes- l Deutscher Paritätischer Wohl- Gamroth, Anna Hennig, Peter ter, Jürgen Spanger, Julia Demel, fahrtsverband Gesamtverband Gangarova, Tanja Hinkelmann Nedir, Bernardo Johannes Baeck, Stefan Reck, Ul- e. V. (DPWV) Göhlke, Kerstin Hoffmann, Judith rich Würdemann l Deutsches Community Advisory Grimalschi, Sergiu Hoffmann, Tim Board (DCAB) Gronski, Heike Husband, Lewis Mitarbeit/Mitgliedschaf- l Gemeinsamer Bundesaus- Henze, Beate Jerzcynski, Delia ten der Deutschen AIDS- schuss, Unterausschüsse Fami- Hetzel, Dirk Jgnaszewski, John Hilfe e. V. (Auswahl) lienplanung, Methodenbewer- Hoffmann, Kay Künzel, Marian tung und Arzneimittel sowie Ar- Höpfner, Christine Matthecka, Dirk l AG Datenschutz der Telematik- beitsgruppen Klumb, Silke Ohlendorf, Michelle plattform für Medizinische For- l Gemeinsamer Ausschuss Qua- Knorr, Bärbel Osygus, Sandra schungsnetze e. V. litätssicherung KBV- und GKV- Kresin, Margitta Pärschel, Julia l AG Haft der Aidshilfen Spitzenverband Kretschmer, Olaf Petermann, Marco l AIDS Action Europe l Gesicht zeigen! Aktion weltof- Kusitzky, Dennis Profe, Larissa l Aktionsbündnis gegen AIDS, fenes Deutschland e. V. der BAG Kuske, Matthias Rademacher, Florian Fachkreis Osteuropa, Global- Selbsthilfe Lemmen, Karl Schmidt, Patrick Fund-Gruppe l Gesundheitsparlament Berlin Litwinschuh, Jörg Sommer, Phillip l Aktionsbündnis Hepatitis und l Gesundheitstraining HIV/Aids Lumma, Klaus Spanger, Jürgen Drogengebrauch e. V. Müller, Irmgard Tesche, Annie l akzept e. V. Bundesverband für l gesundheitsziele.de Niethammer, Uwe Vach, Jonas Simon akzeptierende Drogenarbeit l Global Network of People Living Pünner, Kathrin von der Becke, Kai und humane Drogenpolitik with HIV/AIDS (GNP+) Rademacher, Marianne Winkler, Kim-Sylvie l Arbeitsgemeinschaft Online-Be- l Improvement of Quality of HIV- Reichert, Thomas Wolf, Markus ratung in Aidshilfen Prevention in Europe (IQHIV) Sander, Dirk Zeidler, Patrick

49 DAH extern

Veröffentlichungen der DAH im Jahr 2010 (Auswahl)

Buchpublikationen l hiv-infektion und therapie. Postkarten Materialien der + info für Praktiker/innen aus Kampagne ICH WEISS l Drogen, HIV/Aids, Hepatitis. Prävention und Beratung sowie l „Mir reicht’s – meine Würde ist Ein Handbuch interessierte Laien unantastbar“ – zehn Motive WAS ICH TU – l Strukturelle Prävention und Ge- l Selbstverständnis und Profil – zum Thema „Homophobie“ für Schwule und andere JES Bundesverband Junkies, l sundheitsförderung im Kontext Nicht aufgepasst? HIV ange- Männer, die Sex mit Män- von HIV. Reihe AIDS-FORUM Ehemalige, Substituierte lacht? (Werbung für Internet­ DAH, Band 57 l Jahrbuch 2009/2010 der seite www.jungundpositiv.de) nern haben (Auswahl) l Migration und HIV-Prävention. ­Deutschen AIDS-Hilfe l Rote Schleife Reihe AIDS-FORUM DAH, l Veranstaltungskalender 2011 Postkarten Band 58 l Ich mag’s richtig schön dreckig Give-aways l l Kontexte von HIV-Neuinfek­ Faltblätter Ich mach’s nur mit Jungs, die tionen bei schwulen Männern. l Sag JA zur Legalisierung was drauf haben Reihe AIDS-FORUM DAH, l Test? Das Wichtigste zum (Aufkleber des Drogen­ l HIV gibt’s nicht nur in der Groß- Band 59 ­HIV-Test selbsthilfe-Netzwerks JES) stadt

l l Ich hatte wirklich eine Menge

AfroLebenPlus – Selbsthilfe-

des

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. Glück

netzwerk der HIV-positiven d

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Ich wollte nie wieder Sex haben

­Migrantinnen und Migranten

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l Alle Freiheiten nur mit Gummi (in Deutsch, Englisch, Franzö-

Test? Informationen rund um

sisch)

den HIV-Test

l

l JES Bundesverband Junkies,

positiv gesund leben – Informa- J U E N T Ehemalige, Substituierte K R tionen für Frauen mit HIV IE IE S U | IT EH ST l (Selbstdarstellung des JES- EM UB Getrennte Wege gemeinsam ALIGE | S gehen. Ein Mut machendes Le- Netzwerks) Periodika sebuch für An- und Zugehörige l Interessenvertretung HIV im Er- von Menschen mit HIV und Aids werbsleben (Selbstdarstellung) l Med-Info (Hg.: AIDS-Hilfe Köln l Gesund durchs Jahr – 2011 e. V.), neu: HIV und Alter (Nr. 79), ­(Taschenkalender für Sexarbei- Plakate Diskordante Partnerschaften terinnen in Deutsch, Bulgarisch, (Nr. 80); aktualisiert: Neurolo- Tschechisch, Englisch, Polnisch, l Die Nacht gehört uns. Aber gische Erkrankungen bei HIV Russisch) ­sicher! Kondome schützen. und Aids (Nr. 76), Herz-Kreislauf-­ Give-aways l l Gesund und sicher durch 2011 Beim Drogenkonsum immer nur Erkrankungen (Nr. 71) Kondome (5 Motive) (Taschenkalender für Drogen­ das eigene Zubehör benutzen. l HIV-Report (5 Ausgaben, The- l Bierdeckel und Auf- gebraucher/innen) l Tattoo? Piercing? Aber sicher: menbeispiele: HIV-Über­tragung kleber (je 6 Motive) l l Deine Gesundheit, deine Rech- Beim Profi und mit sauberem beim Analverkehr, Testange- T-Shirts (2 Motive), te – Informationen, Tipps und Gerät. Gebrauchte Nadeln und bote für Drogen­gebraucher, Windjacken Adressen (für Migrantinnen Geräte können HIV und Hepati- Mikrobizide, ­Impfungen, Prä­ l Umhängetaschen und Migranten, zweisprachig tis übertragen expositions­prophylaxe) l Lollies und Minz­ Deutsch/Englisch) l JES Bundesverband – Leben mit dosen l Positiv in Haft Drogen (auch in Englisch) Audiovisuelle Medien l virus hepatitis. info+ für Bera­- l PositHiv & Hetero – Wir sind ter/innen und interessierte überall l Video-Podcasts: Bodymaps, Laien l Rote Schleife ­Leben mit Aids

50 Sponsoren

Unterstützer/innen der Deutschen AIDS-Hilfe im Jahr 2010 l Autos & Weine GmbH, Berlin Mittel von Unternehmen der l blu media network UG, Berlin pharmazeutischen Industrie l BOX Medien GmbH, Köln l Bruno Gmünder Verlag, Berlin Die finanzielle Unterstützung unserer Arbeit durch Pharma- l Bündnis 90/Die Grünen, Ortsverband Werne firmen erfolgt nach den Grundsätzen der „Selbstverpflichtung l Bulgarian Ministry of Health, Bulgarien der Mitglieder des FORUMs chronisch kranker und behinderter Menschen im PARITÄTISCHEN (FORUM) für die Zusammen­ l CMC Publishing GmbH, Frankfurt arbeit mit Wirtschaftsunternehmen im Gesundheitswesen, l Deutsche AIDS-Stiftung, Bonn insbesondere mit Unternehmen der pharmazeutischen Indus- l Deutsche Telekom AG/Telekom Ausbildung, Nürnberg trie“, der sich auch die Deutsche AIDS-Hilfe e. V. unterworfen l Eis.de GmbH, Bielefeld hat. l EMCS GmbH – planet help, Neu-Isenburg l FASH Medien Verlag GmbH, Hamburg Der Anteil der Gelder von Pharmafirmen (in Höhe von l FoersterMedia, Offenbach 39.680,67,– EUR) am Gesamthaushalt (Einnahmen) lag im Jahr 2010 bei unter 1 %. Wir erhielten Mittel von folgenden Unter- l Gutjahr Systemtechnik GmbH, Bickenbach nehmen: l Hinnerk Verlag, Hamburg l IBM Deutschland Management & Business Support GmbH, l Abbott GmbH & Co. KG, Wiesbaden

Ehningen l essex Pharma GmbH, München l IKEA Berlin-Tempelhof l Janssen-Cilag GmbH, Neuss l IKEA Center Hofheim-Wallau l Jackwerth Verlag GmbH & Co. KG, Berlin l Landesverband der Hebammen, Nordrhein-Westfalen Fördermittel nach § 20c SGB V erhielten l Laura Halding-Hoppenheit, Stuttgart wir von folgenden Krankenkassen: l Medizin Fokus Verlag, Hamburg l Michael Stich Stiftung, Hamburg l GKV – Gemeinschaftsförderung Selbsthilfe – Bund (Verband l NIKKUS Veranstaltungstechnik GmbH, Berlin der Ersatzkassen e. V. [vdek]; AOK-Bundesverband GbR, l Optimedia Gesellschaft für Media-Services mbH, Berlin; BKK Bundesverband GbR, Essen; IKK e. V., Berlin; Düsseldorf Knappschaft, Bochum; Spitzenverband der landwirtschaftli- l POTENTIAL ALLSTARS, Berlin chen Sozialversicherung, Kassel) l Querformat GmbH, München l AOK Bundesverband GbR, Berlin l QVM Versicherungsvermittlung GmbH, Meppen l BARMER GEK, Wuppertal l Redaktion Gigi, Berlin l RENT4EVENT GmbH, Berlin l deutsche Angestellten Krankenkasse, Hamburg l Ritex Gummiwarenfabrik GmbH, Bielefeld l techniker Krankenkasse, Bochum l Rotary Club Wuppertal l Salzgeber & Co. Medien GmbH, Berlin l Schäfer & Partner GmbH, Mannheim l schöne drucksachen GmbH, Berlin l Stadtprojekt, Berlin l Stiftung West-Östliche Begegnungen, Berlin l Stowarzysznie „TADA“, Polen l THE TIDES FOUNDATION, San Fransciso (USA) l UV Software, Friedrichshafen l Verein der Bundestagsfraktion Linke e. V. l Werner Michael, Berlin Wir sagen allen Unterstützer- l Zitty Verlag GmbH, Berlin innen und Unterstützern ein l Zum Goldenen Hirschen Köln GmbH, Köln herzliches Dankeschön!

51 c h w e i t n o e r n d ! – u B i s h i e r h E R