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«Ich wurde eine Verstossene der eigenen Familie, Jahresbericht 2016 weil ich meine innere Freiheit suchte» vom Leben in einer mennonitischen Gemeinschaft in Paraguay

Sexueller Missbrauch an Kindern in der Gemeinschaft der Zeugen Jehovas Impressum Text Susanne Schaaf, Claudia Schwager, Jürg Treichler Redaktion / Produktion Susanne Schaaf Gestaltung Ruth Feurer, Zürich, ruthfeurer.ch Druck Onlineprint24 Auflage 1 900 Exemplare, Mai 2017 Inhaltsverzeichnis

Editorial 2

Fachstelle infoSekta – Rückblick 2016 und Ausblick 3 infoSekta-Statistik – Informations- und Beratungsarbeit 2016 7

Sexueller Missbrauch an Kindern in der Gemeinschaft der Zeugen Jehovas 17

«Ich wurde zur Verstossenen in der eigenen Familie» 18

Vorträge, Veranstaltungen, Öffentlichkeitsarbeit 2016 31

Erfolgsrechnung und Bilanz 2016 / 2015 34

Anhang zur Jahresrechnung und Revisionsbericht 36

Fachstelle infoSekta – In eigener Sache 38

Vorstand und Team 39 Editorial

Liebe Leserinnen, liebe Leser (aufgeflogene) Liebesbeziehung mit einem alle. Auch nach ihrer Flucht konnte sie lange Aussteiger und wird von den Ältesten aufge- nicht verstehen, wie radikal ein Grossteil der Eine traditionelle muslimische Familie er- fordert, die Beziehung zum «Abtrünnigen» Familie sie ablehnte. Ihre Erlebnisse hat sie fährt von ihrem Sohn, dass er eine Schwei- umgehend abzubrechen. Familiäre Konflikte im Buch «Mit den Wolken fliegen» niederge- zerin heiraten wird; die Schweizer Familie er- aufgrund von Entfremdung zeigen sich schrieben. Auszüge daraus und persönliche fährt von ihrer Tochter, dass die Hochzeit mit auch immer wieder im Zusammenhang mit Kommentare lesen Sie im Beitrag «Ich wurde einem gläubigen Moslem bevorsteht. Das evangelikalen Gemeinschaften. Oft sind eine Verstossene der eigenen Familie, weil Improvisationstheater act-back inszenierte Kinder und Jugendliche involviert, die mit ich meine innere Freiheit suchte», Seite 18. kürzlich unter Anleitung des Psychologen der Situation völlig überfordert sind (siehe und Islamismusexperten Ahmad Mansour Statistik Beratungsarbeit, Seite 7). infoSekta verzeichnet seit Jahren eine stete diese Szenen zum Thema Konfrontation Zunahme der Anfragen. Neben dem Herz- und Integration. Die Reaktionen der bei- Die Angst vor dem Verlust der Familie war stück der Beratungen engagiert sich die den Familien – von den Schauspielern ein- auch der Grund für Roni Baerg, sich viele Fachstelle in Fortbildungen für Fachstellen drücklich dargestellt – waren geprägt von Jahre lang einer unerträglichen Situation und Vorträgen an Schulen. Die finanzielle der Angst vor Entfremdung und vor Verlust auszusetzen. Sie wuchs in einer Menno- Situation ist nach wie vor sehr angespannt. des eigenen Kindes. nitengemeinde in Paraguay auf. Ihr Alltag Nur dank Spenden und Unterstützungsbei- war geprägt von Entbehrung, harter Arbeit trägen können wir einen grossen Teil unse- Entfremdung und Verlust können traurige und Zwang. Mit 19 Jahren heiratete sie und res Aufwandes abdecken. Realität werden – davon berichten uns un- wurde von ihrem mennonitischen Ehemann zählige Ratsuchende. Eine Tochter bricht den drangsaliert und missbraucht. Als sie sich Wir danken für Ihr Interesse und Ihre Unter- Kontakt zur Familie ab, nachdem sie der Ge- wehrte, wurde sie von der Gemeinschaft stützung. meinschaft der Zeugen Jehovas beigetreten gemieden. Die meisten Familienmitglieder ist. Eine Zeugin Jehovas lebt eine heimliche wandten sich von ihr ab – zum Glück nicht Ihr infoSekta-Team 2 Fachstelle infoSekta – Rückblick 2016 und Ausblick

Susanne Schaaf und Claudia Schwager

2016 war wiederum ein aktives und Rückblick Begleitete Selbsthilfegruppe intensives Jahr für die Fachstelle: Die 2016 trafen sich zehn Personen einmal mo- Gesamtkontakte haben um 6 % zu- Informations- und Beratungstätigkeit natlich. Zum Teil reisten sie von weit her genommen. Viele Anfragen betrafen 2016 verzeichnete die Fachstelle einen er- an, was die Wichtigkeit solcher Unterstüt- die Gemeinschaft der Zeugen Jehovas. neuten Anstieg der Anfragen - die Gesamt- zungsangebote unterstreicht. Angehörige Neben der Beratungstätigkeit ist die kontakte haben gegenüber dem Vorjahr um von Sektenmitgliedern sind derzeit in der Fortbildung für Fachpersonen aus dem 6% zugenommen. Die meisten Anfragen Mehrheit. In den Gesprächen in der Selbst- Schul-, Sozial- und Gesundheitsbereich erhielt infoSekta zur Endzeitgemeinschaft hilfegruppe steht meistens das Wohlbe- ein wichtiger Pfeiler. infoSekta hat ihr der Zeugen Jehovas (13 %). Immer wieder finden der zahlreichen involvierten Kinder Fundraising verstärkt. Bei der stetig an- finden auch gläubige Mitglieder den Mut, im Vordergrund. Die AussteigerInnen aus steigenden Nachfrage nach Beratungen sich an infoSekta zu wenden, um ihre Pro- den sehr unterschiedlichen sektenartigen ist infoSekta dringend auf zusätzliche bleme zu besprechen. Weitere Gruppen, zu Gruppen erlebten oft sexuellen Missbrauch, Finanzen angewiesen. denen sich Ratsuchende an uns wenden, z.B. bei satanistischen Ritualen. Seelischer sind , verschiedene Freikirchen Missbrauch wurde als fast ebenso schlimm wie ICF und YOU Church, die rechtseso- erlebt. Die Selbsthilfegruppe kann eine terische Anastasia-Bewegung, dem VPM- wertvolle Ergänzung zu individueller Psycho- Gedankengut nahestehende Kreise, die therapie sein. (Eva Haas und Jürg Treichler) Kirschblütengemeinschaft um den kürzlich verstorbenen Samuel Widmer u.v.a. Drei Viertel aller Anfragen stammen von Privat- personen. Mehrheitlich handelt es sich um Angehörige, die sich um ein Familienmit- 3 glied sorgen (siehe Statistik, Seite 7). Fachstelle infoSekta – Rückblick 2016 und Ausblick

Fortbildung von Fachpersonen im Weiterhin angespannte Finanzlage Dank zahlreicher Spenden von Privaten Sozial- und Gesundheitsbereich Während die Beratungsanfragen bei info- sowie ausserordentlicher Beiträge von po- infoSekta führte massgeschneiderte Fort- Sekta Jahr für Jahr zunehmen, bleiben die litischen Gemeinden und Kirchgemeinden bildungen und Roundtable-Gespräche für finanziellen Ressourcen der Fachstelle be- kann glücklicherweise ein grosser Teil des Fachpersonen aus dem Schul-, Sozial- und schränkt. Deshalb haben wir unsere Fund- Budgets abgedeckt werden. Die Jahres- Gesundheitsbereich durch, die in ihrer Arbeit raisingbemühungen verstärkt. Neu ist es rechnung schliesst mit einem Verlust von Fr. mit problematischen Gruppen konfrontiert auch möglich, Spenden via SMS zu überwei- 9'852.35 ab (siehe Erfolgsrechnung, S. 34). sind und Hintergrundwissen zur Thematik sen. Da die Leistungen von infoSekta auch sowie Anregungen für angemessene und von Personen nachgefragt werden, die nicht Die Fachstelle ist in Zukunft auf mehr Er- sorgfältige Interventionen wünschen. Im im Kanton Zürich leben, haben wir bei wei- träge angewiesen, um der hohen Nachfra- Fokus steht dabei das Kindeswohl. teren zehn Deutschschweizer Kantonen ein ge gerecht zu werden und ihre Arbeit in fundiertes Finanzierungsgesuch eingereicht. gewohnter Professionalität fortsetzen zu infoSekta auf facebook Die Kantone St. Gallen, Zug und Schwyz können. Zudem sind die Problemsituationen Seit Herbst 2013 hat infoSekta einen eige- haben einen Jahresbeitrag zugesprochen. häufig sehr komplex und der Weltanschau- nen facebook-Auftritt. Im Jahr 2016 wur- Die anderen Kantone – auch diejenigen mit ungsmarkt ist unübersichtlich. den 535 Beiträge gepostet. Die Seite zählt vielen Anfragen – haben uns eine Absage derzeit rund 550 Likers, die die Beiträge mit bezüglich Betriebsbeiträgen erteilt. Zum Teil Eigenleistungen des Vereins infoSekta ihren Kommentaren bereichern. Die Posts wurden wir auf die kantonalen Lotterie- Die Leistungen des ehrenamtlich tätigen Vor- sind für alle Interessierte auch ohne face- fonds verwiesen. Über diese werden jedoch standes sowie der freiwilligen Mitarbeiten- book-Registrierung zugänglich und werden meistens lediglich Projektbeiträge ausge- den, die infoSekta in finanziellen und recht- je nach Thema von 50 bis 1’500 Personen sprochen. lichen Angelegenheiten unterstützen und gelesen. die Selbsthilfegruppe führen, werden un- entgeltlich erbracht. Vorstand und freiwillige 4 Fachstelle infoSekta – Rückblick 2016 und Ausblick

Mitarbeitende haben im 2016 rund 600 • Sozialdepartement der Stadt Zürich für • Vereinigung der Katholischen Kirch- Stunden für infoSekta gearbeitet. den jährlichen Beitrag von Fr. 19’900.– gemeinden des Kantons Zug VKKZ für den Beitrag von Fr. 1'000.– Ausblick 2017 • Kanton Zug für den Beitrag von Fr. 2'000.– • die Evangelisch-Reformierten Kirchge- Zentrales Thema im 2017 wird die Überar- meinden Bätterkinden, Bergdietikon, beitung der Strategie sein. infoSekta wird • Kanton Schwyz für den Beitrag von Beringen, Dagmersellen, Gachnang, sich in organisatorischer und finanzieller Fr. 1'000.– Hitzkirch, Horn, Interlaken-Matten, Hinsicht neu ausrichten. Dabei werden der Leuzigen, Neftenbach, Neuhausem am verstärkte Einbezug von Freiwilligen und • Hamasil-Stiftung, die uns jährlich Rheinfall, Niederwenigen, Oetwil am eine Steigerung der Erträge eine wichtige grosszügig unterstützt See, Schöftland, Solothurn (Süd), Stäfa, Rolle spielen. Sursee, Thierachern, Thunstetten- • Römisch-Katholische Kirche im Kanton Bützberg, Veltheim-Oberflachs und Dank für die Unterstützung Bern für den Beitrag von Fr. 2'000.– Zürich-Witikon sowie die Evangelisch- Vorstand und Geschäftsstelle von infoSekta methodistische Kirche in der Schweiz, bedanken sich herzlich bei allen, die die • Kirchgemeinde Brugg für den Betrag die uns mit Fr. 100.– bis 900.– Fachstelle im 2016 mitfinanziert und unter- von Fr. 1'280.– unterstützt haben. stützt haben: • Römisch-Katholische Landeskirche • die Römisch-Katholischen Pfarrämter • Bildungsdirektion des Kantons Zürich für Nidwalden für den Beitrag von Dagmersellen, Frick, Luzern, Meggen, den jährlichen Beitrag von Fr. 40'000.– Fr. 1'000.– Oberentfelden, Rotkreuz, Rümlang, St. Ulrich Winterthur, Wald, Bruder 5 Klaus Zürich sowie die Kantonalkirche Fachstelle infoSekta – Rückblick 2016 und Ausblick

Schwyz, die uns mit Fr. 100.– bis 900.– Ganz besonders danken wir unseren frei- unterstützt haben. willigen Mitarbeitenden, die zusammen mit dem ehrenamtlich tätigen Vorstand den • die Gemeinden Altdorf, Grosswangen, Verein ohne Entgelt mittragen. Namentlich Hünenberg, Köniz, Rorbas, Wettingen, erwähnen möchten wir Ferdinand Flammer die uns mit Fr. 100.– bis 900.– (Buchhaltung), Urs Abt und Hans-Rudolf unterstützt haben. Schelling (Revision), die uns in finanziellen Angelegenheiten tatkräftig zur Seite stehen. • Walter Haefner Stiftung und Lienhard- Im vergangenen Jahr war infoSekta mit Stiftung für die Unterstützung des Klageandrohungen von drei verschiedenen Projektes «Sexueller Missbrauch an Anbietern konfrontiert, weshalb unserem Kindern in der Gemeinschaft der juristischen Berater Dr. Urs Eschmann ein Zeugen Jehovas» ganz besonderer Dank für die wertvolle Unterstützung gebührt. Jürg Treichler und • Allen weiteren Gönnerinnen und Eva Haas danken wir für die Leitung der Gönnern, Spenderinnen und Spendern, Selbsthilfegruppe, die sie mit grossem Ein- ohne deren wertvolle Unterstützung fühlungsvermögen moderieren. die Fachstelle infoSekta nicht überleben könnte.

6 infoSekta-Statistik – Informations- und Beratungsarbeit 2016

Susanne Schaaf

Die Beratungsstatistik von infoSekta Abb. 1 Zunahme der Anfragen Erstanfragen Folgekontakt alle Kontakte zeigt auf, zu welchen Gruppen und The- 2400 men Anfragen eintreffen und wer die 2283 2425 Hilfe der Fachstelle in Anspruch nimmt. 2200 Die Gesamtkontakte haben gegenüber 2055 dem Vorjahr um 6 % zugenommen. Viele 2000 Anfragen treffen zu den Zeugen Jehovas 1754 1800 ein: der grosse psychische Druck inner- 1696 halb der Gemeinschaft und der Kontakt- 1600 1444 abbruch zu Nicht-Zeugen sind ein gros- 1478 1400 ses Thema. In 25 % der Anfragen ist 1275 bekannt, dass Kinder und Jugendliche 1200 betroffen sind. Immer wieder erfahren 1068 940 Kinder Gewalt in sektenhaften Milieus. 894 1008 1000 987 981 753 814 1. Zunahme der Gesamtkontakte 802 800 725 600 Im Beratungsjahr 2016 verzeichnete info- Sekta 981 Erstkontakte und 1’444 Folge- 400 kontakte (insgesamt 2’425 Beratungskon- takte). Dies entspricht einer Zunahme der 200

Gesamtkontakte um 6 % gegenüber dem 0 7 Vorjahr. Generell haben die Anfragen bei 2011 2012 2013 2014 2015 2016 infoSekta-Statistik – Informations- und Beratungsarbeit 2016

Abb. 2 Regionale Verteilung der Anfragen (N = 981) Prozentsumme 99 % wegen Rundungsfehler infoSekta jährlich um 150-300 Gesamtkon- takte stetig zugenommen, wie Abb. 1 zeigt. 550 524 53 % Die folgenden Darstellungen beziehen sich 500 auf die 981 Erstkontakte. 41 % der Erstan- fragen erreichten uns telefonisch und 53 % 450 auf schriftlichem Weg (hauptsächlich per 400 E-Mail, teilweise per facebook), 6 % über persönlichen Kontakt. 350

300 2. Verteilung nach Regionen unverändert 250 89 % der Anfragen stammen aus der 200 209 21 % Deutschschweiz, wenige Anfragen entfallen 150 149 15 % auf die französische Schweiz und den Kan- ton Tessin. 8 % der Anfragen stammen aus 100 dem Ausland, die meisten aus Deutschland. 79 8 % 36 % der Anfragen kommen aus dem Kan- 50 ton Zürich (inkl. Stadt Zürich), 15 % allein 20 2 % 0 aus der Stadt Zürich (Abb. 2). Stadt Kanton Zürich restliche Romandie Ausland Zürich ohne Stadt Deutschschweiz und Tessin 8 infoSekta-Statistik – Informations- und Beratungsarbeit 2016

Abb. 3 Verteilung der Anfragen auf die Schweiz ohne Zugriffsstatistik www.infosekta.ch Kanton Zürich, Romandie / Tessin und Ausland (N = 524) Im letzten Jahr registrierte infoSekta 32'225 neue und 9'185 wiederkeh- rende BesucherInnen der Website sowie Bern 111 21% 165'858 Seitenaufrufe. Zu den belieb- testen Zielseiten gehörten Texte zu Aargau 64 12 % evangelikaler Erziehung und zu evan- St. Gallen 42 8 % gelikalen Gemeinschaften wie ICF, Gemeinschaft der Evangelisch Taufge- Basel BS/BL 41 8 % sinnten GET, Kingdom Embassy Interna- tional bzw. Word & Spirit International Luzern 30 6 % (heute: YOU Church) sowie zur Endzeit- Graubünden 21 4 % gemeinschaft der Zeugen Jehovas. Zu den beliebten Zielseiten gehören auch Thurgau 20 4 % die Beiträge zu esoterischen Anbietern (z.B. LOL2A-Prinzip). Gesucht wurde Zug 20 4 % ferner häufig nach Sektenmerkma- Deutschschweiz 42 8 % len, nach den Stichworten «Ausstieg» Weitere Kantone und «Angehörige» sowie nach den Kanton unbekannt 133 25% Dienstleistungen und den Jahresberich- ten der Fachstelle infoSekta. 9 0 10 20 30 40 50 60 70 80 90 100 infoSekta-Statistik – Informations- und Beratungsarbeit 2016

Die Verteilung der Anfragen aus den an- Abb. 4 Motiv der anfragenden Personen Abb. 5 Bezug der Kontaktperson zur deren Deutschschweizer Kantonen hat (N = 981) Drittperson (Familie/Freunde) (N = 274) sich im Vergleich zu den Vorjahren kaum verändert. An der Spitze steht der Kanton Bern mit 21 % der Anfragen, gefolgt vom 2 % Mitglied 50 % PartnerIn Kanton Aargau, dem Kanton St. Gallen und 6 % ehem. Bekannte Freunde den beiden Halbkantonen Basel-Stadt und Mitglied Basel-Landschaft (Abb. 3). 28% wegen Dritt- person 3. Ratsuche mehrheitlich aus privaten 64 % 50 % Angehörige Gründen anderes

73 % (715) der Anfragen stammen von Pri- vatpersonen, 27 % (266) von VertreterInnen von Institutionen wie soziale und psychia- trische Dienste, Schulleitungen, Schulsozial- arbeit, schulpsychologische Dienste, Kinder- In 28 % der Anfragen wenden sich Betroffe- Mitglieder einer umstrittenen Gruppe. Das und Jugendberatungen, KESB, Fachstellen ne an infoSekta, weil eine nahestehende Angebot von infoSekta wird zu je 50 % für Pflegefamilien, Pfarrämter, Bildungs- oder ihnen bekannte Person in ein sekten- von Angehörigen und von Personen aus stätten, Gemeindeverwaltungen, Medien haftes Milieu geraten ist oder unter sek- dem Freundeskreis von Betroffenen genutzt u.a. In 25 % ist bekannt, dass Kinder und tenhafter Beeinflussung steht. Bei 6 % der (Abb. 4). Jugendliche direkt oder indirekt betroffen Ratsuchenden handelt es sich um ehe- sind. malige Mitglieder und bei 2 % um aktive 10 infoSekta-Statistik – Informations- und Beratungsarbeit 2016

4. Hauptinteresse an konkreten Abb. 6 Thema der Anfragen (N = 981)

Gruppen 800

Mit 72 % bezieht sich der Hauptanteil der Anfragen auf konkrete Gruppen und Anbie- 700 705 72 % terInnen. 5 % der Anfragen betreffen meh- rere Gruppen, 3 % betreffen die Thematik 600 «Sekte» allgemein, insbesondere Sekten- merkmale. 20 % der Anfragen beziehen sich auf übergreifende Themen. Darunter 500 fallen Bewusstseinskontrolle, Situation der Kinder in sektenhaften Gruppen, Freikir- chen/ Evangelikalismus allgemein oder in 400 Verbindung mit Kindern und Jugendlichen,

Kreationismus, islamische Radikalisierung 300 und Jugendarbeit, Esoterik allgemein, Scha- manismus, Geistheilerei, Rückführungen, Verschwörungstheorien, Illuminati, Okkul- 200 192 20 % timus, Lichtnahrung sowie neu Veganismus und Essensvorgaben allgemein u.a. 100

Für die Auswertung zu Abb. 7 werden alle 51 5 % 33 3 % 10 11 Erstanfragen berücksichtigt, die sich auf 0 eine Gruppe mehrere Gruppen «Sekte» Thema infoSekta-Statistik – Informations- und Beratungsarbeit 2016

eine konkrete Gruppe beziehen (N= 705). Abb. 7 Thematisierte Gruppen (N = 705) In der Grafik werden nur diejenigen Grup- pen namentlich dargestellt, zu denen min- destens 10 Anfragen vorliegen. Zeugen 94 13 % Jehovas Mit Abstand am meisten Anfragen betref- fen die Gemeinschaft der Zeugen Jehovas Scientology 45 6 % (13%). Dies hängt u.a. auch mit der hohen Medienpräsenz des Themas «Zeugen Jeho- ICF 26 4 % vas» zu verschiedenen Missständen zusam- men (siehe Kaptiel Sexueller Missbrauch, YOU Seite 17). Die Anfragen beziehen sich auf Church 15 2 % unterschiedliche Themenkreise, oft geht es um Kinder: Ein Partner sorgt sich um Anastasia- 14 2 % das Wohl der Kinder, weil sie vom anderen Bewegung Ehepartner, der bei den Zeugen Jehovas ist, an die Versammlungen mitgenommen und «VPM» 12 2 % dort entsprechend beeinflusst werden. Im- mer wieder wenden sich auch Fachstellen Restliche 499 71 % an uns, weil sie Kinder aus Zeugen Jehovas- Gruppen Familien begleiten, die z.B. regelmässig ge- schlagen werden oder unter psychischen Störungen leiden. 0 25 50 75 100 125 150 12 infoSekta-Statistik – Informations- und Beratungsarbeit 2016

Ein weiteres Spannungsfeld ist der Bezie- Was mich persönlich sehr beeindruckt, ist, prophezeit, dass sie in «der Welt» versagen hungsabbruch: Eine Person bricht den Kon- dass immer wieder auch Mitglieder den Mut werden. Zudem gestaltet sich der Kontakt takt zur Herkunftsfamilie ab, nachdem sie aufbringen, bei infoSekta anzurufen. Sie zur Familie, die noch dabei ist, äusserst den Zeugen Jehovas beigetreten ist. Die lieben Jehova, sind aber vom Umgang der schwierig. Es wenden sich aber auch ehe- Angehörigen bemühen sich sehr um die Be- Ältesten extrem enttäuscht und verstehen malige Zeugen Jehovas an uns, die sich – ziehung, stossen aber auf Granit und leiden nicht, weshalb sie – wenn sie doch alles ge- motiviert durch die Öffentlichkeitsarbeit – in am Verlust und der Ohnmacht. ben und sich redlich bemühen – so schlecht der Arbeit mit Ausstiegswilligen engagieren behandelt werden. Oder Mitglieder, die mit möchten. Aufgrund des grossen Interesses Ältere Menschen fühlen sich durch die Tür- schlechtem Gewissen eine heimliche (und plant infoSekta eine Selbsthilfegruppe für zu-Tür-Mission bedrängt und trauen sich aufgeflogene) Liebesbeziehung zu einem Zeugen-Jehovas-Betroffene. nicht, nein zu sagen. Oder Angehörige sor- ehemaligen Zeugen pflegen, werden vor gen sich um ihre dementen Eltern, die einer- den Ältesten zitiert. Es soll geprüft werden, 6 % der Anfragen beziehen sich auf Scien- seits die Besuche und die Zuwendung der ob sie reuig seien und den Kontakt zum tology. Den Anrufenden ging es mehrheit- Missionare schätzen, andererseits aufgrund «Abtrünnigen» auch tatsächlich wie ge- lich um Angehörige und Freunde, die bei ihrer Erkrankung nicht in der Lage sind, die fordert abbrechen. Das grosse Dilemma Scientology mitmachen, in einer - Beeinflussung zu durchschauen. Es kommt zwischen eigenen Sehnsüchten und Bedürf- Behandlung sind oder deren Kinder die auch vor, dass Älteste eine hochbetagte Per- nissen und dem massiven Druck durch die ZIEL-Schule besuchen. son zu einer Schenkung drängen. Bei der Ältesten beschäftigt die Anrufenden sehr. Tür-zu-Tür-Mission wird auch auf Teenager Auch im Jahr 2016 erschienen verschiedene eingeredet, die alleine zuhause sind und die AussteigerInnen berichten uns, dass sie kritische Bücher zu Scientology: Ron Misca- Tür öffnen. Probleme haben, sich im Alltag zurecht- vige, der Vater von Scientology-Chef David zufinden, dies z.T. auch Jahre nach dem Miscavige, veröffentlichte ein Buch mit dem 12 13 Ausstieg. Die Zeugen haben ihnen quasi Titel «Ruthless (Skrupellos) – Scientology, infoSekta-Statistik – Informations- und Beratungsarbeit 2016

mein Sohn und ich». Die genüber dem Management unter David nal) von Jella Wojacek (2 %) ein. Bei den An- Schauspielerin trat mit ihrem Miscavige erhoben hatten (Einschüchte- fragen zu YOU Church geht es v.a. um die Buch «Troublemaker: Wie ich Hollywood rung, Gewalt). Der Bericht des Verfassungs- forcierte Anwerbung und Einbindung von und Scientology überlebte» und einer mehr- schutzes Baden-Württemberg «20 Jahre Jugendlichen und um schwieriges, missio- teiligen TV-Doku «Leah Remini: Scientology Beobachtung von Scientology» (2016) hält narisches Verhalten (z.B. in der Familie, am und die Folgen» an die Öffentlichkeit. Das fest, dass der Mitgliederschwund und die Arbeitsplatz), welches den Charakter einer Buch «Fair : The Incredible Untold Schwierigkeiten bei der Neuanwerbung zu Verblendung annimmt. Story of Scientology in Australia» von Steve einem grösseren Druck auf die verbleiben- Cannane handelt von den Machenschaften den ScientologInnen führen, was wiederum Zur rechtsesoterischen Anastasia-Bewe- der Organisation in Down Under und Can- Unzufriedenheit und einen schleichenden gung erhält infoSekta Anfragen wegen der nanes Erfahrungen in der Rehabilitation Rückzug unter den ScientologInnen nach Aktivitäten und Schulprojekte in Deutsch- Project Force, eine gefängnisartige Anstalt. sich ziehe. Dadurch sei die Szene der soge- land und der Schweiz (2 %). Anfragen zum In seinem Film «My Scientology Movie» ver- nannten Freien Scientologen – die sich L. ehemaligen Verein zur Förderung der Psy- suchte der Dokumentarfilmer Ron Hubbard sehr verbunden fühlen, nicht chologischen Menschenkenntnis VPM be- mit gecasteten Laienschauspielern und mit aber der Organisation Scientology – in den ziehen sich auf Angebote von Personen, die Unterstützung des Aussteigers Marty Rath- letzten Jahren stärker geworden. entweder im Netzwerk ehemaliger VPM- burn, scientologische Praktiken nachzubil- Mitglieder verkehren oder sich dem VPM- den. Des Weiteren trafen wiederum Anfragen Gedankengut verbunden fühlen (2 %). zur charismatischen Jugend- und Familien- Bereits vor mehreren Jahren wurde die kirche International Christian Fellowship ICF Führungskrise bei Scientology ersichtlich, (4%) sowie zur evangelikalen Gemeinschaft nachdem hochrangige Mitglieder ausge- YOU Church (vormals Kingdom Embassy stiegen waren und schwere Vorwürfe ge- International bzw. Word & Spirit Internatio- 14 infoSekta-Statistik – Informations- und Beratungsarbeit 2016

Seit vielen Jahren zeigt sich in den Anfragen Abb. 8 Weltanschaulicher Hintergrund der angefragten Gruppen (N = 705) die enorme Vielfalt der Weltanschauungs- landschaft: 71% der Anfragen betreffen unzählige bekannte und unbekannte Ver- einigungen und EinzelanbieterInnen. Auch wenn zu vielen Gemeinschaften nur ein- zelne Anfragen eintreffen, so zeichnen sich diese teilweise durch grosse Probleme und Betroffenheit aus.

Im Rahmen von evangelikalen Gemein- 48 % 341 christlich schaften wurde beispielsweise von negati- ver Beeinflussung von Teenagern in christli- 30 % 212 esoterisch chen Jugend- und Erlebniscamps berichtet. Den Kindern wurde unter anderem gesagt, 17 % 120 säkular der Teufel wohne in den Ungläubigen und sie sollen Busse tun. Dies wirkte vor allem 2 % 16 hinduistisch auf Kinder aus nicht-evangelikalen Familien verstörend. 1 % 6 islamisch

Unter den Strukturvertrieben gaben bei- 1 % 10 unbekannt spielsweise Forever Living Products und Life-

15 Plus zur Sorge Anlass, weil junge Menschen Prozentsumme 99 % wegen Rundungsfehler infoSekta-Statistik – Informations- und Beratungsarbeit 2016

mit dem Versprechen aufs rasche Geld ver- Ordnet man das breite Spektrum der nach- Persönlichkeitsentwicklung und zur Arbeits- führt wurden, was familiäre Zerwürfnisse gefragten Gruppen weltanschaulichen Ka- organisation. zur Folge hatte. tegorien zu, so ergibt sich folgende Vertei- lung (Tab. 8): 48 % der Anfragen sind dem Auch zur Kirschblütengemeinschaft wende- christlichen, 30 % dem esoterischen und ten sich Betroffene an uns: Das polyamore 17 % dem säkularen Umfeld zuzuordnen, Beziehungskonzept geht in der Realität oft bei 1 % der Anfragen geht es um islamische nicht auf. Erlebte Verletzungen (Eifersucht, Gruppen. Bei den Organisationen mit christ- Versagens- und Schuldgefühle) sollen in lichem Hintergrund handelt es sich bei 58 % Therapiesitzungen behoben werden (Ego um evangelikale Gemeinden, bei 27 % um überwinden), es kommt aber immer wieder die Gemeinschaft der Zeugen Jehovas und zu «Rückfällen». In den MDMA-Sitzungen bei 15 % um andere christliche Gruppen. wird das Gefühl des Ungenügens zwischen- zeitlich durch Harmonieerlebnisse aufge- Unter «christlich» sind Gemeinschaften zu- hoben. Das ozeanische Erleben kann aber sammengefasst, welche sich ausschliesslich nicht wie gefordert auf den Alltag übertra- oder hauptsächlich auf die Bibel berufen. gen werden, was wiederum weitere Thera- Die Kategorie «esoterisch» beinhaltet Grup- piesitzungen nach sich zieht, in denen der pen oder Einzelanbieter, die Gedankengut Betroffene «an sich arbeiten» muss. aus Theosophie, Esoterik und Okkultismus vertreten. Unter «säkular» sind Organisati- onen ohne spirituellen Überbau zusammen- gefasst, mehrheitlich therapeutische und pädagogische Angebote oder Seminare zur 16 Sexueller Missbrauch an Kindern in der Gemeinschaft der Zeugen Jehovas

Unter diesem Titel veröffentlichte info- ausführt, spielt das geschlossene und dog- Ein internes Rechtskomitee befindet über Sekta einen umfassenden Bericht auf matische System der Zeugen Jehovas dabei Verstösse gegen die als biblisch verstan- ihrer Homepage. Die Autorin Regina eine zentrale Rolle: Weil Jehova sexuellen denen Regeln. In den untersuchten Fällen Spiess fasst die wichtigsten Aspekte Missbrauch nicht will, darf er beim Volk Je- kam z.B. die sog. Zwei-Zeugen-Regel zum der bisherigen Berichterstattung über hovas auch nicht sein. Diese Haltung verhin- Tragen. Diese besagt, dass der Anschul- sexuellen Missbrauch an Kindern inner- dert das Hinschauen und Wahrhabenwol- digung sexuellen Missbrauchs nur nach- halb der Gemeinschaft der Zeugen Je- len. Betroffene berichteten ferner, dass sie gegangen werden solle, wenn der Täter hovas länderspezifisch zusammen und vom Täter bei der ohnehin präsenten Angst geständig sei oder es für die Tat mindes- erläutert die Faktoren, die sexuellen angesprochen wurden, dass sie bei Harma- tens zwei Zeugen gebe. Ein seine Sünde Missbrauch an Kindern in der Wacht- gedon, der Endschlacht Gottes, vernichtet bereuender Täter wird nicht automatisch turmgesellschaft begünstigten bzw. würden, wenn sie jemandem von den Vor- von seinen Ämtern ausgeschlossen, wie die dazu führten, dass Kinder im Falle fällen erzählen (Geheimhaltung interner aus den untersuchten Fällen hervorgeht, von Missbrauch nicht angemessen ge- Vorgänge). In einem dogmatischen System sodass das Risiko weiterer Übergriffe be- schützt und unterstützt wurden. lernen Kinder, dass Glaube und Loyalität an stehen bleibt. Im Herbst 2016 schickte die erster Stelle stehen, vor ihren eigenen Be- Christliche Versammlung der Zeugen Jeho- Die australische Royal Commission, die sich dürfnissen. Ein weiterer Aspekt, der einen vas ein Schreiben mit neuen Weisungen an mit sexuellem Missbrauch von Kindern in- wirksamen Kinderschutz beeinträchtigt, die Ältesten, die als eine Reaktion auf die nerhalb von Organisationen beschäftigt, ist die eigene Gerichtsbarkeit der Zeugen Untersuchungen der Royal Commission hält in ihrer Beurteilung fest, dass das orga- Jehovas. Das Damoklesschwert des sog. verstanden werden kann. Die Massnah- nisationsinterne Disziplinarsystem tendenzi- Gemeinschaftsentzuges (eine der stärksten men verbessern die Situation der betrof- ell täterschützend sei und dazu führe, dass Sanktionsmassnahmen), der den Verlust des fenen Kinder jedoch nur beschränkt. Der die Sicherheit und der Schutz der Kinder gesamten sozialen Bezugsnetzes bedeu- Bericht findet sich unter infosekta.ch/infos- 17 nicht ausreichend gewährt sei. Wie Spiess ten kann, schwebt über den Mitgliedern. zu-gruppen-und-themen/jehovas-zeugen «Ich wurde eine Verstossene der eigenen Familie, weil ich meine innere Freiheit suchte» – vom Leben in einer mennonitischen Gemeinschaft in Paraguay

Redaktionelle Bearbeitung: Susanne Schaaf

Roni Baerg wuchs mit ihren sieben Ge- Roni Baerg: Es war mir wichtig, in meinem war und ist der Verlust der Familie. Ich wur- schwistern in einer Mennonitenkolonie Buch vor allem über meine Erlebnisse zu de zu einer Verstossenen der eigenen Fami- in Paraguay auf. Der Alltag war geprägt schreiben und mich nicht ausschliesslich auf lie, nur weil ich meine innere Freiheit finden durch Armut und Entbehrung, harte die Mennoniten zu fokussieren. Ich möch- wollte. Gerne hätte ich losgelassen, aber Arbeit und Zwang. Mit 19 Jahren hei- te zudem betonen, dass es sich um meine ich konnte einfach nicht begreifen, dass ich ratete sie und wurde von ihrem men- persönlichen Erfahrungen in der Mennoni- nicht mehr zur Familie gehöre. Mein eige- nonitischen Ehemann kontrolliert und tengemeinde Neuland in Paraguay handelt ner Bruder sagte zu mir: «Wenn Du noch- misshandelt. Als sie sich nach vielen und diese Situation nicht mit derjenigen in mal auftauchst, wirst Du uns kennen lernen, Jahren innerer Kämpfe schliesslich europäischen Mennonitengemeinden ver- wehe Du sagst etwas, dann bist du Ge- wehrte, wurde sie aus der Gemeinschaft gleichbar ist. schichte». Das musste ich offenbar ins Ge- ausgeschlossen. Die meisten Famili- sicht gesagt bekommen, um zu begreifen, enmitglieder wandten sich von ihr ab. Wenn man unter einer Glasglocke, die die dass hier nicht mehr mein Zuhause ist. Heute Ihr blieb nur die Flucht. Ihre lange Lei- Mennoniten für mich waren, hervorkommt, ist mein Mann Bruno ein grosser Teil meiner densgeschichte, aber auch die schönen ist man mit allem in der realen Welt völlig Herzensfamilie. Als er von meinem Bruder Momente der Kindheit, beschreibt Roni überfordert. Seit meiner Flucht in die Schweiz bedroht wurde, zog ich den Schlussstrich. Baerg in ihrem Buch «Mit den Wolken reiste ich sicher zwölfmal mit der Hoffnung Dennoch hat mir das Zurückkehren Versöh- fliegen». Der folgende Text basiert auf auf Versöhnung wieder heim nach Paraguay nung mit vier meiner Geschwister gebracht, einer kommentierten Lesung im Rah- – und jedes Mal bin ich gescheitert und mit denen ich heute noch Kontakt pflege. men einer Veranstaltung von infoSekta. musste feststellen: Es gibt tatsächlich kein Zurück mehr. Für die Lesung habe ich Pas- sagen ausgewählt, die aufzeigen, dass ich Menschen zurücklassen musste, die ich sehr geliebt habe und sehr liebe. Das Schwerste 18 «Ich wurde zur Verstossenen in der eigenen Familie»

Verstehen, warum Menschen ihr eigenes Fleisch und Blut verstossen Reise in die Vergangenheit: «Pa, wir ma- Auf der Suche nach dem Ort, Ich möchte nun vom heftigen Teil wegkom- chen uns auf den Weg nach Brasilien. wo alles begann men und einen Abschnitt lesen, der einen Wir wollen Witmarsum und den Krauel «Ich glaube schon, Pa. Du hast mir viel Einblick in meine Suche nach der Vergan- suchen. Ich will die Stelle finden, wo du erzählt. Bruno und ich finden den Fluss genheit gewährt. Meine Eltern sind in einer geboren bist». Pa schaut mich fragend sicher». «Roni, denk daran, es ist die Mennonitenkolonie in Brasilien geboren an und denkt kurz nach. Dann sagt er: Stelle, wo der Cambará in den Krauel und von dort zu den Mennoniten in Paragu- «Ich bin nicht mehr dort gewesen. Ich fliesst, dort habe ich gefischt. Orien- ay gezogen, die viel strenger und geschlos- hatte nie mehr die Gelegenheit. Weisst tiere dich an der Brücke, die den Fluss sener leben als die Mennoniten in Brasilien. du überhaupt, wo das ist? Glaubst du, überquert. Sie wurde von den Menno- 2010 reiste ich zusammen mit Bruno nach du findest den Krauel?» niten gebaut. Da fällt mir noch ein, es Brasilien, um vor Ort zu recherchieren. Ich gab da eine Familie Grazmik. Mit de- wollte meine Vergangenheit verstehen, um nen verkehrten meine Eltern. Vielleicht zu erkennen, wie es für mich weitergehen Mein Vater ist mittlerweile verstorben. leben die noch dort.» Dann nehmen sollte. Ich wollte verstehen, was Menschen Er war mein einziger Anker in der Kind- wir Abschied. Ich drücke meine Eltern durchgemacht haben müssen, damit sie an heit, weil er den mennonitischen Glauben fest an mich und bin froh, den Ort mei- einen Punkt gelangen, an dem sie ihr eigenes nie akzeptiert hatte. Im Innern blieb er im- ner Kindheit und die Probleme, die wie Fleisch und Blut verstossen. Das Buch be- mer weltlich und litt daher auch sehr viel. Aasgeier über diesem Ort schweben, ginnt mit dieser Brasilienreise. Mit den Jahren versank er komplett im wieder hinter mir zu lassen. Als ich Alkohol. mich auf dem Hof nochmal umdrehe, sehe ich, wie mein Vater in Gedanken versunken unter dem Schattendach 18 19 «Ich wurde zur Verstossenen in der eigenen Familie»

Durch sein Leiden und seine Rebellion ge- steht und uns nachblickt. Ich werde dir gen die Mennoniten habe auch ich später auch nach Menschen aus der dama- alle Antworten bringen, Pa. Und auch rebelliert, weil er es mir vorgelebt hatte. Da- ligen Zeit suchen, die nie weggezo- mir, denke ich mit Tränen in den Au- her war ich überzeugt, dass ich an seinem gen sind, wie Kornelius und Margret, gen. Ich werde mich auf die Suche nach Geburtsort die wichtigen Antworten finde auch Nicolai und Anganeta und viele mir selbst machen. (...) Wir erreichen und mir selber näher komme. So kamen wir andere Mennoniten. Nachdem Bru- das Departement Santa Caterina und also im Dorf Witmarsum an, benannt nach no weggefahren ist, beziehe ich mein halten zuerst im Dorf Ibirama an. Hier dem gleichnamigen holländischen Geburts- Zimmer. Es ist sehr einfach und unbe- beginnen wir, die Menschen nach dem ort von Menno Simons, nach dem wieder- heizt. Draussen sind es nur neun Grad, Krauelfluss zu fragen, doch niemand um die Mennoniten benannt wurden. Bru- und so wie es aussieht, können wir kennt ihn. Deshalb suchen wir im In- no und ich trennten uns für ein paar Tage, die Sonne die nächsten Tage verges- ternet nach dem Fluss. Endlich finden weil ich alleine recherchieren wollte. sen, denn der Himmel ist mit dicken wir den Rio Krauel und Bruno zeichnet Wolken verhangen. Zum Glück habe eine Karte seines Verlaufs. Ich verspü- Ich zog die Decke ich den warmen Schlafsack aus dem re eine unbeschreibliche Erleichterung, schützend an mich Auto genommen. Den werde ich jetzt als ich den Plan in der Hand halte und Ich packe im Auto alles zusammen, dringend brauchen. Als ich mich aufs mir bewusst wird, wie nahe ich meinem was ich für fünf Tage benötige, und Bett setze, spüre ich, dass mein Hals Ziel bin. verabschiede mich von Bruno. Bei schmerzt und eine Grippe im Anzug dem, was ich jetzt vorhabe, ist es ist. Ich schliesse die Augen. Mein Kopf besser, wenn ich ohne ihn unterwegs ist so voll und meine Arme und Beine Ich wollte schon immer den Geburtsort mei- bin. Ich will nicht nur den Ort besu- fühlen sich bleischwer an. Es überfällt nes Vaters aufsuchen. Denn dort hat alles chen, an dem Pa geboren ist, sondern mich das starke Bedürfnis, ganz lange begonnen, dort hat sein Leiden begonnen. 20 «Ich wurde zur Verstossenen in der eigenen Familie»

zu schlafen. Ich denke an das Zimmer stritten so viel, meine Eltern. Ma weinte Von den Verfolgten zu den meiner Kindheit. Mein Bett stand an und Pa sprach mit seiner lauten Stim- Unterdrückern der Ostseite des Hauses. Weil wir kei- me auf sie ein: «Ihr seid alle so verlo- «Wiedertäufer» wurden sie von der nen Strom hatten, gingen wir immer gen! Immer hinten durch! Immer hinter katholischen und lutherischen Kirche sehr früh schlafen. Ich schlief gerne auf meinem Rücken!», schallte es ins Zim- genannt, im 16. Jahrhundert ein üb- dem Bauch. Dabei drehte ich die Beine mer. Die Zimmertür war aus Holztäfer, les Schimpfwort für eine Gruppe von so, dass die Füsse nach innen gewinkelt ganz dünn und hellblau gestrichen. Menschen, die sich gegen die Aus- waren und sich die Zehen berührten. Nachts bei Neumond wirkte sie wie ein beutung von Kirche und Staat wehr- Diese Position fand ich unglaublich ent- schwarzes Loch, das mich zu verschlu- ten, die die Kindertaufe ablehnten, die spannend. Der Kopf lag seitwärts, so, cken drohte. Ich kauerte mich zusam- Taufe im Erwachsenenalter einführten dass das linke Ohr nach oben zeigte. men, zog die Decke schützend an mich und sich für einen demütigen und bi- Die Arme lagen im Winkel nach oben, und schlang meine kleinen Arme um beltreuen Glauben starkmachten. Die wie bei einem Baby. Ein Kissen brauch- meine Beine. So schlief ich manchmal Wiedertäufer waren allen ein Dorn im te ich nie, das stellte ich neben das sitzend ein und rutschte mit der Zeit Auge, die Katholiken wie die Luthera- Bett. Die Kissen machte meine Ma. Die auf die Seite, zusammengekrümmt wie ner fühlten sich durch sie bedroht. Sie Entendaunen waren so fest in den Be- ein Tier, das Schmerzen hat. wurden des Aufruhrs beschuldigt und zug gestopft, dass man sie wie Skulp- man verfolgte sie, es drohte ihnen die turen aufstellen konnte. Diese Erinne- Todesstrafe. Viele starben den Märty- rungen lassen mich schmunzeln. Ich So ging ich also ins Dorf und traf auf ein Mu- rertod. Ständig auf der Flucht vor den frage mich, wann ich diese entspannte seum. Im Museum stiess ich auf viele alte Fo- Obrigkeiten verbreiteten sich die Wie- Schlafstellung aufgegeben habe. Sie tos. Lange blieb ich in diesem Raum stehen dertäufer über weite Teile Europas. 21 und dachte an die Zeit, wie alles begann. «Ich wurde zur Verstossenen in der eigenen Familie»

Erst Menno Simons aus Holland, ein sie den Fotografen an. Es läuft mir kalt und ernannte Wehrlosigkeit zum Got- katholischer Priester, der sein Priester- den Rücken hinunter, wenn ich daran tesgebot. Er lehnte jegliche Gewaltan- amt mit vierzig Jahren aufgab, schaffte denke, dass diese Personen die Grauen wendung ab und verlangte vom Staat es, die Wiedertäufer wieder zusam- und Hungersnöte der Russischen Re- die Befreiung vom Militärdienst. Treue menzubringen. Deshalb nannte man volution erlebt haben und von Russ- und unbedingter Gehorsam der regie- die Gruppe bald «Mennoniten». Was land über Deutschland nach Brasilien renden Obrigkeit und auch den Ältes- am Anfang eine Beleidigung sein sollte, flüchten mussten. Ich sinne darüber ten gegenüber, die als von Gott einge- wurde später der offizielle Name der nach, wieso Menno Simons die Wie- setzt galten, wurden zur Pflicht eines Glaubensgruppe. Jetzt stehe ich hier dertäufer zu Pazifisten erklärte. Hätten jeden Christen. in diesem Raum mit den vielen Fotos. sie sich mit Waffengewalt gegen die Ich verspüre eine grosse Einsamkeit Verfolgungen aufgelehnt, hätten sie Verbannung aus der Gemeinschaft und auch eine grosse Leere, während als kleine Gruppierung Andersdenken- – Fluch und Segen zugleich ich in die einzelnen Gesichter blicke. der keine Chance gehabt. Deshalb kam Über ungehorsame Gemeindeglieder Die Gesichtszüge sind hart, einige wie Menno Simons auf die Idee, die Glau- verhängte man einen Bann. Der Bann aus Stein gemeisselt. Der Ausdruck bensgruppe zu Kriegsverweigern zu er- bedeutete eine vollständige Isolierung der Augen ist oft leer, als ob der Blick klären. Dogmen mussten her, die sie als der Geächteten. Die betroffenen Per- hängen geblieben ist in einer anderen Gemeinschaft einten und schützten. Sie sonen wurden aus der Gemeinde aus- Welt, als ob ihnen die Kraft fehlt, sich dienten aber auch dazu, die Gläubigen gestossen und den Gemeindegliedern der neuen Welt zuzuwenden. Die Kin- in der Gruppe besser zu kontrollieren. war verboten, mit den Verstossenen der auf den Fotos sehen aus wie kleine Menno Simons verurteilte den bewaff- religiösen, geschäftlichen oder irgend- Erwachsene. Ernst und müde blicken neten Kampf gegen jegliche Obrigkeit einen anderen Verkehr zu pflegen, ja 22 «Ich wurde zur Verstossenen in der eigenen Familie»

Grosse Familie, aber keine ihn auch nur zu grüssen. Selbst die Fa- nicht mehr teilen will und mich ge- Geborgenheit milienangehörigen mussten sich vom gen körperliche und seelische Miss- Das Buch könnte hier eigentlich zu Ende Geächteten distanzieren. Die Dogmen handlung auflehnte, das tut weh, sehr sein. Aber nach dieser Erkenntnis ging es sind schuld daran, dass ich heimatlos weh. Es ist ein Schicksal, das ich heu- erst richtig los. Es war die grosse Liebe zu bin. Die Verbannung aus der Gemein- te mit allen verstossenen Mennoniten meinem Vater, die mich immer wieder zu- schaft, das wurde mein Fluch. Oder auf der Welt teile. Auch wenn die rücktrieb, mich immer wieder heimgehen ist es mein Segen? Das ist die Frage, Ältesten in der Glaubensgruppe nicht liess. Ich dachte, solange mein Vater lebt, die ich mir heute stelle. Meine Schei- so hart durchgreifen können wie frü- tue ich mir das an – er ist es mir wert. Meine dung wurde zur Sünde erklärt, auch her, bleibe ich eine Verstossene in mei- Kindheit war sehr schlimm. Mein Vater trank wenn sie mein Leben rettete. Sie war nem Heimatland. Ich werde geduldet. oft und viel, wurde in seiner Trunkenheit der Grund, dass ich verstossen wurde. Ich darf meine Eltern sehen. Aber wie immer sehr laut und suchte Streit. Meine Es gibt kein Zurück mehr. Nun werde lange noch? Diese Dogmen lassen Mutter betete still für sich alleine und pro- ich gemieden. Menschen wechseln mich aber auch erkennen, dass vieles, bierte verzweifelt, mit ihrer Depression und die Strassenseite und tun so, als ob sie was ich in meinem Leben bis jetzt als Essstörung klar zu kommen, sah ihre Kinder mich nicht mehr kennen, auch wenn Wahrheit empfunden habe, eine Lüge nicht mehr. Das hat mein Leben sehr stark ich jahrelang neben ihnen in der Schul- ist. Und diese Erkenntnis macht mir den geprägt. Um diese Not zu schildern, möchte bank gesessen habe. Von der eigenen Weg frei in ein neues Leben, mein Le- ich folgende Stelle lesen: Mutter, von den eigenen Geschwis- ben, das ich bestimme. tern und von den besten Freunden wie Sobald es dunkel wurde, mussten wir eine Aussätzige behandelt zu werden, schlafen gehen. Das war meistens gleich nur weil ich ihre Glaubenseinstellung nach dem Abendessen. Ma schickte uns 23 «Ich wurde zur Verstossenen in der eigenen Familie»

Wir waren acht Geschwister, Mutter und noch aufs Plumsklo. Meistens musste Vater und immer Arbeiter im Haus. Wir besser hören, als wenn mein Kopf auf Ruth mit der Taschenlampe mitkommen waren auch eine grosse Familie. Aber Ge- der Matratze lag. Der Teppich war aus und uns den Weg leuchten. Wir gingen borgenheit gab es nur in diesem Lied. alten Nylonstrümpfen, Socken und nie ohne Taschenlampe vors Haus, denn Stoffresten gehäkelt. Ma hatte ihn in es konnten überall Viecher herum- Ich schluchzte nur still vor mich hin der ruhigen Winterzeit gemacht. Ich krabbeln, Schlangen, bis zwanzig Zenti- Ich war ganz still, hörte ihr zu und schlang die Arme um meine Beine, so meter lange Hundertfüssler und Skorpi- fühlte mich wohl. Als ich aus dem Klo fühlte ich mich geschützter. Still sass one. Ruth sang oft. Und während wir herauskam, schob ich vertrauensvoll ich da und lauschte angestrengt nach Pippi machten, sang sie oft das Lied von meine kleine Hand in die ihre und wir draussen. Ruth war nicht zuhause, und Peter Alexander: Wir sind eine grosse liefen zurück. Dieses Lied war für mei- Ricarda schlief schon. Oder tat sie nur Familie, jeder braucht jederzeit irgend- ne kleine verängstigte Kinderseele die so? Plötzlich hörte ich, wie Pa aufstand wo Geborgenheit und die finden wir schönste Therapie, und ich habe es nie und laut schrie: «Wenn du jetzt nicht bei uns daheim. Unser Haus ist nicht vergessen. Es ist mir immer wieder in endlich darauf antwortest, dann schla- gross, aber immer ist was los, denn wir den Sinn gekommen, auch Jahre spä- ge ich…» Mit einem Satz sprang ich auf sind ein fröhlicher Verein. Wir sind eine ter, als mir der grösste Teil meiner Fami- und lief raus. Ich sah Pa mit erhobener grosse Familie, wir gehören zusammen, lie den Rücken zugekehrt hatte. Auch Hand vor Ma stehen. In der Hand hielt hier ist keiner allein. Wir sind eine gros- dann machte mir dieses Lied Mut, an er seine grosse weisse Porzellantasse, se Familie, und wir wollen es bleiben, die Liebe zu glauben. Abends stritten die er drohend hin- und herschwang. das wird immer so sein. Pa und Ma wieder. Ich kroch aus dem Ma schaute ihn nur an. Ich stellte Bett, setzte mich auf den Teppich und mich zwischen sie. Mein Kopf reich- lehnte mich ans Bett. So konnte ich te knapp bis zu seiner Gürtelschnalle. 24 «Ich wurde zur Verstossenen in der eigenen Familie»

Aus vollem Hals schrie ich: «Bevor du in meinem Herzen, dass ich sie immer in den Himmel. Überall dort fühlte ich sie anrührst, musst du mich erst um- beschützen würde, so lange ich lebe. mich zuhause. Es gab so viel zu beob- bringen.» Verwundert blickte er auf achten und ich hatte den Eindruck, die mich herab, liess langsam seine Hand Das konnte ich schliesslich nicht. Zeit anhalten zu können. Manchmal sinken und fing an zu weinen. Dann schlich ich mich aufs Feld zu den Me- stellte er seine Tasse aufs Fenstersims Ein Stück Geborgenheit lonen, dann pflückte ich eine kleine neben seine Patronenhülsen und ver- in der Natur Melone von der Staude und setzte mich liess schluchzend das Haus. Ich ging zu Es war so schwer zuhause: die viele in den heissen Sand. Ich schüttelte sie Ma. Ich wagte nicht, sie zu umarmen. Arbeit, die traurige Mutter und der be- so lange, bis ich hörte, wie sich drin- Ich schluchzte nur still vor mich hin, die trunkene Vater, der immer so schnell nen die Kerne lösten. An einem Ende Augen voller Tränen blickte ich sie an. ausrastete. Ich war viel zu klein, um biss ich sie auf und schwenkte die Me- Sie sah blass aus. Sorgen und Kummer zu verstehen, was wirklich abging. lone, damit die Kerne samt dem Saft gruben die ersten Falten in ihr Gesicht, Deshalb verbrachte ich jede Minute, raustropften. Dann brach ich sie aus- doch sie weinte nicht. Ihr braunes Haar, in der ich nicht arbeiten musste, in der einander und ass sie. In der Natur war das sie mit Haarkämmen streng nach Natur. Versteckt hinter gross gewach- ich losgelöst, losgelöst von seelischen hinten steckte, hatte an Glanz verloren. senen Zinnien malte ich mit meinem Schmerzen, die Natur wurde meine Ihre Lippen waren von Trauer umgeben Finger Bilder in die Erde. Hinter den Fluchtstation. Wenn ich in den Himmel und von etwas anderem, das ich heute abgelegensten Obstbäumen betrach- blickte und den Wolken zuschaute, wie Resignation nennen würde. Während tete ich Bienen und Regenwürmer. Auf sie an mir vorbeizogen, vergass ich Zeit ich vorsichtig meine kleine Hand auf ih- versteckten Wildwiesen und kleinen und Ort. Ich bewunderte ihre Formen ren Oberschenkel legte, schwor ich tief Buschlichtungen lag ich und schaute und Figuren, die sie vor mir malten und 25 «Ich wurde zur Verstossenen in der eigenen Familie»

Eine wichtige Entscheidung die sich ständig veränderten. Ich stell- fürs Leben meisten Kraft gab. Für mich stimmte die te mir vor, dass eine Wolke anhalten, Als Jugendliche merkte ich immer deutlicher, Vorstellung, dass Gott der Schöpfer der zu mir runterfl iegen und mich mitneh- dass das, was die Mennoniten erzählten, für Natur und der Menschen war. Ich woll- men würde in eine Welt, in der es keine mich nicht stimmte, dass etwas faul dran te ein bewusster Teil dieses Kreises von Grausamkeiten mehr gab. In eine Welt, war. Ich hatte ein einfaches Verständnis Werden und Sterben sein. Und deshalb in der ich keine Angst zu haben brauch- von Glaube und von Gott: für mich fi ngen war es für mich das Logischste auf der te. Das wünschte ich mir. Ich war mir Himmel und Hölle im Herzen der Menschen Welt, dass ich nur aus reinem Dank in sicher, dass das eines Tages geschehen an. Die Mennoniten führten riesige Bekeh- die Kirche eintrat. würde. Dann würde ich mich in die rungszeremonien durch, alles lief extrem weiche Wolke hineinlegen und einfach emotional ab. Sie erzählten vom Himmel mitfl iegen. Sie würde schon wissen, wo oben und von der Hölle unten. Als Teenager Ich kannte ja nichts anderes, es gab für mich es diesen Ort gab. Das war ich mir ganz wusste ich, dass ich eine wichtige Entschei- nur die Kirche und das, was in der Schule sicher. dung für mein Leben treffen musste. gelehrt wurde. Was in der Schule vermittelt wurde, war von den Mennoniten kontrol- liert. Ich hatte keinen Zugang zu bestimm- Dieser Kindheitstraum ist später in Erfüllung Mit 14 Jahren entschied ich mich, Men- ten Themen wie z.B. zur Evolutionstheorie gegangen, mit meiner Flucht in die Schweiz. nonitin zu werden und mich taufen und zu vielen anderen Bereichen. Es war keine Wolke, sondern ein Flugzeug, zu lassen. Die Entscheidung war für das über den Wolken fl og. mich nichts Emotionales, sondern eine Schlussfolgerung aufgrund meiner Er- fahrungen. Es war die Natur, die mir am 26 «Ich wurde zur Verstossenen in der eigenen Familie»

Mennonitische Taufe fühlen sollte. Ich wollte doch ein selbst- Mücke, die zerdrückt wird, während trotz grosser Zweifel bewusster und stolzer Mensch sein. So ich ihre Fragen beantwortete. Die letzte Doch bevor man getauft wird, muss war es klar, dass ich viele Fragen stell- Frage werde ich nie vergessen. Sie wur- man bei den Mennoniten in der Kirche te. Der Leiter des Taufunterrichts fand, de von dem Prediger – ich nenne ihn den Taufunterricht besuchen. Immer ich sei noch nicht so weit, ich sei noch immer den Prediger mit dem verschim- wieder kam es vor, dass ich mit dem zu wenig reuig. Deshalb stellte ich kei- melten Brot – gestellt. Taufunterricht nicht einverstanden war. ne Fragen mehr, und wollte nur noch Das hochemotionale Bekehrungserleb- den Unterricht hinter mich bringen, um nis, das man haben musste, um sich endlich getauft zu werden. Ich würde Es gibt im Buch eine vorgängige Geschich- Christ zu nennen, das war mir nicht die Denkart der Mennoniten sowieso te. In der Umgebung der Kolonie Neuland geheuer. Und was ist, wenn die eu- nicht annehmen, das war mir damals wohnten Indianer. Die Mennoniten hatten phorischen Gefühle vorbei sind? Bin schon klar. Eine Woche vor dem Tauf- sich deren Land angeeignet und dort ihre ich dann ein schlechterer Christ, fragte fest musste man sich als Täufling vor Kolonie aufgebaut. Die Indianer siedelten ich mich. Auch die Erklärung, dass der der gesamten Predigerschaft präsen- sich um die Kolonie an und fingen an zu Himmel oben und die Hölle unten sein tieren und erklären, weshalb man sich betteln. Sie gingen von Haus zu Haus, weil sollte, war für mich nicht stimmig. Für taufen lassen wolle. Es war wie eine sie keine eigene Existenzgrundlage mehr mich war Hölle und Himmel im Herzen mündliche Prüfung. Danach beschlos- hatten. Ich war bei dieser Predigerfamilie oft jedes Menschen und abhängig von sei- sen die Prediger, ob man jetzt so weit zum Spielen. In der Küche lag verschimmel- ner positiven oder negativen Lebens- war, dass man getauft werden konnte. tes Brot, und der Prediger sagte zu seiner einstellung. Auch fand ich es schlimm, Es waren mehr als sieben Prediger im Frau, sie solle es den Indianern geben, das dass man sich als schlechter Sünder Raum. Ich fühlte mich wie eine kleine sei gut genug für die. Deshalb habe ich dem 27 Prediger diesen Namen gegeben. Er stellte «Ich wurde zur Verstossenen in der eigenen Familie»

mir im Rahmen der Unterredung diese zwar nichts verstanden, realisierte aber, grundlegende Frage. ihre Erziehung war bei mir gescheitert. dass es rund um das Mennonitenland eine Nach dieser Antwort sagten sie mir, Welt gibt, die mich faszinierte und die ich dass ich draussen warten solle. Wie unbedingt kennenlernen wollte. Mein gros- «Wie kommt es, dass du Christ sein habe ich gezittert. Wie erleichtert war ser Traum war es, Künstlerin zu werden. willst, auch wenn dir zuhause von ich, als ich nach der Besprechung der Ich hatte die kindliche Vorstellung, richtig deinem Vater etwas ganz anderes vor- Predigerschaft den Bescheid bekam, malen zu lernen, mit Menschen zu malen gelebt wird?» «Weil ich Gott liebe», dass sie mich trotz der frechen Antwort und ihnen durch Malen zu helfen. Dass ich antwortete ich ihm. Darauf meinte taufen würden. damals den Beruf Kunsttherapeutin mein- er: «Das ist sehr schön, und als Christ te, wusste ich natürlich nicht. Heute bin ich hast du ja auch einen Vater, der dich Kunsttherapeutin (lacht) und sehr glücklich liebt, das ist der himmlische Vater.» Ich Faszinierende Welt ausserhalb mit meinem Beruf. Nach meiner sehr zu- schaute ihm direkt in die Augen und er- des Mennonitenlandes rückgezogenen Jugend – immer zuhause widerte: «Unser Pa liebt uns, vielleicht Ich liess mich also taufen und machte in gearbeitet, meiner kranken Mutter geholfen nicht so, wie ihr es hier für richtig hal- der Gemeinde mit, besuchte den Kirchen- – habe ich meinen ganzen Mut zusam- tet, aber ich habe einen Vater, der mich chor, war ein braves, anständiges Mädchen. mengenommen und zog in die Hauptstadt liebt.» Die Prediger waren alle still. Es Aber ich zog mich auch stark zurück, las Asunción. Dort begann ich ein Kunststudi- war eine Frechheit, ihnen zu widerspre- unglaublich viel und lernte. Schule war mir um … und bin jämmerlich gescheitert, weil chen. Mennonitische Mädchen schau- sehr wichtig. Was bringt es mir, mennoni- ich mit dieser Welt gar nicht klargekommen ten Männern nicht direkt in die Augen, tische Jungs kennenzulernen? Ich wollte bin. Ich wusste überhaupt nicht, wie ich und sie widersprachen nie, das hatte ja gar nicht dort sein. Beim Lesen stiess ich mich in dieser Welt bewegen sollte. Zudem mir Ma von klein auf beigebracht. Doch auch auf verbotene Lektüre, las im Magazin verstand ich nicht viel, weil ich nicht richtig Geo über die Evolutionstheorie. Ich habe Spanisch konnte. 28 «Ich wurde zur Verstossenen in der eigenen Familie»

Der Auftrag, mich zu züchtigen erträgliche Situation. Trotz all der seelischen Flucht bewerkstelligen sollte. Mein men- Mir wuchs alles über den Kopf. Ich musste und körperlichen Schmerzen versuchte ich, nonitischer Mann kontrollierte mein Geld, putzen gehen, um das nötige Geld zu ver- mein Studium zu beenden, und schaffte es und ohne Geld kommt man nirgends hin, dienen. Die Mennoniten waren natürlich auch. Schliesslich willigte ich ein, mit mei- kann sich nicht mal ein Busticket kaufen. gegen mein Studium, denn es braucht keine nem Mann in die Kolonie Neuland zurückzu- Die Kolonie Neuland liegt 500 km von der Künstler in der Kolonie Neuland, wo ich gross kehren. Meine Träume, jemals den Ausbruch nächsten grossen Stadt entfernt. Jahrelang geworden bin. Schliesslich erkrankte ich, zu schaffen, hatte ich begraben. Ich muss- habe ich in Gedanken die Flucht fantasiert weil ich zu viel gearbeitet hatte. In meiner te unheimlich viel in Kauf nehmen, auch und die Pläne wieder verworfen. Schliess- Not entschied ich mich, meinen damaligen vonseiten meiner Familie. Meine Familie lich sagte ich mir: Du musst dich einfach so mennonitischen Freund zu heiraten. Er stu- glaubte mir nicht, dass mein Mann so brutal benehmen wie die anderen mennonitischen dierte Elektronik in Asunción, und ich dachte, mit mir umging. Ihm kam es zu Ohren, Frauen, dann klappt das schon. er könnte die Brücke zu meiner Zukunft dass ich meiner Mutter von seiner Brutalität sein. Er war schliesslich eine Art Brücke in erzählt hatte. Daraufhin sperrte er mich re- Die Flucht meine Zukunft, aber gleichzeitig auch die gelrecht ein, kontrollierte meinen ganzen In dieser Nacht lag ich wach neben Brücke in mein grösstes Elend. Der Mann Alltag. Ich durfte meine Eltern nicht mehr Jakob. Stumm betete ich: Lieber Gott, entpuppte sich nach der Heirat als psychisch sehen, ohne dass er dabei war. Er kontrol- hilf mir, denn ich habe keine Kraft mehr. krank. Er hatte von den Mennoniten den lierte z.B. die Position meines Fahrrades, Hilf mir, dass er mich in Ruhe lässt, denn Auftrag erhalten, mich zu zähmen, zu züch- wie es genau stand, und wenn es am Abend ich will nicht, dass seine Hände mich tigen, gefügig zu machen, denn ich sei zu nach seiner Heimkehr anders stand, gab es berühren. Er schlief zum Glück ein, und frech, sage offen meine Meinung. Er nahm ein Riesentheater. Schliesslich wurde ich ich starrte in das Dunkel der Nacht. Al- sich den Auftrag sehr zu Herzen und ver- schwanger von ihm, verlor aber das Kind. les in mir bebte vor Angst. Würde alles suchte, mich auf allen Ebenen zu kontrollie- In meiner grossen Not dachte ich an Flucht, klappen oder würde es schief gehen? 29 ren und zu drangsalieren. Es wurde eine un- hatte aber keinerlei Idee, wie ich diese «Ich wurde zur Verstossenen in der eigenen Familie»

Ich wusste, dass ich am Morgen nur sich hin, ass seine Brotschnitten und mir und Pa in einem kleinen Rahmen zehn Minuten Zeit hatte, um ein paar trank seinen Nescafé. Dann fragte er: stand. Es zeigte mich als kleines Kind Sachen zusammenzupacken. Deshalb «Was machst du heute?» «Ich glaube, in Brasilien, als wir bei Fips Araukarien- ging ich in Gedanken die unter der Ma- ich sollte im Gemüsegarten das Kraut kerne gesäubert hatten. Daneben lag tratze versteckten Papiere durch und hacken», antwortete ich ruhig, während der Stein, den Pa mir geschenkt hatte. überlegte, was ich sonst noch dringend meine Augen auf den Teller starrten. Den Rahmen legte ich zu den anderen brauchen könnte. Irgendwann schlief Er stand auf, putzte seine Zähne und Sachen in die Tasche, den Lavastein ich kurz ein (…) Dann klingelte der ging zum Auto. «Bis später», sagte er, steckte ich in die Hosentasche. In dem Wecker. Es war Donnerstagmorgen, ohne mich richtig anzuschauen. Ich Moment hörte ich ein Auto auf den Hof der 28. Mai 1998. Ich stand wie immer war sehr erleichtert. Ich wartete fünf fahren. War es Jakob, der wieder zu- auf und ging als erstes raus zu meinem Minuten, dann ging ich zum Telefon rückkam? Hund. Ich gab ihm Futter und streichel- und wählte die Nummer von Michelle. te ihn. Es war noch dunkel. Die Sonne Sie hob ab: «Hallo». Darauf sagte ich Lesen Sie weiter auf: infosekta.ch/infos-zu- ging erst um halb sieben auf. Ich ging nur den Satz: «Ich bin so weit». «Ok, gruppen-und-themen/M/ wieder rein und machte das Frühstück mein Mann kommt sofort». Ich legte fertig, wie immer. Mein Magen brann- den Hörer auf, ging zum Bett, nahm te wie Feuer, und ich hoffte, dass ich die Tüte mit den Papieren unter der es wenigstens schaffen würde, eine Matratze hervor und steckte sie in die Roni Baerg. 2016. Schnitte Brot runter zu würgen, wenn Plastiktasche mit den Kleidern, die ich Mit den Wolken fliegen. Jakob zu Tisch kam. Halb sieben kam unter dem Bett versteckt hatte. Dann Bericht aus einem Jakob aus dem Schlafzimmer. Er setzte ging ich zum Kamin, wo ein Foto von fernen Leben. Basel: Zytglogge Verlag 30 Vorträge, Veranstaltungen, Öffentlichkeitsarbeit 2016

Zeugen Jehovas Juli/August 2016 Verschwörungstheorien 5. Februar 2016 Beratungen von infoSekta: viele 7. Februar 2016 Zeugen Jehovas. «Es war, als gäbe ich Anfragen zu den Zeugen Jehovas. In: Verschwörungstheorien 2.0: mein Hirn ab». In: Beobachter SozialAktuell Verführerischer Zündstoff. «Das normale Zusammengehörigkeits- In: Radio SRF3 gefühl erhalten» – schlichtweg falsch. Evangelikale Gemeinschaften Kommentar. In: Beobachter 19. Februar 2016 Jahresbericht 2015 infoSekta Eine neue Freikirche will Jugendliche 26. Mai 2016 26. Mai 2016 anlocken. In: Radio Fribourg Medienmitteilung zum Zeugen Jehovas beschäftigen infoSekta Jahresbericht 2015 wie noch nie. In: Tagblatt Zürich 17. Mai 2016 Zeugen Jehovas, Scientology, ICF: Mutter will Tochter vor Freikirche Anfragen bei infoSekta haben deutlich 22. Juli 2016 schützen. In: Zürcher Oberländer zugenommen. In: Basellandschaftliche Regionalkongress der Zeugen Jehovas Zeitung, Solothurner Zeitung, Aargauer 2016 in Zürich. 13. Dezember 2016 Zeitung Medienmitteilung der Fachstelle infoSekta, 6500 betende Teens – «Praise Camp 16» Jahresbericht 2015 der Fachstelle aufgenommen von kath.ch in Basel: Fluch oder Segen? infoSekta. In: kath.ch In: TagesWoche Nuovo aumento richieste di 23. Juli 2016 informazioni a Infosekta. Missionieren mithilfe der Krise: Jehovas In: giornale del popolo Antwort auf den Terror. In: Baselland- schaftliche Zeitung, Aargauer Zeitung 31 Vorträge, Veranstaltungen, Öffentlichkeitsarbeit 2016

27. Mai 2016 20. Juli 2016 14. November 2016 Mehr Anfragen bei infoSekta. Terror treibt Schweizer in die Arme Sinnsucher in den Bergen (Skanda In: Walliser Bote von Sekten. In: 20Minuten Vale). In: Südostschweiz Anfragerekord zu Zeugen Jehovas. In: NZZ August 2016 Vorträge und Fortbildungen Mehr Anfragen wegen Sekten in Familienstreit im grossen Tempel 20. und 21. Mai 2016 Graubünden. In: Südostschweiz (Iglesia ni Cristo). In: missioMagazin Zur Psychoanalyse sektenartiger Gruppen. 28. Mai 2016 9. September 2016 Seminar am Lacan Seminar Zürich infoSekta: Wo bleibt die Sektenland Schweiz. Die Welt der Religionsfreiheit bei Kindern in Sekten? Heilsversprechen. In: NZZ 22. September 2016 In: kath.ch Kulturelle und religiöse Einflüsse bei 16. September 2016 SchülerInnen und Eltern – Herausfor- Verschiedene Themen «Persönliche Details werden miss- derungen für die Schulsozialarbeit, 5. Januar 2015 braucht». In: Blick Erfahrungsaustausch und Entwicklung Wovor müssen wir uns in Acht von Handlungsansätzen. nehmen? In: TagesAnzeiger 22. Oktober 2016 Fachaustausch in einem kantonalen So mächtig sind Sekten in der Schweiz. Jugendamt 7. Mai 2016 In: Blick BEA Messeleitung gibt OK für Scientology. In: Radio Bern 1

32 Vorträge, Veranstaltungen, Öffentlichkeitsarbeit 2016

17. November 2016 30. November 2016 16. Dezember 2016 «Sektenhafte» Gruppen und Zur potenziellen Problematik Helferkonferenz einer KESB im Raum Bern umstrittene Freikirchen in Zürich – evangelikalen Glaubens. Phänomene, Problemsituationen. Vortrag für eine KESB im Raum Bern 16. Dezember 2016 Informationsanlass im Rahmen einer Sektenhafte Gruppen und Phänomene Fortbildung der Lehrpersonen einer 1. Dezember 2016 – Einblick in die Beratungsarbeit Zürcher Kantonsschule Kinder und Jugendliche in engen von infoSekta. christlichen Gruppen. Psychische Vortrag an einer Zürcher Kantonsschule 22. und 23. November 2016 Folgen und Möglichkeiten der Sekten. Zwei Themenabende im Intervention. Endzeitgemeinschaft Rahmen des Firmunterrichts einer der Zeugen Jehovas. Luzerner Kirchgemeinde Fortbildung an der PH St. Gallen für Fachpersonen (siehe 24. Nov.) 24. November 2016 Kinder und Jugendliche in engen 15. Dezember 2016 christlichen Gruppen. Psychische Strategien der Beeinflussung bei Folgen und Möglichkeiten der Inter- den Zeugen Jehovas. Beispiel vention. Evangelikale Gemeinschaften einer stark sektenhaften Gruppe. und christlich-fundamentalistische Veranstaltung an einer Schwyzer Sondergruppen. Fortbildung an der PH Kantonsschule St. Gallen für Fachpersonen aus den Berei- chen KJPD, KESB, SPD, Schulsozialarbeit, 33 Kinder- und Jugendpsychiatrie, Schulleitung Erfolgsrechnung 2016 2015

Ertrag Ordentlicher Betriebsertrag 79 702.00 69 667.80 Mitgliederbeiträge 4 750.00 4 050.00 Dienstleistungen 8 052.00 5 717.80 Beitrag Kanton Zürich 40 000.00 40 000.00 Beitrag Stadt Zürich 19 900.00 19 900.00 Beitrag andere Kantone 7 000.00 0.00 Ausserordentlicher Betriebsertrag 77 608.85 82 962.90 Gönner Privatpersonen 30 950.00 46 191.00 Spenden Privatpersonen 7 471.30 5 980.45 Juristische Personen 3 215.00 3 400.00 Politische Gemeinden und Kirchgemeinden 17 963.25 25 391.45 Projektbeiträge 18 009.30 2 000.00 Finanzertrag 1.20 12.00 Total Einnahmen 157 312.05 152 642.70

Aufwand Personalaufwand (inkl. Sozialversicherungen) 115 853.95 114 425.45 Übriger Personalaufwand 360.00 200.00 Raumkosten 21 693.00 24 023.15 Unterhalt, Reparatur, Sachversicherung, Entsorgung 2 776.60 1 430.25 Verwaltungsaufwand 14 527.85 9 154.50 Jahresbericht, Werbung und Anlässe 9 026.30 7 633.40 Abschreibungen 2 613.90 2 050.30 Finanzaufwand 312.80 322.95 Total Betriebskosten 167 164.40 159 240.00 Vereinsergebnis -9 852.35 -6 597.30 Total 157 312.05 152 642.70 34 Bilanz 31.12.2016 31.12.2015

Aktiven Flüssige Mittel 34 887.95 40 237.05 Forderungen 5 523.30 5 523.30 Mobile Sachanlagen 3 443.00 4 612.00 Aktive Rechnungsabgrenzung 2 275.00 1 400.00 Total Aktiven 46 129.25 51 772.35

Passiven Kurzfristige Darlehen 9 000.00 0.00 Rückstellungen für Projekte 0.00 9 509.30 Vereinsvermögen 29 458.60 39 310.95 Passive Rechnungsabgrenzung 7 670.65 2 952.10 Total Passiven 46 129.25 51 772.35

34 35 Anhang zur Jahresrechnung 2016 des Vereins infoSekta

1. Grundsätze der Buchführung 4. Abschreibungsmethode bisherige Mitarbeiterin wegen eines Inter- Der Verein orientiert sich in Bezug auf seine Der Verein praktiziert die degressive Ab- views in einer Tageszeitung und einer Rechnungslegung an den Fachempfehlun- schreibungsmethode, wobei jeweils 40 % Presseverlautbarung des Vereins im Unter- gen von Swiss GAAP FER. vom Restwert von Einrichtungen und Appa- suchungsstadium pendent. raten und 50 % vom Restwert der Bücher 2. Steuern abgeschrieben werden. 7. Gesetzliche Personalvorsorge

Mit Entscheid vom 29. Oktober 1991 hat 5. Bankkonto Prozessfonds Die gesetzlichen, beruflichen Für- und Vor- das Kantonale Steueramt Zürich den Verein sorgeverpflichtungen des Vereins gegen- unter dem Aspekt, dass er gemeinnützige Der Saldo dieses Bankkontos ist aus organi- über dem salarierten Personal sind durch Zwecke verfolgt, von der Staatssteuer und satorischen Gründen für allfällige Prozesse Versicherungsverträge mit einer Pensions- den allgemeinen Gemeindesteuern befreit. reserviert. kasse geregelt. Die Betriebs- und Nichtbe- Mit Entscheid vom 9. August 2013 hat das triebsunfallrisiken für das per Anstellungs- Kantonale Steueramt Zürich die Steuer- 6. Rechtsstreitigkeiten vertrag beschäftigte Personal sind durch befreiung des Vereins bestätigt. eine Versicherung abgedeckt. Es bestehen Das im letzten Berichtsjahr noch hängige keine Schulden gegenüber der Pensionskas- 3. Bewertungsgrundsätze Verfahren gegen den Verein konnte erwar- se und anderen Vorsorgeeinrichtungen. tungsgemäss mit einem Vergleich erledigt Die Bewertung der Aktiven und Passiven er- werden, ohne dass eine Behauptung als 8. Vorstand folgt grundsätzlich zu Nominalwerten. unwahr bzw. unsere Kritik als unberechtigt hätte zurückgenommen werden müssen. Der Vereinsvorstand arbeitet ehrenamtlich Derzeit ist ein Strafverfahren gegen unsere und unentgeltlich. 36 Revisionsbericht zur Jahresrechnung 2016

Revisionsbericht zur Jahresrechnung 2016 des Vereins infoSekta abgeschlossen per 31.12.2016 zuhanden der ordentlichen Mitgliederversammlung vom 30. März 2017

Die Revision der Jahresrechnung 2016 wurde am Montag, dem 14. März 2017 durch die Revisoren Urs Abt und Hansruedi Schelling unter Anwesenheit des Buchhalters Ferdinand Flammer nach allgemein anerkannten Revisionsgrundsätzen durchgeführt.

Für die Revision lagen folgende Unterlagen vor: • Erfolgsrechnung abgeschlossen per 31.12.2016, mit Vorjahresvergleich • Bilanz per 31.12.2015 • Bilanz per 31.12.2016 • Buchhaltung 2016 • Belege Bankverkehr und Kasse 2016

Aufgrund unserer eingehenden Analysen und Erhebungen sowie unserer umfassenden Stichproben sind wir zu den nachstehenden Konklusionen gelangt:

1. Die Buchhaltung ist ordnungsgemäss geführt. 2. Die Jahresrechnung stimmt mit der Buchhaltung überein. 3. Bei der Darstellung der Vermögenslage und des Geschäftsergebnisses sind die gesetzlichen Bewertungsgrundsätze eingehalten. 4. Nach planmässigen Abschreibungen in der Höhe von CHF 2 613.90 schliesst die Jahresrechnung mit einem Ausgabenüberschuss von CHF 9 852.36 ab. Durch die Verrechnung dieses Ausgabenüberschusses mit dem Eigenkapital verringert sich das Vereinsvermögen per Ende des Geschäftsjahres 2016 auf CHF 29 458.58.

Wir beantragen der Mitgliederversammlung, die vorliegende Jahresrechnung zu genehmigen und den Vorstand unter Verdankung seiner Leistung zu entlasten. Dem Buchhalter Ferdinand Flammer ist für seine grosse ehrenamtliche Arbeit ein herzlicher Dank auszusprechen.

Zürich, 14. März 2017

Die Revisoren: Hansruedi Schelling Urs Abt

36 37 Beilagen: • Bilanz per 31.12.2016 • Erfolgsrechnung für das Geschäftsjahr 2016 In eigener Sache

Wer wir sind Was wir wollen Was wir bieten infoSekta ist eine Fachstelle für Fragen im Ziel von infoSekta ist es, Transparenz zu pro- infoSekta arbeitet in vier Bereichen: Zusammenhang mit «Sekten» und verwand- blematischen Gruppen und deren Wirken ten Phänomenen. Der Verein wurde im zu schaffen. Die Einschätzung einer Grup- • Information Frühjahr 1990 unter Federführung des So- pe stützt sich auf kritische Analysen, Erfah- • Beratung zialamtes der Stadt Zürich gegründet und rungen von Betroffenen und das Selbstver- • Prävention und Öffentlichkeitsarbeit ist breit abgestützt auf Fachleute aus den ständnis der Gruppe. Die Religionsfreiheit • Fortbildung Bereichen Recht, Psychologie, Soziologie, ist durch die geltende Rechtsordnung ge- Psychiatrie, Sozial- und Jugendarbeit, Er- schützt, die Gesetze müssen auch von den wachsenenbildung, Religionswissenschaften besagten Gruppen eingehalten werden. Gönnerschaft und Medien. Wo dies nicht geschieht oder manipulative, unfaire Mittel eingesetzt werden, ist Kritik Die Gönnerschaft besteht aus Privatpersonen infoSekta informiert und berät Personen, erlaubt und notwendig. und juristischen Körperschaften wie politi- die direkt oder indirekt mit dieser Thematik schen Gemeinden, Kirchgemeinden, Firmen, konfrontiert werden. Die Fachstelle wahrt staatlichen Institutionen. Der Gönnerbei- die Interessen und den Persönlichkeitsschutz trag beträgt jährlich mindestens Fr. 100.– des Ratsuchenden. infoSekta ist konfessio- und berechtigt zum Bezug einer Gratisdo- nell unabhängig, was bei dieser Thematik kumentation nach Wahl. für viele Betroffene besonders wichtig ist.

38 Vorstand und Team

Susanne Schaaf Regina Spiess (bis Februar 2017) Geschäftsleiterin Projektleiterin lic. phil., Psychologin Dr. phil., Psychologin (bis Februar 2017)

Dieter Sträuli Jürg Treichler Claudia Schwager Präsident Vorstandsmitglied Vorstandsmitglied Dr. phil., Psychologe Lehrer und Elternbildner Sozialarbeiterin, MAS Management 39 im Sozial- und Gesundheitsbereich Buchhandlung im Volkshaus Stauffacherstrasse 60 8004 Zürich Telefon 044 241 42 32 Telefax 044 291 07 25 www.volkshausbuch.ch [email protected]

Politik, Psychoanalyse, Literatur

Marx, Freud, Jelinek

Lesungen, Buchvernissagen und Gespräche in der Katakombe 40

infoSekta Fachstelle für Sektenfragen Streulistrasse 28 CH-8032 Zürich

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