Achtung! Dies ist eine Internet-Sonderausgabe des Vortrags „Die historische Entwicklung der Zaza-Sprache“ von Jost Gippert (1996). Sie sollte nicht zitiert werden. Zitate sind der Originalausgabe in Ware. Pêseroka Zon u Kulturê Ma: Dımıli-Kırmanc-Zaza 10, 1996, 148-154 zu entnehmen.

Attention! This is a special internet edition of the paper “Die historische Entwicklung der Zaza-Sprache” [“The historical development of the ”] by Jost Gippert (1996). It should not be quoted as such. For quotations, please refer to the original edition in Ware. Pêseroka Zon u Kulturê Ma: Dımıli-Kırmanc-Zaza 10, 1996, 148-154.

Alle Rechte vorbehalten / All rights reserved: Jost Gippert, Frankfurt 1998-2011 DIE HISTORISCHE ENTWICKLUNG DER ZAZA-SPRACHE

Jost Gippert

(Vortrag vom 4. Mai 1996, Veyvê Kıtavu, Mannheim)

Ich darf mich kurz vorstellen: Mein Name ist Jost Gippert. Ich bin Professor für Vergleichende Sprachwissenschaft an der Universität Frankfurt; seit etwa einem Jahr beschäftige ich mich auch mit der Zaza-Sprache. Den Anlaß dazu gaben mir einige Personen, die auch hier anwesend sind, und denen ich bei dieser Gelegenheit sehr herzlich danken möchte: sie haben mich überhaupt erst darauf aufmerksam gemacht, daß in und um Frankfurt eine große Menge von Sprechern einer so interessanten Sprache lebt, wie die Zaza-Sprache ist. Seit einem Jahr versuchen wir nun, ge- meinsam die Grammatik dieser Sprache zu bearbeiten. Leider sind wir damit noch nicht so weit gekommen, daß ich diesen Vortrag in der Zaza-Sprache halten könnte; so muß ich beim Deutschen bleiben. Das Thema meiner Ausführung wird die historische Entwicklung der Zaza-Sprache sein, so wie sie sich aus der Sicht eines iranistischen Vergleichs darstellt. Das Zaza im iranistischen Vergleich zu betrachten, ist deshalb möglich, weil das Zaza eine iranische Sprache ist. Um zu erklären, was das bedeutet, muß ich etwas weiter ausholen.

Beginnen möchte ich mit einem Rück- sie keine iranischen Sprachen waren. Was nicht in Keilschrift geschrieben worden. blick auf eine Zeit, die in diesem Zu- meine ich damit? Tatsächlich stammen die Zeugnisse des sammenhang vielleicht etwas weit ablie- Avestischen gar nicht aus der Zeit, in der Darius selbst war ein Perser. Die gend erscheinen könnte, nämlich mit der es gesprochen wurde. Wir wissen jedoch, Sprache, die er sprach und die wir heute Zeit der persischen Großkönige, der daß vielleicht 100, vielleicht 300 Jahre, "altpersisch" nennen, ist eine ältere Vor- Achämeniden. Der Großkönig Darius bevor Darius die ersten Keilinschriften in stufe der heutigen Staatssprache des ergriff als Angehöriger dieser Dynastie die Felswand von Behistun meißeln ließ, Landes Iran, also des modernen oder im Jahre 522 .Chr. die Macht über das bereits ein Religionsgründer namens Neu-Persischen. Schon zur iranische Reich. Dieses Reich hatte zwar Zarathustra in dieser Sprache Texte ver- Achämenidenzeit, als Darius Großkönig auch zuvor schon bestanden, und es hatte faßt hat, die bis in die heutige Zeit über- wurde, gab es im iranischen Reich mit auch schon andere Personen aus der liefert worden sind, weil sie die Grundla- Sicherheit einige Sprachen, die sich vom Achämenidenfamilie als Großkönige gen für eine wichtige Religion darstellen. Altpersischen nur recht wenig unterschie- gesehen. Als Darius die Macht ergriff, Die zarathustrische Religion, .. die den. Vor den Achämeniden herrschten im machte er jedoch etwas anders als seine Religion, die Zarathustra begründet hat, Iran .. eine Zeitlang die Meder; die Vorgänger. Er ließ sich nämlich ein gro- erlangte im iranischen Reich unter den Sprache, die sich mit ihrem Namen ver- ßes Denkmal anlegen, und in diesem Achämeniden den Status der Staatsreli- bindet, ist das "Medische". Im Gegensatz Denkmal verewigte er sich selbst in gion, und sie hat diesen Status im we- zum Babylonischen und zum Elamischen schriftlicher Form. Abb. 1 zeigt dieses sentlichen beibehalten, bis der Islam nach dürfte diese Sprache dem Persischen so Denkmal, die große Felseninschrift von Persien kam, also bis ins 7. Jh. .Chr.; ähnlich gewesen sein, daß ein Sprecher Behistun in West-Persien, in einer im das ist insgesamt eine Zeitspanne von des Altpersischen sie ohne weiteres ver- vergangenen Jahrhundert veröffentlichten rund 1200 Jahren. Die avestischen Schrif- standen haben dürfte; deshalb können wir Abzeichnung. Was ist nun das besondere ten Zarathustras und seiner Nachfolger sie als eine iranische Sprache, als einen an diesem Denkmal? Auch viele andere kennen wir nun erst durch Handschriften, Schwesterdialekt des Altpersischen be- Könige haben sich Denkmäler gesetzt, die viel später geschrieben worden sind. zeichnen. Für das Babylonische und das und auch schon in der damaligen Zeit. Die ältesten, die noch existieren, stam- Elamische, die keinerlei Ähnlichkeit mit Das besondere am Denkmal von Behistun men aus dem 13. Jh. n.Chr.; in Abb. 3 ist dem Altpersischen aufzuweisen hatten, ist, daß es das erste Monument darstellt, ein kurzer Ausschnitt aus einer solchen galt dies nicht. auf dem persisch geschrieben worden ist. Handschrift dargestellt. Wenn man be- Es enthält damit die ältesten für uns Neben dem Medischen und dem denkt, daß Zarathustra vielleicht im 8. Jh. greifbaren Zeugnisse einer iranischen Altpersischen muß es zur gleichen Zeit, v.Chr. gelebt hat, dann sind die Hand- Sprache. Die Schrift, die verwendet wur- wie gesagt, noch einige weitere iranische schriften also 2000 Jahre später ge- de, ist die sogen. Keilschrift; Abb. 2 zeigt Dialekte auf dem Gebiet des iranischen schrieben worden, als die in ihnen enthal- einen kleinen Auszug, wieder eine Ab- Reiches und auch außerhalb davon gege- tenen Texte selbst verfaßt wurden. Die zeichnung, aus dem persischen Teil der ben haben, von denen wir größtenteils Handschriften geben uns trotzdem ein Inschrift. Der Text ist in insgesamt drei nur indirekt etwas wissen. Nur von einer sehr genaues Bild davon, wie die avesti- Sprachen gehalten; außer dem Altpersi- weiteren altiranischen Sprache haben wir sche Sprache geklungen hat, wie ihre schen sind dies das Babylonische und das eigene Zeugnisse. Das ist die Sprache, Grammatik gebaut war und was für Elamische, die für unsere Betrachtungen die wir "avestisch" nennen. Im Gegensatz Wortformen sie hatte, als sie noch ge- jedoch nicht weiter interessant sind, weil zum Altpersischen ist das Avestische aber sprochen wurde; d.h. in der Zeit, als

148 Zarathustra selbst lebte. Dadurch wissen Sprachgebiets war nicht identisch mit den Auf der Grundlage des aramäischen wir, daß auch das Avestische eine Spra- Grenzen des achämenidischen Reiches Alphabets ging man dennoch nach und che gewesen ist, die mit dem Altpersi- selbst, dieses dürfte aber im wesentlichen nach dazu über, auch iranische Sprachen schen sehr eng verwandt war, so daß es iranisch sprechende Völker und Stämme zu schreiben. Zeugnisse von geschriebe- sich als ein weiterer altiranischer Dialekt umfaßt haben. nem Parthisch aus der Arsakidenzeit ha- offenbart. ben wir, wie gesagt, nur in ganz gerin- gem Umfang. Sie beginnen erst in der Die in Abb. 4 wiedergegebene Karte Die Herrschaft der Achämeniden nächsten Epoche der iranischen Geschich- soll zeigen, welche Verbreitung die irani- dauerte nicht sehr lange. Schon 200 Jahre te in größerer Anzahl aufzutreten; das ist schen Stämme und die von ihnen gespro- nach Darius war sie beendet, und zwar die Epoche der Sassaniden. chenen Sprachen zur Zeit der Achämeni- durch den großen Siegeszug Alexanders den etwa gehabt haben. Das Stammgebiet des Makedoniers, den wir den “Großen” der Achämeniden selbst liegt im eigentli- nennen; er nahm nicht nur Persien ein, Die Sassanidenzeit, die mit dem chen "Persien", einem kleinen Gebiet im sondern auch alle anderen Länder, die König Ardaschir im 3. Jh. n.Chr. einsetzt, südwestlichen Iran, das hier als "Persis" vorher zum iranischen Reich gehört hat- bestand bis zum Eindringen des Islam, bezeichnet ist; in diesem Gebiet, aus dem ten. Mit Alexander war dann auch der d.h. bis zur Eroberung Persiens durch die Darius selbst stammte, wurde altpersisch Gebrauch der Keilschrift sofort zu Ende: Araber im 7. Jh. Aus dieser Zeit sind z.B. gesprochen. Nördlich der Persis lag Elam, Nach ihm wurden auf der Welt keinerlei Inschriften erhalten geblieben, die in ein Land, das die Perser erobert haben keilschriftlichen Texte mehr geschrieben, parthisch geschrieben waren. Daneben und in dem vor ihrer Eroberung das Ela- und auch keine altpersischen Texte. Und trat in der Sassanidenzeit aber zunehmend mische gesprochen wurde. Von dieser nach Alexander dauerte es einige Jahr- wieder eine andere iranische Sprache in Sprache wissen wir nicht sehr viel, zu- hunderte, bis überhaupt wieder iranische den Vordergrund, nämlich das Mittel- mindest nicht, ob es mit irgendeiner Sprachen geschrieben wurden: Erst nach- persische, das gewissermaßen die Zwi- anderen bekannten Sprache verwandt dem sich das sogenannte Partherreich aus schenstufe zwischen dem Altpersischen war; wir wissen aber mit Sicherheit, daß den Hinterlassenschaften des Alexander- der Achämenidenzeit und dem heutigen es keine iranische Sprache war. Noch reiches entwickelt hatte, entwickelte sich Neupersischen darstellt. Einige Inschrif- weiter nördlich, in Medien, dürfte das wieder eine iranische Sprache zu einer ten sind sogar nebeneinander in Parthisch Medische gesprochen worden sein. Dieses Staatssprache, nämlich das Parthische. und Mittelpersisch abgefaßt; die verwen- war, wie gesagt, die Sprache des Meder- dete Schrift beruht in beiden Fällen auf reiches, des ersten iranischen Reiches dem aramäischen Alphabet. Das Mittel- überhaupt; es war ein Schwesterdialekt persische ist in einer jüngeren Form dann des Altpersischen, aber wir wissen viel zu Auf der in Abb. 4 dargestellten Karte auch noch über die Islamisierung hinaus wenig darüber, als daß wir alle Unter- ist das Gebiet der Parther ziemlich zentral weiterverwendet worden, nämlich bei den schiede genau benennen könnten, die in Persien verzeichnet, etwa dort, wo die nicht zum Islam bekehrten Anhängern der zwischen diesen beiden Sprachen im Hauptstadt Irans, Teheran, liegt. Ob die zarathustrischen Religion, den “Parsen”; einzelnen bestanden. Parther in älterer Zeit genau in diesem Gebiet angesiedelt waren, können wir ihr Schrifttum ist um ein vielfaches um- Von Medien aus weiter nach Osten nicht mit Sicherheit sagen. Wir können fangreicher als das der Parther. Abb. 5 lag Parthien. Auch die Parther — über sie jedoch davon ausgehen, daß das Parther- zeigt ein typisches Beispiel für ein hand- wird nachher noch einiges zu sagen sein reich, das etwa vom 3. Jh. v.Chr. bis ins schriftliches Erzeugnis dieser sog. Buch- — sprachen eine iranische Sprache. Weite- 3. Jh. n.Chr. bestand und von der Dyna- pahlav¯ı-Periode. re iranischsprachige Gebiete oder, genau- stie der Arsakiden beherrscht wurde, sein er gesagt, Gebiete, von denen wir anneh- Zentrum im nördlichen Iran hatte. men müssen, daß dort seit alters irani- Schriftliche Zeugnisse des Parthischen Dennoch ist uns auch für das Parthi- schen Sprachen gesprochen wurden, sind haben wir aus dieser Zeit allerdings nur sche eine nennenswerte Menge von z.B. die Sogdiane im äußersten Osten, in äußerst geringem Umfang, da unter der Sprachmaterial erhalten geblieben, und Choresmien, Baktrien oder Arachosien. Reichsführung der Arsakiden größtenteils zwar wieder aus einem anderen Über- Iranische Dialekte müssen darüber hinaus auf griechisch geschrieben wurde — so lieferungszusammenhang. Diese Zeugnis- auch nördlich des Schwarzen und des wie man es unter Alexander gelernt hatte se geben uns zugleich deutliche Auf- Kaspischen Meeres verbreitet gewesen — oder aber auf aramäisch. Mit seiner schlüsse darüber, wie das Parthische (und sein, wo die Karte die Namen der Sky- Buchstabenschrift hatte nämlich auch das auch das Mittelpersische) in der Sassani- then und der Sarmaten nennt. Wir können semitische, mit dem Hebräischen nah ver- denzeit tatsächlich geklungen haben muß, das wiederum nur indirekt und aus ganz wandte Aramäische eine große Verbrei- da sie im Gegensatz zu den inschriftli- wenigen Zeugnissen schließen, die sich tung als Verkehrssprache im gesamten chen Denkmälern in einer anderen, die vor allem auf Orts- und Flußnamen be- vorderen Orient gefunden. Und so war es lautlichen Strukturen wesentlich genauer schränken. Wenn man auf einer russi- einfach eine Frage der Bequemlichkeit, abbildenden Schrift geschrieben wurden, schen oder einer ukrainischen Landkarte daß die Parther wie auch die anderen der sog. "manichäischen" Schrift. Diese Flußnamen wie Don, Dnjepr oder Dnjestr iranischen Stämme zunächst nicht dazu Zeugnisse stammen allerdings gar nicht lesen kann, dann sind das ursprünglich übergingen, für ihre eigene Sprache eine aus Persien. Sie wurden statt dessen in iranische Namen und nicht etwa russi- schriftliche Form zu schaffen; sie wickel- einem Gebiet gefunden, das weit jenseits sche. ten statt dessen sämtlichen Schriftverkehr der Grenzen Irans liegt; es gehört heute weiterhin in den zwei Sprachen ab, die zu China, ist dabei aber größtenteils von Damit dürfte die Verbreitung irani- sich für diesen Zweck bereits bewährt einem türkischen Stamm, den Uiguren, scher Stämme und Sprachen zur Zeit des hatten; eben das Griechische und das besiedelt. In deren Provinz Hsinkiang- Achämenidenreiches grob umrissen wor- Aramäische. Uigur, wo die Seidenstraße nördlich und den sein. Die Begrenzung des iranischen

149 südlich der großen Wüste Taklamakan Sanskrit und Prakrit, das ältere Chinesi- Zustand erhalten, daß man sie völlig voll- entlangführt, sind Anfang dieses Jahrhun- sche oder das später ausgestorbene To- ständig lesen könnte. Immer wieder feh- derts zahlreiche Klöster entdeckt worden. charische sind dort reichlich vertreten. len einzelne Stücke, zum Teil müssen die Diese Klöster waren, wie man jetzt weiß, Handschriften sogar erst mühsam wieder zur Sassanidenzeit teils von Buddhisten, zusammengesetzt werden, und einige teils von Zarathustriern, teils von Ma- Abb. 6 zeigt ein typisches Beispiel fehlende Fragmente sind überhaupt nie nichäern, d.h. Anhängern der manichäi- für ein manichäisches Handschriftenfrag- gefunden worden. Deshalb ist unser Wis- schen Religion, teils aber auch von Chri- ment, das aus der sog. Turfanoase sen über das Parthische wie auch über die sten benutzt worden; alle haben dort stammt. Es offenbart zugleich das große anderen mitteliranischen Sprachen, die Handschriften zurückgelassen, die von Problem, vor das diese Handschriften die wir aus diesen Funden kennen, noch den Archäologen ausgegraben wurden. Forscher stellen: Da sie etwa 1500 Jahre immer nicht wirklich umfassend. Wir Neben dem Parthischen und dem Mittel- zu überdauern hatten, bis man sie anfangs haben jedoch eine durchaus klare Vorstel- persischen sind uns durch diese Hand- dieses Jahrhunderts entdeckt hat, sind sie lung davon, wie Parthisch, Mittelpersisch, schriften noch weitere iranische Sprachen zum größten Teil nicht in einem solchen Sogdisch oder Sakisch oder auch andere wie das Sogdische und das Sakische iranische Sprachen in der Zeit des ersten erschließbar geworden, aber auch nicht- Jahrtausends n.Chr. geklungen haben. iranische Sprachen wie das indische

Was hat das nun alles mit dem Zaza und seiner sind auch die Sprachen Paratschi, , Paschto und Geschichte zu tun? Sehr viel; denn wie auch alle an- die Pamirdialekte angesiedelt: Die drei erstgenannten deren iranischen Sprachen, die heute gesprochen wer- werden in Afghanistan gesprochen, wobei das Paschto den, geht auch die Zaza-Sprache auf ein mitteliranische als die zweite Staatssprache des Landes gilt und oft Sprache zurück. Das heißt, vor tausend Jahren muß auch einfach als 4Afghanisch’ bezeichnet wird. Die eine iranische Sprache existiert haben, aus der sich das Pamirdialekte sind in Tadschikistan beheimatet, gehö- Zaza im Laufe dieser tausend Jahre bis heute historisch ren aber trotzdem in einem näheren Zusammenhang entwickelt hat. Ebenso muß das Zaza, weiter zurückge- mit dem Paschto als mit dem Tadschikischen. Eben- hend, auch vor 2000 Jahren, vor 3000 Jahren oder vor falls in Tadschikistan finden wir das Yaghnobi, das 4000 Jahren bereits (altiranische) Vorstufen gehabt jedoch etwas weiter absteht. Ganz zum Schluß ist das haben, auf die es im Sinne einer kontinuierlichen histo- Ossetische genannt, das nun wiederum im äußersten rischen Entwicklung zurückzuführen ist. Nordwesten des iranischen Sprachraums anzutreffen ist, nämlich mitten im Kaukasus (Abb. 8 zeigt die Ver- In Abb. 7 habe ich versucht, diese anzunehmende teilung der heutigen iranischen Sprachen noch einmal Entwicklung rein schematisch in einem "Stammbaum" im Kartenüberblick). darzustellen. In diesem Stammbaum sieht man zu- nächst in der obersten Reihe die heute existierenden Die Skizze in Abb. 7 soll nun, wie gesagt, einen iranischen Sprachen. Es beginnt ganz links mit dem Stammbaum darstellen: Mithilfe der Linien, die hinab- Neupersischen, also der Staatssprache Irans. Anschlie- führend oder, wenn man andersherum schaut, hinauf- ßend sind zwei Sprachen aufgeführt, die mit dem Persi- führend angeordnet sind, sollen historische Zusammen- schen besonders eng verwandt sind und, wenn man so hänge und Abhängigkeiten abgebildet werden. So sind will, als seine Dialekte angesehen werden können; das in der zweiten Reihe diejenigen Sprachen angeordnet, sind das in Afghanistan und das Tadschiki in Tad- die wir der mitteliranischen Epoche zuweisen, d.h. schikistan. Es folgt eine Sprache namens Tati, die vom Sprachen, die etwa zwischen dem 2. Jh. v.Chr. und Persischen schon etwas weiter entfernt steht; sie wird dem 8./9. Jh. n.Chr. gesprochen wurden. In diese Epo- z.B. im Kaukasus gesprochen, aber nur von sehr klei- che fällt zum einen das Mittelpersische, das ganz links nen Gemeinschaften. Als nächstes ist eine Gruppe von angeordnet ist, weil es als eine Vorstufe des Neupersi- fünf Sprachen angeführt, zu denen ich auch das Zaza schen und seiner Schwesterdialekte gelten kann; es zähle. Diese Gruppe beginnt mit dem Talyschi, einer vertritt den “südwestiranischen” Zweig. In dieselbe iranischen Sprache, die an der südwestlichen Küste des mitteliranische Zeit fällt, wie gesagt, auch das Parthi- Kaspischen Meeres gesprochen wird. Es folgen das sche, das jedoch einem anderen Entwicklungsstrang Kurdische und das Zaza, die die westlichsten Vertreter angehört, nämlich demjenigen Zweig, zu dem u.a. auch der iranischen Sprachfamilie darstellen. Das nächste das Zaza zu stellen ist und der “nordwestiranisch” ge- Feld umfaßt die sogenannten "kaspischen Dialekte", nannt wird. Als weitere mitteliranische Sprachen aufge- die innerhalb Irans südlich des Kaspischen Meeres führt sind das Sakische, welches seinerzeit im äußer- angesiedelt sind; zu benennen wären z.B. die Namen sten Osten des iranischen Sprachgebiets gesprochen Semn¯an¯ı, Gil¯an¯ı, ¯azandar¯an¯ı. Den Abschluß der worden sein dürfte, dann das Baktrische, das irgendwo Gruppe bildet das Balutschi, das heute zum größten im heutigen Afghanistan zu lokalisieren war, und das Teil im südlichen Pakistan verbreitet ist, also weit im Sogdische, das in der Sogdiane, im Nordosten des Osten des iranischen Sprachgebiets. Weit im Osten

150 iranischen Sprachgebiets beheimatet war; sie alle sind Mit dem Zaza ist es in dieser Hinsicht allerdings Vertreter “ostiranischer” Zweige. etwas schwieriger als mit dem Persischen, und zwar deshalb, weil wir im Unterschied zum Neupersischen Zwischen dem Parthischen einerseits und den fünf für das Zaza keinen unmittelbaren Vorgänger auf der darüber stehenden Sprachen können wir nun keine mitteliranischen Stufe nachweisen können. Immerhin direkten Verbindungslinien ziehen. Das bedeutet, daß läßt sich aber bereits jetzt konstatieren, daß das Zaza keine der heute gesprochenen “nordwestiranischen” mit dem Parthischen, so wie es uns überliefert ist, zu- Sprachen unmittelbar auf das überlieferte Parthische mindest sehr nahe verwandt gewesen sein muß. Dar- zurückgeht. Vermutlich liegt das daran, daß diejenige über hinaus können wir aufzählen, welche Unter- mitteliranische Sprache, die wir “parthisch” nennen, schiede bei der Entwicklung etwa zwischen dem Zaza selbst nur eine von vielen dialektalen Ausprägungen auf der einen Seite und dem Persischen auf der an- des nordwestlichen Mitteliranischen repräsentiert. Zu deren Seite festzustellen sind, und wir können diese der Zeit, als die Parther das Reich beherrschten, also weiter in ein System bringen, um so das gegenseitige zur Arsakidenzeit, wird die Sprachlandschaft des nord- Verhältnis der beiden Sprachen genauer zu fassen. westlichen Iran bereits stark dialektal zergliedert gewe- sen sein, und einzelne dieser Dialekte dürften die Ich möchte nun ein paar Elemente vorführen, die Grundlage für die heutigen “nordwestiranischen” Spra- zeigen sollen, mit welchen linguistischen Argumenten chen gebildet haben, die wir freilich in ganz unter- wir operieren können, wenn wir dem Zaza seine Posi- schiedlichen Gegenden innerhalb dieses großen Sprach- tion im Stammbaum der iranischen Sprachen zuweisen raums finden; er erstreckt sich, wie gesagt, vom Balut- wollen. Wir können uns dabei auf alle Ebenen des schi in Pakistan bis hin zum Zaza, welches, wie Sie sprachlichen Systems beziehen, nämlich die Ebene der alle wissen, in der Türkei gesprochen wird. Ich komme Lautlehre, die wir Phonologie nennen, die Ebene der später noch einmal darauf zurück. Formenlehre oder Morphologie, die Ebene der Syntax, d.h. der Satzlehre, und die Ebene der Lexik, des Wort- In der dritten Reihe des Stammbaums erscheinen schatzes. Auf allen diesen Ebenen zeigt sich tatsächlich diejenigen Sprachen, die wir der altiranischen Epoche eine besonders enge Verbindung zwischen dem Zaza zuweisen können, also das Altpersische, aber auch das und dem mitteliranischen Parthischen. Avestische, das in eine ältere und eine jüngere Abart zerfällt, und das Medische, das uns selbst nicht un- So besteht z.B. eine sehr auffällige Eigenart des mittelbar überliefert ist. Wir fassen nun die Verbindun- Zaza darin, daß es zwei verschiedene 4v’-Laute ent- gen zwischen diesen verschiedenen Sprachen aus allen wickelt hat: ein (labiodentales) [v] und ein (bilabiales) Zeitepochen zusammen, indem wir annehmen, daß der []; eine vergleichenbare Entwicklung kennt das Persi- “südwestiranische”, der “nordwestiranische”, ein sche nicht. Die Entstehung der beiden Laute im Zaza “südostiranischer” und ein “nordostiranischer” Zweig können wir nun im Parthischen sozusagen vorwegge- schon vor der einsetzenden Überlieferung bestanden nommen sehen: Wir stellen fest, daß überall dort, wo haben, und daß sie alle letztlich, in “grauer Vorzeit”, ein Zaza-Wort mit [v] anlautet, das entsprechende par- auf einen gemeinsamen Ast zurückgehen, den wir als thische Wort, wenn wir es kennen, ebenfalls mit einem "Uriranisch" bezeichnen, und der die iranischen Spra- einfachen [v] anlautete; so z.B. im Falle von Zaza chen weiter mit dem altindischen Sanskrit wie auch “va” (4Wind’), dessen parthisches Gegenstück “v¯ad” den sonstigen indogermanischen Sprachen verbindet. (mit langem a-Vokal) hieß, oder bei der Verbalform “vat” (4gesagt’), parthisch “v¯axt”. Wir stellen weiter Die Zusammenhänge zwischen den einzelnen Spra- fest, daß immer dann, wenn ein Zaza-Wort mit einem chen sind in diesem Stammbaum, wie gesagt, rein [w] beginnt, wie z.B. “werdene” (4essen’), “wastene” schematisch dargestellt, und zwar allein auf der Grund- ( wollen’), “wae” ( Schwester’) oder “wes” ( gut’), lage linguistischer, d.h. sprachwissenschaftlicher Be- 4 4 4 die entsprechenden Wörter des Parthischen mit einem obachtungen. Die Sprachwissenschaft ermöglicht es in anlautenden geschrieben wurden: “wxardan” der Tat, die historischen Zusammenhänge zwischen ( essen’), “wx¯aštan” ( wollen’), “wx¯ar” ( Schwe- verwandten Sprachen mit einer geradezu mathemathi- 4 4 4 schen Genauigkeit festzustellen. Die Beziehungen, die ster’) und “wxaš” (4gut’). Dieses geschriebene etwa zwischen dem Mittelpersischen und dem Neuper- dürfte im Parthischen ungefähr dieselbe Aussprache sischen bestehen, manifestieren sich für uns durch sog. reflektieren wie das in englischen Wörtern wie “Lautgesetze”; sie reflektieren das — für alle natürli- “when” (4wann’) oder in “where” (4wo’), nämlich chen Sprachen in gleichem Maße zutreffende — Phäno- eine Lautkombination, die sowohl ein [w]-Element als men, daß sich bestimmte Laute in bestimmten Umge- auch ein [h]-Element enthielt. Schon im Parthischen bungen im Laufe der Zeit immer völlig gleich verän- dürfte das [w]-Element in dieser Kombination stärker dern, so daß sich eben Gesetzmäßigkeiten erkennen gewesen sein als das [h]-Element; auf dem Weg zum lassen. Zaza ist das letztere dann ganz verloren gegangen. Im Persischen ist demgegenüber ganz genau das Gegenteil

151 passiert: die persischen Entsprechungen der genannten unterschiedlich geregelt ist, je nachdem ob wir eine vier Wörter heißen “xordan” ndrW¯, “¯astan” NéÛaW¯, Präsens- oder eine Vergangenheitsform vor uns haben. “x¯ahar” RËaW¯ und “xoš” |W¯; sie alle beginnen mit Während 4ich sage’ z.B. im Präsens “ez vanu” heißt, einem (wie ch in deutsch Bach zu sprechenden) [x], kann man die Form “ez” für “ich” im Präteritum nicht geschrieben <-W¯>. Die Orthographie enthält dabei benutzen: 4ich sagte’ heißt nicht “ez vat”, sondern zwar noch immer ein , in der Aussprache ist das “mı vat” (wir sprechen in diesem Zusammenhang von [w]-Element jedoch weggefallen, das [x]-Element ist “Ergativität”). Im Persischen ist dieser Unterschied, allein übrig geblieben. Und dies gilt für alle Wörter, wie gesagt, bereits vor rund 1500 Jahren aufgegeben die im Parthischen mit und im Zaza mit [w] worden (man sagte schon damals “man ¯oyam“ ge- beginnen. Die Entwicklung gibt somit ein typisches nauso wie “man guftam”); im Parthischen hat er aber Beispiel für ein Lautgesetz ab; zugleich stellt sie das genau in derselben Weise existiert wie noch heute im Zaza in einen engen Zusammenhang mit einer cha- Zaza. Zwei Beispiele mögen dies demonstrieren: Der rakteristischen Eigenart des Parthischen. Unterschied zwischen “ez bı-kerine” (4ich soll ma- chen’) und der dazu gehörigen Vergangenheitsform Im Bereich der Formenlehre (Morphologie) fällt “mı kerd” ( ich machte’) findet sich genau in den z.B. auf, daß im Zaza sehr viele Verben ein stamm- 4 bildendes Element [-a-] enthalten, das im Persischen parthischen Formen “az kar¯am” und “man kird” wie- der; und genauso, wie dem Präsens “ez vanu” im Zaza unbekannt ist. Dies gilt z.B. für “persaene” (4fra- gen’), dessen persische Entsprechung “purs¯ıdan” das Präteritum “mı vat” (4ich habe gesagt, sagte’) gegenübersteht, haben wir im Parthischen nebenein- heißt, oder “bırrnaene” (4schneiden’), dem per- nD…ÛRÚ ander die Formen “ez v¯ažam” und “man vaxt”.Im sisch “bur¯ıdan” entspricht; beide Entsprechungen nDÈRú Mittelpersischen wurde statt dessen auch im Präsens zeigen an der Stelle des Zaza-[-a-] ein langes [-¯ı-]. Genau derselbe Unterschied zwischen einem [-a-]-Ele- die Form “man” für 4ich’ verwendet, der im Zaza ment und einem [-¯ı-]-Element bestand auch schon in “mı”, nicht “ez” entsprechen würde. Auch hier zeigt mitteliranischer Zeit, zwischen dem Parthischen auf der sich also wieder deutlich, daß das Zaza in näherem Zu- einen und dem Mittelpersischen auf der anderen Seite: sammenhang mit dem Parthischen steht, während das Persische weiter von beiden abrückt. 4fragen’ hieß dort “purs¯adan”, hier “purs¯ıdan”.Da das a im Zaza lautgesetzlich dem parthischen langen a¯ Weitere Hinweise auf eine größere Nähe zwischen entspricht, läßt sich auch diese Eigenschaft wieder als Zaza und Parthisch zeigen sich dort, wo es um das ein Argument für eine besondere Nähe des Zaza zum Lexikon, also um den Wortschatz geht. Dabei sind Parthischen verwenden. einige Wörter zu benennen, die typischerweise im Parthischen bezeugt sind, nicht aber im Persischen. Wir Ähnlich ist es mit dem Optativsuffix. Als Optativ haben z.B. bereits das Wort für sagen’ erwähnt, das bezeichne ich im Zaza diejenige Formenkategorie, die 4 im Zaza “vatene” heißt; es entspricht genau dem part- dem deutschen Konjunktiv entspricht, z.B. “ez bı-biyê- hischen “v¯axtan”, nicht aber dem gleichbedeutenden nê” (4wenn ich wäre’). Diese Form, deren Kennzei- persischen Wort; denn sagen’ hieß bei den Persern chen das Suffix [-ênê] ist, läßt sich ohne weiteres mit 4 dem Vergangenheitsoptativ des Parthischen in Ver- schon seit alters “guftan”. Ein ähnlicher Fall ist das bindung bringen, der mit dem Element “ah¯end¯” ge- Wort für 4weinen’, Zaza “bermaene”. Auch dieses Verb hat eine genaue Entsprechung im Parthischen — bildet wurde; dem “biyênê” des Zaza entspricht hier es dürfte etwa “barm¯adan” gelautet haben —, während die Bildung “b¯ud-ah¯end¯e”. Das Element “ah¯end¯e” ist man für “weinen” im Mittelpersischen normalerweise wiederum innerhalb der mitteliranischen Sprachen nur im Parthischen nachzuweisen. Im Mittelpersischen “griyistan” gesagt hat. wurde die Optativform demgegenüber ganz anders Natürlich gehen nicht alle Übereinstimmungen so gebildet: sie hieß “b¯ud¯e”. Genauso, wie parthisch schön auf. Das wäre auch bei einer Entwicklung, die “b¯ud-ah¯end¯e” im Zaza als “biyênê” erscheint, verhält sich immerhin über einen Zeitraum von 1500 Jahren sich z.B. der Optativ “bı-kerdênê” (4hätte gemacht’) erstreckt haben müßte, nicht zu erwarten. Man muß zu einem parthischen “kird-ah¯end¯e”; im Mittelpersi- immer bedenken, daß wir das Parthische nur aus schen hätte man statt dessen “kard¯e” gesagt. Schriften kennen, die aus der Sassanidenzeit stammen, also etwa der Zeit des 3. bis 7. Jahrhunderts; das Zaza Im Bereich der Satzlehre, der Syntax, ist es schon hingegen kennt man ausschließlich in moderner Form, vielen Forschern aufgefallen, daß das Zaza eine sehr seit dem Anfang dieses Jahrhunderts. Den dazwischen konservative Sprache ist. Grob kann man sagen, daß liegenden Zeitraum können wir allenfalls rückwärts für den Satzbau des Zaza noch heute eine Eigenart blickend zu überbrücken versuchen, und tatsächlich charakteristisch ist, die das Persische bereits vor 1500 gibt es nicht viele Sprachen auf dieser Welt, bei denen Jahren aufgegeben hat. Ich meine die Unterscheidung das so gut gelingt wie beim Zaza — wenn man die zwischen einem Casus Rectus und einem Casus Obli- entsprechenden parthischen Wörter kennt. quus, deren Verwendung neben transitiven Verben

152 Aber auch hier geht der rückblickende Vergleich, irgendwann einmal aus dem “parthischen” Gebiet in wie gesagt, nicht in allen Fällen auf: Einige Wörter die Türkei übersiedelt sind, dann werden sie einen der fügen sich nicht in das Bild. Ein solcher Fall ist z.B. dortigen Dialekte mitgenommen haben; einen Dialekt das Wort für 4kommen’: Wenn 4er kommt’ auf Zaza möglicherweise, der in mancherlei Hinsicht dem Persi- “ yeno” heißt, so entspricht dies genauer dem persi- schen ähnlicher oder von ihm stärker beeinflußt war als schen “¯ayad” als der parthischen Form, die etwa das überlieferte Parthische. Was für ein Dialekt dies “¯as¯ed” lautete. Dasselbe gilt auch für die Vergangen- genau war, können wir heute natürlich nicht mehr heitsform “amo” ( er ist gekommen’), die dem persi- 4 sagen, weil wir keine unmittelbaren (schriftlichen) schen “¯amad” wesentlich näher steht als dem Zeugnisse davon haben. parthischen “¯agad”. Es gibt also durchaus auch ernst- zunehmende Divergenzen zwischen dem Zaza und dem Es ist nicht einmal ausgeschlossen, daß sich das Parthischen. Um sie zu erklären, ist es hilfreich, noch nordwestiranische Dialektkontinuum schon in alter Zeit einmal einen Blick auf die in Abb. 4 wiedergegebene über den gesamten Raum bis nach Ostanatolien hinein Karte zu werfen. Wenn wir davon ausgehen, daß das erstreckte, also bis in das heutige Sprachgebiet des auf der Karte als 4Parthien’ bezeichnete Gebiet ur- Zaza. Darauf gibt es allerdings keine sprachwissen- sprünglich einmal eine Gegend südlich des Kaspischen schaftlichen Hinweise. Die Sprachwissenschaft kann le- Meeres gewesen ist, dann dürfte in diesem Gebiet diglich feststellen, daß die nächsten Verwandten des schon zur achämenidischen Zeit, also schon lange vor Zaza in alter Zeit im Umfeld der Parther lokalisiert der Zeitenwende, nicht genau eine Sprache gesprochen gewesen sein müssen. Und tatsächlich finden sich nahe worden sein. Jeder, der aus einer Gegend kommt, wo dem Kaspischen Meer auch heute noch diejenigen Zaza gesprochen wird, wird wissen, daß schon von ei- Sprachen, die mit dem Zaza am nächsten verwandt nem Dorf zum anderen oder zumindest von einer Re- sind; dies sind einige der sogenannten Kaspischen Dia- gion zur anderen auch heute unterschiedliche Dialekte lekte, von denen ich oben bereits gesprochen habe. gesprochen werden, so daß unterschiedliche Sprachge- wohnheiten zu konstatieren sind; wir sprechen hierbei von einem Dialektkontinuum. Genau das war damals Damit bin ich am Ende meiner Ausführungen ange- sicher auch schon in Parthien der Fall: Auch über die- langt, mit denen ich über den bisherigen Stand meiner ses Gebiet wird sich schon in früher Zeit ein Dialekt- eigenen Erkenntnisse oder der Erkenntnisse meiner kontinuum ausgebreitet haben, so daß man von einem Kollegen zur Sprachgeschichte des Zaza berichten Dorf zum nächsten immer ein bißchen anders sprach, wollte. Um weiter zu kommen, bleibt uns noch viel zu im großen und ganzen aber doch erkennbar eine und tun; insbesondere müssen wir uns noch sehr viel mehr dieselbe Sprache verwendete. Wenn das Zaza tatsäch- Untersuchungsmaterial erarbeiten. Schon jetzt läßt sich lich aus diesem Gebiet stammt, d.h. wenn die Vorfah- aber, wie ich meine, eindeutig zeigen, daß man die ren der Zaza-Sprecher, die heute in der Türkei leben, nächsten Verwandten der Zaza-Sprache im Umfeld des Parthischen zu suchen hat.

153 Abb. 1: Die große Dareios-Inschrift in Behistun (Skizze aus: Fr. SPIEGEL, Die altpers. Keilinschriften, Leipzig 1881)

Abb. 2: Inschrift (Ausschnitt) (Skizze aus SPIEGEL, Keilinschriften) Abb. 3: Die Avesta-Handschrift K5 (Auszug)

Abb. 4: Präsumptive Verteilung altiranischer Stämme Abb. 5: Mittelpersische Handschrift (Buchpahlav¯ı): J5, 462

Abb. 6: Manichäisches Fragment M781iR+V (aus: Acta Iranica 15, Pl. IV) Abb. 7: Präsumptiver Stammbaum der iranischen Sprachen Abb. 8: Die iranische Sprachen heute