Achtung! Dies ist eine Internet-Sonderausgabe des Vortrags „Die historische Entwicklung der Zaza-Sprache“ von Jost Gippert (1996). Sie sollte nicht zitiert werden. Zitate sind der Originalausgabe in Ware. Pêseroka Zon u Kulturê Ma: Dımıli-Kırmanc-Zaza 10, 1996, 148-154 zu entnehmen. Attention! This is a special internet edition of the paper “Die historische Entwicklung der Zaza-Sprache” [“The historical development of the Zaza language”] by Jost Gippert (1996). It should not be quoted as such. For quotations, please refer to the original edition in Ware. Pêseroka Zon u Kulturê Ma: Dımıli-Kırmanc-Zaza 10, 1996, 148-154. Alle Rechte vorbehalten / All rights reserved: Jost Gippert, Frankfurt 1998-2011 DIE HISTORISCHE ENTWICKLUNG DER ZAZA-SPRACHE Jost Gippert (Vortrag vom 4. Mai 1996, Veyvê Kıtavu, Mannheim) Ich darf mich kurz vorstellen: Mein Name ist Jost Gippert. Ich bin Professor für Vergleichende Sprachwissenschaft an der Universität Frankfurt; seit etwa einem Jahr beschäftige ich mich auch mit der Zaza-Sprache. Den Anlaß dazu gaben mir einige Personen, die auch hier anwesend sind, und denen ich bei dieser Gelegenheit sehr herzlich danken möchte: sie haben mich überhaupt erst darauf aufmerksam gemacht, daß in und um Frankfurt eine große Menge von Sprechern einer so interessanten Sprache lebt, wie es die Zaza-Sprache ist. Seit einem Jahr versuchen wir nun, ge- meinsam die Grammatik dieser Sprache zu bearbeiten. Leider sind wir damit noch nicht so weit gekommen, daß ich diesen Vortrag in der Zaza-Sprache halten könnte; so muß ich beim Deutschen bleiben. Das Thema meiner Ausführung wird die historische Entwicklung der Zaza-Sprache sein, so wie sie sich aus der Sicht eines iranistischen Vergleichs darstellt. Das Zaza im iranistischen Vergleich zu betrachten, ist deshalb möglich, weil das Zaza eine iranische Sprache ist. Um zu erklären, was das bedeutet, muß ich etwas weiter ausholen. Beginnen möchte ich mit einem Rück- sie keine iranischen Sprachen waren. Was nicht in Keilschrift geschrieben worden. blick auf eine Zeit, die in diesem Zu- meine ich damit? Tatsächlich stammen die Zeugnisse des sammenhang vielleicht etwas weit ablie- Avestischen gar nicht aus der Zeit, in der Darius selbst war ein Perser. Die gend erscheinen könnte, nämlich mit der es gesprochen wurde. Wir wissen jedoch, Sprache, die er sprach und die wir heute Zeit der persischen Großkönige, der daß vielleicht 100, vielleicht 300 Jahre, "altpersisch" nennen, ist eine ältere Vor- Achämeniden. Der Großkönig Darius bevor Darius die ersten Keilinschriften in stufe der heutigen Staatssprache des ergriff als Angehöriger dieser Dynastie die Felswand von Behistun meißeln ließ, Landes Iran, also des modernen oder im Jahre 522 v.Chr. die Macht über das bereits ein Religionsgründer namens Neu-Persischen. Schon zur iranische Reich. Dieses Reich hatte zwar Zarathustra in dieser Sprache Texte ver- Achämenidenzeit, als Darius Großkönig auch zuvor schon bestanden, und es hatte faßt hat, die bis in die heutige Zeit über- wurde, gab es im iranischen Reich mit auch schon andere Personen aus der liefert worden sind, weil sie die Grundla- Sicherheit einige Sprachen, die sich vom Achämenidenfamilie als Großkönige gen für eine wichtige Religion darstellen. Altpersischen nur recht wenig unterschie- gesehen. Als Darius die Macht ergriff, Die zarathustrische Religion, d.h. die den. Vor den Achämeniden herrschten im machte er jedoch etwas anders als seine Religion, die Zarathustra begründet hat, Iran z.B. eine Zeitlang die Meder; die Vorgänger. Er ließ sich nämlich ein gro- erlangte im iranischen Reich unter den Sprache, die sich mit ihrem Namen ver- ßes Denkmal anlegen, und in diesem Achämeniden den Status der Staatsreli- bindet, ist das "Medische". Im Gegensatz Denkmal verewigte er sich selbst in gion, und sie hat diesen Status im we- zum Babylonischen und zum Elamischen schriftlicher Form. Abb. 1 zeigt dieses sentlichen beibehalten, bis der Islam nach dürfte diese Sprache dem Persischen so Denkmal, die große Felseninschrift von Persien kam, also bis ins 7. Jh. n.Chr.; ähnlich gewesen sein, daß ein Sprecher Behistun in West-Persien, in einer im das ist insgesamt eine Zeitspanne von des Altpersischen sie ohne weiteres ver- vergangenen Jahrhundert veröffentlichten rund 1200 Jahren. Die avestischen Schrif- standen haben dürfte; deshalb können wir Abzeichnung. Was ist nun das besondere ten Zarathustras und seiner Nachfolger sie als eine iranische Sprache, als einen an diesem Denkmal? Auch viele andere kennen wir nun erst durch Handschriften, Schwesterdialekt des Altpersischen be- Könige haben sich Denkmäler gesetzt, die viel später geschrieben worden sind. zeichnen. Für das Babylonische und das und auch schon in der damaligen Zeit. Die ältesten, die noch existieren, stam- Elamische, die keinerlei Ähnlichkeit mit Das besondere am Denkmal von Behistun men aus dem 13. Jh. n.Chr.; in Abb. 3 ist dem Altpersischen aufzuweisen hatten, ist, daß es das erste Monument darstellt, ein kurzer Ausschnitt aus einer solchen galt dies nicht. auf dem persisch geschrieben worden ist. Handschrift dargestellt. Wenn man be- Es enthält damit die ältesten für uns Neben dem Medischen und dem denkt, daß Zarathustra vielleicht im 8. Jh. greifbaren Zeugnisse einer iranischen Altpersischen muß es zur gleichen Zeit, v.Chr. gelebt hat, dann sind die Hand- Sprache. Die Schrift, die verwendet wur- wie gesagt, noch einige weitere iranische schriften also 2000 Jahre später ge- de, ist die sogen. Keilschrift; Abb. 2 zeigt Dialekte auf dem Gebiet des iranischen schrieben worden, als die in ihnen enthal- einen kleinen Auszug, wieder eine Ab- Reiches und auch außerhalb davon gege- tenen Texte selbst verfaßt wurden. Die zeichnung, aus dem persischen Teil der ben haben, von denen wir größtenteils Handschriften geben uns trotzdem ein Inschrift. Der Text ist in insgesamt drei nur indirekt etwas wissen. Nur von einer sehr genaues Bild davon, wie die avesti- Sprachen gehalten; außer dem Altpersi- weiteren altiranischen Sprache haben wir sche Sprache geklungen hat, wie ihre schen sind dies das Babylonische und das eigene Zeugnisse. Das ist die Sprache, Grammatik gebaut war und was für Elamische, die für unsere Betrachtungen die wir "avestisch" nennen. Im Gegensatz Wortformen sie hatte, als sie noch ge- jedoch nicht weiter interessant sind, weil zum Altpersischen ist das Avestische aber sprochen wurde; d.h. in der Zeit, als 148 Zarathustra selbst lebte. Dadurch wissen Sprachgebiets war nicht identisch mit den Auf der Grundlage des aramäischen wir, daß auch das Avestische eine Spra- Grenzen des achämenidischen Reiches Alphabets ging man dennoch nach und che gewesen ist, die mit dem Altpersi- selbst, dieses dürfte aber im wesentlichen nach dazu über, auch iranische Sprachen schen sehr eng verwandt war, so daß es iranisch sprechende Völker und Stämme zu schreiben. Zeugnisse von geschriebe- sich als ein weiterer altiranischer Dialekt umfaßt haben. nem Parthisch aus der Arsakidenzeit ha- offenbart. ben wir, wie gesagt, nur in ganz gerin- gem Umfang. Sie beginnen erst in der Die in Abb. 4 wiedergegebene Karte Die Herrschaft der Achämeniden nächsten Epoche der iranischen Geschich- soll zeigen, welche Verbreitung die irani- dauerte nicht sehr lange. Schon 200 Jahre te in größerer Anzahl aufzutreten; das ist schen Stämme und die von ihnen gespro- nach Darius war sie beendet, und zwar die Epoche der Sassaniden. chenen Sprachen zur Zeit der Achämeni- durch den großen Siegeszug Alexanders den etwa gehabt haben. Das Stammgebiet des Makedoniers, den wir den “Großen” der Achämeniden selbst liegt im eigentli- nennen; er nahm nicht nur Persien ein, Die Sassanidenzeit, die mit dem chen "Persien", einem kleinen Gebiet im sondern auch alle anderen Länder, die König Ardaschir im 3. Jh. n.Chr. einsetzt, südwestlichen Iran, das hier als "Persis" vorher zum iranischen Reich gehört hat- bestand bis zum Eindringen des Islam, bezeichnet ist; in diesem Gebiet, aus dem ten. Mit Alexander war dann auch der d.h. bis zur Eroberung Persiens durch die Darius selbst stammte, wurde altpersisch Gebrauch der Keilschrift sofort zu Ende: Araber im 7. Jh. Aus dieser Zeit sind z.B. gesprochen. Nördlich der Persis lag Elam, Nach ihm wurden auf der Welt keinerlei Inschriften erhalten geblieben, die in ein Land, das die Perser erobert haben keilschriftlichen Texte mehr geschrieben, parthisch geschrieben waren. Daneben und in dem vor ihrer Eroberung das Ela- und auch keine altpersischen Texte. Und trat in der Sassanidenzeit aber zunehmend mische gesprochen wurde. Von dieser nach Alexander dauerte es einige Jahr- wieder eine andere iranische Sprache in Sprache wissen wir nicht sehr viel, zu- hunderte, bis überhaupt wieder iranische den Vordergrund, nämlich das Mittel- mindest nicht, ob es mit irgendeiner Sprachen geschrieben wurden: Erst nach- persische, das gewissermaßen die Zwi- anderen bekannten Sprache verwandt dem sich das sogenannte Partherreich aus schenstufe zwischen dem Altpersischen war; wir wissen aber mit Sicherheit, daß den Hinterlassenschaften des Alexander- der Achämenidenzeit und dem heutigen es keine iranische Sprache war. Noch reiches entwickelt hatte, entwickelte sich Neupersischen darstellt. Einige Inschrif- weiter nördlich, in Medien, dürfte das wieder eine iranische Sprache zu einer ten sind sogar nebeneinander in Parthisch Medische gesprochen worden sein. Dieses Staatssprache, nämlich das Parthische. und Mittelpersisch abgefaßt; die verwen- war, wie gesagt, die Sprache des Meder- dete Schrift beruht in beiden Fällen auf reiches, des ersten iranischen Reiches
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