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®£w £)fturmßmWttlt Organ der Landsmannschaft Ostpreußen Jahrgang 6 / Folge 7 Hamburg, 12. Februar 1955 / Verlagspostamt Leer (Ostfriesland) Im Abonnement 1,— DM einschl. Zustellgebühr Dr. Ottomar Schreiber t Unser Dr. Schreiber lebt nicht mehr; er ist Vater war Schulrat in Neustadt in West• in der Nacht zum letzten Sonntag zur ewigen preußen —, studierte er in Königsberg und Ruhe heimgegangen. Breslau Philosophie, Geschichte und neue Viel zu früh für uns Ostpreußen, für uns Sprachen. Im Ersten Weltkrieg wurde er Heimatvertriebene und für das ganze deut• zweimal verwundet. Nachdem er 1919 Stu- sche Volk hat sich damit das Leben eines dienussessor in Danzig und Oliva und von Mannes vollendet, dem wir alle unendlich 1920 bis 1922 Verlagsbuchhändler in Wupper• viel zu danken haben. Er war Mitbegründer tal und München gewesen war, kam er 1922 unserer Landsmannschaft und drei Jahre hin• nach Memel, der Stadt, in der er dann über durch ihr Sprecher, er wurde dann ihr Ehren• zwei Jahrzehnte wirkte. präsident. Aber sein Schaffen und Wirken In dem Kampf, den das Memelgebiet in erschöpfte sich nicht in dem Kreis, der mit den Jahren zwischen den beiden Welt• diesen Aufgaben umschrieben wird, es fand kriegen um das Recht der Selbstbestim• seine Begrenzung auch nicht in dem hohen mung und um die Erhaltung des in Jahr• Amt, das er als Staatssekretär im Bundes• hunderten Gewordenen und Gewachsenen ministerium für Vertriebene bekleidet hatte, iührte, stand er an entscheidender Stelle. — Ottomar Schreiber war vielmehr der füh• Nachdem er in den Jahren von 1922 bis 1932 rende geistige Kopf der deutschen Heimat• als Erster Syndikus der Industrie- und Han• vertriebenen überhaupt, er war ihr Mund delskammer große Erfahrungen und Kennt• und ihr Gewissen. nisse auf wirtschaftlichem Gebiet hatte sam• In der Not der Vertreibung war es ein meln und nutzen können, vor allem auch bei Glück und ein Segen, daß wir ihn hatten. zahlreichen internationalen Verhandlungen, Er war nicht nur einer von uns, einer von wurde er Anfang Juni 1932 Präsident des unserem Fleisch und Blut, er war die Ver• Direktoriums des autonomen Memelgebietes, körperung der besten Eigenschaften unse• also der Regierung. Seine Amtszeit war ein rer ostpreußischen Menschen. Die Lauter• einziger Kampf gegen das Ziel einer mit keit seines Wesens war so unbedingt, daß Hille des Kriegszustandes herrschenden in seiner Gegenwart ein schlechter Ge• litauischen Regierung, das Memelland mög• danke gar nicht aufkommen konnte. Ein lichst schnell litauisch zu machen. Nachdem tiefes Pflichtgefühl beseelte ihn-, unermüdlich er mehrfache Forderungen des litauischen war er tätig, und er kannte dabei keine Gouverneurs auf einen Rücktritt abgelehnt Schonung gegen sich selbst. hatte, wurde er im Juni 1934 verhaftet und aewaltsam seines Amtes enthoben. Eine der Diese im besten Sinne preußischen Eigen• ihm dann auferlegten Beschränkungen be• schaften waren eingebettet in warme stand darin, daß er sich bis 1938 jeden zwei• Mensclilichkeit und tiefe Güte. Kein Wort ten Tag hei der Polizei registrieren lassen der Verbitterung oder gar des Hasses mußte. Wieder in sein Amt bei der Indu• kam über seine Lippen, und die Charta strie- und Handelskammer zurückaekehrt, der Heimatvertriebenen, in der feierlich je• wurde er aus diesem 1942 durch den Gau• der Rache und jeder Vergeltung abgeschwo• leiter wegen seines Widerslandes gegen Ge• ren wird, sie ist Geist von seinem Geist. Es waltmaßnahmen entfernt. gehörte auch zu seinem Wesen, daß er sich niemals in den Vordergrund stellte oder fn jenen Jahren, in denen die Fragen des auch nur irgendein Aufheben von sich Memelgebietes oft vor dem Völkerbund una machte; er zeigte die Bescheidenheit, die im• vor anderen internationalen Gremien be• mer mit wahrer Größe einhergeht. Mehr handelt wurden, fiel Dr. Schreiber noch die sein als scheinen, dieses schöne Wort hat besondere Aufgabe zu, den memelländischen gerade er uns vorgelebt. So gab es kaum Standpunkt in Formen darzulegen, die auch jemand, der sich der sittlichen Kraft seiner auf diesem internationalen Feld Aufmerk• Persönlichkeit entziehen konnte. samkeit finden konnten. Er hat auch diese Aufgabe in vollendeter Art gelöst. Dazu kamen Gaben des Geistes, wie sie nur sehr selten einmal einem Menschen ge• Nach dem Zusammenbruch kam er zu• schenkt werden. Ein klarer und durchdrin• nächst nach Tegernsee in Oberbayern. 1946 gender Verstand ließ ihn sofort das Wesent• bis 1947 arbeitete er im Büro für Friedens• liche erkennen; sein Urteil war treffend und fragen in Stuttgart mit. Im März 1948 wurde sicher. Dabei war er keineswegs ein Mensch, er einer der Mitbegründer der Landsmann• der sich nur mit der Wirklichkeit ausein• schaft Ostpreußen; er wurde zu ihrem Spre• andersetzte, mit der politischen und wirt• cher gewählt. schaftlichen etwa, wie es manchem vielleicht Damit begann der zweite große 'Abschnitt scheinen könnte, — er war vor allem ein in seinem Leben, das Wirken für alle deut• musischer Mensch. Jeder, der das Glück schen Heimatvertriebenen und der Kampf hatte, ihn persönlich näher zu kennen, war gegen die Mißachtung des Heimatrechtes. Die Landsmannschaft Ostpreußen betrauert den Tod erstaunt, wie er in der weiten Welt der Mu• Anfang des Jahres 1949 wurde er als Leiter sik ebenso zu Hause war wie in den Lehr• des Amtes für Fragen der Heimatvertriebe• ihres Ehrenpräsidenten Dr. Ottomar Schreiber gebäuden der Philosophie und in den Wer• nen nach Frankfurt berufen; im Dezember ken der Dichter. des gleichen Jahres wurde er von der Bun• Von dieser Grundlage eines untadeligen desregierung zum Staatssekretär im Mini• und vornehmen Charakters, großer geistiger sterium für die Angelegenheiten der Ver• Das Beileid des Bundespräsidenten Gaben, einer tiefen Bildung und eines um• triebenen ernannt. Drei Jahre hindurch war lassenden Wissens wirkte er für unsere er Sprecher unserer Landsmannschalt, aber Der Bundespräsident hat an Frau Margarethe Schreiber nach Bekanntwerden des Hin• Heimat in der Vertreibung wie kein Zwei• dann glaubte er, die ständig wachsenden scheidens von Staatssekretär a. D. Dr. Schreiber das folgende Beileidsschreiben gerichtet: und immer neu sich stellenden Aufgaben ter vor ihm und neben ihm. Er hatte die Sehr geehrte gnädige Frau! Zu meiner sehr schmerzlichen Überraschung erhielt ich Gabe, das Erfahrene und Erdachte in voll• der Landsmannschaft nicht mehr mit den Pflichten seines Staatsamtes in Einklang heute früh die Nachricht von dem Hinscheiden Ihres Gatten, und ich möchte Ihnen und kommener Weise und in fesselnder und im• Ihren Kindern meine herzlichste Teilnahme an diesem so bitteren Verlust aussprechen. mer neuer Art darzustellen; er war einer der bringen zu können. Der Vertretertag folgte Anlang Oktober 1951 seinem Wunsch, ihn Dus Wirken Ihres Gatten für das Memelland war mir schon bekannt, ehe ich ihn dann glänzendsten Redner, die es im deutschen 1949 und 1950 persönlich kennenlernte. Diese Begegnungen hatten von Anbeginn das Volk gab. von seinem Amt als Sprecher zu entbinden. Die Landsmannschaft ernannte ihn zu ihrem Wesen der menschlichen Zuneigung. Ich habe bei allen Gesprächen mit Ihrem Gatten, So können wir bei ihm ohne jede Über• Ehrenpräsidenten. waren sie mehr dienstlich-amtlicher oder mehr privater Art, den Einduck seines festen, treibung von einem großen Menschen spre• Trotz der starken Widerstände, die sich ruhigen Charakters, seiner nüchtern-sachlichen Beurteilung und seiner menschlichen chen. Wo immer man von den hervorragend• Wärme gehabt. sten Repräsentanten des deutschen Ostens der Arbeit des Bundesvertriebenenministeri- reden wird, da wird auch sein Name ge• ums und damit auch der seines Staatssekre• Ich hatte gehofft, daß der Ruhestand ihm noch die Möglichkeit geben könnte, die nannt werden müssen. tärs entgegenstellten, ließ sich Dr. Schreiber Fiagen, an denen er selber durch Jahrzehnte so unmittelbaren Anteil hatte, für die Ge• nicht entmutigen. Mit-großem Geschick, mit schichte festzuhalten, was er wohl mit am besten hätte leisten können. Nun ist sein Diese Zeilen können nur die gröbsten einer ausgedehnten und bis in die Einzel• rascher Heimgang doch zu einem unerwarteten Schmerz geworden. Striche eines Bildes geben; viele von uns heiten gehenden Kenntnis der recht kompli• Ihr Theodor Heuss. werden es aus persönlichem Erleben füllen zierten Sachgebiete und mit einer nie erlah• können. Wenn ein Landsmann einmal nach menden Arbeitskraft tat er alles, das schwere einer Rede sagte, es sei wie in einem Los seiner Schicksalsgenossen zu beheben Gottesdienst gewesen, dann brachte er da• und zu mildern. Es war ein sehr undank• Im aufopferungsvollen Einsatz tätig mit wohl am schönsten zum Ausdruck, wie bares Amt, das er ausübte. Im November sehr uns unser Doktor Schreiber durch sein 1953 wurde er in den Ruhestand versetzt. Bundesvertriebenenminister Dr. Oberländer richtete an Frau Margarethe Schreiber das Wort und durch die Kraft seiner Persönlich• folgende Beileidstelegramm: keit Halt und Hilfe zu geben wußte. Wir Dr. Schreiber zog mit seiner Familie nach Hochverehrte gnädige Frau! Zu dem so überaus schmerzlichen und unersetzlichen Ver• achteten und verehrten ihn, und wir liebten München. Wer ihn auch nur etwas kannte, lust, der Sie betroffen und Ihrer glücklichen Lebensgemeinschaft ein jähes Ende gesetzt ihn. Wir verlieren mit ihm einen der Besten, der wußte, daß er dort nun nicht etwa in hat, erlaube ich mir, Ihnen und Ihren Kindern meine herzlichste Anteilnahme auszuspre• die die oslnreufiische Erde getragen hat. beschaulicher Ruhe leben würde. So sehr es ihn locken mochte, jetzt