Wasserbau in Der Lutherstadt Eisleben Christian Matthes

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Wasserbau in Der Lutherstadt Eisleben Christian Matthes Wasserbau in der Lutherstadt Eisleben Christian Matthes Die Lutherstadt Eisleben liegt östlich des Harzes im Mansfelder Land. Stadtentwicklung Die historische Überlieferung Eislebens setzte mit einer Urkunde König Ottos II. aus dem Jahr 994 ein, in der Eisleben (Isleuo) als „rechtmäßig ge- bauter Ort“ bezeichnet wird, dem Münz-, Zoll- und Marktrecht gegeben worden war.1 Im Jahre 1045 bestätigte König Heinrich III. dem Bischof Brun von Minden und seiner Mutter Ota das Markt-, Münz- und Zollrecht sowie die Immunität für ihre Besitzung im Ort Eisleben.2 20 Jahre später wurde Eisleben (Gisleva) im Verzeichnis der königlichen Pfalzen in Sachsen als curia, also königliches Tafelgut bezeichnet.3 Weder ist die Lage des historisch überlieferten praediums noch der curia bekannt. Überhaupt liegt die frühe Stadtentwicklung Eislebens noch im Dunkeln. Es ist eine polygenetische Stadtentwicklung in Eisleben anzunehmen (Abb. 1). An der Andreaskirche wurde auf einem regelmäßigen, rechteckigen Grundriss eine Stadt angelegt, deren Mauer 1286 urkundlich bezeugt ist. In deren nordöstlicher Ecke befand sich eine Stadtburg. Nördlich liegt das Nikolai- viertel. Südlich schließt sich das Petriviertel „trans aquam“, also jenseits des Stadtbaches, der heute Böse Sieben heißt, an. Das Andreasviertel war Lehen der Halberstädter Bischöfe, die beiden anderen Stadtteile Lehen der Magdeburger Erzbischöfe.4 Außerhalb der Stadt lag Lüttgen-Eisleben (Abb. 2). Bereits 1121 wurde der Ort urkundlich genannt, fiel 1342 nach einer Brandschatzung während der Halberstädter Bischofsfehde wüst. Das Pauli-Patrozinium der Kirche wurde der Petrikirche als Zweitpatro- zinium zehn Jahre später übereignet.5 Das Verhältnis von Klein-Eisleben und Groß-Eisleben, der heutigen Stadt, bleibt bis heute unklar. Um das Andreasviertel herum entstanden weitere Siedlungskerne (Abb. 1): Im 1 MGH DO II, 155: locus Isleuo. 6 Westen das Neue Dorf an der 1229 gegründeten Katharinenkirche. Nord- 2 MGH DH III, 147: [...] in praedio eorum in loco Gisle- östlich der Burg wurde 1347 das Zisterzienserinnenkloster Neu-Helfta va [...]. angelegt.7 Ferner entstanden im Norden als Vorstädte das äußere Frei- 3 Böhmer 1853, 397. straßenviertel und um 1550 die Nussbreite.8 Im Jahre 1511 wurde als 4 Dehio 1999, 444. Konkurrenzgründung von Graf Albrecht IV. von Mansfeld-Hinterort die 5 Neuß 1971, 79–80. 6 Spangenberg 1918, fol. 359a; 348. 9 Neustadt mit der St. Annenkirche angelegt. Außerhalb der Befestigung 7 ebenda, fol. 307–307a; 299. lagen ferner im Osten Häuser an der Viehweide (heute Lindenstraße) und 8 ebenda, fol. 252; 246. südlich in der Siebenhitze.10 Archäologische Überreste aus den frühen 9 ebenda, fol. 255; 250. Stadtphasen sind bislang nur gering erhalten. Bis zum hohen Mittelalter 10 Ursprünglich ab 1342 Neu-Helfta. Später nach dem im 9.–11. Jahrhundert fehlen im Stadtgebiet Eislebens archäologische Namen der Schenke Siebenhitze genannt. Neuß 1971, 346–347. 11 Befunde und Funde. Frühdeutsche wellenbandverzierte Keramik ließ sich 11 In Halle der Gruppe VI zugehörig, Herrmann 2001, bislang nur an drei Fundstellen als Lesefunde nachweisen. Einmal auf der 60 f. Abb. 1: Die Stadtviertel Eislebens. 133 Abb. 2: Fließgewässer und Seesedimente bei Eisleben. Hellgrau: Maximale Ausdehnung des Faulen Sees; dunkelgraue Schraffur: Restlöcher des Sees im Mittelalter (Umzeichnung nach Alscher 2001). Wüstung Lüttchen-Eisleben (Abb. 1),12 dann am Andreaskirchplatz sowie am Jüdenhof (Abb. 3,1 und 3,2).13 Jedoch handelt es sich bei allen um Le- sefunde, die aus nicht geklärten stratigrafischen Verhältnissen stammen. Somit beginnt im Prinzip die archäologische Geschichte Eislebens und somit auch des Wasserbaus erst im Spätmittelalter. Naturräumliche Verhältnisse Das Mansfelder Land ist im Regenschatten des Harzes und des Thüringer Waldes gelegen und verzeichnet je nach Höhenlage jährliche Nieder- schlagsmengen zwischen 450 mm und 550 mm. Die Jahresmitteltempe- raturen liegen bei 8,6 °C (1982).14 Durch die Trockenheit ist das Mansfelder Land klimatisch begünstigt. Ferner kommen Lösse und Schwarzerden vor, die die Region äußerst fruchtbar machen. Die Kombination beider natürlichen Faktoren führte schon in der Vorgeschichte zu einer dichten Besiedlung.15 Einen großen Einfluss auf die Wasserführung fließender und stehender Gewässer im Mansfelder Land hatte der um 1200 bei Hettstedt einsetzende Kupferschieferbergbau, der dann mit Unterbrechungen bis 1990 fortgeführt wurde.16 Dies betraf auch die durch die Stadt Eisleben fließende Böse Sieben,17 so dass von der heutigen Wasserführung des Baches nicht auf frühere Verhältnisse geschlossen werden kann. Die Trockenlegung der Niederung Östlich der Stadt Eisleben liegt eine Flur namens Die Aue. Der Name im Osten Eislebens deutet auf ein Feuchtgebiet hin. Es handelt sich dabei um ein sumpfiges Gelände, das aus dem verlandeten Faulen See entstanden ist. Dieser war Teil einer Seenkette, die aus dem Salzigen See bei Röblingen am See, dem Süßen See bei Seeburg und dem Faulen See bei Eisleben bestand. Die Seen verdanken ihre Entstehung weitreichenden Senkungsvorgängen infolge der Auflösung der unter ihnen liegenden Salzlager der Zechstein- formation.18 Bei dem Faulen See handelte es sich um ein recht junges Gebilde, das nach einer kalibrierten 14C-Datierung erst vor 5950±75 ent- 12 Marschall 1974, 47. 13 Gall 2004, 146–148. Hier ist der Platz genannt. Süd- stand. Die Ausdehnung des ehemaligen Sees konnte anhand limnischer lich verläuft eine heute ebenfalls Jüdenhof genannte Sedimente festgestellt werden (Abb. 2). Die Wasserhöhe dürfte 117 m Straße, deren historischer Name nach den Fleischbän- HN nicht überschritten haben, wie eine Untersuchung von Dirk Alscher ken benannt wurde: Tscherne. aufzeigte.19 Der See bestand nicht lange in seiner vollen Größe: Bereits in 14 Mücke 1982, 17. 15 Vgl. Marschall/Schmidt/Lohmeier 1980, Neuß/Zühl- der Bronzezeit war der nördliche Bereich des Sees bis auf die Höhe von ke 1982 und diverse Einzelpublikationen in: Archäolo- 115 m HN verlandet. Im Mittelalter waren nur noch zwei kleine Reste des gie in Sachsen-Anhalt 2002–2006. Sees vorhanden. Der nördliche Rest mag dabei durch eine Abriegelung 16 Jankowski 1995a, 240–253; Jankowski 1995b, 65. des von Norden kommenden Wilden Grabens durch den Schwemm- 17 Aurada 1982, 16–17. fächer der von Westen kommenden Glume entstanden sein. An diesem 18 Neuß 1995, 55. 20 19 Alscher 2001, 74–85. Restsee entstand das Dorf mit dem Namen Faulensee (Abb. 2). Dass es 20 Neuß 1971, 95–97. sich bei dem Faulen See im Mittelalter nur noch um ein Sumpfgelände 134 gehandelt hat, belegt eine Urkunde des Grafen Burchard von Mansfeld, in dem 1273 von im Sumpf gelegenen Ländereien berichtet wird.21 Eine Unterscheidung zwischen See und Sumpf ist insofern notwendig, weil bis in die jüngste Vergangenheit von der Trockenlegung eines Sees aus- gegangen worden ist.22 Die Wirtschaftsräume eines Sees (Fischfang) und eines Sumpfes (Weidefläche, Bruchholzgewinnung) unterscheiden sich jedoch stark. Nach Größler (1905) soll die Trockenlegung der Sumpfland- schaft vom Magdeburger Erzbischof Wichmann ausgegangen sein, der in Eisleben im 12. Jahrhundert Friesen angesiedelt haben soll.23 Ausgangs- punkt dieser Überlegung war der Straßenname platea frisonum westlich und nördlich des Schlosses (heute Freistraße): Die Ersterwähnung des Straßennamens erfolgte am 25. Mai 1327 in einer Urkunde des Klosters Holzzelle.24 Ferner wird die Friesenstraße im Werder- und Achtbuch von 142025 genannt. Dabei handelt es sich um eine Abgabenaufzählung für einzelne Grundstücke. Archäologisch konnte eine friesische Bevölkerung Abb. 3: Im Text erwähnte Fundstellen im Stadt- jedoch bislang nicht belegt werden. gebiet Eislebens. B: Lage der Stadtburg. In der nordöstlich der Stadt gelegenen Steinkopfstraße konnten Indizien für verschiedene Meliorationsmaßnahmen aufgefunden wer- den (Abb. 3,3; Abb. 4):26 30 m westlich der Seesedimentegrenze wurde ein in Richtung NO-SW mit leichtem Gefälle verlaufender Spitzgraben festgestellt. Er enthielt keine datierenden Funde. 18 m weiter westlich befand sich ein vier Meter breiter, NNW-SSO verlaufender Graben. Er en- thielt, wie die meisten der westlich davon befindlichen Siedlungsgruben, unspezifische vorgeschichtliche Siedlungskeramik, vermutlich aus der Bronze- oder Eisenzeit. Diese kann aber auch sekundär verlagert sein. Im rechten Winkel dazu schnitt ein 40 cm breiter rundbodiger Graben in West-Ost-Richtung den breiten Graben. Er wurde von einem 80 cm mächtigen mittelalterlichen bis frühneuzeitlichen Kolluvium überdeckt. Auch im Gräbchen wurden keine Funde gemacht, aber hierbei könnte es sich tatsächlich um einen mittelalterlichen Entwässerungsgraben gehan- delt haben, weil der Grabenverlauf dem natürlichen Gefälle entspricht. 21 Neuß 1995, 58: [...] vendimus pro pecunie quadam summa excepta decima in locis palustribus sita [...]. Der Schließlich wurde noch ein bis zur Auffindung unbekannter steingebauter Begriff „paluster“ steht für Sumpf und nicht für See. Kanal aus dem 19. Jahrhundert entdeckt. 22 Räcke 1995; differenzierter: Streitwolf 2005, 253: „... Im Stadtgebiet selbst konnten im Osten in der Freistraße und am durch Seen und Sümpfe bedeckte, gen Osten abfal- Plan mittelalterliche Auffüllschichten zur Trockenlegung des Geländes lende Niederungslandschaft...“ und dort Abb. 1. 23 Größler 1905, 108–109. beobachtet werden, so zum Beispiel südlich der ehemaligen gotischen 24 Ioannes plebanus in platea Frisonum (zit. nach Räcke Burganlage (Abb. 3,4) von der Freistraße bis 40 m weiter östlich in einer 1995, 113). Tiefe
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