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Wasserbau in der Eisleben Christian Matthes

Die Lutherstadt Eisleben liegt östlich des Harzes im Mansfelder Land. Stadtentwicklung Die historische Überlieferung Eislebens setzte mit einer Urkunde König Ottos II. aus dem Jahr 994 ein, in der Eisleben (Isleuo) als „rechtmäßig ge- bauter Ort“ bezeichnet wird, dem Münz-, Zoll- und Marktrecht gegeben worden war.1 Im Jahre 1045 bestätigte König Heinrich III. dem Bischof Brun von Minden und seiner Mutter Ota das Markt-, Münz- und Zollrecht sowie die Immunität für ihre Besitzung im Ort Eisleben.2 20 Jahre später wurde Eisleben (Gisleva) im Verzeichnis der königlichen Pfalzen in Sachsen als curia, also königliches Tafelgut bezeichnet.3 Weder ist die Lage des historisch überlieferten praediums noch der curia bekannt. Überhaupt liegt die frühe Stadtentwicklung Eislebens noch im Dunkeln. Es ist eine polygenetische Stadtentwicklung in Eisleben anzunehmen (Abb. 1). An der Andreaskirche wurde auf einem regelmäßigen, rechteckigen Grundriss eine Stadt angelegt, deren Mauer 1286 urkundlich bezeugt ist. In deren nordöstlicher Ecke befand sich eine Stadtburg. Nördlich liegt das Nikolai­ viertel. Südlich schließt sich das Petriviertel „trans aquam“, also jenseits des Stadtbaches, der heute Böse Sieben heißt, an. Das Andreasviertel war Lehen der Halberstädter Bischöfe, die beiden anderen Stadtteile Lehen der Magdeburger Erzbischöfe.4 Außerhalb der Stadt lag Lüttgen-Eisleben (Abb. 2). Bereits 1121 wurde der Ort urkundlich genannt, fiel 1342 nach einer Brandschatzung während der Halberstädter Bischofsfehde wüst. Das Pauli-Patrozinium der Kirche wurde der Petrikirche als Zweitpatro- zinium zehn Jahre später übereignet.5 Das Verhältnis von Klein-Eisleben und Groß-Eisleben, der heutigen Stadt, bleibt bis heute unklar. Um das

Andreasviertel herum entstanden weitere Siedlungskerne (Abb. 1): Im 1 MGH DO II, 155: locus Isleuo. 6 Westen das Neue Dorf an der 1229 gegründeten Katharinenkirche. Nord- 2 MGH DH III, 147: [...] in praedio eorum in loco Gisle- östlich der Burg wurde 1347 das Zisterzienserinnenkloster Neu-Helfta va [...]. angelegt.7 Ferner entstanden im Norden als Vorstädte das äußere Frei- 3 Böhmer 1853, 397. straßenviertel und um 1550 die Nussbreite.8 Im Jahre 1511 wurde als 4 Dehio 1999, 444. Konkurrenzgründung von Graf Albrecht IV. von -Hinterort die 5 Neuß 1971, 79–80. 6 Spangenberg 1918, fol. 359a; 348. 9 Neustadt mit der St. Annenkirche angelegt. Außerhalb der Befestigung 7 ebenda, fol. 307–307a; 299. lagen ferner im Osten Häuser an der Viehweide (heute Lindenstraße) und 8 ebenda, fol. 252; 246. südlich in der Siebenhitze.10 Archäologische Überreste aus den frühen 9 ebenda, fol. 255; 250. Stadtphasen sind bislang nur gering erhalten. Bis zum hohen Mittelalter 10 Ursprünglich ab 1342 Neu-Helfta. Später nach dem im 9.–11. Jahrhundert fehlen im Stadtgebiet Eislebens archäologische Namen der Schenke Siebenhitze genannt. Neuß 1971, 346–347. 11 Befunde und Funde. Frühdeutsche wellenbandverzierte Keramik ließ sich 11 In der Gruppe VI zugehörig, Herrmann 2001, bislang nur an drei Fundstellen als Lesefunde nachweisen. Einmal auf der 60 f.

Abb. 1: Die Stadtviertel Eislebens.

133 Abb. 2: Fließgewässer und Seesedimente bei Eisleben. Hellgrau: Maximale Ausdehnung des Faulen Sees; dunkelgraue Schraffur: Restlöcher des Sees im Mittelalter (Umzeichnung nach Alscher 2001).

Wüstung Lüttchen-Eisleben (Abb. 1),12 dann am Andreaskirchplatz sowie am Jüdenhof (Abb. 3,1 und 3,2).13 Jedoch handelt es sich bei allen um Le- sefunde, die aus nicht geklärten stratigrafischen Verhältnissen stammen. Somit beginnt im Prinzip die archäologische Geschichte Eislebens und somit auch des Wasserbaus erst im Spätmittelalter.

Naturräumliche Verhältnisse Das Mansfelder Land ist im Regenschatten des Harzes und des Thüringer Waldes gelegen und verzeichnet je nach Höhenlage jährliche Nieder- schlagsmengen zwischen 450 mm und 550 mm. Die Jahresmitteltempe- raturen liegen bei 8,6 °C (1982).14 Durch die Trockenheit ist das Mansfelder Land klimatisch begünstigt. Ferner kommen Lösse und Schwarzerden vor, die die Region äußerst fruchtbar machen. Die Kombination beider natürlichen Faktoren führte schon in der Vorgeschichte zu einer dichten Besiedlung.15 Einen großen Einfluss auf die Wasserführung fließender und stehender Gewässer im Mansfelder Land hatte der um 1200 bei einsetzende Kupferschieferbergbau, der dann mit Unterbrechungen bis 1990 fortgeführt wurde.16 Dies betraf auch die durch die Stadt Eisleben fließende Böse Sieben,17 so dass von der heutigen Wasserführung des Baches nicht auf frühere Verhältnisse geschlossen werden kann.

Die Trockenlegung der Niederung Östlich der Stadt Eisleben liegt eine Flur namens Die Aue. Der Name im Osten Eislebens deutet auf ein Feuchtgebiet hin. Es handelt sich dabei um ein sumpfiges Gelände, das aus dem verlandeten Faulen See entstanden ist. Dieser war Teil einer Seenkette, die aus dem Salzigen See bei Röblingen am See, dem Süßen See bei Seeburg und dem Faulen See bei Eisleben bestand. Die Seen verdanken ihre Entstehung weitreichenden Senkungsvorgängen infolge der Auflösung der unter ihnen liegenden Salzlager der Zechstein­ formation.18 Bei dem Faulen See handelte es sich um ein recht junges Gebilde, das nach einer kalibrierten 14C-Datierung erst vor 5950±75 ent- 12 Marschall 1974, 47. 13 Gall 2004, 146–148. Hier ist der Platz genannt. Süd- stand. Die Ausdehnung des ehemaligen Sees konnte anhand limnischer lich verläuft eine heute ebenfalls Jüdenhof genannte Sedimente festgestellt werden (Abb. 2). Die Wasserhöhe dürfte 117 m Straße, deren historischer Name nach den Fleischbän- HN nicht überschritten haben, wie eine Untersuchung von Dirk Alscher ken benannt wurde: Tscherne. aufzeigte.19 Der See bestand nicht lange in seiner vollen Größe: Bereits in 14 Mücke 1982, 17. 15 Vgl. Marschall/Schmidt/Lohmeier 1980, Neuß/Zühl- der Bronzezeit war der nördliche Bereich des Sees bis auf die Höhe von ke 1982 und diverse Einzelpublikationen in: Archäolo- 115 m HN verlandet. Im Mittelalter waren nur noch zwei kleine Reste des gie in Sachsen-Anhalt 2002–2006. Sees vorhanden. Der nördliche Rest mag dabei durch eine Abriegelung 16 Jankowski 1995a, 240–253; Jankowski 1995b, 65. des von Norden kommenden Wilden Grabens durch den Schwemm­ 17 Aurada 1982, 16–17. fächer der von Westen kommenden Glume entstanden sein. An diesem 18 Neuß 1995, 55. 20 19 Alscher 2001, 74–85. Restsee entstand das Dorf mit dem Namen Faulensee (Abb. 2). Dass es 20 Neuß 1971, 95–97. sich bei dem Faulen See im Mittelalter nur noch um ein Sumpfgelände

134 gehandelt hat, belegt eine Urkunde des Grafen Burchard von Mansfeld, in dem 1273 von im Sumpf gelegenen Ländereien berichtet wird.21 Eine Unterscheidung zwischen See und Sumpf ist insofern notwendig, weil bis in die jüngste Vergangenheit von der Trockenlegung eines Sees aus- gegangen worden ist.22 Die Wirtschaftsräume eines Sees (Fischfang) und eines Sumpfes (Weidefläche, Bruchholzgewinnung) unterscheiden sich jedoch stark. Nach Größler (1905) soll die Trockenlegung der Sumpfland- schaft vom Magdeburger Erzbischof Wichmann ausgegangen sein, der in Eisleben im 12. Jahrhundert Friesen angesiedelt haben soll.23 Ausgangs- punkt dieser Überlegung war der Straßenname platea frisonum westlich und nördlich des Schlosses (heute Freistraße): Die Ersterwähnung des Straßennamens erfolgte am 25. Mai 1327 in einer Urkunde des Klosters Holzzelle.24 Ferner wird die Friesenstraße im Werder- und Achtbuch von 142025 genannt. Dabei handelt es sich um eine Abgabenaufzählung für einzelne Grundstücke. Archäologisch konnte eine friesische Bevölkerung Abb. 3: Im Text erwähnte Fundstellen im Stadt- jedoch bislang nicht belegt werden. gebiet Eislebens. B: Lage der Stadtburg. In der nordöstlich der Stadt gelegenen Steinkopfstraße konnten Indizien für verschiedene Meliorationsmaßnahmen aufgefunden wer- den (Abb. 3,3; Abb. 4):26 30 m westlich der Seesedimentegrenze wurde ein in Richtung NO-SW mit leichtem Gefälle verlaufender Spitzgraben festgestellt. Er enthielt keine datierenden Funde. 18 m weiter westlich befand sich ein vier Meter breiter, NNW-SSO verlaufender Graben. Er en- thielt, wie die meisten der westlich davon befindlichen Siedlungsgruben, unspezifische vorgeschichtliche Siedlungskeramik, vermutlich aus der Bronze- oder Eisenzeit. Diese kann aber auch sekundär verlagert sein. Im rechten Winkel dazu schnitt ein 40 cm breiter rundbodiger Graben in West-Ost-Richtung den breiten Graben. Er wurde von einem 80 cm mächtigen mittelalterlichen bis frühneuzeitlichen Kolluvium überdeckt. Auch im Gräbchen wurden keine Funde gemacht, aber hierbei könnte es sich tatsächlich um einen mittelalterlichen Entwässerungsgraben gehan- delt haben, weil der Grabenverlauf dem natürlichen Gefälle entspricht. 21 Neuß 1995, 58: [...] vendimus pro pecunie quadam summa excepta decima in locis palustribus sita [...]. Der Schließlich wurde noch ein bis zur Auffindung unbekannter steingebauter Begriff „paluster“ steht für Sumpf und nicht für See. Kanal aus dem 19. Jahrhundert entdeckt. 22 Räcke 1995; differenzierter: Streitwolf 2005, 253: „... Im Stadtgebiet selbst konnten im Osten in der Freistraße und am durch Seen und Sümpfe bedeckte, gen Osten abfal- Plan mittelalterliche Auffüllschichten zur Trockenlegung des Geländes lende Niederungslandschaft...“ und dort Abb. 1. 23 Größler 1905, 108–109. beobachtet werden, so zum Beispiel südlich der ehemaligen gotischen 24 Ioannes plebanus in platea Frisonum (zit. nach Räcke Burganlage (Abb. 3,4) von der Freistraße bis 40 m weiter östlich in einer 1995, 113). Tiefe ab ca. 1,6 m unter GOK (117,40 m bis unter 116,30 m HN)27 und am 25 Rühlemann 1911, 52; 53: platea frisone; extra Plan in einer Tiefe von 1,3 m unter GOK (Abb. 3,5).28 Diese waren mit Holz- valuam Fri‘soe (außerhalb der Befestigung). 26 Matthes 2007b, 8–13. häckseln durchsetzt. Diese sind ein typisches Indiz für eine Aufhöhung 27 Köther 2000, 2–3, Befundbl. 13. des feuchten Geländes am Rande der Stadt. Die in der Kulturschicht 28 Marschall 1988, 53 f. GOK: Geländeoberkante, bei O. aufgefundene Keramik bestand – soweit erkennbar – aus hochmittelal- Marschall liegen keine absoluten Höhenangaben vor. terlichen Kugeltöpfen, aus Grauware sowie grober unglasierter Irdenware. Das Vorhandensein jüngerer Keramik, unter anderem ein gelbglasierter Grapen des 16. Jahrhunderts und grünglasierte Ofenkacheln mit zum Teil figuralen Motiven, wurde von der Ausgräberin Doris Köther als nicht erkannte Grubeninhalte gedeutet. Nicht auszuschließen ist jedoch eine in Abb. 4: Graben- und Siedlungsbefunde in der Steinkopfstraße.

135 Abb. 5: Aus mehreren Grabungsprofilen zusam- der frühen Neuzeit möglicherweise notwendige Erhöhung des Geländes, mengesetztes Übersichtsprofil in der Luther- da unterhalb der Stadt im Bereich der trockengelegten Sümpfe an den straße 18. Dicke Linien: Oberflächenhöhenent- Entwässerungsgräben Mühlen errichtet worden waren und der Mühlen- wicklung über die Jahrhunderte. stau somit zu einer Vernässung des östlichen Stadtgebietes geführt haben kann. Die Beobachtung Otto Marschalls, der meinte in einer Baugrube einen 12 m breiten Graben zwischen Stadt und Burg erkannt zu haben,29 konnte von Doris Köther im Bereich der Schlossstraße nicht bestätigt werden. Eine Trennung von Stadtburg und Stadt durch einen Graben ist dennoch nicht ausgeschlossen. Ob es sich bei der 1601 abgebrannten und 1881 bzw. 1968 abgerissenen Stadtburg aber tatsächlich um eine Was- serburg gehandelt hat, wie von Hermann Größler (1895) ohne Nachweis behauptet und von anderen Autoren bis vor kurzem ohne Nachprüfung übernommen wurde,30 muss hinterfragt werden. Ein archäologischer Nachweis konnte entlang der Schlossstraße nicht gefunden werden.

Der Wilde Bach (Die Böse Sieben) Es fällt auf, dass nur wenige Bäche im und am Stadtgebiet vorhanden sind (Abb. 2). Die Glume fließt nördlich, der Hühnscher Born fließt südlich an Eisleben vorbei und führt nicht kontinuierlich Wasser. Östlich entwässert der Wilde Graben die Niederung des ehemaligen Faulen Sees. Einzig die Böse Sieben läuft durch das Stadtgebiet und trennt das Markt- oder Andreasviertel vom Petriviertel (trans aquam oder Brücken- viertel genannt31). Ihr ursprünglicher Name ist Wilderbach (Uuillerbech be- ziehungsweise Willerbizi32) und war die Grenze zwischen dem nördlichen und südlichen Hassegau. Dieser Wilde Bach bereitete, wie der Name schon erkennen lässt, den Einwohnern Eislebens nicht nur Freude. Der Chronist Cyriacus Spangenberg überlieferte in seiner Mansfelder Chronik aus dem 16. Jahrhundert eine Reihe von verheerenden Flutkatastrophen die Teile der Stadt 1203, 1218, 1424, 1529, 1537, 1538, 1553, 1555, 1558, 1563, 1565 und 1569 zerstörten oder großen Schaden anrichteten.33 Weitere Hochwasser werden in der Eislebener Stadtchronik der Stadtschreiber und Ratsherren für die Jahre 1601, 1602, 1655 und 1672 überliefert.34 Eine der Überschwemmungen des 16. Jahrhunderts konnte archäologisch in der Lutherstraße 18 nachgewiesen werden (Abb. 3,6; Abb. 5, Abb. 8). Dort wur- de ein flaches Wasserbecken von einer 20 cm hohen rötlichen Schwemm- sandschicht bedeckt.35 Anschließend wurde die Anlage aufgegeben. 29 ebenda, 55. Die vermehrten Meldungen vom Auftreten von Hochwassern ab 30 Größler/Brinkmann 1895, 184; Größler 1905, 94. dem 16. Jahrhundert ist sicherlich durch Zweierlei begründet: Stolberg 1983, 82; Dehio 1999, 444. 1. Ab diesem Zeitpunkt verbessert sich die schriftliche Quellenlage und 31 Wäsche 2007, 9, 29–35. 2. Der Bergbau in der Umgebung von Eisleben wird intensiviert. 32 Größler/Brinkmann 1895, VIII und XXIV. 33 Spangenberg 1918, fol. 260, 264, 274a, 275, 284, 285, 293, 295a, 298, 299. Für das Jahr 1218 berichtet Bis 1450–1500 wurde der Kupferschieferabbau mit geringem Aufwand bis Spangenberg: „Ano 1218, die Sachsen-Chronik setzet zu einer Tiefe von 20 m betrieben. Dies geschah entlang der Ausbisslinie das 1222. Jahr, ist Isleben wieder durch eine große des Kupferschiefers in den Tälern. Danach musste sich der Abbau nach der Wasserflut dermaßen, sonderlich was nach Morgen 36 und Mittag gelegen, verschwemmet und die Gebäue Tiefe orientieren. Das bedeutete aber, dass das Grubenwasser gehoben mit dem Fundament hinweggeführt worden, dass werden musste. Somit mussten neue Bergbautechniken eingesetzt wer- man schier nicht sehen können, wo zuvor Häuser den, wie die Künste. Gleichzeitig begann man Stollen zu bauen. Sicherlich gestanden.“ 34 Größler/Sommer 1882, fol. 169a, 170b, 241b, 289. wurde dabei auf das Know-how von Bergleuten aus dem stillgelegten 35 Matthes 2008, 84–86. Beschreibung siehe unten. Oberharzer Silberbergbau zurückgegriffen. Der Kupferschieferbergbau 36 Jankowski 1995b, 50. befand sich oberhalb des Zuflusses der Bösen Sieben an deren Zuflüssen,

136 die Sieben Gründe genannt, so in (Krugstollen ab 1544), Abb. 6: Schichtaufbau südlich der Bösen Sieben oder (Stollen und Wasserkunst ab 1507).37 Durch (Rammtorstraße, vereinfachte Darstellung): das Fördern von Wasser wurde zunächst einmal die Wassermenge des 1: Schlackefreier Schotter; 2: Kulturschicht 13.– Wilden Bachs beeinflusst. Ferner erforderte der Stollenbau eine größere 14. Jahrhundert; 3: Gepflasterte Oberfläche; 4: Kulturschicht 15. Jahrhundert; 5: Gepflasterte Holzmenge, was zu Raubbau an den Waldresourcen führte. Dies führte zu Straße 15. Jahrhundert; 6 und 8: Neuzeitlicher vermehrter Erosion und geringerem Wasserhaltungsvermögen der Um- Schotter mit Schlacke; 7: Gepflasterte Hof­ gebung Eislebens. Starke Regenereignisse wurden damit zur Bedrohung einfahrt; 9: Holzrinne. fließwassernaher Siedlungen. Mit dem Anlegen von Stollen unterhalb der Gewässer wurde allerdings wieder Wasser abgezogen (Rißdorfer Stollen). Die Probleme mit dem Wilden Bach begannen jedoch schon im 13. Jahr- hundert. Zunächst versuchte man das Problem damit zu lösen, dass man den Bachlauf teilte.38 Der genaue Zeitpunkt dieser Maßnahme wird vom Chronisten Cyriacus Spangenberg nicht mitgeteilt. Der Reihenfolge der Folianten nach zu urteilen muss dies aber zwischen dem 12. und 14. Jahrhundert geschehen sein. Damit entstanden zwei Wasserläufe in der Stadt: Der heute offene Lauf der Bösen Sieben und der heute überwölbte Mühlgraben. Welcher der beiden Wasserläufe der ursprüng- liche ist, ist ohne eine archäologische Ausgrabung nicht zu entscheiden. Spangenberg nennt den heutigen Mühlgraben Mühlbach, der unterhalb der Stadtmauer verläuft. Die Häuser zwischen dem Mühlbach und der Bösen Sieben stehen an der Straße Auf dem Graben. Südlich der Bösen Sieben stehen die Häuser Auf dem Sande. Thomas Wäsche weist drauf hin, dass die letztgenannten Häuser seinen archivalischen Untersuchungen zufolge früher gebaut worden sind.39 Unter Umständen verlief der ur- sprüngliche Bach in einem Bett zwischen beiden neuen Wasserwegen. Südlich der Bösen Sieben am unteren Ende der Rammtorstraße konnte während einer Baubegleitung im Jahr 2007 ein Profil im rechten Winkel zur Bösen Sieben dokumentiert werden (Abb. 3,7; Abb. 6).40 Zunächst wird deutlich, dass der heutige, seit dem 19. Jahrhundert in Buntsandstein und Schlackesteinen gefasste Lauf der Bösen Sieben deutlich höher liegt als die mittelalterlichen Schichten südlich davon. Folglich muss der Bachlauf im Mittelalter hier mindestens einen Meter tiefer gelegen haben als heute, da sonst die Rammtorstraße überflutet worden wäre. Ferner schließen sich südlich der Rammtorstraße noch Häuser mit Kellern an, so dass die Böse Sieben möglicherweise noch tiefer gelegen hat. In Abbildung 6 wurde mit 2 die älteste erhaltene Kulturschicht aus dem 13.–14. Jahrhundert angetroffen. Diese läuft nördlich gegen eine ein Meter hohe Erhebung aus schlackefreiem Kies (1). Es könnte sich dabei um einen Deich gegenüber der Bösen Sieben gehandelt haben. Über beide wurde im 14. Jahrhundert ein kleinteiliges Pflaster gezogen (3). An dieser Stelle führte die Rammtorstraße über die Böse Sieben zum Glockentor der inneren Stadtmauer. Darüber bildete sich eine weitere 37 Jankowski 1995a, 167. Kulturschicht des 15. Jahrhunderts aus (4) und die Rammtorstraße wur- 38 Spangenberg 1918, Fol. 252a–253a, 247: „Und da durch die Klippe in Regenzeiten und Tauwetter eine de abermals mit einem mittelformatigen Steinpflaster befestigt (5). Am große Flut von Wasser, so sich in den Sieben Grunden Rand dieser Straße konnte ein oben offenes Holzrohr als Bodenver- sammlet, pflegt mit Gewalt hereinzuschießen, haben färbung dokumentiert werden, das möglicherweise das von Westen sie denselben Lauf abgemerkt und derselben Flut mit einem Graben Raum gemacht und darnach auf der hangabwärtsströmende Oberflächenwasser aufnehmen sollte. Darüber andern Seiten über dem Wasser auch gebauet.“ folgten kupferschlackehaltige Kiesaufschüttungen (6 und 8) mit einer 39 Wäsche 2007, 10. gepflasterten Hofzufahrt (7). 40 Matthes 2007a.

137 Abb. 7 (links): Hinterhofareal der Lutherstraße 18: Südlich der Bösen Sieben konnte auf dem Grundstück der Lutherstraße 18 1 und 2: Gebäude 14.–15. Jahrhundert; 3: Was- serbecken 15. Jahrhundert; 3A: Zugang zum ein weiteres Profil gewonnen werden (Abb. 3,6; Abb. 5). Hier war die Böse Becken über Stufen; 4: Gepflasterter Weg; Sieben oder auch der Wilde Bach vor 1500 noch nicht verbaut. Es konnte 5: Kanal; 6: Sickerschacht; 7: Arbeitsfläche; ein altes Bachbett vier Meter nördlich der heutigen Begrenzungsmauer 8: Hofgrenze; 9: Grundstücksmauer; 10: Fun- der Bösen Sieben dokumentiert werden. Das Bachbett lag 1,5 m unterhalb dament; 11: Gebäude um 1500; 12: Brunnen des heutigen. Um 1500 wurde dieses mit einem Werkplatz und einem 15.–18. Jahrhundert; 13: Schuppen, 14: Bach- Schuppen (Abb. 7,13 und 7,7) überbaut. Diese wurden gegenüber dem bett der Bösen Sieben. Bachlauf mit großen Steinen abgesichert. Nach den Überschwemmungen des 16. Jahrhunderts wurde begonnen das Hinterhofgelände mit Kies Abb. 8 (rechts): Rohrleitungs- und Stollen­ systeme in Eisleben: A: Von Martin Lothes Hof; aufzuhöhen. Im 16. Jahrhundert erstmal nur schwach um 30 bis 50 cm und B: Klippenborn; C: Unterglume; D: Falkenvier; im 17. Jahrhundert um 120 cm. Diese Aufhöhung geschah flächendeckend E: Plan; 1: Mühlgraben; 2: Weißer Born; 3: An- südlich der Bösen Sieben bis zur Halleschen Straße. Somit wurde auf einer nenkirchstollen; 4: Faulenseer Stollen; 5: Drei- großen Fläche vom 15. bis zum 18. Jahrhundert das Relief an der Bösen zehnhäuser Kanal; 6: Rathausstraße; 7: Jüden- Sieben umgekehrt. Diese großflächigen Hochwasserschutzmaßnahmen hof (Tscherne); 8: Klosterplatz (17.–19. Jahr- waren nur durch die Stadtbrände von 1655 und 1689 in diesem Gebiet hundert); 9: Steinkopfstraße (19. Jahrhundert). möglich geworden, da ein Großteil der Bebauung vernichtet und somit freier Bauraum geschaffen worden war. Die Aufschüttungen gegenüber der Bösen Sieben wurden mit Steinplatten oder Flechtwerkzäunen ge­ sichert (Abb. 5, Bachbefestigung). Auffällig ist, dass das Bachufer im Laufe der Zeit immer weiter nach Süden verschoben wurde. Damit wurde das Bachbett eingeengt und die Anfälligkeit für Überflutungen trotz Hoch- wasserschutzes sogar noch erhöht. Ferner wurde das Bachbett durch die vom Bach mitgeführten Gerölle ständig erhöht und musste immer wieder ausgehoben und gesäubert werden. Einen nicht unerheblichen Anteil am Vorkommen der Gerölle hatten die oberhalb der Stadt liegenden Kupferhütten, die auch ihre Schlacken in das Bachbett kippten.41

Anzüchte und Holzwasserleitungen Ein Großteil des benötigten Brauchwassers wurde ab dem 16. Jahrhundert über Stollen und Holzwasserleitungen in die Stadt geholt. Vermutlich wur- de der Mühlbach als erstes in ein Gewölbe gefasst (Abb. 8,1). Ein solches konnte in der Rathausstraße dokumentiert werden (Abb. 3,8).42 Leider wurde kein datierendes Fundmaterial aufgefunden. Der Mühlgraben war an dieser Stelle 115 cm breit und 320 cm hoch. Er bestand überwiegend aus Kalkstein im Gegensatz zu den anderen Wasserkanälen, die aus rotem Sandstein errichtet worden waren. In einer Karte aus dem Jahre 1932 (?), die die Wasserabflussrichtungen in der Stadt dokumentiert, wurde ein wei- terer gewölbter Querschnitt des Mühlgrabens zwischen der Zeisingstraße

138 und der Klippe (Abb. 3,9) mit 60 cm Breite und 135 cm Höhe angegeben. In der Rathausstraße wurde der Mühlgraben im 17. oder 18. Jahrhundert durch einen von Norden, vom Andreaskirchplatz kommenden gewölbten Kanal aus Sandstein abgeklemmt. Der weitere Verlauf des Mühlgrabens scheint in diesem Zusammenhang auch neu gebaut worden zu sein, da er aus Buntsandstein errichtet wurde und das Gewölbe höher lag als das des alten Mühlgrabens. Hier war der neue Steinkanal 80 cm breit und mindestens 70 cm hoch. Am Plan wurden zwei weitere Profile durch Peter Streitwolf dokumentiert. Dabei war das eine Gewölbe 1,8 m breit und über 1,8 m tief (Maß: Oberkante–Verfüllung). Daneben fand er einen weiteren Abschnitt mit nur 80 cm Breite und einer Höhe von über 1 m.43 Die unterschiedlichen Höhen und Breiten lassen sich durch diverse Um- bau- und Reparaturmaßnahmen erklären. Zu den ältesten Wasserversorgungssystemen gehören hölzerne Wasserleitungen: 1521 wurde eine Quelle im Nicolaiviertel gefasst und zur Friesenstraße geführt (Abb. 8,A). 1533 wurde eine Röhre vom Klippen- born zum Markt geführt (Abb. 8,B) und eine Leitung vom Brauhaus am Jüdenhof ins Petriviertel geführt.44 Ein Abzweig dieser Leitung wurde 2007 unweit des oben erwähnten Profils am unteren Ende der Rammtorstraße freigelegt (Abb. 8,F).45 1548 wurde von der Glume eine Holzleitung entlang der Friesenstraße (Abb. 8,C) und um 1585 wurde der Falkenführer gelegt (Abb. 8,D).46 Ferner wurden drei parallel liegende Holzrohre durch Peter Sreitwolf 2002 am Plan freigelegt.47 Neben den Holzleitungen wurden steingemauerte Kanäle beziehungswei- se Stollen gebaut. 1535 wird in der Stadtchronik vom Bau eines Anzuchtka- nals bei und hinter dem Schloss berichtet. Dieser auch als Dreizehnhäuser- kanal bekannte Stollen wurde 2008 beim Abriss der DDR-zeitlichen Kauf- halle wiederentdeckt (Abb. 8,5). Der Begriff Anzuchtsstollen (aytzcuchten) wurde einmal in der Stadtchronik verwendet.48 In Freiberg werden diese als Abwasserstollen definiert im Gegensatz zu den Röschen, die Wasser in die Stadt führen. Beide haben dort verschiedene Höhenniveaus.49 In Eisleben ist so ein technisch ausgereiftes System nicht zu beobachten, vermutlich wird deshalb in den Schriftquellen einfach nur von Stollen gesprochen. Dies macht jedoch eine Interpretation der Kanäle schwierig. Wurden sie zur Brauchwasserheranführung oder Abwasserableitung genutzt? 1544 kam der Krugstollen aus Wimmelburg. Er entwässerte den Bergbau und das Wasser wurde den Bergwerken abgekauft. Der Verlauf ist nicht bekannt, es wurde jedoch Anfang der 1990er Jahre ein Stollen mit einer Höhe von 140 und einer Breite von 80 cm in Wimmelburg ge- funden. 1583 wurde über den Faulenseer Stollen Wasser aus den Kupfer- 41 Spangenberg 1917, fol. 253a, 248: „Das dritte an bergwerken in die Stadt geführt (Abb. 8,4). Zwei Jahre später baute man den Klippen, welches noch das Klippen-Tor heißet den Weißen Born Kanal, der über den Marktplatz führte (Abb. 8,2).50 Der und zwar selten und nicht ehe, denn wenn die Fluten zu gar groß sind, geöffnet wird; denn von wegen der Verlauf dieses Stollens war bis 1932 bekannt gewesen, geriet dann aber Risse und Runsen, so die Wasserfluten von vielen Jahre in Vergessenheit und wurde erst im Jahr 2001 wiederentdeckt. Er wurde her gemachet, und von den Schlacken, so von den westlich der Einmündung des Jüdenhofs, nördlich vom Markt 52 auf einer Hütten über der Stadt Isleben dahin gestürzet worden, durch diesen Tor zu fahren gar unwegsam ist und Länge von ca. 40 m freigelegt: Seine Höhe lag zwischen 1,2 und 1,4 m, dasselbige auch darzu von dem Sande und Erde, so seine Breite bei 0,62 m. Ferner wurde ein 1,5 m langer und 0,8 m breiter die Flut darein geführet gar niedrig ist geworden.“ Zugangsschacht vor dem Markt 54 freigelegt. Die Verfüllung bestand aus 42 Matthes 2007a. einem 0,1 m starken gelblich-hellbraunem Lehm mit modernen Funden. 43 Streitwolf 2005, 259 f. Darunter lag vermutlich ein Pflaster. Der Stollen wurde aus rotem Sand- 44 Größler/Sommer 1882, fol. 68b, 1 und fol. 77b, 11. 45 Matthes 2007a. stein, Kalkstein, Rogenstein in Lehmmörtel gebaut. Am Zugangsschacht 46 Spangenberg 1917, fol. 94a, 19 und fol. 258, war das Bodenniveau niedriger als im Stollen. Es kann sich dabei um 251–252. eine Schlammfanggrube gehandelt haben.51 Die von Spangenberg be- 47 Streitwolf 2005, 257 und 259. schriebenen über Stufen erreichbaren Wasserschöpf- und Wasserstellen52 48 Größler/Sommer 1882, fol. 79a, 12. Auffindung: konnten bislang archäologisch nicht nachgewiesen werden. Über den in Freundliche Mitteilung von Olaf Kürbis. 49 Mucke 2002, 475. der Neustadt gelegenen Annenkirchstollen ist archivalisch nichts bekannt 50 Wäsche 2002, 58–68. 53 (Abb. 8,3). Er wurde 2001 bei Bauarbeiten geöffnet. Ferner wurden in der 51 Gall 2004, 152 f. Rathausstrasse ein frühneuzeitlicher gewölbter Kanal (Abb. 8,6), in der 52 Spangenberg 1917, fol. 256a. Jüdenhofstraße (Tscherne) ein mit Steinplatten abgedeckter frühneuzeit- 53 Wäsche 2002, 110 ff.

139 Abb. 9: Brunnen in Eisleben: Kreissignatur: öffentlich auf der Straße, Schwarze Signatur: bekannte private Brunnen.

licher Kanal (Abb. 8,7), am Klosterplatz ein mit Steinplatten abgedeckter Kanal des 17.–18. Jahrhunderts (Abb. 8,8) und in der Steinkopfstraße ein abgedeckter Kanal des späten 18. bis frühen 19. Jahrhunderts archäolo- gisch dokumentiert.54 Diese waren bislang nicht bekannt gewesen.

Brunnen Das Wasser der Holzrohrleitungen und der Stollen wurde direkt oder über Brunnenstuben in sogenannte Archen geleitet. Diese bestanden aus höl- zernen oder steinernen Becken. Daneben existierte ein System öffentlicher Brunnen (Abb. 9), die in regelmäßigen Abständen von ca. 100 m im Stadt- gebiet angelegt wurden. Ferner konnte Thomas Wäsche auf Grundlage archivalischer Studien und Stadtbegehungen 194 Brunnen auf privaten Grundstücken nachweisen.55 Davon wurden 14 von zwei Grundstücken aus genutzt, elf lagen im Haus, ein Grundstück besaß einen Brunnen im Haus und im Seitenflügel, fünf lagen im Hinterhaus und 53 im Hof, davon zwei nachweislich aus dem 19. Jahrhundert. Ein Grundstück besaß im Hof zwei Brunnen, zwölf wurden in Kellern gefunden und 97 weitere nur ar- chivalisch nachgewiesen, ohne sie genauer im Grundstück lokalisieren zu können. Die Datierung aller Brunnen ist ohne archäologische Ausgrabung problematisch. Eine das Baumaterial erfassende Typologie wurde noch nicht erstellt. Die Nutzungsdauer eines Brunnens an der Grundstücksgren- ze zwischen Lutherstraße 17 und 18 konnte allerdings vom 15. bis in das 18. Jahrhundert datiert werden (Abb. 7). Ab dem 19. Jahrhundert wurden die Brunnen überwölbt und mit Pumpen versehen, allerdings wurde die Wasserqualität durch die in der Nähe liegende Kupferverhüttung immer schlechter.

Ein großes Wasserbecken unbekannter Einen Großteil des Hinterhofareals der Lutherstraße 18 nahm ein großes Funktion in der Lutherstraße 18 Wasserbecken ein (Abb. 7,3). Es wurde auf 10x4,6 m freigelegt. Seine östliche Begrenzung konnte jedoch nicht erfasst werden, da es unter das Grundstück der hinter dem Luthergeburtshaus befindlichen Lutherarmen- schule des 19. Jahrhunderts zog. Das Wasserbecken wurde im Osten durch eine Mauer begrenzt, die die Grundstücke Lutherstraße 17 und 18 trennte (Abb. 7,9). Im Westen endete das Becken an aufrecht gestellten Steinplat- ten, die vermutlich durch Hölzer befestigt waren. Nachdem diese morsch wurden, fielen einige von ihnen um. Davor geschüttete Steine zeugen von wenig erfolgversprechende Reparaturmaßnahmen. Möglicherweise sollten diese auch nur den westlich und südlich des Beckens befindlichen gepflasterten Weg (4) stabilisieren. Das Becken war im Süden über Stein- plattenstufen erreichbar gewesen (Steinplatten südlich der Bezeichnung 54 Matthes 2007a und 2007b. 3A). Es schloss sich ein Lehmboden an (Abb. 7,7), der vermutlich als Werk- 55 Wäsche 2002, 9–57. platz diente. Um 1500 oder in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts

140 wurde daneben ein kleines Gebäude errichtet (Abb. 7,13), das allerdings abbrannte (verziegelter Lehm mit Holzkohle). Das Becken war durch einen steingebauten Kanal (Abb. 7,5), der unter dem gepflasterten Weg 4 durch- führte, mit einem brunnenartigen Sickerschacht (Abb. 7,6) verbunden. Der Sickerschacht wurde im 16. Jahrhundert mit Steinplatten abgedeckt und blieb so bis zur Ausgrabung. Er war kaum verfüllt. Aus seiner untersten Verfüllung kamen aber, wie vom Boden des Beckens, Randscherben von Topfkacheln mit rechteckiger Mündung heraus. Sie datieren die Anlage in das 15. Jahrhundert. Da das Aufnahmevolumen des Sickerschachtes im Vergleich zur Größe des Beckens gering war, muss man annehmen, dass das Becken nur flach mit Wasser gefüllt wurde. Eine Interpretation dieser technischen Anlage ist Mangels Parallelen schwierig. Die von der Archäo- botanikerin Frau M. Hellmund aufgefundene Leinsamenkapsel kann ein schwaches Indiz für eine Flachsröste sein.56 Ein Zufluss wurde im Bereich der Grabungsgrenze nicht gefunden. Das Becken wurde im 16. Jahrhun- dert von einem Hochwasser der Bösen Sieben überflutet, wie rötliche Schwemmsande im Becken anzeigten, und anschließend aufgegeben und teilweise mit Kies verfüllt. In der noch vorhandenen Mulde lagerte sich eine Kulturschicht mit Holzfunden ab – möglicherweise Überreste einer Holzwerkstatt. Darüber lag Dung, der auf eine stärker landwirtschaftliche Nutzung des Hofs im 16./17. Jahrhundert schließen lässt.57

Zunächst sollte auch nicht der von Peter Streitwolf auf dem Markt ge- Was fehlt fundene als Wasserfiltergrube interpretierte Befund unerwähnt bleiben (Abb. 3,14).58 Daneben gibt es aber etliche Wirtschaftseinrichtungen, deren Erhaltungszustand nahezu unerforscht ist. Dazu zählen drei Bade- stuben (Abb. 3,10–3,12) oder die Brauhäuser der Stadt, die städtischen Mühlen und Hütten. Leider haben die zahlreichen Stadtbrände einen Großteil der historischen Bausubstanz zerstört. Ferner ist auch noch die 1521 bei Spangenberg erwähnte Schwemme (Abb. 3,13) zu nennen,59 die als Viehtränke, Feuerlöschteich und selten als Hinrichtungsstätte durch Ersäufen diente. Mit ihren Wasserstollen zeigt die Stadt Eisleben Parallelen zu Frei- berg auf. Es kann sicherlich nicht als Zufall betrachtet werden, dass solche wasserbaulichen Systeme gerade in Bergstädten angewendet wurden. Das im Bergbau gewonnene Know-how im Stollenbau und im Wasser- management und die genügend große Anzahl an Spezialisten auf die- sem Gebiet ermöglichten in der wirtschaftlichen Blütezeit der Stadt ein Wasserwirtschaftssystem, das an das in Freiberg technologisch vielleicht Christian Matthes M.A. nicht ganz heranreichte, aber im Vergleich zu anderen Städten äußerst Lenbachstraße 1, D-10245 Berlin fortschrittlich war. [email protected]

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Abbildungsnachweis Abb. 1–9: Verfasser; Abb. 1, 3, 8 und 9 auf Grundlage des GIS der Lutherstadt Eisleben

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