„Vorrathskammern der Seele“

Bibliotheken im 17. Jahrhundert am Beispiel der Stiftsbibliothek Pöllau.

Diplomarbeit

zur Erlangung des akademischen Grades einer Magistra philosophiae

an der Karl-Franzens-Universität Graz

vorgelegt von

Annemarie MÖRTL

am Institut für Geschichte Begutachterin O.Univ.-Prof. Dr.phil. Renate Pieper

Graz, 2014

Inhaltsverzeichnis

Einleitung ...... 3 1. Vom Wesen der Bibliotheken ...... 15 1.1 Bibliothek und Gedächtnis ...... 20 1.2 Bibliothekskataloge und das Streben nach Universalität ...... 24 1.2.1 Index omnium librorum existentium in Monasterio Pellensi ...... 31 1.3 Bibliothek und das Sammeln von Kuriosem ...... 32 2. Von den Trägern der Bibliotheken ...... 36 2.1 Von Privatbibliotheken und höflichen Fürstenbibliotheken ...... 36 2.2 Monastische Bibliotheken und das Religiöse...... 43 2.2.1 Der Bestand des Augustiner-Chorherrenstifts Pöllau ...... 49 2.3 Empfehlungen zur Einrichtung und Aufstellung einer Bibliothek...... 57 3. Von den Erweiterungsstrategien der Bibliotheken ...... 61 3.1 Virtuelle Bibliothecae und Bücherauktionen ...... 62 3.2 Messen und papiertauschende Buchhändler ...... 65 3.3 Bücheragenten und die res publica litteraria ...... 71 3.3.1 Bibliotheksreisen und Reiseberichte ...... 74 3.4 Klösterliche Buchbeschaffung ...... 76 3.5 Gleichzeitigkeit von Druck- und Handschrift ...... 78 Conclusio ...... 83 Quellen und Bibliographie ...... 87 Ungedruckte Quellen ...... 87 Literatur...... 87 Danksagung...... 98

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Einleitung

Bibliotheken sind Einrichtungen kulturellen Wertes mit einer langen und bedeutenden Tradition. Gemeinsam mit Archiven und Museen können sie als „institutionalisiertes kulturelles Gedächtnis“1 angesehen werden. Über die Bedeutung von Archiven und Museen ist sich eine breitere Öffentlichkeit einig, jedoch gilt dies nicht für Bibliotheken. Sie sind heutzutage eher unauffällige Zeitgenossen in der Gesellschaft und der urbanen Landschaft, mit denen sich die mediale Allgemeinheit nicht nennenswert beschäftigt. „Der Grund für dieses öffentliche Desinteresse liegt offenbar darin, dass Bücher als alte Medien gelten, denen man nun schon seit Jahrzehnten ein baldiges Verschwinden prophezeit, so dass auch den Bibliotheken als Hort dieser verschwindenden Medien keine großen Zukunftschancen mehr eingeräumt werden.“2 Den Weg zurück in das gesellschaftliche Bewusstsein erlangen sie allenfalls wenn sich eine Bibliothekskatastrophe ereignet: Bei unheilbaren Beschädigungen oder aber einem vollständigen Verschwinden einer Bibliothek ist ihnen mediale Aufmerksamkeit gewiss, die ihnen aufgrund ihres ansonsten unauffälligen und unspektakulären, aber funktionierenden institutionellen Arbeitsalltags verwehrt bleibt.

In solch einem Kontext der Dysfunktion waren Anfang September 2004 Meldungen von einer Bibliothek in Weimar in den Medien: Die Herzogin Anna Amalia Bibliothek brannte. Mit verheerenden Folgen. Die einst 1691 von Herzog Wilhelm Ernst von Sachsen-Weimar begründete Büchersammlung und erst 1991 umbenannte Bibliothek, verlor 30 000 Bücher durch den ‚Feuertod‘, insbesondere Werke des 16. bis 18. Jahrhunderts.3 Andere abertausende, vom Löschwasser durchweichte Bücher aus dem Bibliotheksbestand, über den 4 Johann Wolfgang von GOETHE selbst einmal die Oberaufsicht inne gehabt hatte, mussten daraufhin restauriert werden, wobei der Großteil der Bibliothek glücklicherweise gerettet werden konnte. Jedoch wären damals schon in fünf Wochen die ausgebauten unterirdischen

1 Uwe JOCHUM, Vernichten durch Verwalten. Der bibliothekarische Umgang mit Büchern, in: Mona KÖRTE / Cornelia ORTLIEB (Hg.), Verbergen - Überschreiben - Zerreißen. Formen der Bücherzerstörung in Literatur, Kunst und Religion, Berlin 2007, (Allgemeine Literaturwissenschaft - Wuppertaler Schriften, 9), 106. 2 Uwe JOCHUM, Geschichte der abendländischen Bibliotheken, Darmstadt 2010, 7. 3 Vgl. DIE ZEIT, Die Asche von Weimar, 9. September 2004, online unter http://www.zeit.de/2004/38/Bibliothek (24.04.2014). 4 Vgl. Miriam VON GEHREN, Die Herzogin Anna Amalia Bibliothek in Weimar. Zur Baugeschichte im Zeitalter der Aufklärung, Wien 2013, 134. 3

Magazine fertiggestellt gewesen, und es hätte nicht zu diesem hohen kulturellen Verlust an Büchern und, mit ziemlicher Sicherheit, nicht zu dieser medialen Aufmerksamkeitskonzentration geführt. Feuer und Flammen hatten schon immer eine spezielle, wirkmächtige Beziehung zu Büchern und Bibliotheken, angefangen zum Beispiel mit dem Brand der Alexandrinischen Bibliothek und der darauffolgenden variationsreichen Mythenbildung.5 Denn nicht nur durch unglückliche Unfälle sind diverse Bücher im Laufe der Geschichte verbrannt, sondern auch durch bewusst gesetzte und gesteckte Scheiterhaufen.6 Martin Luther spricht in dem Zusammenhang sogar von einem „ehrwürdigen alten Brauch missfällige Bücher intellektueller Gegner zu verbrennen“7, dem er selbst aber nicht weitere Bedeutung beigemessen zu haben schien, stammte diese Aussage doch von einem Mann, der das Buch und seine Wirkmacht wohl bekanntlich nicht als nebensächlich ansah. Aus dieser bewussten oder unwillkürlichen Absicht Bücher dem Feuer zu überlassen, lässt sich ein gewisser Bedeutungszusammenhang ablesen,8 nämlich dass dem Medium Buch und dem Ort Bibliothek in der Vergangenheit eine besondere Bedeutung gegeben und großen Wert sowie unermüdliche Aufmerksamkeit geschenkt wurde.

Diese Unauffälligkeit des Daseins von Bibliotheken im zeitgenössischen, gesellschaftlich- urbanen Diskurs, außer im Kontext eben genannter Dysfunktionen, hat nicht von jeher bestanden. Besonders die frühneuzeitliche Epoche des Humanismus prägte und veränderte das europäische Geistesdenken und damit einhergehend auch den Status einer Büchersammlung, denn „(m)it dem Durchsetzen der geistesgeschichtlichen Strömung des Humanismus gehörte die Bibliothek zum festen Kanon des Gelehrten, diente dem Nachdenken und Experimentieren, war Statussymbol, intimer Rückzugsort und das darin gesammelte Wissen

5 Vgl. zu dieser Thematik: Jon THIEM, Die Bibliothek von Alexandria brennt – wieder und wieder, in: Mona KÖRTE / Cornelia ORTLIEB (Hg.), Verbergen - Überschreiben - Zerreißen. Formen der Bücherzerstörung in Literatur, Kunst und Religion, Berlin 2007, 31–45. 6 Hier wird Bezug auf die zahlreichen Bücherverbrennungen und Bibliothekszerstörungen genommen, die durch den Lauf der Geschichte belegt sind. Die Literatur zu der Thematik ist eine erschöpfende; hier eine Auswahl der weiterführenden Literatur: Rebecca KNUTH, Burning books and leveling libraries. Extremist violence and cultural destruction, Westport, Conn. (u.a.) 2006; Mona KÖRTE / Cornelia ORTLIEB (Hg.), Verbergen - Überschreiben - Zerreißen. Formen der Bücherzerstörung in Literatur, Kunst und Religion, Berlin 2007; Hermann RAFETSEDER, Öffentliche Bücherverbrennungen durch den Henker. Versuch einer allgemeinen Theorie sowie Darstellung der historischen Entwicklung unter besonderer Berücksichtigung in Wien bzw. von Wien aus durchgeführter Fälle, Wien 1982; Julius H. SCHOEPS / Werner TRESS (Hg.), Verfemt und verboten. Vorgeschichte und Folgen der Bücherverbrennungen 1933, Hildesheim (u.a.) 2010. 7 Zitiert nach: Hans J. HILLERBRAND, Verbrannte Bücher, verbrannte Menschen. Über die Macht und Ohnmacht der Ideen, in: Julius H. SCHOEPS / Werner TRESS (Hg.), Verfemt und verboten. Vorgeschichte und Folgen der Bücherverbrennungen 1933, Hildesheim (u.a.) 2010, 15. 8 Umfangreiche und mehr vertiefende Aspekte der symbolischen Funktionen von Bücherverbrennungen siehe: Jon THIEM, The Great Library of Alexandria Burnt. Towards the History of a Symbol, in: The Journal of the History of Ideas (Oct.-Dec. 1979), 507–526. 4

galt als Schlüssel zur Macht“9. Während sich die Gedankenwelt des Humanismus zuerst in Italien des 14. Jahrhunderts entwickelte, brauchte es bis zu 200 Jahre, bis sich diese Strömung auch im Norden, im Speziellen den deutschen Sprachraum, durchsetzte, dabei begünstigt durch den Buchdruck und die Reformation.

Der Fokus dieser Arbeit liegt darauf, die gesellschaftskulturelle Bedeutung aufzuzeigen, die Bibliotheken in der neuzeitlichen Vergangenheit, im Speziellen im 17. Jahrhundert, innehatten. Aufgrund dessen werden Definition und Nutzen von Bibliotheken den Überlegungen zur unterschiedlichen, zeitgenössischen Beschaffenheit der Bibliothekstypen und den Anliegen ihrer Träger vorangestellt. Auch die Sammlungsstrategien der jeweiligen Bibliotheksträger bzw. ihre Abhängigkeit vom zeitgenössischen Buchhandel und der neuzeitlichen Ausprägung der Gelehrtenrepublik wird untersucht. Als exemplarische Unterlegung bzw. auf Basis dieser bibliothekstheoretischen und -praktischen Ansätze wird der Bestand des ehemaligen Augustiner-Chorherrenstifts Pöllau in der Steiermark untersucht, der bislang noch keine wissenschaftliche Aufmerksamkeit erhalten hat. Dabei soll durch die inhaltliche Aufschlüsselung und die räumliche Komponente der Bücherunterbringung eine bestandsumfangreiche Einordnung in die zeitgenössische Bibliothekslandschaft passieren, als auch eine zeitgemäße Einbettung in die geistesgeschichtliche und architektonische Umgebung des Barock, um schlussendlich herausfinden zu können, ob es sich dabei um eine „auserlesene“ und repräsentative Klosterbibliothek des 17. Jahrhunderts handelte.

Im Wesentlichen wird das 17. Jahrhundert bzw. das Zeitalter des Barocks10 untersucht, da die zu bearbeitende Bibliothek aus diesem Zeitraum stammt, wobei Rückbezüge auf die frühe Neuzeit und Ausblicke auf das 18. Jahrhundert gegeben werden. Ein weiterer Grund für die Zeitangabe ist jener, dass das 17. Jahrhundert generell seit Beginn einer wissenschaftlichen Beschäftigung mit der Bibliotheksgeschichte erst verspätete und geringere Beachtung gefunden hat, als es das 15. und 16. Jahrhundert erfahren haben. „Der Hauptgrund für die verzögerte Entwicklung dürfte darin zu suchen sein, dass dieser Epoche – wegen der durch

9 Stefan KÖRNER, Blaues Blut & Druckerschwärze. Aristokratische Büchersammlungen von 1500 bis 1700, Eisenstadt 2005, 5. 10 Für die Verwendung des Barockbegriffs möchte ich gerne eine treffende Aussage übernehmen: „Der Barockbegriff dient hier nur als heuristisches Hilfsmittel ohne besondere methodische Ambition. Er soll an dieser Stelle auch nicht diskutiert werden, ebensowenig ist eine Abgrenzung zu ‚Rokoko‘ oder ‚Spätbarock‘ vorzunehmen, zu Stilbegriffen also, die vor allem dann kritischer Reflexion bedürfen, wenn man sie auf architektonische Konzeptionen anwendet“. Übernommen von: Markwart HERZOG / Rolf KIESSLING / Bernd ROECK, Zu den wirtschafts- und geistesgeschichtlichen Grundlagen des süddeutschen Klosterbarock. Einleitung der Herausgeber, in: Markwart HERZOG / Rolf KIESSLING / Bernd ROECK (Hg.), Himmel auf Erden oder Teufelsbauwurm? Wirtschaftliche und soziale Bedingungen des süddeutschen Klosterbarock, Konstanz 2002, 17, Fußnote Nr. 3. 5

den Dreißigjährigen Krieg verursachten allgemeinen wirtschaftlichen Rezession – der Ruf anhängt, nur den Qualitätsverlust und den quantitativen Niedergang der Buchkultur zu dokumentieren.“11 Im Laufe der letzten Jahrzehnte hat sich jedoch in der geisteswissenschaftlichen Forschung das Bild etwas gewandelt, das wiederum auch durch diese Abhandlung versucht wird aufzuzeigen. Der geographische Fokus wird dabei prinzipiell auf dem deutschen Sprachraum liegen, wobei die Steiermark einen Schwerpunkt darstellt.

Für diese Arbeit ist der Theoriebereich der Bibliotheksgeschichte ausschlaggebend, deren Fokus auf die Geschichte der öffentlichen und privaten Bibliotheken gerichtet ist. Es handelt sich dabei jedoch um keinen homogenen, streng abzugrenzenden Forschungsbereich, auch wenn die Bibliotheksgeschichte ein selbstständiges Forschungsgebiet mit eigenen Methoden und Traditionen darstellt. Jedoch ist eine eindeutige Zuordnung zu einer Fachdisziplin nicht möglich, da sie zwischen mehreren Fächern angesiedelt ist:12 nämlich unter anderem in der Geistes-, Kultur- und Bildungsgeschichte als auch in der Wissenschaftsgeschichte. Generell erweist sich nämlich eine wissenschaftliche Beschäftigung mit Bibliotheken als theoretisch vielseitige und vielschichtige kultur- und geistesgeschichtliche Herausforderung, die nicht zuletzt eine ebenso vielfältige Forschungsaufgabe zur Folge hat. Denn die Ergebnisse aus einer intensiven Auseinandersetzung mit einzelnen Bibliotheken der verschiedenen Büchersammlungstypen leisten sowohl einen Beitrag zur europäischen Kultur- und Wissenschaftsgeschichte, da Bibliotheken grundsätzlich ein Treffpunkt für Wissenschaft waren, als auch zur Sozialgeschichte, indem diese ein Angelpunkt bzw. Indikator für eine bestimmte soziale Gruppe waren, die sich im Laufe der Jahrhunderte stetig wandelte, erweiterte und neu definierte: Wer lesen und eine Bibliothek aufsuchen konnte verrät schlussendlich viel über dessen Herkunft und sozialen Stand, denn nicht jedem war es möglich Bibliotheken zu besuchen, geschweige denn eine eigene Büchersammlung ‚anzuhäufen‘.

Generell muss auch darauf hingewiesen werden, dass sich bibliotheksgeschichtliche Untersuchungen meist in einem nationalen Kontext bewegen, da sich im neuzeitlichen Europa nicht nur ‚nationale‘ kulturgeschichtliche Entwicklungsunterschiede auftaten, sondern auch historisch politische Eigendynamiken das jeweilige Wissens- und Gelehrtenbild beeinflusst

11 Werner ARNOLD / Helmar HÄRTEL, Buchdruck des 17. Jahrhunderts, in: Werner ARNOLD / Wolfgang DITTRICH / Bernhard ZELLER (Hg.), Die Erforschung der Buch- und Bibliotheksgeschichte in Deutschland. Festschrift Paul RAABE, Wiesbaden 1987, 121. 12 Vgl. Alois SCHMID, "Religioni, scientiis, artibus dedicatum". Oberdeutsche Klosterbibliotheken im Barock, in: Ernst TREMP (Hg.), Klosterbibliotheken in der Frühen Neuzeit. Süddeutschland, Österreich, Schweiz. Wiesbaden 2012, 12. 6

haben. Dementsprechend handelt es sich hier um einen bibliotheksgeschichtlichen Überblick aus dem Blickwinkel der deutsch-österreichischen Forschung.

Während sich die Bibliothekswissenschaft allgemeiner mit Funktionen, Organisation, Leistungen, Potenzialen und Zukunftsfähigkeit von Bibliotheken beschäftigt,13 konzentriert sich die Bibliotheksgeschichte auf die historische Wirklichkeit dieser Institutionen und „soll ein vollständiges und detailliertes Bild von der mit Bibliotheken zusammenhängenden sozialen Wirklichkeit geben, die gesellschaftlichen Bedürfnisse aufzeigen, die für die Ziele und Aufgaben der Bibliotheken oder die einzelnen bibliothekarischen Arbeitsbereiche bestimmend waren, und ihre tatsächliche Bedeutung beschreiben“14. Im Mittelpunkt der bibliotheksgeschichtlichen Forschung steht dabei „die klassische Darstellung und Zusammenfassung der Bibliotheksgeschichte insgesamt oder einzelner Typen, einzelner Länder oder die Darstellung einzelner Büchersammlungen selbst“15. Das 17. Jahrhundert stellt dabei im deutschen Sprachraum eine konkrete Auseinandersetzung mit Bibliotheken und Bibliotheksgeschichte dar,16 denn im „Zeitalter des Polyhistorismus“ und bedeutender Privatsammler kommen die ersten veröffentlichten Schriften auf, die sich konkret mit früheren, aber auch zeitgenössischen bibliothekarischen und bibliothekshistorischen Themen beschäftigen.17 Im Zuge der Entwicklung erschienen zahlreiche Publikationen, die sich mit älterer und neuerer Bibliotheksgeschichte auseinandersetzten und dadurch neue Begrifflichkeiten anboten, wobei auch Gemeinschaftsarbeiten entstanden. In diesem Zusammenhang ist besonders die Herzog-August-Bibliothek in Wolfenbüttel zu nennen, die

13 Konrad UMLAUF / Stefan GRADMANN, Handbuch Bibliothek. Geschichte, Aufgaben, Perspektiven, Stuttgart 2012, 25. 14 Krzysztof MIGON, Das Buch als Gegenstand wissenschaftlicher Forschung. Buchwissenschaft und ihre Problematik, Wiesbaden 1990 (Buchwissenschaftliche Beiträge aus dem Deutschen Bucharchiv München, 32), 102. 15 Paul RAABE, Bibliotheksgeschichte und historische Leserforschung. Anmerkungen zu einem Forschungsthema, in: Wolfenbütteler Notizen zur Buchgeschichte. Jg. 7 (1982) Heft 1-2, 433. 16 Besonders fundierte und interdisziplinäre Arbeiten zu Bibliotheken in der Zeit des Barock sind beispielsweise: Markwart HERZOG / Rolf KIESSLING / Bernd ROECK (Hg.), Himmel auf Erden oder Teufelsbauwurm? Wirtschaftliche und soziale Bedingungen des süddeutschen Klosterbarock, Konstanz 2002. 17 Vgl. Wolfgang MILDE, Mittelalterliche Bibliotheken in der neueren Bibliotheksgeschichtsschreibung. Ein Abriß, in: Werner ARNOLD / Wolfgang DITTRICH / Bernhard ZELLER (Hg.), Die Erforschung der Buch- und Bibliotheksgeschichte in Deutschland. Festschrift Paul RAABE, Wiesbaden 1987, 368; sowie: Hans LÜLFING, Zur Entwicklung der deutschen Bibliotheksgeschichtsschreibung, in: Archiv für Kulturgeschichte 31 (1942), 176-177, der diese eigentümliche Art bibliotheksgeschichtlicher Literatur wie folgt beschreibt: „Es handelt sich zunächst noch um jene Vorformen, in denen die Beschreibung und Würdigung mit geschichtlichen Ausführungen gleichsam stützend durchsetzt ist. Die antiquarischen und humanistischen Bestrebungen beherrschen sie in ihrem Stil durchaus. Dort aber, wo man sich um das Geschichtliche bemüht, greift man mit dem von Scholastik und Humanismus überlieferten Rüstzeug bis in das fernste Altertum zurück, häuft antiquarisierend die die Notizen aus den Schriftstellern, um so einen historischen Zusammenhang herzustellen.“ 7

als Forschungszentrum im Bereich der Bibliotheks- und Buchforschung als bedeutsamer Katalysator fungiert.18

Viel zu wenig Aufmerksamkeit wurde jedoch noch den einzelnen Bibliotheksbeständen gewidmet. Die Bestandsgeschichte ist ein Teil der Bibliotheksgeschichte und setzt sich mit der „Sichtung und Auswertung des privaten Buchbesitzes vergangener Epochen“19 auseinander. Eine rege Forschungstätigkeit hat sich seitdem in diesem Bereich ergeben.20 Dabei handelt es sich jedoch noch immer um notwendige Basisarbeiten: „Für manche 21 Regionen fehlt sogar die Dokumentation der Bestände“ , wie Wolfgang ADAM in seinem Forschungsbericht feststellt. „Das Ziel ist die Erfassung und gegebenenfalls Rekonstruierung von bisher kaum oder gar nicht bekannten privaten Sammlungen“22, aber auch klösterlichen Bibliotheken. Gerade an diesem Punkt wird diese Abschlussarbeit ansetzen und einen wichtigen Beitrag für die noch lang nicht ausgeschöpfte Bestandsforschung liefern.

Auf dem Sektor der Klosterbibliotheken hat sich die Forschung sublimiert.23 Im Bereich der 24 monastischen Bibliotheksforschung ist besonders Alois SCHMID hervorzuheben, der sich bei

18 „Man geht in der Regel davon aus, dass in der frühen Neuzeit die Bibliotheksgeschichtsschreibung im 17. Jahrhundert einsetzt, und zwar in Verbindung mit der Wolfenbütteler Bibliothek“, so MILDE, Mittelalterliche Bibliotheken in der neueren Bibliotheksgeschichtsschreibung, 366. Als Beispiele seien die regelmäßig erscheinenden Zeitschriften zu nennen: Wolfenb. Barock-Nachrichten oder Wolfenb. Notizen zur Buchgeschichte als auch die Wolfenb. Schriften zur Geschichte des Buchwesens etc. 19 Wolfgang ADAM, Privatbibliotheken im 17. und 18. Jahrhundert. Fortschrittsberichte (1975-1988), in: Internationales Archiv für Sozialgeschichte der deutschen Literatur (IASL) 15, 1 (1990), 123. 20 Für einen groben Überblick der aktuellen Forschungsveröffentlichungen im Bereich Privatbibliotheken bietet sich einerseits Wolfgang ADAMs Bibliographie an (ADAM, Privatbibliotheken im 17. und 18. Jahrhundert. Fortschrittsberichte (1975-1988) ab Seite 162. Als weitere selektive Beispiele im speziellen für Adelsbibliotheken seien hier Eva PLETICHA und Renate JÜRGENSEN, die sich ausgiebig den Adelsbibliotheken im bayrischen Raum widmen, und die Arbeitsgemeinschaft(en) von WOLFENBÜTTEL zu nennen, die in ihren vielen Forschungsuntersuchungen und -veröffentlichungen diverse privat- wie auch allgemeinbibliothekarische Erkenntnisse und aussagekräftige Einzeldarstellungen liefern und der Öffentlichkeit zugänglich machen, wobei hier auch Wolfgang ADAM und Werner ARNOLD angeführt gehören, die mit ihren diversen Aufsätzen einen wesentlichen wissenschaftlichen Erkenntnisbeitrag liefern. Angeführt sei hier auch Uwe JOCHUM, der sich einerseits in die Gefilde der Bibliothekshistoriographie begibt, wobei an die Gesamtdarstellung von Ladislaus BUZÁS nicht herankommt, und sich anderseits aber auch mit dem Zukunftsbild „Bibliothek“ auseinandersetzt. 21 ADAM, Privatbibliotheken im 17. und 18. Jahrhundert, 146. 22 Horst GRONEMEYER, Bibliophilie und Privatbibliotheken, in: Die Erforschung der Buch- und Bibliotheksgeschichte in Deutschland, 470. 23 Hierzu: MILDE, Mittelalterliche Bibliotheken in der neueren Bibliotheksgeschichtsschreibung, 361-388; Georg HEILIGENSETZER, Wissenschaftspflege und Aufklärung in Klöstern der Augustiner Chorherren und Benediktiner im bayrisch-österreichischen Raum, in: Werner ARNOLD / Peter VODOSEK (Hg.), Bibliotheken und Aufklärung, Wiesbaden 1988, (Wolfenbütteler Schriften zur Geschichte des Buchwesens, 14), 83–101; Floridus RÖHRIG (Hg.), Die ehemaligen Stifte der Augustiner-Chorherren in Österreich und Südtirol, Klosterneuburg 2005, (Österreichisches Chorherrenbuch); Manfred KNEDLIK / Georg SCHROTT (Hg.), Klösterliche Sammelpraxis in der Frühen Neuzeit, Nordhausen 2010 (Religionsgeschichte der frühen Neuzeit, 9); usw. Unter anderem hat sich auch eine Arbeitsgemeinschaft zum Thema „Arbeitsgemeinschaft Katholisch- 8

seinen Forschungen im süddeutschen Raum sowohl um die sozialen als ebenso geistigen und geistlichen Wirklichkeiten der Klöster bemüht, als auch auf wirtschaftliche und bestandsinhaltliche Aspekte eingeht, wobei er die österreichische Bibliothekslandschaft nur ansatzweise erwähnt. Ein herausragendes und noch immer aktuelles bibliothekshistorisches 25 Überblickswerk stellt die Deutsche Bibliotheksgeschichte der Neuzeit von Ladislaus BUZÁS dar. Gekonnt fängt er die geistesgeschichtlichen Schwankungen der Neuzeit auf, die sich auch in verändernden Verhältnissen in der Bibliothekslandschaft manifestierten, wobei sehr viel auf sehr wenig Platz besprochen wird und die Belege dafür spärlich gesät sind. Wolfgang

ADAM lieferte Anfang der 1980er einen Forschungsbericht, der bis heute nicht an Relevanz verloren hat, jedoch nur den Aspekt der Privatbibliotheken behandelt. Auch Reinhard

WITTMANN und Werner ARNOLD sind zu nennen, beides Spezialisten in ihren Forschungsgegenständen sowohl der Buchgeschichte als auch der Bibliothekskatalogkunde und dem Buchhandel, wobei bei ihnen der Ausblick auf die Forschung anderer Nationen abgeht, das jedoch ein allgemeines Problem der deutschen geisteswissenschaftlichen Forschung darstellt.

Die historische Bibliotheksforschung pflegt aber auch unweigerlich eine nahe und intensive Verbindung und Nähe zur Buchgeschichte26, da die bibliotheksgeschichtliche Forschung auch bibliologische Phänomene berücksichtigt, wobei ihr beider zentraler Gegenstand die „Geschichte des Wissens“27 darstellt. Einer der Gründe dafür ist unter anderem, weil „die Bibliothek einer der Wege ist, auf dem das Buch den Leser erreicht“28. Ihre gemeinsamen Gebiete umfassen nicht nur die Fragen der Distribution und der Bereitstellung von Büchern, sondern auch die Rückbesinnung auf die Rolle und Bedeutung des Buches in Kultur und

Theologischer Bibliotheken (AKThB) gebildet, in der auch Österreich als eigene Landesgruppe vertreten ist (Homepage: http://www.akthb.de/; Stand 20.11.2013). 24 SCHMID, "Religioni, scientiis, artibus dedicatum", 11–37; DERS., ‚Es leben die Prälaten!‘ Der ‚Luxus‘ in Klöstern der Barockzeit zwischen aufgeklärter Polemik und historischer Wirklichkeit, in: Markwart HERZOG / Rolf KIESSLING / Bernd ROECK (Hg.), Himmel auf Erden oder Teufelsbauwurm? Wirtschaftliche und soziale Bedingungen des süddeutschen Klosterbarock, Konstanz 2002, 141–168, u.a. 25 1 Ladislaus BUZÁS, Deutsche Bibliotheksgeschichte der Neuzeit. (1500 - 1800), Wiesbaden 1976. 26 Einen sehr guten Überblick über die Situation der Forschungsverzweigungen unter dem Aspekt „Buch“ liefert: Krzysztof MIGON, Das Buch als Gegenstand wissenschaftlicher Forschung. Buchwissenschaft und ihre Problematik, Wiesbaden 1990 (Buchwissenschaftliche Beiträge aus dem Deutschen Bucharchiv München, 32). 27 Werner ARNOLD, Buch- und Bibliotheksgeschichte als Bildungsgeschichte, in: Sabine WEFERS (Hg.), Von Gutenberg zum Internet (Zeitschrift für Bibliothekswesen und Bibliographie Sonderheft, 68), 32. 28 MIGON, Das Buch als Gegenstand wissenschaftlicher Forschung, 103. 9

Gesellschaft.29 In diesem Zusammenhang steht das Modell „Vom Autor zum Leser“30, in dem die Geschichte des Bücherkaufens, -sammelns und -lesens erforscht wird, wie auch die Geschichte der Käufer, Sammler, Leser und der Institutionen, wie eben die der Bibliotheken oder Lesegesellschaften etc., die jene Aufgaben erfüllen.31 Dabei liefert Nadezda

SHEVCHENKO mit ihrer historischen Anthropologie des Buches eine umfangreiche Analyse des Wandels der kulturellen Normen, Verhaltens- und Umgangsweisen in Hinsicht auf das Buch am Beispiel des Buchbesitzes der preußischen Herzogsfamilie im 16. Jahrhundert.32 Auch Bibliotheken finden in dieser Auseinandersetzung ihren Platz, jedoch nur im Kontext des Sammelns und im Zusammenhang mit Kunst- bzw. Raritätenkammern.

Trotz der umfangreichen und interdisziplinär verzweigten Forschungstätigkeit im Bereich der Bibliotheksgeschichte und hervorragender Einzelstudien zur Erforschung von Privatbibliotheken und Büchersammlungen anderer Bibliothekstypen, erscheinen noch etliche Desiderate. „Erforderlich sind detaillierte Analysen darüber, welches Wissen durch die Bestände vermittelt werden konnte und wie die Bücher genutzt wurden, (denn) (n)ur so lassen sich wissenschaftsgeschichtliche Zusammenhänge und literarische Traditionen feststellen, die die Bestandsbildung beeinflusst haben.“33 Einen Teil dieses Aufholbedarfs bei der Bearbeitung von Bibliotheksbeständen wird versucht mit dieser Magisterarbeit abzudecken, wobei dahingehend speziell ein Bestand aufgearbeitet wird, der bislang noch keine wissenschaftliche Bearbeitung gefunden hat. Denn bis vor drei Jahren galt der Bibliothekskatalog des ehemaligen Augustiner-Chorherrenstifts Pöllau in der Steiermark in der steirischen Klosterforschung als auch in der monastischen Bibliotheksforschung als nicht auffindbar bzw. verschollen. Ein Pöllauer Bücherverzeichnis wurde jedoch durch Zufall im

29 Vgl. Stephan FÜSSEL, Gutenberg-Forschung. Kulturwissenschaftliche Aspekte des frühen Buchdrucks, in: Sabine WEFERS (Hg.), Von Gutenberg zum Internet. 7. Deutscher Bibliothekskongreß, 87. Deutscher Bibliothekartag in Dortmund 1997, Frankfurt am Main 1997, 13. Weiterführende Literatur zum Thema der kulturwissenschaftlichen Perspektive und der Debatte zwischen Sozialgeschichte und Kulturwissenschaft: Stephan FÜSSEL, Buchwissenschaft als Kulturwissenschaft, in: Im Zentrum – das Buch. 50 Jahre Buchwissenschaft in Mainz, Mainz 1997, 62–73; sowie ARNOLD, Buch- und Bibliotheksgeschichte als Bildungsgeschichte, 31-41. 30 RAABE, Bibliotheksgeschichte und historische Leserforschung, 433; sowie Reinhard WITTMANN, Bücherkataloge des 16.-18. Jahrhunderts als Quelle der Buchgeschichte. Eine Einführung, in: DERS. (Hg.), Bücherkataloge als buchgeschichtliche Quellen in der frühen Neuzeit, Wiesbaden 1984, 7. 31 Vgl. RAABE, Bibliotheksgeschichte und historische Leserforschung, 433. 32 Nadezda SHEVCHENKO, Eine historische Anthropologie des Buches. Bücher in der preußischen Herzogsfamilie zur Zeit der Reformation, Göttingen 2007. 33 Werner ARNOLD, Fürstenbibliotheken, in: Werner ARNOLD / Wolfgang DITTRICH / Bernhard ZELLER (Hg.), Die Erforschung der Buch- und Bibliotheksgeschichte in Deutschland. Festschrift Paul RAABE, Wiesbaden 1987, 419. 10

Diözesanarchiv Graz-Seckau aufgefunden, eingebunden in einem, von dem Kloster stammenden Altmatriken-Band. Dementsprechend muss ich Ferdinand HUTZ in seinem Beitrag zu Archiv und Bibliothek des einstigen Chorherrenstiftes Pöllau widersprechen, wenn er schreibt: „Von seinem Buchbestand ist weder ein Verzeichnis noch ein Katalog bekannt“34.

Die Wurzeln des ehemaligen Augustiner-Chorherrenstifts Pöllau liegen im 12. Jahrhundert im steirischen Marktort Pöllau, im heutigen Bezirk Hartberg, als aus dem Gutshof der Herren von Stubenberg im Laufe des Jahrhunderts eine Burg wurde. In deren Anlage befand sich die Kirche zum Hl. Veit, die bereits 1163 urkundlich erwähnt wurde. Mitte des 15. Jahrhunderts verkauften jedoch die Stubenberger die Burg und die zugehörige Herrschaft Pöllau an Heinrich von Neuberg. Dessen Sohn Hans von Neuberg ließ in seinem Testament von 1482 festhalten, dass sein Vermögen zur Gründung eines Augustiner-Chorherrenstiftes zu verwenden wäre.35 Wie es sich jedoch so oft mit testamentarischen Aufforderungen verhält, kommt es häufig zu darauffolgenden Verzögerungen bis zur tatsächlichen, oder manchmal auch nicht stattfindenden Verwirklichung. Diese Verzögerung ist aber eine recht einzigartige, weswegen sie auch Erwähnung finden sollte: „Nach dem Tod des Neubergers zog Kaiser Friedrich III. ohne Rücksicht auf dessen testamentarische Verfügung den ganzen Besitz ein, weil der Neuberger einen Sondervertrag mit Ungarn geschlossen hatte, was ihm in der Folge eine Anklage wegen Hochverrats gegenüber den österreichischen Landesherren, den Habsburgern, eingebracht hatte.“36 Jedoch gelang Hans‘ Schwester, Gräfin Elisabeth von Pösing-St. Georgen, ein paar Jahre darauf die Freigabe der Herrschaft, woraufhin es 1504 schließlich zur Umwidmung der Burg in das Stift und zur Pfarrinkorporation der Kirche zum Hl. Veit kam. Damit wurde „(d)as jüngste und kurzlebigste Stift des Landes“37 gegründet, das Augustiner-Chorherrenstift Pöllau. Das Chorherrenstift Vorau stellte dabei eine wichtige Unterstützung dar, weil nicht nur der erste Propst von Pöllau ein Vorauer (Ulrich von Trautmannsdorf), sondern auch die ersten Konventualen sechs Vorauer Chorherren waren.38 Jedoch stand dem jungen Stift sowie der ganzen steirischen Klosterwelt eine durchwachsene Zeit bevor. Denn Pöllau war in seiner „Entwicklung bereits von den Vorboten der

34 Ferdinand HUTZ, Archiv und Bibliothek des einstigen Chorherrenstiftes Pöllau, in: Blätter für die Heimatkunde (Steiermark) (2004), 122. 35 2 Vgl. Gottfried ALLMER, Stifts- und Pfarrkirche Pöllau, Salzburg 1995, 2. 36 Ferdinand HUTZ, Pöllau, in: Floridus RÖHRIG (Hg.), Die ehemaligen Stifte der Augustiner-Chorherren in Österreich und Südtirol, Klosterneuburg 2005, 206. 37 Karl AMON, Kirchengeschichte der Steiermark, Graz 1993, 115. 38 Vgl. HUTZ, Pöllau, 208f. 11

heraufziehenden Reformation überschattet“39. Dabei war besonders die Steiermark, und das schon früh, von den neuen Lehren begeistert („Junge Steirer waren schon in Wittenberg, als Luther 1517 gegen den Ablaß auftrat“40), unter anderem auch der steirische Landeshauptmann Sigmund von Dietrichstein, der aufgrund seiner diversen Korrespondenzen gut informiert war,41 und es sollte spätestens ab dem Augsburger Bekenntnis von 1530 bald zur Ausprägung eines steirischen Protestantismus kommen, dessen Zentrum die Stadt Graz bildete. Auch die steirische Klosterlandschaft reagierte auf die Ereignisse, jedoch traf es kein anderes Chorherrenstift in der Steiermark so stark, wie jenes in Vorau, das an den lutherischen Schriften rasch Gefallen fand und in der Mitgliederzahl durch Austritt unheimlich dezimiert wurde.42 Mit einem Rückgang von Mitgliedern hatte jedes der Stifte (Seckau, Stainz, Rottenmann, Pöllau) zu kämpfen. Landesfürstliche Visitationen sollten über kirchliche Missstände informieren und im Übrigen „eine landesweite Bestandaufnahme reformatorischer Lehre und Praxis“43 liefern, dabei gaben diese gleichzeitig auch Auskunft über die klösterlichen Austritte. Die Berichte der Visitationen im Pöllauer Kloster waren in beiderlei Hinsicht durchwegs positiv: in jenem von 1528 wurde der der Propst mit elf Chorherren und zwei Laienpredigern angetroffen („Sind den lutherischen und anderen verführerischen Sekten ganz entgegen“), und 1544 war die Menge der Konventualen auf 16, darunter zehn Priester, gestiegen („Sie alle waren aines gueten erlichen briesterlichen Wandels“).44 Der Dreißigjährige Krieg hat auf Pöllau keine nennenswerten Auswirkungen gehabt, da keine diesbezüglichen Angaben in den historiographischen Schriften vorhanden sind, außer dass in der Zeit mit einem Mitgliedermangel umzugehen war. Nach dem Krieg erfolgte Mitte des 17. Jahrhundert ein wirtschaftlicher Aufschwung, der unter anderem zu käuflicher Erweiterung des Stiftsbesitzes führte.45 Infolgedessen kam es ebenso zu großflächig angelegten Umbauten ganz im Zeichen des Barock. So geben unter anderem die beiden Pröbste Michael Maister (1669-1696) und Johann Ernst von Ortenhofen (1697-1743) Stift und Markt Pöllau durch den Neubau von Stift und Kirche das heute noch bestehende prägende Aussehen. 1785 wird das Chorherrenstift jedoch im Zuge der Josephinischen Reformen aufgehoben und das

39 AMON, Kirchengeschichte der Steiermark, 116. 40 AMON, Kirchengeschichte der Steiermark, 138. 41 Vgl. AMON, Kirchengeschichte der Steiermark, 139. 42 Vgl. AMON, Kirchengeschichte der Steiermark, 165f. 43 AMON, Kirchengeschichte der Steiermark, 140. 44 HUTZ, Pöllau, 212. 45 Vgl. HUTZ, Pöllau, 216. 12

Stiftsvermögen in Staatsherrschaft umgewandelt. 1938 gelangt das Stift schließlich in den Besitz der Marktgemeinde Pöllau.46

Über die Bibliothek wird an sich in der Historiographie wenig verloren (dazu mehr in Kapitel II). Alles, was bis jetzt in Bezug auf den Bestand des Pöllauer Chorherrenstifts bekannt gewesen ist, sind ziffernartige Angaben in Nachlassinventaren („10 fournirte Bücher-Kasten mit vergöldten Zierathen und Kirchen Lehrer“47), die nicht einmal die Menge der Bücher wiedergaben. Nun ist es jedoch möglich, auch den Inhalt dieser Bibliothek zu besprechen, da eben jenes Verzeichnis aufgefunden wurde, und diese in einen zeitgenössischen Kontext zu stellen, um aussagen zu können, ob es sich bei der Klosterbibliothek in Pöllau denn um eine „auserlesene“ Bibliothek gehandelt haben möge, die den auch repräsentativen „Ansprüchen der Zeit“ gerecht wurde. Das wiederum könnte in Folge einen Vergleich mit anderen Klosterbibliotheken derselben Zeit ermöglichen.

Mit dieser Arbeit soll generell die zuerkannte Bedeutung von Bibliotheken und deren Begründung, als auch die Sammlungsstrategien der jeweiligen Bibliotheksträger im 17. Jahrhundert untersucht werden. Hinsichtlich des methodischen Zugangs ist festzuhalten, dass es sich bei der Bearbeitung dieses Gegenstandes um zwei Bereiche handelte. Der erste Bereich bestand aus einem praktischen Teil, der sich durch Sichtung als auch Bearbeitung bzw. Transkription der Quelle zusammensetzte: Nach der Sichtung und der Beschreibung der Quelle wurde eine Transkription durchgeführt. Etwaige Kürzungszeichen konnten dabei identifiziert und aufgelöst werden. Daraufhin wurde eine quantitative als auch qualitative Methode zur Ermittlung bzw. Auswertung der Daten angehängt. Erstere bestimmte die Menge der in den Aufzeichnungen angeführten Autoren und dazugehörigen Werke. Anschließend ging es darum, die transkribierten und entschlüsselten Autorennamen zu identifizieren. Da es sich um einen alphabetischen Autorenkatalog mit einer jeweiligen Kurztitelangabe handelt, jedoch ohne eine Verzeichnung des Druckortes bzw. Erscheinungsjahres, wurden zur Bestimmung und ‚Verifizierung‘ andere Kataloge, wie WorldCat und der online-Katalog der Österreichischen Nationalbibliothek, als auch Zedlers Großes Universallexicon und das Zentrale Verzeichnis digitalisierter Drucke (ZVDD) zu Hilfe genommen.48 Jedoch soll nicht der Trugschluss entstehen, dass die Werke, die im Katalog angeführt sind, vollends gefunden und identifiziert werden konnten, da die in dem Verzeichnis aufgelisteten Bücher längst

46 Vgl. ALLMER, Stifts- und Pfarrkirche Pöllau, 3. 47 HUTZ, Pöllau, 227. 48 Siehe folgende Links: https://www.worldcat.org/; http://www.onb.ac.at/; http://www.zedler- lexikon.de/index.html; http://www.zvdd.de/startseite/. 13

verschwunden sind. Diese Methode diente alleine dazu, um eine mögliche Übereinstimmung mit einem Autor bzw. Werk zu finden, der bzw. das auch wirklich existiert hat. Abschließend folgte eine systematische Einteilung der identifizierten Autoren und nach Möglichkeit auch ihrer verifizierten Werke, um den Bestand schließlich systematisch erfahrbar bzw. vergleichbar mit anderen Bibliotheksbeständen zu machen. Die ausführliche Quellenbeschreibung als auch Auskunft über die Schwierigkeiten der Transkription sowie über die erhaltenen Erkenntnisse und die Bestandsdarstellung selbst, finden sich in Kapitel I und Kapitel II dieser Arbeit. Den zweiten Bereich stellte ein empirischer bzw. theoretischer Aspekt dar. Um eine qualitative als auch quantitative Einbettung des gefundenen Bibliotheksbestandmaterials in die bibliothekshistorische und bestandsgeschichtliche Forschung bewerkstelligen zu können, bedurfte es einer Aufschlüsselung als auch kurz umrissenen, prägnanten Darstellung der europäischen, bibliothekshistorischen Situation im 17. Jahrhundert.

Diese Abhandlung ist in drei Kapitel aufgeteilt. Das erste Kapitel befasst sich mit dem ‚Wesen‘ von Bibliotheken. Dies beinhaltet zeitgenössische Definitionen, eine Aufschlüsselung von Beweggründen für die Gründung einer Sammlung, als auch eine Betrachtung der Bibliothek als Gedächtnismedium. Desweiteren wird sowohl auf den Bibliothekskatalog allgemein eingegangen, als auch auf universale Sammlungs- und Ordnungsbestrebungen des 17. Jahrhunderts, das auch eine Besprechung der möglichen Verbindung zur Kunst- bzw. Raritätenkammer mit einbezieht. Das zweite Kapitel beschäftigt sich daraufhin nicht nur mit den unterschiedlichen Bibliothekstypen des 17. Jahrhunderts, sondern auch mit deren Beständen als auch mit ‚Empfehlungen‘ zu Bibliothekseinrichtungen. Das dritte Kapitel wird die verschiedenen Strategien des Bucherwerbs als auch der Bestandsvergrößerung erörtern, und die beeinflussenden Faktoren, wie den deutschen Buchmarkt des 17. Jahrhunderts, in den Blickpunkt setzen.

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1. Vom Wesen der Bibliotheken

„Bibliotheken sind die Vorrathskammern der Seele, darinn die anerschaffene Wißbegierde des Geistes immer befriediget, immer geschärfet und niemals gesättiget wird: Der Geist erkennet sie für seine Wohnung und glaubt in ihnen zu Hause zu seyn. Es sind wohlangelegte Gärten, wo uns bey jedem Schritte neue Blumen aufsprießen, die die Gegend verschönern, und das Vergnügen von sich duften. […] Sie machen uns selbst zu dem gesitteten Leben und zu dem Umgang mit andern Menschen geschickter, so daß wir einer jeden Gesellschaft Anmuth und Verstand geben, oder den ihrigen recht empfinden und erleben können.“49

Eine Laune oder sogar Pflicht des gelehrten Menschen ist es schon seit jeher, die Welt um ihn herum in Worte zu fassen, die eigene Welt zu umschreiben, in metaphorischen, allegorischen oder emblematischen Worten zu erklären. Besonders das 17. und das folgende 18. Jahrhundert zeichnen sich durch dieses Bemühen aus.50 Das vorangegangene wörtliche Zitat, das auch den Titel dieser Arbeit bestimmt, ist ein Resultat dieser Bestrebung. Doch nicht nur in dieser voraufklärerischen, barocken Zeit ist die Bibliothek ein Brennpunkt der Gelehrtenwelt, denn ihre Tradition ist eine umfassende. So auch die Umschreibungen, die sie als „Paradies“ (Jorge Luis Borges) oder „als Kapital, das unberechenbare Zinsen spendet“ (Johann Wolfgang Goethe) bezeichnen, oder aber auch als „zwischen den Gedanken jede beliebige Verbindung und jeden Anschluss“ (Robert Musil, Der Mann ohne Eigenschaften) herstellende geistige Konzeption charakterisiert, in welcher der „Geist der Ordnung und Reinheit“ (Adalbert Stifter, Der Nachsommer) herrscht.51 Eine Beschäftigung mit Bibliotheken erweist sich demnach als ein weites Feld an Assoziationen und Deutungen, die einem auf der Suche nach Definition und Bedeutung begegnen.

Grundsätzlich hat der Terminus ‚Bibliothek‘ eine Vielzahl an Bedeutungen und Bestimmungen, birgt jedoch zumeist nur eine lokationsorientierte Begriffsbestimmung in sich, die sich besonders durch dessen Wortherkunft bedingt. Etymologisch leitet sich der Begriff ‚Bibliothek‘ von den griechischen Wörtern biblos (βɩβλοϛ = Buch) und theke (ϑηχη =

49 Johann Christoph Stockhausen, Critischer Entwurf einer auserlesenen Bibliothek für den Liebhaber der Philosophie und schönen Wissenschaften, In einigen Sendschreiben an einen Freund, Berlin 1752, Vorrede. Zitiert nach: Renate SCHUSKY, Empfehlungen für die Einrichtung von Bibliotheken, in: Arbeitsstelle Achtzehntes Jahrhundert Gesamthochschule Wuppertal (Hg.), Buch und Sammler. Private und öffentliche Bibliotheken im 18. Jahrhundert, Heidelberg 1979, 135f. 50 Vgl. Paul RAABE, Barocke Bücherlust. Aus den Sammlungen der Herzog-August-Bibliothek Wolfenbüttel, Wolfenbüttel 1972 (Ausstellungskataloge der Herzog-August-Bibliothek, 6), 5. 51 Konrad UMLAUF/ Stefan GRADMANN, Handbuch Bibliothek. Geschichte, Aufgaben, Perspektiven. Stuttgart/Weimar 2012, 1. 15

Behälter) ab,52 und bezeichnete anfangs nur das Behältnis, in denen Schriftstücke wie Papyri, Rollen oder Bücher aufbewahrt wurden, wobei sich der Wortgebrauch erweiterte, von den Gebäuden bzw. Räumlichkeiten, in welchen die Bücherbehältnisse aufbewahrt wurden, bis schließlich zur Bezeichnung der Sammlung von Büchern selbst.53 Bis ins 18. Jahrhundert hinein zirkulierten die drei Bedeutungen von ‚Bibliothek‘ als locus (= Ort), armarium (= Schrank) und libri (bzw. collectio librorum).54 Damit ist grundlegend einmal festzuhalten, dass eine ‚Bibliothek‘ nicht allein schon ein materielles Kollektiv an Büchern ausmacht.

ZEDLER definiert eine Bibliothek folgendermaßen:

„Bücher=Vorrath, Bibliotheck. Es hat dieses Wort eine vielfache Bedeutung. Erstlich und hauptsächlich, bedeutet solches eine Bücher=Sammlung, von welchen Sammlungen wir unter diesem Titel handeln werden. Hernachmahls werden die Oerter Bibliothecken genennet, woe die Bücher aufgehoben werden. Drittens, so hat man gewisse Catalogos, von denen vornehmsten Auctoribus verfertiget, und solchen Büchern den Titel einer Bibliotheck beygeleget.“55

Daraus lässt sich die Vielschichtigkeit und Vielfältigkeit des Begriffs ‚Bibliothek‘ herauslesen. Jedoch sollte der lokationsorientierten Definition eine funktionsorientierte Komponente hinzugefügt werden, um die tatsächliche Dimension einer Bibliothek greifbarer zu machen.56 Denn eine Bibliothek ist eine Einrichtung, die „sammelt, ordnet und verfügbar macht“57, ob nun einem privaten, auserwählten oder öffentlichen Kreis. Gerade „(d)ie besondere Zweckbestimmung einer Büchersammlung ist es demnach, die diese erst zur Bibliothek macht“58, nämlich das Ordnen und Verfügbar-Machen für einen ausgewählten

Kreis von Rezipienten. Am Beginn des 18. Jahrhunderts schrieb Caspar Friedrich NEICKEL,

„(…) löblich, heilsam und nützlich sind (…) Bücher=Sammlungen oder Stifftungen grosser Bibliothequen denjenigen, welche die Bücher nicht darinnen bestauben, von Würmern und anderm Ungeziefer zerfressen, sondern sowol zu ihrem eigenen,

52 Vgl. Gisela EWERT / Walther UMSTÄTTER, Die Definition der Bibliothek. Der Mangel an Wissen über das unzulängliche Wissen ist bekanntlich auch ein Nichtwissen, in: Bibliotheksdienst 33 (1999), 958. 53 Vgl. Margarete REHM, Lexikon Buch, Bibliothek, neue Medien. München (u.a.) 1991, 32. 54 Vgl. Bernd LORENZ, Systematische Aufstellung in Vergangenheit und Gegenwart, Wiesbaden 2003 (Beiträge zum Buch- und Bibliothekswesen, 45), 7f. 55 Johann Heinrich ZEDLER, Großes vollständiges Universal-Lexikon, Halle/Leipzig 1733. Nachdruck Graz 1961. Band 4, Sp. 1803. 56 Vgl. EWERT / UMSTÄTTER, Die Definition der Bibliothek, 958. 57 EWERT / UMSTÄTTER, Die Definition der Bibliothek, 966. 58 EWERT / UMSTÄTTER, Die Definition der Bibliothek, 958. 16

als gemeinen Nutzen, fleißig gebrauchen, und von anderen Liebhabern der Gelehrsamkeit brauchen lassen“59.

Nur um des Besitzens willen sollten keine Bücher gesammelt und eine Bibliothek aufgebaut werden. Auch Michael DENIS stimmte am Ende des 18. Jahrhunderts in diesen Kanon mit ein, dass es Leute gegeben hat, „die nur Bücher sammelten um sich einen Namen zu machen, und die Augen der Fremden durch die Menge und den kostbaren Band ihrer Werke zu blenden, die sie dich niemal berührten (…), und sie lieber von Motten verzehren, als von Wißbegierigen benützen ließen“60. Jedoch muss festgehalten werden, dass nicht präzise festgestellt werden kann, wie es sich letztendlich mit dem Gebrauch und der Lektüre von Büchern verhalten hat. Nur, weil sich ein Buch in einer Sammlung befunden hat, muss es nicht gleichzeitig heißen, dass es auch tatsächlich gelesen wurde,61 denn der Buchbesitz allein sagt nichts über das Leseverhalten aus.62

Den primären Inhalt einer Bibliothek stellen handschriftliche oder typographische Bücher: dreidimensionale Gegenstände, Träger von Schrift und somit ausformulierten Gedanken, deren nominaler Wert sich in Materialität (Einband, Papierblätteranzahl, Schließen, usw.) und Immaterialität (geistiger Inhalt) manifestiert,63 die eine „Quelle der Welterschließung“64 bedeuten und die Kenntnisse, Erfahrung und Wissen überliefern und tradieren. Wie ZEDLER treffend feststellt:

„Ohne Bücher kan die Gelehrsamkeit nicht bestehen, wir brauchen zur Ergründung derer General-Sätze mannichfaltige Erfahrung. Ein Mensch kan unmöglich alles in diesem Stücke wissen, sondern es muss einer dem andern hierinnen zu statten kommen. Alles was wir nun von der Erfahrung nöthig haben,

59 Caspar Friedrich Neickel, Museographia oder Anleitung zum rechten Begriff und nützlicher Anlegung der Museorum oder Raritäten-Kammern, Leipzig, Breslau 1727, 238. Zitiert nach: SCHUSKY, Empfehlungen für die Einrichtung von Bibliotheken, 133. 60 Michael Denis, Einleitung in die Bücherkunde. Erster Theil. Bibliographie. Zweyte verbesserte Ausgabe. Wien 1795. Zitiert nach: SCHUSKY, Empfehlungen für die Einrichtung von Bibliotheken, 133 in Fußnote 33. 61 Vgl. RAABE, Bibliotheksgeschichte und historische Leserforschung, 438. 62 Vgl. Monika GUSSONE / Hans-Werner LANGBRANDTNER, Bibliotheken und Musikalien als Spiegel adliger Bildung. Auf Spurensuche in rheinischen Adelsbibliotheken und -archiven, in: zeitenblicke 8 (2009), Nr. 2, Absatz 32. In weiterer Folge, Absatz 2: „Hinzu kommt, dass eine Bibliothek die Lektüre ihres Besitzers niemals vollständig widerspiegeln kann, weil im Zweifelsfall offen bleiben muss, welche Werke er daraus tatsächlich gelesen und genutzt (…) hat.“ 63 Vgl. Mona KÖRTE / Cornelia ORTLIEB, Formen des Buchgebrauchs in Literatur, Kunst und Religion. Eine Einführung, in: Mona KÖRTE, Cornelia ORTLIEB (Hg.), Verbergen - Überschreiben - Zerreißen. Formen der Bücherzerstörung in Literatur, Kunst und Religion, Berlin 2007, 9-11. 64 Renate JÜRGENSEN, Bibliotheca Norica. Patrizier und Gelehrtenbibliotheken in Nürnberg zwischen Mittelalter und Aufklärung, Wiesbaden 2002, 73f. 17

das finden wir in den Büchern, also sind die Bücher zu der Gelehrsamkeit nothwendig, und deswegen hat man dieselben zu sammeln angefangen.“65

Hadrianus JUNIUS, ein holländischer Gelehrter des 16. Jahrhunderts ging sogar so weit, dass das Buch ein „Rüstzeug für die ‚Bildung der Seele‘ (‚animi cultum‘)“66 darstellte. Und auch die Historikerin Barbara TUCHMAN würde ein mögliches Verschwinden von Büchern einer Verdammung gleichsetzen, nämlich der Geschichte zum Schweigen, der Literatur zur Sprachlosigkeit, der Wissenschaft zur Stagnation, der geistigen Tätigkeit zum Stillstand.67 Der praktische Nutzen einer Bibliothek erschließt sich demnach aus deren Inhalt, da Bücher in der Zeit vor modernen Speicherungs- und Kommunikationsmedien die einzige Möglichkeit der schriftlichen Tradierung und der geistigen Überlieferung darstellen.68 Bücher werden demnach nicht nur aufgrund ihres künstlerischen Aussehens oder ihres literarischen Wertes gesammelt, „sondern zuerst einmal, um sie praktisch zu nutzen“69. Der Bibliotheken gemeiner gelehrsamer Inhaltsinhalt ist „der erste Bewegungs=Grund gewesen (…), die Bücher zu sammeln“70, wobei auch schon die mittelalterlichen und frühneuzeitlichen ‚litterati‘ die Unerlässlichkeit von Büchern und Bibliotheken betont haben, auf dem Weg das ‚gemeine Beste‘ (salus publica, utilitas publica) zu erfüllen.71 Bis hierhin zusammenfassend besteht also der Zweck einer Bibliothek darin, präsentes Wissen in Form von handschriftlichen wie typographischen Büchern zu sammeln, zu verorten und wieder zur Verfügung zu stellen.

Eine Vielzahl Assoziationen mit Bibliotheken und rezeptive Beschreibungsversuche, um die Bedeutsamkeit von Bibliotheken zu benennen, hat es im Laufe der Zeit gegeben und verschiedenartigen Allegorien reichen bis in die Antike. Dabei ist der Seelen-Aspekt kein marginaler. Dementsprechend war die Inschrift Apotheke der Seele den antiken Bibliotheken 72 am römischen Trajansforum gewidmet. Auch der Humanist Georg HENISCH äußerte sich

65 ZEDLER, Großes vollständiges Universal-Lexikon, Band 4, 1838 b-c. 66 Hadrianus Junius, Nomenclator Omnium rerum Propria nomina Variis Linguis Explicata Indicans, Antwerpen 1567, 1-16, zit. 16. Zitiert nach: SHEVCHENKO, Eine historische Anthropologie des Buches, 10. 67 Vgl. Estelle ELLIS / Caroline SEEBOHM, Mit Büchern leben. Buchliebhaber und ihre Bibliotheken, Hildesheim 21997, 9. 68 Vgl. Klaus SCHREINER, Bücher, Bibliotheken und "gemeiner Nutzen" im Spätmittelalter und in der Frühneuzeit. Geistes- und sozialgeschichtliche Beiträge zur Frage nach der "utilitas librorum", in: Bibliothek und Wissenschaft 9 (1975), 202. 69 Otto BRUNNER, Österreichische Adelsbibliotheken des 15. bis 18. Jahrhunderts als geistesgeschichtliche 2 Quelle, in: DERS. (Hg.), Neue Wege der Verfassungs- und Sozialgeschichte, Göttingen 1968, 281. 70 ZEDLER, Großes vollständiges Universal-Lexikon, Band 4, 1838 c. 71 Vgl. SCHREINER, Bücher, Bibliotheken und "gemeiner Nutzen" im Spätmittelalter und in der Frühneuzeit, 202. 72 Viele wissenschaftliche Autoren nehmen auf die antiken Bibliotheken Bezug, hinsichtlich des Schriftzugs und die Assoziation mit einer ‚Apotheke der Seele‘. Hierzu: ELLIS / SEEBOHM, Mit Büchern leben, 9; Kirsten 18

Ende des 16. Jahrhunderts über Bibliotheken im antiken Stil wie folgt: „Die liberey ist der 73 Seelen apotheck / arzney“ . In diesem Sinne sprach auch Johann Heinrich ULRICH 1629 von Bibliotheken als auch von deren Nutzen:

„Ist also wol gestelt die alte Oberschrifft un(nd) Titul / so Pto=lomaeus Philadelphus ge=braucht hat: Bibliotheca ist ein Apothec und zu bereitung aller und jener Arzneyen / unnd ein rechtes mittel zur gesundheit der Seelen. Das nun die nutzbar=keit der Bibliothec seye zugleich den unnd mit dero nohtwendig=keit.“74

Desweiteren prangt im ehemaligen Benediktinerstift St. Gallen über dem Eingangsportal des barocken Bibliothekssaals (1758-1767 erbaut) die griechische Kartusche „ΨΥΧΗΣ ΙΑΤΡΕΙΟΝ“ (psyches iatreion), das zu Deutsch mit ‚Seelen-Apotheke‘ oder ‚Heilstätte für die Seele‘ übersetzt werden kann.75 Besonders das 18. Jahrhundert zeichnet sich durch Sinnbilder von Bibliotheken aus, die eine noch wortgewandtere Ausdrucksform in sich bergen und das antike Bibliotheksgleichnis wieder aufgreifen. Gleichzeitig taucht die gedankliche Verknüpfung mit einer Vorratskammer auf, wie sie auch im Titel dieser Diplomarbeit zutage tritt. Neben STOCKHAUSEN, der die besagte Allegorie einer Bibliothek als „Vorrathskammer der Seele“ festhielt, erstellte auch Michael DENIS eine recht blumige Assoziation von Bibliotheken als:

„die wahren Musentempel, die Rüsthäuser der menschlichen Kenntnisse, die Dämme wider den Einbruch der Unwissenheit, die Vorrathskamern, in welche die Ausbeute aller Geistsarbeiten zur Nahrung der Nachkunst gesammelt werden kann, die Mausoleen, in denen der unsterbliche Nachlaß der edelsten Seelen, deren irdische Ueberbleibsel nur hier und dort zerstreut verehret werden, beysammen ruht […].“76

DICKHAUT, Verkehrte Bücherwelten. Eine kulturgeschichtliche Studie über deformierte Bibliotheken in der französischen Literatur, München 2004, 48; Hans-Peter MATHYS, Das Alte Testament - ein hellenistisches Buch, in: Ulrich HÜBNER / Manfred WEIPPERT, Kein Land für sich allein. Studien zum Kulturkontakt in Kanaan, Israel/Palästina und Ebirnâri für Manfred Weippert zum 65. Geburtstag, Freiburg (Schweiz) 2002, 290, u.a. 73 Georg Henisch, Teutsche Sprach und Weisheit. Thesaurus lunguae et sapientiae Germanicae, Augsburg 1616. Zitiert nach SCHREINER, Bücher, Bibliotheken und "gemeiner Nutzen" im Spätmittelalter und in der Frühneuzeit, 203. 74 Johann Heinrich ULRICH, Bibliotheca nova Tigurinorum publico-privata. selectiorum variarum linguarum, artium & scientiarum librorum ex liberalitate, Zürich 1629, 104. 75 Dazu die stiftseigene Internetseite: http://www.stibi.ch/de-ch/museum/barocksaal/architektur.aspx, (11.01.2014). 76 Michael Denis, Einleitung in die Bücherkunde. Erster Theil. Bibliographie. Zweyte verbesserte Ausgabe. Wien 1795. Zitiert nach: SCHUSKY, Empfehlungen für die Einrichtung von Bibliotheken, 136 in Fußnote 41. 19

Wie diese Darstellungen veranschaulichen ist ‚Bibliothek‘ mehr als ein profaner Aufbewahrungshort, sie ist vielmehr ein nahezu schon sakrales Gedankenkonstrukt von zu erfüllenden Wunschvorstellungen, das sogar mit dessen einverleibten Büchern die Seele des Menschen berühren oder sogar ‚heilen‘ soll. Desweiteren ist der Vergleich mit einer Stätte der Gelehrsamkeit nicht fern, denn im 17. und 18. Jahrhundert waren Bibliotheken nichts anderes als „Treffpunkte der Gelehrsamkeit und Konversation“77, Orte, an denen Aufbewahrung und gleichzeitige Weitergabe von Information und Lehre in Form von Büchern stattgefunden hat.

Auch Gottfried Wilhelm LEIBNIZ erwählt in seinem Zitat den gelehrsamen Aspekt: „Eine wohl versehene Bibliothec ist die Schatzkammer aller Reichthümer des menschlichen Geistes, zu der man seine Zuflucht nimmt für die Künste des Friedens und des Krieges,… für die Geheimnisse der Natur,… für die Vertheidigung der wahren Religion.“78 Aus diesem Grund geben gerade Bibliotheken hinsichtlich dessen besondere und konkrete Einblicke in die Literaturgeschichte und damit in die Geistesgeschichte einer bestimmten Zeit, die sich durch das Leseverhalten bzw. die Lesegewohnheiten der Partizipierenden und die Zusammensetzung einer Bibliothek manifestieren.79

1.1 Bibliothek und Gedächtnis

Wie sich zeigt, ist eine Bibliothek mehr als nur eine bloße Sammlung von Büchern, ihre Beschreibungsmetaphern reichen von einer Stätte für das Seelenheil bis hin zu einem Ort der Gelehrsamkeit. Wie in der Einleitung bereits vorweggenommen, ist Bibliotheksgeschichte ein interdisziplinäres Forschungsfeld. Dementsprechend ergeben sich diverse, auch semantische Perspektiven des Beschreibens, ebenso aus anderen geisteswissenschaftlichen Disziplinen. Unter anderem beschäftigt sich auch die kulturwissenschaftliche Forschung mit dem Sujet der Definition von ‚Bibliothek‘ und dem Versuch einer Begriffsbeschreibung bzw. ihrer Einordnung in die Kulturgeschichte, das hier erwähnt und bündig erörtert werden soll. Mit ihren Studien über Gedächtnis und Erinnern sowie Speicher- und Erinnerungsräumen, stellt die Gedächtnis- und Erinnerungsforschung ein Paradigma der Kulturwissenschaft dar und nimmt die Bibliothek als Forschungsgegenstand in den Fokus.80 Ausgehend von dem ‚Buch‘

77 ADAM, Privatbibliotheken im 17. und 18. Jahrhundert, 161. 78 SCHREINER, Bücher, Bibliotheken und "gemeiner Nutzen" im Spätmittelalter und in der Frühneuzeit, 203. 79 Eva PLETICHA, Adel und Buch. Studien zur Geisteswelt des fränkischen Adels am Beispiel seiner Bibliotheken vom 15. bis zum 18. Jahrhundert, Neustadt a.d. Aisch 1983, 3. 80 Als weiterführende Lektüre zu dem weiten Forschungsfeld seien hier folgende Werke genannt: Peter BURKE, Papier und Marktgeschrei. Die Geburt der Wissensgesellschaft. Aus dem Englischen von Matthias Wolf, Berlin 2001; Graham JEFCOATE / Peter VODOSEK (Hg.), Bibliotheken in der literarischen Darstellung. Libraries in Literature, Wiesbaden 1999; Uwe JOCHUM, Kleine Bibliotheksgeschichte, Stuttgart 1993; Günther 20

als Träger von Schrift und Wissen als auch Tradierungsobjekt, ist es gleichzeitig noch vielmehr als nur die handschriftliche oder typographisch verfertigte Sammlung an menschlichen Gedanken, wie Luis BORGES es treffend ausdrückt: „Unter vielen Werkzeugen des Menschen ist das erstaunlichste zweifellos das Buch (…), es ist eine Erweiterung des 81 Gedächtnisses und der Phantasie.“ Wenn unter diesem Aspekt von BORGES das Buch als Werkzeug für Gedächtnis dient, dann ist es möglich, dass eine Bibliothek weit mehr als nur der Aufbewahrungsort des Buches sein kann, sondern sogar selbst einen Anteil in der Gedächtnis-Matrix bestimmt. Daraus ergeben sich, neben der bereits erwähnten Formulierung

BORGES‘ zu Büchern als Gedächtniserweiterung, weitere Rezeptionen. So beschreibt

Arthur SCHOPENHAUER den ‚büchernen‘ Gedächtnisaspekt dergestalt:

„Von dem menschlichen Wissen überhaupt, in jeder Art, existiert der allergrößte Theil stets nur auf dem Papier, in den Büchern, diesem papiernen Gedächtniß der Menschheit. Nur ein kleiner Theil desselben ist, in jedem gegebenen Zeitpunkt, in irgendwelchen Köpfen wirklich lebendig.“82

In Anbetracht dessen zeigt sich die weitere Bedeutungsbeschreibung des Gegenstands ‚Buch‘ als existentieller Träger eines Gedächtnisses. Geht man nun weiter und interpretiert nämlich ‚Bibliothek‘ als locus, an dem Bücher sowie Manuskripte geordnet und aufgehoben, also gespeichert werden, so ergibt sich die Betrachtungsweise der Bibliothek als Repräsentation eines externalisierten Speicherortes.83 Ausgehend von diesem Gesichtspunkt wird die Bibliothek, als Raum voller Erinnerung in Form von Büchern, als eine „zentrale Institutionalisierungsform der memoria“84 aufgefasst. Memoria wiederum wird dabei als Gedächtnis bzw. als Fähigkeit definiert, die Erinnern und Vergessen ermöglicht.85 ‚Bibliothek‘ ist demnach ein Ort des Kultursammelns und der Wissenskonservierung, der als

STOCKER, Schrift, Wissen und Gedächtnis. Das Motiv der Bibliothek als Spiegel des Medienwandels im 20. Jahrhundert, Würzburg 1997. 81 2 Jorges Luis BORGES, Das Buch, in: Ders., Die zwei Labyrinthe. Lesebuch. München 1990, 253. Zitiert nach: DICKHAUT, Verkehrte Bücherwelten, 13. 82 Arthur SCHOPENHAUER, Parerga und Paralipomena, 1874, Teil II, aus Kapitel 21: Ueber Gelehrsamkeit und Gelehrte, § 254. 83 Vgl. DICKHAUT, Verkehrte Bücherwelten, 13. 84 Dietmar RIEGER, Bibliothek und Vergessen – vergessene Bibliotheken, in: Günter BUTZER / Manuela GÜNTER, Kulturelles Vergessen – Medien, Rituale, Orte. Göttingen 2004, 18. 85 Vgl. Reinhard LAUBE, Selbstbeschreibung von Bibliotheken. Herausforderungen durch Informationszentren und Topographien des Wissens und der Memoria, in: Uwe JOCHUM (Hg.), Das Ende der Bibliothek? Vom Wert des Analogen, Frankfurt am Main 2011, 75. 21

Verbindungsstelle zwischen Vergangenheit und Zukunft fungiert,86 und auch Arthur

SCHOPENHAUER wiederum spricht in den höchsten Gedächtnis-Tönen von Bibliotheken:

„Wie schlecht würde es also um das menschliche Wissen stehn, wenn Schrift und Druck nicht wären! Daher sind die Bibliotheken allein das sichere und bleibende Gedächtnis des menschlichen Geschlechts, dessen einzelne Mitglieder alle nur ein sehr beschränktes und unvollkommenes haben.“87

Um die Dimension von Gedächtnis bzw. memoria fassbar zu machen, wird in der kulturwissenschaftlichen Forschung die Metaphorik als sprachliches Erklärungsmodell zu 88 Hilfe genommen. Die Metaphorik der Erinnerung wird, nach Aleida ASSMANN, in drei Kategorien, nämlich schriftliche, zeitliche und räumliche Gedächtnis-Metaphern unterteilt, währenddessen demzufolge die Bibliothek bzw. die „Gedächtnis-Metapher der Bibliothek“ in jene Kategorie der „architektonische(n) Gedächtnis-Metapher“, also der räumlichen, eingeordnet wird, hinsichtlich dessen, dass jene als Ort bzw. Gebäude einen Gedächtnis- Vorrat aufbewahrt und so einen „Zugang zum Wissen der Vergangenheit und Gegenwart“ 89 ermöglicht. Allerdings hat Pierre NORA, der Pionier auf dem Gebiet der Gedächtnisforschung, in Bezug auf die lieux de mémoire, die Bibliothek als Gedächtnisort ungenannt gelassen.90

Nichtsdestotrotz sollte man sich nicht der romantischen Vorstellung hingeben, dass all jenes, das in einer Bibliothek Platz findet und gesammelt wird, auch an Relevanz behält, sobald es seine Einordnung gefunden hat. Denn grundsätzlich ist dazu anzumerken, dass neben dem großen Gebiet des ‚Erinnerns‘ nun auch das ‚Vergessen‘ in der Gedächtnisforschung als kultureller Faktor mit selbstständigen bzw. autonomen Leistungen an Aufmerksamkeit gewonnen hat.91 Unter dem Vergessens-Aspekt erhält ‚Bibliothek‘ eine neue, weitere

86 Vgl. DICKHAUT, Verkehrte Bücherwelten, 16; RIEGER, Bibliothek und Vergessen, 18. 87 SCHOPENHAUER, Parerga und Paralipomena, aus Kapitel 21: Ueber Gelehrsamkeit und Gelehrte, § 254. 88 Metaphorik bzw. die Bildung von Gedankenfiguren ist eine kulturgeschichtliche Analyse- und Beschreibungstradition. Über sie werden Konzeptionen mittels Bildfeldern greifbar. Konstruktion und Funktionalität werden über Sprache begründet und stabilisiert. Hierzu weiters: Kirsten DICKHAUT, Verkehrte Bücherwelten. Eine kulturgeschichtliche Studie über deformierte Bibliotheken in der französischen Literatur, München 2004; Gerd SCHMIDT, Waffenlärm und Grabesstille. Buch und Bibliothek im Spiegel der Metapher, in: Philobiblon 34,1 (1990), 3-12; Harald Weinrich, Typen der Gedächtnismetaphorik, in: Archiv für Begriffsgeschichte 9 (1964), 23-26. 89 Aleida ASSMANN, Erinnerungsräume. Formen und Wandlungen des kulturellen Gedächtnisses, München 32006, 158 u. 160. 90 Vgl. Kirsten DICKHAUT, Das Paradox der Bibliothek. Metapher, Gedächtnisort, Heterotopie, in: Günter OESTERLE (Hg.), Erinnerung, Gedächtnis, Wissen. Studien zur kulturwissenschaftlichen Gedächtnisforschung, Göttingen 2005, 313. 91 Vgl. Günter BUTZER / Manuela GÜNTER, Einleitung, in: Dies., Kulturelles Vergessen – Medien, Rituale, Orte. Göttingen 2004, 9. 22

Bedeutungsdimension. Die Bibliothek mag zwar ein Ort sein, an dem kulturelles Gedächtnis gespeichert und gleichzeitig geordnet wird, nichtdestotrotz ist sie unweigerlich das Resultat von Selektion durch das Vergessen.92 Durch den Wunsch, so viel als möglich an Bestandsvolumen in einer Bibliothek unterzubringen und die Vielfalt des Kulturgedächtnisses einzuspeichern, darf der Umstand nicht außer Acht gelassen werden, dass „das unendliche Wachstum der Bibliotheken zwangsläufig die Bestände immer unübersichtlicher macht und immer mehr Bücher in völliger Bedeutungslosigkeit versinken lässt“93. Demzufolge ist eine Bibliothek nicht nur ein Speicherort des bewusst Erinnernden, sondern auch ein Ort des unbewusst Vergessenden, und ihre Aufgabe, ist ein Gleichgewicht zwischen dem Erinnern und dem Vergessen zu halten.94 Auch wenn dies nun den Anschein einer Negativdiagnose in Bezug auf Bibliothek als Speicherort des kulturellen Gedächtnisses hat, ist das Gegenteil der Fall, da das kulturelle Gedächtnis „auf Orte wie Bibliotheken angewiesen ist, in deren staubigen Hallen es längst Vergessenes und für irrelevant Gehaltenes bisweilen zu neuem Leben erweckt“95.

Nun ist es aber möglich den erinnernden und gleichzeitig vergessenden Aufbewahrungsort ‚Bibliothek‘ nicht nur aus der Multiperspektive, sondern auch aus einem individuellen und partiellen Blickwinkel zu betrachten, hinsichtlich dessen, dass eine Bibliothek auch ein Bewahrer von individuellem Gedächtnis darstellt. Denn eine „Bibliothek ist stets das Ergebnis einer Konstruktion“, dabei ist es „(g)anz gleich, ob sie bewusst, überlegt oder die Frucht des Zufalls und der Fügungen eines Lebens oder einer Epoche ist“ denn „die Sammlung verfügt über eine Logik, welche die Entscheidungen des oder der Gründer und die Wirrungen, die zu ihrer Existenz geführt haben, widerspiegelt“.96 Aus diesem Blickwinkel heraus stellt eine Sammlung an Büchern, unabhängig von ihrem Typus oder auch ihrer Herkunft, jeweils

92 Vgl. Dietmar RIEGER, Bibliothek und Vergessen – vergessene Bibliotheken, in: Günter BUTZER / Manuela GÜNTER, Kulturelles Vergessen – Medien, Rituale, Orte. Göttingen 2004, 18. 93 Uwe Jochum, Die Bibliothek als locus communis, in: Aleida ASSAMNN / Manfred WEINBERG / Martin WINDISCH (Hg.), Medien des Gedächtnisses. Deutsche Vierteljahresschrift für Literaturwissenschaft und Geistesgeschichte. Sonderheft 72 (1998), 14. 94 Zur Vertiefung der Vergessens-Thematik und Bibliothek: Nikolaus WEGMANN, Bücherlabyrinthe. Suchen und Finden im alexandrinischen Zeitalter, Köln/Weimar/Wien 2000, 310: „(…) wenn man nur zu suchen braucht, um ‚etwas, das man sucht‘ auch mit ausreichender Wahrscheinlichkeit zu finden, dann kann man es riskieren, ein Wissen vorübergehend zu vergessen, es wegzulegen oder wieder zurückzustellen.“ 95 Uwe JOCHUM, Die Bibliothek als locus communis, in: Aleida Assamnn, Manfred Weinberg, Martin Windisch (Hg.), Medien des Gedächtnisses. Deutsche Vierteljahresschrift für Literaturwissenschaft und Geistesgeschichte. Sonderheft 72 (1998), 29. 96 Alice PERRIN-MARSOL, Das französische Gedächtnis einer deutschen Bibliothek. Wolfenbüttel, „kulturelle Konstruktion“ des Herzogs August d.J. zu Braunschweig und Lüneburg (1579-1666), in: Eva DEWES / Sandra DUHEM (Hg.), Kulturelles Gedächtnis und interkulturelle Rezeption im europäischen Kontext, Berlin 2008, 67. 23

Gedächtnis dar, nämlich ein partielles.97 Besonders Privatbibliotheken beschreiben die Individualität ihres Eigentümers abbildlich, da sie dabei in gewisser Hinsicht die Persönlichkeit und die intellektuellen Aktivitäten ihres Besitzers dokumentieren, quasi als „Spiegelbilder der Besitzerbiographie“.98 Denn im 18. Jahrhundert wandelt sich das Bild von privaten Gelehrtenbibliotheken als reines Arbeitsinstrument hin zu einem neuen Typus der Liebhaberbibliothek:99 „Der Liebhaber sammelt Bücher nach seinem Geschmack für die Stunden der Muße, die Anlage der Bibliothek spiegelt nicht mehr die beruflichen Aktivitäten ihres Eigentümers wider“100. Unter diesem Aspekt bekommt auch das Titel-Zitat „Vorrathskammern der Seele“ eine neue Deutungsdimension, nämlich insofern, dass die Seele als Wesen des Menschen verstanden werden kann, und durch die Analyse der Bibliothek „intime Einblicke in die Biographie, die sozialen Kontakte, Lektüregewohnheiten und im günstigsten Fall in die Schreibprozesse eines Autors“101 gewährt werden. Demzufolge stellt ‚Bibliothek‘ auch einen Ort von Identität dar, da er die Möglichkeit von Rückschlüssen auf den Sammler, auf dessen literarische Interessen oder sogar politische Ansichten eröffnet.102 Zeitgenössisch lässt eine Bibliothek noch vielmehr auf die Person, deren Laufbahn und Interessen schließen, die jene Sammlung besitzt, denn „(m)ehr als andere Wohnbereiche spiegelt die Bibliothek die Persönlichkeit ihres Besitzers wider“, weil „Bücher (…) die persönliche Geschichte eines Menschen“ erzählen, da „(m)an ist, was man liest“103.

1.2 Bibliothekskataloge und das Streben nach Universalität

Um eine Bibliothek jedoch effizient überschaubar und dementsprechend benutzbar zu machen, um das reale Gedächtnis als Bibliothek fassbar und substantiell zu machen, ist ein bestimmter Kernbestandteil, ein Werkzeug, jeder wahren Bibliothek vonnöten: nämlich der Bücherkatalog. Grundsätzlich gibt es Bücherkataloge kommerzieller Zielsetzung (Buchdruckerkataloge, Verlegerkataloge, Sortiments-Lagerkataloge, Antiquariatskataloge, Auktionskataloge, Leihbibliotheks- und Messkataloge) und Bestandsverzeichnisse einzelner Sammlungen, die sich wiederum in Kataloge öffentlicher (Kataloge der diversen

97 Vgl. PERRIN-MARSOL, Das französische Gedächtnis einer deutschen Bibliothek, 67. 98 ADAM, Privatbibliotheken im 17. und 18. Jahrhundert, 158f. 99 Vgl. ADAM, Privatbibliotheken im 17. und 18. Jahrhundert, 151. 100 ADAM, Privatbibliotheken im 17. und 18. Jahrhundert, 151. 101 ADAM, Privatbibliotheken im 17. und 18. Jahrhundert, 161. 102 Vgl. GUSSONE / LANGBRANDTNER, Bibliotheken und Musikalien als Spiegel adliger Bildung, Absatz 32. 103 ELLIS / SEEBOHM, Mit Büchern leben, 11 u. 221. 24

Bibliothekstypen) und privater (einschließlich Nachlassinventare) Sammlungen bzw. Bibliotheken gliedern lassen.104 Bei einem Bibliothekskatalog handelt es sich meist um ein geordnetes Verzeichnis des realen Buchbestandes einer Bibliothek, das wiederum nach bestimmten Gesichtspunkten erstellt wird.105 Es ist von unabdingbarer Existenzbedeutung für eine Bibliothek, da dieses Verzeichnis nicht nur den „Wert und die Wirksamkeit einer Bibliothek“106 benennt, sondern auch deren Benutzbarkeit durch Überschaubarkeit ermöglicht. Der Bibliothekskatalog repräsentiert dadurch nicht nur ein Gedächtniswerkzeug,107 sondern ein Zweckinstrument. „Kataloge machen Bibliotheken, spiegeln sich doch in ihnen die Erwerbung, Katalogisierung und Benutzung idealiter wider.“108 Hinsichtlich dessen bekunden sie nicht nur den Bestand einer Bibliothek, sondern auch, abhängig von der konzipierten Aufzeichnung, die Anordnung der Bücher in selbiger, und sind dabei unter einem gewissen Aspekt als „geordnetes Gedächtnis“109 bzw. als „eine nachvollziehbare Topographie des Wissens“110 zu lesen.111 Generell existieren diverse Registrierungs- bzw. Inventarisierungsformen: Hatte man noch bis ins 14. Jahrhundert Bücher rein nach ihren äußeren Merkmalen katalogisiert, so änderte sich das hinsichtlich dessen, dass nun über den Inhalt registriert wurde (Anfang und Ende des festgehaltenen Textes wurde notiert). Ab der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts entstand das Titelblatt (mit Buchtitel- und Verfasserangabe) unter anderem durch Ausprägung des Buchdrucks, das im 17. Jahrhundert durch die Drucker-Angaben ergänzt wurde.112 „Mit dem Titelblatt verfügten die Bibliotheken über ein Instrument, um anhand formaler Elemente wie Verfassername, Buchtitel, Drucker/Verleger, Erscheinungsort und -jahr die einzelnen Werke verzeichnen zu können.“113 Unter den gängigsten befinden sich der alphabetische Katalog, der Schlagwortkatalog, der systematische Katalog und der Standortkatalog,114 die entweder handschriftlich verfasst oder

104 Vgl. WITTMANN, Bücherkataloge des 16.-18. Jahrhunderts als Quelle der Buchgeschichte, 8. 105 5 Vgl. Rupert HACKER, Bibliothekarisches Grundwissen, Berlin 1989, 73. 106 HACKER, Bibliothekarisches Grundwissen, 73. 107 Vgl. DICKHAUT, Verkehrte Bücherwelten, 13. 108 Martin SCHENKEL, Einführung, in: Paul KAEGBEIN / Martin SCHENKEL, Text. Deutsche Bibliothekskataloge im 19. Jahrhundert / analytisches Repertorium, München (u.a.) 1992, XVII. 109 HACKER, Bibliothekarisches Grundwissen, 73. 110 LAUBE, Selbstbeschreibung von Bibliotheken, 75. 111 Vgl. SCHENKEL, Einführung, XVII. 112 Vgl. JOCHUM, Geschichte der abendländischen Bibliotheken, 100f. 113 JOCHUM, Geschichte der abendländischen Bibliotheken, 101. 114 Hierzu Vgl. HACKER und sein „Bibliothekarisches Grundwissen“, 74-79: Der alphabetische Katalog (auch Verfasser-, Autoren- oder Nominalkatalog betitelt), verzeichnet die vorhandenen Werke nach formalen 25

in gedruckter115 Form vorhanden sein können. Wie schon in der Einleitung erwähnt, stellt sich die Überlieferungssituation als eine diffizile Angelegenheit dar. Besonders im Hinblick auf gedruckte frühneuzeitliche Bibliothekskataloge lässt sich festhalten, dass es für den deutschen Sprachraum keine Gesamtdarstellung bzw. Gesamtbibliographie gibt,116 denn „(i)m Gegensatz zu den mittelalterlichen Bibliothekskatalogen sind jene des 16. bis 18. Jahrhunderts nur wenige Einzelstudien und noch keines Gesamtüberblicks gewürdigt worden“ 117.118 Demzufolge handelt es sich dabei um eine noch kaum erschlossene und genutzte Quellenart der Buch- und Bibliotheksgeschichte,119 obgleich die Kataloge doch eine besonders effiziente Art der Quelle sind, sowohl für die Erforschung der Sozialgeschichte des Lesens, als auch für die Wissenschaftsgeschichte.120 Sie dienen dabei für die buch- und bibliotheksgeschichtliche Forschung nicht nur als Quelle für die Bestandsgeschichte einzelner Bibliotheken, sondern auch als Ausgangspunkt für noch folgende vergleichende Untersuchungen von Bibliotheken, als Quelle für Bücherkenntnis (da es keine vollständigen Nationalbibliographien der Drucke des 17. und 18. Jahrhunderts gibt) und für die Lesergeschichte, und allgemein zum Verständnis der Rolle des Buches im 17. und 18. Jahrhunderts.121 Der Meinung war auch

Hermann CONRING (1606-1681), ein Polyhistor, schon im 17. Jahrhundert. Der Nutzen von Bibliothekskatalogen lag dabei nicht nur in der „Erlangung einer Bücherkenntnis“, sondern

Gesichtspunkten (Verfassername und Sachtitel) in, wie der Name schon sagt, alphabetischer Reihenfolge. Die beiden folgenden Katalogarten gehören dem Übergriff der Sachkataloge an, da sie das auf ihre Art zu Verzeichnende aus dem Inhalt des jeweiligen Werkes erschließen. Hierzu gehört der Schlagwortkatalog, der nach Schlagworten verzeichnet, die aus dem Inhalt des Buches resultieren, und der systematische Katalog, der seiner Ordnung eine Systematik zugrundelegt, die den Zusammenhang und die Gliederung aller Wissensgebiete widerspiegelt. Der Standortkatalog vermerkt/registriert die Bücher nach der Reihenfolge, in der jene an ihrem jeweiligen Standort stehen und stellt dabei, was die Signaturgebung betrifft, ein wichtiges Hilfsmittel dar. 115 „Es sind die im Druck erschienenen Kataloge von öffentlichen und auch privaten Bibliotheken, die den Buchbesitz einzelner Büchersammlungen verzeichnen.“ Dazu: Paul RAABE, Bibliothekskataloge als buchgeschichtliche Quellen. Bemerkungen über gedruckte Kataloge öffentlicher Bibliotheken in der frühen Neuzeit, in: Reinhard WITTMANN (Hg.), Bücherkataloge als buchgeschichtliche Quellen in der frühen Neuzeit, Wiesbaden 1984, 275-297, hier 275. 116 Vgl. WITTMANN, Bücherkataloge des 16.-18. Jahrhunderts als Quelle der Buchgeschichte, 9. 117 WITTMANN, Bücherkataloge des 16.-18. Jahrhunderts als Quelle der Buchgeschichte, 12. 118 Einen guten europäischen Überblick bieten dabei jedoch Archer Taylors Darstellungen: Archer TAYLOR, Book Catalogues. Their Varities and Uses, Chicago 1957; und: Archer TAYLOR, The Distribution of Books by Catalogues. From the Invention of Printing to A.D 1800, Cambridge 1965. 119 RAABE, Bibliothekskataloge als buchgeschichtliche Quellen, 286. 120 Vgl. WITTMANN, Bücherkataloge des 16.-18. Jahrhunderts als Quelle der Buchgeschichte, 13. 121 Vgl. RAABE, Bibliothekskataloge als buchgeschichtliche Quellen, 286-289. 26

auch in der Erschließung einer Büchersammlung für eine bessere Bibliotheksbenutzung und der Bewahrung des Andenkens einer Bibliothek für die Nachwelt.122

Diesem Anspruch der Verzeichnung, sozusagen ein systematisches Erfassen des büchernen Wissens, folgte man besonders im ausgehenden 16., Anfang des 17. Jahrhunderts. Denn das Zeitalter des Barocks, das sich adjektivisch mit ‚größer‘, ‚üppig‘ und ‚voller‘ am besten umschreiben lässt, strebte nach Universalismus, der sich sowohl in der Architektur von monumentalen Bauaufgaben manifestierte,123 als auch in der exhaustiven Sammellust der herrschenden Adeligen.124 Auch die Wissenslandschaft war geprägt von umfassenden Veränderungen, gar von einer „wissenschaftlichen Revolution“125, die dahingehend resultierte, dass die Gelehrtenwelt nicht nur durch zentrale wissens- und bewusstseinsgeschichtliche Veränderungen geprägt wurde,126 sondern auch neue naturwissenschaftliche Theorien und der Traum nach einer universellen Wissenschaft veränderten den Wissensumgang.127 Auch die neue Prämisse vom Gebildet-Sein beeinflusste nicht nur die gelehrte, sondern auch die herrschende Schicht, denn „(v)ollkommen als Menschen aber und damit auch als Herrscher ist in den Augen der Gelehrtenwelt des 16. und 17. Jahrhunderts nur derjenige, der über den Bildungskanon der Zeit verfügt“128. Auch auf die Bibliothekslandschaft hatte das wiederum einen Einfluss, denn so strebte die „barocke“ Bibliothek nach dem Wunsch von Universalismus.

Dieses Streben nach einer Universalität des Wissens gebar die Notwendigkeit einer dementsprechenden Ordnung, als Garant und Zugänglichkeit von Wissen in Form von

122 Paul RAABE, Bibliothekskataloge als buchgeschichtliche Quellen, 280f., der sich hier wiederum auf die wissenschaftliche Arbeit von Peter Motzfeld bezieht (Hermann Conrings lateinische Lobschrift über die Bibliotheca Augusta in Wolfenbüttel. Philologisch-historische Untersuchung, Übersetzung mit Anmerkungen, Göttingen 1981). 123 Vgl. Dietrich ERBEN, Die Pluralisierung des Wissens. Bibliotheksbau zwischen Renaissance und Aufklärung, 187. 124 Vgl. Jill BEPLER, Barocke Sammellust. Die Bibliothek und Kunstkammer des Herzogs Ferdinand Albrecht zu Braunschweig Lüneburg (1636 - 1687), Weinheim (u.a.) 1988, 9. 125 Richard VAN DÜLMEN (Hg.), Macht des Wissens. Die Entstehung der modernen Wissensgesellschaft, Köln/Wien 2004, 153. 126 Unter anderem brachte die „Arbeit an der gelehrten Überlieferung (…) im 16. und 17. Jahrhundert viele Wissenssummen hervor“.: Ulrich Johannes SCHNEIDER / Helmut ZEDELMAIER, Wissensapparate. Die Enzyklopädistik der Frühen Neuzeit, in: Richard VAN DÜLMEN (Hg.), Macht des Wissens. Die Entstehung der modernen Wissensgesellschaft, Köln/Wien 2004, 355. 127 Vgl. VAN DÜLMEN (Hg.), Macht des Wissens, 153 sowie 321. 128 Sina RAUSCHENBACH, Wissenschaft zwischen politischer Repräsentation und gesellschaftlichem Nutzen. Über den Traum vom gelehrten Herrscher in der Frühen Neuzeit, in: Richard VAN DÜLMEN (Hg.), Macht des Wissens. Die Entstehung der modernen Wissensgesellschaft, Köln/Wien 2004, 297. 27

Büchern,129 und um das Wissen wiederum intellektuell beherrschen zu können.130 „Die Vorstellung, die Wissenstotalität mit Hilfe einer zeitlosen ‚Ordnung der Ordnungen‘ in einem einzigen Buch bezwingen zu können, ist die gemeinsame Idee oder Ideologie, an deren Verwirklichung die Verfasser der Wissensapparate der Frühen Neuzeit arbeiten.“131 Eine dieser Möglichkeiten von Ordnung stellte die hohe Form der Enzyklopädie dar.

Konrad GESSNER (1516-1565) leistete dahingehend eine der Pionierarbeiten und verfasste mit seiner enzyklopädischen Bibliotheca universalis „die erste umfassende Bibliographie aller bis dato verlegter Schriften“132, deren Materialinhalt er wiederum aus jeglichen Katalogen von Druckern, Bibliotheksverzeichnissen und Gelehrtenbriefen zusammengesucht und -gestellt hatte. Den Kern bestimmten die jeweilige Auflistung des Kurztitels, des Druckortes und der Druckzeit, der Blattanzahl des jeweiligen Werkes, und des Inhaltes, ohne angeführte Quellenverweise. Das Anliegen dieser komprimierten „Repräsentation des gelehrten Wissens ist die Benutzung durch eine Verzeichnismethode, die den Lesern ein möglichst schnelles Finden der gesuchten Informationen, Überprüfung der Quellengrundlagen und generell eine übersichtliche und rationale Orientierung ermöglicht“.133

Andererseits bekamen die Bibliotheken in dieser Zeit eine gewaltige Rolle zugedacht, als Paradebeispiele für Repräsentationsform von Wissen, als polyhistorische Orte, an jenen das universale Wissen sein Ziel finden soll, um geordnet, gesucht und wieder gefunden zu werden.134 Wie schon anderenorts in der Einleitung erwähnt, nahm die bibliothekstheoretische Forschung in dieser Zeit des 17. Jahrhunderts neue, durchdachtere Formen an. Hier sollen nun zwei ‚universale‘ Gelehrte und Theoretiker, zwei ‚helle Köpfe‘ und unter anderem Bibliothekare, vorgestellt werden, die die Bibliothekstheorie auf weite Sicht hin bereicherten und prägten: zum einen wäre das Gabriel NAUDÉ und zum anderen Gottfried

Wilhelm LEIBNIZ. Beide stellten intensive Überlegungen zu dem erwachten multiplen Wissensaspekt und dessen praktischer Verortung und Umsetzung an.

Gabriel NAUDÉ (1600-1653) forderte 1627 in seinem Advis pour dresser une bibliothèque (Anleitung für den Aufbau einer Bibliothek) eine universale Ausrichtung einer Bibliothek, das

129 Vgl. DICKHAUT, Verkehrte Bücherwelten, 87. 130 Vgl. SCHNEIDER / ZEDELMAIER, Wissensapparate, 362. 131 SCHNEIDER / ZEDELMAIER, Wissensapparate, 355. 132 Carola SCHNEIDER, Bibliotheken als Ordnung des Wissens (16.-18. Jahrhundert), in: Hans HOLLÄNDER (Hg.), Erkenntnis, Erfindung, Konstruktion. Studien zur Bildgeschichte von Naturwissenschaften und Technik vom 16. bis zum 19. Jahrhundert, Berlin 2000, 145. 133 SCHNEIDER / ZEDELMAIER, Wissensapparate, 353. 134 Vgl. VAN DÜLMEN (Hg.), Macht des Wissens, 154. 28

heißt nach Vollständigkeit strebend.135 Dabei sollten Werke von großen, als auch von kleineren, unbedeutenderen Autoren gesammelt, und außerdem die jeweils dazugehörigen Interpretationen und Kommentare eingeordnet werden, der Logik von Universalität 136 entsprechend. Als Rechtfertigung dafür gab NAUDÉ die Begründung an, dass die Universalbibliothek eine Form der Gesamtsichtung von sich entsprechenden oder gegensätzlichen Ansichten und Vorstellungen bereitstellen sollte, durch die man selbstbestimmt zu einem möglichen (Gesamt-)Urteil kommen könnte.137 Jedoch sollten jene Werke sorgfältig ausgewählt und die Menge der jeweiligen begrenzt sein,138 da es natürlich in mächtigen Bibliotheken auch an Platz mangelte. Nichtsdestotrotz wusste er auch um die

Endlichkeit des Besitzes aller je gedruckten oder geschriebenen Werke, weswegen NAUDÉ sich der exzellenten Relevanz und Notwendigkeit eines Bibliothekskataloges bewusst war, nicht nur um des Informationsgehalts des Bestandes wegen, sondern weil zumindest „die Bücherverzeichnisse in gewissen Maße die Idee der ‚universellen‘ Bibliothek, mindestens den virtuellen Zugang zu allen überlieferten Schriften ermöglichten“139. Seine Anleitung konnte er selbst unter Beweis stellen, da er als Bibliothekar in keiner geringeren Einrichtung als in der Bibliothèque Mazarine tätig war und deren Aufbau wie weiteres Schicksal zum Auftrag hatte.

Gottfried Wilhelm LEIBNIZ (1646-1716) strebte auch den universalen Charakter des Wissens und der Bibliothek an, jedoch manifestierte sich dieser nicht in einer rigorosen Büchermenge wie in wie in NAUDÉs Sinne, sondern ausschließlich durch einen suggestiv, speziell zusammengestellten Bücherkern. Dies kulminierte in der von Leibniz „propagierten Logik der enzyklopädischen Verknappung“140 hinsichtlich dessen, dass nicht die Menge, die Quantität, sondern das Notwendige, die Relevanz, das ausschlaggebende bibliothekarische Kriterium sein sollte, das sich wiederum in speziellen Kern-Büchern manifestiere, die es zu sammeln galt. Gemeint waren damit jene Werke, bei deren Studium man sich über alles von Grund auf unterrichten können sollte, die die notwendige Information enthielten, um einen Sachverhalt 141 nachvollziehbar zu machen. LEIBNIZ ging es aber nun darum, die Kernsätze aus jenen

135 Vgl. UMLAUF / GRADMANN, Handbuch Bibliothek, 335. 136 „…zusammen mit den unnützen Büchern und den Werken der Häretiker.“ Vgl. Uwe JOCHUM, Am Ende der Sammlung. Bibliotheken im frühmodernen Staat, in: Richard VAN DÜLMEN (Hg.), Macht des Wissens. Die Entstehung der modernen Wissensgesellschaft, Köln/Wien 2004, 290. 137 Vgl. UMLAUF / GRADMANN, Handbuch Bibliothek, 335. 138 Vgl. BUZÁS, Deutsche Bibliotheksgeschichte der Neuzeit, 114. 139 SHEVCHENKO, Eine historische Anthropologie des Buches, 121f. 140 JOCHUM, Am Ende der Sammlung, 290. 141 Vgl. JOCHUM, Geschichte der abendländischen Bibliotheken, 98. 29

Kern-Büchern in ein Generalinventar oder -register einzutragen, um somit jene enzyklopädisch verknappt zu archivieren. Folglich spiegelt LEIBNIZ‘ Konzept von einer universalen Bibliothek ein Register oder ein Inventar der wahren Sätze wider.142 Die Bibliothek mit ihren Büchern war nur dann noch aufzusuchen, und die (Kern-)Bücher nur dann mehr zu studieren bzw. konsultieren, wenn einem der Inhalt oder der Zusammenhang 143 eines Sachverhaltes nicht mehr im Gedächtnis wäre. Auch wenn für LEIBNIZ die Bibliothek definitiv die „Schatzkammer des menschlichen Geistes“144 war, so kam es für ihn „in der Bibliothek nicht auf das Lesen von vielen Büchern an, sondern auf das Wiederfinden von Gedanken“145. Aus diesem Grund ist auch für ihn der Bibliothekskatalog ein unabdingliches Mittel, um eine Bibliothek letztendlich enzyklopädisch nutzbar zu machen, durch eine Kombination aus mehreren, für sich stehenden Katalogen, nämlich eines alphabetischen und systematischen Katalogs, eines Schlagwortkatalogs und eines chronologisch nach Erscheinungsdaten geordneten Katalogs.146

Nachdem nun die außerordentliche Bedeutung eines Katalogs für eine Bibliothek an einigen Exempeln dargestellt wurde, ist jedoch festzustellen, dass das konkrete Erscheinungsbild eines solchen Verzeichnisses ganz unterschiedlich gestaltet und vielfältig sein kann, nachdem historisch gesehen keinerlei Standardisierung vorhanden war. Nicht nur in der schriftlichen Form (ob handschriftlich oder gedruckt) unterschiedlich, sondern auch im Material und in der jeweiligen Größe trifft man auf diverse Ausformungen:

„Die Verzeichnung kann auf höchst unterschiedliche Weise geschehen. Rudimentäre Angaben, bis zur Unidentifizierbarkeit abgekürzte oder verballhornte Autorennamen und/oder Kurztitel begegnen weitaus häufiger denn exakte Titelaufnahmen, gar solche mit Annotationen. Freilich waren für den gelehrten Polyhistor des Barock Abbreviaturen selbstverständlich, die uns vor bibliographische Rätsel stellen.“147

142 JOCHUM, Geschichte der abendländischen Bibliotheken, 99. 143 Vgl. JOCHUM, Die Bibliothek als locus communis, 15. 144 BUZÁS, Deutsche Bibliotheksgeschichte der Neuzeit, 26. - Das Zitat, anderenorts gefunden, kann auch „Schatzkammern aller Reichtümer des menschlichen Geistes“ heißen, ursprünglich dem LEIBNIZschen Briefwechsel entstammend. Hier: Herbert BREGER / Friedrich NIEWÖHNER, Leibniz und Niedersachsen. Tagung anlässlich des 350. Geburtstages von G. W. Leibniz in Wolfenbüttel 1996, Stuttgart 1999, 20. 145 JOCHUM, Am Ende der Sammlung, 286. 146 Vgl. UMLAUF / GRADMANN, Handbuch Bibliothek, 337. 147 WITTMANN, Bücherkataloge des 16.-18. Jahrhunderts als Quelle der Buchgeschichte, 9. 30

1.2.1 Index omnium librorum existentium in Monasterio Pellensi

Solch ein inventarisierender Katalog ist auch von der Bibliothek des ehemaligen Chorherrenstifts Pöllau bekannt, in dem deren Werke verzeichnet sind, wobei es sich dabei eher um einen Index handelt, da keine Signaturen angegeben sind. Bei dem im Diözesanarchiv Graz aufgefundenen, Verzeichnis des Chorherrenstifts Pöllau handelt sich um ein handschriftliches, nicht-kommerzielles Bücherverzeichnis dieser Klosterbibliothek, das aufgeschrieben wurde, um die in der Sammlung vorhandenen Werke überblickend festzuhalten. Das äußere Erscheinungsbild umfasst dabei einen rotbraunen, erneuerten Lederimitateinband. Das Interessante an diesem gebundenen Schriftstück ist, dass den eigentlichen Inhalt Trauungsmatriken der Pfarre Pöllau ausmachen sollten, deren Eintragungen von den Jahren 1647 bis 1658 reichen, jedoch stellen die ersten 15 Blatt einen Buchindex dar mit dem Titel Index omnium librorum existentium in Monasterio Pellensi, der in diesen Matrikenband148 hinein gebunden wurde, denn das erste Blatt dieses Bandes betrifft definitiv den ursprünglichen Inhalt, der folgen sollte (In hoc libro sunt etiam inscripta(e) nuptia(e) ab anno 1647. ad 9. Julii 1658). Es gibt keinerlei Rückschlüsse darauf, warum der Bücherkatalog genau dort eingebunden wurde. Die Frage, warum dieser Bibliothekskatalog, der offensichtlich mit den Trauungsaltmatriken der Pfarre Pöllau nichts gleich hat, ausgerechnet an dieser Stelle eingebunden ist, kann an dieser Stelle nicht schlüssig aufgelöst. Es ist auch nicht eindeutig eruierbar, zu welchem Zeitpunkt der Katalog aufgeschrieben wurde. Einzig und allein der heutige Fundort und die damit verbundene chronologische Angabe lässt eine Vermutung zu, dass er im 17. Jahrhundert aufgezeichnet wurde. Denn auch die wissenschaftliche Forschung zu dem ehemaligen Chorherrenstift Pöllau verliert keinerlei Stichhaltiges über einen Bibliothekskatalog oder ein Verzeichnis an sich.149

Um mit der Beschreibung des äußeren Erscheinungsbildes fortzufahren, handelt es sich bei diesem Katalog um Papier als Beschreibstoff, das leicht durch Wasser- und Stockflecken verschmutzt ist. Auf diesem ist auf 15 Blatt recto und verso mit einer leserlichen, in brauner Tinte geschriebenen, altersentsprechenden, lateinischen Schrift mit vereinzelten Kurrentschrifteinflüssen geschrieben worden. Die Handschrift ist einheitlich, nur teilweise sind zu einem späteren Zeitpunkt weitere Vermerke hinzugefügt worden, die offensichtlich von einer anderen Hand geschrieben wurden. Bezugnehmend auf die Verzeichnung der vorhandenen Werke muss ich Reinhard WITTMANN für die sehr gelungene und treffende

148 Diözesanarchiv Graz, Altmatriken der Pfarre Pöllau, Schuber 10, Trauungsbuch D, 1647-1658. 149 Darauf wird speziell und ausführlich im Kapitel II eingegangen. 31

Aussage zu den in einem Katalog festgehaltenen Aufzeichnungen danken, die Autoren- sowie Titelangaben leserlich und ausgeschrieben enthalten ‚sollten‘. Denn auch, wenn der Bibliothekskatalog von Pöllau in einer schon erwähnten leserlichen Schrift aufgeschrieben wurde, ist ein transkribtorisches Rätselraten nicht ausgeblieben. Bei dem Katalog handelt es sich nämlich grundsätzlich um einen Autorenkatalog, der alphabetisch nach den Vornamen geordnet ist, wobei innerhalb des jeweiligen Buchstabens nicht mehr streng alphabetisch aufgelistet wird. Zusätzlich ist dem jeweiligen Autor ein Kurztitel seines Werkes hinzugefügt, wobei es sich bei diesen Kurztiteln augenscheinlich um jeweils sehr verkürzte Angaben handelt. Es gibt keinerlei Verzeichnung zu einem Erscheinungsjahr oder einem Ort, dementsprechend gibt es keinerlei Aufschlüsselungshilfen, ob es sich um Manuskripte oder typographische Werke handelt. Desweiteren fehlen systematische oder auch signatorische Angaben, die eine Aufstellungssystematik zur Folge hätten. Auch über das Format der jeweiligen Werke gibt es keine Anmerkungen. Es handelt sich wirklich schlicht um die Nennung des Autors im Genitiv und des (ungefähren) Kurztitels seines Werkes dazu. Diese Titelangaben sind weiters durch diverse Kürzungen untermalt. So finden sich unter anderem ‚m‘-Kürzungen (z.B. nach einem ‚u‘), ‚us‘-Kürzungen, ‚um‘-Kürzungen (besonders im Genitiv Plural), ‚e‘-Kürzungen (z.B. nach einem ‚a‘), Doppel-‚m‘-Verkürzungen, diverse ‚epistolas‘-Kürzungen (zu ‚eplas‘ vereinfacht), um nur einige als Beispiel genannt zu haben. Mithilfe dieser beschränkten Daten mussten die den Einträgen entsprechenden Werke verifiziert werden, wobei eine definitive Identifikation der jeweiligen Werke ausgeschlossen ist, da keinerlei Angaben zu Erscheinungsort und -jahr vorhanden sind, und auch die Unterscheidung zwischen Handschrift oder gedrucktem Buch dadurch ausbleibt. Auf den konkreten büchernen Inhalt der Bibliothek sowie diesen Verifizierungsvorgang als auch auf die daraus entstandenen Schwierigkeiten wird im zweiten Kapitel näher eingegangen.

1.3 Bibliothek und das Sammeln von Kuriosem

Wie nun schon anderenorts festgehalten, stellte das Zeitalter des Barock nicht nur den Wunsch nach Universalität, sondern auch die Lust am Sammeln. Die bibliotheksgeschichtliche Forschung stellt sich dementsprechend, speziell für das 17. Jahrhundert, auch die Frage nach einem Zusammenhang von Bibliothek und Raritätenkammer. Denn „betrachtet man eine barocke Bibliothek, darf man neben dem Wunsch nach Universalismus der Sammlung nicht die Bedeutung des Kuriosen übersehen,

32

das die Sammeltätigkeit des 17. und auch des 18. Jahrhunderts noch entscheidend prägte.“150

In seinem Universallexicon erläutert ZEDLER unter dem Schlagwort „Bibliotheck“ bzw. „Bücher-Vorrath“ die Ursachen für „Bücher=Sucht“ und nennt als zu entschuldigendes Motiv solcher „Thorheit“ die „Curiositaet“.151 Unter diesem Betrachtungspunkt ist die Annahme nicht fern, dass manche Bibliotheken in einer gewissen Beziehung mit den übrigen Erscheinungsformen des barocken Sammeltriebs stehen können, die als Zentrum des Interesses die Faszination für Raritäten und Kuriositäten hatten. Außerdem waren „vielfach Raritätenkammern, Museen und Bibliotheken in eins, großartige Sammelplätze aller kuriosen menschlichen Erfahrungen und Zeugnisse“152. Die Raritäten- oder Kuriositätenkabinette bzw. Kunst- oder Wunderkammern, die sich charakteristisch zwischen dem 15. und 17. Jahrhundert ausbildeten, waren private, meist fürstliche Sammlungen, die Objekte beherbergten. Dabei werden „(d)ie gesammelten Objekte (…) aus der Sphäre der Nützlichkeit und des (messbaren) Wertes herausgehoben und erhalten eine Bedeutung, die jenseits ihrer ökonomischen Funktionen im ästhetischen und/oder historischen Diskurs angesiedelt“153 war. Um ein „Raritäten-Cabinet recht zu äsitmiren“, zu schätzen, galt es „Seltenheit und Kostbarkeit“, Anzahl sowie „Ordnung oder Rangirung der vorhandenen Sachen in Erwegung“ zu ziehen.154 In Erwerb und Suche nach Objekten waren sie thematisch nach allen Richtungen offen, je nach persönlichen Interessen und Vorlieben ihres Besitzers. Auch Gelehrte oder reiche Bürger155 legten sich eine persönliche Ansammlung von „Geschätztem“ zu, Objekte von unterschiedlichster Herkunft und Bestimmung, um die „Welt in der Stube“ zu haben:156 Künstliche und natürliche Dinge wurden mit wissenschaftlichen und „kuriosen“ Geräten gleichwertig zusammengefasst und Naturalien wurden nicht von Artefakten, und Kunst wurde nicht von Handwerk getrennt. Diese Sammlungen hatten vor allem auch einen repräsentativen Charakter.157

150 PLETICHA, Adel und Buch. Studien zur Geisteswelt des fränkischen Adels, 60. 151 „Dieeine, welche auch noch in etwas zu ent=schuldigen ist, ist die Curiositaet.“ ZEDLER, Großes vollständiges Universal-Lexikon, Band 4, Sp. 1839. 152 Paul RAABE, Vorwort, in: DERS. (Hg.), Öffentliche und Private Bibliotheken im 17. Und 18. Jahrhundert. Raritätenkammern, Forschungsinstrumente oder Bildungsstätten?, Bremen/Wolfenbüttel 1977, 8. 153 JOCHUM, Am Ende der Sammlung, 278. 154 ZEDLER, Großes vollständiges Universal-Lexikon, Band 30, Sp. 890. 155 „Es waren dann aber vor allem die Fugger, die ihre Häuser mit Büchern und Gegenständen der Kunst und des Kunsthandwerks füllten.“ Franz Georg KALTWASSER, Die Bibliothek als Museum. Von der Renaissance bis heute, dargestellt am Beispiel der Bayerischen Staatsbibliothek, Wiesbaden 1999, 45. 156 Vgl. Andreas GROTE, Macrocosmos in Microcosmo. Die Welt in der Stube. Zur Geschichte des Sammelns 1450 bis 1800, Opladen 1994. 157 Vgl. JOCHUM, Am Ende der Sammlung, 273. 33

War sich die bibliothekswissenschaftliche Forschung in den 1980er Jahren noch nicht schlüssig über die Hypothese von einem Zusammenhang zwischen Bibliothek und Raritätenkammer,158 so ist sie es heute auch noch nicht. Zumindest exemplarisch kann man eine gewisse Verknüpfung erkennen, nämlich eine räumliche Verbindung, denn „in kleinerer oder größerer Zahl tauchten Bücher in jeder Kunst- und Raritätssammlung auf und wurden mit ihnen entweder räumlich oder funktionell verbunden.“159 Hinsichtlich einer räumlichen

Verknüpfung nennt PLETICHA schlüssige Argumente: „Bibliotheken, Raritätenkammer, Münzkabinette, Galerien usw. standen häufig in engem räumlichen Zusammenhang. Die Bibliotheksräume des Barock wurden nicht selten zum Zweck der Selbstdarstellung zu prächtigen Sälen ausgestattet, in denen die Bücher fast nebensächlich wurden.“160 Auch die Einrichtung einer barocken Bibliothek war durch Gemälde, Büsten, Globen, Naturalien, mechanische Kunstwerke und ähnliches bereichert.161 Reisebeschreibungen stellen dabei eine wertvolle Quelle dar, da doch Bibliotheken ein beliebtes Besucherziel waren. Auch aus diesem Grund waren einige Bibliotheksräume als, gewissermaßen, Ausstellungsräume aufgebaut, um den Inhalt besser präsentieren zu können.162

Grundsätzlich lässt sich nun feststellen, dass es eine relative Verbindung zwischen den kammerischen Ausformungen des barocken Sammeltypus und Bibliotheken gegeben hat, doch lässt sich pauschal keine Aussage darüber treffen, dass Bibliotheken generell mit Kunst- oder Raritätenkammern eine Einheit bildeten und ein und dasselbe waren. Natürlich kam es vor, dass Bücher eben in solchen Raritätenkammern auftauchten, die dann aber meist „als Beispiele der feinen künstlerischen Erzeugungstechnik, als materielle Objekte der handwerklichen Praxis“ dort ausgestellt waren, die „in diesem Fall (…) als eine Art Kuriosität“ auftraten,163 doch handelte es sich meist nicht um eine gesamte Bibliothek.164

158 Vgl. Jörg-Ulrich FECHNER, Die Einheit von Bibliothek und Kunstkammer im 17. und 18. Jahrhundert, dargestellt an Hand zeitgenössischer Berichte, in: Paul RAABE (Hg.), Öffentliche und Private Bibliotheken im 17. und 18. Jahrhundert. Raritätenkammern, Forschungsinstrumente oder Bildungsstätten?, Bremen 1977, 25; PLETICHA, Adel und Buch. Studien zur Geisteswelt des fränkischen Adels, 60. 159 SHEVCHENKO, Eine historische Anthropologie des Buches, 126. 160 PLETICHA, Adel und Buch. Studien zur Geisteswelt des fränkischen Adels, 60f. 161 Jost LEMMERICH, Die künstlerische Ausstattung der Barockbibliotheken in Deutschland, in: Paul RAABE (Hg.), Öffentliche und Private Bibliotheken im 17. und 18. Jahrhundert. Raritätenkammern, Forschungsinstrumente oder Bildungsstätten?, Bremen 1977, 318. Weiters: „Es ist trivial zu bemerken, daß Bücher meist ein Schmuckelement sind, aber im Barock wurden auch Bücher-Säle gebaut, in denen den Büchern eigentliche nur eine recht nebensächliche Bedeutung zukommt.“ Ebenda, 319. 162 Vgl. PLETICHA, Adel und Buch, 61. 163 SHEVCHENKO, Eine historische Anthropologie des Buches, 128. 164 Einzelne, einschlägige Beispiele können diese Feststellung natürlich falsifizieren, doch wird hier von einem allgemeinen Standpunkt ausgegangen. 34

Außerdem ist grundlegend zu sagen, dass solche Überlegungen nur im Bereich von fürstlichen bzw. höfischen Bibliotheken anzustellen sind, denn Raritäten als auch „kuriose“

Bücher waren teuer, wie BUZÁS treffend feststellte:

„Im allgemeinen waren es jedoch nur die Hofbibliotheken, die über eine im Verhältnis zum Bücherangebot ausreichende Dotation verfügten und deshalb nicht nur auf der Höhe der Zeit sein und einen ausgewogenen Universalbestand ihr eigen nennen konnten, sondern auch Schatzkammern von freigewordenen bibliophilen, historischen, wissenschaftlichen und schöngeistigen Kostbarkeiten und Seltenheiten sowie durch Ankauf von Spezialsammlungen auch Sammelstätten einzigartiger wissenschaftlicher Sondersammlungen wurden.“165

Wie nun in diesem Kapitel festgestellt wurde, ist das Wesen von Bibliotheken ein vielfältiges und vielschichtiges, vielbesprochenes und vielgestaltiges. Nicht nur, dass die primäre Definition, aus der Übersetzung resultierend, durch weitere funktionsorientierte Nuancen, sondern auch um eine gedächtnisträchtige Komponente erweitert wurde. Bibliothek wird demnach nicht nur als Verwahrungsort von Büchern angesehen, sondern auch als höchst diffizile Konzeption, die je nach Auslegungs- und Funktionsdefinition zu einer spezifischen Funktionsstätte metamorphosiert. Die bibliothekarischen Metaphern sind zumeist allgemein auf die Nützlichkeit der Institution ausgerichtet,166 aus denen Bibliothek als Heilstätte, als Apotheke, als Gedächtnisort, oder als Schatzkammer konzeptualisiert werden kann. Der Bibliothekskatalog stellt dabei, nicht nur im 17. Jahrhundert, ein substantiell immanentes Erschließungsinstrument von Gedächtnis und Ordnung dar, wobei eine Ordnung von höchster Notwendigkeit ist „um die Erfahrung zu beherrschen, die Gegenwart zu regieren und die Zukunft zu erobern“167. Jedoch können diese Kataloge sich in ihrem Erscheinungsbild bis aufs buchstäblich Äußerste unterscheiden. Abschließend lässt sich festhalten, dass Bibliothek und Sammlungskammern jeglichen Inhalts nach dem Gleichen strebten: nämlich „alles Wissen der Welt und eine Ordnung dieses Wissens darzustellen“168, einen universalen Zusammenhang aller Dinge darzulegen.

165 BUZÁS, Deutsche Bibliotheksgeschichte der Neuzeit, 17. 166 Vgl. DICKHAUT, Verkehrte Bücherwelten, 19. 167 SCHNEIDER / ZEDELMAIER, Wissensapparate, 355. 168 Harriet ROTH, Die Bibliothek als Spiegel der Kunstkammer, in: Aleida ASSMANN (Hg.), Sammler - Bibliophile - Exzentriker, Tübingen 1998, 196. 35

2. Von den Trägern der Bibliotheken

Das 17. Jahrhundert stellte eine Zeitspanne großer Umwälzungen dar. Durch die Reformation kam es speziell im deutschen Sprachraum zu konfessionellen als auch politischen Veränderungen, die ihren Höhepunkt im Dreißigjährigen Krieg fanden (1618-1648). Nicht nur die sozioökonomische Umwelt kam aus dem Gleichgewicht, sondern auch die geistig- kulturelle. Diese Veränderungen hatten ferner Auswirkungen auf die intellektuelle Infrastruktur und Bibliothekslandschaft, besonders im deutschen Sprachraum, wurden doch die konfessionell-politischen Konflikte durch Kämpfe in Mitteleuropa ausgetragen. Das wohl berühmteste Beispiel für die zahlreichen Bibliothekszerstörungen und -verschleppungen um „den konfessionellen Feind seiner geistigen Waffen zu berauben und das eigene Arsenal zu stärken“169, stellt die Bücherentführung der Heidelberger Bibliotheca Palatina nach Rom dar.170 Auf diese Zeit der sozialen und politischen Unsicherheit folgten der Wiederaufbau und eine prunkvolle, kulturelle Blütezeit, in der in erster Linie repräsentative Bauten entstanden, die besonders oft eine Sammlung von Büchern oder andere Raritäten beherbergten. Auch die Bibliotheken erfuhren eine reiche Aufmerksamkeit und neben mittelalterlichen Typen der Klosterbibliothek und der Universitätsbibliothek entwickelten sich neue, auf anderen, nicht unbedingt institutionellen Bedürfnissen, aufbauend. Die Ansammlung büchernen Wissens war nun aber nicht mehr nur in der Mönch- oder Gelehrtenwelt zu finden, sondern auch bei einem breiteren Publikum, das über die finanziellen Mittel verfügte, wie in der höfischen bzw. fürstlichen, adeligen und seltener bürgerlichen Welt.171

2.1 Von Privatbibliotheken und höflichen Fürstenbibliotheken

„Aufbau und Zusammensetzung einer Adelsbibliothek, ebenso wie sich dies für eine geistliche Bibliothek von selbst versteht, (kann) nur aus einer Sicht auf das

169 BUZÁS, Deutsche Bibliotheksgeschichte der Neuzeit, 9. 170 Die Heidelberger Hofbibliothek, Bibliotheca Palatina, war eine der größten Sammlungen von Schriften protestantischer Herkunft. Nach dem Sieg der kaiserlichen Truppen am Weißen Berg (1620) über Friedrich V. von der Pfalz (Winterkönig) genannt, und nach der Einnahme der Stadt Heidelberg durch Maximilian I. von Bayern, nahm letzterer die Sammlung an sich und übergab diese, mehr oder weniger freiwillig an Papst Gregor XV., woraufhin sie mühsam in den Vatikan überführt wurde. 171 Vgl. RAABE, Barocke Bücherlust. Aus den Sammlungen der Herzog-August-Bibliothek Wolfenbüttel, 5 u. 6. 36

gemeineuropäische Geistesleben verstanden werden.“172 Durch die geistesgeschichtliche Strömung des Humanismus kam es in der Frühen Neuzeit unter anderem zu einer „Pluralisierung des Wissens“173, die sich durch zunehmende Buchbestände und expandierende Wissensinhalte charakterisierte und durch eine eigenmächtige humanistische Rückwendung zu den antiken Quellentexten („ad fontes“) ausgelöst wurde. Allmählich führte dies weiter zu einer zunehmenden „Säkularisierung von Wissen und Bildung“174, durch welche das kirchliche Welterklärungsmonopol ins Schwanken geriet und die Klosterbibliothek allmählich ihre Stellung als jahrhundertelang maßgeblicher Bibliothekstypus verlor und Konkurrenz erfuhr: von der Privatbibliothek. Bei der Begrifflichkeit gilt es jedoch aufzupassen, da sich der Begriff und die damit verbundenen Vorstellungen von Charakteristik erst im Umfeld der Entwicklung von „öffentlichen“ Bibliotheken175 kristallisiert haben und die Eignung speziell 176 für das 15. und 16. Jahrhundert erst überprüft werden müsste. ADAM liefert jedoch für das 17. und 18. Jahrhundert eine allumschreibende Definition:

„Mit dem Terminus Privatbibliothek wird eine Büchersammlung bezeichnet, deren Entstehung und gegebenenfalls auch Erweiterung auf die Initiative eines Einzelnen oder mehrerer Personen, die aber nicht einem institutionell begründeten Zusammenhang stehen, zurückgeht, und deren Anlage entscheidend durch den Geschmack und die Auswahlpräferenz des oder der Besitzer geprägt ist.“177

Dabei steht die individuelle Initiative im Vordergrund, die das entscheidende Kriterium für die Konstitution dieses eigenständigen Bibliothekstyps darstellt. Privater Buchbesitz, wobei mit ‚privat‘ kein juristischer Status der Büchersammlung gemeint sei, war abhängig von materiellen, also finanziellen, und ideellen Voraussetzungen, wie der Lesefähigkeit, und war vornehmlich in den Kreisen von Adeligen, Geistlichen, Hofbeamten, städtischen Bürgern und Gelehrten vorhanden.178

172 BRUNNER, Österreichische Adelsbibliotheken des 15. bis 18. Jahrhunderts als geistesgeschichtliche Quelle, 291. 173 ERBEN, Die Pluralisierung des Wissens, 170. 174 JOCHUM, Am Ende der Sammlung, 274. 175 In Bezug auf öffentliche Bibliotheken: Peter VODOSEK, Die Erforschung der Geschichte Öffentlicher Bibliotheken, in: ARNOLD/DITTRICH/ZELLER, Erforschung der Buch- und Bibliotheksgeschichte in Deutschland, 441-460. 176 Vgl. Frank FÜRBETH, Deutsche Privatbibliotheken des Spätmittelalters und der Frühen Neuzeit. Forschungsstand und -perspektiven, in: Andrea RAPP (Hg.), Zur Erforschung mittelalterlicher Bibliotheken. Chancen - Entwicklungen - Perspektiven, Frankfurt am Main 2009, 185f. 177 ADAM, Privatbibliotheken im 17. und 18. Jahrhundert, 125. 178 Vgl. ADAM, Privatbibliotheken im 17. und 18. Jahrhundert, 125. 37

Fürstenbibliotheken und Hofbibliotheken179 mit ihrem Typursprung speziell im humanistischen Frankreich und Italien, waren eine bestimmte, einzigartige Form der Privatbibliothek, gerade wegen ihrer Größenordnungen und Bestandseigenschaften sowie Benützungsbedingungen und ihrer Zugänglichkeit. Dabei reichte meist deren Dotation nicht nur für das zeitgenössische Bücherangebot, sondern bot auch noch die Möglichkeit Ankäufe von anderen Bücher- oder Spezialsammlungen zu tätigen, um die eigene ständig umfangreicher zu gestalten.180 Diese Bibliotheken verdanken ihre Entstehung einer Stiftung oder einem Engagement aus dem adligen Bereich und tragen dabei charakteristische Entwicklungszüge, wie jene der Privatbibliotheken. „Die Beziehung zwischen Fürst und Bibliothek fand auch in deren repräsentativer Funktion ihren Ausdruck, die ihrerseits unmittelbar aus der mäzenatischen Gesinnung herzuleiten ist.“181 Im Fokus dieses Bibliothekstypus stand also die Förderung des persönlichen Ansehens des Gründers, aber auch der wissenschaftlichen Forschung an sich, wobei ein prunkvoller Bibliotheksbau unabdingbar für den Repräsentationscharakter war,182 der damit das äußerlich sichtbare Zeichen der Repräsentation bildete.183 Die Berufung von Gelehrten als Bibliothekare war nicht unüblich, gehörte das doch zu einer Art der geistigen Repräsentation, „die [Gelehrten] nicht nur die Bedeutung der Bibliothek hervorheben, sondern auch das Ansehen des Fürsten stärken sollten“184. Außerdem ging es gleichermaßen darum, einen Fachkundigen zu haben, der sich um den Bestand und dessen systematische Erweiterung bemühte. Wie schon anderenorts erwähnt stand Gabriel NAUDÉ im Dienste der Bibliothèque Mazarine und

Gottfried Wilhelm LEIBNIZ war Bibliothekar in der Bibliotheca Augusta in Wolfenbüttel, in welcher auch Gotthold Ephraim LESSING (1729-1781) im späten 18. Jahrhundert tätig wurde.

Hermann CONRING (1606-1681), der sich schon über die Effektivität eines Bibliothekskatalogs Gedanken machte, stellte solche auch in seiner Abhandlung De Bibliotheca Augusta über maßstäbliche Gesichtspunkte für die Qualität einer fürstlichen Büchersammlung, nicht nur um einen Vergleich einer Rangordnung unter fürstlichen

179 Die beiden Begriffe ‚Fürsten- und Hofbibliotheken‘ werden hier als synonym verwendet und es wird keine effektive Differenzierung vorgenommen, da sie sich gegenseitig nicht unbedingt ausschließen. Dazu: Vgl. Werner ARNOLD, Der Fürst als Büchersammler. Die Hofbibliothek in der Zeit der Aufklärung, in: Ders. (Hg.), Bibliotheken und Aufklärung, 40. 180 Vgl. BUZÁS, Deutsche Bibliotheksgeschichte der Neuzeit, 16f. 181 ARNOLD, Der Fürst als Büchersammler, 50. 182 Vgl. ARNOLD, Fürstenbibliotheken, 398. 183 Vgl. ARNOLD, Der Fürst als Büchersammler, 50. 184 ARNOLD, Der Fürst als Büchersammler, 51. 38

Bibliotheken zu ermöglichen, sondern auch um seine Idealvorstellung von solch einer 185 Bibliothek zu ‚verwörtlichen‘. Diese Kriterien, von CONRING als Admiranda bezeichnet, beziehen sich sowohl auf „Gründung und Aufbau unter aktiver Teilnahme eines Fürsten“ und „Errichtung innerhalb eines Menschenlebens“, als auch auf „intensive Sammeltätigkeit in ganz Europa“, die „Größe der Bibliothek“ und den „Wert des Bestands“, sowie den barocken „Bau eines Bibliotheksaales“,186 und fanden zeitgenössisch wie auch zu späterer Zeit eine rege Rezeption. Bibliotheken, die diesen Admiranda entsprachen waren im deutschen Sprachraum unter anderem die Wiener Hofbibliothek und die Münchner Hofbibliothek und die schon erwähnte Wolfenbütteler Augusta. Alle drei hatten nicht nur umfassendste Bestände und eine stetige Bestandsvermehrung aufzuweisen, sondern auch berühmte, gelehrte Bibliothekare in ihrem Dienst.

Das 17. Jahrhundert war für Privatbibliotheken ein florierendes Jahrhundert. In den westeuropäischen Ländern, die nicht Austragungsort kriegerischer Handlungen waren, hatte eine Art Konkurrenz unter den adligen, höfischen und bürgerlichen Bibliotheken geherrscht, sodass „die bürgerlichen Gelehrten vielfältige Möglichkeiten für ihr Auskommen hatten“. Jedoch in den geographischen Räumen, die vom Dreißigjährigen Krieg betroffen waren, fanden die Gelehrten beinahe nur an den Höfen die Möglichkeit der intellektuellen Tätigkeit, da „praktisch alle Hochschulen als landesherrliche Anstalten gestiftet worden waren“; sprich: „Jenseits der Sphäre des „Landes“ gab es in Deutschland keinen Raum für intellektuelle Entfaltung“.187 Das hatte auch zur Folge, dass die Bibliotheken in den vom Krieg verschonten Ländern schon dimensional größer und umfangreicher angelegt waren, als es zu der gleichen Zeit im deutschen Sprachraum der Fall war. Als herausragende Beispiele barocker Privatbibliotheken, die die gleichen oder weit größere Dimensionen als die Hofbibliotheken angenommen hatten, seien genannt die Bibliotheca Bodleiana der Universität von Oxford, als auch die Bibliothèque Mazarine, die von Kardinal und Minister Jules

MAZARIN (1602-1661) gestiftet und 1691 der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wurde, und die Ambrosiana in Mailand (eingerichtet 1602), die nach dem Kirchenvater AMBROSIUS von Mailand benannt wurde. All diesen großen Hof- und Privatbibliotheken war es gemein, dass

185 Vgl. ARNOLD, Fürstenbibliotheken, 399. 186 Hermann Conring, De Bibliotheca Augusta (…), Hemestadii 1661, 50-147. Zitiert nach ARNOLD, Fürstenbibliotheken, 399. 187 JOCHUM, Am Ende der Sammlung, 277. 39

ein möglicher ‚öffentlicher‘ Zugang angestrebt wurde, sozusagen von „privaten zu gemeinnützigen Einrichtungen“188.

Bei Fürstenbibliotheken und umfangreichen, angesehenen Privatbibliotheken war es üblich, sich gelehrte Bibliothekare zu suchen, der Bestandspflege und des Ansehens wegen. Bevor nun aber auf Bücherbestände in Bibliotheken theoretisch eingegangen wird, muss grundsätzlich festgehalten werden, dass Zweck und Umfang, besonders aber der Inhalt durch den Typ der jeweiligen Bibliothek bestimmt wurden. Dies hatte nicht nur mit geistesgeschichtlichen Faktoren zu tun, sondern auch mit finanziellen bzw. materiellen Möglichkeiten des jeweiligen Sammlungsinhabers, denn „Bibliotheken dürfen schließlich nie isoliert gesehen werden“189. Der Verantwortliche bestimmte durch die Ausrichtung das Wesen und die Beschaffenheit einer jeweiligen Bibliothek.

Der barocken Universalität folgend sollten die Bücher in höflichen und fürstlichen Sammlungen zahlreich und vielfältig sein. Ein besonderes Anschaffungskriterium stellte hierbei die Novität der Werke dar. Dieses „für fürstliche Buchbestände so häufig zu konstatierende Sammeln von neu auf den Markt gekommenen Prachtausgaben“190 sollte den Wert der Sammlungen steigern. Bestandsvermehrung konnte in diesem Fall aber auch anders als durch offiziellen Ankauf vonstattengehen. Als Beispiel sei die Wiener Hofbibliothek genannt, in der jeweils ein Exemplar eines Buchs abgegeben werden musste, das mit kaiserlichem Privileg gedruckt worden war.191 Neben Büchern war es außerdem üblich, seine Sammlung mit diversen Gegenständen zu vervollständigen, dem barocken Zeitgeist entsprechend:

„Und statt jener Vergoldung & Verzierung können deren Stelle mathematische Instrumente, Globen, Weltkarten, Himmelskugeln, Gemälde, Tiere, Steine & andere Merkwürdigkeiten aus den Reichen der Kunst & der Natur einnehmen, die sich gewöhnlich von Zeit zu Zeit ansammeln & gewissermaßen von selbst & unentgeltlich.“192

Wie schon im ersten Kapitel angesprochen, gehörten diese Kuriositäten, wie „Artificalia, Naturalia und Scientifica bis weit ins 18. Jahrhundert zu den Sammlungsinteressen des

188 BUZÁS, Deutsche Bibliotheksgeschichte der Neuzeit, 16. 189 PLETICHA, Adel und Buch, 4. 190 ADAM, Privatbibliotheken im 17. und 18. Jahrhundert, 150. 191 Vgl. Alois KISSER / Josef STUMMVOLL, Die Hofbibliothek. Geschichte der Österreichischen Nationalbibliothek (1368 - 1922), Erster Teil, Wien 1968, 115. 192 Gabriel Naudé, Advis pour dresser une bibliothèque, 1627. Zitiert nach: SCHNEIDER, Bibliotheken als Ordnung des Wissens, 146. 40

Bücherliebhabers, wie auch umgekehrt eine Bibliothek fester Bestandteil jeder bedeutenden Kunstkammer war“193.

Bei Privatbibliotheken im weiteren Sinn spielte die Individualität des Sammlers und des Sammelns eine große Rolle, wohingegen bei der Gelehrtenbibliothek, eine weitere Ausformung der Privatbibliothek, die grundlegenden Wissensprogramme der Zeit von Bedeutung waren. Eine Bibliothek stellte im 17. Jahrhundert nun einmal das Rüstzeug194 dar, das „unentbehrliche Arbeitsinstrument eines Gelehrten, solange die Büchergelehrsamkeit die 195 wichtigste Form wissenschaftlicher Tätigkeit war“ . Die Bibliothek von Hermann CONRING, die Bibliotheca Conringiana, galt nicht nur wegen ihres universalen, polyhistorischen Bücherbestands als musterbeispielhafte Büchersammlung eines Gelehrten des 17. Jahrhunderts, sondern auch wegen ihrer bezeichnenden Proportionierung der Sprachanteile: fast alle gesammelten Bücher waren in lateinischer Sprache, die absolute Sprache der res publica litteraria.196 Im Gegensatz zu den Fürstenbibliotheken spielte die Aktualität der Werke bei Gelehrtenbibliotheken keine tragende Rolle in der Anschaffung. Viel wichtiger war die Notwendigkeit bzw. Nützlichkeit für das eigene gelehrte Studium,197 da gerade im 17. Jahrhundert die Unterstützung durch Universitätsbibliotheken wegen deren geringen und nicht so wertvollen Bestands kaum gegeben war.198 Hatten jene noch am Ende des Mittelalters eine herausfordernde Stellung konkurrierend mit den Klosterbibliotheken, so beeinträchtige und hemmte gar die theologische Zensur der Reformation und Gegenreformation nicht nur die Bestandsbildung, sondern auch die Professorentätigkeiten.199 Demgemäß spielten sie im 17. Jahrhundert neben den großen und kleinen Privat-, Hof- sowie den wiedererstarkenden Klosterbibliotheken derweil keine entsprechende Rolle. Der zeitgenössische Grund dafür lag einerseits an einer unsicheren und ungenügenden Finanzierungsform durch Stiftungen, weswegen den Universitäten die finanzielle Basis fehlte für eine regelmäßige und planmäßige

193 SCHNEIDER, Bibliotheken als Ordnung des Wissens, 146. 194 ADAM, Privatbibliotheken im 17. und 18. Jahrhundert, 149. 195 Paul RAABE, Die Bibliotheca Conringiana. Beschreibung einer Gelehrtenbibliothek des 17. Jahrhunderts, in: DERS. (Hg.), Tradition und Innovation. Studien und Anmerkungen zur Bibliotheksgeschichte, Frankfurt am Main 2013, 48. 196 Vgl. ADAM, Privatbibliotheken im 17. und 18. Jahrhundert, 149. 197 Vgl. RAABE, Die Bibliotheca Conringiana, 54. 198 Vgl. Michael KNOCHE, Universitätsbibliotheken, in: ARNOLD / DITTRICH / ZELLER (Hg.), Die Erforschung der Buch- und Bibliotheksgeschichte in Deutschland, 420. 199 Vgl. BUZÁS, Deutsche Bibliotheksgeschichte der Neuzeit, 32f. 41

Vermehrung des Bestandes.200 Andererseits hing es auch mit ihrer aufgefassten Funktion „als Zierde und Ergänzung zu den Privatbibliotheken der Professoren“201 zusammen.

Das buchstäblich lateinische Sprachmonopol betreffend kam es jedoch im Verlauf des frühen 18. Jahrhunderts allgemein zu einem langsamen, aber stetigen Zurückgehen des Lateins in den Schriften und einem stärkeren Aufkommen von Nationalsprachen, das durch die Schriften der Frühaufklärung und an deren Ideen orientierend beeinflusst wurde.202 Und auch in Bezug auf die universale Ausrichtung einer Bibliothek wurde im 18. Jahrhundert aufgrund einer veränderten Gelehrsamkeitsauffassung das Vorbild des barocken Polyhistors aufgegeben, das schlussendlich zu einer fach- und themenbezogenen Spezialisierung der Bibliotheken und ihrer Bestände führte und der universale Charakter verloren ging. Grund dafür war unter 203 anderem „der universale Anspruch des Registrierens allen Wissens“ , den CONRING und

NAUDÉ ja vehement vertreten haben, der in den Büchersammlungen nicht mehr ein- bzw. nachgeholt werden konnte.204

Durch die geistigen Anregungen des Humanismus und der Reformation veränderte und erweiterte sich auch die Bildungswelt des Adels im deutschen Sprachraum,205 die sich auf dessen Bibliotheken auswirkte, denn jene „Bildungswelt spiegelt sich im Bücherbesitz des Adels wider.“206 Aber auch die fürstlichen Bibliotheken regten den Adel zur Nachahmung an.207 Die Grundstruktur des adeligen Buchbesitzes blieb vom 15. bis zum 17. Jahrhundert mit vereinzelten Ausnahmen gleich, der meistens aus einer Bibel, deutschen Psaltern, deutschen Evangelien und Epistelbüchern, diversen Predigtsammlungen, erbaulichen Traktaten, Gebets- und Liederbüchern, Gedichten der Hof- und Volkspoesie, Landrechts- und Lehnrechtsbüchern und einem Haus- und Arzneibuch sowie Pferde- und Jagdbuch bestand. Im Laufe der Zeit die aufbewahrte Autorenschaft änderte, wobei Cicero, Petrarca und Erasmus von Rotterdam als die meist verbreiteten Autoren in adeligen Büchersammlungen galten.208

200 Vgl. BUZÁS, Deutsche Bibliotheksgeschichte der Neuzeit, 35. 201 BUZÁS, Deutsche Bibliotheksgeschichte der Neuzeit, 36. 202 Vgl. ADAM, Privatbibliotheken im 17. und 18. Jahrhundert, 149. 203 ADAM, Privatbibliotheken im 17. und 18. Jahrhundert, 150. 204 Vgl. ADAM, Privatbibliotheken im 17. und 18. Jahrhundert, 150. 205 Zu dem adeligen Bildungsweg: Otto BRUNNER, Adeliges Landleben und europäischer Geist. Leben und Werk Wolf Helmhards von Hohberg, 1612 - 1688, Salzburg 1949, 155ff. 206 BRUNNER, Österreichische Adelsbibliotheken, 286. 207 Vgl. BUZÁS, Deutsche Bibliotheksgeschichte der Neuzeit, 17. 208 Vgl. BRUNNER, Österreichische Adelsbibliotheken, 283f. u. 286. 42

2.2 Monastische Bibliotheken und das Religiöse

Während privatpersönliche Büchersammlungen einen jungen Bibliothekstypus darstellten, gehörten Klosterbibliotheken zu den beständigsten Büchersammlungen Europas. Grundsätzlich waren monastische Büchersammlungen während des Mittelalters bis in die frühe Neuzeit hinein nicht nur tragendes Element der Klosterkultur, sondern auch des Bibliothekswesens an sich,209 trotz der üblen Nachrede. Denn „spätmittelalterliche Kleriker und Mönche standen nicht im Rufe, große Liebhaber gelehrter Studien zu sein“210, weswegen es auch ein populäres Sprachbild der Humanistenzeit war, die Klosterbibliothek als Gefängnis anzusehen, „in dem unwissende und sorglose Mönche die wertvollen Handschriften, namentlich die der antiken Klassiker, eingesperrt hielten und verkommen ließen“211, wobei es sich dabei hauptsächlich um konfessionelle Polemik handelte. Jedoch trugen Pluralisierung und Expansion von Wissen allmählich zu einer zunehmenden „Säkularisierung von Wissen und Bildung“212 bei, wodurch die Wissensinhalte nicht mehr unbedingt in der kirchlichen und monastischen Bibliothekswelt gesucht wurden. Jedoch fruchteten diverse, das Klosterwesen betreffende, Reformierungsversuche, wobei auch die klösterlichen Bibliotheken davon profitierten, da eine Erneuerung der Studien und die intensivierte Hinwendung zur ‚res litteraria‘ einer solchen Sammlung unbedingt bedurfte. Unter anderem wurde nicht nur auf die Lektüre der kirchenväterlichen Schriften Wert gelegt, sondern auch auf die Kenntnis der Grammatik und das Studium der Heiligen Schrift.213 Bezüglich dessen ist besonders die Reformbewegung der Windesheimer Kongregation hervorzuheben, die sich auf das ursprüngliche Bestreben von Gert GROOTE (1340-1384) hin formierte. Er inspirierte unter anderem eine ‚Spiritualität‘, „die erstmals über die Klöster hinaus die Laienwelt ergriff und einen sehr persönlichen Frömmigkeitsstil formte“214, die unter dem Begriff devotio moderna

(„neue Frömmigkeit“) zusammengefasst wird. Johannes GERSON (1363-1429) und Thomas von KEMPEN (1380-1471) gehörten zu den wichtigsten Vertretern dieser reformierenden Bewegung im 14. Jahrhundert, deren „Geistigkeit parallel mit den Bestrebungen des

209 Vgl. SCHMID, "Religioni, scientiis, artibus dedicatum", 11f. 210 SCHREINER, Bücher, Bibliotheken und "gemeiner Nutzen" im Spätmittelalter und in der Frühneuzeit, 216. Weitere Auflistung von zeitgenössischen Annahmen und Aussagen bei SCHREINER auf den Seiten 217-220. 211 MILDE, Mittelalterliche Bibliotheken in der neueren Bibliotheksgeschichtsschreibung, 363. 212 JOCHUM, Am Ende der Sammlung, 274. 213 Vgl. SCHREINER, Bücher, Bibliotheken und "gemeiner Nutzen" im Spätmittelalter und in der Frühneuzeit, 220. 214 Floridus RÖHRIG, Die Augustiner-Chorherren in Österreich, in: DERS. (Hg.), Die bestehenden Stifte der Augustiner-Chorherren in Österreich, Südtirol und Polen, Klosterneuburg/Wien 1997, 18f. 43

Humanismus“215 ging. Diese Bewegung schlug sich jedoch nicht nur in einem neuen, frommen Verständnis nieder, sondern auch in einer wiedererwachten Büchersorge, die für die Umsetzung dieses „neuen Frömmigkeitsideals“ in die Realität des christlichen Lebens von großer Bedeutung war.216 Die Vertreter dieser Bewegung verfassten einige Werke, die einen festen Platz in den Klosterbibliotheken fanden, wobei KEMPENs „Nachfolge Christi“ (De imitatione Christi) wohl zu den bedeutendstes Werken der devotio moderna gehörte.

Die Hin- bzw. Rückwendung zum Schrifttum ließ das Buchwesen profitieren und setzte nun eine gut sortierte Bibliothek voraus. Denn kein minderer als KEMPEN war der Meinung,

„…die Bücher der Gelehrten sind die Schätze des Klerikers. (…) Denn ein Kleriker ohne heilige Bücher ist wie ein Soldat ohne Waffen. (…) Ähnlich ist ein Kloster oder eine Klerikergemeinschaft ohne heilige Bücher wie eine Küche ohne Töpfe, eine Tafel ohne Speisen, ein Brunnen ohne Wasser.“217

Als folgerichtig kann auch die Aussage von dem Benediktiner Johannes TRITHEMIUS (1462- 1516) angesehen werden, dass „die Bibliothek eines Klosters einen Gradmesser für die geistige und sittliche Verfassung eines Konventes darstelle“218. Jedoch hatte die Reformation auch Auswirkungen auf die Kloster- und Bibliothekslandschaft an sich, im Speziellen auch auf die katholischen Klosterbibliotheken, die speziell im protestantischen Europa ihre Rolle als Bildungszentrum verloren,219 und Säkularisationen in evangelischen Landesteilen, die wiederum den Aufbau protestantischer Bibliotheken ermöglichten,220 als auch aufständische Bauern mit darauffolgenden Klosterzerstörungen taten das ihre dazu.221 Dem Jesuitenorden (gegründet 1534) war es dagegen auf katholischer Seite möglich, gegenreformatorische Schritte zu übernehmen und umzusetzen. Außerdem gelang es den jesuitischen Kollegien durch deren philosophische als auch theologische Studien in den Wettbewerb mit Universitäten zu treten, was zu einer Art Bevormundung und darauffolgenden Rivalität

215 RÖHRIG, Die Augustiner-Chorherren in Österreich, 19. 216 Vgl. SCHREINER, Bücher, Bibliotheken und "gemeiner Nutzen" im Spätmittelalter und in der Frühneuzeit, 222. 217 Thomas von Kempen, Doctrinale iuvenum, cap. 3 und 7, in: Ders., Opera omnia, hg. von Michael Joseph Pohl, 7 Bde., Freiburg/Br. 1902-1922, Bd. 4, S. 184 und 189. Zitiert nach: Nikolaus STAUBACH, Von Deventer nach Windesheim – Buch und Bibliothek in der Frühzeit der Devotio moderna, in: Rainer A. MÜLLER (Hg.), Kloster und Bibliothek. Zur Geschichte des Bibliothekswesens der Augustiner-Chorherren in der Frühen Neuzeit, Paring 2000, 20. 218 De laude scriptorum, 19: „Ex bibliothecis facile monachorum disciplina cognoscitur, et quid student ex libris cito animadverti potest … volumina … dabunt testimonoium de actionibus.“ Zitiert nach: SCHREINER, Bücher, Bibliotheken und "gemeiner Nutzen" im Spätmittelalter und in der Frühneuzeit, 221. 219 6 Vgl. Joris VORSTIUS / Siegfried JOOST, Grundzüge der Bibliotheksgeschichte, Wiesbaden 1969, 29. 220 Vgl. BUZÁS, Deutsche Bibliotheksgeschichte der Neuzeit, 63. 221 2 Vgl. Richard MUMMENDEY, Von Büchern und Bibliotheken, Darmstadt 1964, 231. 44

gegenüber anderen Orden führte, da unter anderem die Bettelorden ihre führende Rolle nicht nur in der Theologie, sondern auch an den Universitäten verloren und nun nur mehr seelsorgerisch tätig waren, was jedoch zu deren eigenständigen Reform antrieb.222 Ein Grund für die führende Rolle der Jesuitenkollegien war die unumstößliche Bedeutung, die sie ihren jeweiligen Bibliotheken zukommen ließen, denn „(d)ie Jesuiten schätzten die Rolle der Bibliotheken in der Durchführung ihrer Aufgabe, der Erhaltung und Verbreitung des katholischen Glaubens“223. So sollte nicht nur jedes Kollegium eine eigene Bibliothek besitzen, wie die Studienordnung (Ratio atque institution studiorum) vorgab, sondern auch rational, fast radikal konsequent auf den Bestand geachtet werden, hinsichtlich dessen, „dass für deren Vermehrung durch Werke aktueller Autoren eine bestimmte, für andere Zwecke nicht verwendbare Summe ausgeworfen werden muss“224. Diese, den Bibliotheken zukommende Schlüsselfunktion unterstreicht die leicht überspitzte Aussage Petrus CANISIUS‘

(1521-1597): „Lieber ein Kollegium ohne eigene Kirche als ein Kollegium ohne eigene Bibliothek.“225

Natürlich, der Dreißigjährige Krieg brachte auch in klosterbibliothekarischer Hinsicht eine Zäsur mit sich, jedoch brach durch die Gegenreformation in der Zeit danach und während des Barock noch einmal eine glanzvolle Blütezeit der Klosterbibliotheken in den katholischen Territorien an, unter anderem auch orientierend an den prachtvollen Hofbibliotheken, die in dieser Epoche entstanden. Unterstrichen wurde jener Höhepunkt durch die architektonisch akzentuierten, klassischen und imposant-prunkvollen Barockbibliothekssäle, wie zum Beispiel in den Stiften Admont, St. Gallen und Melk, die in der Zeit durch Um- und Neubau entstanden.226 Die Forschung hat sich auch Gedanken zu den Gründen und zur Motivation dieser intensiven und ausgeschmückten, monastischen Bautätigkeit von Bibliothekssälen und ganzen Klosterkomplexen gemacht. Mehrere Zusammenhänge spielen bei deren Beurteilung

222 Als Beispiel kann die 1618 gegründete Benediktiner-Kongregation des im französischen Klosters St. Maur genannt werden, die durch dessen getätigten historischen Forschungen auch deutsche Klöster zur eigenständigen Forschung in gewisser Hinsicht antrieb und damit die Bibliotheks- und Archivpflege ungemein förderte. Hierzu: Vgl. BUZÁS, Deutsche Bibliotheksgeschichte der Neuzeit, 50f. 223 BUZÁS, Deutsche Bibliotheksgeschichte der Neuzeit, 59. 224 BUZÁS, Deutsche Bibliotheksgeschichte der Neuzeit, 59. 225 Beati Petri Canisii SJ Epistolae et acta, hrsg. Von O. Braunsberger, Freiburg 1905, Bd. 4, 337. Zitiert nach: SCHNEIDER, Bibliotheken als Ordnung des Wissens, 154; als auch SCHMID, "Religioni, scientiis, artibus dedicatum", 19. 226 Zu Werken über barocke Klosterbibliotheken mit einem kunstgeschichtlichen Ansatz siehe einerseits: Gert ADRIANI, Die Klosterbibliotheken des Spätbarock in Österreich und Süddeutschland. Ein Beitrag zur Bau- und Kunstgeschichte des 17. und 18. Jahrhundert, Graz 1935; andererseits Edgar LEHMANN, Die Bibliotheksräume der deutschen Klöster in der Zeit des Barock. 2 Bde., Berlin 1996. Anzumerken ist, dass LEHMANN jedoch auch nichtmonastische Bibliotheken außerhalb Deutschlands berücksichtigt. 45

eine Rolle, wie zum Beispiel politische, soziale und ökonomische Komponenten. Jost

LEMMERICH nennt als einen ausschlaggebenden Grund den generellen Wiederaufbau nach dem Dreißigjährigen Krieg,227 da in den 1670er Jahren eine allgemeine, unter anderem finanzielle Erholung von den Folgen des Großen Krieges einsetzte: „Wenn man bauen wollte, dann waren seit dem ausgehenden 17. und dem beginnenden 18. Jahrhundert in vielen 228 Klöstern die Mittel vorhanden“ . Damit hängen, nach Alois SCHMID, gleichzeitig ökonomische und soziale Motive zusammen, durch allgemeine Ankurbelung des Geldkreislaufes und durch Arbeitsbeschaffung. So tätigte der Fürstbischof von Bamberg und Würzburg Adam Friedrich von Seinsheim folgende Aussage: „Ich mues bauen, damit der Untertan Geld verdient“. Ob diese Ideenfolge, die gegen die „modischen Thesen“ zielt, „dass die wachsenden Kosten der intensivierten Bautätigkeit vor allem auf die Schultern ausgebeuteter Untertanen abgeladen worden seien“,229 zutreffend bzw. opportun ist, könnte wahrscheinlich beispielhaft bestätigt als auch widerlegt werden. Auch notwendige bauliche Erneuerungen mittelalterlicher Bauten wären als Motivation zu nennen, wobei dies „(d)as banalste, stereotyp bemühte Argument der Äbte und Pröpste war“230, da im Endeffekt die mittelalterlichen Bauten einfach nur aus dem zeitlichen Architekturgeschmack gekommen waren. Denn schlussendlich läuft es auf eines der wichtigsten Motive hinaus: das Repräsentationsbedürfnis. Beispielsweise wurde nämlich auch gebaut, wenn kein Geld vorhanden war, wie zum Beispiel im geistlichen Fürststift Kempten.231

Der räumlichen Komponente wird also, speziell im Barock, ein beträchtlicher Stellenwert zugeschrieben. Durch die Jahrhunderte der Frühen Neuzeit lassen sich nun nach SCHMID grundsätzlich drei monastische Raumtypen als Aufbewahrungsstandort von Büchern feststellen: das Bücherlager als nackter Funktionsraum, weiters ein zentraler, noch immer klein dimensionierter Raum und eben der, erst im späteren 17. Jahrhundert prachtvoll ausgestattete, Bücherraum orientiert am Typus des barocken Festsaals.232 Jedoch blieben

227 Vgl. LEMMERICH, Die künstlerische Ausstattung der Barockbibliotheken in Deutschland, 317. 228 „Dass die gravierendsten Folgen des großen Krieges in den siebziger Jahren des 17. Jahrhunderts in der Tat überwunden waren, dafür liefert die Barockbaukunst ein wichtiges Indiz.“ HERZOG / KIESSLING / ROECK, Zu den wirtschafts- und geistesgeschichtlichen Grundlagen des süddeutschen Klosterbarock. Einleitung der Herausgeber, 18. 229 SCHMID, ‚Es leben die Prälaten!‘ Der ‚Luxus‘ in Klöstern der Barockzeit, 156. 230 HERZOG / KIESSLING / ROECK, Zu den wirtschafts- und geistesgeschichtlichen Grundlagen des süddeutschen Klosterbarock, 22. 231 Vgl. Wolfgang PETZ, Ökonomie zwischen Krise und Reform: Das Fürststift Kempten zur Bauzeit von St. Lorenz und der Residenz, in: HERZOG/KIESSLING/ROECK (Hg.), Himmel auf Erden oder Teufelsbauwurm?, 233-260. 232 SCHMID, "Religioni, scientiis, artibus dedicatum", 14. 46

abgesehen von allem repräsentativen Pomp und Schaugepränge der barocken Bibliothekssäle und dessen ökonomischen Hintergründen auch die ursprünglicheren Zwecke bzw. der Nutzen einer Klosterbibliothek für die Konventualen erhalten: sie war immer noch ein religiöses Bildungsinstrument für die ansässigen Mönche. Auch wenn Klöster nach dem barocken Vorbild diverse Gemälde oder auch Raritäten sammelten,233 behielten stets Bücher die Überzahl, denn „die barocke Büchersammlung war (…) die wichtigste und mit größtem Aufwand betriebene der verschiedenen Sammlungen barocker Klöster“234. Generell lassen sich mehrere Gründe für die doch einsatzbereite Bibliothekspflege von einzelnen Klöstern finden. Neben dem eben schon erwähnten Repräsentationsbedürfnis handelte es sich auch einfach um das Selbstverständnis der Orden, eine größere Büchersammlung im Haus zu haben. Das betraf nicht nur die gewissenhafte Erfüllung des Auftrags des hl. Benedikts („ora et labora“), wobei das Buch dabei ein unentbehrliches Hilfsmittel darstellte. Zu diesem hilfsbewussten Status des Buches haben besonders die schon vorhin erwähnten frühneuzeitlichen Reformen beigetragen. Die klösterlichen Bibliotheken wurden natürlich auch für geistliche und geistige Aufgaben als auch für die persönliche Erbauung eingesetzt, weswegen laut den Ordensregeln in jedem Kloster eine Bibliothek sein sollte.235 Desweiteren stellte eine katholische Klosterbibliothek, besonders in der Zeit der Gegenreformation und speziell bei der Rekatholisierung in der Steiermark, auch ein Werkzeug gegen die protestantische Welt dar, welche „Wissenschaft und Bildung in zunehmendem Ausmaß für sich“236 beanspruchte. Dabei bediente man sich einer weiteren Aussage von

Johannes TRITHEMIUS: „Bücher sind die Waffen, deren die Kirche sich im Kampf gegen die Irrgläubigen bedient“237. Aber auch für die, besonders erst in der Aufklärung aufkommende und vorhin schon erwähnte, allgemeine Wissenschaftspflege und zur Förderung der Wissenschaft und Bildung diente eine solche Bibliothek. Jedoch der leitende Grundgedanke, der alle anderen Gründe wie monastische Ziele oder Repräsentationszweck als auch

233 Vgl. Georg SCHROTT, Klösterliche Sammelpraxis in der Frühen Neuzeit. Typologie, Geschichte, Funktionen und Deutungen, in: Georg SCHROTT / Manfred KNEDLIK (Hg.), Klösterliche Sammelpraxis in der Frühen Neuzeit, Nordhausen 2010, 7–71. 234 Alois SCHMID, Die Rolle der bayerischen Klosterbibliotheken im wissenschaftlichen Leben des 17. und 18. Jahrhundert, in: Paul RAABE (Hg.), Öffentliche und Private Bibliotheken im 17. und 18. Jahrhundert. Raritätenkammern, Forschungsinstrumente oder Bildungsstätten? Bremen 1977, 168. 235 Vgl. SCHMID, "Religioni, scientiis, artibus dedicatum", 33. Zu den Ordensregeln weiters: Georg FENNRICH, Das Bibliothekswesen in den verschiedenen Ordensregeln, in: Mitteilungsblatt der Arbeitsgemeinschaft Katholisch-Theologischer Bibliotheken 15 (1867/68), 37–44. 236 SCHMID, "Religioni, scientiis, artibus dedicatum", 34. 237 „Arma enim, quibus se contra haereticos miniat, libri sunt.“ Johannes Trithemius, De laude scriptorum – Zum Lobe der Schreiber, hrsg. v. Klaus Arnold, Würzburg 1973, cap. XV, 92-93. Zitiert nach: SCHMID, "Religioni, scientiis, artibus dedicatum", 34. 47

Forschungsanspruch einer monastischen Bibliothek zurückstellt, ist ein religiöser. Jegliche Anstrengungen eine Klosterbibliothek anzuschaffen und zu erhalten laufen schlussendlich auf den Grundgedanken zurück, dass „die Büchersammlung als entscheidendes Hilfsmittel zur Erkenntnis der Welt und zur Beförderung der Erkenntnis Gottes“238 dienen sollte. Denn auch wenn sich die barocke Klosterbibliothek langsam den Charakter eines Forschungsinstruments aneignete, so hatte „die Wissenschaft (…) allein die Aufgabe, Wegweiser zum Glauben zu sein, die Frömmigkeit zu bestärken“239. Und dies spiegelte sich letztendlich auch im Bestand der jeweiligen Klosterbibliothek wider.

Die Klosterbibliotheken betreffend lag der Schwerpunkt der Sammlung natürlich auf theologischen Büchern und religiösen Schriften. „Die Klosterbibliothek ist aus dem Vorrat sakraler Bücher entstanden“, denn „(d)as Wort Gottes sollte beständig zur Lektüre und zum Studieren greifbar sein“240. An dieser ursprünglichen Zweckbestimmung hat sich auch bis ins 17. Jahrhundert hinein nicht sehr viel geändert. Jedoch wurden auch Bücher aus anderen Disziplinen gesammelt. Das hatte unter anderem einerseits mit dem Wunsch nach Universalität zu tun, der, wie schon im vorherigen Kapitel angesprochen, im Barock sehr ausgeprägt war. Die Bibliothek sollte einer angestrebten Enzyklopädie gleichen, wie Konrad

GESSNER mit seiner Bibliotheca universalis. Andererseits hatte es wiederum mit dem monastischen Studium zu tun. Denn Johannes TRITHEMIUS war der Meinung:

„Alle wissenschaftlichen Bücher haben ihren Wert. (…) Auch die Werke weltlicher Autoren sind keinesfalls aus den Klosterbibliotheken zu verbannen. Denn ich glaube nicht, dass man die theologischen Texte ohne ihre Kenntnis vollkommen verstehen kann.“241

Als Beispiel sei hier auch das Kloster Rottenbuch zu nennen, das „die besten und neuesten Bücher, große und kleine Werke für alle Fächer beschaffte“242. Grundsätzlich wurden demnach die theologischen Bestände durch Werke aus der Jurisprudenz, Medizin, Mathematik, Astronomie und teilweise auch Alchemie erweitert.243 In diesem Zusammenhang gehörten auch manchmal ‚verbotene‘ Bücher zu einem monastischen Bestand, wie zum Beispiel Werke von protestantischen Verfassern. Das Kloster Amberg beispielsweise ging mit

238 SCHMID, "Religioni, scientiis, artibus dedicatum", 35. 239 SCHMID, Die Rolle der bayerischen Klosterbibliotheken, 171. 240 SCHMID, Die Rolle der bayerischen Klosterbibliotheken, 169. 241 Johannes Trithemius, De laude scriptorum – Zum Lobe der Schreiber, hrsg. v. Klaus Arnold, Würzburg 1973, 90-91. Zietiert nach: SCHMID, "Religioni, scientiis, artibus dedicatum", 25. 242 SCHMID, "Religioni, scientiis, artibus dedicatum", 25. 243 Vgl. SCHNEIDER, Bibliotheken als Ordnung des Wissens, 154. 48

solchen ‚libri haeretici‘, oder auch ‚libri prohibiti‘ genannt, dergleichen um, dass jene keine Aufnahme in den Bestandskatalog fanden und desweiteren auch eine separierte Aufstellung in einem gesonderten Raum, abseits von den anderen Büchern fanden.244 Auch im Kloster Polling sind solche ‚libri prohibiti‘ nicht in den Katalog aufgenommen worden.245 Diese Bücher stellten einen wichtigen Teil der Auseinandersetzung mit dem protestantischen Glauben dar. Um jegliche rationale Argumentation gegen den protestantischen Glauben und seine Vertreter bilden zu können, war es nun einmal notwendig, Kenntnis von den Argumenten der ‚gegnerischen‘ Fraktion zu haben, um die Chance zu wahren, dieser etwas entgegensetzen zu können. Im 18. Jahrhundert schrieb David KÖHLER:

„Libri Prohibiti sind in den Bibliothecken gemeinglich auf die Seite gestellet. (…) Man behält in Bibliothecken die Libros prohibitos, so wie in den Apothecken die stärcksten Gifte, zu einem guten Gebrauch auf. Man hat nach den heiteren Zeiten der Reformation wahrgenommen, daß auch die ärgste und verderblichste Bücher gewisser massen Nutzen schaffen können.“246

Hinsichtlich dessen stellten Klosterbibliotheken auch ‚konfessionelle Begegnungsstätten‘ dar, nicht nur wegen dem Wegsperren und dem Nicht-Vernichten missliebiger Literatur, sondern auch, weil sie manchmal als Treffpunkt der unterschiedlichen Konfessionen dienten, wie zum Beispiel das Benediktinerkloster St. Emmeram in Regensburg, in dem sich des Öfteren Gelehrte von beiden Konfessionen gemeinsam trafen.247

2.2.1 Der Bestand des Augustiner-Chorherrenstifts Pöllau

Aufgrund der vorhergegangenen Überlegungen soll nun der Bücherbestand der Pöllauer Stiftsbibliothek in Augenschein genommen werden, um feststellen zu können, ob dieser eine ‚auserlesenen‘ monastischen Sammlung entsprach. Der erste Nachweis von der Existenz einer Klosterbibliothek in Pöllau kommt aus 1600 und betrifft ein Nachlassinventar, dass nach dem Tod des Propstes Peter Muchitsch aufgenommen wurde.248 Darin ist die Rede von „allerley

244 Vgl. Christine PASCHEN, Der Umgang mit verbotener Literatur in der Amberger Jesuitenbibliothek, in: Ernst TREMP (Hg.), Klosterbibliotheken in der Frühen Neuzeit. Süddeutschland, Österreich, Schweiz. Wiesbaden 2012, 271f. 245 Vgl. Alois SCHMID, Klosterhumanismus im Augustiner-Chorherrenstift Polling, in: Rainer A. MÜLLER (Hg.), Kloster und Bibliothek. Zur Geschichte des Bibliothekswesens der Augustiner-Chorherren in der Frühen Neuzeit, Paring 2000, 101. 246 David Köhler, Anweisung für Reisende Gelehrte (…), Frankfurt/M./Leipzig 1762, 45f. Zitiert nach: SCHNEIDER, Bibliotheken als Ordnung des Wissens, 161. 247 Vgl. SCHMID, "Religioni, scientiis, artibus dedicatum", 32. 248 Steierm. LA, Sonderarchiv Stift Pöllau, Schuber 6, Heft 16: Verlassinventare. Vgl. HUTZ, Archiv und Bibliothek des einstigen Chorherrenstiftes Pöllau, 121. 49

Püecher“ an drei verschiedenen Orten im Stift, wobei dezidiert der dritte als „Inn der Liberej“ angegeben wird. Sogar noch 1689 „gab es keine ordentliche Bibliothek“, wie der damals eingetretene Propst Johann Ortenhofen selbst aufgeschrieben haben soll, wobei sich diese Aussage auf die alte Kammer mit einem einzigen Fenster beziehen soll, in der die Bücher damals noch untergebracht waren.249 Jedoch kommt es am Ende des 17. Jahrhunderts, genauer von 1690-1698, zu einem Umbau des gesamten Stiftsgebäudes, einschließlich der Bibliothek, woraufhin ein prachtvoller Bibliothekssaal erbaut wird, der unter anderem mit Deckenfresken und Stuckverzierungen geschmückt ist:250 „Mit den in diesem Saal einst aufgestellten Bücherschränken lag ein repräsentativer Bibliothekssaal vor, der den Vergleich mit anderen nicht zu scheuen brauchte“251.

Die Angaben über die aufgestellt im neugebauten Barockbibliothekssaals gewesenen

Bücherkästen widersprechen sich jedoch: HUTZ schreibt von einem vom Aufhebungskommissar Wolfgang von Stubenberg aufgenommenen End-Inventar vom Juli im Jahre 1785 (ohne aber jene Inventar-Quelle mit einem Quellenvermerk für die Lesenden bzw. Forschenden zu versehen), welches „10 fournirte Bücher-Kasten mit vergöldten Zierathen 252 und Kirchen Lehrer“ verzeichnete. WEISSOFNER hingegen spricht von einem Archivschreiben aus dem Jahre 1786, in dem es lautet: „die in dem Büchersaale des aufgehobenen Stifts Pöllau stehenden 8 große Kästen und 4 kleinen Seitenkästen“.253 Fakt ist jedoch: „Keiner der hier einst aufgestellten Bücherschränke blieb erhalten wie überhaupt das einst auf ihnen abgestellte Buchgut zur Gänze verloren ging und sich die Pöllauer Bibliothek mit der Stiftsaufhebung förmlich ins Nichts auflöste.“254

Durch das Auffinden eines Pöllauer Bücherverzeichnisses ist es jedoch gegenwärtig möglich, den Bestand der Stiftsbibliothek unter thematischen Gesichtspunkten zu beschreiben. Denn in den erwähnten Bücherkästen dürften nun die Bücher der Autoren gestanden haben, die im Bibliotheksverzeichnis Index omnium librorum existentium in Monasterio Pellensi vermerkt sind. Insgesamt sind ca. 350 Eintragungen, klar abgetrennt voneinander, auf 15 Blatt

249 „Als Ortenhofen in Pöllau eintrat, gab es, wie er selber schreibt, keine saubere Kirche. Keine ordentliche Bibliothek. In einer alten Kammer mit einem einzigen Fenster waren die Bücher untergebracht.“ Johann KÖHLDORFER, Besitzgeschichte des Augustiner-Chorherrenstiftes Pöllau in der Oststeiermark, 1984, 128. 250 Vgl. HUTZ, Archiv und Bibliothek des einstigen Chorherrenstiftes Pöllau, 122. 251 HUTZ, Archiv und Bibliothek des einstigen Chorherrenstiftes Pöllau, 122. 252 HUTZ, Pöllau, 227. 253 UB Schuber 1786-95, Faszikel 1, 19162. Zitiert nach: WEISSOFNER, Die Bibliotheken der unter Josef II. und Franz II. (I.) aufgehobenen Klöster, 25. 254 HUTZ, Pöllau, 227. 50

vorhanden. Hinsichtlich dessen ist anzumerken, dass Autoren mehrmals mit mehreren Schriften genannt sind und nicht unweigerlich untereinander, also in einer Reihenfolge aufgelistet sein müssen, sondern teilweise unbestimmt bzw. wahllos in dem Abschnitt des jeweiligen Buchstabens dieses alphabetischen Autorenkatalogs verzeichnet sind. Die alphabetisch geordneten Buchstaben als Unterteilungsmerkmal belaufen sich auf: A, B, C, D, E, F, G, H, I/J, L, M, N, P, Q (jedoch ohne eine Eintragung), R, S, T, U/V. Auch ist es möglich, dass ein Autor in zwei Buchstabenkategorien aufgelistet ist, wie es zum Beispiel bei dem Kontroverstheologen Johannes ECK der Fall ist (unter E und I/J). Da es sich, wie schon im ersten Kapitel erwähnt, um eine alphabetische Verzeichnung mit der Angabe des Autorennamen im Genitiv und eines stark verkürzten Titels handelt, und keine weiteren Angaben zu einem Erscheinungs- oder auch Ankaufsjahr bzw. Erscheinungsort, oder gar die Größe des verzeichneten Werkes, eingetragen wurden,255 lassen sich zwei Sachverhalte nicht entschlüsseln: Einerseits kann keine Auskunft über die Beschaffenheit der Werke gegeben werden, hinsichtlich dessen, ob es sich um gedruckte Bücher oder um Manuskripte handelt. Andererseits fehlt jeglicher Anhaltspunkt für eine zeitgenössische, systematische Bestandsaufstellung. Aus diesem Grund wurde eine Bestandsanalyse unter fachlichen sowie gattungsspezifischen Gesichtspunkten vorgenommen, indem die identifizierten Autoren der Thematik ihrer verfassten Werke oder auch ihres allgemeinen ‚literarischen‘ Schaffens nach kategorisiert wurden.

Grundsätzlich ist zu sagen, dass der Pöllauer Bestand widererwartend vielseitig und ausdifferenziert war. Bislang ist es möglich gewesen ca. 115 Autoren und 170 Werke von 250 verzeichneten Autoren zu identifizieren und zu verifizieren, wobei wie schon vorhin erwähnt diverse Autoren auch wegen mehrfacher Schriften öfters verzeichnet wurden. Die umfangreichste Gattung stellen religiöse und theologische Schriften dar, die unter der Fachgruppe der Theologica zusammenzufassen sind. Allen voran wäre „das übliche 256 Schrifttum der Augustiner-Chorherren“ zu nennen, wie die Schriften von AUGUSTINUS

(insgesamt 10 Werke) und des großen Ordensvorbilds Thomas von KEMPEN mit dem devoten

Standardwerk De imitatione Christi, sowie des Ordensgründers Bernhard VON CLAIRVAUX und Thomas von AQUIN, mit acht Schriften. Dazu gehören auch Schriften von Kirchenvätern, gleichsam jene von Gregor VON NAZIANZ, HIERONYMUS (9 Werke), KYRILL von Alexandria,

255 Als Beispiel sei hier der Cathalogus der von dem aufgelösten Kartäußerstift zu Seitz an die hiertortig K.K. Bibliothek übergebenen Bücher, Nr. 4, der nicht nur Erscheinungsort und -jahr verzeichnet hat, sondern auch jeweils die Größe der Werke und, wenn es sich um eine Handschrift handelt, die Angabe (manus)scriptum statt des Druckjahres. (Stmk. Landesarchiv, Zl.R.K 204 A 1-3, 1782.) 256 SCHMID, Klosterhumanismus im Augustiner-Chorherrenstift Polling, 97. 51

JOHANNES von Damaskus, und dem antiken Theologen Johannes CASSIANUS. Auch die großen Scholastiker ALBERTUS der Große (Magnus), BONAVENTURA, Petrus LOMBARDUS und

Anselm VON CANTERBURY (Anselmus Cantuariensis), mit dessen epochemachender Schrift Cur deus homo (Warum wurde Gott Mensch), der unter anderem damit als Vertreter der Satisfaktionslehre (Erlösungslehre) gilt und als einer der Begründer der Scholastik angesehen 257 wird, als auch DIONYSIUS der Kartäuser mit vier spätscholastischen Werken. Ganz im Gegenteil zum bayrischen Kloster Polling sind in Pöllau die großen altgläubigen 258 Theologen, wie Johannes GERSON mit acht Werken und Jacobus FABER STAPULENSIS mit immerhin drei Werken vertreten. Dazu gesellen sich auch Gabriel BIEL mit vier, Antonius

VON FLORENZ mit neun, als auch Johannes NIDER mit einem und Johannes ECK mit sechs aufgelisteten Schriften. Letzterer verweist gleichsam auf die umfangreichste Kategorie, die die kontroverstheologische Literatur bildet. Neben dem schon erwähnten ECK, der als einer der vehementesten Gegner Martin Luthers bekannt war, sind sowohl Hieronymus EMSER,

Jodocus CLICHTOVE, dessen Lehrer der schon erwähnte Jacobus F. STAPULENSIS war, der selbst auch kontroverstheologische Schriften verfasste, als auch Petrus CANISIUS, ein Freund 259 von Stanislaus HOSIUS, der wiederum als „Säule der Kirche“ bezeichnet wurde und mit einem Predigtbuch verzeichnet ist, zu nennen. Auch Johannes FABRI (Heigerlein) und Georg

EDER, die beide jeweils einen Malleus Haereticorum verfasst haben (wobei in Pöllau keiner aufscheint) und Georg SCHERER, Georg WICELIUS (Witzel) und Johannes HOFMEISTER, mit fünf Schriften, sind im Pöllauer Katalog verzeichnet, als auch Johannes NAS (Nasus), der einer „der aktivsten konfessionellen Polemiker“260 war. Ebenfalls findet sich der englische

Kontroverstheologe Thomas STAPLETON (Stapletonus) im Verzeichnis, der nach der Thronbesteigung von Elizabeth I. England verließ und nach Löwen (Louvain) floh,261 sowie

Robert BELLARMINUS und Martin BECANUS, die zu den bekanntesten Kontroverstheologen der Gegenreformation zählten, ebenso wie Jakob FEUCHT (Feichtius), der mit sechs Werken vertreten ist. Reformatorische Autoren bzw. Schriften, die wahrscheinlich zu den libri prohibiti gehört hätten, fehlen zur Gänze, wobei die Schriften von Jodocus TRUTFETTER

257 Vgl. Stephan SCHAEDE, Stellvertretung. Begriffsgeschichtliche Studien zur Soteriologie, Tübingen 2004, 274. 258 Wichtig hinzuzufügen ist, dass das Kloster Polling zu seiner Blütezeit Mitte des 18. Jahrhunderts um die 80 000 Bände vorzuweisen hatte, wobei Johannes Gerson, der in Pöllau mit 8 Werken vertreten ist, in Polling unglaublicherweise fehlen soll. Vgl. SCHMID, Klosterhumanismus im Augustiner-Chorherrenstift Polling, 97. 259 ZEDLER, Großes vollständiges Universal-Lexikon, Band 13, Sp. 967. 260 Siegfried BRÄUER, Protestierende – Protestanten. Zu den Anfängen eines geschichtlichen Grundbegriffs im 16. Jahrhundert, in: Erich DONNERT (Hg.), Europa in der frühen Neuzeit. Mittel-, Nord- und Osteuropa. Festschrift für Günter Mühlpfordt, Köln (u.a.) 2002, 107. 261 Vgl. Karl Mühlek, BBKL, Band XVII (2000) Sp. 1327-1329. 52

262 (Eisenach), einem Lehrer Martin Luthers in Erfurt, und Peter ULNER, einem protestantischen Abt, vorhanden sind. Zu diesen Theologica gehören noch diverse andere

Schriften, so die Bibelkommentare THEOPHYLACTUS Achridensis, Cornelius A LAPIDE,

Johannes HENTENIUS, Johannes DE CARTHAGENA und KARDINAL HUGO von Saint-Cher (de Sancto Caro), einem diplomatischen Berater von Papst Gregor IX. und sehr einflussreichen, mittelalterlichen Kommentator, mit sechs verzeichneten Schriften. Sowohl Postillen von

Wilhelm von Paris (Guilelmus PARISIENSIS), Nicolaus VON LYRA (mit 12 Einträgen), Anton

VON KÖNIGSTEIN und Martin EISENGREIN, ein Protestant, der zum Katholizismus 263 konvertierte, als auch Predigten bzw. Homilien von Antonius VON PADUA, Bernardinus DE

BUSTIS mit acht Schriften, Leonhart VON UTINO, MEFFRETH, Johannes GEILER von

Kaysersberg und Georgius MORGENSTERN reihen sich hier ein. Diverse weitere religiöse Schriften, die nicht unbedingt einer Unterkategorie zugeordnet werden konnten, stammen unter anderem von Gregor von NYSSA, einem guten Freund von Gregor von Nazianz,

ASTEXANUS, Petrus ALPHONSUS, ein zum Christentum konvertierter Jude, Hugo RIPELIN von Straßburg, mit seinem Compendium Theologicae veritatis, ein Handbuch für religiöse Gebrauchsliteratur, das eine phänomenal große Verbreitung im Mittelalter und der 264 beginnenden Neuzeit fand, Felix HEMMERLIN, Johannes GRITSCH, Franciscus BURCHARD,

Friedrich NAUSEA (8 Werke), einem Wiener Bischof, Franciscus TOLETUS und John DURY (Johannes Duraeus), einem schottischen Theologen. Auch das Heiligenbuch Bavaria sancta des Matthäus RADER ist aufgelistet, das einen Abriss über die Heiligen des Landes Bayern lieferte.

Grundsätzlich lässt nun dieser Inhalt an zahlenmäßig umfangreichen, theologischen Schriften auf eine monastische Büchersammlung schließen, die ganz im Zeichen der Tradition der devotio moderna stand. Die kontroverstheologische Literatur unterstreicht daneben gleichzeitig einen erzkatholisch, gegenreformatorischen Charakter, der, in Anbetracht des Gründungsjahres 1504, durch die darauffolgenden konfessionellen Umwälzungen in der

Steiermark erklärt werden kann, auch wenn Pöllau, da sind sich AMON und HUTZ einig, nicht erschütternd von der Reformation betroffen war, wie es im Stift Vorau der Fall war.265

262 Vgl. ZEDLER, Großes vollständiges Universal-Lexikon, Band 45, Sp.1333. 263 Vgl. ZEDLER, Großes vollständiges Universal-Lexikon, Band 8, Sp. 624. 264 Vgl. Georg STEER, Hugo Ripelin von Strassburg. Zur Rezeptions- und Wirkungsgeschichte des "Compendium theologicae veritatis" im deutschen Spätmittelalter, Tübingen 1981, 13. 265 Vgl. AMON, Kirchengeschichte der Steiermark, 116; und HUTZ, Pöllau, 212. 53

Neben den theologischen Schriften sind recht zahlreiche antike Klassiker vorhanden. So sind nicht nur ARISTOTELES (4 Werke), Julius CAESAR und JUSTINIANUS (4 Werke), sondern auch

VERGIL Maro (Publius Virgilius Maro) mit seinem Aeneis-Epos und PLINIUS der Ältere vertreten. Auch sind die historischen Werke von FLAVIUS JOSEPHUS De bello Judaico, als auch Publius Cornelius TACITUS mit Ab Excessu Divi Augusti Teil der Aufzeichnung, sowie ein astronomisches Werk von Claudius PTOLEMÄUS und des Pomponius MELAs, das im Katalog unter Geographia(e) libri tres aufgeschrieben ist, wobei wahrscheinlich vielmehr sein Werk De chorographia libri tres gemeint sein könnte. Auch eine mittelalterliche

Einführungsschrift in die Logik (in universa logica) von Petrus HISPANUS und das

‚völkerkundliche‘ Hauptwerk von Johann BOEHME (Johannes Boemus) Omnium gentium mores, leges et ritus runden das vielseitige Pöllauer Buchbestandsbild mit ab. Desweiteren ist ein naturphilosophisches Werk des Franciscus TITELMANN vorhanden, der ein Kontrahent von

Erasmus von Rotterdam war, als auch ERASMUS von Rotterdam selbst, dessen Inhalt seiner drei aufgelisteten Werke jedoch theologischer Natur sind, denn humanistisch-philosophisch

Inhalts, und Petrus MOSELLANUS (Schade) mi seinem philologischen Werk oratio de variarum linguarum cognitione paranda. Alexander Piccolomineus (Alessandro Piccolomini) mit seinem astronomischen Werk De sphaera und Paul RITZ (Ricius), auch ein vom Judentum zum Christentum Konvertierter, mit einer philosophischen, neuplatonischen Schrift, sind mit einer Grammatik des Nikolaus PEROTTUS (Niccolo Perotti), einer Enzyklopädie von Petrus

Gregorius THOLOSANUS und einem Lexikon des Scholastikers ALANUS ab Insulis erfasst. Ein weiteres historisches Werk stellt das Standardwerk Annales Ecclesiastici von Caesar Baronius (Caesare Baronio) dar, „der zu Beginn des 17. Jahrhunderts die Kirchengeschichtsschreibung begründet hat“266. Diese aufgeführten Autoren weisen auf eine Sammlung hin, die augenscheinlich es beabsichtigte, thematisch breiter aufgestellt zu sein.

Den Abschluss dieses Bestands stellen die juridischen, im speziellen kirchenrechtlichen Schriften und Dekretalen dar. Dekretalen sind, wie der Name schon sagt, Sammlungen von päpstlichen Dekreten bzw. Papstbriefen, die oft rechtlicher Natur waren. Zu den wichtigsten und einflussreichsten solcher Sammlungen des mittelalterlichen Kirchenrechts gehören das

Decretum Gratiani des Kanonikers GRATIAN und die Dekretalen des Papst GREGOR IX., über die zahlreiche Kommentare verfasst wurden, nicht zuletzt, weil es den Konflikt des Papstes mit Kaiser FRIEDRICH II. zum markanten Inhalt hat und eine reformierte Kirchengesetzgebung

266 Stephan KELLNER, „…wir fanden einige der glänzendsten Ausgaben von berühmten Werken…“ – Die Bibliothek von St. Nikolai bei Passau am Ende des 18. Jahrhundert, in: Rainer A. MÜLLER (Hg.), Kloster und Bibliothek. Zur Geschichte des Bibliothekswesens der Augustiner-Chorherren in der Frühen Neuzeit, Paring 2000, 160. 54

wiedergibt. Beide Werke sind im Pöllauer Buchverzeichnis erfasst. Dazu weiters die

Kommentare von Johannes ANDREAE (Novella), einem Tübinger Theologen, ANTONIUS (de

Butrio) mit drei Werken und Antonius CORSETTI. Außerdem eine eherechtliche Schrift von

Antonius GUBERTUS und ein kirchenrechtliches Werk des Papsts CLEMENS V. Auch Ulrich

TENGLER ist mit seinem speculum Laiarum, seinem Laienspiegel vertreten, der zum Ziel hatte, rechtliche Inhalte in deutscher Sprache vereinfachend darzustellen.267

Wie sich nun anhand dieser Bestandsbeschreibung feststellen lässt, war die Pöllauer Chorherrenstiftsbibliothek zwar sehr überschaubar im Umfang, jedoch schlussendlich thematisch umfangreich aufgestellt. Insgesamt sind es nicht viele Werke, doch diese sind an Ausgewogenheit sowie an Bekanntheit ihrer Autoren, als auch der Werke selbst bemerkenswert, außerdem vor dem Hintergrund der doch eher geringen Anzahl an Klostermitgliedern (Höhepunkt in den 1770er Jahren mit 29 Kapitularen) sehr ansehnlich. Der Großteil der Schriften stammt aus dem 15. (ca. 25 Autoren) und 16. Jahrhundert (ca. 30 Autoren), ein geringfügiger Bruchteil noch aus dem 17. Jahrhundert (weniger als 5 Autoren), wobei das 18. Jahrhundert mit keinem Autor im Bestandsverzeichnis vertreten ist. Die religiöse Literatur nimmt den Hauptbestandteil ein, das wiederum ganz im Sinne einer klösterlichen Bibliothek ist, denn der Nutzen einer klösterlichen Büchersammlung sollte letztendlich ein religiöser sein, indem die Sammlung dem studierenden Mönch durch die Bereitstellung theologischer Schriften zu einer Beförderung der Erkenntnis Gottes verhelfen sollte.268 Diese religiöse Schriftensammlung in Pöllau weist dabei einen hohen Standard auf, da nicht nur die Standardwerke vorhanden waren. Auch die Kontroverstheologen sind zahlreich und namhaft vertreten. Ebenso die antiken Klassiker, sowie diverse zeitgenössisch populäre, kirchenrechtliche Texte sind präsent gewesen, als auch wenige einzigartige Werke, die im Bestand Ihresgleichen suchen, wie zum Beispiel die ethnographische Schrift von

Johannes BÖHM oder naturphilosophischen Schriften von Franciscus TITELMANN. Dies weist auf einen angestrebten Versuch hin, einen gewissen ‚universalen‘ bzw. breitgefächerten Bestandscharakter widerzuspiegeln zu wollen, auch wenn der schon erwähnte zahlenmäßige Umfang eher gering war.

267 „Das Rechtsverständnis befindet sich im Umbruch; (…) alte Gebräuche treten in Konkurrenz mit dem gemeinen Recht, das durch die Gelehrten an den Universitäten und zunehmend durch die Rechtsetzung auf Reichs- Territorialebene Anwendung findet. (…) Die Konfrontation der ungelehrten Rechtsanwender, der Amtsträger in Gericht und Verwaltung, mit dem gelehrten Recht bildet den Ausgangspunkt für Tenglers Werk; diesen Layen ist sein Buch gewidmet.“ Gianna BURRET, Der Inquisitionsprozess im Laienspiegel des Ulrich Tengler. Rezeption des gelehrten Rechts in der städtischen Rechtspraxis, Köln 2010, 1f. 268 Vgl. SCHMID, "Religioni, scientiis, artibus dedicatum", 35. 55

Grundsätzlich ist aufgrund der Auswertung festzustellen, dass es sich bei der chorherrlichen Stiftsbibliothek Pöllau insgesamt um eine, in der Tradition der devotio moderna stehenden, ansatzweise gegenreformatorischen, späthumanistischen Klosterbibliothek gehandelt hat. Auch, wenn die Temporarität des Bestandes den barocken Charakter dieser Bibliothek nicht unterstreicht, so repräsentiert sich jener Charakter sowohl im Mobiliar, da im kommissarischen Endinventar auch 2 Globi, 2 Bücher Windten und 1 Einhorn in einem Futerall über 1 Klafter lang angeführt sind, neben den fournirten Bücher=Kästen und einem fournirten Stiegen Tisch,269 als auch in der architektonischen Ausformung des Bibliothekssaals, der eindeutig und unbestritten im klassisch barocken Stil umgebaut wurde. Allein die die Stuckverzierungen und emblematischen „Deckenfresken der Allegorien geistlicher und weltlicher Wissenschaften, gemalt 1699 von Antonio Maderni nach dem Vorbild im Palazzo Barberini in Rom“270 repräsentierten einen Barocksaal, wie er „im Buche steht“.

Es wird davon ausgegangen, dass dieser Bücherkatalog aus dem 17. Jahrhundert stammt und im Zuge des Umbaus der „alten Kammer mit einem einzigen Fenster“ bzw. Neubaus des barocken Bibliothekssaals angelegt wurde, bevor die Werke in die „fournirte(n) Bücher=Kasten“ an ihren Platz kamen.271 Dafür sprechen nicht nur die verzeichneten Autoren hinsichtlich ihrer zeitlichen Einordnung, sondern auch der letztendliche Fundort des Index‘, der bekanntlich in einen Matrikenband eingebunden wurde, der mit Aufzeichnungen von 1647 bis 1658 aus dem 17. Jahrhundert stammt. Es handelt sich demnach nicht um den Aufhebungskatalog bzw. -inventar, von dem in den historiographischen Quellen die Rede ist, da die übermäßige Anzahl an Schriften aus dem 15. und 16. Jahrhundert stammen und nur vereinzelte Autoren aus dem 17. bzw. keine Werke aus dem 18. Jahrhundert verzeichnet sind. Eine Stagnation bzw. plötzliche Einstellung der Bücheranschaffung bzw. Bestanderweiterung nach der Fertigstellung des neuen repräsentativen Bibliothekssaals wird ausgeschlossen, da die wirtschaftliche und finanzielle Grundlage gegeben war, und gerade bei einem Neubau eines barocken Bibliothekssaals eine kontinuierliche repräsentative Erweiterung des Schriftenbestandes in Betracht gezogen werden muss.

269 HUTZ, Archiv und Bibliothek des einstigen Chorherrenstiftes Pöllau, 123. 270 ALLMER, Stifts- und Pfarrkirche Pöllau, 22. 271 HUTZ, Archiv und Bibliothek des einstigen Chorherrenstiftes Pöllau, 122 u. 123. 56

2.3 Empfehlungen zur Einrichtung und Aufstellung einer Bibliothek

Das Entscheidende, das eine wahllose Anhäufung von Büchern letztendlich zu einer Bibliothek machte, war die Systematik, die ihr zugrunde gelegt wurde. Im Grunde schon seit dem Mittelalter orientierte sich die bibliothekarische Aufstellungseinteilung und -ordnung mit zeitgemäßen Abwandlungen an der Systematik der vier Fakultäten Theologie, Jurisprudenz, Medizin und Philosophie.272 Ab dem Beginn des 16. Jahrhunderts entstanden mehrere „Empfehlungen zur Einrichtung einer Bibliothek“273, die sich nicht nur mit der Wahl des Ortes (ein Raum, der „liecht / lufftig / vnd trucken“274, wo „dahin eben keine Ratzen und Mäuse oder anderes dem Papier gehässiges Ungezieffer gewehnet“275) und einer möglichen zusätzlichen Bibliotheksausstattung beschäftigten („Welche all tref=fentlich viel vermögend zu ver=treiben angschaffte sorgfeltig=keit/en ein betrübtes gmüt mit freüden affzemunteren. Die wirt vermehret der lust nit nun durch mancherley gattung der Büchern / sonder auch anderen Stucken / als da seind Welt=mappen und Landtaffelen / der grossen Kugel der welt Hi=mmels un(d) Erdreichs / allerley in=strumente oder deß Him(m)elslauff / auf un(d) nidergang der Sonnen / des mons un (d) deß obrige gestirns. (…) Zu disem allem söllen nachkommen allerley Antiqui=teten un(nd) Raritete(n) von Münz=werck unnd allerley Sorten und Metall alte(n) geldts / kunststuck /Kupferstich /new erfundne und geschwinde werck unnd der gleichen mehr.“276), sondern auch jeweils eine Ordnung der Bücher vorschlugen. Nach

BUZÁS lassen sich im Allgemeinen Grundtendenzen beobachten, denn „die mittelalterlichen Hauptklassen Theologie, Recht und Medizin blieben erhalten, aus den Artes wurden dagegen verschiedene Disziplinen in unterschiedlicher Verknüpfung als Hauptklassen herausgehoben, die restlichen als Unterabteilungen mal dieser, mal jener Hauptklasse zugeteilt“277. Eine von diesen Empfehlungen war die von Konrad GESSNER, der jeder Disziplin eine Hauptklasse widmete. „Gesners Systematik war eine wissenschaftliche, die in einer Gruppe die Fächer des Triviums [Grammatik, Dialektik, Rhetorik] und Quadriviums [Arithmetik, Geometrie, Musik,

272 Vgl. BUZÁS, Deutsche Bibliotheksgeschichte der Neuzeit, 136. 273 Renate SCHUSKY, Empfehlungen für die Einrichtung von Bibliotheken, in: Arbeitsstelle Achtzehntes Jahrhundert Gesamthochschule Wuppertal (Hg.), Buch und Sammler. Private und öffentliche Bibliotheken im 18. Jahrhundert, Heidelberg 1979, 129–140. 274 Eusebius Amort, Von Ordnung und Einrichtung der Bibliotecken. Hundert siben und fünfftzigister Bericht in: Parnassus Boicus, 1726. Zitiert nach SCHUSKY, Empfehlungen für die Einrichtung von Bibliotheken, 132. 275 Die neu-eröfnete Bibliothec, 1702. Als Verfasser dieser anonym erschienen Schrift, die übrigens die erste deutschsprachige Bibliothekskunde war, wird Friedrich Christian Feustking vermutet. Zitiert nach: SCHNEIDER, Bibliotheken als Ordnung des Wissens, 150. 276 ULRICH, Bibliotheca nova Tigurinorum, 102ff. 277 BUZÁS, Deutsche Bibliotheksgeschichte der Neuzeit, 136. 57

Astronomie/Astrologie], in einer anderen die Ornantes (Geschichte, Geographie, Schöne Künste), in einer dritten Substantiales, die Universitätsfächer des 16. Jahrhunderts, zusammenfasste.“278 Insgesamt ergab sich daraus eine Unterteilung der einzelnen Wissensgebiete in 21 verschiedene Gruppen, die durch das Versehen mit mehr als 30.000 279 schlagwörtlichen Begriffen auffindbar waren. Auch Gabriel NAUDÉ überlegte sich in seinem 1627 erschienen Advis pour dresser une bibliothèque eine Aufstellungsordnung und stellte dazu die logische Überlegung an:

„Ich meine, die beste Ordnung ist immer die, welche die verständlichste, die natürlichste, gebräuchlichste ist. Ein System, das den Fakultäten der Theologie, Medizin, Rechtswissenschaft, Geschichte, Philosophie, Mathematik, freien Künste & anderen folgt. Diese Disziplinen sind jede im besondern, entsprechend ihren mannigfachen Gebieten zu untertheilen“280, wobei die artistisch-humanistischen Fächer in den drei Hauptklassen Philosophie, Geschichte und Philologie aufgeteilt wurden. Ebenfalls schrieb Gottfried Wilhelm LEIBNIZ in diesem Zusammenhang, dass eine Bibliothek „gleichsam ein gedrucktes Archiv und Repertorium universal vielfältiger Nachrichtungen in Theologicis, Jure publico et privato, Erkundigung der Natur und Kunst, Historien und Regiments-sachen“, von großen Nutzen für die Menschheit 281 sei. Jedoch musste, nach LEIBNIZ, der Aufstellungssystematik eine ordentliche Katalogisierung hinzugefügt werden, um eine Bibliothek überhaupt benutzbar zu machen.

Dieser Meinung war auch Albrecht Christoph KAYSER, der Regensburger Hofbibliothekar, der eine Bücheraufstellung nach Wissenschaftszweigen für unnötig hielt, denn „(d)er Ort, wo ein Buch steht, ist höchst gleichgültig“282. Das Wiederauffinden war die Herausforderung, weswegen die dringende Notwendigkeit eines alphabetischen Kataloges bestand mit einem direkten Vermerk des Standorts, wobei dabei der Buchstabe des Regals, die Nummer des Bretts und die Nummer des Buches angegeben werden sollte.283 Im Grunde unterscheidet sich diese angesprochene Technik des Wiederfindens in keinster Weise von der modernen Signatur, die sich meistens aus dem Standort und aus der, einem Buch bestimmten,

278 SCHUSKY, Empfehlungen für die Einrichtung von Bibliotheken, 130. 279 Vgl. SCHNEIDER, Bibliotheken als Ordnung des Wissens, 145. 280 Gabriel Naudé, Advis pour dresser une bibliothèque, Paris 1627. Zitiert nach SCHNEIDER, Bibliotheken als Ordnung des Wissens, 146. 281 SCHNEIDER, Bibliotheken als Ordnung des Wissens, 151. 282 Albrecht Christoph Kayser, Ueber die Manipulation bey der Einrichtung einer Bibliothek und der Verfeinerung der Bücherverzeichnisse (…) 1790, 10. Zitiert nach: SCHUSKY, Empfehlungen für die Einrichtung von Bibliotheken, 138. 283 Vgl. SCHUSKY, Empfehlungen für die Einrichtung von Bibliotheken, 138f. 58

zugeschriebenen Nummer zusammensetzt, um das Werk sozusagen adressierbar und damit auffindbar zu machen.284

Nach SCHUSKY bleibt jedoch die Frage offen, ob und wann solche bibliothekarischen Empfehlungen auch in die Tat umgesetzt wurden. Als aussagekräftiges Beispiel sei Eusebius

AMORT (1692-1775) genannt, der seine Abhandlung im und auch eigentlich für das Kloster Polling schrieb und darin die Forderungen aussprach, „dass Bücher und Kataloge eine übereinstimmende Signatur tragen müssten und dass drei Kataloge unbedingt nötig seien – Forderungen, die auch hundert Jahre nach ihrem Ausspruch noch als modern gelten konnten“285 – die jedoch offenbar nicht verwirklicht wurden, wenn es nach dem Münchner

Hofbibliothekar Johann Andreas SCHMELLER geht, der in dem von ihm verfassten Katalog der Kataloge für das Kloster 19 verschiedene Kataloge und Verzeichnisse auflistete.286 Ein wirkliches Hindernis gab es, das die Umsetzung einer solchen systematischen Aufstellungsempfehlung erschwerend machte: die Größenunterschiede der Bücher. Denn auch die effektive Aufstellung im Bibliotheksraum sollte an die kultur- und kunstgeschichtlichen Ideale des Barock angeglichen werden, die auf Repräsentation und Zurschaustellung abzielten, woran sich das Sammeln und wissenschaftliche Ordnen im 17. und 18. Jahrhundert nun mal orientierte.287 Da jedoch die Bücher in dieser Zeit in ihrer Formatgröße inzwischen recht unterschiedlich waren (Großfolio bis Sedez), „stand der Verwirklichung der systematischen inneren Ordnung der Zwang zur dekorativen äußeren Ordnung gegenüber“288. So wurde in den meisten Bibliotheken, gerade die prunkvollen Bibliothekssäle betreffend, nicht unbedingt nach sachlich thematischer Einteilung aufgestellt, sondern zuallererst nach der „Zierlichkeit“289 und Ästhetik, eben nach dem repräsentativen Aussehen, wodurch das Buch letztlich selbst zu einem gestalterischen Element wurde.290

Wie sich nun zusammenfassend zeigt, war das 17. Jahrhundert aus Sicht der Bibliotheksgeschichte ein typologisch breit gefächertes Jahrhundert, denn neben den beständigen Klosterbibliotheken hat sich auch in dieser Zeit der Typus der Privatbibliothek

284 Vgl. JOCHUM, Geschichte der abendländischen Bibliotheken, 101. 285 SCHUSKY, Empfehlungen für die Einrichtung von Bibliotheken, 139 286 Vgl. SCHUSKY, Empfehlungen für die Einrichtung von Bibliotheken, 139. 287 Vgl. BUZÁS, Deutsche Bibliotheksgeschichte der Neuzeit, 139. 288 BUZÁS, Deutsche Bibliotheksgeschichte der Neuzeit, 139. 289 SCHMID, Die Rolle der bayerischen Klosterbibliotheken, 169. 290 Vgl. Rudolf FRANKENBERGER / Klaus HALLER: Die moderne Bibliothek. Ein Kompendium der Bibliotheksverwaltung, München 2004, 63. 59

prunkvoll weiterentwickelt. Daneben haben sich diverse Gelehrtenbibliotheken und Adelssammlungen herausgebildet, wobei jedoch die Universitätsbibliotheken in dieser Zeit gegenüber wertvolleren und bestandsumfangreicheren Privatbibliotheken eher eine Randerscheinung bildeten. Repräsentation prägte die Sammlungen und Bibliothekssäle, die nicht nur mit Büchern bestückt waren, sondern teilweise auch mit anderen repräsentativen Gegenständen. So sehr sich jedoch auch die großen Hof-, Fürsten- oder Adelsbibliotheken bemühten, „(k)ein anderer Bibliotheksträger hat seine Bücherräume mit vergleichbarem Aufwand ausgestattet wie die Klöster“291, das jedoch nicht auf den Bücherbestand an sich zu beziehen ist, denn da waren die fürstlichen Bibliotheken aufgrund ihrer pekuniären Möglichkeiten tonangebend. Sammelten Gelehrte meist aus notwendigen Beweggründen, so wurden die ambitionierten Sammlungen vom universalen Charakter des Barock beeinflusst, wobei die theologischen Schriften in den großangelegten Klosterbibliotheken stets überwiegten und in ihrer Aufstellung den primären Platz einnahmen. Im Zuge dieser grundlegenden Überlegungen, wie sich die Bibliothekslandschaft im deutschen Sprachraum im 17. Jahrhundert weiterentwickelte, stellte die Pöllauer Stiftsbibliothek mit ihrem repräsentativen Bibliothekssaal eine barocke Klosterbibliothek dar, wobei dem Bestand, ganz im Sinne der monastischen Tradition, ein primär religiös-theologischer Charakter anhaftete. Darüber hinaus ist ersichtlich, dass es auch Bestrebungen gab, den Bestand mit Schriften aus anderen thematischen Kategorien zu erweitern. Hinsichtlich einer Pöllauer Bücheraufstellung ist es nicht möglich Auskunft zu geben, da keine Hinweise darauf mehr existieren. Allgemein war die Aufstellung jedoch nach Fakultäten üblich, allerdings unterlagen diese nicht nur den jeweiligen Launen des Bibliothekars, sondern auch dem repräsentativen Zwang, die Bücher der Größe nach aufzustellen.

Dennoch bleibt noch zu klären, wie gesammelt wurde, bzw. welche Strategien angewandt wurden, um eine Sammlung aufzubauen. Dies wird im folgenden und abschießenden Kapitel erörtert.

291 SCHMID, "Religioni, scientiis, artibus dedicatum", 16. 60

3. Von den Erweiterungsstrategien der Bibliotheken

Die Ambitionen, eine prachtvolle und möglichst universale Büchersammlung zu errichten waren im 17. Jahrhundert groß. Solch eine Sammlung bedingte aber umfangreiche Pflege als auch ständige Erweiterungsgedanken. Es gab nun mehrere Strategien bibliographische Informationen zu erlangen, um die eigene Büchersammlung mit neuen, „auserlesenen“ Werken zu bestücken. Diesen unterschiedlichen Möglichkeiten des Büchererwerbs wird nun in diesem Kapitel auf den Grund gegangen, wobei auch der Buchhandel im Barockzeitalter eine Rolle spielen wird. Denn durch die sich schnell verbreiternde Entwicklung des Buchdrucks ging im 16. Jahrhundert die Übersichtlichkeit der neuerschienenen Werke verloren. Das Problem der sich ständig vervielfachenden Menge an Büchern wurde auch unter den Gelehrten diskutiert. Der spanische Humanist Johannes Ludovicus VIVES umschrieb diese problematische Angelegenheit folgendermaßen:

„So sind auch die Bücher zu einer unermeßlichen Zahl angewachsen, indem die einzelnen teils ihre eigenen Bemerkungen, teils anderer Überlieferungen aufzeichneten und zusammenstellten. Daher reicht für die Lektüre der Aufzeichnungen, ich sage nicht vieler Wissenschaften und Künste, sondern einer einzigen ein Menschenleben nicht aus, noch viel weniger aber für das Verständnis derselben.“292

Aus diesem Grund waren diverse Strategien vonnöten, der expandierenden Bücherwelt mit einer ‚auserlesenen‘ Bibliothek gerecht zu werden. Um diese Vielzahl an Büchern zu bändigen und zu ordnen, waren sowohl pragmatische ‚enzyklopädische‘ Projekte in Angriff genommen worden,293 als auch die ersten detaillierten Bibliographien des 16. Jahrhunderts, wie zum Beispiel die schon erwähnte Bibliotheca universalis des Konrad GESSNER. Grundsätzlich ist jedoch festzuhalten, dass das Wort ‚Enzyklopädie‘ für diese Art der darstellenden Anordnung von Wissen mit lexikarischem Charakter erst im späten 18. Jahrhundert aufkam und indessen zeitgenössisch eher die Bezeichnungen ‚Thesaurus‘ oder ‚Bibliotheca‘ für diese gewisse Repräsentationsform von Wissen verwendet wurden.294

292 Johannes Ludwig Vives, Ausgewählte pädagogische Schriften. Übers. und Hg. von Rudolf Heine, Leipzig 1881, 31. Zitiert nach SHEVCHENKO, Eine historische Anthropologie des Buches, 121. 293 Vgl. SCHNEIDER / ZEDELMAIER, Wissensapparate. Die Enzyklopädistik der Frühen Neuzeit, 349. 294 Vgl. SCHNEIDER / ZEDELMAIER, Wissensapparate. Die Enzyklopädistik der Frühen Neuzeit, 350. 61

Denn unter ‚Bibliothek‘ wurde nicht nur ein physischer, konkreter Ort verstanden, an dem Bücher aufbewahrt bzw. zur lesbaren Wiederverwendung gelagert wurden, sondern auch eine geistige, immaterielle Konzeption von Wissen, sozusagen ein „durch eine Ordnung gegliedertes Wissens“ bzw. „als Inbegriff der Welt des Wissens“295 selbst.296 Und gerade solche bibliographischen, darstellenden Werke wurden zu Nutze gemacht, um die eigene Bibliothek im Umfang mit den ‚richtigen‘ Büchern aufzustocken.

3.1 Virtuelle Bibliothecae und Bücherauktionen

Durch diese strukturierten und geordneten Darstellungen von Wissen in Form von bibliographischen Angaben innerhalb eines büchernen Corpus‘, entstanden nicht nur speichernde virtuelle Wissenssystematiken, sondern auch ganze imaginäre

Bibliothekssammlungen. Denn Konrad GESSNERs bibliographische Zusammenfassung aller bis dahin veröffentlichten typographischen Schriften stellte nichts anderes dar, als einen überdimensionalen Bibliothekskatalog einer umfangreichen, aber doch imaginären

Büchersammlung. GESSNERs Arbeit kann hinsichtlich dessen in zweifacher Weise betrachtet werden: „als partielle Kompensation des historischen Verlusts realer Bibliotheken und als idealer Bibliothekskatalog, der bei der Einrichtung realer Bibliotheken helfen soll“297. Wie schon im zweiten Kapitel angesprochen, hatten Bibliothekskataloge eine besondere Orientierungsfunktion konkret für den Buchbestand innerhalb einer Bibliothek, weil sie den Inhalt einer Sammlung auffindbar und damit verfügbar machten. Doch neben dieser orientierenden Hilfestellung gaben sie ein virtuelles Ebenbild der Büchersammlung wieder, weswegen die Kataloge von großen Bibliotheken „beinahe das einzige Mittel (waren), um sich in der Menge der vorhandenen Bücher und Texte zu orientieren“298. Noch vor den großangelegten lexikarischen Arbeiten des 16. Jahrhunderts wurden Inventare und Verzeichnisse besonders von klösterlichen Sammlungen zu Rate gezogen, um bibliographische Informationen, als auch einen Überblick über die vorhandenen Werke zu 299 bekommen. Wie WITTMANN es treffend ausdrückt: „Schon die italienischen Humanisten sammelten und tauschten begierig solche Verzeichnisse und jedem barocken Polyhistor, jedem Gelehrten der Frühaufklärung galten Bücherkataloge als unverzichtbare Grundlage der

295 Dirk WERLE, Copia librorum. Problemgeschichte imaginierter Bibliotheken 1580 - 1630, Tübingen 2007, 2f. 296 Vgl. WERLE, Copia librorum, 2. 297 WERLE, Copia librorum, 203. 298 SHEVCHENKO, Eine historische Anthropologie des Buches, 120. 299 Vgl. SHEVCHENKO, Eine historische Anthropologie des Buches, 120. 62

Bücherkunde und damit jeglicher wissenschaftlicher Beschäftigung.“300 Dementsprechend dienten Bibliothekskataloge als wissenschaftliche Nachschlagewerke. Auch Gabriel NAUDÉ hatte die Bedeutung von Bibliothekskatalogen betont, weil sie nicht zuletzt alle Schriften zumindest virtuell zugänglich machten; ein Grund, warum gedruckte Verzeichnisse oft genauso attraktiv wie die Schriften selbst waren.301 Sie stellten aufgrund ihrer bibliographischen Orientierungshilfe eine Möglichkeit dar, herauszufinden, welche Bücher aus dieser Menge an aufgelisteten Büchern auch auffindbar und ‚sammelnswert“ waren.

Auch Gottfried Wilhelm LEIBNIZ machte sich Gedanken betreffend der bibliographischen und ‚sammelnswerten‘ Informationsfindung für Gelehrte und die allgemeinen Träger von Bibliotheken anbelangend. Aus diesem Grund wollte er eine, unter den neuerscheinenden Werken auswählende Bücherzeitschrift erstellen, einen Nucleus Librarius Semestralis, um eine Hilfestellung für die Gelehrten betreffend der Buchproduktion darzustellen. Sein Ansuchen um kaiserliches Privileg, dieses Vorhaben auch umsetzen zu können, wurde jedoch zweimal abgelehnt und auch von Peter LAMBECK, dem Wiener Hofbibliothekar, nicht weiter in Betracht gezogen.302 Dafür gab es sehr wohl bestimmte Gründe, denn „Leibniz Anliegen ging über die reine Informationsvermittlung hinaus, er persönlich wollte den deutschen Buchmarkt kontrollieren, evtl. auch Zensur ausüben.“303

Ebenso interessant für das zeitgenössische Bibliothekspublikum war eine andere Form von Bücherkatalogen: der Auktionskatalog. Meistens wurde ein solcher zusammengestellt, wenn ein Bibliotheksbesitzer verstorben war. Diese Tätigkeit übernahm zu jener Zeit ein Gelehrter oder Buchhändler. Es kam aber auch vor, dass noch zu Lebzeiten des Eigentümers ein Auktionskatalog erstellt wurde, jedoch handelte es sich dabei um die Ausnahme.304 Bücherbesitz stellte im 17. und frühen 18. Jahrhundert für die Erben „oft die einzige soziale Absicherung nach dem Tod des Sammlers“305 dar. Deswegen wurden Versteigerungskataloge nicht nur zu konservierenden Zwecken, sondern auch aufgrund des wirtschaftlichen Interesses

300 WITTMANN, Bücherkataloge des 16.-18. Jahrhunderts als Quelle der Buchgeschichte, 10. 301 „Wahrscheinlich gehörte diese Überzeugung zu den Gründen, warum sich manche Fürsten um den Erwerb unterschiedlicher Bücherverzeichnisse nicht weniger als um die eigentliche Anschaffung der Bücher kümmerten.“ Vgl. und Zitat SHEVCHENKO, Eine historische Anthropologie des Buches, 122. 302 Vgl. KISSER / STUMMVOLL, Die Hofbibliothek, 195. 303 Ute SCHNEIDER, Friedrich Nicolais Allgemeine Deutsche Bibliothek als Integrationsmedium der Gelehrtenrepublik, Wiesbaden 1995, 81, Fußnote 24. 304 Vgl. Paul RAABE, Gelehrtenbibliotheken im Zeitalter der Aufklärung, in: Werner ARNOLD / Wolfenbütteler Arbeitskreis für Bibliotheksgeschichte (Hg.), Bibliotheken und Aufklärung, Wiesbaden 1988, 108. 305 ADAM, Privatbibliotheken im 17. und 18. Jahrhundert, 131. 63

angelegt.306 Aus diesem Grund stellen besonders Auktionskataloge eine der wichtigsten Quellen für privaten und damit auch gelehrten Buchbesitz im 17. und 18. Jahrhundert dar.307 Diese Form der Versteigerung von Büchern wurde aus den Niederlanden, „nach Holländischer arth und weise“308 übernommen, wobei sie erst wirklich in den 70er Jahren des 17. Jahrhunderts innerhalb des Buchmarkts im Deutschen Reich Fuß fasste, unter anderem, weil der Dreißigjährige Krieg bekanntlich für wirtschaftliche als auch strukturelle Unordnung gesorgt hatte. Natürlich hat es bereits vor diesen Versteigerungen auch schon Auktionen gegeben, die jedoch nicht so gewerblich aufgebaut waren, da es sich dabei meistens um Versteigerungen von Büchern gehandelt hatte, die durch gerichtlich verfügte Konfiszierungen erhalten wurden.309 Im späten 17. Jahrhundert wurde versucht zur Auktion stehende Bibliotheken in einem Stück zu versteigern, unter anderem weil die juristischen Gutachter, von denen letztendlich eine Auktion abhängig war, da sie auch zensorisch tätig waren, der Meinung waren, dass „eine kostbare und prächtige büchersammlung, die aus vielen herlichen büchern besteht, für ein aus unterschiedenen stücken zusamen gefügtes und vereinbartes werk (sei) (…) und daher als unbeweglich gut, so nicht wol zu verteilen, angesehen werden“310 müsste. Leider war dieses schöngeistige und wohlwollende Schicksal nur wenigen Sammlungen beschert und sie wurden meistens aufgelöst. Besucher dieser Auktionen kamen jedoch nicht nur, um definitiv Bücher zu kaufen, sondern auch wegen des gedruckten Auktionskatalogs, der für die privaten Buchsammler wiederum ein wichtiges bibliographisches Hilfsmittel darstellte. Neben dem Zweck als grundsätzliches Werbemittel für Auktionen zu fungieren,311 war ein weiterer Anstoß für das Drucken dieser Kataloge die Zensur, unter der gewerbliche Versteigerungen standen: Jede Veranstaltung dieser Art musste bei einer Obrigkeit, zum Beispiel dem Rektor der Universität, angemeldet und dabei ein Katalog vorgelegt werden.312 „Gefahndet wurde dabei im 17. Jahrhundert vorwiegend nach theologisch unorthodoxen ‚ketzerischen‘ Schriften und weniger nach politisch verdächtigen

306 Vgl. ADAM, Privatbibliotheken im 17. und 18. Jahrhundert, 131. 307 Vgl. Paul RAABE, Bibliothekskataloge als buchgeschichtliche Quellen. Bemerkungen über gedruckte Kataloge öffentlicher Bibliotheken in der frühen Neuzeit, in: Reinhard WITTMANN (Hg.), Bücherkataloge als buchgeschichtliche Quellen in der frühen Neuzeit, Wiesbaden 1984, 278. 308 Hans Dieter GEBAUER, Eine Helmstedter Bücherauktion von 1661, in: Reinhard WITTMANN (Hg.), Bücherkataloge als buchgeschichtliche Quellen in der frühen Neuzeit, Wiesbaden 1984, 79. 309 Vgl. GEBAUER, Eine Helmstedter Bücherauktion von 1661, 80. 310 Hoh. Phil. Orth(?), Nöthig- und nützlich-erachtete Anmerckungen Uber die Im Zweyten Theil enthaltene Acht erstere Tituln… Der so genannten Erneuerten Reformation Der Stadt Franckfurt am Mayn… dritte Fortsetzung, 1751, 103. Zitiert nach GEBAUER, Eine Helmstedter Bücherauktion von 1661, 80. 311 Vgl. GEBAUER, Eine Helmstedter Bücherauktion von 1661, 82. 312 Vgl. Hans Dieter GEBAUER, Bücherauktionen in Deutschland im 17. Jahrhundert, Bonn 1981, 35. 64

Werken, wie in späteren Zeiten; man befürchtete vor allem, dass sich bei der Zusammenstellung des Katalogs ‚etwan ein schädliches und gottloses Buch mit eingeschlichen‘ haben könnte.“313

3.2 Messen und papiertauschende Buchhändler

Diese aufkommende Praxis der Bücherauktionen lief natürlich zusätzlich zu der langen Tradition der Buchmessen ab, die zweimal jährlich in Frankfurt (seit 1480), als auch in Leipzig abgehalten wurden.314 Dem Messehandel kam nämlich „eine entscheidende Rolle zu, da dieser die Konzentration des überregionalen Handels mit Druckerzeugnissen an einem bestimmten Standort und zu festgelegten Jahresterminen ermöglichte“; dementsprechend stellten die Buchmessen „unverzichtbare Termine für die aus ganz Europa zusammentreffenden Drucker, Verleger, Händler und Gelehrten dar“.315 Jedoch gelang es Leipzig bereits am Ende des 17. Jahrhunderts Frankfurt den Rang als führende deutsche Buchmessestadt abzulaufen.316 Diese Entwicklung des langsamen Niedergangs der Frankfurter Messe lag sowohl an kriegerischen Nachwirkungen (Pfälzer und Spanischer Erbfolgekrieg),317 als auch im Besonderen an den unflexiblen und harten Zensur- und Handelsbestimmungen, die als gegenreformatorische Unternehmungen der kaiserlichen Bücherkommission eingeführt wurden:318 „Die Buchdrucker und -händler mussten eine Liste ihrer Bücher vorlegen und für die einzelnen Titel eine Druckerlaubnis nachweisen; außerdem war je ein Exemplar an die Kommission abzuliefern“319. Zu jeder zweimal jährlich abgehaltenen Buchmesse wurde auch jeweils ein Buchmessekatalog mit den Neuerscheinungen erstellt, die ebenso attraktiv für Büchersammler waren, wobei sich dabei

313 GEBAUER, Bücherauktionen in Deutschland im 17. Jahrhundert, 35. 314 Vgl. dazu: Sabine NIEMEIER, Funktionen der Frankfurter Buchmesse im Wandel. Von den Anfängen bis heute, Wiesbaden 2001, 9-26. 315 Galaxis BORJA GONZÁLEZ, Jesuitische Berichterstattung über die Neue Welt. Zur Veröffentlichungs-, Verbreitungs- und Rezeptionsgeschichte jesuitischer Americana auf dem deutschen Buchmarkt im Zeitalter der Aufklärung, Göttingen 2011, 28. 316 Vgl. GEBAUER, Bücherauktionen in Deutschland im 17. Jahrhundert, 34. 317 Vgl. BORJA GONZÁLEZ, Jesuitische Berichterstattung über die Neue Welt, 29. 318 Vgl. NIEMEIER, Funktionen der Frankfurter Buchmesse im Wandel, 18. „Auch in Leipzig gab es bereits seit dem 16. Jahrhundert eine „Kursächsische Bücherkommission“; diese förderte aber den Buchhandel anstatt ihn zu reglementieren.“ Ebenda, in Fußnote 53. 319 Joachim-Felix LEONHARD, Medienwissenschaft. Ein Handbuch zur Entwicklung der Medien und Kommunikationsformen, Berlin (u.a.) 1999, 503. 65

nicht nur um ein Werbemittel handelte, sondern auch aus kommissionellen Gründen geschah.320

Für Reinhard WITTMANN spielt der Buchhandel eine Mittlerrolle, zumal dieser ebenso einen Wirtschaftszweig als auch einen wichtigen Faktor des geistigen und literarischen Lebens im 321 deutschen Reich verkörperte; Galaxis BORGIA GONZÁLEZ wiederum versteht unter dem Markt, die Verortung des Handels, einen sozialen Ort, an dem ein Austausch und Wettbewerb von Repräsentationen und Bedeutungen geschehen.322 Unter welchem Aspekt der Buch- und Messehandel auch betrachtet werden möge, sind die Epochen in der Geschichte des deutschen

Buchhandels grundsätzlich schwer voneinander zu trennen. Jedoch haben 323 KAPP/GOLDFRIEDRICH eine für die buchhändlerische Forschung maßgebende periodische Einordnung vorgenommen: Handelte es sich in der Buchhandelszeit von 1450 bis 1564 um einen Wanderverkehr, so wurde die darauffolgende Epoche, die „mit dem ersten Willerschen Meßkatalog beginnt und mit dem demonstrativen Rückzug der sächsischen Buchhändler von der Frankfurter Buchmesse 1764 endet“324, als die Epoche des Messe- und Tauschhandels bzw. des Changeverkehrs bezeichnet, der auf der Frankfurter als auch der Leipziger Buchmesse praktiziert wurde.

Der Dreißigjährige Krieg jedoch brachte ebenfalls den Buchhandel aus dem wirtschaftlichen Gleichgewicht und hemmte den Messeverkehr hinsichtlich dessen, dass die Anzahl von Neuerscheinungen einen Einbruch erlitt. Zwischen 1610 und 1619 war die Höchstzahl an jährlich eingetragenen buchproduktiven Neuerscheinungen in den Messekatalogen 1587 Titel. Von 1632 bis 1641 waren es plötzlich nur mehr 660 Eintragungen von jährlichen Novitäten auf den Messen. „Der Westfälische Frieden brachte nach 1648 einen kurzen Produktionsschub, dann pendelte sich der Durchschnitt in der zweiten Jahrhunderthälfte bei 826 neuen Titeln pro Jahr ein, zwischen 1695 und 1745 stieg er auf 1127 Titel.“325 Und erst zwischen 1746 und 1756 sind durchschnittlich 1765 Titel in den Katalogen verzeichnet,

320 „Der allgemeine Meßkatalog in Frankfurt a. M. hatte, allerdings nach einem Zeugnis aus der Mitte des 17. Jahrhunderts, eine Auflage von 1200 Stück.“ Vgl. und Zitat Günther RICHTER, Buchhändlerische Kataloge vom 15. bis um die Mitte des 17. Jahrhunderts, in: Reinhard WITTMANN (Hg.), Bücherkataloge als buchgeschichtliche Quellen in der frühen Neuzeit, Wiesbaden 1984, 51. 321 Vgl. Reinhard WITTMANN, Geschichte des deutschen Buchhandels. Ein Überblick, München 1991, 7. 322 Vgl. BORJA GONZÁLEZ, Jesuitische Berichterstattung über die Neue Welt, 27. 323 Das herausragende Standardwerk von Friedrich KAPP / Johann GOLDFRIEDRICH, Geschichte des deutschen Buchhandels vom Westfälischen Frieden bis zum Beginn der klassischen Litteraturperiode (1648–1740). (Geschichte des deutschen Buchhandels. Band 2.), Leipzig 1908. 324 WITTMANN, Geschichte des deutschen Buchhandels, 75. 325 WITTMANN, Geschichte des deutschen Buchhandels, 76. 66

womit das Niveau von vor dem Krieg erstmalig wieder überschritten wurde, knapp 130 Jahre 326 später. Allerdings sollten nach BORJA GONZÁLEZ jene buchhändlerischen Zahlen von

KAPP/GOLDFRIEDRICH mit Vorsicht betrachtet werden, „denn zum Einen bieten beide Autoren keinen vollständig chronologisch bearbeiteten Überblick über die in den Messekatalogen eingetragenen Buchtitel, zum Anderen bleibt unklar, anhand welcher Kriterien sie die Zeitabschnitte zur Ermittlung der Mittelwerte festlegen“327. Generell muss darauf hingewiesen werden, dass die Angaben in den Messekatalogen sich nur auf den Messehandel und damit den überregionalen Handel beziehen. WITTMANN pflichtet dem bei, da diese Kataloge „nur die auf den Messen in Leipzig und Frankfurt überregional gehandelten Bücher (und auch diese nur lückenhaft)“ verzeichnen, und dadurch wesentliche Bereiche des Schrifttums fehlen, wie lokale Kleinschriften, Gelegenheitsschriften, theologische Gebets- und Erbauungsschriften, dabei speziell die katholischen, akademische Schriften und die „kaum mehr rekonstruierbare Jahrmarktsproduktion“,328 die allgemein regionale Distribution erfahren hat. Unabhängig davon waren die Messekataloge für das zeitgenössische büchersammelnde Publikum eine umfangreiche Quelle bibliographischer Informationen, und auch für die deutsche Buchhandelsforschung sind sie eine der aussagekräftigsten Quellen für den Buchhandel im 17. und 18. Jahrhundert, denn die Angaben gehen aus der einzigen periodischen, zeitgenössischen Bibliographie hervor, jedoch nur für den Großbuchhandel auf den Messen.329

Nach einer Erholung vom Dreißigjährigen Krieg gelang es dem Buchmarkt im Alten Reich, bestehend nun aus den norddeutschen Buchhändlern in den protestantischen Ländern und dem süddeutschen Reichsbuchhandel, sich „zu einem territorial- und konfessionsübergreifenden Kommunikations- und Handelsraum zu entfalten“330. Dies lag unter anderem daran, dass dieses überregionale Messesystem mit dem besagten Tauschhandel eine wirtschaftlich einwandfreie Methode darstellte. Die sich langsam durchsetzende ‚merkantilistische Idee‘, das Geld so gut es ging im eigenen Land zu behalten und den Import so wie den Export zu

326 Vgl. BORJA GONZÁLEZ, Jesuitische Berichterstattung über die Neue Welt, 28. 327 BORJA GONZÁLEZ, Jesuitische Berichterstattung über die Neue Welt, 28, Fußnote 2. Dazu Vgl. KAPP/GOLDFRIEDRICH, 179-181; und WITTMANN, Geschichte des deutschen Buchhandels, 75. 328 WITTMANN, Geschichte des deutschen Buchhandels, 75. 329 „Es muss aber nachdrücklich gesagt werden, dass die Frankfurter und Leipziger Buchmessen Einrichtungen der Distribution waren, und zwar einer besonderen Art, und dass die zugehörigen Meßkataloge Einrichtungen der Werbung waren, wiederum für Literatur einer besonderen Art.“ David L. PAISEY, Literatur, die nicht in den Meßkatalogen steht, in: Paul RAABE, Wolfenbütteler Arbeitskreis für Geschichte des Buchwesens (Hg.), Bücher und Bibliotheken im 17. Jahrhundert in Deutschland, Hamburg 1980, 115. 330 BORJA GONZÁLEZ, Jesuitische Berichterstattung über die Neue Welt, 28. 67

kontrollieren, hätte für den Buchhandel, der sich ja gerade von „grenzüberschreitenden“ Handelsbeziehungen mit anderen europäischen Ländern ernährte, eine folgenreiche Erschwernis seiner Kommunikations- und Distributionswege bedeutet.331 Es fand sich jedoch die Lösung im Tauschhandel, der den Buchhandel nicht allzu sehr einschränken sollte und „der als Verrechnungsverfahren den Geldverkehr weitgehend zu vermeiden suchte“332. Denn auf den Buchmessen wurden keine gebundenen Bücher gehandelt, außer jenen von Buchbindern angebotenen, die dieses „eifersüchtig gehütete“ Recht und Privileg innehatten, „alleinige Anbieter gebundener Bücher auf Märkten und Messen zu sein“.333 Sondern es wurde loses Papier gegen loses Papier nach Gewichteinheiten getauscht: „Sein Grundprinzip war es, auf den Messen in Frankfurt und Leipzig alle Neuerscheinungen der einzelnen Verlage ohne Rücksicht auf ihren jeweiligen Inhalt zu tauschen, quasi auf der Basis gleichen Papierwertes.“334 Als Voraussetzung für dieses Tauschsystem galt die Homogenität des gelehrten Kundenkreises, denn so wurden zum Beispiel 10 000 Bögen theologischen und juristischen Inhalt gegen ebenso viele Bögen romanhafter oder medizinischer Schriften getauscht;335 dabei blieb generell das eingesetzte Betriebskapital gering, das wiederum einen unschätzbaren Vorteil mit sich brachte.336

Wichtig zu beachten ist jedoch, dass die Verlagssortimenter, die auf den Messen vertreten waren, nicht die einzigen Buchhändler im Zeitalter des Barock waren, denn es bestand „unabhängig vom Messehandel ein kapitalistischer Markt auf lokaler und regionaler Ebene“337. Neben eben jenen Verlagssortimentern, den regulären Buchhändlern, die regelmäßig auf den Messen vertreten waren und damit die Möglichkeit hatten, einen überregionalen Handel, hauptsächlich mit lateinischer Gelehrtenliteratur, zu betreiben,338

331 Als Beispiel für die ‚Internationalität‘ der Buchmessen erforschten zwei Autoren die Verbindungen des deutschen Buchhandels mit England: Jennifer WILLENBERG, Distribution und Übersetzung englischen Schrifttums im Deutschland des 18. Jahrhunderts, München 2008; und auch: David Lincoln PAISEY, Deutsche Bücher des 17. Jahrhunderts in der British Library, in: Aus dem Antiquariat 1977, A106-A109; DERS., Catalogue of books printed in the German-speaking countries and of German books printed in other countries from 1601 to 1700 now in the British Library, London 1994. 332 WITTMANN, Geschichte des deutschen Buchhandels, 90. 333 WITTMANN, Geschichte des deutschen Buchhandels, 92 und 82. 334 WITTMANN, Geschichte des deutschen Buchhandels, 90. 335 Sollten sich jedoch durch die äußerliche Ausstattung oder den inneren Wert Divergenzen ergeben, so wurde ‚im Verhältnis‘ verrechnend getauscht, beispielsweise 1:2 oder 1:3. 336 Vgl. WITTMANN, Geschichte des deutschen Buchhandels, 90. 337 BORJA GONZÁLEZ, Jesuitische Berichterstattung über die Neue Welt, 32. 338 Waren es 1650 noch 138 Firmen aus 52 Orten, zur Hälfte aus dem Norden und aus dem Süden, handelte es sich 1740 um 187 Firmen aus 69 Verlagsorten, wobei nun Zweidrittel davon aus dem Norden und nur mehr ein Drittel aus dem Süden stammten, die regelmäßig die Messen besuchten. (Vgl. WITTMANN, Geschichte des 68

existierten auch Druckverleger, die direkt in den Druckorten ansässig waren und die Produktion mehr auf lokalen und regionalen Bedarf richteten, mit Erbauungs- oder Gebetsliteratur als auch ärztlichen Hausratgebern und Verordnungen oder Flugschriften; außerdem besaßen sie ebenfalls „meist eine solide finanzielle Grundlage als Hof-, Kanzlei-, Universitäts- oder Ratsbuchdrucker, waren von ihrer territorialen, geistlichen, städtischen oder akademischen Obrigkeit privilegiert oder gar mit einem Monopol ausgestattet“339. Aus diesem Grund gab es auch für „den messe-fernen Leser“ eine Möglichkeit der bibliographischen Informationsgabe, nämlich die Sortimentskataloge, mit denen ein „lokale(r) Sortimenter den Teil des Frankfurter und Leipziger Messeangebots, den er eingetauscht hatte bzw. den er von Messebesuchen früherer Jahre noch auf Lager hielt“ vermittelte.340 Weiters handelten auch die schon erwähnten Buchbinder, als auch Marktschreier und „Auchbuchhändler“, wie Studenten und Geistliche, „die in den Buchvertrieb pfuschten“, die jedoch allesamt keine so große Bedeutung bzw. Auswirkung auf den Buchhandel an sich hatten.341 Zeitgenössische Kupferstiche geben im Übrigen einen anschaulichen Einblick, wie eine barocke Buchhandlung ausgesehen haben könnte:

„(D)er Buchbinder wird mit einem offenen Laden, (glaslosem) Schaufenster, an dem die Titelblätter von Neuerscheinungen sowie Holzschnitte angeschlagen sind, und Regale gebundener Schriften dargestellt. Der Buchhändler dagegen, dessen Geschäft man sich eigentlich so vorgestellt hätte, erscheint in einem großen Lagerraum voller Ballen und Pakete; in ein wuchtiges Holzfaß werden Bücher zum Transport auf die Messen verpackt, in den Regalen liegen verschnürte Stöße von Rohbögen und nur eine Handvoll gebundener Bücher. Wichtiger als Verkaufstheke und Stehpult waren möglichst geräumige, hohe und trockene Gewölbe für die Unmengen eigenen und eingetauschten bedruckten Papiers.“342

Diese Darstellung illustriert in gewisser Hinsicht auch die Kehrseite des Tauschhandels auf den Messen, der nicht wirklich auf den Inhalt achtete: denn, wie GOLDFRIEDRICH es überspitzt ausdrückt, „in die Fesseln dieses Systems geschlagen, hatte so jeder das Bestreben, die Ungunst der Verhältnisse, unter der er selbst zu leiden hatte, als Gunst der Verhältnisse dem andern gegenüber nach Möglichkeit auszunutzen. Und so produzierte der Verlag in gewisser

deutschen Buchhandels, 78) Wobei es sich hierbei um keine Verschlechterung oder gar Rückständigkeit des Südens handelte, sondern sich die katholischen Länder nun mehr auf kapitalstarken Markt auf lokaler und regionaler Ebne konzentrierte. (Vgl. BORJA GONZÁLEZ, Jesuitische Berichterstattung über die Neue Welt, 32.) 339 WITTMANN, Geschichte des deutschen Buchhandels, 81. 340 Ernst WEBER, Sortimentskataloge des 18. Jahrhunderts als literatur- und buchhandelsgeschichtliche Quelle, in: Reinhard WITTMANN (Hg.), Bücherkataloge als buchgeschichtliche Quellen in der frühen Neuzeit, Wiesbaden 1984, 211. 341 Vgl. WITTMANN, Geschichte des deutschen Buchhandels, 82. 342 WITTMANN, Geschichte des deutschen Buchhandels, 79. 69

Hinsicht weniger für das Publikum als für den Buchhandel“343. Die Folge waren überfüllte Lager mit teilweise überflüssiger Ware, wegen einer Erhöhung der Auflagen, die sich durch das möglichst hoch auszuschöpfende Tauschvolumen ergab.344 Mitte des 18. Jahrhunderts kam es zu einer Veränderung im Buchhandelssystem, denn „(d)ie Verlagerung der Buchmesse nach Leipzig war (…) auch das Resultat einer Marktentwicklung, die zunehmend Finanzkapital für Investitionen und Spekulationen benötigte und ihren Niederschlag im Übergang vom Tausch- zum Nettohandel fand“345. Durch den Nettohandel kam es schlussendlich zur Trennung von Verleger und Sortimenter, denn „durch den Wegfall des Changehandels entfällt auch der Zwang, selbst Bücher verlegen zu müssen, um einen Gegenwert zum Tauschen zu haben“346, womit sowohl die Buchware an sich eine Rolle spielte, da möglichst ausschließlich mit jener Buchware gehandelt werden sollte, „die von vielen Lesern nachgefragt wurde, um das investierte Kapital zurückzuholen“347. Zusätzlich entstand ein anonymisierter und kapitalistischer Warenverkehr,348 denn statt großer Mengen an gedrucktem Papier wurde eher Finanzkapital benötigt, um eine erfolgreiche buchhändlerische Betätigung vollziehen zu können.349 „Diese von der Forschung als Verlagsbuchhändler bezeichneten Geschäftsleute kümmerten sich selbst um die Akquisition der Manuskripte, holten Privilegien und Druckgenehmigungen ein und organisierten schließlich den Vertrieb der Druckerzeugnisse.“350 Nürnberg wurde dabei zu einer neuen Schaltstelle zwischen den katholischen und protestantischen Buchanbietern. Was den österreichischen Buchhandel in der Barockzeit betraf, so besuchten nur „wenige heimische Buchhändlerverleger (…) regelmäßig die Frankfurter Messen und nutzten den Tausch zur Arrondierung ihrer Sortimente, aber auch zur auswärtigen Verbreitung ihrer

343 KAPP / GOLDFRIEDRICH, Geschichte des deutschen Buchhandels, Band 2, 402. 344 Vgl. WITTMANN, Geschichte des deutschen Buchhandels, 92. 345 BORJA GONZÁLEZ, Jesuitische Berichterstattung über die Neue Welt, 29. 346 Ursula RAUTENBERG / Dirk WETZEL, Buch, Tübingen 2001, 72. 347 BORJA GONZÁLEZ, Jesuitische Berichterstattung über die Neue Welt, 31. 348 Vgl. WITTMANN, Geschichte des deutschen Buchhandels, 116. 349 „Die Logik des Kapitals setzte jedoch nicht nur die Verfügbarkeit ausreichender Finanzmittel voraus, sondern auch Marktkenntnisse und Risikobereitschaft, um die Druckerzeugnisse an den Nachfragewünschen auszurichten bzw. diese zu antizipieren. Zwar hatte der buchgewerbliche Unternehmer auch vor der kapitalorientierten Expansion des Marktes die Nachfrage als Faktor für seine Druckware einkalkulieren müssen, solange er aber beim Messehandel genug Druckware hatte, die er nach Gewicht tauschen konnte, gelang ihm grundsätzlich, fremde Verlagsprodukte kommissarisch zu erwerben. Diese konnte er dann auf dem lokalen Markt absetzen oder gegebenenfalls beim nächsten Messetermin und ohne Einsatz von zusätzlichem Kapital zurücktauschen.“ BORJA GONZÁLEZ, Jesuitische Berichterstattung über die Neue Welt, 30. 350 BORJA GONZÁLEZ, Jesuitische Berichterstattung über die Neue Welt, 30. 70

Verlagswerke“351. Ein Grund dafür war insbesondere auch die hauptsächlich katholische Gebrauchsliteratur, die natürlich in Frankfurt oder Leipzig, auch aufgrund des Konfessionalismus, auf wenig Nachfrage hoffen konnte.352

3.3 Bücheragenten und die res publica litteraria

Unter den auch kaufenden Besuchern dieser Messen und Auktionen waren aber nicht nur Interessenten für Privatbibliotheken, Professoren oder Studenten,353 sondern ebenso Personen, die auf herzogliches oder fürstliches Geheiß hin nach besonderen und kostbaren Schriften Ausschau hielten. Besonders diese Bibliotheken galt es nämlich zu pflegen und zu erweitern, da immerhin die Errichtung einer fürstlichen Büchersammlung im Zusammenhang mit dem idealen Herrschertyp stand, sozusagen als Prestige fördernde Verpflichtung.354 Daneben betrachtete auch Gabriel NAUDÉ den „Hauptzweck der Einrichtung und Vervollkommnung einer Bibliothek“ als nichts Geringeres, als „die Steigerung des Ruhms ihres Besitzer“355. Vor dem Hintergrund der Bestandsbearbeitung und -erweiterung pflegten Herzöge und Fürsten Kontakte zu Gelehrten, und dies nicht nur, indem jene als Bibliothekare angestellt wurden. Als protestantisches Beispiel sei Herzog August zu Braunschweig-Lüneburg (1579-1666) genannt, der ein europaweites Netzwerk von gelehrten Kontakten aufgebaut hatte, um schlussendlich den Bücherbestand seiner Bibliotheca Augusta zu erweitern. Dabei handelte es sich um sogenannte „bezahlte Agenten“356, die für den Herzog nach, zum Ankauf bemerkenswerten und wertvollen Werkexemplaren, Drucken als auch Handschriften, Ausschau hielten.357 Diese Bücheragenten waren für ihn sowohl in Paris, Rom, Straßburg, als auch Augsburg, Nürnberg und vielen anderen Städten tätig.358

Diese gelehrten Verbindungen untereinander beruhten auf der frühneuzeitlichen Ausbildung der res publica litteraria, oder auch ‚Gelehrtenrepublik‘ genannt. Es handelte sich hierbei um

351 Norbert BACHLEITNER / Franz M. EYBL / Ernest FISCHER, Geschichte des Buchhandels in Österreich, Wiesbaden 2000, 69. 352 Vgl. BACHLEITNER / EYBL / FISCHER, Geschichte des Buchhandels in Österreich, 69. 353 Vgl. GEBAUER, Bücherauktionen in Deutschland im 17. Jahrhundert, 87ff. 354 Vgl. SHEVCHENKO, Eine historische Anthropologie des Buches, 114. 355 Naudé, Advis, 11 [Vorrede]. Zitiert nach: WERLE, Copia librorum, 321. 356 Alwin MÜLLER-JERINA / Karen KLOTH, Handbuch der historischen Buchbestände in Deutschland, H - Z, Hildesheim (u.a.) 1998, 211. 357 Vgl. Alice PERRIN, Netzwerk- und Sammelpolitik Herzog Augusts d. J. Der Aufbau des französischen Bestandes der Bibliotheca Augusta, in: Wolfenbütteler Barock-Nachrichten 31 (2004), 182. 358 Weiters dazu: Werner ARNOLD, Die Entstehung der Bibliothek aus dem Netzwerk. Über den Aufbau der Bibliothek Herzog Augusts d. J. zu Braunschweig und Lüneburg im 17. Jahrhundert. Ein Projektbericht, in: Wolfenbütteler Barock-Nachrichten 38 (2011), 1-36. 71

ein kommunikatives, intellektuelles Netzwerk von Informationen, die unter den Gelehrten zirkulierten.359 „Schon seit den Zeiten des Humanismus pflegten die Wissenschaftler und Gelehrten Europas ein dichtes Geflecht transnationaler Beziehungen und bildeten zusammen die Respublica litteraria, ein ideelles Gemeinwesen eigener Art, in dem Gelehrte unterschiedlicher sozialer und nationaler Provenienz die Wissenschaft ungeachtet der konfessionellen und politischen Gegensätzen zu fördern versuchten.“360 Jedoch muss darauf hingewiesen werden, dass dieses Konzept auf den italienischen Humanismus zurückgeht, der um circa 150 Jahre früher entstand, bis sich dieser erst im deutschen Sprachraum konstituierte, und dass sich ein Gelehrtenstand im europäischen Sinne erst ab dem späten 16. Jahrhundert zu etablieren begann, von den theologischen Strukturen herauslösend; dementsprechend handelte es sich um eine unsichtbare, übernationale ‚Gelehrtenrepublik‘,361 deren schriftliche Korrespondenz das wichtigste Identifikations- und Kommunikationsmittel darstellte.362 Dabei glaubten die Gelehrten „an eine ideelle Zusammengehörigkeit individueller Erkenntnisse und Ergebnisse, die nur in gemeinschaftlicher Kooperation, im geistigen Austausch mit Gleichgesinnten auch über nationale und soziale Schranken hinweg hervorgebracht werden konnte“, wobei Erasmus von Rotterdam und seine weiträumige Korrespondenz als repräsentatives Vorbild galten.363

Da Gelehrte einen gewissen sozialen Status innehaben sollten, um sich auch etablieren zu können, wurde versucht, „in freier Konkurrenz die Anerkennung und das Geld eines adeligen Mäzenatentums zu gewinnen“364. Eine Strategie stellte dabei die Beigabe eines Buches zu der betreffenden Korrespondenz dar, die eine Bitte um materielle Unterstützung oder aber eine Bewerbung um fürstlichen Schutz beinhaltete.365 Dabei stammten die meisten „üblicherweise von der Gruppe der herzoglichen Korrespondenten, die über eine universitäre Bildung

359 Vgl. Justin STAGL, Eine Geschichte der Neugier. Die Kunst des Reisens 1550 - 1800, Wien (u.a.) 2002, 127. 360 Iris FLEßENKÄMPER, Considerations, Encouragements, Improvements. Die Select Society in Edinburgh 1754- 1764. Soziale Zusammensetzung und kommunikative Praxis, Berlin 2010, 36. 361 Dazu unter anderem: Herbert JAUMANN (Hg.), Die europäische Gelehrtenrepublik im Zeitalter des Konfessionalismus, Wiesbaden 2001; Sebastian NEUMEISTER / Conrad WIEDEMANN, Res publia litteraria. Die Institutionen der Gelehrsamkeit der frühen Neuzeit, Band 2, Wiesbaden 1987. 362 Vgl. FLEßENKÄMPER, Considerations, Encouragements, Improvements, 37. „So war es denn auch weniger der thematische Gehalt der Transaktionen als vielmehr die Kommunikation selber, die den eigentlichen Kernbestand der Gelehrtenrepublik ausmachte.“ Ebenda, 39. 363 FLEßENKÄMPER, Considerations, Encouragements, Improvements, 38. 364 Herbert JAUMANN, Diskurse der Gelehrtenkultur in der Frühen Neuzeit. Ein Handbuch, Berlin 2011, 185. 365 Vgl. SHEVCHENKO, Eine historische Anthropologie des Buches, 157. 72

verfügten“, jedoch „mit Buchgeschenken Laufbahn und soziale Position sicherten“366. Demnach wurde das Objekt Buch zu einem repräsentativen Utensil der Patronage und dabei „zum effektiven Kommunikationsmittel in den frühneuzeitlichen Patronagebeziehungen“367.

Ein weiteres Beispiel für das Profitieren von einem gelehrten Korrespondenznetzwerk in Verbindung mit strategischem Bucherwerb stellte die bibliothekarische Fusion zwischen

Kardinal Francesco BARBERINI (1597-1679) und Lukas HOLSTENIUS (Holste, 1596-1661) dar.

BARBERINI, Neffe von Papst URBAN VIII. (Maffeo Barberini), betraute ab 1636 den, zum

Katholizismus konvertierten Hamburger HOLSTENIUS mit den Pflichten eines Bibliothekars in seiner Privatbibliothek. Durch ausgezeichnete ‚gelehrte‘ Verbindungen des Deutschen und sein ausgeprägtes Buchwissen unterstützte er nicht nur den Aufbau einer umfangreichen, von besonderen Handschriften geprägten barberinischen Bibliothek, indem HOLSTENIUS nicht nur selbst Buchkataloge studierte und die Bibliothek durch fehlende Exemplare, nach korrespondierender Absprache mit BARBERINI, auffüllte, sondern empfahl ihm auch

Antiquariate und Buchgeschäfte in Avignon und Paris; HOLSTENIUS‘ Kontakte gingen sogar bis nach England.368 Bald darauf gehörte er ebenso zu „einer der gelehrten ‚Bienen‘ im Stock 369 des barocken Mäzenatenpapstes URBAN VIII.“ . Unter Papst INNOZENZ X. wurde er sogar zum Leiter der Bibliotheca Apostolica Vaticana,370 die sich im Dreißigjährigen Krieg, wie schon bekannt, an der Auflösung der Heidelberger Bibliotheca Palatina bereicherte. Dass Gelehrte nicht nur mäzenatischen Größen halfen, sondern auch Gleichgesinnten, bzw. in diesem Fall sogar Verwandten, im Sinne der res publica litteraria, beweist die korrespondierende und bücherne Verbindung, die zwischen HOLSTENIUS und seinem Neffen

Peter LAMBECK (1628-1680), dem späteren Bibliothekar der Wiener Hofbibliothek, 371 bestand. Als LAMBECK für akademische Zwecke in Amsterdam weilte, beauftragte ihn sein Onkel diverse Ausgaben für ihn von dort anzukaufen.372

366 SHEVCHENKO, Eine historische Anthropologie des Buches, 148 u. 159. 367 SHEVCHENKO, Eine historische Anthropologie des Buches, 175. 368 Vgl. dazu: Franciscus J.M. BLOM, (1596-1661) and England, in: Gerardus A. M. JANSSENS / Thomas A. BIRRELL / Flor AARTS, Studies in seventeenth-century English literature, history and bibliography. Festschrift for Professor T.A. Birrell on the occasion of his 60th birthday, Amsterdam 1984, 25- 39. 369 Peter FUCHS, Holste, Lukas, in: Neue Deutsche Biographie (NDB), Band 9, Berlin 1972, 548. 370 Vgl. Peter RIETBERGEN, Power and Religion in Baroque . Barberini cultural policies, Leiden, Boston 2006, 274. 371 „Der in Hamburg geborene Lambecius (Lambeck) stammte aus einer Gelehrtenfamilie und er lernte bedeutende Gelehrte und Bibliothekare wie Gabriel Naudé und Gerhard Vossius auf seinen Reisen nach Amsterdam, Leiden und Paris kennen. 1647-1649 studierte er in Rom.“ Aus: Michaela BRAESEL, Buchmalerei 73

3.3.1 Bibliotheksreisen und Reiseberichte

Grundsätzlich ist nämlich festzuhalten, dass die gelehrte Wissenssammlung und der Informationsaustausch nicht nur durch Korrespondenz an sich, sondern auch durch vor Ort getätigte Konversation und Diskussion vonstattengingen. Dies geschah durch die allgemein üblichen akademischen Reisen der Gelehrten, die in der Tradition der peregrinatio academica standen.373 „Zur Sammlung, Verbreitung und Kundgabe gelehrter Neuigkeiten eignet sich das Reisen wegen der großen Zahl von Kontaktmöglichkeiten und der leichteren Zugänglichkeit zu Personen und Institutionen des wissenschaftlichen Lebens deshalb in besonderer Weise.“374 Demnach war es üblich beim Eintreffen in einer Stadt, Kontakt zu den sich dort aufhaltenden Gelehrten zu suchen. Außerdem wurden jene akademischen Reisen auch dazu benutzt, um sich so einen Überblick über die Situation des jeweiligen nationalen Buchmarkts zu verschaffen, Erkundigungen über Neuerscheinungen einzuholen und Bibliotheken sowie deren Kataloge zu studieren und als Ausgangspunkt für eigene Besorgungen anzunehmen; in dieser Weise geschah es bei Lukas HOLSTENIUS im Dienste des Francesco BARBERINI, der mehrere Reisen unternahm und den Kardinal über zu empfehlende Werke in Kenntnis setzte bzw. umgehend für dessen Privatbibliothek ankaufte.375

So waren es, besonders im späten 17. und beginnenden 18. Jahrhundert, „die akademischen Reisen, von denen die angehenden Gelehrten nicht nur Weltkenntnis und Weltläufigkeit heimbrachten, sondern auch eine große Zahl von Büchern, die man in den Buchläden in Holland oder England, Frankreich oder Italien entdeckte und für die eigene Sammlung erwarb“376, die jedoch nicht zu verwechseln sind mit den adeligen Kavaliersreisen, auch Grand Tour genannt, von denen sowohl die persönliche Bildung des jeweiligen Adeligen, als auch deren private Büchersammlung profitierten.377

in der Kunstgeschichte. Zur Rezeption in England, Frankreich und Italien, Köln/Wien 2009, 56 in Fußnote 144. 372 Vgl. RIETBERGEN, Power and Religion in Baroque Rome, 272. 373 Vgl. ADAM, Privatbibliotheken im 17. und 18. Jahrhundert, 134; dazu auch: Ulrich Johannes SCHNEIDER (Hg.), Kultur der Kommunikation. Die europäische Gelehrtenrepublik im Zeitalter von Leibniz und Lessing, Wiesbaden 2005. 374 Winfried SIEBERS, Johann Georg Keyssler und die Reisebeschreibung der Frühaufklärung, Würzburg 2009, 90f. 375 Vgl. RIETBERGEN, Power and Religion in Baroque Rome, 264. 376 RAABE, Gelehrtenbibliotheken im Zeitalter der Aufklärung, 111. 377 Die wissenschaftliche Literatur zu den „Kavalierstouren“, dessen Begriff erst im 19. Jahrhundert geprägt wurde, ist eine unerschöpfliche; aus diesem Grund hier unter anderem angegeben: Rainer BABEL / Werner PARAVICINI, Grand Tour. Adeliges Reisen und europäische Kultur vom 14. bis zum 18. Jahrhundert Akten der 74

Eine weitere Möglichkeit Informationen über den Buchbestand von anderen Bibliotheken oder Sammlungen zu bekommen, wenn es unter anderem nicht möglich war, selbst eine Reise zu unternehmen, stellten die Erfahrungsberichte solcher Reisen dar. Nach BUZÁS gab es drei Formen solchartiger Beschreibungen: sowohl die aus einer Bildungsreise, oder einer literarischen Reise entstandenen Berichte, als auch explizit bibliothekarische Reiseberichte.378

Auf Bildungsreisen, wie schon obig angesprochen, wurden auch gezielt Bibliotheken aufgesucht; während jene bei den adeligen Reisen eher aus konventionellem Anspruch besichtigt wurden, suchten Gelehrte jene oft aus expliziten Gründen auf;379 und „(d)a zu den begehrten Besichtigungsobjekten der Bildungsreisen auch kostbare und seltene Bücher gehörten, (…) finden wir auch in allgemeinen Reisebeschreibungen relativ häufig Berichte 380 über Bibliotheken“ . Nach BECKER entwickelte sich im 17. Jahrhundert diese „fast ausschließlich an den Handschriften- und Inkunabelbeständen interessierte“381, gelehrte Bildungsreise schlussendlich aus der traditionellen Kavalierstour, deren Erfahrungen und Erkenntnisse in eigenen Aufzeichnungen enthalten waren. Der Wert dieser Erfahrungsberichte setzte sich natürlich aus gewissen Faktoren, wie Interesse und finanzielle Möglichkeiten, die wiederum die Reisedauer bestimmten, zusammen. Für eine schlussendlich sinnvolle Durchführung solcher Reisen gab es zu Beginn des 18. Jahrhunderts auch richtige

Reiseführer, wie jener des Johann David KÖHLERs (Anweisungen für Reisende Gelehrte, Bibliothecken, Münz-Cabinette, Antiquitäten-Zimmer, Bilder-Säle, Naturalien- und Kunst- Kammern, u.d.m. mit Nutzen zu besehen; posthum 1762).382

Als zweite Gruppe können die literarischen Reiseberichte angesehen werden, die „vor allem bezüglich der Nachrichten über Spezialbestände von Bibliotheken wertvoll (sind), denn die Gelehrten bereisten, oft aufgrund konkreter Informationen, nur zu dem Zweck die

internationalen Kolloquien in der Villa Vigoni 1999 und im Deutschen Historischen Institut Paris 2000, Ostfildern 2005 (Beihefte der Francia, 60); Mathis LEIBETSEDER, Die Kavalierstour. Adlige Erziehungsreisen im 17. und 18. Jahrhundert, Köln/Wien (u.a.) 2004 (Beihefte zum Archiv für Kulturgeschichte, 56); oder auch: Eva BENDER, Die Prinzenreise. Bildungsaufenthalt und Kavalierstour im höfischen Kontext gegen Ende des 17. Jahrhunderts, Berlin 12011 (Schriften zur Residenzkultur, 6). 378 BUZÁS, Deutsche Bibliotheksgeschichte der Neuzeit, 121-123. 379 Vgl. Peter Jörg BECKER, Bibliotheksreisen in Deutschland im 18. Jahrhundert. In: Archiv für Geschichte des Buchwesens 21 (1980), Sp. 1505. 380 BUZÁS, Deutsche Bibliotheksgeschichte der Neuzeit, 121. 381 Vgl. BECKER, Bibliotheksreisen in Deutschland, Sp. 1505. Zitiert nach: Peter J. BRENNER, Der Reisebericht in der deutschen Literatur. Ein Forschungsüberblick als Vorstudie zu einer Gattungsgeschichte, Tübingen 1990, 184. 382 Vgl. BUZÁS, Deutsche Bibliotheksgeschichte der Neuzeit, 121f. 75

Bibliotheken, um ganz bestimmte Materialien für ihre Editionsvorhaben oder historische 383 384 Darstellungen zu sammeln,“ wie es etwa Gottfried Wilhelm LEIBNIZ unternommen hatte.

Die dritte Art von Reisenden, die explizit Bibliotheksreisenden „machte(n) sich mit dem ausdrücklichen Ziel auf den Weg, Bibliotheken zu besichtigen, über sie möglichst viele Informationen zu sammeln und zu veröffentlichen“385. Als Beispiel ist hier Zacharias Conrad

UFFENBACH (1683-1734) zu nennen; dessen Reise wurde eigentlich zur Erweiterung seiner Bücherkenntnis unternommen, „sie ‚durchkrochen‘ aber auch 105 Bibliotheken, darunter 45 private“386. Sein Reisetagebuch Merkwürdige Reisen durch Niedersachsen, Holland und Engelland erschien jedoch erst posthum 1753. Zwar schon spät im 18. Jahrhundert, jedoch erwähnenswert ist auch Friedrich Karl Gottlob HIRSCHINGs Versuch einer Beschreibung sehenswürdiger Bibliotheken Teuschlands nach alphabetische Ordnung der Städte in vierbändigem Umfang.

3.4 Klösterliche Buchbeschaffung

Auch Klöster bemühten sich darum, den Inhalt ihrer monastischen Büchersammlungen und Bibliotheken zu mehren, wobei den Klöstern ein Vorteil zu Eigen gewesen ist, der anderen Bibliothekstypen nicht vorbehalten war. Denn wenn hinsichtlich Privatbibliotheken der Fall eintrat, dass der Bibliotheksträger und Sammler verstarb, wurde die oft über Jahre hinweg sorgsam aufgebaute Sammlung bei Auktionen zum Verkauf freigegeben, und entweder im Ganzen versteigert, oder aber, wie es meistens der Fall war, in ihre Einzelteile aufgelöst und verstreut. GEBAUER formulierte dazu treffend:

„Zwar galt in Kreisen der Literär- und Bibliotheksgeschichte die Auktion noch als eines der erträglichsten Mittel, eine Bibliothek zu zerstören, weil die hier verkauften Bücher zu einem großen Teil wieder anderen Gelehrten und ihren Sammlungen zu Gute kamen. Dennoch war es den „Bücherfreunden“ Anlass zu Wehmut und Betrübnis, wie oft in wenigen Tagen und Wochen zunichte gemacht wurde, was vorher in einem langen Leben aufgebaut und gesammelt worden war.“387

Auch Bibliotheken von Fürsten und Gelehrten blieb meist dieses Schicksal nicht erspart, jedoch kam es vor, dass Sammlungen wiederum in anderen Sammlungen vollständig

383 BUZÁS, Deutsche Bibliotheksgeschichte der Neuzeit, 122. 384 Vgl. BRENNER, Der Reisebericht in der deutschen Literatur, 87. 385 BUZÁS, Deutsche Bibliotheksgeschichte der Neuzeit, 122. 386 BUZÁS, Deutsche Bibliotheksgeschichte der Neuzeit, 122. 387 GEBAUER, Bücherauktionen in Deutschland im 17. Jahrhundert, 49. 76

aufgingen, oder aber als Grundstein für noch umfangreichere Sammlungen gelegt wurden, wie es sich zum Beispiel mit der Bibliothek von Herzog AUGUST in Wolfenbüttel verhielt: Auf Basis seiner Sammlung wurde ein ganzes Forschungszentrum gegründet.

Klöstern blieb dieses auflösende Schicksal grundsätzlich erspart, abgesehen von den historischen Säkularisationen sowohl in der Reformationszeit als auch am Ende des 18. Jahrhunderts; denn sie waren institutionell gebunden. Auch ihre Erweiterungspolitik stellte sich einfacher dar als bei den anderen Bibliothekstypen. Diese geschah nicht nur durch fromme Stiftungen, sondern ebenso durch etwaige Schenkungen, als auch bei Klosterbeitritt mitgebrachte und schließlich dort verbliebene Bücher oder den einfachen Bücherkauf.388 Desweiteren machten sich Klöster ihre eigenen Ordensstrukturen zum Vorteil: „Über ein ausgedehntes, weithin am Ordensnetz ausgerichtetes commercium litterarum wurde ein bibliographisches Informationssystem aufgebaut, das weiträumig über die Nationsgrenzen hinweg über die Neuerscheinungen und den ausländischen Büchermarkt informierte; es wurde aber auch für die Beschaffung fruchtbar gemacht.“389 Ein solches System, das auf briefliche Korrespondenz mit anderen Klöstern, Bibliotheken und Gelehrten von Universitäten sowie Akademien aufbaute, lässt sich im Umfeld des Benediktinerklosters Melk durch die Gebrüder

PEZ am Anfang des 18. Jahrhunderts beobachten. Die Ähnlichkeit zu dem Korrespondenznetzwerk der res publica litteraria ist dabei frappierend und auch intendiert. „Im Zusammenhang mit den sich intensivierenden Kontakten der Brüder im regionalen Umfeld von Melk ist auch der Austausch von Doubletten mit den Bibliotheken von Klöstern anderer Orden (…) zu sehen.“390 Durch die Verbindung zur Wiener Hofbibliothek, im

Besonderen mit Johann Christoph BARTENSTEIN (1689-1767), trat speziell Bernhard PEZ (1683-1735), damaliger Bibliothekar des Melker Klosters, in den Korrespondenzzirkel Bartensteins, „in dieses Gefüge von direkter und indirekter Kommunikation“391, ein, und erweiterte seine Verbindungen bis hin zu französischen Maurinern, ebenso wie

388 Vgl. Britta-Juliane KRUSE / Bertram LESSER, Virtuelle und erhaltene Büchersammlungen aus den Augustiner- Chorfrauenstiften Steterburg und Heinigen, in: Sabine GRAEF (Hg.), Sammler und Bibliotheken im Wandel der Zeiten. Frankfurt/M. 2010, 99. 389 SCHMID, "Religioni, scientiis, artibus dedicatum", 22. 390 Thomas WALLNIG / Thomas STOCKINGER, Die gelehrte Korrespondenz der Brüder Pez. Text – Regesten – Kommentare, Bd. 1: 1709-1715, Wien/München 2010, 5. „…namentlich Dürnstein (Übelbacher, Schott), Lilienfeld (Priger), St. Andrä (Erath), St. Dorothea (Angerer) sowie dem Wiener Trinitarierkloster (Johann a Sancto Felice)“. 391 WALLNIG / STOCKINGER, Die gelehrte Korrespondenz der Brüder Pez, 9. 77

protestantischen Gelehrten im Reich,392 und baute sich indirekt eine „benediktinische Gelehrtenrepublik“ auf.393

Eine weitere Möglichkeit des monastischen Bucherwerbs stellten eigene Druckereien dar, die im klösterlichen Verband ihren Platz hatten.394 Jene waren natürlich abhängig von dem kaiserlichen Druckprivileg. Denn „(z)um kaiserlichen ‚Bücherregal‘, also den Hoheitsrechten des Reichsoberhauptes auf dem Gebiet des Buch- und Pressewesens, gehörten nicht nur die Zensurgewalt und die Bücherkommissare, sondern auch das Recht zur Verleihung von Druckprivilegien“; so ein „Privileg erteilte dem Antragsteller, ob Autor, Drucker oder Verleger, das alleinige, zeitlich begrenzte, jedoch erneuerbare Recht zur Vervielfältigung eines Druckwerkes und drohte unrechtmäßigen Nachdruckern strenge Strafen an“.395 Als solche privilegierten Klöster können Tegernsee, St. Ulrich und Afra/Augsburg, St. Gallen, Kempten und Klosterneuburg genannt werden, die in der Barockzeit jeweils eine, zumindest temporäre Klosterdruckerei innehatten, und sowohl für den eigenen, als auch für den Bedarf anderer Klöster druckten, was wiederum ein lukratives Geschäft darstellte.396

3.5 Gleichzeitigkeit von Druck- und Handschrift

Eine andere klösterliche Praxis, die sich schon seit dem Mittelalter als unermessliche Tradition ausbildete, stellte das handschriftliche Kopieren von Büchern und Schriften dar. Speziell in der Zeit der devotio moderna wurde die Produktion von Handschriften vermehrt praktiziert, wobei nicht nur für den persönlichen bzw. den gemeinschaftlichen Gebrauch, sondern auch gegen Entgelt (ab)geschrieben wurde, sozusagen pro pretio,397 denn „(i)nnerhalb der Klosterlandschaften fand, teilweise ordensübergreifend, ein Transfer von

392 Vgl. WALLNIG / STOCKINGER, Die gelehrte Korrespondenz der Brüder Pez, 8f. 393 Unter anderem läuft gerade ein historisches Projekt an der Uni Wien, das sich mit dieser Thematik auseinandersetzt: Monastische Aufklärung und die benediktinische Gelehrtenrepublik – Die Korrespondenz der Brüder Pez (http://www.univie.ac.at/monastische_aufklaerung/de/). 394 Siehe dazu auch: Christoph RESKE, Die Buchdrucker des 16. und 17. Jahrhunderts im deutschen Sprachgebiet. Auf der Grundlage des gleichnamigen Werkes von Josef Benzing, Wiesbaden 2007; Karl SCHOTTENLOHER, Ehemalige Klosterdruckereien in Bayern, in: Das Bayerland 24, 1912/1913, 131-140; und Helmut GIER / Johannes JANOTA, Augsburger Buchdruck und Verlagswesen. Von den Anfängen bis zur Gegenwart, Wiesbaden 1997, speziell für das Kloster St. Ulrich und Afra. 395 WITTMANN, Geschichte des deutschen Buchhandels, 68. 396 Vgl. SCHMID, "Religioni, scientiis, artibus dedicatum", 23. 397 Vgl. Thomas KOCK, Zur Produktion und Verbreitung von Handschriften im 15. Jahrhundert. Das Rechnungsbuch aus dem Augustiner-Chorherrenstift Kirschgarten, in: Rainer A. MÜLLER (Hg.), Kloster und Bibliothek. Zur Geschichte des Bibliothekswesens der Augustiner-Chorherren in der Frühen Neuzeit, Paring 2000, 23. 78

Texten und Handschriften statt“398. Auch im 17. Jahrhundert spielten Handschriften noch eine Rolle. Obwohl zu der Zeit in den Klosterbibliotheken gedruckte Bücher den Hauptteil bildeten,399 waren, abhängig vom jeweiligen Klostergründungsdatum, jedoch nicht nur mittelalterliche Handschriften vorhanden, sondern konnten auch etliche neueren Datums dabei sein, wie es beispielsweise in der Kartause Seitz der Fall war: denn die dortigen Mönche „schrieben auch noch fleißig im 17. Jahrhundert mit der Hand“400. „Leibniz etwa maß den Wert einer Bibliothek vor allem an den in ihr vorhandenen Handschriften“401

Grundsätzlich ist festzuhalten, dass der Buchdruck mit seinem beweglichen, typographischen Letternsystem ab dem 16. Jahrhundert ein stark konkurrierendes Wissensmedium zur herkömmlichen Handschrift wurde. Jedoch kam es nicht zu einem abrupten Verschwinden des Manuskripts, sondern es erfolgte ein fließender Übergang, eine Gleichzeitigkeit von Druck- und Handschriften:402 „Es handelt sich nicht mehr um die Ablösung eines Mediums durch ein anderes, sondern um die Gleichzeitigkeit und um die Formen, in denen die Koexistenz der gedruckten und handschriftlichen Texte in der Frühen Neuzeit in Erscheinung trat.“403 Zum Buchdruck im 17. Jahrhundert ist allgemein zu sagen, dass es einen erheblichen Anstieg an Druckerzeugnissen gegenüber der Vorzeit gegebenen hatte, trotz der Unterbrechung des Dreißigjährigen Krieges und einer darauffolgenden wirtschaftlichen Rezession.404

Weiters ist darauf hinzuweisen, dass in der Buchforschung gerne schon für das frühe 16. Jahrhundert von dem gedruckten Buch als ‚Massenprodukt‘ die Rede ist.405 Natürlich,

398 KRUSE / LESSER, Virtuelle und erhaltene Büchersammlungen, 99. 399 Vgl. Maria MAIROLD / Anton KERN, Die Handschriften der Universitätsbibliothek Graz, Wien 1967, X. 400 MAIROLD / KERN, Die Handschriften der Universitätsbibliothek Graz, XV. Auch, wenn es sich versatzweise nur um Auszüge aus Büchern handelte, so bleibt trotzdem die handschriftliche Tätigkeit. Grund dafür war unter anderem der Versuch der Grazer Jesuiten die Seitzer Bibliothek, die durch die Türkenbedrohung Mitte des 16. Jahrhunderts dezimiert worden war, in die Ihrige zu integrieren, was wiederum die Kartäuser bewog ihren Bestand schnellstmöglich zu vergrößern, um diese Inkorporation zu verhindern. 401 GEBAUER, Bücherauktionen in Deutschland im 17. Jahrhundert, 94. 402 Dazu auch: Gerd DICKE / Klaus GRUBMÜLLER (Hg.), Die Gleichzeitigkeit von Handschrift und Buchdruck, Wiesbaden 2003; Jürgen WOLF, Von geschriebenen Drucken und gedruckten Handschriften. Irritierende Beobachtungen zur zeitgenössischen Wahrnehmung des Buchdrucks in der 2. Hälfte des 15. und des beginnenden 16. Jahrhunderts, in: Andreas GARDT / Mireille SCHNYDER / Jürgen WOLF, Buchkultur und Wissensvermittlung in Mittelalter und Früher Neuzeit, Berlin/Boston 2011, 3-21; u.v.m. 403 SHEVCHENKO, Eine historische Anthropologie des Buches, 145. 404 Vgl. ARNOLD / HÄRTEL, Buchdruck des 17. Jahrhunderts, 121. 405 „…die erstmalige Möglichkeit der seriellen Reproduktion, der massenhaften Zurverfügungstellung identischer Schrift bzw. Texte in hoher, nun noch von der Transportzeit abhängiger Schnelligkeit.“ Wolfgang J. WEBER, Buchdruck. Repräsentation und Verbreitung von Wissen, in: Richard VAN DÜLMEN (Hg.), Macht des Wissens. Die Entstehung der modernen Wissensgesellschaft, Köln/Wien 2004, 68; als auch Vgl. Wolfgang 79

durch das Gutenbergische Buchdrucksystem wurde es möglich gemacht, seriell identische Werke herzustellen, eine Art der effektiveren, typographischen Vervielfältigung, und auch die Aneignung bzw. Zugänglichkeit dadurch wird eine unkompliziertere gewesen sein. Trotzdem ist der Begriff unglücklich gewählt, weil durch das Wort ‚Masse‘ der Eindruck entstehen könnte, dass jeder Mensch ab dem 16. Jahrhundert Bücher besessen hat.406 Jedoch schreibt sowohl Hans Dieter GEBAUER über die „Erzeugnisse“ von den Gewerben Verlag und Buchhandel, dass diese „im 17. Jahrhundert allgemein noch als Luxusartikel galten“407, als auch Galaxis BORJA GONZÁLEZ, dass „selbst für die privilegierte Gruppe aus Gelehrten und Literaten (…) der gedruckte Text – insbesondere das gebundene Buch – kein gewöhnlicher Gegenstand (war), sondern ein Prestige- und Luxusobjekt, das als kostspieliges Arbeitsinstrument diente und meist in Lesekabinetten und Salons ausgestellt wurde“; „(d)ementsprechend blieb das gedruckte und gebundene Buch während des gesamten 18. Jahrhunderts (und darüber hinaus) ein luxuriöser Gegenstand, dessen Besitz eine Trennungslinie zwischen Frauen und Männern, städtischer und ländlicher Bevölkerung, reichen und armen Bürgern markierte“.408 Aufgrund dessen bezeichnet das unglücklich verwendete Wort ‚Masse‘ vielleicht die Anzahl, aber nicht gleichzeitig den Gebrauch bzw. den Besitz, da der finanzielle Aspekt im späten 17. Jahrhundert immer noch ein gegenwärtiger war.

Da in dem Bücherverzeichnis des ehemaligen Chorherrenstifts Pöllau keine einzigen Angaben zu etwaigem Druckort oder Erscheinungsjahr gemacht wurden, kann einerseits nicht eruiert werden, wie das Verhältnis von Druckschriften zu Handschriften aussah. Wobei anzunehmen ist, dass nicht nur gedruckte Bücher in den Bücherkästen gestanden haben, da der Großteil der Werke aus dem 15. und 16. Jahrhundert stammte und einen systematischen und gut durchdachten, katholischen Bestand aufwies, der in der Tradition der reformatorischen bzw. gegenreformatorischen Zeit gestanden hat, in der dieses Kloster gegründet wurde. Anderseits

AUGUSTYN, Zur Gleichzeitigkeit von Handschrift und Buchdruck in Deutschland – Versuch einer Skizze aus kunsthistorischer Sicht, in: DICKE / GRUBMÜLLER (Hg.), Die Gleichzeitigkeit von Handschrift und Buchdruck, 7; u.a.. 406 Dazu muss zusätzlich festgehalten werden, dass „Der traditionellen Annahme, dass die Fähigkeit zu lesen und zu schreiben sich seit dem Anfang des 16. Jh. stetig verbessert habe (…), ist mir Vorsicht zu begegnen“, denn „die Situation sollte sich erst im 19. Jh. verändern“, weil erst die „Alphabetisierungskampagnen und Schulreformen, die Wissensexplosion im Zeitalter der Industriellen Revolution und der Demokratisierungsprozess führten allmählich zur Entstehung eines Massenpublikums, das der Markt infolge technischer Innovationen, Veränderungen in der Preisgestaltung usw. bedienen konnte“. Paul GOETSCH, Lesen und Schreiben im 17. und 18. Jahrhundert. Studien zu ihrer Bewertung in Deutschland, England, Frankreich, Tübingen 1994, 4. 407 GEBAUER, Bücherauktionen in Deutschland im 17. Jahrhundert, 20f. 408 BORJA GONZÁLEZ, Jesuitische Berichterstattung über die Neue Welt, 36. 80

kann nicht nur deswegen, sondern auch anhand der lückvollen Quellenlage zu dieser Bibliothek keine Auskunft über die Anschaffungspolitik der Bibliotheksträger gegeben werden. Auch hinsichtlich dessen ist anzunehmen, dass es sich wie in den anderen Klöstern verhalten haben mag, dass untereinander Bücher, wo Bücher gekauft, geschenkt bzw. gestiftet und teilweise auch handschriftlich kopiert wurden, da man zumindest „von der Existenz dreier Handschriften“409 weiß. Eine gewisse bücherne Verbindung dürfte auch zum Chorherrenstift Vorau bestanden haben. Schon bei der Gründung des Pöllauer Stifts wurden aus dem Vorauer Kapitel sechs Chorherren entsandt, die gemeinsam mit dem erwählten Propst Ulrich von Trautmannsdorf, auch ein Vorauer Chorherr, dort einzogen und das Kloster zuerst belebten.410

Was nun schlussendlich aus der Pöllauer Büchersammlung geworden, so gibt auch die historische Forschung dazu Rätsel auf: Adam WOLF verweist darauf, dass die Bücher bei der Aufhebung des Chorherrenstifts „genau inventarisirt“ wurden, wobei es sei „nicht bekannt, wohin sie verschwunden sind“.411 Die Pöllauer Bibliothek betreffend widersprechen sich die anderen Pöllauer Historiographen gegenseitig nicht, denn sowohl DURACH (1952) als auch

KOHLBACH (1953) und KÖHLDORFER (1984) geben im Zusammenhang mit der Aufhebung des Chorherrenstifts an: „Auch die reiche Bibliothek wird verschleppt, Urkunden und Akten des Archivs sollen als Altpapier pfundweise verkauft worden sein“412, wobei sich

KÖHLDORFER bei diesem Zitat auf DURACH bezieht, bei dem wiederum geschrieben steht: „Auch die reiche Bibliothek wurde verschleppt. Urkunden und Akten des Archivs sollen als Altpapier pfundweise verkauft worden sein.“413 Keine Angaben von Gründen oder anderen

Quellen bzw. Literaturhinweisen. Und auch Maria MAIROLD verweist darauf, dass vom Chorherrenstift „keine einzige Handschrift“, dafür „Bücher, darunter auch Inkunabeln nach 414 Graz“ gekommen seien, sowie auch Ferdinand EICHLER anführt, es seien „wirklich Bücher aus Pöllau in die Grazer Universitäts-Bibliothek gekommen“415. Desweiteren räumt Ferdinand

HUTZ mit einer vielfach falsch vertretenen Meinung auf, dass diese Chorherrenstiftsbibliothek

409 MAIROLD / KERN, Die Handschriften der Universitätsbibliothek Graz, XXII. 410 Vgl. HUTZ, Pöllau, 208f. 411 Adam WOLF, Aufhebung der Klöster in Innerösterreich, 1782-1790. Ein Beitrag zur Geschichte Kaiser Joseph‘s II., Wien 1871, 119. 412 KÖHLDORFER, Besitzgeschichte des Augustiner-Chorherrenstiftes Pöllau in der Oststeiermark, 434. 413 Franz Xaver DURACH, Das Augustiner-Chorherrenstift Pöllau, Graz 1952, 160. 414 MAIROLD / KERN, Die Handschriften der Universitätsbibliothek Graz, XXII. 415 Ferdinand EICHLER, Aus einer österreichischen Bibliothek. Ein Festgruss der Sektion für Bibliothekswesen bei der 50. Versammlung deutscher Philologen und Schulmänner in Graz, Graz 1909, 13. 81

an das Stift Vorau gekommen sei, denn „dem ist leider nicht so“416. Die von Franz 417 WEISSOFNER bearbeiteten Quellen aus dem Archiv der Universitätsbibliothek Graz geben Auskunft über den Schriftverkehr, der nach der Klosteraufhebung stattgefunden hatte, zwischen dem Grazer Bibliothekar Herz und dem „Gubernium“, wobei darüber debattiert wird, was nun mit den Büchern aus Pöllau zu geschehen habe, und ob die Grazer Lycealbibliothek, die in den darauffolgenden Jahren wieder den Status einer Universitätsbibliothek erhielt, an den Werken interessiert sei. Auch von einem mitgeschickten „Bücherkatalog des aufgelassenen Stifts Pöllau“418 sei die Rede. Die Diskussion endet wie folgt: „Zum ersten finden sich unter den im mitfolgenden Katalog verzeichnete Bücher (…) keine für die hiesig k.k. Bibliotheck geeignete, sondern meistens nur alt theologisch scholastische Werke419, welche lediglich den Werth eines Makulartus Papiers hätten;420 wollte man die Bücher zum Verkauf nach Graz bringen lassen, so würden zum zweiten die Kosten der Zulieferung vielleicht mehr als der Werth derselben betragen“421. Es wird vorgeschlagen, sie zu verkaufen. Was nun schlussendlich aus den Büchern geworden ist, bzw. wo sie hingekommen sein könnten, lässt sich nicht auflösen.

416 HUTZ, Archiv und Bibliothek des einstigen Chorherrenstiftes Pöllau, 119. 417 Franz WEISSOFNER, Die Bibliotheken der unter Josef II. und Franz II. (I.) aufgehobenen Klöster des Herzogtums Steiermark zur Zeit der Aufhebung. Eine Darstellung aus den Quellen, Graz 1985. 418 WEISSOFNER, Die Bibliotheken der unter Josef II. und Franz II. (I.) aufgehobenen Klöster, 26. 419 UB Schuber 1786-95, Faszikel 8, 6090. Zitiert nach: WEISSOFNER, Die Bibliotheken der unter Josef II. und Franz II. (I.) aufgehobenen Klöster, 28. 420 UB Schuber 1786-95, Faszikel 6, 11467. Zitiert nach: WEISSOFNER, Die Bibliotheken der unter Josef II. und Franz II. (I.) aufgehobenen Klöster, 28. 421 WEISSOFNER, Die Bibliotheken der unter Josef II. und Franz II. (I.) aufgehobenen Klöster, 28. 82

Conclusio

Ziel dieser Arbeit war es, einerseits die gesellschaftliche und kulturelle Bedeutung und das typologische Aussehen von Büchersammlungen und Bibliotheken speziell im 17. Jahrhundert zu erläutern, als auch die jeweiligen Strategien des Büchererwerbs der unterschiedlichen Bibliotheksträger darzustellen. Andererseits sollte festgestellt werden, ob die Büchersammlung des ehemaligen Augustiner-Chorherrenstifts Pöllau einer ‚auserlesenen‘ und repräsentativen monastischen Bibliothek des barocken Zeitgeistes entsprach. Zusammenfassend ließ sich nun Folgendes feststellen:

Bibliotheken wurden unabhängig von der jeweiligen kulturgeschichtlichen Epoche durch ihren Zweck bestimmt, nämlich schriftliches Wissen, gespeichert in Büchern, aufzubewahren und wieder bereitzustellen. Deswegen hatten sie von jeher eine große Bedeutung für die gelehrte Welt unabhängig von der gesellschaftlichen Schicht, auch aus dem Grund, weil jene oftmals die einzige soziale Absicherung der Erben nach dem Tod des Sammlers verkörperte. Das 17. Jahrhundert stellte im deutschen Sprachraum eine Zeitspanne vieler Umwälzungen und Entwicklungen dar, in der der Dreißigjährige Krieg und die darauffolgenden Jahre eine besondere Herausforderung bedeuteten, nicht nur in wirtschaftlicher, sondern auch in bibliothekarischer Hinsicht. Jedoch konnte sich die deutsche Bibliothekslandschaft allgemein schnell von etwaigen Plünderungen und dem flüchtigen Einbruch im Buchhandel erholen. Neben den Klöstern, Universitäten und den Gelehrten als klassische Bibliotheksträger des Mittelalters und der Frühneuzeit, kam schon vor Beginn des 17. Jahrhunderts im deutschen Sprachraum ein neuer, florierender Bibliothekstypus auf, nämlich jener der Privatbibliothek, deren ambitionierte Träger sowohl Fürsten als auch Adelige an sich waren, die über die notwendigen finanziellen Mittel verfügten. Besonders in den fürstlichen Sammlungen herrschte ein Streben nach Universalität, das jedoch ganz allgemein das 17. Jahrhundert prägte. Dieses Streben wurde sowohl durch das Sammeln gedruckter oder handschriftlicher Bücher ausgedrückt, als auch durch etwaige andere Kuriositäten, die in den Sammlungen ihren Platz fanden. Um die teilweise immer umfangreicher werdenden Büchersammlungen überschaubar und damit benutzbar zu halten, kam besonders von Seiten der gelehrten Bibliothekare die Notwendigkeit der Erstellung eines Bibliothekskatalogs bzw. Bücherverzeichnis auf. Der Katalog war dabei nicht nur ein willkommenes Hilfsmittel und

83

systematisches Werkzeug für die substantielle Fassbarkeit einer Büchersammlung, sondern stellte nebenbei auch ein virtuelles Ebenbild dieser Bibliothek dar.

Während sich die Träger und Offiziellen einer fürstlichen Bibliothek auf einen universalen Buchbestand konzentrierten, der durch Aktualität und Umfang der Werke bestechen sollte, und die Gelehrten ihre Bibliotheken generell auf die grundlegenden Wissensprogramme der Zeit ausrichteten, lag bei klösterlichen Bibliotheken der Schwerpunkt immer noch schlicht auf den religiösen Schriften, die jedoch mehrfach durch Werke aus anderen thematischen Schriftgattungen ergänzt wurden, um auch hier einen universalen Charakter zu unterstreichen.

Im Zeitalter des Barock wurde dem Speicherort Bibliothek auch eine repräsentative Funktion hinzugefügt, denn prägnant für diverse Bibliotheken im 17. Jahrhundert war ein prunkvoller Neu- oder Umbau eines daraufhin repräsentativen Bibliothekssaals im barocken Stil, dem sowohl durch Stuckverzierungen und emblematische Deckenfresken, als auch durch eine pompöse Inneneinrichtung Ausdruck verliehen wurde. Jedoch richteten nicht nur Fürsten ihre Bibliotheksräume demensprechend ein, sondern besonders und allen voran etliche Klöster.

Um die Büchersammlung zu erweitern, betätigten sich die jeweiligen Bibliotheksträger diverser Strategien. Zum einen wurden theoretische Erörterungen über Erwerbung, Ordnung, Vermehrung und Nutzbarmachung einer Bibliothek herangezogen, die im 16. und speziell im 17. Jahrhundert bedeutend und vielzählig waren. Zum anderen wurden nicht nur Bibliothekskataloge anderer Sammlungen als bibliographische Informationen herangezogen, sondern auch Auktions- sowie Messekataloge. Fürstliche Sammler, die über die finanziellen Mittel als auch den notwendigen gesellschaftlichen Status verfügten, ließen für sich sammeln und besorgen, indem nicht nur Gelehrte als Bibliothekare bestellt wurden, die diese Tätigkeit übernahmen, sondern auch von deren Verbindungen bzw. Kontakten Gebrauch gemacht wurde. Die res publica litteraria stellte nämlich ein außerordentlich effizientes Kommunikations- und Versorgungssystem bzw. Besorgungsnetzwerk dar, da die gelehrten Mitglieder über ganz Europa verteilt waren und Bücherkenntnis als beinahe vorauszusetzendes Wissen angesehen wurde. Auch im Buchhandel wurde auf die wirtschaftliche und pekuniäre Situation reagiert: Das ausgeklügelte System des Tauschhandels auf den Messen in Frankfurt und Leipzig regelte die Papier- bzw. Buchzirkulation, in dem gedrucktes Papier auf Gewichtbasis getauscht wurde. Im 18. Jahrhundert veränderte sich der Buchhandel hin zu einem Nettohandel, ausgerichtet auf die Bedürfnisse des lesenden und kaufenden Publikums.

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Das Augustiner-Chorherrenstift Pöllau, das nach anfänglichen testamentarischen Umsetzungsschwierigkeiten am Anfang des 16. Jahrhunderts gegründet wurde, reagierte nur durch wenige Austritte von Konventualen auf die reformatorischen Veränderungen in der Steiermark und blieben den „lutherischen und anderen verführerischen Sekten ganz entgegen“422. Diese katholische Haltung zeichnete sich auch im Bestand der stiftseigenen Büchersammlung ab, denn durch die Untersuchung des Bestandsverzeichnisses, Index omnium librorum existentium in Monasterio Pellensi, das eingebunden in einem Altmatrikenband der Pöllauer Stiftskirche im Grazer Diözesanarchiv aufgefunden wurde, und die Aufschlüsselung des darin verzeichneten Inhalts der Büchersammlung konnte Folgendes festgestellt werden:

Es handelte sich dabei um eine überschaubare Bestandsmenge von etwa 350 verzeichneten Werken, die neben dem Schwerpunkt von religiösen Schriften eine vielfältige Thematik aufweisen. Neben den für die Augustiner-Chorherren typischen, devoten Werken, den vielzähligen Bibelkommentaren und anderen religiös-theologischen Schriften, gesellten sich diverse Schriften der Kirchenväter und scholastische Werke, jedoch prägten besonders die kontroverstheologischen Schriften das Bestandsbild, dass der Sammlung in Anbetracht der theologischen Werke und angesichts der konfessionellen Wirrungen in der Steiermark einen letztendlich gegenreformatorischen Charakter verleiht.

Neben den Theologica prägen aber vereinzelt auch andere, thematische Fächer das Bestandsbild. Sowohl historische, logische und philosophische Schriften antiker und mittelalterlicher Autoren, als auch astronomische und naturphilosophische oder gar philologische Werke, wobei nur vereinzelte, humanistische Schriften vorhanden waren. Neben kirchenhistorischen waren aber vor allem auch juridische, kirchenrechtliche Werke verzeichnet, währenddessen ebenso ein Laienspiegel vertreten war. Auffallend ist hingegen, dass der Großteil der verzeichneten Autoren aus dem 15. und 16. Jahrhundert stammten, und das 17. so gut wie, und das 18. Jahrhundert gar nicht vertreten sind.

Aufgrund dessen ergeben sich folgende Annahmen: Bei der ehemaligen Buchsammlung des Chorherrenstifts Pöllau handelte es ich um eine in der Tradition der devotio moderna stehenden, ansatzweise gegenreformatorischen, späthumanistischen Klosterbibliothek, wobei die kontroverstheologische Literatur vor allem als Reaktion auf die Umwelt interpretiert werden kann. Der Bestand der Bücher wurde dabei systematisch und gezielt aufgebaut und erweitert, unter anderem wegen der relativ späten Gründung des Stifts 1504.

422 HUTZ, Pöllau, 212. 85

Der Bestand weist durch seine, nur in Ansätzen versuchte, universale Gesinnung nicht unbedingt auf eine barocke Sammlung, jedoch unterstreicht der architektonische Charakter des Bibliothekssaals, nach dem Umbau des Stifts und Neubau des Bücherraums in den 1690er Jahren, dies in augenscheinlicher Tatsache, sowohl durch die angebrachten Stuckverzierungen und emblematischen, allegorischen Deckenfresken, als auch die im kommissarischen Endinventar im Zuge der Klosteraufhebung 1785 angeführten zwei Globen, die Bücher Windten und das Einhorn in einem Futerall, die zur Bibliotheksausstattung gehörten.

Weiters wird davon ausgegangen, dass es sich bei dem aufgefundenen Verzeichnis um einen Index aus dem 17. Jahrhundert handelt, der im Zuge des Bibliotheksneubaus angelegt wurde. Die kaum bzw. nicht vorhandene Literatur aus dem 17. und 18. Jahrhundert als auch der letztendliche Fundort sprechen dafür, denn die Matriken beinhalten die Aufzeichnungen von 1647 bis 1658. In der Pöllauer Historiographie herrscht jedoch Einigkeit in der Uneinigkeit: dass die Büchersammlung verschwunden ist und mit ziemlicher Sicherheit aufgeteilt wurde.

Grundsätzlich ist damit festzuhalten, dass im 17. Jahrhundert der Bücherbesitz und vor allem der Aufbau einer eigenen Bibliothek als Statussymbol fungierten und damit eine zeitgenössisch hohe gesellschaftliche Bedeutung innehatten. Bei der Pöllauer Bibliothek handelte es sich dabei um eine ‚auserlesene‘ Klosterbibliothek, die in einem besonders repräsentativen Bibliothekssaal im barocken Stil untergebracht war. Dies geschah ganz im Zeitgeist des barocken 17. Jahrhunderts, nämlich den vorhandenen Buchbestand auch gewählt ästhetisch zu präsentieren. Mit dieser Buchbestanduntersuchung wurde sowohl ein ein kulturgeschichtlicher Beitrag für die Steiermark, als auch ein allgemein bestandsgeschichtlicher für den deutschen Sprachraum geleistet.

Abschließen möchte ich hier mit folgendem Zitat, das die kulturelle Bedeutung und den geistesgeschichtlichen Umfang von Bibliotheken widerspiegelt:

„Bibliotheken entstehen und wachsen nicht um ihrer selbst willen, sondern sind eingefügt in die Geschichte der Gelehrsamkeit, der Wissenschaften, der Bibliophilie und somit in die Kulturgeschichte und mit ihr in die Weltgeschichte.“423

423 MILDE, Mittelalterliche Bibliotheken in der neueren Bibliotheksgeschichtsschreibung, 388. 86

Quellen und Bibliographie

Ungedruckte Quellen

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Danksagung

An dieser Stelle möchte ich

Renate Pieper danken, für ihre unermüdliche Aufmerksamkeit, ihren sprühenden und ansteckenden Enthusiasmus verbunden mit historischen Erkenntnissen und ihre wissenschaftliche als auch persönliche Unterstützung und Motivation.

Günther Bernhard danken, durch dessen thematischer Anstoß und fachkundige Auskunft die Themenfindung ins Rollen gebracht wurde.

Meinem Vater Friedrich Mörtl danken, für seine bereitvolle Unterstützung und väterliche Geduld, als auch für die freudige Bereitschaft, Korrektur zu lesen.

Eva Bella herzenspersönlich danken, für ihre jahrelange und innige Freundschaft und ebenso für das kräftige Ansetzen ihres Korrekturstiftes.

Den ehrenamtlichen Mitgliedern der Gruppo Renata danken, für ihre aktive und freundschaftliche Begleitung durch die letzten Semester meines Studiums.

Meiner Mutter Gisela Mörtl danken, für ihre liebevolle, humorvolle und unterstützende Lebensweise, und Uschi Mörtl, für ihr verbundenes Schwesternsein.

Und Matthias Wolf danken, für seine unterstützende Aufmunterung, und sein fröhliches Wesen, das mein Dasein löwenzahnig bereichert.

Gewidmet meinem Großvater Herwig Mörtl in Erinnerung an unsere zahlreichen begeisterten Diskussionen beim Mittagessen, die jeweils mit dem Teilen der letzten nach-tischlichen Eiswaffel ein friedliches Ende fanden.

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