BIBLIOTHEKS M AGAZIN

MITTEILUNGEN AUS DEN STAATSBIBLIOTHEKEN 2 2010 IN UND MÜNCHEN

In dieser Ausgabe

Jüdische Displaced Persons im Fische, Frösche, Schnecken, Trauben Russische Weltchronik im Faksimile Nachkriegsdeutschland Start ins Veranstaltungsjahr 2010 Die Schere im Kopf und anderswo Untergang und Neubeginn Archäologennachlässe in der Bestandsaufbau virtuell „We may meet again …“ Staatsbibliothek zu Berlin „Geist von Clemens und Bettinen“ Der Kunstmäzen Willy Levin Der Aventinus-Forschungslesesaal der Bayerischen Staatsbibliothek Natur- und Geisteswissenschaften Theodor Fontanes Notizbücher im Gespräch Wie man Damen zersägt und immer Teilnachlass Kaulbach für die BSB ein Ass im Ärmel hat Judenmission und Bücherraub BIbliotheks m agazin

INHALT

Seite 3 „SCHEITE, DEM FEUER ENTRISSEN …“ Jüdische Displaced Persons im Nachkriegsdeutschland und ihre Bücher: Vom Aufbau einer Sammlung in der Orientabteilung der SBB-PK Eva-Maria Thimme

Seite 8 UNTERGANG UND NEUBEGINN Der fotografische Nachlass von Tino Walz (1913–2008) im Bildarchiv der Bayerischen Staatsbibliothek Hermann Liebherr

Seite 13 „WE MAY MEET AGAIN AND BE TOGETHER AS IN FORMER YEARS“ Neue Bonhoeffer-Dokumente für die Staatsbibliothek zu Berlin Jutta Weber

Seite 17 Ein unbekannter Kunstmäzen der Jahrhundertwende: WILLY LEVIN ZUM 150. GEBURTSTAG Maximilian Schreiber

Seite 20 THEODOR FONTANES NOTIZBÜCHER Gabriele Radecke

Seite 23 BAYERISCHE STAATSBIBLIOTHEK ERWIRBT TEILNACHLASS DER MALERFAMILIE KAULBACH Maximilian Schreiber

Seite 26 FISCHE, FRÖSCHE, SCHNECKEN UND TRAUBEN Zur Restaurierung naturhistorischer Prachtwerke mit Unterstützung der Ernst von Siemens Kunststiftung Katrin Böhme

Seite 30 FULMINANTER START IM VERANSTALTUNGSJAHR 2010 Bayerische Staatsbibliothek feiert zwei bedeutende Ereignisse Peter Schnitzlein BIbliotheks m agazin

Seite 33 GERHART RODENWALDTS PERSÖNLICHE KORRESPONDENZ Zu den Archäologennachlässen in der Staatsbibliothek zu Berlin Hermann Parzinger

Seite 37 NEUE ARBEITSUMGEBUNG FÜR DIE GEISTES- UND NATURWISSENSCHAFTEN Der Aventinus-Forschungslesesaal der Bayerischen Staatsbibliothek Peter Schnitzlein

Seite 40 Wie man Damen zersägt, immer ein Ass im Ärmel hat und sein Publikum bezaubert: ZAUBERBÜCHER AUS DER SAMMLUNG FECHNER Silke Trojahn

Seite 44 JAHRESEMPFANG DER GENERALDIREKTORIN UND DES VORSITZENDEN DER FREUNDE DER STAATSBIBLIOTHEK ZU BERLIN

Seite 46 Russische Weltchronik aus dem 16. Jahrhundert im Faksimile GESCHENK AN DIE BAYERISCHE STAATSBIBLIOTHEK Interview mit Charis Mustafin Gudrun Wirtz / Filip Hlusˇicˇka

Seite 51 DIE SCHERE IM KOPF UND ANDERSWO Zeitungen, Zensur und Selbstzensur Alexander Fiebig

Seite 55 BESTANDSAUFBAU VIRTUELL Bibliotheksübergreifende Lizensierung elektronischer Ressourcen Hildegard Schäffler / Ursula Stanek

Seite 60 „GEIST VON CLEMENS UND BETTINEN“ Margherita von Brentano und ihr Nachlass in der Staatsbibliothek zu Berlin Angela Holzer

Seite 66 GRENZFRAGEN Naturwissenschaften und Geisteswissenschaften im Gespräch Peter Schnitzlein

Seite 69 JUDENMISSION UND BÜCHERRAUB Die Berliner Staatsbibliothek restituiert Drucke aus der „Bibliothek der Gesellschaft zur Beförderung des Christentums unter den Juden“ Michaela Scheibe / Heike Pudler / Martin Hollender

Seite 75 KURZ NOTIERT BIbliotheks m agazin

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„SCHEITE, DEM FEUER ENTRISSEN …“

Jüdische Displaced Persons im Nachkriegsdeutschland und ihre Bücher: Vom Aufbau einer Sammlung in der Orientabteilung der SBB-PK

Es war ein schmaler Band, auf schlech- 9, 14; 15. 2K19, 30; 31), deren Anzahl Dr. Eva-Maria Thimme tem Papier und blass gedruckt, der im man auf 50 000 bis 75 000 schätzt. Ins- ist Fachreferentin für Judaistik und Hebraistik in der Orientabteilung Mai 1950 – Sivan 5710 nach der jüdi- gesamt fanden die Alliierten auf dem Ge- der Staatsbibliothek zu Berlin schen Zählung – in Bergen-Belsen er- biet der späteren westlichen Besatzungs- schien. Auf 46 Seiten wurden 58 Publika- zonen 6,5 bis 7 Millionen „Displaced tionen vorgestellt, die zwischen 1945 Persons“ — Kriegsgefangene, Zwangs- und 1950 in der britischen Besatzungs- arbeiter, KZ-Häftlinge – vor, deren Ver- zone veröffentlicht worden waren. Bei sorgung die jeweilige Militäradministra- den Verfassern dieser Bücher und ihren tion vor ein schier unlösbares Problem Lesern handelte es sich ausnahmslos um stellte: Sie mussten untergebracht, mit jüdische Überlebende der östlichen Kon- Lebensmitteln und Kleidung versehen zentrationslager sowie der berüchtigten sowie medizinisch betreut und, sofern Todesmärsche, die in den bestehenden, ihre Verfassung es gestattete, in ihre unvorstellbar überfüllten KZs der west- Herkunftsländer zurückgeführt werden. lichen Regionen Deutschlands Ende 1944/Anfang 1945 endeten. Vergleichsweise zügig verlief die Repatri- ierung in die west- und südeuropäischen Hier hatten die aus allen besetzten Län- Länder; problematischer war der Fall der dern Deportierten die Befreiung durch sowjetischen Bürger, die in Scharen aus amerikanische oder britische Einheiten der sowjetischen Besatzungszone flohen und die bedingungslose Kapitulation des bzw. sich weigerten, in ihre Heimat zu- Deutschen Reiches erlebt – das Ende rückzukehren, nachdem bekannt gewor- von Verfolgung und Demütigung, gewiss, den war, dass kriegsgefangene Armee- aber was wollte das angesichts des angehörige und Zwangsarbeiter als „Churban“, des Genozids, der Leiden in Verräter und Kollaborateure vor Militär- Lagern und Ghettos, des hohen Preises gerichte gestellt und zu hohen Haftstra- für den militärischen Sieg bedeuten? fen in sibirischen Lagern verurteilt wur- den. Vollends aussichtslos schien die „She’erit ha-Pletah“, Rest der Gerette- Lage der jüdischen Überlebenden aus ten, nannten sich die jüdischen Überle- den ost- und südosteuropäischen Län- benden mit einem biblischen Begriff (Esra dern, die über Familie und Freunde hin- BIbliotheks m agazin

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sen, wann und wohin die Reise weiterge- hen werde. Denn ein Verbleiben im Land der Mörder erwog wohl kaum jemand. Wer nicht auf ein Visum für die USA, Kanada oder hoffte, bereitete sich auf die „Aliyah“, die Einwanderung nach Palästina, vor.

Beide Optionen waren zunächst nicht oder nur bedingt realisierbar. Abgesehen von den genannten Staaten erteilten nahezu alle Länder nur solchen Personen Einreise- und Aufenthaltsgenehmigungen, die sich in einwandfreier physischer und psychischer Verfassung befanden sowie wohlhabende Verwandte am Ort besa- ßen. Hinzu kam, dass England, Mandats- macht in Palästina, ein striktes Einwande- rungsverbot über die Region verhängt hatte: seit den späten 20er-Jahren sah es sich in einen zusehends härter geführten Zweifrontenkrieg mit aufständischen Palästinensern einerseits, jüdischen Immi- granten und deren Untergrundarmee andererseits verwickelt. Mit äußerstem Unbehagen registrierten daher die briti- schen Behörden in den anglo-amerikani- schen Besatzungszonen die Umtriebe zahlreicher zionistischer Gruppierungen Szlojme Mayer aus auch buchstäblich ihre Heimat ver- – mehr noch: die erfolgreiche Organisa- Der Untergang fun Zloczów loren hatten. Ihre Häuser, Städte, Kul- tion der klandestinen Immigration nach München 1947 turlandschaften waren restlos zerstört, Palästina, die zu unterbinden letztlich

Nahezu alle in den Camps veröffent- weite Teile Polens und der westlichen nicht gelang. lichten Bücher waren in den beiden Sowjetunion sollten durch die Taktik der den osteuropäischen Juden geläufigen „verbrannten Erde“ auf Jahrzehnte un- Die Mehrheit der jüdischen DPs musste Sprachen verfasst, die säkularen bewohnbar bleiben. sich auf einen längeren Aufenthalt im Werke auf Jiddisch, religiöse Literatur auf Hebräisch. Gelegentlich waren „Wartesaal“ von „Trizonien“ einstellen. nicht genügend hebräische Lettern Der „Rest der Geretteten“ befand sich, In Gebäuden ehemaliger Arbeits- und vorhanden, dann wurde ein Buch auf wie es Zalman Grinberg, der erste Vor- selbst Konzentrationslager, in Wehr- Jiddisch geschrieben und mit lateini- sitzende des „Zentralkomitees der machtskasernen und eilends errichteten schen Buchstaben gesetzt. befreiten Juden in der amerikanischen Baracken untergebracht, begannen sie, Zone“ im Herbst 1945 formulierte, mit Unterstützung durch das UN-Flücht- gleichsam „im Wartesaal“, ohne zu wis- lingswerk und amerikanisch-jüdische BIbliotheks m agazin

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Shmuel Galbort Dos geto in flamen München 1948

Der Verfasser – Schriftsteller, Pädagoge und zionistischer Politiker in Litauen – überlebte das Ghetto von /Kovno. In seinem Doku- mentarroman schildert er Leben und Sterben im Ghetto sowie den Beginn des bewaffneten Widerstands.

Hilfsorganisationen, eine provisorische den war diese neuerliche Fluchtbewe- Existenz aufzubauen. gung zum einen durch Pogrome in Kielce und anderen polnischen Ortschaften, Ebenso unvermutet wie dramatisch stieg wohin jüdische Bürger nach ihrer Befrei- die Zahl der jüdischen DPs durch meh- ung aus Lagern, Ghettos und prekären rere Flüchtlingswellen an, die Ende 1946/ Verstecken bzw. nach ihrer Demobilisie- Anfang 1947 die west- und südwestdeut- rung aus Armee- und Partisaneneinheiten schen Camps erreichten: Ausgelöst wor- zurückgekehrt waren; zum andern durch BIbliotheks m agazin

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ostjüdischen „Shtetl“ noch einmal entfal- tete.

Strenge, aller Mystik abholde Rabbiner, chassidische Zaddikim, religiöse, sozialis- tische, militant-„revisionistische“ Zionis- ten, Angehörige der anti-zionistischen Arbeiterorganisation „Bund“, „Hebra- isten“ und „Yiddischisten“, Fromme und Freidenker – sie alle gehörten zur Ge- meinschaft der „She’erit ha-Pletah“ mit einem grundsätzlich identischen Schicksal in der jüngsten Vergangenheit – und dem Anspruch, je unterschiedliche Hoffnun- gen auf eine bessere Zukunft hegen und propagieren zu dürfen. Es mutet kaum glaublich an, dass Men- schen, mit knapper Not Gaskammern und Erschießungskommandos, Typhus- epidemien und Hungertod entronnen, das Herstellen und Lesen von Büchern ein vordringliches Anliegen war.

Da gab es Werke aus dem reichen Fun- dus der religiösen Literatur – Bibeln und Bibelkommentare, Talmudtraktate, Gebetbücher, Liturgien zu Feiertagen, Schriften zur religionsgesetzlich vorge- schriebenen Lebensführung – und kaum eines von ihnen, das nicht auf diese oder jene Weise Bezug nahm auf die jüngst erlittene Katastrophe. Der 1948 in Mün- chen publizierte 19-bändige „Survivors’ Bavli – Masekhet Bekhorot eine rapide sich verschärfende Kampagne Talmud“ war – ein Unikum unter den Hg. von der Rabbinervereinigung in gegen „Kosmopoliten, Zionisten und jü- grundsätzlich schmucklos gehaltenen Tal- der amerikanischen Zone Deutsch- dische Reaktionäre“ in der Sowjetunion. lands, 19 Bände, München-Heidel- mudim – mit einem Titelblatt versehen, berg 1948 auf dem im unteren Teil dargestellt ist,

In zahlreichen, überwiegend religiösen 1947 lebten in westdeutschen Lagern wie Häftlinge in einem KZ Leichen auf Werken – so auch hier – wurde das etwa 200 000 ostjüdische DPs – und einen Karren stapeln; gesprengte Sta- hebräische Wort für Deutschland, paradoxerweise war es hier, dass sich cheldrahtumzäunungen zeigen, Wegwei- Germanyah, nicht ausgeschrieben, da unter dem Schutz der westlichen Besat- sern gleich, das Ziel im oberen Teil des die letzten beiden Buchstaben YH zum Tetragrammaton, dem unaus- zungsmächte die spirituelle, intellektuelle Titels an: die im Sonnenglanz liegende sprechbaren Gottesnamen gehören. und kulturelle Vielfalt des traditionellen Burg Zion zu Jerusalem. BIbliotheks m agazin

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Zahlreiche Werke der säkularen Litera- Yitshak Perlov tur sind mit dem anschaulichen Symbol Eksodus 1947 – Poeme München 1948 eines Baumes versehen, dessen Stamm gefällt und abgestorben ist, dessen Wur- Der Dichter Yitshak Perlov (1911– zeln aber tief in die Erde reichen; aus sei- 1980) gehörte zu den 4500 Passa- nem Stumpf brechen neue Triebe her- gieren der „Exodus 47“, die 1947 vor, die die Konturen des Landes Israel von Sète aus Jaffa anlief. Die briti- schen Behörden verhinderten nicht bilden. Neben Ausgaben von „Klassi- nur die Einreise der Immigranten, kern“ der modernen hebräischen und sondern erzwangen deren Rückkehr jiddischen Literatur sind in dieser Kate- nach Europa: auf drei mit Stachel- gorie die ersten Dokumentationen des drahtverhauen umgebene und von englischer Militärpolizei bewachte Genozids in Wort und Bild bemerkens- Lager in Norddeutschland verteilt, wert: sie bezeugen Leiden und Sterben, konnten die Überlebenden erst nach aber auch Widerstand und Lebenswillen der Gründung des Staates Israel zu der Verfolgten. Von besonderer Bedeu- ihrer „Aliyah“ aufbrechen. tung waren Wochenzeitungen und Zeit- schriften, mit deren Hilfe vermisste An- gehörige gesucht und gefunden wurden. pheten (Sacharja 3,2; ähnlich Amos 4,11) Nicht zuletzt kommt jenen Bildbänden für den Überlebenden von Krieg und ein hoher dokumentarischer Wert zu, Verfolgung gilt für jedes einzelne Exem- die das Leben im „Wartesaal“ zeigen: plar dieser Sammlung gleichermaßen. die Ausbildung von Kindern und Jugend- lichen, die kulturellen und sportlichen Veranstaltungen, die Tätigkeit von Rabbi- nern, Ärzten, Druckern und Schriftstel- ZUR UMSCHLAGABBILDUNG lern. Nicht Stolz, eher melancholisch gestimmtes Selbstbewusstsein spricht aus dieser Literatur, zu der auch die eingangs Dos Judische Wort erwähnte, von B. Kossovski zusammen- Zentralorgan fun Agudat Yisrael in gestellte Bibliographie gehört. Deitschland Nr. 2, 3. März 1946 Insgesamt dürften es 400 Werke sein, die Feldafing in den Camps zwischen 1945 und dem Beginn der 50er-Jahre veröffentlicht wur- Die orthodoxe Vereinigung „Agudat den. Mit dem Erwerb des Münchener Yisrael“ machte sich in den Lagern ins- und weiteren 200 Drucken hat besondere um die religiöse Betreuung die Orientabteilung der SBB-PK begon- und Ausbildung von Kindern und Jugend- nen, diese Literatur zu sammeln und zu lichen verdient. Sie unterhielt in jedem erschließen. Lager Schulen, Altersheime und Kran- kenhäuser, vielfach hatte sie auch die Lei- „Ud mutsal me-esh“ – dem Feuer entris- tung der Lagerküchen inne, um kosche- senes Scheit: das bildhafte Wort der Pro- res Essen zu garantieren. BIbliotheks m agazin

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UNTERGANG UND NEUBEGINN

Der fotografische Nachlass von Tino Walz (1913–2008) im Bildarchiv der Bayerischen Staatsbibliothek

Hermann Liebherr „Untergang und Neubeginn“ – so arbeitet in der Abteilung Benutzungs- betitelte Tino Walz seine 2003 dienste und in der Abteilung Karten und Bilder der Bayerischen Staats- erschienene Autobiografie. Die- bibliothek ser Titel umreißt auch das Thema seiner Fotografien, die er testa- mentarisch der Bayerischen Staatsbibliothek vermacht hat.

Der Schweizer Architekt war bei der Bayerischen Verwaltung der Staatlichen Schlösser, Gärten und Seen angestellt und erlebte mit, wie große Teile Münchens durch Die Münchner Frauenkirche um 1946. Die Reste des Dachstuhls sind bereits 73 alliierte Luftangriffe zerstört entfernt. wurden. Trotz erheblicher Risiken – es drohte eine An- unten: Tino Walz im März 1945 auf zeige wegen „Wehrkraft- der Mensa eines zerstörten Altars der Heilig-Geist-Kirche in München. zersetzung“ – hielt er die Bombenschäden in über 200 Bildern fest. BIbliotheks m agazin

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Einer breiteren Öffentlichkeit wurde Tino Walz durch seine Kulturgüter- Rettungsaktionen am Ende des Krie- ges bekannt: Die in Blechkästen ein- geschweißte Graphiksammlung der Veste Coburg versenkte er im Te- gernsee. Die Preziosen der Schatz- kammer der Residenz verfrachtete er mit seinem Opel Kadett zunächst nach Schloss Neuschwanstein, dann in den Keller eines Bauernhauses bei Gmund am Tegernsee. Nachdem er sich einige Wochen lang in die Schweiz abgesetzt hatte, offenbarte er den Amerikanern die Verstecke. Auch diese heiklen Missionen wur- den im Bild festgehalten.

oben links: 1944 brachte ein Bom- oben rechts: Haltestelle der bentreffer die Halle im Grottenhof „Bockerlbahn“ auf dem Areal des der Residenz zum Einsturz. Die Verkehrsministeriums in der Arnulf- zuvor „nur“ ausgebrannten „Rei- straße 1944. chen Zimmer“ wurden vollständig zerstört. Mitte: Zwangsarbeiterinnen aus Osteuropa 1945 auf dem Gewölbe links: Blick durch den zerstörten der Hofkapelle beim Säubern von Steinzimmertrakt am Kaiserhof der Ziegelsteinen. Handschuhe wurden Residenz zur Theatinerkirche um den Frauen offensichtlich nicht zur 1945. Verfügung gestellt. BIbliotheks m agazin

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Die in Kisten verpackten Kunst- gegenstände aus der Schatzkammer der Residenz auf Tino Walz’ Opel Kadett vor Schloss Neuschwanstein, 23. April 1945.

oben rechts: Auffindesituation der unter Schutt begrabenen „Patrona Boiariae“ 1945.

unten: Das gestürzte „Ehrenmal“ für die Hitlerputschisten von 1923 an der Feldherrnhalle vor dem Abtrans- Der größte Teil der Sammlung zeigt die port durch Mitarbeiter der Residenz- unmittelbar nach Kriegsende aufgenom- Bauleitung zur Bronzeschrottverwer- mene erste Wiederaufbauphase der tung. An einem der Haken für Kränze fast vollständig zerstörten Münchner hängt der geköpfte Reichsadler. Residenz. Wertvolle Rohstoffe wurden Aus der so gewonnenen Bronze wur- gesichert. Mit einer „Dachaktion“ wur- den Zepter und Reichsapfel der den die Ruinen gegen die Witterung „Patrona Boiariae“ nachgegossen. geschützt. Die Innenhöfe wurden vom Bis zur Wiederherstellung der Resi- denzfassade wurde die Madonna im Schutt befreit, erste kulturelle Veranstal- Brunnenhof aufgestellt (rechts). tungen organisiert. BIbliotheks m agazin

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Weil er sich mit seinen Vorstellungen zur oben links: Schon im August 1945 oben rechts: 1946–1947 wurden die Gestaltung des neuen Herkulessaals nicht fand das erste „Grottenhofkonzert“ eingestürzten Gewölbe des Antiqua- statt. Die Konzerte unter den Not- riums rekonstruiert. Von den „Kur- durchsetzten konnte, verließ Walz 1949 dächern fanden regen Publikums- fürstenzimmern“ im oberen Stock die Residenzbauverwaltung und machte zuspruch. waren nur die Außenmauern stehen sich selbständig. Er widmete sich u. a. geblieben. Hier befand sich übrigens der Landesplanung in der Schweiz. Bis zu 1571–1599 der Standort der her- zoglichen Hofbibliothek, der heutigen seinem Tod blieb er jedoch den „Freun- unten links: Der damals älteste Bau- Bayerischen Staatsbibliothek. den der Residenz“ verbunden und enga- teil der Residenz, das Ballspielhaus gierte sich im Münchner Kulturleben. der Neuveste, wurde bis Mai 1946 unten rechts: Die während des Krie- zum „Theater am Brunnenhof“ ges ausgelagerten Rokoko-Schnitze- umgebaut. 1958 musste es dem reien des Cuvilliéstheaters wurden Auch seine Reiseeindrücke hielt Tino Foyer des in den Apothekenstock ver- 1945 im Schloss Schleißheim ge- Walz im Bild fest. So finden sich Motive legten Cuvilliéstheaters weichen. trocknet und sortiert. BIbliotheks m agazin

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Die Nürnberger Altstadt-„Steppe“ 1951: Links die Frauenkirche, rechts das Hans-Sachs-Denkmal auf freiem Feld.

Mitte: Der zerstörte Thronsaal in u. a. aus Würzburg, Veitshöchheim, Klenzes Festsaalbau der Residenz. Nürnberg, Bamberg, Berlin, Paris und Die Gewölbe des Erdgeschosses wur- natürlich der heimatlichen Schweiz. den teilweise durchschlagen, einige Wittelsbacher-Statuen stürzten ab. Hier entstand 1951–1953 der Neue Alle 1003 Aufnahmen sind nun, neben Herkulessaal. dem Fotoarchiv Hoffmann, den im Auf- bau befindlichen Fotoarchiven Timpe, Johannes und Fruhstorfer und der Por- trät- und Ansichtensammlung, als JPEGs

in der Datenbank des Bildarchivs der Bayerischen Staatsbibliothek einsehbar (www.bsb-muenchen.de ➙ Literatur- suche ➙ Spezialbestände ➙ Bilder). Auf Anfrage werden Scans in hoher Auf- lösung, gegen entsprechende Gebühr, für Publikationen zum Download bereit- gestellt. Reiseimpressionen aus Paris: Am Stand eines Bouquinisten am Seine- Quai, Winter 1934/1935. (Kontakt: [email protected]) BIbliotheks m agazin

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„WE MAY MEET AGAIN AND BE TOGETHER AS IN FORMER YEARS“

Neue Bonhoeffer-Dokumente für die Staatsbibliothek zu Berlin

Zu den bekanntesten Nachlässen, die die nen Briefen, Manuskripten und persön- Dr. Jutta Weber Handschriftenabteilung der Staatsbiblio- lichen Dokumenten auch eine große ist stellvertretende Leiterin der Handschriftenabteilung der thek zu Berlin verwahrt, gehört der Nach- Menge an Fotokopien und Abschriften. Staatsbibliothek zu Berlin lass Dietrich Bonhoeffers. Es ist im letz- Diese hatte Bethge von Verwandten, ten Jahr unter großzügiger finanzieller Freunden und anderen Briefpartnern Beteiligung zahlreicher durch den Freun- Dietrich Bonhoeffers erbeten, um dessen des- und Förderverein der Staatsbiblio- Leben und Werk möglichst vollständig thek gewonnener Sponsoren gelungen, dokumentieren zu können. Gleichzeitig diesen Nachlass restaurieren zu lassen benötigte er diese Kopien auch zur und ihn um wertvolle Originalbriefe zu Arbeit an der 1999 abgeschlossenen ergänzen. Bonhoeffer-Werkausgabe. Zu den meist nur mit Kopien vertretenen Briefen zählt Noch in diesem Jahr soll der Nachlass auch die Korrespondenz Dietrich Bon- Bonhoeffers durch seine Digitalisierung hoeffers mit seiner Familie. einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich werden. Die Fülle des Materials in die- Aus dem Nachlass der 1999 verstorbe- sem Nachlass, der Bonhoeffers theolo- nen Zwillingsschwester Sabine, die 1926 gische Werke, Korrespondenz und Le- den Rechtsgelehrten Gerhard Leibholz bensdokumente ebenso umfasst wie heiratete und mit diesem 1938 ins Exil Fotos, politisch wichtige Dokumente und nach ging, konnte nun eine die- Briefe bedeutender Zeitzeugen, lädt ein, ser Lücken im Nachlass geschlossen wer- Lebensgeschichte, Wissenschaft und den. Mit der Übernahme der Nachlässe menschliches wie politisches Umfeld der Sabine Leibholz’ und ihrer Tochter Ma- bekanntesten und am meisten verehrten rianne kamen nicht nur interessante Kor- Persönlichkeit des deutschen Wider- respondenzen Sabine Leibholz’ mit den stands zu studieren. Eltern, anderen Geschwistern und Freun- den sowie ihre Manuskripte (Nachl. Als der Nachlass Bonhoeffers 1996 aus 479), sondern auch die Originale der an dem Besitz des Schülers und vertrauten sie gerichteten Briefe Dietrich Bonhoef- Freundes, Eberhard Bethge, erworben fers (Nachl. 478) in die Staatsbibliothek. wurde, enthielt er neben den unzähligen als Original verwahrten und nach 1945 Die neu erworbenen 70 Briefe und Post- von Bethge mühevoll zusammengetrage- karten stammen aus den Jahren 1910 BIbliotheks m agazin

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spielt hinein: Die Großmutter väterlicher- seits, Julie Bonhoeffer, die in Tübingen ein Haus besitzt, will nach Berlin ziehen, Sabine soll mit den Eltern darüber spre- chen, wie sie im Haus in der Marienbur- ger Allee untergebracht werden kann. Der undatierte Brief endet mit einer Er- wähnung des Hitler-Putschversuchs am 8./9. November 1923 in München: „Es gehen schreckliche politische Gerüchte in der Stadt, und die Zeitungen sind auch so unzuverlässig und sensationell. Ganz Süddeutschland soll sich vom Reich los- gesagt haben!“

Am 11. Oktober 1938 – Familie Leibholz war am 9. September mit dem Grenz- übertritt in Basel die Emigration nach London geglückt, wo Dietrich Bonhoef- fer in seinen ehemaligen Pfarrgemeinden ihre Aufnahme vorbereitet hatte – schreibt er an den Schwager mit konkre- ten Hinweisen, wie die Familie sich in London besser zurechtfinden könne. So gibt er ihm z. B. die Adresse und Telefon- nummer des Londoner Freundes und Amtskollegen an der St. Georggemeinde, Julius Rieger, und nennt weitere „Leute, die Ihr besuchen könntet.“

Eine Fülle von Informationen lassen sich bis 1941. Einer der ersten – noch nicht aus diesen Briefen herauslesen; sie ver- eigenhändigen – Briefe ist von Dietrich dichten das Bild, das Eberhard Bethge in und Sabine an die Eltern gerichtet: „In seiner Biographie des Freundes zeichnet unserem Garten haben wir Schokoladen- und das Dietrich Bonhoeffers Charisma klöße aus Erde gebacken, die schmeck- ausmacht: Die uneingeschränkte Zu- ten sehr schön. Liebe Mama, darf ich Dir wendung zu den ihm wichtigen Aufgaben, auch einmal einen solchen machen, wenn seien sie auf politischem, sozialem oder Du wiederkommst?“ familiärem Gebiet.

In einem Brief aus Tübingen, dem ersten Zu den Originaldokumenten gehört auch Studienort Bonhoeffers, geht es ebenfalls eine Postkarte Dietrich Bonhoeffers, ge- um die Familie, doch auch Politisches schrieben an seine Schwester am 20. Juni BIbliotheks m agazin

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1939 aus New York. Dorthin hatte er Maria von Wedemeyer auf Betreiben amerikanischer Freunde eine Einladung zur Teilnahme an einem Sommer-Kurs der Columbia University und des Union Theological Seminary erhalten, durchaus mit dem Plan, dem in Deutschland zunehmend bedrohten Bon- hoeffer einen längeren Auslandsaufent- halt zu ermöglichen. Bonhoeffer kann und will sich der Verantwortung, die er im Widerstand als seine Aufgabe erkennt, nicht entziehen. An jenem Tag, dem 20. Juni 1939, entscheidet er sich: „Im Blick auf die schauderhafte Lage drüben, und da ich doch nur bis August geblieben wäre, habe ich mich entschlossen, schon mit Karl-Friedrich [dem Bruder, der als Physiker Vorträge in Chicago gehalten hatte, J. W.] zurückzufahren.“ – Zu den neuen Erwerbungen gehört auch ein speaking to you personally. Perhaps the Brief, den der amerikanische Theologe day is not so far off when we may meet Paul Lehmann, langjähriger Freund Bon- again and be together as in former years. hoeffers und seiner Familie, 1948 zutiefst I, personally, believe it strongly, and so erschüttert von der ihm erst verspätetet do many people here.“ zugegangenen Nachricht des Todes Bon- hoeffers, an die Eltern Bonhoeffers Im Nachlass der Sabine Leibholz finden schrieb: „Ich war zum letzten Mal mit sich auch Briefe, die Dietrich Bonhoeffers Dietrich zusammen, als er 1939 von Braut Maria von Wedemeyer nach 1945 New York nach Deutschland zurück- an sie und die Eltern Bonhoeffer schickte. kehrte.“ Auch diese Originale liegen nun in Berlin. Eine besonders intensive Faszination Am 19. März 1941 rät Bonhoeffer aus geht dabei von einer eigenhändigen Ab- Zürich, wo er sich im Auftrag der Wider- schrift aus, die Maria von Wedemeyer standsgruppe um Admiral Canaris auf- zu Weihnachten 1945 ihren Schwieger- hält und nun offen schreiben kann, der eltern schickt: Das Gedicht „Von guten Schwester von Plänen ab, in die USA zu Mächten“, das Dietrich Bonhoeffer zu übersiedeln: „My personal feeling is that Weihnachten 1944 gedichtet und seiner it is perhaps no more necessary to take Braut aus dem Gefängnis geschickt hatte, such farreaching decisions.“ Diese hoff- liegt in seiner Handschrift als Original in nungsvolle Stimmung hält auch noch bei ihrem Nachlass, der in der Houghton seinem zweiten Schweiz-Aufenthalt an: Library in Harvard verwahrt wird. Die Am 1. 9. 1941 schreibt er: „If only there Staatsbibliothek besitzt nun diese ganz were a possibility of seeing you and besondere Abschrift von ihrer Hand. BIbliotheks m agazin

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Bonhoeffers Gedicht „Von guten Sehr erfreulich ist es, dass sich um den Aus dem Arbeitszimmer des im Jahr Mächten“ in einer Abschrift von Nachlass herum weitere wichtige Doku- 2000 verstorbenen Eberhard Bethge Maria von Wedemeyer mente zur Bewahrung des Andenkens an gelangten neben zahlreichen, bisher hier Bonhoeffer ansammeln: So konnten die nicht vorhandenen Werken zu Dietrich Akten der Stiftung Bonhoeffer-Lehrstuhl Bonhoeffer und dem Widerstand vor am New Yorker Union Theological Semi- allem eine große Anzahl Dissertationen, nary übernommen werden (Nachl. 483), Kleinstschrifttum und Manuskripte ande- ebenso die Unterlagen eines Seminars an rer sowie Bethges eigene Predigten, Vor- der Evangelischen Fachhochschule Han- träge und Korrespondenz mit zum Teil nover, das 1996 unter Professor Karl- namhaften Historikern und Theologen, Heinz Lehmann die Rechtswidrigkeit des Familienangehörigen und Freunden in die Hochverrats-Urteils gegen Bonhoeffer Bibliothek. Damit vervollständigt sich ein und andere Widerstandskämpfer behan- bereits als Erweiterung des Nachlasses delte, und in dessen Folge die Nichtigkeit Bonhoeffers vorhandener Teil des Nach- des 1945 ergangenen Urteils bestätigt lasses Bethges in idealer Weise: Einfluss wurde (Nachl. 470). Von verschiedenen des einen, Verarbeitung, Bewertung und Seiten erhielt die Handschriftenabteilung Zuordnung durch den anderen lassen außerdem Bonhoeffers Werke in Über- sich in der Materialfülle beider Nachlässe setzungen und Publikationen über ihn als studieren wie in wenigen anderen Nach- Ergänzung des Nachlasses. lässen. BIbliotheks m agazin

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Ein unbekannter Kunstmäzen der Jahrhundertwende:

WILLY LEVIN ZUM 150. GEBURTSTAG

„… ich schreibe gerne an Sie, höre gerne Zahlreiche Theateraufführungen, Buch- Dr. Maximilian Schreiber von Ihnen, wie ich Sie stets und in allen publikationen, Konzertpremieren, ja arbeitet im Referat für Nachlässe und Autographen der Bayerischen Situationen gerne sehe und mich allezeit sogar einige Künstlerkarrieren wären Staatsbibliothek gerne erinnere, dass ein Mensch Ihrer ohne sein ideelles oder finanzielles Zutun Art auf der Welt ist.“ So schrieb der wohl nicht zu Stande gekommen. Nicht Schriftsteller Hugo von Hofmannsthal im nur berühmten Persönlichkeiten wie Februar 1913 an den Berliner Kunstför- Hugo von Hofmannsthal, Max Reinhardt, derer Willy Levin, der in diesem Jahr sei- Richard Strauss, Hans Pfitzner oder Josef nen 150. Geburtstag hat. Ruederer kam er vermittelnd oder mate- riell zu Hilfe, auch einer großen Zahl Doch trotz seiner zahlreichen kulturellen armer, besonders jüdischer Künstler Verdienste ist der Textilkaufmann und ermöglichte er das Studium und sorgte Kommerzienrat Willy Levin völlig unbe- für ihren Lebensunterhalt. Als Gegen- kannt geblieben. Daran ist er nicht ganz leistung und um das Selbstbewusstsein unschuldig, denn seinen Namen oder der jungen Künstler zu stärken, erwar- seine Hilfe wollte er nie repräsentiert tete er nur, dass diese bei künstlerischen sehen. Er hielt sich als ideeller wie mate- Abenden in seinem Haus gelegentlich rieller Förderer stets im Hintergrund, in der Öffentlichkeit wollte er, anders als viele Kulturmäzene, nie stehen. Gerade diese Bescheidenheit sowie sein wacher Sinn für Musik und Literatur ließen ihn zu einem begehrten Vermittler zwischen den Künsten und ihren Akteuren wer- den. Erst nach seinem Tod 1926 wurde einem weiteren Kreis bekannt, welchen Einfluss er im Verborgenen auf das künst- lerische und literarische Leben vor allem in Berlin, aber auch deutschlandweit aus- geübt hatte. Besonders die Korrespon- denzen seines kleinen Nachlasses, der in der Bayerischen Staatsbibliothek auf- bewahrt wird, geben ein beredetes Zeug- Porträtaufnahme von Willy Levin nis seines weitreichenden Wirkens. um 1910 (BSB-Sign. Ana 502) BIbliotheks m agazin

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ihre Kunst zum Besten men mit seinem Bruder Otto und dem gaben. Oft wirkte er Unternehmer James Engländer erfolg- bei seinen Hilfsaktio- reich ein großes Konfektionshaus auf. nen über Mittler, so Neben seiner geschäftlichen Tätigkeit ließ dass die Unterstützen sich der musikbegeisterte Levin an einem mitunter nicht wuss- privaten Konservatorium zum Sänger ten, woher die Zu- ausbilden, wodurch er rasch Verbindun- wendungen kamen. gen mit anderen Musikern knüpfte. Das Bei so mancher Kom- großbürgerliche Haus Levins wurde bald ponisten- oder Dich- zu einem Treffpunkt für musikalische terpremiere gab es Abende, die von so illustren Persönlich- rauschende Feiern mit keiten wie Richard Strauss, dem jungen allgemeiner Bewirtung, Hans Pfitzner und den Dirigenten Bruno ohne dass den Teil- Walter und Otto Klemperer besucht nehmern der Spender wurden. In der Hilfe, die Levin dem im des Abends bewusst sozialen Umgang eher schwierigen Pfitz- war. ner bei Verhandlungen mit Verlegern, Bühnen und Sängern leistete, offenbarte Einer seiner Verbin- sich bereits sein großes Talent: Seine dungsmänner war der offenherzige Art machte ihn zu einem Journalist und Litera- ausgezeichneten Diplomaten, auf den turwissenschaftler sich seine Künstler-Freunde gerne verlie- Arthur Eloesser, der ßen. Wenn es galt, einen arroganten aber auch nach Levins Meister mit einem verärgerten Intendan- Brief von Richard Strauss an Levin Tod im Jahr 1926 eisern zu dessen zahl- ten zu versöhnen oder einen Verleger vom 25. 5. 1912 zur Frage der Ur- reichen philanthropischen Bemühungen und einen Schriftsteller an einen Tisch zu aufführung der Oper „Ariadne auf schwieg. Im Nachruf auf Levin in der bringen, war er der richtige Mann. Naxos“ (BSB-Sign. Ana 502) Vossischen Zeitung, für die Eloesser vor- nehmlich schrieb, berichtet er etwa auch LEVIN UND DIE URAUFFÜHRUNG DER OPER davon, dass von Levin wieder einmal „ARIADNE AUF NAXOS“ 1912 eine ungewöhnliche Leistung verlangt wurde, und zwar mit der Begründung, Am Beispiel des Vorspiels zur Urauffüh- „daß das deutsche Volk zur Förderung rung der Oper „Ariadne auf Naxos“ am einer besonders wertvollen Kraft schnell 25. Oktober 1912 zeigt sich gut das eingreifen müßte“. Nach einigem Zögern Geschick Levins, die unterschiedlichen habe Levin schließlich gesagt: „Na gut, so Interessen von Komponist, Autor, Regis- werde ich wohl wieder das deutsche seur, Intendanten, Schauspielern und Volk sein müssen …“ Sängern auszugleichen und eine erfolgrei- che Uraufführung zu Stande zu bringen. Über seine Person ist nicht allzu viel be- Die im Münchner Nachlass enthaltenen kannt. Levin, 1860 im Pommerschen Briefe, die Hugo von Hofmannsthal, Stolp geboren, kam um 1885 als junger Richard Strauss und Levin dabei wechsel- Kaufmann nach Berlin und baute zusam- ten, geben Einblicke in den Vorgang. BIbliotheks m agazin

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Zunächst standen sich Hofmannsthal und Er teilte mit, dass er sich zu Strauss in ihren unterschiedlichen Inter- nichts zwingen lassen werde essen gegenüber. Beide wollten zwar die und drohte mit der Möglich- Oper unter der Regie Reinhardts zur keit, die Oper konzertant Uraufführung bringen, Strauss aber am aufzuführen, wenn kein Königlichen Opernhaus in Dresden und geeigneter Aufführungsort Hofmannsthal am Deutschen Theater in gefunden werden könne. Berlin. Strauss bat daraufhin Levin, „alle Letztendlich konnte Levin Hebel in Bewegung zu setzen, dass Dres- die Uraufführung doch noch den mit Reinhardt zu Stande kommt“. erreichen, da er für Stutt- Levin gelang es schließlich, auch den frei- gart so gute Bedingungen lich darüber unglücklichen Hofmannsthal aushandelte, dass nicht nur von dieser Lösung zu überzeugen. Doch Strauss („Hurrah! Was nachdem Levin die Verhandlungen mit sagen Sie jetzt? Ihnen tau- Dresden bereits eingeleitet hatte, kam send Dank für Alles …“) es bald zu Streitigkeiten über die Beset- sondern auch Hofmannsthal zung der Oper und den Dirigenten der davon überzeugt waren. Uraufführung. Nikolaus Graf von See- Dieser wusste, dass das bach, der Intendant der Dresdner Oper Zustandekommen allein Levins Verdienst Porträtaufnahme von Hugo von von 1894 bis 1919, war nämlich nicht war: „… dass wir die endgiltige Lösung, Hofmannsthal aus dem Jahr 1925 (BSB-Sign. Cgm 8317) dazu bereit, Strauss bis zum letzten Tag die ich vortrefflich finde (Strauss am Pult, vor der Uraufführung in Besetzungsfra- Reinhardt mit mir die Regie, Stern als gen mitreden zu lassen, und wollte Decorateur u die Hempel als Zerbinetta) zudem die Premiere nicht von Strauss, nur Ihnen, Ihrer unermüdlich aufopfern- sondern von Dresdens Generalmusik- den Freundschaft verdanken, steht für direktor Ernst von Schuch dirigieren las- mich fest und ich danke Ihnen für meinen sen. Theil aufs herzlichste.“

In Folge dieser Querelen schlug Strauss Wie sehr auch Strauss Levin schätzte, kurzer Hand vor, die Oper zur Eröffnung zeigt die Tatsache, dass er ihm musika- des neuen Königlichen Hoftheaters in lische Denkmäler setzte, die unmittelbar Stuttgart uraufzuführen. Von dieser Idee mit dem Skatspiel in Verbindung standen. riet aber nun Levin vehement ab: „Das Beide liebten nämlich dieses Spiel und kann nur ein Lokalerfolg werden […] griffen zu den Karten, wann immer sie Bitte lieber Dr. Strauß hören Sie diesmal sich trafen. Sogar die Hausmusik geriet ein wenig auf mich und nehmen Sie Dres- darüber ins Hintertreffen. So widmete den wie es ist … bitte verhandeln Sie vor- Strauss seinem Freund nicht nur einen läufig nicht mit Stuttgart.“ kleinen Skat-Kanon, der allerdings so kompliziert war, dass ihn niemand vor- Auch Hofmannsthal sprach sich nach- tragen konnte, sondern verewigte Levin drücklich für Dresden aus. Ein Brief an auch musikalisch in seiner Oper „Inter- Levin zeigte dabei sein fehlendes Ver- mezzo“ (1924) als skatspielenden Kom- trauen in die Zuverlässigkeit von Strauss. merzienrat. BIbliotheks m agazin

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THEODOR FONTANES NOTIZBÜCHER

Dr. Gabriele Radecke Bei der Auktion der Berliner ist wissenschaftliche Mitarbeiterin Autographenhandlung Hellmut am Seminar für Deutsche Philolo- Meyer & Ernst am 9. Oktober gie der Universität Göttingen, Lei- terin der Fontane-Arbeitsstelle und 1933 kamen mit Fontanes Nach- Mitherausgeberin der Großen lass auch 67 Notizbücher zur Ver- Brandenburger Fontane-Ausgabe. steigerung. Die Notizbücher gehörten zu den Spitzenstücken der Auktion. Der Schätzpreis lag bei 1275 RM, der Zuschlag er- folgte bei 670 RM. Mit dieser Auk- tion wurde Fontanes Nachlass end- gültig auf verschiedene öffentliche Institutionen und Privatsammlungen ver- gen, die weder chronologisch noch the- streut. Glücklicherweise gilt das nicht für matisch angeordnet sind, sondern sich die Notizbücher. Obgleich das Auktions- willkürlich über die Seiten hin verteilen. haus eine Stückelung auf fünf Konvolute Fontane benutzte gewöhnlich einen Blei- vornahm (Nr. 507 bis 511), wurde durch stift. Der unregelmäßige Duktus, die vie- den Gesamtankauf der Preußischen len Buchstabenverschleifungen und die Staatsbibliothek (heute: Staatsbibliothek häufige Verwendung von Abkürzungen zu Berlin) eine Zersplitterung verhindert. zeigen, dass die meisten Notizen unter- wegs geschrieben wurden. Die Notiz- INHALT UND FUNKTION DER NOTIZBÜCHER bücher dokumentieren die Produktivität und Vielfalt seiner schriftstellerischen Spätestens auf seinen ersten Ausflügen in Tätigkeit auf kleinem Schreibraum. Die die Mark Brandenburg im Jahre 1859 hat Aura des ganzen Fontane ist in allen Fontane begonnen, Notizbücher zu füh- Notizbüchern präsent: Fontane als Wan- ren, die er dann fast dreißig Jahre bis zum derer und Reisender, als Journalist, als Ende der 1880er-Jahre benutzte. Es sind Kriegsberichterstatter, als Theaterkriti- hauptsächlich schmucklose, bei den Berli- ker, als Romancier und Lyriker, als Brief- ner Schreibwarenhändlern erworbene schreiber und Tagebuchchronist sowie fadengebundene Pappbändchen im For- als Vortragsbesucher und Zeichner. Im Theodor Fontane. Fotoporträt mat 10 x 17 cm. Jedes Notizbuch um- Unterschied zu den anderen Fontane- Atelier Loescher und Petsch (1869) (Theodor-Fontane-Archiv Potsdam, fasst etwa 100 bis 150 Seiten und enthält Handschriften, die als lose Blätter auf- AI 158) eine Fülle unterschiedlicher Aufzeichnun- bewahrt werden, dokumentieren die BIbliotheks m agazin

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Notizbücher durch ihre Geschlossen- heit die parallele Entstehung unterschied- licher Texte.

Die Notizbücher waren Fontanes stän- dige Begleiter auf den Ausflügen in die Mark Brandenburg, auf den Fahrten durch Deutschland – bis hinab nach Schlesien –, in die Schweiz, nach Italien sowie wäh- rend der Reisen zu den Schlachtfeldern in Dänemark, Böhmen und Frankreich von 1864, 1866 und 1870/71. Fontane notierte nicht nur seine Eindrücke, son- dern beschrieb auch Kunstwerke, hielt Gespräche von Mitreisenden fest oder exzerpierte Bücher und Inschriften; er fertigte sogar Zeichnungen von Fried- höfen, Grabdenkmälern, Kirchen und Schlössern an, skizzierte Übersichts- pläne und klebte Kartenmaterial und Zeitungsausschnitte ein. Gelegentlich schrieb er auch Vorträge mit, wie etwa am 29. Juni 1870, als er an einer Exkur- sion zur Pfaueninsel teilnahm und dort

oben: Notizbuch A3, Blatt 31 Das ehemalige Schloss Oranienburg (1861) (Handschriftenabteilung der SBB–PK)

Notizbuch E2, Blatt 53 Zeitungsausschnitt und Literatur- übersicht zu „Vor dem Sturm“ (Handschriftenabteilung der SBB–PK) BIbliotheks m agazin

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Notizbuch C3, Blatt 3 gelesen und umgeschrieben hat. Die Nie- Tagebuchaufzeichnungen „Herms- derschriften fungierten also letztendlich dorf“ (1869) als Ideen- und Stoffsammlung für anschlie- (Handschriftenabteilung der SBB–PK) ßende Projekte; die Notizbücher bilde- ten somit als Rohmaterialdepot ein wich- tiges Medium im schriftstellerischen Arbeitsprozess. Zur Orientierung legte sich Fontane grob strukturierte, mit Tinte in lateinischen Buchstaben rein- geschriebene Inhaltsübersichten an, die er zum Teil mit Jahreszahlen versehen auf die äußere Einbanddecke des ent- sprechenden Notizbuchs aufgeklebt hat.

GRÜNDE FÜR EINE EDITION

Fontanes Notizbücher sind das letzte noch unveröffentlichte größere Korpus des Autors. Bis heute gibt es nur wenige Teilpublikationen, und die übrigen der noch unpublizierten Notizbuchaufzeich- das Referat des Königlichen Hof-Garten- nungen sind nur gelegentlich für die wis- Direktors Ferdinand Jühlke hörte. Einen senschaftliche Arbeit ausgewertet wor- großen Anteil an den Aufzeichnungen den. Die editorische Vernachlässigung bilden diejenigen Notizen, die Fontane hat zur Folge, dass eine Rezeption der als Theaterkritiker zwischen 1870 und Notizbücher als „Werk“, dessen Bedeu- 1890 während der Aufführungen im tung nach wie vor unterschätzt wird, Königlichen Schauspielhaus am Gendar- ausgeblieben ist. Schon die ersten Fon- menmarkt festhielt und die er in seinen tane-Herausgeber, der Wiener Burg- wenige Tage später gedruckten Rezen- theater-Direktor Paul Schlenther, der sionen in der „Vossischen Zeitung“ ver- Kustos und spätere Direktor des Berliner arbeitete. Gelegentlich findet man auch Märkischen Museums Otto Pniower und Briefkonzepte und Tagebuchaufzeichnun- Friedrich Fontane, haben die Notiz- gen sowie Entwürfe zu seinen Romanen bücher nicht in die postume Gesamtaus- und Gedichten. Wenngleich die Notiz- gabe der Werke Fontanes aufgenom- bücher als praktischer Gedächtnisspei- men, obwohl man bereits angefangen cher für unterwegs verwendet wurden, hatte, Nachlasspublikationen vorzulegen so erschöpft sich ihre Funktion darin bei wie beispielsweise den von Josef Ettlinger weitem nicht. Zahlreiche journalistische 1908 herausgegebenen Band „Aus dem und poetische Texte sowie Fontanes Nachlaß von Theodor Fontane“. 1924 kriegshistorisches Werk entstanden erst etwa hat Friedrich Fontane begonnen, auf der Grundlage der Notizbuchein- eine Bestandsaufnahme der Notizbücher träge, die Fontane immer wieder neu zu erarbeiten; sie wurde erst 1976 in BIbliotheks m agazin

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den „Fontane Blättern“ veröffentlicht. Er wird. Mit der Erstveröffentlichung von legte auf den Rückseiten alter Tages- Theodor Fontanes Notizbüchern wird kalenderblätter Inhaltsverzeichnisse an eine der letzten großen Forschungs- und klebte diese auf die entsprechende lücken zu einem der bedeutendsten vordere innere Einbanddecke auf. Ob- deutschen Autoren des 19. Jahrhunderts wohl Friedrich Fontane als Verleger und geschlossen. Es ist zu erwarten, dass Nachlassverwalter ein exzellenter Ken- durch die Gesamtveröffentlichung Im- ner der Werke seines Vaters war, gelang pulse für die biographische und mentali- es ihm nicht, alle Notizbuchaufzeichun- tätsgeschichtliche Forschung sowie Ein- gen zu identifizieren und den einzelnen blicke in Fontanes kreativen Schaffens- Texten zuzuordnen. prozess gegeben werden. Außerdem werden neue Interpretationswege zum In Verbindung mit der Staatsbibliothek zu erzählerischen und journalistischen Werk Berlin bereitet die Verfasserin eine voll- Fontanes eröffnet. Die Edition gewährlei- ständige und kommentierte Ausgabe der stet nunmehr auch, dass die Notizbücher Notizbücher vor, die auch eine ausführ- als eigenständiges Werk Theodor Fonta- Notizbuch C4 liche Inhaltsübersicht enthalten wird. Der nes endlich ihren Platz im literarisch-kul- Inhaltsübersicht Theodor Fontanes (1872) Gebrauch unterschiedlicher Schreib- turellen Gedächtnis finden können. (Handschriftenabteilung der SBB–PK) geräte, der Wechsel zwischen flüchtig hingeworfenen Notizen und reinschrift- Literaturhinweis: lichen Einträgen sowie die Zeichnungen Gabriele Radecke: Theodor Fontanes und einmontierten Zeitungsausschnitte Notizbücher. Überlegungen zu einer not- erfordern ein anspruchsvolles und kom- wendigen Edition. In: Gottfried Keller plexes Editionsverfahren. Es ist geplant, und Theodor Fontane. Vom Realismus die Notizbücher als kombinierte Buch- zur Moderne. Hg. von Ursula Amrein und elektronische Ausgabe vorzulegen, und Regina Dieterle. Berlin 2008, S. 211 die im Verlag De Gruyter erscheinen bis 233.

BAYERISCHE STAATSBIBLIOTHEK ERWIRBT TEILNACHLASS DER MALERFAMILIE KAULBACH

Für eine weitere Abrundung ihrer Nach- Bayerischen Staatsbibliothek befinden Dr. Maximilian Schreiber lassbestände zur Münchner Malerfamilie sich bereits unzählige Mappen mit Zeich- arbeitet im Referat für Nachlässe und Autographen der Bayerischen Kaulbach konnte die Bayerische Staats- nungen, Korrespondenzen, Geschäfts- Staatsbibliothek bibliothek bei der Herbstauktion 2009 papieren sowie weitere Materialien zu von Zisska & Schauer (München) bedeu- Wilhelm von Kaulbachs Leben und Werk. tende und umfangreiche Materialien hin- Auch ein großer Teilnachlass seines zuerwerben. Im „Kaulbach-Archiv“ der Sohnes Hermann – in der Bayerischen BIbliotheks m agazin

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Materialien der Malerfamilie über vier Generationen hinweg und deckt damit den Zeitraum von der Mitte des 19. Jahr- hunderts bis in die dreißiger Jahre des 20. Jahrhunderts ab. Unter den frühen Dokumenten ragen zahlreiche Skizzen des „Malerfürsten“ Wilhelm von Kaulbach (1805–1874) heraus, die von einfachen Studien bis hin zu Entwürfen für Monu- mentalgemälde reichen. Der Münchner Historienmaler war einer der berühmte- sten Künstler seiner Zeit und ein bedeu- tender Vertreter der von „klassizisti- schen Idealen getragenen Monumental- kunst“. 1837 ernannte ihn König Ludwig I. zum Hofmaler und 1849 zum Direktor der Münchener Kunstakademie.

Den größeren Teil des Nachlasses um- fassen aber Werke von Hermann von Kaulbach (1846–1909) sowie persönliche Dokumente zu seiner Person und seiner Familie. Der Sohn von Wilhelm wurde vor allem als Genremaler, speziell mit

Undatierte Skizze von Wilhelm von Staatsbibliothek unter der Signatur Ana Kaulbach 652 verzeichnet – umfasst umfangreiche Korrespondenzen, viele Zeichnungen, Skizzen, literarische Arbeiten, Tage- bücher und weitere autobiographische Aufzeichnungen.

Bei der Neuerwerbung handelt es sich um mehr als 25 Familienalben, Skizzen- und Tagebücher sowie diverse Schrift- stücke und Korrespondenzen. Enthalten sind hochwertige Zeichnungen und Skiz- zen von Wilhelm und Hermann von Hermann von Kaulbach als Don Carlos auf dem Münchner „Künstler Kaulbach, Familienbriefe und andere Costüm Fest“ 1876 Autographen. Der Teilnachlass umfasst BIbliotheks m agazin

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„Rom Campagna“, Zeichnung von Hermann von Kaulbach im römi- schen Reisetagebuch aus dem Jahr 1880

Darstellungen von Kindern bekannt. Zahl- Münchner Persönlichkeiten in histori- reiche Studien und kleine Skizzen in meh- schen Kostümen präsentierten. reren Alben sowie in seinen Reisetage- büchern zeigen seine Meisterschaft, mit Ein großes Familienalbum, das die Jahre wenigen Strichen treffend zu charakte- von etwa 1889 bis 1906 umfasst, spiegelt risieren und alltägliche Situationen auf das private und gesellschaftliche Leben seinen zahlreichen Reisen gefühlvoll zu der Familie wider. Unter den Einträgen beschreiben. Hervorzuheben sind beson- zahlreicher Freunde sind auch die be- ders die Charakterstudien der Interpre- rühmter Persönlichkeiten wie des nor- ten des Oberammergauer Passionsspiels, wegischen Naturforschers und Staats- die der Maler während seines dortigen manns Fridtjof Nansen aus dem Jahr Aufenthaltes im Jahr 1879 anfertigte. 1899 zu finden: eine signierte Kari- Die Dokumente umfassen umfangreiche katur und seine Unterschrift auf Manuskriptkonvolute von Hermann einer Menükarte. von Kaulbach, etwa Tagebücher, Vor- träge, Übersetzungen aus dem Italieni- Insgesamt handelt es sich schen, Erinnerungen an den Vater um sehr interessante und Korrespondenzen. Einige Foto- und einzigartige Mate- alben illustrieren das Familien- rialien, deren wissen- leben vor allem im Ferienhaus schaftliche Auswer- „Villa Lug ins Land“ am Schlier- tung den Forschungs- see, dokumentieren aber stand zur Malerfamilie auch gesellschaftliche Kaulbach erweitern Humorvolle Miniaturen wie dieser Ereignisse wie das und um neue Details Putto zeigen eine bislang unbekannte „Künstler Costüm Fest“ bereichern wird. Seite des „Malerfürsten“ Wilhelm v. von 1876, auf dem sich Kaulbach. BIbliotheks m agazin

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FISCHE, FRÖSCHE, SCHNECKEN UND TRAUBEN

Zur Restaurierung naturhistorischer Prachtwerke mit Unterstützung der Ernst von Siemens Kunststiftung

Dr. Katrin Böhme Nein, es ist kein kulinarisches Vergnügen, sche Drucke der Staatsbibliothek zu Ber- ist Referentin für den historischen sondern ein ästhetischer Hochgenuss – lin aufbewahrt werden. Druckschriftenbestand zu Natur- wissenschaften und Medizin in der diese Fische und Frösche, Schnecken und Abteilung Historische Drucke der Trauben. Sie laden nicht zum Essen ein, Dank der großzügigen Unterstützung der Staatsbibliothek zu Berlin sondern zum Betrachten und Bewun- Ernst von Siemens Kunststiftung war es dern. Ihre Abbilder finden wir in bedeu- im Jahr 2009 möglich, einzelne Titel aus tenden Werken der Naturgeschichte; sie diesem Bestand, insgesamt elf Bände, zu bürgen für große Beobachtungsgabe und restaurieren. Die ausgewählten Drucke Eine Doppelseite mit Fischdarstellun- wahre Kunstfertigkeit. Die Bücher, in zeigten vielfältige Schadensbilder, welche gen aus: Conrad Gesner: Historiæ denen wir diese kleinen Kunstwerke fin- durch anspruchsvolle restauratorische Animalium Liber IIII. qui est de Pis- den, sind Teil einer Sammlung von natur- Maßnahmen behoben wurden. Sie kön- cium & Aquatilium animantium na- tura. – Tiguri: Froschover, 1558 historischen Prachtwerken, die in der nen damit zukünftig wieder für die Be- Signatur: 2° Lk 3600-4 : R Rara-Sammlung der Abteilung Histori- nutzung zur Verfügung gestellt werden. Einige der Werke seien hier kurz vor- gestellt.

Der Schweizer Gelehrte Konrad Gesner (1516–1565) ging als „Vater der Zoolo- gie“ in die Geschichte ein, indem er nicht nur tradiertes Wissen kompilierte, son- dern seine Erkenntnisse auf eigene Beob- achtungen aufbaute und dieses Wissen in seiner vierbändigen „Historia animalium“ (1551–1558) enzyklopädisch zusammen- trug. Im vierten Band dieses Werkes, dem sogenannten Fischbuch von 1558, werden all die Tiere zusammengestellt, die im Wasser leben. So finden sich darin nicht nur Fische, sondern auch Schildkrö- ten, Seehunde und Seeungeheuer, die zur damaligen Zeit noch Bestandteil des anerkannten Wissens über die Tierwelt waren. Der ausführliche Text wird von BIbliotheks m agazin

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zahlreichen Holzschnitten begleitet, die damer Apotheker schuf durch den erfolg- links: in unserem Exemplar von alter Hand reichen Arzneimittelhandel die Basis für Das Bildnis zeigt Albertus Seba vor seiner Naturaliensammlung, in der seine umfangreichen Naturaliensammlun- koloriert sind. Der alte Einband bestand rechten Hand ein Präparateglas hal- ursprünglich aus schwarzem Samt, war gen, die wir in diesem großformatigen tend. Aus: Albertus Seba: Locupletis- aber bereits sehr abgeschabt und nur Prachtwerk bewundern können. Die simi Rerum Naturalium Thesauri. – noch in Fragmenten erhalten. Bei der erste seiner Sammlungen verkaufte er Amstelaedami: Janssonio-Waesber- gios, & Wetstenium, & Smith, 1734– 1716 an Zar Peter I.; sie befindet sich Restaurierung kamen Kalenderseiten aus 1765, Signatur: gr. 2° Lg 18472 : R der Züricher Offizin von Christoph Fro- noch heute teilweise in der Eremitage. schauer d. Ä. (1521–1564) zum Vor- Die zweite Sammlung, im Jahre 1752 ver- rechts: schein, in der auch das Fischbuch er- steigert, wurde mit den Abbildungen im Eine Tafel mit jeweils Ober- und Unterseite der Schnecken und „Thesaurus“ der Nachwelt erhalten. Das schien. Der stark beschädigte Einband Muscheln in streng symmetrischer wurde nun durch einen Ganzlederband vierbändige Werk zeigt Objekte aus allen Ordnung. Aus: Franz Michael Regen- ersetzt und der gepunzte Goldschnitt hat drei Naturreichen. Ihre Anordnung rich- fus: Auserlesne Schnecken, Muscheln wieder seinen ursprünglichen Glanz. tet sich dabei nur grob nach wissenschaft- und andre Schaalthiere […]. – Ko- penhagen: Godiche, 1758 lichen Kriterien (z. B. Schnecken, Schlan- Signatur: s. gr. 2° Lq 2626 : R Auf wahrhaft kunstvolle Weise sind im gen, Korallen, Insekten). In barocker berühmten „Thesaurus“ (1734–1765) Manier folgt die Gestaltung der Tafeln von Albertus Seba (1665–1736) die Na- stark ästhetischen Gesichtpunkten, wo- turalien zu Papier gebracht. Der Amster- durch diese einen außergewöhnlichen BIbliotheks m agazin

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ler stehen auch die Werke von Franz Michael Regenfuß (1712–1780) und Pierre-Joseph Buchoz (1731–1807). Re- genfuß fertigte als „Königlicher Kupfer- stecher“ des dänischen Königs in Ko- penhagen ein Werk über „Auserlesene Schnecken, Muscheln und andere Schaal- thiere auf allerhöchsten Befehl Seiner Königlichen Majestät nach den Originalen gemalt, in Kupfer gestochen, und mit natürlichen Farben erleuchtet“ (1758). Buchoz’ berühmtes Werk „Planches Enluminées Et Non Enluminées“ zeigt jede Tafel zwei Mal – schwarz und kolo- riert. Die Abbildungen beider Werke präsentieren Sammlungsobjekte von be- sonderer Schönheit oder Seltenheit und bestechen durch ihre Ästhetik und Far- bigkeit. Sie verdeutlichen die Faszination der Menschen des 18. Jahrhunderts an- gesichts der Vielfalt der Lebewesen und zeigen gleichzeitig das große Ansehen, das umfangreiche und wertvolle Samm- lungen nicht nur unter Gelehrten genos- sen.

Im Unterschied zu diesen Werken sind die Arbeiten von August Johann Rösel von Rosenhof (1705–1759) ein außer- ordentlich frühes Zeugnis empirischer Feldforschung. Bekannt durch seine ab 1746 „monatlich herausgegebene Insec- ten-Belustigung“, gilt er mit seiner Arbeit Vollständige Darstellung der Meta- Reiz auf den Betrachter entfalten. Der über die einheimischen Frösche „Historia morphose des Teichfrosches. Aus: ursprüngliche rote Halblederband war Naturalis Ranarum Nostratium“ von August Johann Rösel von Rosenhof: mit farblich passendem Marmorpapier 1758 unter Fachleuten als Begründer der Historia Natvralis Ranarvm Nostra- tivm = Die natürliche Historie der bezogen, das für den Neueinband nach- Herpetologie. Seinem Werk liegen so- Frösche hiesigen Landes. – Norim- empfunden wurde. wohl Beobachtungen in der freien Natur bergae: Fleischmann, 1758 und im Terrarium als auch anatomische Signatur: 2° Lo 13222 : R Das 18. Jahrhundert ist nicht allein auf Untersuchungen zugrunde. Bereits zu dem Gebiet der Naturgeschichte für Lebzeiten erntete er für die große Ge- seine Sammler und Sammlungen bekannt. nauigkeit und besondere Ästhetik der In der Tradition naturhistorischer Samm- Darstellungen viel Anerkennung. Die BIbliotheks m agazin

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Tafeln zeigen nicht nur verschiedene erhielten die Bände von Redoutés „Les Frosch- und Krötenarten, in kunstvoller Liliacées“ (1802–1816) einen neuen Halb- Weise durch Blumen oder Landschafts- lederband. Neben „Les Roses“ (1817 bis ausschnitte ergänzt, sondern auch ihre 1824) sind die Lilien von Pierre Joseph Skelette, inneren Organe und die Ent- Redouté (1759–1840) eines der umfang- wicklungszyklen der Lurche. reichsten und bedeutendsten botani- schen Prachtwerke. Redouté besaß vor Zu unseren besonderen Seltenheiten allem eine Begabung für die Illustration zählt die in 12 Lieferungen von 1803 bis wissenschaftlicher Werke, indem er auf 1815 erschienene Monographie über besondere Weise künstlerische Gestal- Traubensorten „Le Raisin Ses Espèces Et tung mit wissenschaftlicher Genauigkeit Variétés, Dessinées Et Colorées D’Après verband. Er verwendete mit dem Einplat- Nature“ von Johann Simon Kerner tenfarbdruck in Kombination mit der (1755–1830). Kerner war in Stuttgart Punktiermanier des Kupferstiches eine zunächst als Professor für Botanik und ab neue anspruchsvolle Drucktechnik. Die 1795 als Hofrat und Aufseher über den Farbdrucke verzaubern durch die Zart- Darstellung einer Gladiole aus: Botanischen Garten und das Herbarium heit und Brillanz der Farben und die Fein- Pierre Joseph Redouté: Les Liliacées. – A Paris, Chez L’Auteur ... De L’Im- tätig. Im Mittelpunkt seines Interesses heit und Genauigkeit der Darstellung. primerie De Didot Jeune, 1802–1816 standen die nutzbaren Kultur- und Han- Signatur: gr. 2° Me 1700 : R delspflanzen. Die zahlreichen systema- Für alle restaurierten Objekte wurden tisch-ökonomischen Arbeiten belegen umfangreiche Restaurierungsberichte seine kompilatorischen Bestrebungen, und eine Fotodokumentation angefertigt. vor allem das Wissen über die Pflanzen- Der Ernst von Siemens Kunststiftung sei welt Württembergs zu ordnen und mit an dieser Stelle nochmals für ihren will- Hilfe anspruchsvoller Abbildungen einer kommenen „Ausflug“ in die Welt der breiteren Öffentlichkeit anschaulich zu Bücher gedankt, die mit ihren präzisen, machen. Ausdruck dieses Bestrebens ist lebendigen und kunstvollen Abbildungen unter anderem auch der Band über die der Naturobjekte die Verbindung von Rebsorten. Der rote halblederne Ein- Wissenschaft und Kunst einzigartig be- band war durch Brandschäden teilweise zeugen. geschwärzt, konnte aber durch verschie- dene filigrane Reparaturen erhalten wer- den.

Die Einbände von Regenfuß und Rösel von Rosenhof wurden vollständig durch Halbledereinbände mit Kiebitzpapier Abbildung einer Traubenart mit Laub, ersetzt – benannt nach der Zeichnung Stengel und Schnitt durch eine ein- der Kiebitzeier –, da die originalen Ein- zelne Traube. Aus: Johann Simon Ker- bände nicht mehr vorhanden waren und ner: Le Raisin, Ses Espèces Et Varié- tés, Dessinées Et Colorées D’Après die starken Beschädigungen eine Repa- Nature. – Stoutgart : Auteur, Livr. ratur oder Restaurierung nicht recht- 1.1803 – 12.1815 fertigten. Mit dem gleichen Argument Signatur: gr.2° Ox 1688-1/6 : R BIbliotheks m agazin

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FULMINANTER START IM VERANSTALTUNGSJAHR 2010

Bayerische Staatsbibliothek feiert zwei bedeutende Ereignisse

Peter Schnitzlein DAS NIBELUNGENLIED IM die Handschrift A bis 7. Februar in Mün- ist Leiter des Stabsreferats UNESCO-WELTDOKUMENTENERBE chen gezeigt. Am 25. Januar fand im Mar- Öffentlichkeitsarbeit der FESTAKT AM 25. JANUAR 2010 morsaal der Bibliothek – sozusagen als Bayerischen Staatsbibliothek Finissage – der offizielle Festakt mit der Im Juli 2009 wurde die im Besitz der Urkundenübergabe an Generaldirektor Bayerischen Staatsbibliothek befindliche Dr. Rolf Griebel durch den Vizepräsiden- Handschrift A des Nibelungenliedes zu- ten der Deutschen UNESCO-Kommis- sammen mit den Handschriften B (Stifts- sion, Prof. Dr. Christoph Wulf, statt. bibliothek St. Gallen) und C (Badische 230 Gäste folgten den Ausführungen von links: Die Handschrift A der Landesbibliothek) in das UNESCO-Welt- Prof. Joachim Heinzle (Philipps-Universi- Bayerischen Staatsbibliothek in der dokumentenerbe aufgenommen. Ein aus- tät Marburg) zur „Europäischen Helden- Schatzkammer führlicher Bericht hierzu erschien im letz- dichtung“ und der Vorstellung des

v.l.n.r. Prof. Leonhard, Dr. Griebel, ten Heft. UNESCO-Programms „Memory of the Staatsminister Dr. Wolfgang Heu- World“ durch Prof. Joachim-Felix Leon- bisch, Dr. Julia Freifrau Hiller von In einer gut besuchten Schatzkammer- hard, den Vorsitzenden des nationalen Gaertringen (Badische Landesbiblio- Ausstellung mit dem Titel „Unsterblicher Nominierungskomitees der Deutschen thek), Prof. Wulf, Dr. Karl Schmuki (Stiftsbibliothek St. Gallen) mit der Heldengesang. Das Nibelungenlied im UNESCO-Kommission. UNESCO-Urkunde UNESCO-Weltdokumentenerbe“ wurde BIbliotheks m agazin

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Das international renommierte Ensemble DIE FUGGER IM BILD Das Ensemble „Estampie“ „Estampie“ umrahmte den Festakt musi- ERÖFFNUNG DER AUSSTELLUNG links: Bei der an den Festakt kalisch mit Stücken aus der Carmina AM 9. MÄRZ 2010 anschließenden Führung durch die Burana, von Walther von der Vogel- Ausstellung: Staatsminister Dr. Heu- weide und einem anonymen Künstler. Am 9. März wurde die Ausstellung „Die bisch, Dr. Griebel und Kolleginnen Fugger im Bild. Selbstdarstellung einer aus der Abteilung Handschriften und Alte Drucke Familiendynastie der Renaissance“ im Marmorsaal der Bibliothek in Anwesen- heit von Fürst Fugger-Babenhausen und seiner Gattin eröffnet. Im Mittelpunkt

v.l.n.r.: Dr. Fabian (BSB), Fürstin und Fürst Fugger-Babenhausen, Dr. Grie- bel, Minsterialdirigent Dr. Weiß (Bayerisches Staatsministerium für Wissenschaft, Forschung, Kunst), Prof. Fischer (Ernst von Siemens Kunststiftung), Prof. Burkhardt (Uni- versität Augsburg) BIbliotheks m agazin

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Das „ensemble für frühe musik der Ausstellung standen die 2009 erwor- Heinrich Isaak. Großes Interesse fand augsburg“ benen, spektakulären Fugger-Genealo- während des anschließenden Empfangs gien. Ausführliche Informationen zu bei- bzw. der Möglichkeit, die Ausstellung zu rechts: Blick in die Schatzkammer den Neuwerbungen finden Sie ebenfalls besichtigen, neben den beiden ausgestell- in Heft 1/2010 des Bibliotheksmagazins. ten Orginalen die berührungslose, ges- tengesteuerte Präsentationstechnik für Im bis auf den letzten Platz belegten Mar- die Fugger-Digitalisate. Die Ausstellung – morsaal hielt Prof. Johannes Burkhardt zu der ein reich bebilderter, opulenter (Universität Augsburg) einen Festvortrag Katalog zum Preis von 24,90 Euro er- zum Thema „Stillschweigen steht nicht schien – war bis 22. Mai zu sehen. Die mehr an. Die Erinnerungskultur der Fug- Orginale ruhen jetzt wieder im Tresor, ger im Medienwandel der Neuzeit“. Das die Digitalisate können selbstverständlich ensemble für frühe musik augsburg begeis- weiterhin unter www.bayerische-landes- terte mit seinen Interpretationen von bibliothek-online.de/fugger bewundert Tilman Susato, Giacomo Fogliano und werden.

Unermüdlich demonstrierte der stellvertretende Generaldirektor, Dr. Klaus Ceynowa, die neue, gestengesteuerte Präsentationstech- nik für die Fugger-Digitalisate. BIbliotheks m agazin

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GERHART RODENWALDTS PERSÖNLICHE KORRESPONDENZ

Zu den Archäologennachlässen in der Staatsbibliothek zu Berlin

Wissenschaftsgeschichtlich bedeutsame Bedeutung und Glanz als Wissen- Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Hermann Parzinger Nachlässe von renommierten Gelehrten schaftsstandort und als „Weltstadt“ der ist Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz würde man zunächst in den Archiven ein- Frühzeit archäologischer Forschung. Die schlägiger Einrichtungen vermuten. Dem Rolle vieler herausragender Persönlich- ist jedoch nicht immer so, und Briefe, keiten der Altertumskunde kann gar Tagebücher und andere persönliche Auf- nicht vollständig erfasst werden, ohne zeichnungen von Altertumswissenschaft- diese Nachlässe in der Staatsbibliothek lern finden sich nicht nur an Museen und einzubeziehen. Zu ihnen zählen u. a. Universitäten sowie im Deutschen Johann Joachim Winckelmann, Richard Archäologischen Institut, sondern eben Lepsius, Heinrich Schliemann, Robert auch in der Handschriftenabteilung der Koldewey, Walter Andrae, Wolfgang Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Helbig, Felix von Luschan, Otto Weber Kulturbesitz. Das, was dort an Ver- und Gerhart Rodenwaldt. mächtnissen aus den verschiedenen altertumswissenschaftlichen Teildiszipli- Die Wichtigkeit der Archäologennach- nen vorliegt, unterstreicht einmal mehr lässe der Staatsbibliothek zu Berlin soll hier einmal exemplarisch am Beispiel der persönlichen Briefsammlung von Gerhart Rodenwaldt aufgezeigt werden. Der 1886 geborene Rodenwaldt war von 1922 bis 1932 zunächst Generalsekretär und – nach der Umbenennung des Amtes 1929 – Präsident des Deutschen Archäo- logischen Instituts (DAI) in Berlin. Noch vor Beginn der Naziherrschaft verließ er das Institut und wechselte an die Univer- sität Berlin, wo er bis kurz vor Kriegs- ende Klassische Archäologie lehrte. Nach der Einnahme der Stadt durch die Rote Armee ging er gemeinsam mit sei- ner durch den Soldatentod des einzigen Sohnes gebrochenen und seither stark depressiven Frau in den Freitod. Gerhart Rodenwaldt (1886–1945) BIbliotheks m agazin

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Der gesamte dienstliche Schriftverkehr lich“ gekennzeichnet waren. Es war nur Rodenwaldts befindet sich heute – so- selten Korrespondenz belanglosen In- weit noch erhalten – im Archiv des Deut- halts, ganz im Gegenteil: In der Regel schen Archäologischen Instituts in Berlin- ging es um delikate bis brisante Vorgänge, Dahlem. Seine persönliche Korrespon- die Personen des Fachs, die Regelung denz galt dagegen lange als verschollen von diversen Nachfolgefragen, strategi- und wurde erst 1971 auf dem Dach- sche Überlegungen im Umgang mit Minis- boden des verlassenen Privathauses terien u. ä. betrafen. Sehr klar offenbart Rodenwaldts in der Holbeinstraße 53 in sich hierbei aber auch das wissenschafts- Berlin-Lichterfelde entdeckt. Aufgrund und kulturpolitische Netzwerk Roden- ungeklärter Eigentumsverhältnisse ge- waldts, mit dessen Hilfe er erfolgreich langten diese Briefe als Nachlassdeposi- wirken konnte. Nach seinem Ausschei- torium in die Handschriftenabteilung den aus dem Dienst des DAI wollte er der Staatsbibliothek Preußischer Kultur- diese mit „persönlich“ gekennzeichneten besitz. Anlässlich des 150-jährigen Jubi- Briefe, die er während seiner gesamten läums des Instituts bemühte sich des- zehnjährigen Tätigkeit am Institut fein sen damaliger Präsident Werner Krämer säuberlich von der übrigen Dienstpost 1979 um eine Überführung dieser Kor- trennte, offenbar nicht in das Archiv des respondenz in das Archiv des DAI, wobei DAI überführt und damit für seine Nach- sich Stiftung Preußischer Kulturbesitz folger und andere Kollegen einsehbar und Deutsches Archäologisches Institut wissen. Da aber gerade diese Korres- schließlich darauf einigten, dass die Origi- pondenz viele Entscheidungen Roden- nale in der Staatsbibliothek verblieben waldts und seine Denkweise in besonde- und das DAI Kopien und Mikrofiches er- rer Weise nachvollziehbar macht, handelt hielt. es sich um den wissenschaftsgeschichtlich in vielerlei Hinsicht entscheidenden Teil Dieser Teil des rodenwaldtschen Nach- seines Nachlasses; nicht auszudenken, lasses enthält aber eben nicht private wenn er verloren gegangen wäre! Der Briefe, sondern nahezu ausschließlich sol- Zeitpunkt der Auffindung dieser Briefe in che dienstlichen bzw. fachlichen Inhalts, einem verlassenen Haus fast 30 Jahre die jedoch mit dem Vermerk „persön- nach Kriegsende geschah gerade noch BIbliotheks m agazin

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rechtzeitig, ehe die bereits angegriffe- Margarete Bieber nen Papiere dem endgültigen Zerfall aus- gesetzt gewesen wären.

Die persönliche Korrespondenz Roden- waldts – neun Archivkartons mit 728 Mappen – bildet eine wahre Fundgrube für die Entwicklung der archäologischen Wissenschaften und ihrer Institutionen- geschichte in den 1920er- und frühen 1930er-Jahren. Schon eine nur flüchtige Durchsicht ergibt unzählige Ansätze, die sich gewinnbringend weiterverfolgen lie- ßen, und es bleibt nur zu wünschen, dass das Potential und die Fülle der hier ent- haltenen Informationen eines Tages um- fassend zur Geltung gebracht werden. Auf die Person Rodenwaldts bezogen geschah dies bereits durch Esther Sophia pendium des Deutschen Archäologischen Sünderhaufs umfangreichen Aufsatz „Am Instituts erhalten, damals wie heute eine Schaltwerk der deutschen Archäologie“ Art Exzellenzstipendium, das den weite- – Gerhart Rodenwaldts Wirken in der ren Aufstieg im Fach beförderte; nicht Zeit des Nationalsozialismus im Jahrbuch jedoch bei Frauen wie Margarete Bieber, 123 (2008) des Deutschen Archäologi- der am Ende, am 20. Januar 1930, selbst schen Instituts. Rodenwaldt resignierend schreiben musste: „Leider habe ich schon mehrfach Eine ausführliche Bewertung des umfang- die Erfahrung machen müssen, dass reichen Nachlasses von Gerhart Roden- meine Stellungnahme über Sie nur mit waldt ist in diesen wenigen Zeilen gewiss einem freundlichen Lächeln angenommen nicht vorzunehmen, und dennoch lässt wird, weil unsere Freundschaft eben zu sich gleichsam schlaglichtartig sein Poten- bekannt ist. Vielleicht wäre eine zeit- tial aufzeigen. So zeugen etwa seine mit weise Verfeindung der Sache günstig?“ Margarete Bieber ausgetauschten Briefe der späten 1920er-Jahre auf sehr an- Rodenwaldts Präsidentschaft in den schauliche Weise von der schwierigen 1920er-Jahren war außergewöhnlich Situation, in der sich Frauen zu jener Zeit erfolgreich. Zunächst gelang es ihm, die noch immer befanden, wenn es darum besonders von Frankreich betriebene ging, eine akademische Karriere zu begin- Isolierung der deutschen Altertumswis- nen und einen Ruf an eine deutsche Uni- senschaft nach dem Ersten Weltkrieg versität zu erhalten. Die später in die aufzubrechen und die internationalen USA emigrierte Jüdin Bieber hatte vor Verbindungen auszubauen. Sein größter dem Ersten Weltkrieg zusammen mit Erfolg war dabei zweifellos – trotz der Rodenwaldt als erste Frau das Reisesti- Weltwirtschaftskrise – die Gründung der BIbliotheks m agazin

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Ludwig Curtius Abteilungen des DAI in Kairo und Istan- (Foto: Albert-Ludwig-Universität bul 1929, die das DAI zum weltweit Freiburg, Institut für Archäologische größten archäologischen Forschungsinsti- Wissenschaften) tut machten. Als Rodenwaldt dann 1932 den für viele überraschenden Entschluss fasste, sein Präsidentenamt niederzule- gen, um dem Ruf auf ein Ordinariat an der Berliner Universität zu folgen, waren Ratlosigkeit und Sorge über die weitere Zukunft des Instituts groß.

Briefe an und von Rodenwaldt machen die Schwierigkeiten bei der Suche nach einem geeigneten Nachfolger offensicht- lich und enthalten bemerkenswerte Ein- schätzungen zu Leistung und Charakter- eigenschaften diverser Kandidaten. Am Ende blieb nur der bereits 64-jährige Theodor Wiegand, Direktor der Anti- kensammlung der Staatlichen Museen zu Berlin, dem man es aufgrund bester Ver- Brief an Rodenwaldt auf extremste Art bindungen bis in höchste Kreise von Poli- zum Ausdruck. Er konstatierte, „dass tik, Wirtschaft und Gesellschaft noch am er sich nur für das interessiert, was er ehesten zutraute, das Institut unbescha- selber tut, und dass ihm alles andere, so- det durch die bereits heraufziehende weit es nicht seinem persönlichen Ehr- neue Zeit zu steuern, übrig. Doch nicht geiz dient, völlig Wurst ist“. Solche Ur- alle waren über diese Wahl glücklich, teile hätte der diplomatische Rodenwaldt und Ludwig Curtius, Ordinarius in Hei- nie zu fällen gewagt, auch das zeigt die delberg, brachte die Vorbehalte gegen- Lektüre seiner persönlichen Korrespon- über Wiegand am 20. Juni 1927 in einem denz. BIbliotheks m agazin

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NEUE ARBEITSUMGEBUNG FÜR DIE GEISTES- UND KULTURWISSENSCHAFTEN

Der Aventinus-Forschungslesesaal der Bayerischen Staatsbibliothek

Beeindruckende Zahlen melden die Be- an Überfüllungsphänomenen – ein Zei- Peter Schnitzlein nutzungsdienste alljährlich für den Jahres- chen für die hohe Attraktivität des Ange- ist Leiter des Stabsreferats Öffentlichkeitsarbeit der bericht der Bayerischen Staatsbibliothek, botes. Selbst die ab 2006 signifikant aus- Bayerischen Staatsbibliothek und so auch für 2009: 55.123 einge- geweiteten Öffnungszeiten (täglich 8.00 schriebene Nutzer hatte die Bibliothek bis 24.00 Uhr) trugen nicht zur Entspan- Ende 2009, über 1,91 Mio. Entleihungen nung der Situation bei. Nicht selten kam wurden verbucht und auf den Katalog es vor, dass Wissenschaftler, die für ihre wurde über 5,61 Millionen mal zugegrif- Arbeit auf nur im Lesesaal einsehbare fen. Die Zahl der Auskunftsanfragen lag Bestände angewiesen sind, sich immer bei rund 152.000. Mit knapp 1.120.000 wieder auf eine nervenaufreibende Sitz- Besuchern erreichte auch der Allgemeine platzsuche begeben mussten. Lesesaal der Bibliothek wieder Spitzen- werte, die allerdings – und auch dies ist Die hohe Akzeptanz des Lesesaals kann ein seit Jahren sich wiederholender Vor- übrigens durchaus als Indiz für eine gang – mit Unmutsäußerungen mancher Renaissance der Bibliotheken gewertet

Nutzer angesichts der Vollauslastung, ja werden. Während die Bestände der Bib- Das Foyer des neuen Aventinus- bisweilen sogar Überbelastung der ver- liotheken zunehmend in digitaler Form Lesesaals fügbaren Kapazitäten einhergehen. Dem interessierten Beobachter stellt sich an- gesichts dieser Situation immer wieder die Frage: „Wann und vor allem wie wird die Bayerische Staatsbibliothek hier Ab- hilfe schaffen? Ist innerhalb der gegebe- nen räumlichen und architektonischen Möglichkeiten überhaupt noch „Luft“ für die Bereitstellung erweiterter Nutzer- angebote? Wie lässt sich ein Raum- gewinn ohne Flächenzuwachs bewerk- stelligen?“

Der Allgemeine Lesesaal der Bayerischen Staatsbibliothek leidet seit einigen Jahren BIbliotheks m agazin

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lieren, bewahrheiten sich nicht, wie die Nutzerzahlen belegen.

„Während sich die Bibliothek mit Blick auf den – zunehmend digitalen und digi- talisierten – Bestand partiell virtualisiert und damit gleichsam auflöst, gewinnt der Ort Bibliothek als Kommunikationstreff- punkt und Arbeitsplatz im 21. Jahrhun- dert einen neuen Stellenwert“, so Gene- raldirektor Rolf Griebel. Herzstücke sowohl der alten als auch der neuen Bib- liotheken bildeten und bilden stets die Lesesäle. Hier bündelt sich alles: digitale Angebote wie Kataloge, Datenbanken, Edles Holz, moderne Arbeitsplätze, dem Wissenschaftler an seinem Arbeits- elektronische Medien und Volltexte, eine angenehme Atmosphäre: der neue platz weltweit online zur Verfügung umfassende Handbibliothek, der Zugang Lesesaal stehen, gewinnt gleichzeitig und komple- zu den reichen Bibliotheksbeständen, mentär die Bibliothek als Ort des wis- bibliothekarische Fachinformation, Scan- senschaftlichen Arbeitens und der Inspi- und Repromöglichkeiten und eben der ration, als Ort der Reflexion und des Austausch mit anderen – ein von vielen Austausches und natürlich als Ort des als maßgeblich erachteter Vorteil gegen- Lernens zunehmend an Bedeutung. Die über der „isolierten“ Arbeitssituation düsteren Prognosen, dass Bibliotheken zuhause und erst recht gegenüber dem als „physische“ Einrichtungen im digitalen „nomadisierenden“, mobilen Arbeiten Zeitalter zunehmend ihre Funktion ver- mit Notebook und Smartphone.

Aus der Vogelperspektive: der Aventinus-Lesesaal bei der Eröff- nung am 4. Februar 2010 BIbliotheks m agazin

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Der Allgemeine Lesesaal der Bayerischen Staatsbibliothek vereinigt all diese Vor- teile in sich. Das Modell war und ist da- bei so erfolgreich, das es am eigenen Erfolg – so die Wahrnehmung mancher Nutzer – schier zu „ersticken“ drohte. Trotz aller kurzfristigen Maßnahmen wie der Einrichtung eines separaten Bereichs für Wissenschaftler im Saal oder der maximalen Bestückung mit Stühlen und Tischen konnte die oben beschriebene Situation nicht grundlegend verbessert werden. Daher entschloss sich die Biblio- theksleitung zur Einrichtung eines neuen, als Arbeitsumgebung exklusiv für die for- schende Nutzung ausgewiesenen Lese- saals für die Geschichts- und Altertums- Arbeiten. Bleibt zu hoffen, dass mit dem Bei der Eröffnungsveranstaltung wissenschaften, für Bavarica und für das neuen Forschungslesesaal der „Benut- (v.l.n.r.): Dr. Klaus Ceynowa, Prof. Dr. Ferdinand Kramer, der den Fest- Alte Buch. zungsdruck“ auf den Allgemeinen Lese- vortrag hielt, Dr. Wilhelm Hilpert, saal etwas abnimmt und die kontinuier- Leiter der Abteilung Benutzungs- Am 4. Februar 2010 wurde der neue – liche Überbelegung des Allgemeinen dienste, Dr. Rolf Griebel auf den Namen Aventinus getaufte – Lesesaals zumindest tendenziell zurück- Lesesaal in Anwesenheit von rund 200 geht. Gästen eröffnet. Den Festvortrag hielt der Landeshistoriker Prof. Dr. Ferdinand Als nächsten Schritt soll die bereits Kramer vom Historischen Seminar der begonnene Renovierung des Lesesaals Ludwig-Maximilians-Universität. Mit der für Musik, Karten und Bilder auch hier Einrichtung des Aventinus-Lesesaals mit die Arbeitsbedingungen für die Wissen- 64 Arbeitsplätzen verfolgt man das Ziel, schaft deutlich optimieren. Darüber Wissenschaftlern optimale Vorausset- hinaus ist die bis Juli abgeschlossene zungen zu bieten, nicht nur hinsichtlich komplette Neugestaltung des Cafeteria- des Bestandes der Bibliothek, sondern Bereichs der Bayerischen Staatsbiblio- auch hinsichtlich des Arbeitsplatzangebo- thek auch darauf angelegt, durch lounge- tes. Der neue Lesesaal wurde in einem artige Gestaltung nochmals erweiterte der wohl schönsten Räume der Bayeri- Kommunikations- und Austauschmög- schen Staatsbibliothek mit direktem Blick lichkeiten zu schaffen, dann aber eher für auf die Münchner Altstadt eingerichtet. die studentische Klientel der Bibliothek. Die Freihandbibliothek mit ca. 20.000 Unbeschadet der laufenden Planungen Bänden und die ästhetisch ansprechende, für zwingend erforderliche Erweiterungs- komfortable und technisch auf dem bauten wird so die Optimierung der neuesten Stand ausgerichtete Innenein- Nutzungsmöglichkeiten im vorhandenen richtung schaffen die Grundvorausset- Flächenbestand vorangetrieben. zung für ein effizientes wissenschaftliches BIbliotheks m agazin

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Wie man Damen zersägt, immer ein Ass im Ärmel hat und sein Publikum bezaubert:

ZAUBERBÜCHER AUS DER SAMMLUNG FECHNER

Dr. Silke Trojahn Wie man Geld aus dem Hut zaubern ist Erwerbungskoordinatorin in kann, wird leider in solcher Literatur nicht der Abteilung Historische Drucke erklärt, aber bei dieser spannenden Auk- der Staatsbibliothek zu Berlin tion wäre es vonnöten gewesen: Ein vol- ler Saal, internationales Publikum, dazu zahlreiche Bieter am Telefon – am 4. Ok- Sammelleidenschaft scheint recht häufig tober 2009 wurde bei Hauff & Auver- bei Zauberkünstlern vorzukommen, so mann in Berlin der deutschsprachige Teil beherbergt die Library of Congress in der „Sammlung Christian Fechner / Zau- Washington seit 1927 in ihren Sonder- berei & Magie“ versteigert. sammlungen die „Harry Houdini Collec- tion“, die der bekannte Zauber- und Christian Fechner (1944–2008) war nicht Entfesselungskünstler der Bibliothek ver- nur ein bekannter französischer Film- macht hatte. produzent, sondern auch ein Sammler und Zauberkünstler, der seinerseits die Leider wurde die Sammlung Fechner zer- Sammlung des Magiers Adolphe Blind schlagen, die englischsprachigen Werke erworben und erweitert hatte. Adolphe wurden in den Jahren 2005 bis 2007 in Blind (1862–1925) verfügte wie nach ihm drei Auktionen bei Swann in New York Fechner über das nötige Vermögen, um versteigert, die französischsprachigen seiner Leidenschaft nachgehen zu kön- bereits 2004 bei Drouot Richelieu in Pa- nen, ohne darin von schnöder Erwerbs- ris. Bei der Auktion in Berlin konnte die tätigkeit übermäßig behindert zu werden. Abteilung Historische Drucke der Staats- Er trug umfassend Literatur zum Thema bibliothek zu Berlin einige Titel für den zusammen, was sogar in einer Spezial- von ihr betreuten Zeitraum der „Samm- bibliographie mündete – der „Bibliogra- lung Deutscher Drucke“, nämlich der phy of conjuring and kindred deceptions“ Erscheinungsjahre 1871–1912, erwerben (London 1920, zusammen mit S. W. und damit die bereits im Bestand vorhan- Clarke), die gleichzeitig ein Nachweis des dene Literatur zum Thema mit seltenen Bestands der Blind’schen Sammlung ist. Stücken ergänzen. BIbliotheks m agazin

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Es handelt sich vor allem um praktische Sehr interessant sind die Kataloge von Anleitungen zum Ausführen von Karten- Versandhäusern, die sich auf Zauber- und anderen Zaubertricks, aber auch um artikel spezialisiert hatten. Die Firmen Hintergrundliteratur, z. B. über das Le- E. Hensel in Hamburg und Berlin, F. W. ben von Varietékünstlern oder die phy- Conrad Horster in Berlin und Dresden, sikalischen Grundlagen optischer Täu- Ficker in und Carl Willmann in schungen. Hamburg waren zeitgleich auf diesem BIbliotheks m agazin

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ohne umzufallen“ (aus: „Der jovialste aller Hexenmeister: eine Quintessenz der leichtesten, überraschendsten und unbegreiflichsten Kunststücke“. 10. Auf- lage, Plauen: Schröter 1881). Oder „Die rastlose Weintraube. Wenn man gele- gentlich einer Tischgesellschaft beim Champagner angelangt ist, macht man darauf aufmerksam, wie dieser Stoff im- stande sei, Leben zu verleihen. Um einen Beweis hierfür zu erbringen, wirft man eine frische oder getrocknete Wein- traube in das gefüllte Champagnerglas, und die Weintraube wird langsam hoch- steigen. Sie wird wieder nach unten sin- ken, um von neuem an die Oberfläche des Champagners zu steigen“ (aus: „Will- mann’s illustrierte magische Bibliothek“, Band 3, Leipzig: Hahn 1900). Conradis „Universum der Magie“ (Berlin 1912) ist durchgängig mit Fotografien illustriert, von denen einige vor einem Spiegel auf- genommen wurden, damit man erkennen kann, wie der Zauberer einen Ball, eine Münze oder einen anderen Gegenstand „palmiert“ (von lat. palma = die Hand- fläche), also zwischen den Fingern ver- schwinden lässt. Ein Fotoband ganz ande- rer Art ist die „Geistersoiree“ (Jacoby- Harms: „Eine Geistersoiree: illustrirtes Palmieren für Anfänger Gebiet aktiv und machten einander rege Prachtwerk“, Leipzig: Dorn & Merfeld Konkurrenz. 1886), in der Geistergedichte adäquat illustriert werden. Im Nachwort aller- Die Anleitungsliteratur ist reizvoll durch dings erklärt der Verfasser in seiner die genauen Erläuterungen, wie die Abrechnung mit dem Spiritismus, dass Kunststücke funktionieren. Das raubt alle Geistererscheinungen Täuschungen zwar manche Illusion, aber man kommt des Publikums seien, die von geschäfts- dafür in Versuchung, die einfacheren tüchtigen Medien bewerkstelligt würden. Tricks selbst auszuprobieren: „57. Ein Ei auf die Spitze zu stellen. Man schüttelt Und die zersägte Dame? Diese Illusion, das Ei so lange, bis der Dotter gleichför- die einem bei dem Thema als erste in mig mit dem Eiweiß vermischt ist und das den Sinn kommt, wurde erstmals 1921 Ei wird sich auf die Spitze stellen lassen, vorgeführt und gehört seitdem zum klas- BIbliotheks m agazin

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sischen Repertoire der Zauberkünstler. vom Tisch wird rasch entfernt. Die Dame Vorläufer gab es aber durchaus – hier sei kriecht hinter den Tisch und steckt den aus dem „Zaubersalon oder Bellachini II: Kopf durch die Öffnung, auf welcher sich eine ausgewählte Sammlung leicht aus- eine Schüssel ohne Boden befindet. Der führbarer Zauber- und Kartenkunst- Darsteller legt nun der Dame schnell ein stücke sowie chemischer und physikali- schon bereit gehaltenes bandartig ge- scher Zauberexperimente“ (Danzig: schnittenes Stück rohes Fleisch um den Stuller 1896) zitiert: „Die Enthauptung Hals, damit es den Anschein hat, es sei einer Dame. Zu diesem Experiment ist der blutende Hals der enthaupteten Per- ein verdeckter Tisch erforderlich, wel- son. Auch kann der besseren Täuschung cher oben eine kreisförmig ausgeschnit- halber etwas Ochsenblut rund um den tene Öffnung hat, so daß bequem der Rand der Schüssel geträufelt werden. Kopf eines Menschen hindurchgeht. Den Hierauf zieht der Darsteller den Vorhang Tisch bedeckt man anfangs mit einem auf und die Zuschauer sehen mit Erstau- Tuch, damit die Öffnung nicht bemerkt nen den noch zuckenden blutigen Kopf wird. Ist die Vorbereitung beendet, so auf der Schüssel liegen. Nach kurzer tritt der Darsteller mit einer Dame vor Pause wird der Vorhang wieder zugezo- und erklärt, daß er derselben den Kopf gen und dann die Dame wieder unver- abschneiden werde. Da jedoch empfind- sehrt dem Publikum zugeführt.“ liche Damen sich im Saal befinden dürf- ten, so wolle er diese Operation hinter Sie sehen, bei solcher Lektüre kann ein dem Vorhange vornehmen und nur spä- Aufenthalt in der Staatsbibliothek zu Ber- ter den abgeschnittenen Kopf vorzeigen. lin ebenso anregend wie ein Besuch im Der Darsteller zieht nun eine vor dem Varieté sein! Tisch befindliche Gardine vor. Das Tuch Der Pädagoge Hartmut von Hentig, Lilo Saur, der Literaturwissenschaftler und Publi- zist Friedrich Dieckmann

Barbara Schneider-Kempf vor Bettina Flitners Porträt von Klaus- Dieter Lehmann Jahresempfang 2010

der Generaldirektorin und des Vorsitzenden der Freunde der Staatsbibliothek zu Berlin Fotos: Joerg F. Mueller

Dringender Restaurierungsbedarf: Hallisches patriotisches Wochen- blatt von 1832 aus der Zeitungssammlung

Friedrich Dieckmann, Generaldirektorin Barbara Schneider-Kempf, Staatssekretär a. D. Knut Nevermann, der Historiker Arnulf Baring, Senatsbaudirektorin Regula Lüscher, der Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, Hermann Parzinger Der Vorsitzende des Freundes- und Fördervereins, Klaus G. Saur Der Schauspieler und Rezitator Hans-Jürgen Schatz; Leiterin der Bibliothek Die Präsidentin des Bundesamtes für Bauwesen und Raumordnung, Rita Ruoff- des Wissenschaftskollegs zu Berlin i. R. Gesine Bottomley Breuer und Gräfin Schwerin zu Schwanenfeld

Dank allen jenen, die die Patenschaft für die Restaurierung einer Handschrift oder eines Buches übernommen haben. Insgesamt gingen 60 Finanzierungs- zusagen im hohen vierstelligen Wert ein.

Barbara Schneider-Kempf; Rechtsanwältin und Notarin Angelika Bellinger

Ganz links: der Leiter der Handschriftenabteilung, Eef Overgaauw; Christoph Albers, Referent in der Zeitungsabteilung; Imma Hendrix, rechts: der stellvertretende Leiter der Benutzungsabteilung, Uwe Schwersky, stellvertretende Leiterin der Universitätsbibliothek der Humboldt-Universität, mit Gattin Carolyn Greenberg mit Tochter BIbliotheks m agazin

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Russische Weltchronik aus dem 16. Jahrhundert im Faksimile

GESCHENK AN DIE BAYERISCHE STAATSBIBLIOTHEK

Interview mit Charis Mustafin

Dr. Gudrun Wirtz Zu den neuen Phänomenen des russi- chronik“ durch den eigens für dieses Pro- ist Leiterin, schen Buchmarktes gehören zahlreiche jekt gegründeten Verlag „Akteon“. Die Filip Hlusˇicˇka ebenso hochpreisige wie hochwertige Chronik, im Russischen Licevoj Letopisnyj ist Mitarbeiter der Osteuropa- Nachdrucke und Faksimile-Ausgaben Svod, ist ein in jeder Hinsicht monumen- abteilung der Bayerischen Staats- bibliothek wichtiger Werke der russischen Kultur- tales Werk russischer Geschichtsschrei- geschichte. Das sicherlich herausragend- bung. Sie steht wie die vielen anderen ste Unternehmen dieser Art ist die Faksi- erhaltenen mittelalterlichen und früh- milierung und zugleich wissenschaftliche neuzeitlichen Chroniken der orthodoxen Kommentierung der „Russischen Welt- Slavia in byzantinischer Tradition, d. h. sie beginnt in biblischen Zeiten mit der Er- schaffung der Welt und reicht bis in die Gegenwart des Schreibers. Als Auftrags- arbeit Iwans des Schrecklichen entstand sie im Moskau des 16. Jahrhunderts. Ihr Umfang beträgt rund 10.000 handschrift- liche Seiten mit mehr als 17.000 kunst- historisch wertvollen Miniaturen.

Mit diesem Faksimile steht der Osteuro- paforschung nun weltweit ein bislang we- nig erforschtes Zeugnis der Geschichte und eines der identitätsstiftenden Kultur- dokumente Russlands zur Verfügung. In der Bayerischen Staatsbibliothek wird es den Benutzern dank des persönlichen Geschenks durch den Generaldirektor von „Akteon“, Charis Mustafin, ab Mitte 2010 vollständig zugänglich sein. Aus die- sem Anlass führten Filip Hlusˇicˇka und

Der Generaldirektor des Verlags Dr. Gudrun Wirtz mit dem Verleger fol- „Akteon“, Charis Mustafin gendes Interview. BIbliotheks m agazin

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■ Herr Mustafin, die Bayerische Staats- bibliothek freut sich sehr über das kostbare Geschenk. Es wird den Be- stand der Osteuropasammlung sehr bereichern. Wie entstand die Idee, die Weltchronik Iwans IV. im Faksimile herauszugeben?

Vielleicht wissen Sie, dass 2004 die Mos- kauer Manege völlig ausbrannte und dass das Feuer auch die Bücher in der benach- barten Bibliothek der Moskauer Staat- lichen Universität zu vernichten drohte. Kurz zuvor waren bei einem Hochwasser in Sankt Petersburg einige der größten illustrierte Chronik dieser Größenord- Einer der originalen Handschriften- Bibliotheken überflutet worden. Dabei nung. bände wurden viele Bücher in Mitleidenschaft gezogen. Zur selben Zeit gab es auch ■ Welche Rolle spielte dabei die Schwie- Diebstähle seltener Handschriften. Vor rigkeit für Forscher, an das Original diesem Hintergrund beschlossen einige heranzukommen? Enthusiasten, zumindest die wichtigsten Buchdenkmäler aus den russischen Bib- Das war für uns ein sehr wichtiges Motiv. liotheken zu faksimilieren und sie so für Zum einen besteht die Handschrift aus die Nachwelt zu erhalten. Es war eine zehn großformatigen Bänden, die an drei Gruppe von Freunden, die sich aus ihrer verschiedenen Orten aufbewahrt wer- gemeinsamen Studienzeit am Moskauer den. Die Bände 1, 9 und 10 befinden sich Institut für Physik und Technologie kann- in der Handschriftenabteilung des Staat- ten, keine Historiker oder Philologen, lichen Historischen Museums in Moskau, aber lebhaft interessiert an Geschichte. die übrigen dann in zwei Bibliotheken in Einer von ihnen, Vadim Jakunin, Chef des Sankt Petersburg: die Bände 2, 6 und 7 in Pharmaunternehmens „Protek“, war be- der Bibliothek der Akademie der Wis- reit, das Vorhaben zu finanzieren. senschaften und die Bände 3, 4, 5 und 8 in der Russischen Nationalbibliothek. In Im Präsidium der Russischen Akademie diesen Häusern befinden sie sich erst seit der Wissenschaften erzählte man uns dem Anfang des 19. Jahrhunderts. Bis da- von einer einzigartigen Handschrift: einer hin waren sie in verstreutem Privatbesitz, illuminierten russischen Weltchronik aus weshalb man sie als eigenständige Werke der Zeit Iwan des Schrecklichen. Wir betrachtete. Zum anderen hatten, aus fuhren nach Sankt Petersburg in die Bib- konservatorischen Gründen und auf- liothek der Akademie, wo man uns einige grund des Wertes, den diese Handschrift Bände dieser Chronik zeigte. Sie machte darstellt, nur ganz wenige hochkarätige auf uns einen enormen Eindruck: In Russ- Forscher die Möglichkeit, das Original land gibt es keine zweite handschriftliche einzusehen. Alle anderen mussten sich BIbliotheks m agazin

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haben, sind nur ungefähr 7 Prozent wis- senschaftlich untersucht. 7 Prozent von über 17.000 Miniaturen! Dabei stellen Bild und Text eine unzertrennliche Ein- heit dar, ja zuweilen bietet das Bild, das jeweils zwei Drittel der Seite ausfüllt, sogar deutlich mehr Information als der zugehörige lapidare Text.

Unsere Ausgabe ermöglicht nun allen Interessierten an einem Ort den Zugang zum gesamten erhaltenen Text in der Qualität des Originals.

■ Vor welche technischen Herausforde- rungen wurden Sie bei der Umsetzung Ihres Vorhabens gestellt? Die ledergebundene Prachtausgabe bestenfalls mit alten unscharfen Schwarz- in 30 Bänden weißfotografien begnügen, die es aller- Wir mussten einen hochauflösenden dings nur von den Teilen gab, die der Scanner finden, der beim Ablichten das russischen Geschichte gewidmet waren. Original nicht beschädigt, ein Gewicht Infolgedessen blieb die Handschrift rela- von 15 bis 16 Kilogramm – soviel wiegt tiv wenig und ungleichmäßig erforscht. jeder der zehn Bände – aushält und auch Dies gilt vor allem für die Miniaturen. schnell ist: Wir hatten ja vor, 10.000

Eine Doppelseite aus der Prachtaus- Unseren Schätzungen zufolge, die wir Blätter großen Formats zu scannen. Wir gabe zusammen mit Fachleuten durchgeführt haben von April bis Juni 2004 jeden Tag, sieben Tage die Woche, morgens bis abends gescannt. Weil wir an drei ver- schiedenen Orten arbeiteten, verloren wir einige Zeit durch den Abbau, den Umzug und den Aufbau der Technik. Da es unser erklärtes Ziel war, eine maxi- male Wiedergabetreue zu erreichen, haben wir jede Seite gleich zweimal ge- scannt – jeweils die aufgeschlagene Dop- pelseite und jede Seite einzeln. Dadurch sollte gewährleistet werden, dass uns bei der anschließenden Bearbeitung genü- gend Vergleichsmaterial vorliegt, um etwaige Scanfehler zu korrigieren. Denn ist die Handschrift aufgeschlagen, verhält sie sich, wie wenn sie lebendig wäre, als würden ihre großen, welligen Blätter BIbliotheks m agazin

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atmen: beim Scanvorgang können sich ■ Wo wurde das Faksimile gedruckt? Eine Doppelseite aus der Studienaus- die Seiten minimal bewegen, weshalb die gabe mit Umschrift und Übersetzung am Rand Aufnahme womöglich verzerrt wird. Da wir von Anfang an eine Auflage von lediglich einigen Dutzend Exemplaren, Im nächsten Arbeitsschritt bearbeiteten dafür aber eine maximale Farbwiederga- wir die vom Scanner gelieferten Daten betreue angestrebt hatten, beschlossen mit einer von uns entwickelten Techno- wir – um nichts dem Zufall zu überlassen logie, die die Korrektur der Seitenwöl- – den Druck in eigene Hände zu nehmen. bung ohne Datenverlust ermöglicht. Eine 2006 kauften wir ein hochmodernes andere, nicht minder komplizierte Auf- Gerät, das unseren Vorstellungen ent- gabe bestand darin, die originalgetreue sprach und in dessen Feinabstimmung Deckung der Vorder- und Rückseite wir viel Zeit investiert haben. So ist die eines Blattes zu erreichen. Insgesamt gesamte Produktionskette unter einem nahm diese Etappe fast zwei Jahre in Dach geblieben. Denn wir binden die Anspruch. Waren die Daten zum ersten Bücher in einer eigens dafür eingerichte- Band bearbeitet, haben wir sogleich mit ten Werkstatt, und zwar nach der Tech- dem Druck begonnen. Parallel dazu wur- nik des 16. Jahrhunderts. den die Daten zum zweiten Band auf- bereitet usw. BIbliotheks m agazin

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■ Eine moderne russische Übersetzung der Anordnung der Handschrift und be- und ein umfangreicher wissenschaft- steht aus drei Reihen – Russische Ge- licher Apparat gehören zu Ihrer Edi- schichtsschreibung, Biblische Geschichte tion. Wer sind die Autoren? und Weltgeschichte. Quasi als „Rand- bemerkungen“ des 21. Jahrhunderts be- Die Mitarbeiter der Handschriftenabtei- finden sich auf jedem Faksimileblatt die lungen des Staatlichen Historischen Transliteration des altrussischen Textes Museums, der Bibliothek der Russischen und seine moderne russische Überset- Akademie der Wissenschaften und der zung. Zu jeder der drei Reihen gehört Russischen Nationalbibliothek sowie Mit- ein Begleitband mit einem wissenschaft- arbeiter der Archäographischen Kom- lichen Kommentar, Indizes und einer mission der Russischen Akademie der Bibliographie. Die Bücher haben ein Wissenschaften, der Moskauer Staat- handliches Format mit durchschnittlich je lichen Universität und des Instituts für 500 Seiten. Die Anfangsauflage ist klein, russische Sprache der Russischen Akade- es wird bei Bedarf nachgedruckt, wobei mie der Wissenschaften. Das Resultat ist die Bände mit einem einfachen hand- eine Untersuchung, die es in dieser Grö- gefertigten Einband versehen sind. ßenordnung bisher nicht gab. Auch eine Übersetzung der kompletten Handschrift ■ Ein Exemplar dieser „Volksausgabe“ ins moderne Russisch lag bis dato nicht haben Sie soeben der Bayerischen vor. Staatsbibliothek geschenkt. Was hat Sie dazu bewogen? ■ Ihre Faksimileausgabe gibt es in meh- reren Ausführungen. Worin unter- Die Bayerische Staatsbibliothek ist eine scheiden sie sich? der größten europäischen Bibliotheken und zu ihren Sammelschwerpunkten zählt Zunächst haben wir eine in Druckquali- die Geschichte Osteuropas. Sie hat als tät, Papier und Einband äußerst aufwän- erste ausländische Bibliothek Interesse dige und hochpreisige Ausgabe produ- an der Erwerbung unseres Faksimiles ziert, die in nur 30 Exemplaren erschie- bekundet. Wir sind der Überzeugung, nen ist. Diese Ausgabe gibt es in zwei dass nicht nur russische Wissenschaftler, Varianten: 21-bändig mit 19 Faksimile- sondern auch deutsche Slawisten und bänden und einem zweibändigen wissen- Osteuropahistoriker die Möglichkeit ha- schaftlichem Apparat oder 30-bändig mit ben sollten, dieses einzigartige Denkmal 19 Faksimilebänden, einem zehnbändigen der russischen Geschichtsschreibung und wissenschaftlichen Apparat und Kom- Buchkunst zu erforschen. Wir schätzen mentaren sowie einem Band über die uns glücklich, unseren bescheidenen Bei- Wasserzeichen. trag hierzu leisten zu dürfen.

Aufgrund der hohen Resonanz haben wir ■ Sehr geehrter Herr Mustafin, haben uns im vergangenen Jahr entschieden, Sie herzlichen Dank für das Interview. eine etwas erschwinglichere Ausgabe in vierzig Bänden zu produzieren. Sie folgt BIbliotheks m agazin

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DIE SCHERE IM KOPF UND ANDERSWO

Zeitungen, Zensur und Selbstzensur

Zeitungen tragen ein Schicksal, und in Dass die Staatsbibliothek zu jeder Zeit Alexander Fiebig Zeiten der Not, Verfolgung, Zensur er- Freunde in benachbarten Redaktionen ist stellvertretender Leiter der Zeitungsabteilung der Staatsbiblio- eilt dieses sie manchmal schon vor dem oder Druckereien hatte, ist anzunehmen, thek zu Berlin Druck, aber auf jeden Fall zeitnah. Schon wenn auch nicht überliefert. Jedenfalls ein harmloser Druckfehler kann eine ist die besagte, ansonsten generell ein- ganze Zeitungsauflage gefährden, und gestampfte Nummer der „Neuen Zeit“ nicht nur die Auflage. Im „Cottbuser An- in der Zeitungsabteilung der SBB-PK vor- zeiger“ führte ein Druckfehler (ein feh- handen. lender und ein vertauschter Buchstabe) zum Einstampfen der gesamten Tagesauf- Am 16. Mai 1873 erschien der „Neue lage und zu weitreichenden Konsequen- Social-Demokrat“. Dem gebundenen zen für den Setzer bis zum Chefredak- Exemplar der Bibliothek liegt eine ein- teur: Aus dem Reichsjugendführer Baldur zelne lose Nummer bei. Im ordnungs- von Schirach war der Reichsjudenführer gemäß gebundenen Blatt ist die Titelseite geworden. Da glaubte man nicht an die zu einem Drittel von weißen Flecken fehlende Absicht. Auch bei der „Neuen übersät, Anstößiges, das das Missfallen Zeit“, der zentralen CDU-Zeitung der des Zensors erregt hatte. Das beilie- DDR, mochte man kein Versehen unter- gende Exemplar hat den vollständigen stellen, als durch Vertauschung zweier Text – ein erster Andruck der noch un- Buchstaben Walter Ulbricht zum „1. Se- zensierten Zeitung. kretär des KZ der SED“ wurde. BIbliotheks m agazin

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„Gazzetten, sollen sie interessant sein, dürfen nicht geniret werden“, die Be- richterstattung (außer in Kriegszeiten) nur wenig eingeschränkt. Zur Zeit der Französischen Revolution schreibt Carl Spener als Pariser Correspondent der „Berlinischen Nachrichten von Staats- und gelehrten Sachen“ einen Artikel, in dem er Verständnis für die Ursachen der Revolution äußert und optimistisch in die Zukunft blickt: „Der König hat sich in die Arme des Volkes geworfen …“. Dem- gegenüber veröffentlicht die allgemein als besonders liberal geltende „Kayserlich privilegirte Zeitung des Hamburgischen unpartheyischen Correspondenten“ bald ein Manifest der Kaiserlichen und königli- chen Hoheiten, in dem es über die Revo- lution heißt „… ungerecht und gesetz- widrig in ihrer Grundlage, schrecklich in den Mitteln …“. Die Hamburger fürch- teten sehr wohl, dass der Kaiser ihre Pri- Die Zensur begleitete die Zeitung von vilegien, insbesondere auf dem Gebiet Anfang an: Schon bei den handgeschrie- des Handels, einschränken könnte. Die benen Vorläufern, die dem jeweiligen „Deutsche Zeitung“ aus Gotha veröffent- Fürsten oder König vorgelegt wurden, lichte 1790 ein Pamphlet „Wider das gab es eine Auswahl des zu Vervielfälti- Revolutionsfieber“. genden. Die Vorgängerin der „Vossischen Zeitung“ der Postmeister Christoph und Nach den Befreiungskriegen wurde in Veit Frischmann, und nach ihnen des Preußen die Aufhebung der Zensur ver- Druckers Runge erhielt Ermahnungen sprochen, aber erst am 19. März 1848 und Androhungen wegen ihrer zu pro- verkündete der König unter dem Schock evangelischen Berichterstattung. Der seines „Irrtums“, des Schießbefehls vom katholische Kaiser ermahnte seinen Kur- 18. März: „Die Zensur ist aufgehoben“. fürsten, der dies dann weitergab. Auch Satirische Blätter wie der „Berliner Kra- im 18. und beginnenden 19. Jahrhundert kehler“ von Ernst Litfaß versuchten, dem waren es hauptsächlich Religionsfragen, „Censur-Kobold“ die Rückkehr zu er- die zensiert wurden. Die herrschaftliche schweren. Aber 1849 war es mit der Ungnade wurde bei aller Liberalität ge- neuen Freiheit vorbei; einer Schriftstel- fürchtet. ler-Generation, dem „Jungen Deutsch- land“, darunter auch der Journalist Carl Trotzdem war in Berlin, besonders unter Gutzkow, wurden alle Werke, auch zu- Friedrich II., von dem der Satz stammt künftige (!), verboten. In der „Leipziger BIbliotheks m agazin

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nur noch eine Nebenrolle; neben der russisch indoktrinierten kommunistischen „Roten Fahne“ gab es Münzenbergs ebenfalls kommunistische, aber geistrei- chere „Welt am Abend“. Ganz rechts tummelten sich die konservativen, den Großagrariern nahestehenden Blätter „Deutsche Tageszeitung“, „Deutsche Warte“, „Fridericus“, die populistischen Zeitungen des Scherl-Verlages „Der Tag“ und „Berliner Lokal-Anzeiger“; liberal waren natürlich die Publikationen von

Zeitung“ wurden Steckbriefe für Richard Wagner, Gottfried Semper und weitere prominente Zeitgenossen abgedruckt.

Nach einer partiellen nationalen Eupho- rie in Folge des gewonnenen Krieges 1870/71 und der daraus folgenden Ein- heit Deutschlands, zuerst noch ohne Bayern, wie man aus der „Staatsbürger- zeitung“ erfährt, kam es bald zu neuen sozialen Bewegungen, sodass Bismarck am 21. Oktober 1878 Vater des Sozialis- tengesetzes wurde. Die Zensur hatte da- mit wieder ein Hauptziel.

In der Weimarer Republik erstarkte be- sonders in Berlin eine differenzierte Par- teipresse. Die immer noch monarchis- tisch gesinnte „Kreuz-Zeitung“ spielte BIbliotheks m agazin

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Ullstein, neben der „Vossischen Zeitung“ „Neuen Deutschland“ zur Stellungnahme besonders die „Berliner Morgenpost“, gedrängt wurden, oder auch schon 1961 das erste Berliner Boulevardblatt „B.Z. geforderte positive Äußerungen zur DDR am Mittag“, das anspruchsvolle „Berliner unter dem Tenor „Sie ist mein Land“ in Tageblatt“ des Mosse-Verlages und viele der Kultur-Zeitung „Sonntag“. andere mehr. Wo der Staat nicht persönlich eingriff, Dass diese Vielfalt den 1933 zur Macht hatten viele Autoren schon die Zensur- gekommenen Nationalsozialisten ein schere verinnerlicht. Bereits in der 1847 Dorn im Auge war, sieht man umgehend erschienen Zeitung „Leuchtturm“ wan- am „Reichsschriftleitergesetz“ vom Okto- dert die „Gute Presse“ durch das Land, ber 1933. Nahezu einmalig ist wohl eine angeführt vom blinden Maulwurf, der der angeordnete Demonstration für Zensur Zensurschere den Weg weist. am 25. April 1933 „Die Presse soll nur dem deutschen Gewissen verantwortlich Trotz des ständigen Schwankens zwi- sein“. schen Zensur und Freiheit sind die Zei- tungen, wie Schopenhauer es ausdrückt, In der DDR-Zeit erinnern daran Kampa- die Sekundenzeiger der Geschichte. gnen, sich positiv zur Biermann-Auswei- Dazu gehört die Momentaufnahme des sung zu äußern, wie im Herbst 1976 be- historischen Augenblicks noch ohne sonders angesehene Intellektuelle vom Kenntnis der späteren Folgen, wie auch die Abwägung der verschiedenen Sichten der Presseorgane und Journalisten. Selbst in Diktaturen und repressiven Regimes wird schließlich zwar nicht auf der Titel- seite, wohl aber im Feuilleton, in der Lokalberichterstattung etc., wenn es nicht anders geht, „zwischen den Zeilen geschrieben“. Der Leser versteht es und manche Zensoren versuchen, wenn sie es denn deuten können, es doch zu übersehen.

Auch von der Bundesrepublik braucht man für ein umfassendes Bild nicht nur BIbliotheks m agazin

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die „Frankfurter Allgemeine“, sondern auch die „Bild-Zeitung“, und ohne „Frank- furter Rundschau“ und „Süddeutsche Zeitung“ ist das Bild unvollständig, fehlen immer noch viele Facetten, für die man in Einzelfällen auch die regionale und lokale Presse, manchmal sogar die Presse des Auslandes hinzuziehen muss.

Denn nicht nur Schopenhauers Satz gilt, der uns die Presse als Möglichkeit, frü- here Zeiten nachzuerleben, quasi als vir- tuelle Zeitreise verheißt, sondern ebenso das Pendant von Karl Kraus „Die Zeitung ist die Konserve der Zeit“, aber mit der Ergänzung, dass die Gesamtheit der Presse, nicht ein einzelner Titel gemeint schen Lyrikers und Satirikers Stanisław „Leuchtturm“, 1847 ist, denn bei manchen einzelnen Zeitun- Jerzy Lec: „Den Blick in die Welt kann gen gilt auch der Aphorismus des polni- man mit einer Zeitung versperren“.

BESTANDSAUFBAU VIRTUELL

Bibliotheksübergreifende Lizenzierung elektronischer Ressourcen

WARUM GEMEINSCHAFTLICHE LIZENZIERUNG? Lizenzen für einen vielfach nur zeitlich Hildegard Schäffler befristeten Zugriff auf die Ressourcen leitet das Referat Zeitschriften und elektronische Medien der abgeschlossen und besondere technische Der Umgang mit gedruckten Büchern Bayerischen Staatsbibliothek und Zeitschriften gehört für Bibliotheken Voraussetzungen für die Benutzung traditionell zu ihrem Kerngeschäft: sie erfüllt werden. Unterschiedlichste Dr. Ursula Stanek werden erworben, verzeichnet, Nutzern Geschäftsmodelle wurden entwickelt, leitet das Referat Erwerbungs- koordination und Bestellwesen mit denen Bibliotheken sich auseinander- zur Verfügung gestellt und aufbewahrt – in der Abteilung Bestandsaufbau manchmal mit der Perspektive der Ewig- setzen mussten. Flankiert wurde diese der Staatsbibliothek zu Berlin und keit. Als in den 1990ern immer mehr Entwicklung durch die sich schon länger ist Vorstandsvorsitzende des relevante Medien in elektronischer Form anbahnende Kostenexplosion bei Zeit- Friedrich-Althoff-Konsortiums erschienen, ergaben sich für Bibliotheken schriften, deren Preise durch Verlage neue Anforderungen. Plötzlich mussten speziell auf dem naturwissenschaft-tech- BIbliotheks m agazin

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nisch-medizinischen Sektor mit enormen Bei Datenbanken, also Bibliographien, Steigerungsraten in die Höhe getrieben Text- oder Faktensammlungen, werden wurden. in der Regel abhängig von der Anzahl der Teilnehmer zum Teil erhebliche Rabatte Vor diesem Hintergrund kam es biblio- eingeräumt. Diese Nachlässe machen theksseitig recht bald zu einer Bündelung eine Lizenzierung für viele Bibliotheken der Kräfte, nicht zuletzt um ein Gegen- oft überhaupt erst möglich. gewicht zu den meist international agie- renden Großverlagen zu bilden. Nach Im Zeitschriftenbereich liegt der größte dem Motto Gemeinsam sind wir stark bil- Vorteil gemeinschaftlicher Lizenzierung deten sich in den späten 1990ern soge- in zusätzlich verfügbaren Inhalten. So nannte Konsortien für elektronische erhalten die beteiligten Bibliotheken typi- Medien – Einkaufsgemeinschaften, wel- scherweise für einen relativ geringen che die Lizenzierung insbesondere hoch- Aufpreis in Bezug auf die bisher erbrach- preisiger Ressourcen optimieren. Dabei ten Kosten ihrer eigenen Abonnements geht es nicht nur um die Erzielung von beim so genannten „Cross Access“ Zu- Kostenvorteilen, sondern auch darum, griff auf die Titel der anderen teilneh- ein Forum für den Austausch von Infor- menden Einrichtungen oder beim „Addi- mationen über Produkte und technische tional Access“ auf Titel, für die zuvor Lösungen zu bilden wie auch weiterfüh- überhaupt keine Abonnements bestan- rende Dienstleistungen wie beispiels- den. Hinzu kommt, dass die Verlage weise die Verzeichnung der Ressourcen beim Abschluss von Mehrjahresverträgen zu leisten oder auch Sorge für die Lang- meist eine Deckelung der jährlichen zeitverfügbarkeit der Medien mit dauer- Preissteigerungsraten anbieten, so dass haftem Nutzungsrecht zu tragen. Das die Kosten stabil gehalten werden kön- Handlungsfeld ist vielfältig. nen. Während typischerweise ein nicht unbeträchtlicher Teil der Nutzungen auf WELCHE VORTEILE BRINGT DIE Inhalte abzielt, die zuvor jeweils lokal KONSORTIALBILDUNG? nicht verfügbar waren, so haben Zeit- schriftenkonsortien auch eine problema- Der Zusammenschluss von Bibliotheken tische Seite. Der Preis für den relativ zu Einkaufsgemeinschaften für elektroni- günstigen Zugriff auf eine teilweise große sche Medien führt zum einen zur Bünde- Zahl zusätzlicher Titel liegt zumeist darin, lung von Verhandlungskompetenz bzw. dass die Standorte ihr bisheriges Umsatz- Spezialwissen und zur Verringerung des volumen in der Regel annähernd beibe- administrativen Aufwands in den Einzel- halten müssen. Der absolute finanzielle bibliotheken, zum anderen lassen sich Aufwand wird bei erheblich erweitertem durch die erhöhte Marktmacht bessere Titelspektrum also nicht weniger und Konditionen erzielen. Konkret lässt sich bindet unter Umständen einen beträcht- das anhand unterschiedlicher Produkt- lichen Teil des Medienetats. Vor diesem typen illustrieren. Hintergrund gibt es Diskussionen dar- über, wie Geschäftsmodelle so gestaltet werden können, dass das historisch ge- BIbliotheks m agazin

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wachsene Umsatzvolumen keine Rolle Für Friedrich Althoff (1839–1908) mehr spielt. Auch dieser Aufgabe müssen spielten Bibliotheken eine zentrale Rolle in der Informationsversorgung, sich Konsortien im Dialog mit den Verla- weshalb er als Namensgeber für gen, die ihrerseits keine Umsatzeinbuße das Konsortium Berlin-Brandenburg hinnehmen wollen, stellen. gewählt wurde.

Seit einigen Jahren spielen die elektroni- schen Bücher – E-Books – eine immer größere Rolle, bieten sie doch neue und bessere Nutzungsmöglichkeiten für die Endnutzer auch im monographischen Bereich. Für E-Books befinden sich Kon- sortialmodelle derzeit in der Entwick- lung: Rabatte werden hier zumeist anhand der Zahl der Teilnehmer und des durch E-Book-Verkäufe im Konsortium erziel- ten Umsatzvolumens gewährt. Konsortium Baden-Württemberg, das Auf die Angebote mancher Anbieter Bayern-Konsortium, das Friedrich-Alt- oder Verlage können Bibliotheken kaum hoff-Konsortium (FAK) in Berlin-Bran- verzichten. In diesen Fällen einer quasi denburg, das hessische HeBIS-Konsor- Monopolstellung stoßen Konsortien tium, das Niedersachsen-Konsortium manchmal an ihre Grenzen. Um hier eine und das NRW-Konsortium beim Hoch- Verbesserung der Konditionen zu errei- schulbibliothekszentrum (hbz) des Lan- chen, ist ein kollektives „Nein“ gegen- des Nordrhein-Westfalen. Für die bei- über den Anbietern, für das die explizite spielhaft aufgeführten Konsortien gilt, Unterstützung der betroffenen Wissen- dass sie vielfach auch über die jeweiligen schaftler unerlässlich ist, erforderlich. Es Landes- oder Verbundgrenzen hinweg gibt Beispiele, die zeigen, dass dieser überregional tätig sind. In einem wech- Weg gelingen kann. selseitigen Geben und Nehmen werden überregionale Konsortialabkommen ab- WER SIND DIE AKTEURE UND WIE SEHEN DIE geschlossen, für die jeweils ein Regional- STRUKTUREN AUS? konsortium verantwortlich zeichnet. Die Kernklientel dieser Konsortien sind die Entsprechend der föderalen Tradition in Hochschulen und staatlichen Bibliothe- Deutschland und der damit verbundenen ken in der Region. In einigen Fällen, ins- Finanzierungsströme haben sich in den besondere bei hbz und FAK, erstreckt späten 1990er Jahren in Deutschland sich der Teilnehmerkreis auch auf For- eine Reihe von regionalen Konsortien schungseinrichtungen und öffentliche gebildet, die sich teilweise an der Struk- Bibliotheken, soweit diese an den primär tur der Bibliotheksverbünde orientieren. für die Hochschulen angebotenen Ab- Mittlerweile gibt es 14 solcher Regio- schlüssen Interesse haben. Auch auf in- nalkonsortien, wie beispielsweise das stitutioneller Ebene existieren Konsor- BIbliotheks m agazin

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tialstrukturen. Dies gilt insbesondere für Planck-Institute durch die Max Planck die großen Forschungsgemeinschaften Digital Library bis hin zu dem eher losen (Fraunhofer-Gesellschaft, Helmholtz- Zusammenschluss der recht heterogenen Gemeinschaft, Leibniz-Gemeinschaft und Einrichtungen der Leibniz-Gemeinschaft. Max-Planck-Gesellschaft). Zentrale Sondermittel zur anteiligen Finanzierung der eingekauften Ressour- Die Binnenorganisation der einzelnen cen stehen in einigen wenigen Bundeslän- Konsortien kann variieren. So gibt es dern zur Verfügung. Regionalkonsortien, die mit einer eige- nen Geschäftsstelle ausgestattet sind, wie Alle deutschen Regionalkonsortien, die beispielsweise das HeBIS-Konsortium, Konsortien der Forschungsorganisatio- das Niedersachsen-Konsortium und das nen sowie Vertreter aus Österreich und als Verein organisierte FAK. Im Falle des der Schweiz haben sich in der im Jahr Bayern-Konsortiums trägt mit der Baye- 2000 gegründeten Arbeitsgemeinschaft rischen Staatsbibliothek die zentrale deutschsprachiger Konsortien (GASCO: Archiv- und Landesbibliothek mit haus- German, Austrian, Swiss Consortia Or- eigenen Personalressourcen die Verant- ganisation) zusammengeschlossen, einer wortung für die Konsortialarbeit; in informellen Arbeitsgruppe, die sich zwei- Nordrhein-Westfalen ist sie bei der Ver- mal jährlich trifft und die überregionale bundzentrale angesiedelt. Weitgehend Zusammenarbeit koordiniert. dezentral organisiert ist das Konsortium Baden-Württemberg, bei dem die Ver- Wirft man einen Blick ins Ausland, bei- handlungsführung arbeitsteilig erfolgt. spielsweise nach Großbritannien, in die Auch bei den institutionellen Konsortien Niederlande oder nach Österreich, so Im Jahr 2000 schlossen sich die deutschsprachigen Konsortien in der reicht das Spektrum von grundsätzlich findet man dort häufig nationale Konsor- GASCO zusammen. zentralen Verhandlungen für alle Max- tien vor. Auch wenn dies mit Traditionen zentraler Bildungsorganisation oder auch der überschaubaren Größe von Staaten zu tun hat, die vielfach kleiner sind als eine Reihe von deutschen Bundeslän- dern, so kann man auch für Deutschland berechtigterweise die Frage stellen, wie es um die nationale Ebene bestellt ist. Dabei ist mit Blick auf die Komplexität der Strukturen und Zahl der wissen- schaftlichen Einrichtungen vorauszuschi- cken, dass größer nicht in allen Fällen effi- zienter bedeutet.

Erfolgsbeispiele für Handeln jenseits der Regionen sind die nicht wenigen über- regionalen Abschlüsse der Regionalkon- sortien. Komplementär hierzu hat die BIbliotheks m agazin

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Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) im Jahr 2004 in der Tradition des seit Jahrzehnten bewährten Systems der För- derung überregionaler Literaturversor- gung Mittel für die Beschaffung umfang- reicher elektronischer Datensammlungen für den bundesweiten Zugriff zur Ver- fügung gestellt. Beschafft wurden seither ca. 140 Produkte für einen Gesamtwert von ca. 100 Millionen Euro. Die Ver- handlungsführung erfolgt nicht durch die DFG selbst, sondern ist derzeit auf acht größere Bibliotheken verteilt, die über entsprechende Kompetenz verfügen, darunter auch die beiden gleichzeitig kon- sortial engagierten Staatsbibliotheken in Berlin und München. Während der Schwerpunkt zunächst auf Ressourcen Allianz-Lizenzen steuern. Die Besonder- Aktuell stehen etwa 140 Produkte als Nationallizenz zu Verfügung. lag, die abgeschlossen sind und in einer heit dieser Initiative liegt nicht zuletzt Einmalzahlung für den dauerhaften Zugriff darin, dass der Hochschulsektor und der erworben werden können, wurde in außeruniversitäre Forschungsbereich einer Pilotphase mit einem Beteiligungs- gemeinsam agieren. modell für laufende Zeitschriften experi- mentiert, bei denen die DFG nur noch Es bleibt festzuhalten, dass auch zehn anteilig zur Finanzierung beitrug.1 Jahre nach Gründung der Arbeitsgemein- schaft Konsortien das Modell der gemein-

WIE GEHT ES WEITER? schaftlichen Lizenzierung große Bedeu- tung für die Versorgung der Wissenschaft Ab 2011 wird es keine Vollfinanzierung mit elektronischen Ressourcen hat. Kom- durch die DFG mehr geben, sondern nur plementär zu den regionalen und institu- noch solche Beteiligungsmodelle. Die tionellen Konsortien, die angesichts der Nationallizenzen werden somit durch Komplexität der Aufgabe auf absehbare nationale Konsortien abgelöst werden, Zeit Bestand haben werden, haben sich ein Prozess, der von der sogenannten auf der nationalen Ebene Strukturen ent- Allianz-Initiative „Digitale Information“ wickelt, die in den nächsten Jahren wei- gesteuert wird. Dabei handelt es sich um ter ausgebaut und – so bleibt zu hoffen – einen Zusammenschluss der großen Wis- auch auf eine finanziell nachhaltige Basis senschaftsorganisationen in Deutschland. gestellt werden können. Eine der Arbeitsgruppen in dieser Initia- 1 Vgl. dazu auch Schäffler, Hildegard: Deutschland- tive, in der auf Einladung der DFG auch weiter Zugriff auf digitale Medien: Das National- die verhandlungsführenden Einrichtungen lizenzprogramm der Deutschen Forschungsgemein- schaft.“ In: Bibliotheksmagazin. Mitteilungen aus aus dem Kontext der Nationallizenzen den Staatsbibliotheken in Berlin und München beteiligt sind, wird den Abschluss solcher 3/2007, S.45–48. BIbliotheks m agazin

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„GEIST VON CLEMENS UND BETTINEN“

Margherita von Brentano und ihr Nachlass in der Staatsbibliothek zu Berlin

Angela Holzer Der Name Margherita von Brentano ist bevor sie 1956 nach Berlin zurückkehrte. ist Bibliotheksreferendarin an der eng mit dem geistigen Leben Berlins ver- Hier wurde sie Assistentin bei Wilhelm Staatsbibliothek zu Berlin bunden. Die Philosophin wurde 1922 auf Weischedel, habilitierte sich und wurde der Sauerburg bei Kaub am Rhein gebo- 1972 schließlich Professorin an der ren. Sie lebte schon als Kind mit ihrer Freien Universität. Als erste Frau über- Familie in Berlin und machte ihr Abitur nahm Margherita von Brentano 1970 die 1940 in Charlottenburg. Sie studierte Vizepräsidentschaft dieser Hochschule, zunächst an der Berliner Friedrich-Wil- welche sie jedoch schon nach zwei Jah- helms-Universität und schloss ihr Stu- ren wieder niederlegte – als Zeichen dium 1948 in Freiburg mit einer von Mar- gegen die Weigerung des Senats, den tin Heidegger angeregten Dissertation Trotzkisten Ernest Mandel an die FU zu ab. Im Anschluss arbeitete sie einige berufen. Für ihr öffentliches Engagement Jahre beim Süd- war die „streitbare Philosophin“ westfunk, berühmt. Sie setzte sich lebenslang für einen poli- tischen Pluralismus ein und analysierte undemokratische Strukturen der Bundesrepu- blik sowie die häufig willkür- liche Ungleich- behandlung von Frauen im Wis- senschaftssystem. Seit ihrem Tod 1995 werden an der Freien Universität engagierte

Margherita von Brentano (Foto: Freie Universität Berlin) BIbliotheks m agazin

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Reichtum sich im Nachlass von Brentano, Frühere Philosophische Fakultät der der sich seit 2005 in der Staatsbibliothek Freien Universität in der Boltzmann- straße zu Berlin befindet, deutlich abbildet. (Foto: Bernd Wannenmacher)

Der Nachlass dokumentiert die intime Verbindung von klarsichtiger Intellektuali- tät, akademischer Integrität und politi- schem Pflichtbewusstsein im Leben von Margherita von Brentano. Als Mitglied einer illustren Familie von hohen Staats- beamten und Literaten – neben dem Romantiker Clemens sei der Außenmi- nister unter Adenauer, Heinrich von Brentano genannt – erfuhr sie angesichts ihres politischen Engagements Publizität schon lange vor ihrem Rücktritt als Vize- präsidentin der FU. Anlässlich einer Demonstration gegen „Antisemitismus und Neonazismus“ am 18. Januar 1960 berichtete der Spiegel neben einem Bild Persönlichkeiten und herausragende Pro- der 37-Jährigen: „Kräftig fiel die Nichte jekte in der Geschlechterforschung und des Bundesaußenministers, Margherita Frauenförderung mit dem Margherita- von Brentano, Assistentin am philosophi- von-Brentano-Preis geehrt. Doch sind schen Seminar der Freien Universität, in das gesellschaftspolitische und feministi- das rhythmische Feldgeschrei ein.“ Man sche Verantwortungsgefühl nur Facetten skandierte „Globke, Schröder, Oberlän- eines Charakters, dessen intellektueller der“, Namen von Männern, „deren

Heinrich von Brentano (Foto: bpk/Kurt Rohwedder) BIbliotheks m agazin

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nationalsozialistische Werdegänge und schen Humor, sie doch nicht immer nur bundesrepublikanische Positionen nach als Nichte Heinrich von Brentanos zu Meinung der Konspiranten in besonders bezeichnen, sondern, wenn schon nicht auffälliger Weise demonstrierten, dass als Person eigenen Rechts, doch zur die deutsche Vergangenheit unbewältigt Abwechslung auch einmal als Großnichte ist.“ des Philosophen Franz Brentano.

Im Nachlass von Margherita von Bren- Neben saloppen Solidaritätsbekundun- tano hat sich nicht nur dieser Artikel gen und scharfsichtigen Repliken finden erhalten, sondern auch ein Gedicht, das sich im Nachlass Brentano auch Briefe, ihr kurz darauf von dem Schriftsteller die ein Unverständnis für ihre Position Albrecht Goes zugesandt wurde: „Onkel äußern. Die Dokumente und Briefe des Heinrich wird mitnichten/ Diesem Nich- Nachlasses ermöglichen so nicht nur die tenschrei beipflichten: Doch getrost! – es Rekonstruktion der persönlichen Kon- ist mit Ihnen/ Geist von Clemens und takte, der politischen und wissenschafts- Bettinen.“ Brentano beantwortete dieses politischen Auseinandersetzungen, in die Gedicht mit einem Gegengedicht, das Margherita von Brentano verwickelt war wiederum vom Spiegel abgedruckt und die Erforschung ihrer intellektuellen wurde – und bat später die Redaktion Biographie, sondern sie sind in vielerlei des Spiegels mit dem ihr eigenen ironi- Hinsicht auch ein Spiegelbild der Stim-

Brief Margherita von Brentanos an ihre Mutter (Foto: SBB-PK/Taubes) BIbliotheks m agazin

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mungslage in den ersten Jahrzehnten der dass das Bild von der marxistischen Phi- links: Spiegel-Artikel mit Gedichten Bundesrepublik. losophin, nicht zuletzt ein Ergebnis der von Goes und Brentano (Foto: SBB-PK) medialen Berichterstattung und der spe-

Vor allem die Vorlesungsmanuskripte zifischen Situation im Westberlin der rechts: Brentanos Briefentwurf an und Vorträge belegen Brentanos intel- Siebzigerjahre, einseitig ist. Margherita den Spiegel lektuelle Aktivitäten: Im Protestjahr von Brentano, die als junge Studentin (Foto: SBB-PK/Taubes) 1967/68 leitete Margherita von Bren- gegen Ende des Zweiten Weltkrieges tano einen Kurs über „Bruno Bauer und ihre erste längere Arbeit über den Karl Marx, Zur Judenfrage“, zu dem ihre Reichsgedanken des Nikolaus Cusanus Unterlagen, die Protokolle und Arbeiten verfasste und ihre Dissertation über „Die der Studenten sowie die Teilnehmer- Bedeutung des ,hen‘ als Grundbegriff der listen erhalten sind. Auf den Listen befin- aristotelischen Metaphysik“ verfasste, det sich der Name Rudi Dutschkes. Auch kann sicher nicht einfach als Marxistin zu vielen der anderen Vorlesungen und bezeichnet werden, ein Vorwurf, der Seminare sind handschriftliche Notizen ihr Anfang der Siebzigerjahre im Zusam- und Typoskripte erhalten. Die Materia- menhang mit ihr unterstellten radikalen lien zu den Vorlesungen lassen nicht nur Äußerungen bei einer politischen Veran- eine Rekonstruktion der Unterrichts- staltung, woraus sogar ein Ermittlungs- tätigkeit Brentanos zu, sondern zeigen, verfahren gegen sie resultierte, und wäh- BIbliotheks m agazin

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rend der Querelen um die Eingliederung mustheorien“ von 1970 zeigen, dass des „Internationalen Dokumentations- Brentano mit ihren Studentinnen und zentrums zum Nationalsozialismus“ in Studenten um eine umfassende theoreti- die Freie Universität gemacht wurde. sche Analyse des Faschismus bemüht Die FU-Vizepräsidentin verfasste damals war; hier wurde Carl Schmitt ebenso dis- ein Memorandum und der Tagesspiegel kutiert wie Leo Trotzki oder Ernst Bloch. schürte Vorurteile, indem er schrieb, Brentano habe vor allem aus „marxisti- Als Professorin der Philosophie behan- scher Sicht Probleme des Faschismus delte Brentano die ganze Geschichte erforscht“, womit die wissenschaftliche abendländischen Denkens von Aristote- Erforschung des Nationalsozialismus an les über Descartes, Leibniz und Kant bis

Aus Brentanos Vorlesung über Sartre der FU als gefährdet galt. Die erhaltenen hin zu Sartre, der Kritischen Theorie und (Foto: SBB-PK/Taubes) Unterlagen zu ihrem Kurs über „Faschis- Foucault. Es lag ihr besonders an der Vermittlung der Eigenart philosophischen Denkens, dessen Geschichte sie nicht historisch, sondern als Nachvollzug von Problemen und Lösungswegen, von Motiven und Bedürfnissen, betrachtete. Das philosophische Denken sei in „eigen- artiger Weise durch Geschichtlichkeit gekennzeichnet“, heißt es in ihrer Vorle- sung zur „Einführung in das philosophi- sche Denken“. Dieses Denken wollte Brentano erfahrbar machen und ab- grenzen, doch war es für sie auch nicht autark oder autonom. Sie betonte, dass Philosophie grundsätzlich prozessual und dialogisch, dass sie tätig und theoretisch sei. Sie lehnte die absolute Selbstreferen- tialität philosophischen Denkens ab: „Philosophie ist Streit, sie ist parteilich. Und sie ist das immer gewesen, nicht erst heute“, lautet ein zentrales Credo. Es ging ihr also immer um das philosophi- sche Verständnis der politischen Pro- bleme, um den politischen Charakter des Philosophierens. Auch Brentanos Stel- lungnahmen im Zusammenhang mit der Erstellung eines Studienplans im Fach Phi- losophie zeigen diese genuin philosophi- sche Haltung – das Zweckdenken heuti- ger Universitätsumstrukturierung wäre ihr sicherlich fragwürdig erschienen. Oft BIbliotheks m agazin

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bereicherte sie die damals aktuellen Fra- nos Verflechtung in das philosophische, gestellungen durch die Reflexion auf die politische und literarische Leben der philosophische Tradition, z. B. in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Sie Analyse von Kants Gesellschaftskonzep- stand unter anderem in Kontakt mit tion. Ihre Kurse dienten aber auch der Theodor und Gretel Adorno, mit Erich Diskussion aktueller Theorien. Während Fried, Martin Heidegger, Aleida Ass- Margherita von Brentano Anfang der mann, Ernst Bloch und Hilde Domin, mit sechziger Jahre Sartres Philosophie in Saul Friedländer, Karl Jaspers, Horst einen geschichtlichen Zusammenhang Mahler und Ludwig Marcuse; in der einordnete und Ende der Sechzigerjahre ebenfalls umfangreichen Korrespondenz die Theorien von Habermas und Dutschke mit der Familie findet sich neben den verglich, um eine denkende Distanz zu zahlreichen Briefen von Eltern und bewahren, so forderte sie ihre Studenten Geschwistern und anderen Verwandten noch in den Achtzigerjahren dazu auf, auch ein Brief Gustav Stresemanns an kritisch über die Kritische Theorie zu ihren Vater Clemens von Brentano, den reflektieren. In dieser Zeit wandte sie damaligen Legationsrat im Vatikan und sich zunehmend auch der philosophi- späteren deutschen Botschafter in Rom. schen Wissenschaftskritik und der Be- deutungstheorie zu und las über Philoso- Brentanos Talent zum prägnanten und phische Grundbegriffe. Wolfgang Harich ironischen Erzählen zeigt sich schließlich berichtete ihr 1990, dass er erfahren in autobiographischen Notizen, die habe, sie führe fort, sich zu Tode zu rau- ebenso familiäre Porträts wie Reflexio- chen. Fünf Jahre später starb Margherita nen über die „Banalität des Naziregimes“, von Brentano in Berlin. Sie hatte bis zu- die Willkür von Berufungskommissionen letzt an aktuellen politischen Debatten oder „Meine Tiere“ enthalten. Auch Vor- teilgenommen, ging es nun um die „Ab- träge und Sendungen, die Brentano wäh- wicklung“ des Hochschulsystems der frü- rend ihrer frühen Zeit beim Südwestfunk heren DDR oder um die Errichtung eines verfasste, sind erhalten. Eine Edition von Holocaust-Denkmales. Teilen dieser Materialien, die das Leben und Arbeiten einer Philosophin in der Der Nachlass ist eine reiche Quelle für deutschen Nachkriegszeit dokumentie- Wissenschaftshistoriker ebenso wie für ren, wird in diesem Frühjahr im Wallstein Biographen. Brentanos Arbeitsweise, bei Verlag von der ehemaligen Studentin der häufig philosophische Textcollagen Brentanos und jetzigen Direktorin des entstanden sind, wird aus ihnen ersicht- Einstein Forums in Potsdam, Susan Nei- lich. Auch ihre Reaktionen auf institutio- man, und der Mitarbeiterin des interna- nelle Querelen lassen sich rekonstruie- tionalen Forscherteams zur Nachlass- ren, z. B. in dem Streit über den von erschließung Brentanos, Iris Nachum, ihrem Ehemann Jacob Taubes getragenen unter dem Titel „Das Persönliche und „Fachbereich Hermeneutik“ oder ihre das Politische. Eine Collage“ veröffent- Positionierung im Historiker-Streit der licht. Einige „Akademische Schriften“ Achtzigerjahre. Die umfangreiche Kor- werden von Peter McLaughlin ebenfalls respondenz belegt eindrücklich Brenta- im Wallstein Verlag herausgegeben. BIbliotheks m agazin

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GRENZFRAGEN

Naturwissenschaften und Geisteswissenschaften im Gespräch

Peter Schnitzlein Am 25. November 2009 war es soweit: ist Leiter des Stabsreferats Der Generaldirektor der Bayerischen Öffentlichkeitsarbeit der Staatsbibliothek, Dr. Rolf Griebel, be- Bayerischen Staatsbibliothek grüßte, gemeinsam mit dem Präsidenten der Bayerischen Akademie der Wissen- schaften, Prof. Dr. Dietmar Willoweit, im Fürstensaal der Bayerischen Staatsbiblio- thek gut 100 Zuhörer zum Auftakt einer neu ins Leben gerufenen Gesprächsreihe mit dem Titel „Grenzfragen. Naturwis- senschaften und Geisteswissenschaften im Gespräch“. Gemeinsame Veranstalter der neuen Reihe sind die Bayerische Aka- demie der Wissenschaften und die Baye- rechts: rische Staatsbibliothek. Die Gesprächs- Dr. Rolf Griebel bei der Begrüßung reihe – bis zum Redaktionsschluss fanden zur Auftaktveranstaltung drei Termine statt – stellt einmal mehr ein Ergebnis der letztlich bereits seit Gründung der Bayerischen Akademie der log zwischen Natur- und Geisteswissen- Wissenschaften vor 250 Jahren beste- schaften“ von Beginn an überaus auf- henden, intensiven engen Verbindung geschlossen gegenüber – die Idee konnte beider Institutionen dar. Die Zusammen- rasch konkrete Gestalt annehmen. So ge- arbeit umfasst heute, ganz abgesehen von lang es im Herbst 2009 durch das Enga- der Tatsache, dass die Bayerische Staats- gement von Prof. Willoweit innerhalb bibliothek seit 1759 Akademiebibliothek kürzester Zeit, nicht nur drei attraktive ist, vielfältige Kooperationsprojekte, von Themen zu identifizieren, sondern auch denen beispielsweise das zentrale kul- einschlägig ausgewiesene, hochrenom- turwissenschaftliche Portal Bayerns, die mierte Wissenschaftler als Dialogpartner „Bayerische Landesbibliothek Online“ und Moderatoren zu gewinnen. genannt sei. Den Überlegungen für die Gesprächs- Die Leitung der Akademie stand der Idee reihe – so Prof. Willoweit in der Einla- einer gemeinsamen Gesprächsreihe „Dia- dung – liegt zugrunde, dass die Dynamik BIbliotheks m agazin

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Die Diskutanten der ersten Ver- anstaltung – v.l.n.r.: Prof. Schrenk, Prof. Höllmann, Prof. Bolus

der modernen Forschung zunehmend die Aus welchen Gründen nahmen sich die Grenzen der einzelnen Wissenschaften Bayerische Akademie der Wissenschaf- überwindet. „Neue Methoden eröffnen ten und die Bayerische Staatsbibliothek neue und immer tiefere Einblicke nicht in engem Zusammenwirken einer sol- nur in den Mikrokosmos des Lebendigen, chen Veranstaltungsreihe an? sondern auch in die Naturgeschichte des Menschen und die biologischen Bedin- Wissenschaftliche Akademien stellen un- gungen seines Verhaltens. Unvermeidlich geachtet ihrer traditionellen Gliederung geraten damit Fragen in das Blickfeld der in Klassen seit jeher Institutionen dar, zu Naturwissenschaften, die bisher allein deren genuinen Aufgaben auch der wis- von den Geisteswissenschaften beant- senschaftliche Dialog über die Grenzen wortet wurden. Die darin liegende Her- von Fächern zählt. Bibliotheken – und ausforderung trifft die Vertreter beider hier insbesondere Forschungsbibliothe- Wissenschaftskulturen weitgehend un- ken – bieten mit ihren Sammlungen die vorbereitet“. Laut Prof. Willoweit soll Grundlage für erfolgreiche Forschung. die Gesprächsreihe „Grenzfragen“ im Forschungsbibliotheken sind wie Labore transdisziplinären Dialog den Versuch Geburtsstätten wissenschaftlicher Er- unternehmen, Bedeutung und Grenzen kenntnis. Eine Forschungsbibliothek wie neuer Erkenntnisse für unser Weltver- die Bayerische Staatsbibliothek fungiert ständnis abzuwägen und zur Klärung bei- ungeachtet des in den letzten Jahren auf- tragen. gebauten umfassenden, am Bedarf der Wissenschaft ausgerichteten digitalen Die Idee für die Gesprächsreihe „Grenz- Dienstleistungsangebots auch als Ort der fragen“ ist aus dem Kuratorium des Ver- Reflexion und des wissenschaftlichen Dis- eins der Förderer und Freunde der Baye- kurses. Dass sich die Bayerische Staats- rischen Staatsbibliothek erwachsen. bibliothek auch im 21. Jahrhundert dieser Besonders engagierte sich hierbei der Kernaufgabe verpflichtet weiß, wurde in Präsident des Kuratoriums, Dr. Michael der Eröffnung des neuen Forschungslese- Albert. saals im Februar 2010 greifbar. BIbliotheks m agazin

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inzwischen bereits knapp 200 Besuchern – der Neurobiologe Prof. Dr. Benedikt Grothe (München) und Prof. Dr. Pirmin Stekeler-Weithofer (Theoretische Philo- sophie, Leipzig) zum Austausch über „Gehirn und Geist. Neurobiologie und Philosophie im Dialog“. Die Moderation des Abends übernahm Prof. Dr. Hasso Hofmann (Berlin). Die Schlussveranstal- tung der ersten Staffel widmete sich schließlich dem Thema „Warum gibt es Kriege? Biologische und historische Ur- sachen“. Durch die Diskussion zwischen dem Zoologen Prof. Dr. Bernhard Ver- beek (Dortmund) und dem Historiker Prof. Dr. Dieter Langewiesche (Tübin- gen) führte Prof. Dr. Dietmar Willoweit. v.l.n.r.: Prof. Höllmann, Prof. Willoweit, Dadurch, dass jeder Wissenschaftler in Dr. Griebel, Prof. Bolus, Dr. Albert, einer Bibliothek auch Denkanstöße in Der große Erfolg der ersten drei Veran- Prof. Schrenk der Literatur anderer Fächer findet, die staltungen – mit ungefähr 200 Zuhörern ihm bei seinen Fragestellungen neue Ein- bei den beiden letzten Terminen war der sichten vermitteln, bietet der Ort Biblio- Fürstensaal bis auf den letzten Platz be- thek per se Möglichkeiten zum transdiszi- legt – bestätigte und bekräftigte die ver- plinären Dialog. Ungeahnte Perspektiven anstaltenden Partner in ihrem Wunsch, können in dieser Hinsicht insbesondere die Reihe fortzuführen. Ein weiterer innovative Handlungsfelder eröffnen – Beleg für die Relevanz der Gesprächs- wie etwa der Aufbau virtueller For- reihe war ein längerer Beitrag im Feuille- schungsumgebungen. Ein gemeinsames ton der Süddeutschen Zeitung. Projekt von Bayerischer Akademie der Wissenschaften und Bayerischer Staats- Die nächsten drei „Grenzfragen“-Ter- bibliothek wie das der „Grenzfragen“ bot mine werden in der Bayerischen Akade- sich also nachgerade an. mie der Wissenschaften stattfinden (Juni/Juli 2010). Geplant ist auch der Ein- Die Auftaktveranstaltung am 25. Novem- stieg eines dritten Partners, des Suhr- ber 2009 war dem Thema „Mensch- kamp-Verlages. Jedermann ist zu den werdung und Kultur“ gewidmet, zu der „Grenzfragen“-Veranstaltungen herzlich der Paläobiologe Prof. Dr. Friedemann eingeladen. Termine und Themen wer- Schrenk (/Main) und der Ur- den rechtzeitig auf der Homepage der und Frühzeit-Historiker Prof. Dr. Michael Bayerischen Staatsbibliothek unter Bolus (Tübingen) sowie der Sinologe www.bsb-muenchen.de ➙ Veranstal- Professor Thomas O. Höllmann als tungen und Termine veröffentlicht. Herz- Moderator eingeladen waren. Bereits lich willkommen. zwei Wochen später trafen sich – vor BIbliotheks m agazin

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JUDENMISSION UND BÜCHERRAUB

Die Berliner Staatsbibliothek restituiert Drucke aus der „Bibliothek der Gesellschaft zur Beförderung des Christentums unter den Juden“

Die „Gesellschaft zur Beförderung des der Wohnung des späteren Christentums unter den Juden“ in Berlin preußischen Kriegsministers Job war eine der ersten kontinentalen Nach- von Witzleben. Noch im selben Jahr folgeeinrichtungen der 1809 in London wurden von Berlin aus weitere Tochter- gegründeten und als älteste Judenmis- gesellschaften („Hilfsgesellschaften“) u. a. sionsgesellschaft geltende „Society for in Posen, Breslau und Königsberg ge- Michaela Scheibe ist komm. stellvertretende Leiterin Promoting Christianity amongst the gründet. Tatsächlich richteten sich die der Abteilung Historische Drucke “. Die Gründung der Berliner „Ge- Missionsbemühungen der Berliner „Ge- der Staatsbibliothek zu Berlin sellschaft“ erfolgte 1822 auf Betreiben sellschaft“, so auch die von ihr organi- Heike Pudler des englischen Rechtsanwalts Lewis Way, sierten Missionsreisen, insbesondere auf ist Referatsleiterin in der Abteilung einem der Hauptakteure der „London die preußischen Provinzen Schlesien, Historische Drucke

Society“, und unter Beteiligung des eng- Posen, Ost- und Westpreußen und den Dr. Martin Hollender lischen Gesandten Sir George Rose in gesamten ostmitteleuropäischen Raum. ist Referent in der Generaldirektion BIbliotheks m agazin

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Die „Gesellschaft“ hatte ihren Sitz später Juden zu verbieten“ (aus Punkt 9 der in der Kastanienallee im Berliner Bezirk „Richtlinien“ vom 26. Mai 1932). Prenzlauer Berg und verfügte dort mit der Messias-Kapelle über ein eigenes klei- In den späten dreißiger Jahren geriet die nes Gotteshaus. Die Missionstätigkeit, „Gesellschaft“ zunehmend unter Druck. die in die Christianisierung und Taufe Nachdem bereits am 11. November 1938 münden sollte, wurde über Jahrzehnte ein Rollkommando die gesamte Innenein- hinweg vom preußischen Staat bzw. von richtung demoliert hatte, erschienen am der Evangelischen Kirche subventioniert. 23. Januar 1941 Gestapobeamte in der Kastanienallee, die das Büro der „Gesell- Die sogenannten „Deutschen Christen“, schaft“ schlossen und die Bankkonten die nach 1933 innerhalb des deutschen sperrten. Protestantismus tonangebend wurden, hatten indes bereits im Mai 1932 ihre Die „Gesellschaft“ verfügte über eine ablehnende Haltung zur Judenmission eigene Bibliothek vornehmlich zu Fragen deutlich gemacht: „In der Judenmission des Judentums in Deutschland, deren sehen wir eine schwere Gefahr für unser Verbleib über Jahrzehnte hinweg un- Volkstum. Sie ist das Eingangstor frem- bekannt war. Als sich die „Gesellschaft“ den Blutes in unseren Volkskörper. Sie Ende der vierziger Jahre neu gründete, hat neben der äußeren Mission keine wurde 1948, im 1. Heft des gesellschafts- Daseinsberechtigung. Wir lehnen die eigenen Nachrichtenblattes „Messias- Judenmission in Deutschland ab, solange bote“, betrübt auf das Jahr 1941 zurück- die Juden das Staatsbürgerrecht besitzen geblickt und mitgeteilt: „Dann wurde un- und damit die Gefahr der Rassenver- sere wertvolle Bibliothek weggeschafft, schleierung und damit der Bastardisie- um verbrannt zu werden. Auf den ener-

Eintrag vom 19. September 1941 rung besteht. […] Insbesondere ist die gischen Protest des Unterzeichneten, aus dem Zugangsbuch für Geschenke Eheschließung zwischen Deutschen und weil sich wertvolle, wissenschaftliche BIbliotheks m agazin

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Werke darunter befanden, unterblieb Historischer Laufzettel aus dem Jahr das zwar. Aber wir wissen heute noch 1941 nicht, was daraus geworden ist.“

Vom ungeklärten „Raub unserer Biblio- thek“ bzw. ihrer zu vermutenden Ver- nichtung durch die Nationalsozialisten ist noch 1955 und 1958 im „Messias- boten“ die Rede, tatsächlich aber haben zumindest kleinere Teile der Bibliothek überlebt – und zwar in der Berliner Staatsbibliothek. Bei der systematischen Überprüfung der Zugangsbücher („Akzes- sionsjournale“) im Rahmen der Ermitt- lung von NS-Raubgut wurden in mehre- ren Unterabteilungen Einträge beschlag- nahmter Bände aus der Bibliothek der „Gesellschaft“ entdeckt.

Der erste Eintrag erfolgte fast genau acht gestempelt und mit einer Signatur ver- Monate nach dem Gestapo-Auftritt in sehen. Diese späteren Einarbeitungen der Kastanienallee, am 19. September begannen 1946 und dauerten über die 1941. Zunächst wurden in den Journalen Aufarbeitung von Geschäftsgangsresten rund 40 Titel allgemeineren Inhalts ver- bis in die neunziger Jahre an. zeichnet, von November 1941 bis März 1942 folgte mit 320 Titeln der Hauptteil Darüber hinaus wurden fast 40 Drucke der heute bekannten Bände, die als Ju- mit alten Laufzetteln der Preußischen daica bzw. Rabbinica über die Orienta- Staatsbibliothek entdeckt, die im Bestand lische Abteilung inventarisiert wurden. bereits vorhanden waren und wohl des- Die weitere Bearbeitung geriet seit 1942 halb nie inventarisiert oder katalogisiert wegen der zunehmenden Auslagerung wurden, deren Provenienz aber durch der Bestände ins Stocken. Dies hatte den Bibliotheksstempel der „Gesell- zur Folge, dass die bis Kriegsende nicht schaft“ eindeutig nachgewiesen ist. Die endgültig eingearbeiteten Bücher in den insgesamt rund 400 heute erhaltenen verschiedensten Bearbeitungsstadien oder aber über die Zugangsbücher nach- verharrten – vom bloßen Eintragen der weisbaren Exemplare aus der Bibliothek Zugangsnummer über das Stempeln bis der „Gesellschaft“ wurden – wie der hin zur Signaturenvergabe und Katalogi- gesamte Bestand der Preußischen Staats- sierung. Ein nicht unerheblicher Teil der bibliothek – durch die Kriegswirren und Bände wurde zwar noch mit Zugangs- die Teilung Deutschlands auseinander- nummern der Preußischen Staatsbiblio- gerissen. Dies hat zur Folge, dass sich thek versehen, aber erst in ihren Nach- nur 168 Drucke heute noch im Besitz folgeeinrichtungen in Ost und West der Staatsbibliothek befinden; die übri- BIbliotheks m agazin

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„Jüdisches Ceremoniel, Das ist: Aller- Besonders auffallend ist unter diesen fünf hand Jüdische Gebräuche …“ mit Büchern Goldschmidts eine Beschrei- handschriftlichem Eintrag von Laza- bung jüdischer Zeremonielle aus dem rus Goldschmidt Jahr 1720 durch einen „Zum Evangelio Christi bekehrten Rabbiner“. Dieses Büchlein (Jüdisches Ceremoniel, Das ist: Allerhand Jüdische Gebräuche […] Franckfurt / Im Jahr Christi 1720) trägt auf dem Vorsatzpapier den handschrift- lichen Vermerk: „Die Unwissenheit des Verfassers in jüd. Gebräuchen, zeigt dass er vielleicht ein jüd. Droschkenkutscher oder Ofenheizer, aber kein Rabbiner war. Laz. Goldschmidt“.

Wie jene fünf Bücher aus der Privatbib- liothek Goldschmidts, der bereits 1925 bibliophile Werke in den Auktionshandel gab und seine eigentliche Bibliothek 1949 an die Königliche Bibliothek nach Kopen- hagen verkaufte, Einzug fanden in die gen Drucke müssen zu den Kriegsverlus- Bibliothek der „Gesellschaft“, zumal einer ten gerechnet werden bzw. sind nach das Judentum missionierenden Institu- der Akzessionierung eventuell doch noch tion, muss offen bleiben. an andere Institutionen weitergegeben worden. Die nach Kriegsende zunächst wieder- begründete „Gesellschaft zur Beförde- Innerhalb dieser Sammlung stammen – rung des Christentums unter den Juden“ gekennzeichnet durch Stempel oder löste sich zum 1. Mai 1982 auf. In die handschriftliche Besitzvermerke – fünf Rechtsnachfolge trat zunächst das „Öku- Bücher ursprünglich aus der Privatbiblio- menisch-Missionarische Zentrum“ (ÖMZ) thek von Lazarus Goldschmidt. 1871 in ein; als heutigen Rechtsnachfolger konnte Litauen geboren, lebte Goldschmidt als die Abteilung Historische Drucke inzwi- Privatgelehrter in Berlin. Er schuf eine schen das „Berliner Missionswerk“ ermit- Neuübersetzung der Bibel und des teln, das nach der Wende mit dem ÖMZ Koran, beschäftigte sich aber auch mit fusionierte. Die Restitutionsverhandlun- der äthiopischen Sprache und Literatur. gen zwischen der Stiftung Preußischer Seine umfangreiche Bibliothek mit Kulturbesitz und dem „Missionswerk“ als modernen Pressendrucken und vielen dem rechtmäßigen Eigentümer stehen hebräischen Inkunabeln war schon in den kurz vor dem Abschluss. Zwanzigerjahren berühmt. Goldschmidt emigrierte 1933 nach London, wo er Vor der Restitution werden die Prove- 1950 als britischer Staatsbürger starb. nienzspuren in den Exemplaren – auch BIbliotheks m agazin

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Katalogaufnahme aus dem OPAC der Staatsbibliothek zu Berlin

die von früheren Vorbesitzern hinterlas- Handbibliothek einer Missionsgesell- senen Spuren – zusammen mit den aus schaft kaum überraschen. den Zugangsbüchern und anderen Quel- len gewonnenen Informationen über den Selbst noch der kleine erhaltene Teil- Sachverhalt des NS-Raubguts detailliert bestand läßt die enge Beziehung der erfasst und über den OPAC der Staats- Berliner „Gesellschaft“ zu ihrer „Mutter- bibliothek (StaBiKat) weltweit zugänglich gesellschaft“, der „London Society for gemacht. Promoting Christianity amongst the Jews“, erkennen: Neben zahlreichen in Die dabei ebenfalls dokumentierten Bib- London gedruckten hebräischen Schrif- liothekssignaturen der „Gesellschaft“, die ten, darunter einer Torah-Ausgabe der offenbar einer sachlichen Aufstellungs- „Society“ von 1876, besaß die Berliner systematik mit einer aus ein bis zwei „Gesellschaft“ auch einen erheblichen Buchstaben und Zahlen bestehenden Anteil einschlägiger Traktate und Klassifikation folgten, zeigen deutlich, Abhandlungen in englischer Sprache, dass es sich bei dem erhaltenen Bestand schließlich auch interessante Exemplare nur um einen Bruchteil der ursprüng- jiddischer Drucke aus London wie z. B. lichen Bibliothek der „Gesellschaft“ han- ein 1819 erschienener Missionstraktat deln kann. Soweit sich diese Systematik des zum Christentum übergetretenen rekonstruieren lässt, reichten die Buch- Rabbiners Benjamin Nehemiah Salomon. stabengruppen mindestens von A bis H, Dieser hatte in den Jahren 1817/18 Lewis es wurden zu den Buchstaben z. T. drei- Way auf seiner zur Förderung der Juden- stellige Zahlen vergeben. Auch der stark mission unternommenen Europareise aktuelle Charakter der Bibliothek – es u. a. auch nach Berlin begleitet und er- handelt sich durchgehend um Drucke des arbeitete einige Jahre danach die erste 19. und 20. Jahrhunderts – wird deutlich, von der „London Society“ verlegte jiddi- mag aber aufgrund der Bestimmung als sche Übersetzung des Neuen Testa- BIbliotheks m agazin

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links: Torah-Ausgabe der London ments. Die Stereotyp-Platten zu der ein Aktenbestand der „Gesellschaft“, der Society von 1876 Jahr zuvor von der „Society“ veranlass- 1941 offenbar zusammen mit der Biblio- ten, auf der deutschen Luther-Überset- thek beschlagnahmt und an die Preußi- rechts: Jiddischer Traktat von Benja- min N. Salomon, 1819 zung beruhenden Ausgabe des Neuen sche Staatsbibliothek überwiesen wurde. Testaments in hebräischer Schrift erhielt Von dort sind die Akten noch im glei- die Berliner Gesellschaft zum Geschenk. chen Jahr an das Geheime Staatsarchiv Darüber hinaus hatte die „London So- weitergeleitet worden. Es handelt sich ciety“ der Berliner „Gesellschaft“ zur um 76 Einzelakten aus den Jahren 1816 Gründung neben finanzieller Unterstüt- bis 1933, die neben Dokumenten zur zung zahlreiche Bücher und Schriften zu- Verwaltung und über die Beziehungen zu kommen lassen, wie die Denkschrift zum anderen Missionsgesellschaften auch fünfzigjährigen Jubiläum 1872 betont. Tagebücher und Reiseberichte der von der „Gesellschaft“ beschäftigten Missio- Die engen Verflechtungen mit der „Lon- nare enthalten und nun zusammen mit don Society“ spiegeln sich auch in dem den Büchern restituiert werden. BIbliotheks m agazin

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thek im 16. Jahrhundert eingehend beleuchtete und deren Hintergründe und Vorgänge sowie das politische, gesell- schaftliche und kulturelle Umfeld der damaligen Zeit thematisierte. Die Vor- träge der ausgewiesenen Experten des Symposiums sind Ende 2009 im Verlag C. H. Beck, München veröffentlicht wor- den. Der Titel Die Anfänge der Münche- ner Hofbibliothek unter Herzog Albrecht V. erscheint als Beiheft 37 der Zeitschrift für Bayerische Landesgeschichte. Her- ausgeber des Bandes ist Prof. Dr. Alois Schmid, Vorsitzender der Kommission für bayerische Landesgeschichte bei der NEU ERSCHIENEN: TAGUNGSBAND Bayerischen Akademie der Wissenschaf- ZUR GESCHICHTE DER BAYERISCHEN ten. (ISBN 978-3-406-10678-1) STAATSBIBLIOTHEK

Die Bayerische Staatsbibliothek feierte 2008 ihren 450. Geburtstag. Einen wis- PUBLIZISTENPREIS FÜR senschaftlichen Höhepunkt stellte ein JOHAN SCHLOEMANN Symposium am 18. April 2008 dar, das die Gründung der Münchner Hofbiblio- Der diesjährige Publizistenpreis der Deutschen Bibliotheken (Helmut-Sontag- Preis) geht an Dr. Johan Schloemann, Redakteur im Feuilleton der Süddeut- schen Zeitung. Der mit 5.000 Euro dotierte Preis wurde am 15. März im Rahmen der Eröffnungsfeier des 4. Leip- ziger Kongresses für Information und Bibliothek vom Deutschen Bibliotheks- verband und der Wissenschaftlichen Buchgesellschaft übergeben. Die Lauda- tio hielt Prof. Dr. Ulrich Johannes Schnei- der, Direktor der Universitätsbibliothek Leipzig. In der Begründung der Jury hieß es: „Dr. Johan Schloemann verfolgt auf- merksam und kontinuierlich bibliotheks- relevante Themen. Neben Berichten über aktuelle bibliotheksspezifische Ereignisse in seinem Umfeld schreibt er ausführliche Hintergrundartikel mit diffe- BIbliotheks m agazin

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renzierter Argumentation zu zentralen Atlas aus den Sammlungen der Preußi- und kontroversen Fragen wie Digitalisie- schen Staatsbibliothek, der kürzlich im rung, E-Books oder Open Access, ohne Archiv des französischen Außenministe- dabei einseitig zu informieren. Seine riums aufgefunden worden war. überregional interessanten Artikel sind sehr gut recherchiert und von vorbildli- chem journalistischen Niveau.“ STAATSSEKRETÄR PSCHIERER IN DER BAYERISCHEN STAATSBIBLIOTHEK

RITTER FÜR KUNST UND LITERATUR

Der Botschafter der Republik Frankreich, S.E. Bernard de Montferrand, verlieh am 8. Februar in der Französischen Botschaft am Pariser Platz der Generaldirektorin der Staatsbibliothek zu Berlin, Barbara Schneider-Kempf, die Insignien eines Rit- ters für Kunst und Literatur. Die dama- lige Ministerin für Kultur und Kommuni- kation der Republik Frankreich, Christine Albanel, hatte sie im Juni des vergange- nen Jahres zum Chevalier dans l’ordre des Arts et des Lettres ernannt. – Im Rahmen der Feierstunde übergab der Leiter des Archivs des französischen Außenministeriums, Jean Mendelson, der Stiftung Preußischer Kulturbesitz einen Franz Josef Pschierer, Staatssekretär im Bayerischen Staatsministerium für Finan- zen, besuchte am 19. Januar 2010 die Bayerische Staatsbibliothek. Zentrale Gesprächsthemen waren das Leistungs- spektrum der Bibliothek als Schatzhaus des kulturellen Erbes, als multimedialer Dienstleister für den Wissenschafts- standort Bayern und als Innovationszen- trum für digitale Technologien und Dienstleistungen sowie die Ressourcen- ausstattung der Bayerischen Staatsbiblio- thek im Doppelhaushalt 2011/2012. Dem Staatssekretär wurden beim Besuch die zwei neu erworbenen Fugger-Genea- logien präsentiert. BIbliotheks m agazin

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DAS NEUE MUSEUMSPORTAL seen und Bibliotheken der SPK entlasten. FÜR MÜNCHEN Errichtet wird, nach Plänen des Münche- ner Architekten Eberhard Wimmer, nun In der spätgotischen Gewölbehalle im zunächst ein Speichermagazin, dessen Burgstock des Alten Hofes in München 22.000 m2 Nutzfläche ab 2011 für Be- wurde am 24. Februar vor Vertretern stände der Staatsbibliothek zu Berlin, des der Presse und über 50 Ausstellungshäu- Ibero-Amerikanischen Instituts und der sern das neue Münchner Museumsportal bpk – Bildagentur für Kunst, Kultur und präsentiert und frei geschaltet. Die Baye- Geschichte zur Verfügung stehen wer- rische Staatsbibliothek beteiligt sich am den. Zu den Gästen sprachen Rita Ruoff- neuen Internet-Auftritt. Mit mehreren Breuer, Präsidentin des Bundesamtes für Ausstellungen pro Jahr reiht sich das Bauwesen und Raumordnung; Prof. Dr. Schatzhaus des schriftlichen Kulturerbes Dr. h.c. mult. Hermann Parzinger, Prä- in der Ludwigstraße in die große Vielzahl sident der Stiftung Preußischer Kultur- renommierter Münchner Ausstellungs- besitz; Rainer Bomba, Staatssekretär im häuser ein. Bundesministerium für Verkehr, Bau und www.museen-in-muenchen.de Stadtentwicklung; die Stellvertreterin des Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien, Ministerialdirektorin Dr. Ingeborg Berggreen-Merkel sowie Barbara Schneider-Kempf, Generaldirek- torin der Staatsbibliothek zu Berlin. Peter Salewski, Polier der Firma Schrobsdorff GmbH & Co. KG, übernahm den Richt- spruch; der Architekt, Eberhard Wim- mer, erläuterte den Neubau anhand von Modell und Plänen.

RICHTFEST FÜR MAGAZINNEUBAU

Am 28. Januar 2010 erfolgte am Fürsten- walder Damm in Berlin-Friedrichshagen das Richtfest für den Neubau des Maga- zingebäudes der Stiftung Preußischer Kulturbesitz. Diese „Speicherstadt“ soll zukünftig die in Berlin zentral gelegenen Depot- und Magazinkapazitäten der Mu- BIbliotheks m agazin

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BERUFUNG INS ZUKUNFTSGREMIUM SCHLEIERMACHER-MANUSKRIPTE

Dr. Rolf Griebel wurde in die von der Die Staatsbibliothek zu Berlin erwarb Gemeinsamen Wissenschaftskonferenz drei herausragende Manuskripte für die des Bundes und der Länder (GWK) ein- Schleiermacher-Forschung: Eine Samm- gesetzte Kommission „Zukunft der Infor- lung von elf Predigtnachschriften und mationsinfrastruktur“ berufen. zwei Predigtdrucken aus den Jahren 1817 bis 1822, des Theologen und Philoso- phen Friedrich Schleiermachers eigen- händiges Druckmanuskript für die 1806 erfolgte zweite Auflage der Schrift „Über die Religion. Reden an die Gebildeten unter ihren Verächtern“, sowie eine anonyme Vorlesungsnachschrift der schleiermacherschen Vorlesung aus dem Wintersemester 1831/32 mit dem Titel „Theologische Enzyklopädie“. Beteiligt sind an der Erwerbung neben dem Berli- ner Verlag De Gruyter, dessen Gründer 1897 den Verlag Georg Reimer über- nahm, bei dem Schleiermacher publi- zierte, die Schleiermachersche Stiftung, die Evangelische Kirche Berlin-Branden- burg-schlesische Oberlausitz sowie der Freundes- und Förderverein der Staats- bibliothek. Der Hochschulausschuss des SITZUNG DES HOCHSCHUL- Bayerischen Landtags zu Besuch in AUSSCHUSSES DES BAYERISCHEN der Bayerischen Staatsbibliothek LANDTAGS

Am 2. Dezember 2009 besuchte der Ausschuss für Hochschule, Forschung und Kultur des Bayerischen Landtags die Bayerische Staatsbibliothek. An die Vor- stellung des Leistungsspektrums der Bayerischen Staatsbibliothek, deren Fokus als multimedialer Informations- dienstleister für den Wissenschaftsstand- rechts: ort Bayern und eine ausführliche Diskus- Generaldirektorin Barbara Schneider- sion auch der Herausforderungen, vor Kempf und der Kirchenhistoriker und denen die Bibliothek steht, schloss sich Präsident der Humboldt-Universität zu Berlin, Prof. Dr. Dr. h.c. Christoph eine Führung mit dem Schwerpunkt Digi- Markschies, mit den Manuskripten talisierungszentrum an. BIbliotheks m agazin

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BAYERISCHER MINISTERPRÄSIDENT IN DER BAYERISCHEN STAATSBIBLIOTHEK

Der Festakt „50 Jahre Arbeitsgemein- schaft Deutscher Familienorganisationen“ am 4. Dezember 2009 in der Bayeri- schen Staatsbibliothek bot Generaldirek- tor Dr. Rolf Griebel die Gelegenheit, dem Ministerpräsidenten Horst Seehofer die Bayerische Staatsbibliothek kurz vor- zustellen. Der Ministerpräsident zeigte sich von den Leistungen der Bayerischen Staatsbibliothek als Dienstleistungs- und Innovationszentrum für den Wissen- schaftsstandort Bayern wie auch von der abrufbar. Sie bieten einen repräsentati- Drittmittelbilanz beeindruckt. ven Überblick über den Bestand. Die Porträtgalerie wird kontinuierlich erwei- tert. http://stadtmuseum.bayerische-landes- bibliothek-online.de

MOBILER BIBLIOTHEKSKATALOG DER BAYERISCHEN STAATSBIBLIOTHEK

Seit dem 3. März 2010 bietet die Baye- rische Staatsbibliothek ihren Katalog OPACplus als Version für mobile End- geräte an. Er wurde auf der Grundlage des Standard-OPAC der Bibliothek ent- PORTRÄTSAMMLUNG DES MÜNCHNER wickelt. Der mobile OPACplus wurde STADTMUSEUMS ONLINE zunächst für das iPhone/Safari-Gespann angepasst, ist aber auch auf Android- Seit Dezember 2009 ist ein Teil der Por- Smartphones zur Zufriedenheit getestet. trätsammlung des Münchner Stadtmuse- Anpassungen für andere Plattformen sol- ums online. Die Datenbank entstand in len folgen. Die Anwendung ist unter der einer Kooperation zwischen Münchner Adresse des klassischen OPACplus der Stadtmuseum und Bayerischer Staatsbi- Bayerischen Staastsbibliothek erreichbar bliothek im Rahmen des kulturwissen- (s. www.bsb-muenchen.de) und startet schaftlichen Informationsportals Bayeri- automatisch bei Verwendung einer ge- sche Landesbibliothek Online (BLO). eigneten Hardware (iPhone oder iPod- Derzeit sind ca. 1.800 von 30.000 Por- Touch, bzw. Android-Smartphone) mit träts des Stadtmuseums digitalisiert und dem entsprechenden Browser. BIbliotheks m agazin

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anderem die Themen Digitalisierung, Technologien der Langzeitarchivierung, mobile Applikationen, Scanrobotik sowie die Planungen zur „Deutschen Digitalen Bibliothek“.

HARRY POTTER IN DER SBB-PK

Mit Freude und Dankbarkeit konnte die Staatsbibliothek für ihre Kinder- und WISSENSCHAFTSJAHR 2010 Jugendbuchabteilung kürzlich von einem Mäzen ein besonderes Geschenk ent- Mit einer Veranstaltung im Konzerthaus gegennehmen – ein Exemplar der äußerst am Gendarmenmarkt wurde am 22. Ja- seltenen englischen Erstausgabe von nuar das „Berliner Wissenschaftsjahr „Harry Potter and the Philosopher’s 2010“ durch den Regierenden Bürger- Stone“ (Harry Potter und der Stein der meister von Berlin feierlich eröffnet. Weisen). Dies ist das einzige Exemplar in Die Staatsbibliothek zu Berlin mit ihrem einer deutschen Bibliothek. Die erste IMPRESSUM Gründungsjahr 1661 gilt als eine der fünf Ausgabe des ersten Bandes der Septo- BIbliotheks Jubilarinstitutionen, die in diesem Jahr logie von Joanne K. Rowling wurde 1997 m agazin gemeinsam gefeiert werden. Die Jubilarin im Bloomsbury Verlag in London in Berlin und München 2010 Staatsbibliothek war vertreten durch den einer Auflage von nur 500 Exemplaren HERAUSGEBER: Dr. Rolf Griebel Präsidenten der Stiftung Preußischer Kul- gedruckt. Die kleine Startauflage und der Barbara Schneider-Kempf turbesitz, Professor Dr. Dr. h.c. mult. spätere Erfolg des Buchs bei Millionen REDAKTION IN BERLIN: Hermann Parzinger, sowie die General- von Lesern auf der ganzen Welt machen Dr. Martin Hollender (Leitung), Cornelia Döhring, direktorin der Staatsbibliothek, Barbara Exemplare dieses Drucks zu einer beson- Dr. Robert Giel, Schneider-Kempf. ders gesuchten (und hoch bezahlten) Carola Pohlmann, Thomas Schmieder-Jappe, Rarität auf dem Antiquariatsmarkt. Auf Dr. Silke Trojahn Auktionen in Großbritannien und den REDAKTION IN MÜNCHEN: VORTRAGSREISE IN BRASILIEN USA erreichte die Erstauflage Preise von Dr. Klaus Ceynowa, Peter Schnitzlein bis zu 15.000 €, bei einer Christies Auk-

KONTAKT IN BERLIN: Auf Einladung des Goethe-Instituts hielt tion im Oktober 2007 erzielte der Band [email protected] sich Dr. Klaus Ceynowa, Stellvertreter sogar 19.700 £. KONTAKT IN MÜNCHEN: des Generaldirektors der Bayerischen [email protected] Staatsbibliothek, vom 20. bis 30. März zu GESTALTUNG: Elisabeth Fischbach, einer Vortragsreise in Brasilien auf. In Rio Niels Schuldt de Janeiro, Sao Paulo, Curitiba und Porto GESAMTHERSTELLUNG: Alegre sprach er zum Thema: „Bibliothe- Druckerei Conrad GmbH, Berlin ken in der digitalen Welt: das Beispiel Nachdruck und sonstige Vervielfältigung der Beiträge nur mit der Bayerischen Staatsbibliothek“. Die Genehmigung der Redaktion. Vorträge, die an jedem Standort rund ISSN 1861-8375 300 Hörer anlockten, behandelten unter Haus Unter den Linden 8 10117 Berlin (Mitte)

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