fine art Jubiläum 2019 fineJubiläum art 2019

9. September bis 31. Oktober 2019 Galerie Kovacek & Zetter GmbH Stallburggasse 2 A-1010 Wien

Telefon +43/1/512 86 36 Telefax +43/1/512 86 36-36 [email protected] www.kovacek-zetter.at

Öffnungszeiten: Mo – Fr 10 – 18 Uhr Sa 11 – 14 Uhr Im Herbst 1999 gründeten wir zwei Cousinen un- kriegszeit geben. Wir haben die letzten drei Jahre sere eigene Galerie, die sich in den letzten Jah- intensiv gesammelt und recherchiert, um Ihnen ren vom kleinen Ecklokal in der Stallburggasse zu eine repräsentative Werkschau der wichtigsten einer der größten Galerien Österreichs mit über österreichischen Künstler jener Zeit zeigen zu 300 m2 Schaufläche entwickelt hat. können.

Mit zwei umfangreichen und hochkarätigen Aus- Es ist gelungen, interessante Bilder der großen stellungen wollen wir heuer dieses Jubiläum feiern Malerinnen des Stimmungsimpressionismus, Tina und Ihnen für Ihre jahrelange Treue und Ihr Ver- Blau, Olga Wisinger-Florian (ihr wird vom 24. Mai trauen Danke sagen! bis 21. Oktober 2019 eine Retrospektive im Leo- pold Museum in Wien gewidmet) und Marie Vorwort Waren wir die ersten drei Jahre noch zu Egner in die Ausstellung zu integrieren. zweit, unterstützt uns mittlerweile ein eingespieltes und tolles fünfköpfiges Das große Dreigestirn der österrei- Team. Bei Euch allen möchten wir chischen Kunstgeschichte, Gustav uns an dieser Stelle ganz herzlich Klimt, Egon Schiele und Oskar für Euer großes Engagement be- Kokoschka, das schon lange welt- danken. weit in großen Ausstellungen für Furore sorgt ( zuletzt Die Intensität an Ausstellungen, Pub- im Tokyo Metropolitan Art Museum) likationen und Messen hat in den letz- ist mit interessanten Werken zu sehen. ten Jahren nicht nur bei uns, sondern im gesamten Kunstbetrieb, stark zugenommen. So Zuletzt sei noch der Schwerpunkt auf Arbeiten stehen Sie als Kunstinteressierte und Sammler von Alfons Walde zu erwähnen, auf die wir sehr einer ungemeinen Fülle an Angeboten gegenüber, stolz sind. Wir zeigen sechs besondere Bilder von aus der Sie auswählen können, was in der Folge Alfons Walde, darunter die berühmten „Trattalmen“ auch uns immer neu herausfordert. und „Einsamer Berghof“, zwei archetypische Bilder dieses so bedeutenden österreichischen Wir wollen Ihnen mit dieser Ausstellung in Weiter- Malers. führung unseres Programms der letzten 20 Jahre einen Überblick über die österreichische Kunst Wir freuen uns sehr auf Ihren Besuch und möch- des ausgehenden 19. Jahrhunderts, der Zeit des ten darauf hinweisen, dass der Verkauf wie ge- Secessionismus und der Malerei der Zwischen- wohnt schon ab Versand des Kataloges beginnt.

Claudia Kovacek-Longin und Sophie Zetter-Schwaiger von links nach rechts: Bianca Kleinbichler Stefan Rodler Sophie Cieslar Sophie Zetter-Schwaiger Claudia Kovacek-Longin Jenny Reiter Kathrin Macht Index JUNGNICKEL LUDWIGJUNGNICKEL HEINRICH BRESSLERN-ROTH NORBERTINE HELBERGER ALFRED HERMANN WISINGER-FLORIAN OLGA LITTROW LEONTINE VON LITTROW LEONTINE GURSCHNER HERBERT KOKOSCHKA EGGER-LIENZ ALBIN OPPENHEIMER MAX OPPENHEIMER STOITZNER JOSEF THÖNY WILHELM THÖNY NIKODEM ARTUR NIKODEM ENDER THOMAS PECHSTEIN WALDE ALFONS HAUSER CARRY HAUSER SCHIELE EGON BERG WERNER KLIMT GUSTAVKLIMT EGNER MARIE MARIE EGNER LASKE OSKAR FLOCH JOSEF BRAUER ARIK ARIK BRAUER WEILER MAX WEILER NOLDE EMIL MOLL CARL MOLL BLAU TINA BLAU 1, 2 53, 54 26-32 48 11, 12 19-21 36 39 35 13, 14 33, 34 8 40-47 15-18, 50 22 23, 24 25 52 37 38 9 7 10 49 55 3-6 51 Olga Wisinger-Florian, die Grande Dame des ös- Wie schon die niederländischen Maler des 17. terreichischen Stimmungsimpressionismus, wurde Jahrhunderts, lenkt sie die Aufmerksamkeit des 1844 in Wien geboren. Von 1868 bis 1873 war sie Betrachters auf die Schönheit der Welt im Kleinen, als Pianistin europaweit sehr erfolgreich. Aufgrund auf viele versteckte Motive, die das Betrachten eines hartnäckigen Handleidens konnte sie diese so unterhaltsam, aber auch lehr- und abwechs- Karriere nicht weiterverfolgen und wandte sich der lungsreich machen. Kennen wir alle Blumen die- Malerei zu. Frauen waren zu dieser Zeit an der ses Straußes? Wann blühen sie? Wo sind sie Akademie nicht zugelassen, so nahm sie Privatun- heimisch? Und was sind das für Schmetterlinge, terricht bei Melchior Fritsch und August Schaeffer. für die dieser Strauß ein anziehender Ort zu sein Wirklich geprägt hat sie aber , scheint? Sind diese flatternden Schönlinge nicht der sie gemeinsam mit Marie Egner und Carl Moll auch vertraute Allegorien für Verwandlung, Blühen unter seine Fittiche nahm und mit der jungen und Vergehen? Künstlerin zahlreiche Studienreisen unternahm. Somit wurde in diesen frühen Jahren ihr Malstil Aber die Malerin kopiert nicht die Alten Meister, sie wesentlich von den virtuosen Naturdarstellun- sucht nach neuen malerischen Ausdrucksmitteln, gen Schindlers bestimmt, die in Anlehnung an um die Natur zu fassen. Immer mehr löst sie sich die französische „paysage intime“ im Umkreis von linearen Details, wohl abgestimmter Ton in der Ecole de Barbizon die österreichische Land- Tonmalerei und vom Glätten der Pinselstriche. Sie schaftsmalerei entscheidend beeinflusste. Rasch will „ehrlich“ malen, ihre Energie, ihre Impulsivität gelang es ihr aber aus dem Schatten des großen und ihr Verständnis der Natur mittels vehementer, Lehrmeisters hervorzutreten und sich als eigen- kurzer Pinselzüge erkennbar machen, und wagt ständige Künstlerpersönlichkeit zu etablieren. Die es, mit wenigen Farbtupfern, die Erscheinungen öffentlichen Anerkennungen, die ihr zuteil wur- der Natur ins Bild zu fassen und dem fast abstrak- den, belegen den Erfolg, den sie mit ihrer Malerei ten, dunkel gemalten Hintergrund einen großen hatte. 1888 erhielt sie die „Mention honorable“ in Raum des Bildes zu belassen. Paris, 1891 in London, 1897 wurde ihr die Kleine Goldene Staatsmedaille verliehen, 1891 die bayri- Mit diesem neuen künstlerischen Begreifen der sche Ludwigsmedaille und 1893 die Medaille der Natur rückte Wisinger-Florian ab Mitte der 1880er Weltausstellung in Chicago. 1900 stellte sie auf der Jahre zweifellos zur Avantgarde der Malerei des

Olga Wisinger-Florian Pariser Weltausstellung aus. Olga Wisinger-Florian 19. Jahrhunderts vor und erzählt uns bis heute von setzte sich auch sehr für die Gleichberechtigung diesem immer wieder spannenden wie reizvollen ihrer weiblichen Kolleginnen ein und war Präsiden- Übergang von der gesehenen zur imaginierten tin des Vereins österreichischer Schriftstellerinnen Welt. und Künstlerinnen in Wien. Sie starb über 80-jäh- (Marianne Hussl-Hörmann) rig 1926 in Grafenegg.

Mit einer neuen Bildgattung, den Blumenland- schaften, begann Olga Wisinger-Florian um 1885 ihren eigenständigen Weg als unabhängige, stets innovative und experimentelle Künstlerin. Heimische Wiesenblumen, fast achtlos auf einem Wegesrand geworfen, bilden den erzählerischen Rahmen dieses Genres. Sie erinnern nur mehr an die weiten Blumenwiesen und den romantischen Blick auf blühende Landschaften, wie sie es mit Schindler und seiner Malergruppe zunächst ken- nen und malen gelernt hatte. Nun aber zieht sie OLGA WISINGER-FLORIAN ihren Blick zurück, fokussiert auf Details, die wie (Wien 1844 - 1926 Grafenegg) 1 ein pars pro toto die Welt im Kleinen fassen. Wildblumenstrauß um 1885 Öl auf Holz 30 x 20 cm Signiert rechts unten: O. Wisinger-Florian Das Bild wird in das in Vorbereitung befindliche Werkverzeichnis aufgenommen.

Provenienz: Privatbesitz Österreich Literatur: Vgl.: Marianne Hussl-Hörmann, Hans-Peter Wipplinger, Olga Wisinger-Florian. Flower Power der Moderne, Ausstellungskatalog, Leopold Museum, Wien 2019, S. 77; Gerbert und Marianne Frodl, Die Blumenmalerei in Wien, Wien 2010, S. 116 ff.; Kunst des 19. Jahrhunderts. Bestandskatalog der Österreichischen Galerie Belvedere in Wien, Band 4, Wien 2000, S. 285 ff.

Für Olga Wisinger-Florian war die Blume das zen- trale Motiv ihrer Kunst. Selbst eine große Liebha- berin und Kennerin der heimischen Flora, ließ sie sich regelmäßig Blumen in ihr Atelier bringen. Dort sah man sie, wie ein Kritiker begeistert berichtete, in großer Zahl „auf ihrem Fenster, auf Stellagen und in Töpfen“ als „Modelle für ihre Bilder […] gleich neben den Schöpfungen der Natur“. Der Fokus auf die Blume war aber auch ein geschick- ter Schachzug, um sich von der poetischen Land- schaftsmalerei ihres Lehrers und Mentors Emil Jakob Schindler zu lösen und sich deutlich davon abzugrenzen.

Eine besondere Liebe hatte die Malerin für wohl arrangierte Blumenbouquets, die sie wie auf einer Bühne auf Tischen oder Fensterbrettern platzierte. Sie wählte dafür kleine, vorgrundierte Holztafeln, und benötigte für die Fertigstellung oft nicht län- ger als zwei Tage, da sie überaus konzentriert und schnell malte. Diese zarten, feinfühligen Kabinett- bilder folgten in ihrer Motivwahl dem Wechsel der Jahreszeiten und erfreuten sich größter Beliebtheit.

Einen ganz besondereren Reiz besitzt auch die- ses neu entdeckte Rosenbildchen mit seinem wie zufällig an einem angedeuteten Wegesrand liegenden, sorgfältig gebundenen Strauß von drei weißen Rosen. Ein Vorhang aus dunkelgrün chan-

Olga Wisinger-Florian gierenden Blättern im Hintergrund verleiht dem zarten Weiß der Blätter zusätzlich eine erhöhte Strahlkraft. Ihr weicher, fast melodischer Malstil, ihr lebhafter Wechsel zwischen frappierender Detail- genauigkeit und freien Pinselzügen setzt so die Tradition der Blumenmalerei des Biedermeier in moderner Weise fort. (Marianne Hussl-Hörmann)

OLGA WISINGER-FLORIAN (Wien 1844 - 1926 Grafenegg) 2 Weiße Rosen 1895 Öl auf Holz 31,5 x 48 cm Signiert und datiert rechts unten: O. Wisinger-Florian (1)895 Das Bild wird in das in Vorbereitung befindliche Werkverzeichnis aufgenommen.

Provenienz: Privatbesitz Österreich Literatur: Vgl.: Marianne Hussl-Hörmann, Hans-Peter Wipplinger, Olga Wisinger-Florian. Flower Power der Moderne, Ausstellungskatalog, Leopold Museum, Wien 2019; Gerbert und Marianne Frodl, Die Blumenmalerei in Wien, Wien 2010, S. 116-129; Kunst des 19. Jahrhunderts. Bestandskatalog der Österreichischen Galerie Belvedere in Wien, Band 4, Wien 2000, S. 285 ff.

Der gebürtigen Wienerin Tina Blau gelang es, sich Wie nur wenige andere Studien im Werk Tina trotz aller Schwierigkeiten, die eine Künstlerin im Blaus legen diese kleinen „en plein air“ gemalten 19. Jahrhundert überwinden musste (der Zugang Werke eine ungeheure Spontaneität und Verwe- zur Akademie war noch verwehrt) einen bleiben- genheit an den Tag, es werden Eindrücke quasi den Rang in der Kunstgeschichte zu erarbeiten. stenografisch oder in breiten Farbflächen, an der Das Jahr 1869 wurde durch einen Ausstellungs- Grenze zur Abstraktion, nur summarisch festge- besuch im Münchner Glaspalast, wo erstmalig halten. Ohne ihre Begegnung mit dem südlichen Hauptwerke der Schule von Barbizon gezeigt Licht und dem avantgardistischen Schaffen der wurden, für die Künstlerin von entscheidender Be- italienischen Künstlergruppe „Macchiaioli“4 wären deutung. Nach einer Lehrzeit bei Wilhelm Linden- solche, aus heutiger Sicht autonome Meisterwer- schmidt in München kehrte Tina Blau 1874 nach ke undenkbar. Wien zurück und begann eine mehrjährige Atelier- Gewiss war es in diesen Jahren recht beschwer- und Lebensgemeinschaft mit Emil Jakob Schind- lich, besonders als junge Frau, bepackt mit Ma- Tina Blau Tina ler, mit dem sie auch mehrere Studienreisen unter- lerutensilien, zu reisen, und sei nahm. 1883 erhielt sie für den großen „Frühling im es auch nur in das südliche Prater“ die „Mention honorable“ im Pariser Salon. Umland Wiens. Hier, an einem Im selben Jahr heiratete sie den Münchner Maler weiten, noch unverbauten Feld Heinrich Lang und übersiedelte abermals in die bei Maria Enzersdorf, hat Tina Metropole an der Isar, unterbrochen von den Som- Blau wohl zum wiederholten mermonaten im Wiener Prateratelier. Nach dem Male am Rand der alten Fried- Tod ihres Mannes kehrte sie in ihre Geburtsstadt hofsmauer Stellung bezogen. zurück, wo sie als Mitbegründerin der „Kunstschu- Im Wettlauf gegen Wind und

le für Frauen und Mädchen“ von 1898 bis 1915 in Wetter malend – ein wolkenzer- Tina Blau, „An der der Klasse für Landschaftsmalerei und Stillleben zauster, am Horizont gewittriger Himmel zeichnet Friedhofsmauer“, 1888, unterrichtete. Tina Blau starb 1916 in Wien1. sich ab – wirft Tina Blau virtuos eine fast schon (verbrannt) finale Komposition auf die Leinwand: um zwei Tina Blau schuf in den 1880er Jahren zwei un- Kinder im Bildzentrum, die mit einem der achtlos vergleichliche Hauptwerke: zum einen 1883 das über die Mauer geworfenen verwelkten Blumen- aufsehenerregende und nicht ohne Grund im Pa- kränze spielen, entfaltet sich wellenförmig eine riser Salon ausgezeichnete Gemälde „Frühling im teppichartige Textur aus intensiv grünen Wiesen, Prater“, mit dem sie das kraftvolle Licht und die zinnoberfarbig gesprenkelten Mohnblumen und galanten Parkszenen der frühen französischen ockrig-erdigem Boden. Der Bildraum wird durch Impressionisten in die zeitgenössische Wiener den Tiefenzug der theatralisch beleuchteten Mauer Malerei transformierte. Dieses Schlüsselwerk zählt gewaltig bis an die weite Horizontlinie geöffnet, die heute zu den Schätzen der impressionistischen durch einen Kirchturm und flüchtig angedeutete Sammlung der Galerie Belvedere. Zum anderen Häuser gegliedert ist. Über der Landschaft steht, schuf sie das große, durchaus symbolhaft zu le- zur Dynamik der Darstellung passend, ein sturm- sende Gemälde „An der Friedhofsmauer“, das ihr bewegter Wolkenhimmel, aus dem nur noch ver- Hauptbeitrag zur Jubiläums-Kunst-Ausstellung einzelt Sonnenlicht und blauer Himmel schimmern. im Künstlerhaus 1888 werden sollte2 und auch „Landschaft bei Maria Enzersdorf“ ist mit seiner vir- danach vielfach ausgestellt war. Tina Blau hat tuosen Malerei und durch seine kunsthistorische dieses für sie sehr wichtige großformatige Werk Bedeutung am Kunstmarkt eine große, museale genau vorbereitet, und es ist eine kleine Anzahl Rarität, die ein wenig den Zauber des verlorenen von faszinierenden Studien erhalten, die durch Hauptwerkes erahnen lässt. ihre wechselnden Blickwinkel, unterschiedlichen Figurengruppen und variierenden Lichtverhältnis- se spannende Einblicke in die kompositorische Entwicklung und die Arbeitsweise der Künstlerin TINA BLAU 3 geben . Dies umso mehr, als das große Gemäl- (Wien 1845 - 1916 Wien) 3 de in den Verwüstungen des Zweiten Weltkrieges Landschaft bei Maria Enzersdorf zerstört wurde und uns heute nur durch Reproduk- An der Friedhofsmauer tionen zugänglich ist. 1887/1888 Öl auf Leinwand auf Holz 25 x 40,5 cm Rückseitig bezeichnet: Skizze von Tina Blau zu einem groszen Bild an der Kirchhofmauer Echtheit bestätigt von Dr. Markus Fellinger, Österreichische Galerie Belvedere, Wien. Die Arbeit ist im 1) Einhundert Jahre nach ihrem Tod ehrte das Belvedere die Malerin Tina Blau Werkverzeichnis unter der Nr. GE 1247 registriert. mit einer Ausstellung im Rahmen der Reihe „Meisterwerke im Fokus“ (4. November 2016 bis 15. Januar 2017). Provenienz: Privatbesitz Österreich; 2) 1912 erhielt sie für dieses Gemälde die Große Goldenen Staatsmedaille. Privatsammlung Schweden 3) Sammlung Belvedere, Niederösterreichisches Landesmuseum, Wiener Literatur: Vgl.: Tobias G. Natter (Hg.), Pleinair. Die Landschaftsmalerin und New Yorker Privatsammlung Tina Blau. 1845-1916, Ausstellungskatalog, 4) Charakteristisch für die um 1860 revolutionäre Kunstauffassung der Jüdisches Museum, Wien 1996, S. 114 u. 117; Künstlergruppe der „Macchiaioli“ sind die fleckenartigen Farbflächen, Kunst des 19. Jahrhunderts. Bestandskatalog der starke Hell-Dunkel-Kontraste sowie der Malprozess unmittelbar vor der Natur. Österreichischen Galerie Belvedere in Wien, Band 1, Wien 1992, S. 113 ff.

Tina Blau hatte ein besonderes Verhältnis zu Mün- Auch Tina Blau konnte sich der Faszination dieser chen, wo sie viele Jahre ihres Lebens verbrach- imperialen Pracht nicht entziehen, als sie an ei- te. Bereits während ihrer Studienzeit hielt sie die nem makellosen Sommertag des Jahres 1884 ne- malerische Vielfalt der bayrischen Landschaft in benstehendes Motiv mit klarem Blick und virtuo- Stimmungsbildern eines kraftvollen Realismus sem Pinselschwung „en plein air“ für die Nachwelt fest. Nach vielen Reisen mit den für ihr Oeuvre verewigte. Die Künstlerin hat Position bezogen im so zentralen Schlüsselerlebnissen der atmosphä- kühlen Schatten eines Gebäudes, der kubisch in rischen holländischen Landschaft sowie der Ent- den vorderen Bildraum fällt und einen ersten mar- deckung des intensiven südlichen Lichtes in den kanten Tiefenzug suggeriert. Gewiss umringt und späten 1870er Jahren war die Metropole an der beäugt von einer Schar neugieriger Kinder und Isar für über ein Jahrzehnt ihr Lebensmittelpunkt. Flaneure, inszeniert sie nicht den wohlbekannten Erst nach dem Tod ihres Mannes, dem Pferde- „Canaletto-Blick“ auf Teich und Schloss, sondern und Schlachtenmaler Heinrich Lang, übersiedelte eine nicht minder reizvolle Impression aus einer Tina Blau Tina sie 1893 endgültig zurück nach Wien. In München, Seitenachse des weitläufigen Parks. Entlang eines wo sie zum Teil größere Erfolge als in ihrer öster- Lineaments aus steil in den Bildraum führenden reichischen Heimat feierte, stellte sie über elf Jah- hellen Kieswegen führt ein Mosaik flott umrissener re hinweg in den Expositionen des renommierten grüner Wiesenflächen und nur angedeuteter rot Glaspalastes aus, wo auch ein Gemälde von der gesprenkelter Blumenbeete weit an den Horizont, Neuen Pinakothek angekauft wurde. der durch ein Wechselspiel von hohen Baumgrup- pen und im Sonnenlicht blitzenden Fassaden als Aus diesen Jahren sind eine Fülle vielfältiger Wer- Bildmitte formalisiert ist. Hier taucht, im Schatten ke dokumentiert, die von einer sogar für das zeit- einer üppig blühenden Fliederhecke und im Gän- genössische Münchner Kunstschaffen beeindru- semarsch dem Betrachter entgegenkommend, ein ckenden malerischen und motivischen Modernität Grüppchen vornehmer Damen auf, Parkbesuche- zeugen: es sind Impressionen aus verschiedenen rinnen, die durch Gewand und obligate Sonnen- Blickwinkeln der großen Kunstmetropole, von schirmchen als Protagonistinnen der gehobenen Landschaften an den aubewaldeten Ufern der Isar Gesellschaft liebevoll charakterisiert sind. Reizvoll oder der Theresienwiese, zahlreiche Motive aus kontrastiert hier das weiß leuchtende Kleidchen dem noch ländlich geprägten Schwabing, oder eines kleinen Mädchens, das trotz der flirren- auch dem pittoresken Rothenburg ob der Tauber. den Hitze an der Hand seiner Mutter tapfer die Und nicht zuletzt ein bislang unbekanntes, aber Sehenswürdigkeiten des Schlossparks erkundet. umso großartigeres Werk aus dem Nymphenbur- ger Schlosspark, das in seinem Zauber den fast Formal beeindruckt Tina Blau in diesem Meister- zeitgleich entstandenen, berühmten Impressionen werk mit einem auf die Spitze getriebenen „abbre- aus den Pariser Tuilerien, die sich heute in musea- viaturhaften“ Malstil. Von einem lockeren komposi- lem Besitz befinden, ebenbürtig ist. torischen Gerüst aus pointiert gesetzten Strichen und Punkten, unter großzügiger Miteinbeziehung Der Nymphenburger Schlosspark mit seinen über des mahagonibraunen Malgrundes, setzt sich erst zweihundert Hektar umfassenden Parkanlagen, im Auge des Betrachters dieses beeindruckende Wäldern und Wiesen ist eines der bedeutends- Panorama in seiner perspektivischen Weite und ten Gartenkunstwerke Europas. Er bildet mit dem den detailreichen motivischen Nuancierungen zu- Schloss Nymphenburg und den im weitläufigen sammen. Mit dem „Schlosspark in Nymphenburg“ Park zwischen künstlich angelegten Seen und Ka- schuf Tina Blau eine museale und zeitlos moderne nälen erbauten Parkburgen, Pavillons und histori- Momentaufnahme aus der versunkenen Epoche schen Gewächshäusern einen auch heute noch des imperialen München. zauberhaften, paradiesischen „hortus conclusus“.

TINA BLAU (Wien 1845 - 1916 Wien) 4 Im Park von Schloss Nymphenburg 1884 Öl auf Holz 17, 3 x 27 cm Signiert rechts unten: T. Blau Rückseitig signiert, datiert und bezeichnet: Tina Blau, Aus den Tuilerien, 1883, Sammlung Belvedere T. Blau München Nymphenburg 1884 Echtheit bestätigt von Dr. Markus Fellinger, Österreichische Galerie Belvedere, Wien. Die Arbeit ist im Werkverzeichnis unter der Nr. GE 459 registriert.

Provenienz: Privatbesitz Schweiz Literatur: Vgl.: Agnes Husslein-Arco, Markus Fellinger (Hg.), Tina Blau, Ausstellungskatalog, Belvedere, Wien 2016/17, Abb. S. 96 f.; Tobias G. Natter (Hg.), Pleinair. Die Landschaftsmalerin Tina Blau. 1845-1916, Ausstellungskatalog, Jüdisches Museum, Wien 1996, Abb. S. 102 f.; Kunst des 19. Jahrhunderts. Bestandskatalog der Österreichischen Galerie Belvedere in Wien, Band 1, Wien 1992, S. 113 ff.

TINA BLAU 5 (Wien 1845 - 1916 Wien) Die Türkenschanze in Wien 1911 Öl auf Holz 23 x 33,5 cm Rückseitig signiert, datiert und betitelt: Tina Blau „Türkenschanze“ Wien 1911 Echtheit bestätigt von Dr. Markus Fellinger, Österreichische Galerie Belvedere, Wien. Die Arbeit ist im Werkverzeichnis unter der Nr. GE 1039 registriert.

Provenienz: Kunstsalon Mag. Peter Kovacek; Privatsammlung Oberösterreich Literatur: Vgl.: Agnes Husslein-Arco, Markus Fellinger (Hg.), Tina Blau, Ausstellungskatalog, Belvedere, Wien 2016/17, S. 110, 111; Tobias G. Natter (Hg.), Pleinair. Die Landschaftsmalerin Tina Blau. 1845-1916, Ausstellungskatalog, Jüdisches Museum, Wien 1996, Abb. S. 122; Kunst des 19. Jahrhunderts. Bestandskatalog der Österreichischen Galerie Belvedere in Wien, Band 1, Wien 1992, S. 113 ff. TINA BLAU 6 (Wien 1845 - 1916 Wien) Mühle in Veere 1906 Öl auf Holz 17,5 x 26,9 cm Rückseitig betitelt auf altem Klebeetikett: Mühle in Veere Echtheit bestätigt von Dr. Markus Fellinger, Österreichische Galerie Belvedere, Wien. Die Arbeit ist im Werkverzeichnis unter der Nr. GE 946 registriert.

Provenienz: Privatbesitz Österreich Literatur: Vgl.: Agnes Husslein-Arco, Markus Fellinger (Hg.), Tina Blau, Ausstellungskatalog, Belvedere, Wien 2016/17, S. 14 ff.; Tobias G. Natter (Hg.), Pleinair. Die Landschaftsmalerin Tina Blau. 1845-1916, Ausstellungskatalog, Jüdisches Museum, Wien 1996, Abb. S. 90; Kunst des 19. Jahrhunderts. Bestandskatalog der Österreichischen Galerie Belvedere in Wien, Band 1, Wien 1992, S. 113 ff. Die in Radkersburg in der Steiermark geborene In einem malerischen Winkel eines Bauerngartens Marie Egner begeisterte sich schon in jungen Jah- hat Marie Egner Position bezogen, hat Staffelei, ren für die Pleinairmalerei und sowohl Hermann Pinsel und Leinwand ausgepackt, um „en plein von Königsbrunn, ihr Zeichenlehrer in Graz, als air“ mit zügiger, pastoser Pinselführung ein Motiv auch der Maler Carl Jungheim in Düsseldorf, bei festzuhalten, das idyllischer kaum vorstellbar ist. dem sie von 1872 bis 1875 Unterricht nahm, för- Aus einer bodennahen Perspektive gesehen, brei- derten diese Neigung. 1875 übersiedelte Marie tet sich vor dem Betrachter ein üppig wucherndes Egner nach Wien, wo sie in ihrem Atelier eine pri- Krautfeld aus, dessen dichte, fleischige Blattkas- vate Malschule eröffnete, die sie mit großem Erfolg kaden mit grünlich–türkis–violett changierender bis 1910 leitete. Um 1880 lernte die Künstlerin Emil Farbigkeit und mit geradezu greifbarer Plastizität Jakob Schindler kennen und verbrachte mit ihm geschildert sind. Dahinter führt ein herrlich sprie- und seinen Schülern Carl Moll und Olga Wisinger- ßender Blumengarten weiter in den Bildraum, ein Florian einige künstlerisch fruchtbare Sommer auf dichtes und buntes Wogen von Sonnenblumen, Schloss Plankenberg. Diverse Studienaufenthalte Astern, Malven und Rosen, die sich in einer fun- führten die junge Künstlerin unter anderem nach kelnden Farbenpracht bis zum vertikal rhythmisier- Dalmatien, Korfu, Deutschland und wiederholt ten Bretterzaun erstrecken. Hier erhebt sich ein

Marie Egner Marie Egner nach Italien. Nach einem Aufenthalt in London schöner barocker Gutshof, dessen fein ornamen- von 1887 bis 1889 stellten sich erste berufliche tierte Fassade hell im Sonnenlicht erstrahlt. Unter Erfolge ein. Egner reüssierte auf den Jahresaus- einem freundlichen, nur leicht bewölkten Sommer- stellungen des Wiener Künstlerhauses und nahm himmel runden die harmonisch in die Landschaft an großen Kunstschauen im Ausland teil (Londo- eingefügten Wirtschaftsgebäude sowie die schat- ner Royal Academy 1888, Große Kunstausstellung tige Baumgruppe am rechten Bildrand dieses Wa- in Berlin 1896, 1898 und 1899, Weltausstellung chauer Bauerngartenpanorama behutsam ab. in Paris 1900, Internationale Kunstausstellung Die Malerei ist unmittelbar und spontan, der Pin- Düsseldorf 1904). Nach dem Ersten Weltkrieg trat selstrich zügig und virtuos gesetzt, jedes Detail ist sie der Vereinigung bildender Künstlerinnen Ös- stimmig und offenbart das große malerische Talent terreichs bei, die ihr zu Ehren 1926 eine hundert­ Marie Egners, die sich mit Gemälden wie diesem achtzig Gemälde umfassende Werkschau organi- ihren Ruf als eine der wichtigsten österreichischen sierte. Marie Egner zählt heute neben Tina Blau, Künstlerinnen der Jahrhundertwende erworben Olga Wisinger-Florian und Leontine von Littrow zur hat. Durch dieses stimmungsvolle Motiv, die vib- berühmten „Quadriga“ der österreichischen Stim- rierende Farbenpracht und nicht zuletzt durch die mungsimpressionistinnen. überzeugende Räumlichkeit der Darstellung ist „Bauerngarten in der Wachau“ ein herausragendes Anfang des 19. Jahrhunderts setzte mit Künstlern Werk, das die Künstlerin auf dem Höhepunkt ih- wie Jakob Alt, Rudolf von Alt oder Thomas Ender res Schaffens zeigt und das in dieser malerischen die malerische Entdeckung der Wachau ein, jenes Qualität heute auf dem Kunstmarkt nur noch sel- Donauabschnittes zwischen Melk und Göttweig, ten zu finden ist. der mit seinen geschichtsträchtigen Burgruinen und Schlössern, seinen pittoresken, verwinkelten Dörfern und den das Donautal säumenden Wein- terrassen zu den romantischsten Landschaften Europas zählt. Ab 1880 verewigten Künstler wie Emil Jakob Schindler, Robert Russ, Tina Blau oder Olga Wisinger-Florian die Schönheit der Donau- landschaft in Hauptwerken des Stimmungsim- pressionismus. MARIE EGNER Wie so viele ihrer Kollegen, konnte sich (Bad Radkersburg 1850 - 1940 Wien) 7 auch Marie Egner den malerischen Bauerngarten in der Wachau Reizen der Wachau nicht entziehen, und um 1900 so entstanden einige stimmungsvolle Öl auf Leinwand Ansichten dieser Region, die heute zum 48 x 71 cm Signiert links unten: M. Egner Besten in ihrem Werk zählen. Provenienz: Privatbesitz Deutschland Literatur: Carl Aigner und Heinz Syllaba (Hg.), Farben aus dem Paradies - Die Landschaftsgärten des Plankenberger Malerkreises, Ausstellungskatalog, Museum Region Neulengbach, Neulengbach 2014, S. 27 mit Abb. Vgl.: Gerbert Frodl, Verena Traeger (Hg.), Stimmungsimpressionismus, Ausstellungskatalog, Österreichische Galerie Belvedere, Wien 2004, S. 100-111; Österreichische Galerie Belvedere (Hg.), Österreichische Kunst des 19. Jahrhunderts. Bestandskatalog der Österreichischen Galerie in Wien, Band 1, Wien 1992, S. 212 ff.

Ausgestellt: Museum Region Neulengbach, Neulengbach 2014

Die 1856 in Triest geborene Leontine von Littrow Uferpromenade des Lungomare und Alltagssze- entstammte einer altösterreichischen Adelsfamilie. nen wie auslaufende Fischerboote oder Wäsche- Ihr Vater Heinrich von Littrow war Kartograf und rinnen am Strand in zahlreichen stimmungsvollen später Leiter der nautischen Akademie in Triest, Gemälden, die heute zum Besten des österreichi- ihr Onkel der berühmte Astronom und Leiter der schen Stimmungsimpressionismus zählen. Wiener Sternwarte, Carl Ludwig von Littrow. Die Künstlerin wuchs so in einem künstlerisch lite- Ein märchenhaft schönes mediterranes Panora- rarischen Umfeld auf. Die Laufbahn des Vaters ma hat Leontine von Littrow in nebenstehendem führte sie schon früh in die Gegend um Triest und Hauptwerk festgehalten, eine sonnenbeschienene Abbazia, die sich später auf vielen ihrer Bilder als Häuserzeile an einer kleinen Hafenmole. In brillan- zauberhaftes Motiv wiederfindet. Ihre Ausbildung ter, an den Duktus französischer Impressionisten – erhielt Leo von Littrow, wie sie liebevoll abgekürzt wie etwa der flirrenden Meereslandschaften Clau- genannt wurde und auch signierte, in Paris als de Monets – erinnernder Pinselführung gelingt Schülerin von Jean d’Alheim, wo sie von der im- es der Künstlerin eine maritime Idylle mit sanft pressionistischen Malerei der großen Franzosen bewegter Wasserfläche, vertäuten Fischerbooten beeinflusst wurde. Die Künstlerin starb 1925 in und einem im Dunst der Ferne sichtbaren Küsten- Abbazia. Bereits zu Lebzeiten wurden ihre Bilder in strich mit einer narrativen dörflichen Genreszene Ausstellungen in Wien und München gezeigt und zu kombinieren. Das pittoreske als einzige Künstlerin ihrer Zeit erhielt sie einen Leben und die alltägliche Arbeit Auftrag zur Ausgestaltung der Hochparterresäle wird hier von Frauen und Kin- mit Gemälden im Naturhistorischen Museum – ein dern bestimmt, Männer sind kei- Zeichen großer Wertschätzung ihrer Kunst. ne zu sehen, sie sind vermutlich schon frühmorgens zur See ge- Das Werk Leontine von Littrows ist eine der inte- fahren. Die Szenerie vermittelt ressantesten (Wieder-)Entdeckungen der letzten einen Eindruck von Ruhe und Jahre. Wenig präsent am Kunstmarkt, waren ihre Harmonie, frei von Hektik und Gemälde lange Jahre nur wenigen Spezialisten Hast. Das klare südliche Licht und Sammlern des österreichischen Stimmungs- lässt das Dorf am Meer in einem leuchtenden Ko- Claude Monet, impressionismus bekannt. In letzter Zeit aber ist lorit erstrahlen, wobei die plastisch akzentuierten Port Donnant, Belle Ile, Leontine von Littrow Leontine von Littrow 1886, Yale University vieles in Bewegung geraten – so wurde 2017 eine Fassaden mit ihren kräftigen Ocker- und Weißtö- Art Gallery erste große Monografie samt Oeuvreverzeichnis nen in schönem Kontrast zum kräuselnden Blau publiziert1 und in der großen Schau „Österreichische des Wassers und zum Grün der umgebenden Riviera. Wien entdeckt das Meer“ erstmals wichti- Vegetation steht. Der aus dem Hinterland aufkom- ge Gemälde der interessierten Öffentlichkeit zu- mende Wind treibt diesige Wolkenschleier auf das gänglich gemacht2. Auch das Muzej Grada Rijeke offene Meer hinaus, die sich in tänzelnden Lichtre- (Rijeka Museum) zeigte eine Ausstellung mit flexen auf der Wasseroberfläche spiegeln. zahlreichen Werken der Künstlerin3. Mit ihrem impressionistischen Hauptwerk „An der Küste bei Abbazia“ entführt uns die Künstlerin Leontine von Littrow war fasziniert vom Reiz der Leontine von Littrow in eine Welt zauberhafter Meereslandschaften Europas – vor allem von der mediterraner Atmosphäre, die sie wie nur weni- Gegend um Abbazia (Opatija), jenes malerischen ge Künstler ihrer Zeit authentisch wiederzugeben Ortes im Nordosten der Halbinsel Istrien an der vermag. Kvarner Bucht. Abbazia mit seinen noblen Grand Hotels, seinen prachtvollen Villen, den exklusiven Badeanstalten und großzügigen Parkanlagen war zu Lebzeiten der Künstlerin das mondäne Seebad an der sogenannten österreichischen Riviera, das LEONTINE VON LITTROW zudem durch die 1884 eröffnete Südbahnlinie (Triest 1856 - 1925 Abbazia) 8 Wien-Rijeka bequem zu erreichen war. Mit ihrer An der Küste bei Abbazia Freundin und Malerkollegin Olga Wisinger-Florian um 1900 unternahm sie hier unzählige malerische Streifzü- Öl auf Leinwand ge und verewigte die eindrucksvollen Villen des Fin 66 x 88 cm Signiert links unten: Leo Littrow de siècle, die mediterranen Parks, die berühmte Provenienz: Privatbesitz Österreich Literatur: Bernhard Barta, Ervin Dubrovic, Alfred Kolhammer, Rudolf Mahringer (Hg.), Leontine von Littrow. Impressionistin des Südens, Wien-Rijeka 2017, Werkkatalog Nr. 88 (WVLL 3/021), Abb. S. 301 Vgl.: Christian Rapp, Nadia Rapp-Wimberger (Hg.), Österreichische Riviera. Wien entdeckt das Meer, Ausstellungskatalog, Wien Museum, Wien 2013, S. 238 f.; Friedrich von Boetticher, Malerwerke des Neunzehnten Jahrhunderts, Neudruck Frankfurt 1969, 1. Band, 2. Hälfte, S. 925

1) Bernhard Barta, Ervin Dubrovic, Alfred Kolhammer, Rudolf Mahringer (Hg.), Leontine von Littrow. Impressionistin des Südens, Wien-Rijeka 2017 2) Ausstellung im Wien Museum, 14. November 2013 bis 30. März 2014. 3) 30. September bis 29. Oktober 2017, www.muzej-rijeka.hr

THOMAS ENDER 9 (Wien 1793 - 1875 Wien) Blick auf die Loferer Steinberge Kirchgänger auf dem Heimweg bei St. Ulrich um 1860 Aquarell auf Papier 28 x 36 cm Signiert links unten: Thom. Ender Bezeichnet unten: Straßen-Wirtshaus am Fuße des Steinberges im Pillersee-Tal

Provenienz: Privatbesitz Österreich Literatur: Vgl.: Walter Koschatzky, Thomas Ender. Kammermaler ALBIN EGGER-LIENZ Erzherzog Johanns, Graz 1982, S. 206, Topographisches Register „Lofer“; Klaus Albrecht Schröder, Maria Luise Sternath (Hg.), Von der Schönheit der Natur. (Stribach bei Lienz 1868 - 1926 St. Justina bei Bozen) 10 Die Kammermaler Erzherzog Johanns, Ausstellungskatalog Albertina, Wien 2015; Knabenbildnis Kunst des 19. Jahrhunderts. Bestandskatalog der Österreichischen Galerie Belvedere in Wien, Band 1, Wien 1992, S. 223 ff. Edmund Foppa als Knabe 1888 Öl auf Holz 42,6 x 34 cm Signiert und datiert rechts oben: A. Egger Lienz 1888 Rückseitig bezeichnet: Original von A. Egger-Lienz Kinderbildnis des Dr. E. Foppa Gemalt auf der Tammerburg in Lienz im Jahre 1888

Provenienz: Familie Foppa; Privatbesitz Niederösterreich Literatur: Wilfried Kirschl, Albin Egger-Lienz. Das Gesamtwerk, Bd. II, Wien 1996, S. 505, Wkv.Nr. M32 Vgl.: Albin Egger-Lienz. 1868–1926, Ausstellungskatalog, Leopold Museum, Wien 2008

Josef Stoitzner, der Sohn des Malers Konstantin Ein ausgesprochen schönes, ja geradezu re- Stoitzner, erhielt seine erste Ausbildung an der präsentatives Beispiel seiner Kunst um 1935 ist Wiener Kunstgewerbeschule und studierte von nebenstehende „Sommertag in Bramberg“, eine 1906 bis 1908 an der Akademie der bildenden Idylle längst vergangener Tage, die Josef Stoitzner Künste unter Franz Rumpler. 1905 begann er sei- stimmungsvoll und mit großer Klarheit auf der ne Tätigkeit als Zeichenlehrer, vier Jahre später Leinwand verewigt hat: im kühlen Schatten ei- legte er die Lehramtsprüfung ab und konnte somit nes jahrhundertealten dunkel-getäfelten Bau- von 1916 bis 1919 die Nachfolge der Landschafts- ernhofes, dessen blumengeschmückter Balkon malerin Tina Blau als Lehrer an der Wiener Frau- hoch über dem Betrachter zu schweben scheint, enakademie antreten. 1944 wurden seine Wiener hat der Künstler seine Staffelei postiert und lässt Wohnung, sein Atelier und die darin gelagerten den Blick über das grandiose Pinzgauer Panora- Druckstöcke und Werke durch einen Bombentref- ma schweifen: ein vor Trockenheit staubiger Weg, fer zerstört. Josef Stoitzner war Mitglied der Künst- flankiert von leuchtenden Wiesenstreifen, verwit- lergruppe „Der Kreis“, der Wiener Secession und terten Zäunen und stolzen hölzernen Stadeln führt des Wiener Künstlerhauses. Seine Werke – meist aus dem Dorf heraus und eröffnet einen weiten Landschaften, Stillleben und Interieurs – sind ei- Fernblick auf sattgrüne Almwiesen, die durch ver- nem unverwechselbaren, idealisierenden Realis- einzelte Gehöfte und Baumgruppen rhythmisiert mus verpflichtet und geprägt von pastosem Farb- sind. Der im Hintergrund aus der friedvoll-sanften auftrag, kraftvollen Konturen und kontrastreichem Landschaft herauszuwachsen scheinende hohe Licht-Schattenspiel. 1951 verstarb der Künstler Wildkogel ist mit seinen mosaikhaft strukturierten,

Josef Stoitzner im Alter von 67 Jahren in Bramberg, wo er auch erdigen Grün- und Ockertönen, violetten Verschat- bestattet wurde. Die ungebrochene Faszination, tungen und versprengten hellen Schneeflächen in die von Josef Stoitzners Gemälden ausgeht, hat seiner monumentalen alpinen Tektonik wunderbar spätestens seit dem großen musealen Werküber- eingefangen. Ein blitzblauer, von einigen fragilen blick im Salzburg Museum 2010 einen neuen Hö- hellen Wolkengebilden durchzogener Sommer- hepunkt erreicht. himmel ruht über dieser zeitlos wirkenden Land- schaft, über der die flirrende Hitze der Jahreszeit Josef Stoitzner zählt zu den maßgeblichen und deutlich spürbar ist. eigenständigen Künstlerpersönlichkeiten der ös- terreichischen Klassischen Moderne. Durch Rei- Die markante Durchzeichnung sämtlicher Einzel- sen – schon knapp nach der Jahrhundertwende – heiten und die klare, stilisierende Formensprache, mit seinem Vater Konstantin, dann aufgrund der unterstützt von einer strahlenden Farbpalette, er- Hochzeit 1909 mit Anna Millinger, der Tochter des zeugen jenes charakteristische Vokabular, das Bramberger Gemeindearztes, wurde die Bezie- einen so unverwechselbaren Wiedererkennungs- hung vor allem zum salzburgischen Pinzgau ge- wert besitzt. Josef Stoitzners Verbundenheit festigt, sodass der Künstler ab 1943 endgültig im zur Natur berührt uns nach wie vor und weckt Heimatort seiner Frau lebte und auch von den Ein- in schnelllebigen Zeiten wie diesen den tiefen heimischen als Wahlbramberger („Papi Stoitzner“) Wunsch, sich in einer seiner saftigen Wiesen nie- wohlwollend aufgenommen wurde. In diesen Jah- derlassen, die klare Bergluft zu atmen und einfach ren entstand das mit Josef Stoitzner assoziierte innehalten zu können. Gemälde wie unsere stim- Oeuvre schlechthin, das liebliche, gepflegte Täler, mungsvolle Bramberger Sommerlandschaft waren die traditionellen Bauerngehöfte sowie die Berg- schon zu Lebzeiten des Künstlers hochgeschätzt massive der salzburgischen Alpen im Wechsel der und damals wie heute gesuchte Sammlerstücke. Jahreszeiten für die Nachwelt unvergesslich fest- gehalten hat.

JOSEF STOITZNER (Wien 1884 - 1951 Bramberg) 11 Sommertag in Bramberg um 1930 Öl auf Leinwand 90 x 79,4 cm Signiert rechts unten: STOITZNER JOSEF Das Bild wird unter der Nummer WVJS 6.113 in das Werkverzeichnis von Prof. Jakob Wirz (Enkel des Künstlers) aufgenommen.

Provenienz: Privatsammlung Wien Literatur: Vgl.: Erich Marx, Peter Laub (Hg.), Josef Stoitzner 1884–1951, Ausstellungskatalog Salzburg Museum, Salzburg 2010, Abb. S. 36, S. 104 ff.; Marianne Hussl-Hörmann, Josef Stoitzner. Immer wieder Landschaften, in: Parnass, Heft 3, Wien 2006, S. 62 ff.

Der Begeisterung für Josef Stoitzners friedvollen Genau diese erlebte Unbeschwertheit vermittelt und lichterfüllten Bildräume kann sich auch heu- unsere stimmungsvolle Landschaft – die ers- te kaum ein Betrachter entziehen, zumal diese te warme Frühlingsluft bringt den Schnee zum Landschaften, Blumenstillleben oder bäuerlichen Schmelzen, der nunmehr in mosaikartigen hellen Interieurs in äußerster Klarheit komponiert und Flecken die noch bräunlichen Wiesen sprenkelt, maltechnisch bravourös ausgeführt sind. Seine auf welchen bereits als erste Frühlingsboten zarte Wahrnehmung der Natur entfaltet sich im Span- Knospen durch den Boden zu dringen scheinen. nungsfeld einer realistischen Tradition der öster- Die Tektonik des Ackers und der dahinterliegen- reichischen Landschaftsmalerei sowie der dekora- den Wiese ziehen den Blick weit hinein in den tiv-flächigen Kunst der Secession um 1900, lässt Bildraum, entlang kahl ziselierter Bäume und dem aber alles Romantisierende und Mystifizierende Lineament eines Bretterzaunes zu einem einsa- hinter sich und wirkt im Sinn einer kühlen Sach- men Gehöft, das zwischen mächtigen Bäumen lichkeit bis heute zeitlos modern. Gewiss haben und sanft schwingenden Hügeln eingebettet liegt. auch die pointillistisch gestrichelten Bergbilder Über den fernen Silhouetten des Horizonts, die in Giovanni Segantinis oder die heroischen, flächig ihrem formalisierten blau-türkisen Kolorismus ein transformierten Panoramen Ferdinand Hodlers, die wenig an die kurz zuvor entstandenen Semme- in Ausstellungen der Wiener Secession zu sehen ringpanoramen Koloman Mosers erinnern, wölbt waren, Reminiszenzen in Josef Stoitzners Werk sich ein hoher pastellblauer Himmel über dieser hinterlassen. stillen Weltenlandschaft, durchzogen von duftigen Wolkenbahnen, die im milden Licht eines späten

Josef Stoitzner Zeitlebens reiste Josef Stoitzner gerne. Beson- Tages von zarten Gelbtönen durchtränkt sind. ders die Jahre während und nach dem Ersten „Vorfrühling im Voralpenland“ ist ein großes frühes Weltkrieg gelten als Josef Stoitzners „fruchtbarste Meisterwerk voller Atmosphäre und Raffinesse der Schaffenszeit“1, in der er in zahlreichen Streifzü- Komposition, in dem Josef Stoitzner bereits sein gen Motive aus dem Wiener Umland bis hin zu lebenslanges „Generalthema“ – die österreichi- den sanften, idyllischen Hügellandschaften des sche Landschaft im Wechselspiel der Jahreszei- niederösterreichisch-steirischen Wechselgebiets ten – auf überzeugende Weise anklingen lässt. verewigte. In diesem Kontext ist auch nebenste- Gerade in unserem Zeitalter, das geprägt ist von hendes exemplarisches Panorama „Vorfrühling im zunehmender Zersiedelung, Verschmutzung und Voralpenland“, etwa um 1920, entstanden. Erin- Industrialisierung der Landschaft, mögen zeitlos nerungen an Ausflüge in Kindheitstagen werden schöne Gemälde wie nebenstehendes auch dazu wach, Wanderungen fernab von Straßen und Ver- anregen, über Perspektiven einer nachhaltigen kehr über unberührte Felder, ein ruhender Blick auf und lebenswerten Zukunft für spätere Generatio- die stille Weite des Horizontes, um sich abschlie- nen nachzudenken. ßend mit einem Glas warmer Milch am Bauernhof zu stärken.

JOSEF STOITZNER (Wien 1884 - 1951 Bramberg) 12 Vorfrühling im Voralpenland Ferdinand Hodler, Kiental mit Blümlisalp, 1902/03, Kunstmuseum St. Gallen um 1920 Öl auf Leinwand 65,5 x 100 cm Signiert links unten: Josef Stoitzner Das Bild wird unter der Nummer WVJS 1.5.81. in das Werkverzeichnis von Jakob Wirz (Enkel des Künstlers) aufgenommen.

Provenienz: Privatsammlung Österreich Literatur: Vgl.: Erich Marx, Peter Laub (Hg.), Josef Stoitzner 1884–1951, Ausstellungskatalog Salzburg Museum, Salzburg 2010, S. 40 f. u. Abb. S. 170; Marianne Hussl-Hörmann, Josef Stoitzner. Immer wieder Landschaften, in: Parnass, Heft 3, Wien 2006, S. 62 ff.

1) Erich Marx, Peter Laub (Hg.), Josef Stoitzner. 1884-1951. Ausstellungskatalog, Salzburg Museum, Salzburg 2010, S. 41

ARTUR NIKODEM 13 (Trient 1870 - 1940 Innsbruck) Blühende Bäume Motiv aus Innsbruck 1913 Öl auf Leinwand 20,8 x 20,8 cm Rückseitig vom Künstler bezeichnet: Provenienz: Privatbesitz Niederösterreich Literatur: Vgl.: Elio Krivdic, Günther Dankl (Hg.), Artur Nikodem. Weimarfarben auf Kreidegrund Pradel III/13 Maler und Fotograf der Moderne, Innsbruck 2017, Abb. S. 45 f., Echtheit bestätigt von Carl Kraus. S. 74 ff., 203, 215; Günther Dankl, Judith Simoni-Lang, Artur Nikodem (1870-1940). Fotoexpertise von Mag. Verena Gschnitzer-Konzert, „... Kunst ist Schaffen aus einer Seele“, Ausstellungskatalog, Innsbruck, vom 15. März 2018 liegt bei. Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum, Innsbruck 2000, Abb. S. 3 f. ARTUR NIKODEM 14 (Trient 1870 - 1940 Innsbruck) Schloss Sonnenburg mit Birken St. Lorenzen in Südtirol 1915 Öl auf Malkarton 35 x 37,5 cm Provenienz: Privatbesitz USA Signiert und datiert rechts unten: a. nikodem (19)15 Literatur: Vgl.: Elio Krivdic, Günther Dankl (Hg.), Artur Nikodem. Rückseitig Etikett mit Stempel Kunstsalon Unterberger, Maler und Fotograf der Moderne, Innsbruck 2017, Abb. S. 217; Günther Dankl, Judith Simoni-Lang, Artur Nikodem (1870-1940). Innsbruck, sowie Etikett mit Post- und Atelieradresse „... Kunst ist Schaffen aus einer Seele“, Ausstellungskatalog, des Künstlers in Innsbruck Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum, Innsbruck 2000 15 16

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OSKAR KOKOSCHKA 15-18 (Pöchlarn 1886 - 1980 Montreux) Wiener Werkstätte, Postkarten 1906-1908 Farblithografien Fröhliche Pfingsten WW Nr. 21 13,4 x 8,2 cm (Druckgröße) Mädchen am Fenster WW Nr. 152 13,4 x 8,7 cm (Druckgröße) Mädchen auf Wiese vor einem Dorf WW Nr. 157 12,8 x 7,9 cm (Druckgröße) EGON SCHIELE Musikanten WW Nr. 78 (Tulln 1890 - 1918 Wien) 19-20 13,4 x 8,7 cm (Druckgröße) Frauenbildnisse 1910 Wiener Werkstätte, Postkarten WW Nr. 289 und 290 Literatur: Traude Hansen, Die Postkarten der Wiener Werkstätte. Verzeichnis der Künstler und Katalog Farblithografien, je 14 x 9 cm ihrer Arbeiten, München-Paris 1982; Literatur: Traude Hansen, Die Postkarten der Wiener Hans M. Wingler, Friedrich Welz, Oskar Kokoschka. Werkstätte. Verzeichnis der Künstler und Katalog Das druckgraphische Werk, Salzburg 1975 ihrer Arbeiten, München-Paris 1982 Egon Schiele 1915 heiratete erEdithHarmsundwurde baldda- Tage imGefängnis verbringen. DieAnklagewurde

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Schulausbildung ab, um nach Wien an die Akade- zur Übersiedlung nach Neulengbach. 1912 wurde zwar fallen gelassen,derKünstler zog aber, getrof- Gegend landschaftlich faszinierte, so sehr stieß der oberen Bildhälftedargestellt –lediglich eine der stehendenGruppeleicht nach linksversetzt in der Kunsthistoriker ArthurRoesslerspieltenindie- der „Kunstschau 1909“ erstmaligöffentlich auszu- gruppe“ undlernteJosefHoffmannGustav des OnkelsLeopold Czihaczekbrach er1906 die sen frühenJahren einewichtige Rolle.ImMai1910 stellen. Private Förderer wieHeinrich Benesch oder selben Jahrwurde erMitbegründerder„Neukunst- Wally Neuzil,diefortan seinbevorzugtes Modell öffentliche Anerkennungwar endlich erreicht. Im rauf zumMilitärdienst eingezogen, mussteaber wieder undbildetesich autodidaktisch weiter. Im von ihnen,mitrosa Rock undblauerSchürze, steht wurde. Esbeganneineüberaus produktive Phase mutlich inKrumau. DerjungeKünstler hatdie nicht alsSoldatandieFront. 1917 erwarb dieÖs- wie denFamilien HauerundLederer abhängig. mie zugehen.Enttäuscht von derkonservativen nach Wien zurück. Wieder war er von Förderern mit Minderjährigenverhaftet undmusstemehrere und streng akademischen Ausbildung verließ der übersiedelte ernach Krumau, erzog dieländliche Egon Schiele ausdemJahr1910 entstandver- Das Werk „Bäuerinnen“desgerade 20-jährigen Herbst 1918 starbEgonSchiele kurznach seiner Idylle dem „schwarzen“ Wien Egon Schiele wurde 1890 inTulln geboren. Bereits Frau EdithanderSpanischen Grippe. Egon Schiele dortwegen angeblicher Unzucht Klimt kennen,deresdemKünstler ermöglichte, auf Krankheit undTod desVaters. GegendenWillen junge Künstler dieAkademienach nurdrei Jahren bemerkbar. DieJugendzeitwar überschattet von kopftuchtragenden Frauen ineinerengbeieinan- ihn diekleinbürgerliche Gesinnungabund führte im Schaffen des jungen Künstlers. So sehr ihn die terreichische GalerieArbeitendesKünstlers. Die früh machte sich seinhoheszeichnerisches Talent fen vom Unverständnis seinerKunst gegenüber, ) ) Jane Kallir, Egon Schiele. Drawings andWatercolours, NewYork, S.75. 2003, Schatten überWien.DieStadtistschwarz. Allesistschemenhaft.), hinterlistig. Frühere Kollegen betrachten mich mitlügendenAugen.Es hängtein Everything isformula.” (Wiehässlich isteshier, alle sind eifersüchtig und regard mewithlyingeyes. There isashadowover . The cityisblack. „How uglyisithere, everybody isjealousanddeceitful.Former colleagues The Complete Works, Expanded Edition,NewYork 1998, S.77 Egon Schiele anAntonPeschka JaneKallir, zitiertin: EgonSchiele. 1 vor. 1911 folgte ihm

Augen an und stützt Hände und Kinn versonnen Art malerischem Vakuum, zuverlieren. Auffällig istdergroße Leerraum, dermehralsein zeichnet dieFrauen mitentschiedenen Linien aus Objekt undHintergrund ziehenunddieFiguren die vorderste derFrauen vollständig zusehen; davon abhalten,sich imabstrakten Nichts, einem der komplettenBildfläche –überwundenundar- dessen „horror vacui“ –dasornamentaleFüllen erkennt man lediglich das schwarze Kopftuch, die orientierten, dekorativen PhasehatEgonSchiele schluss derGruppenach hintenhinbildet.Von ihr sind nur ihr Gesicht und das der Figur, die den Ab- auf dieSpitzeihres Stabes.Genauerausgearbeitet semägde handelnkönnte.Außerihristsonstnur anderen Frauen, einen langenStock in der Hand, schwarzen Umrisslinien,dieGrenzen zwischen satz zuseinerfrühen,noch starkanGustavKlimt schwarzer Kohle vor. Dieflächigen Partien inder öfters eingesetztePersonifizierung des Todes er- mitunter „dietoteStadt“–eineStadt,deren alte was dieVermutung zulässt,dassessich umGän- rechts im Hintergrund abseits der Gruppe und hat verdeckten Antlitz,was andievon EgonSchiele Mauern dieBeharrlichkeit desmenschlichen Le- Drittel derunteren Bildhälfteeinnimmt.ImGegen- Pinselstrichen ausgemalt–einfürdenKünstler so Flächen. ImGegensatzdazustehendiestraffen Kleidung der Frauen sind hingegen mit breiten bens imAngesicht desTodes beschwor. breitbeinig blickt diesedenBetrachter ausleeren innert. DerKünstler nannteseingeliebtesKrumau beitet nunundauch inZukunft starkmitleeren ihr Gesicht abgewandt. Siehält,ebensowiedie typischer Kontrast. faltige Stirn und eine weiße Augenhöhle im halb Österreichische Malerei undZeichnung von 1900. AusderSammlungLeopold, Klaus Albrecht Schröder, Harald EgonSchiele Szeemann (Hg.), undseineZeit. Vgl.: JaneKallir, EgonSchiele. Drawings andWatercolours, NewYork, 2003; Literatur: JaneKallir, EgonSchiele. The Complete Works, NewYork 1998, Monogrammiert unddatiertrechts S.(19)10 unten: Ausstellungskatalog, Kunstforum Länderbank, Wien1989 Gouache, Grafit und Kreide auf Packpapier (Tulln 1890 -1918 Wien) Provenienz: GalerieWürthle,Wien; 2 EGON SCHIELE Schiele Wkv.Nr. 726, Abb.S.430 Privatbesitz Kanada 43,7 x31,2 cm Bäuerinnen 21 1910

Gustav Klimt steht exemplarisch für eine faszinie- Sie war es auch, die ihn mit der Landschaft um rende Epoche, die bis heute nachklingt: die Mo- den Attersee vertraut machte, wo er mit wenigen derne. Der Künstler hat vor allem in Wien seine Ausnahmen seine Sommer verbrachte und be- Spuren hinterlassen und mit seinen Wegbeglei- eindruckende Landschaftsbilder schuf. Nach drei tern, Josef Hoffmann, Otto Wagner, Joseph Maria Jahrzehnten intensiver Arbeit, zahlreichen Trium- Olbrich, Richard Gerstl, Egon Schiele und Oskar phen, aber auch Anfeindungen, erlitt Gustav Klimt Kokoschka, den Aufbruch um 1900 maßgeblich einen Schlaganfall, an dessen Folgen er am 6. Fe- mitgeprägt. Das Wien an der Wende vom 19. zum bruar 1918, knapp 56-jährig, in Wien starb. 20. Jahrhundert war neben Paris, München oder London einer der Geburtsorte der Moderne, als (Akt-)Zeichnungen bilden den Grundstock von Reichs- und Residenzstadt der österreich-unga- Klimts künstlerischem Schaffen. Die vielfach im- rischen Monarchie ein geistiger Mittelpunkt Euro- mer wieder neu bearbeiteten Studien, meist Vor- pas. Bildende Kunst, Literatur, Musik, Architektur bereitung für seine allegorischen Gemälde, sind und Wissenschaft erlebten einen Höhepunkt, es großartiges Zeugnis seiner intensiven Denk- und entstand Neues und Wegweisendes und das in Arbeitsprozesse. In seiner so wichtigen Zeit des einer Dichte und Geschwindigkeit, die ihresglei- „Goldenen Stils“ entstand auch nebenstehen- chen sucht. Künstlerisch spiegelt das Werk von de virtuose Zeichnung in Zusammenhang mit Gustav Klimt diesen Weg von der „Ringstraßenzeit“ seinem Hauptwerk „Wasserschlangen II“. Die Gustav Klimt Gustav Klimt des Historismus bis in die Anfänge der Abstraktion Klimt-Expertin und Kuratorin an der Albertina, ganz einzigartig wider. Marian Bisanz-Prakken, schreibt zu diesem Werk: „… später inspirierte Klimt das Motiv der übereinan- Gustav Klimt wurde 1862 in Wien geboren und der gelagerten, an der Bildfläche vorbeiziehenden wuchs in eher ärmlichen Verhältnissen auf. Zwi- Wasserwesen seines Gemäldes „Wasserschlan- schen 1876 und 1883 studierte er an der Wiener gen II“ (1904-1907) zu einer umfangreichen zeich- Kunstgewerbeschule, wo er sich anfangs farblich nerischen Kreativität. In diesem Rahmen widme- und stilistisch an den Historismus Hans Makarts te er sich ausgiebig dem Thema der lesbischen anlehnte. In den 1890er Jahren entwickelte er un- Liebe, so auch in der hier gezeigten Studie für ter dem Einfluss der Symbolisten und Präraffaeli- die zweite Fassung des Gemäldes. Höchst subtil ten jenen Jugendstil, der ihn zu einer Leitfigur der gestaltet sich der Dialog zwischen den Konturen Moderne machte. Charakteristisch für den Stil der der beiden liegenden, aneinandergeschmiegten Moderne sollten die fließende Linie, die Verwen- Körper. Erotische und lyrische Akzente halten sich dung von Symbolbildern und der Dualismus von die Waage: Das zart angedeutete Geschlecht der Naturalismus und Stilisierung werden. 1897 trat vorderen, vom Rücken her gesehenen Frau findet Klimt zusammen mit zwanzig anderen Künstlern in den verträumt geschlossenen Augen ihrer fron- aus der „Künstlerhausgenossenschaft“ aus und tal dargestellten Partnerin ein raffiniertes Gegen- gründete die „Wiener Secession“, deren Präsident- gewicht1. schaft er übernahm. Mit der Jahrhundertwende „Liegende Freundinnen“ fällt in eine der wichtigs- werden die Themen Liebe, Tod, Geburt und Leben ten Werkphasen im Schaffen des Künstlers und ist bestimmend für seine Arbeit. Zunehmend malte auch als autonomes Kunstwerk ein beeindrucken- er vor allem repräsentative Frauenporträts für das des Zeugnis von Gustav Klimts zeichnerischen Wiener Großbürgertum, allegorische Kompositio- Genialität. nen und, während der Sommermonate auf dem Land, zahlreiche Landschaftsgemälde. In Emilie Flöge, die einen Modesalon betrieb, fand Gustav Klimt seine Lebensfreundin.

GUSTAV KLIMT (Wien 1862 - 1918 Wien) 22 Liegende Freundinnen Studie zum Gemälde „Wasserschlangen II“ 1907 Bleistift auf Papier 37,3 x 56,5 cm Nachlassstempel links unten (verblasst): GUSTAV KLIMT NACHLASS Gustav Klimt, Wasserschlangen II, 1904-07, Privatsammlung Provenienz: Sammlung Karlheinz Gabler, Frankfurt am Main; Sammlung Carol J. Ferranti, New York; Nachlass Carol J. Ferranti, New York Literatur: Alice Strobl, Gustav Klimt. Die Zeichnungen 1904-1912, Salzburg 1982, Vol. II, S. 94, Kat.Nr. 1487, und vgl. Abb. S. 86; Vgl. Marian Bisanz-Prakken, Gustav Klimt. Die Zeichnungen, Ausstellung, Albertina, Wien 2012, S. 174 ff.

1) Marian Bisanz-Prakken in: Gustav Klimt. Egon Schiele. Kolo Moser. Ausstellung zum 100. Todesjahr, Ausstellungskatalog, Galerie bei der Albertina-Zetter, Wien 2018, S. 2

Ludwig Heinrich Jungnickel gilt heute als einer Ludwig Heinrich Jungnickel ist einer der krea- der bedeutendsten österreichischen Maler, der tivsten Künstler im Wien des anbrechenden 20. vor allem mit seinen Tierbildern bis weit über die Jahrhunderts – und rasch wächst sein Bekannt- Grenzen hinaus große Anerkennung erlangen heitsgrad mit den frühen grafischen Blättern, den konnte. In seinen Ölbildern, Aquarellen und Gra- Postkarten, den Entwürfen von Tapeten und Stof- fiken gelingt es ihm immer wieder, verschiedene fen, seinen Wanddekorationen und Buchillustrati- Lebewesen in charakteristischen Posen und Aus- onen. So ist es kein Zufall, dass er neben Gustav druck festzuhalten und ihnen liebenswerte Indivi- Klimt mit der Gestaltung des berühmten von Josef dualität zu verleihen. Der Künstler wurde 1881 in Hoffmann erbauten Palais Stoclet in Brüssel be- Bayern als eines von fünf Kindern geboren und auftragt wird. Seine künstlerische Bandbreite ist in verließ mit nur 16 Jahren seine Familie, um über der Zeit nach 1900 beeindruckend. In wundervol- die Alpen nach Österreich zu wandern. Nach len Blättern – als Radierung, Lithografie, Farbholz- kurzen Studienaufenthalten in Rom und an der schnitt oder in der anspruchsvollen Schablonen- Akademie der bildenden Künste in Wien ließ er spritztechnik ausgeführt – schildert der Künstler sich in der Bundeshauptstadt nieder. Jungnickels Natureindrücke, ländliche Szenen, Sportler und Frühwerk, geprägt durch seine Freundschaft mit Tiere im Zoo. Jungnickel setzt letztere Technik als Gustav Klimt wurzelt im Wiener Jugendstil, was selbständiges Ausdrucksmittel ein und gelangt vor allem in seinem druckgrafischen Werk deutlich bereits am Beginn seiner künstlerischen Karrie- wird. Um 1909/1910 gelang ihm der internationa- re zu anspruchsvollen Ergebnissen. Bestimmend le Durchbruch. Seine Tierdarstellungen wurden wirken zum einen die strenge Stilisierung der mehrfach ausgezeichnet, in der Folge wurde er dargestellten Tiere, die auf ihre Umrisse und die 1911 als Professor an die Kunstgewerbeschule in Partien aus Licht und Schatten als monochrome Frankfurt am Main berufen. Während seine frühen Flächen reduziert werden, und zum anderen die Arbeiten noch dem Wiener Jugendstil verpflich- samtartige Oberfläche des Blattes, ein der Schab- tet waren, entwickelte der Künstler zusehends lonenspritztechnik inhärentes Merkmal. Einem Teil seinen eigenen unverwechselbaren expressiven dieser grafischen Meisterwerke, die in dieser Zeit Stil – verwandt mit dem von Oskar Kokoschka und in Wien entstanden sind, war erst kürzlich in der Egon Schiele, mit denen er in freundschaftlichem Schirn Kunsthalle Frankfurt und der Albertina in Kontakt stand. Wien eine faszinierende Ausstellung mit dem Titel „Kunst für alle“1 gewidmet. Die Jahre der Zwischenkriegszeit waren von häufi- Fortsetzung nächste Seite gen Studienreisen, auf den Balkan und nach Itali- en, geprägt, die sich in einer Reihe von eindrucks- vollen Landschaftsdarstellungen widerspiegelt. Ab 1924 war Ludwig Heinrich Jungnickel Mitglied des Wiener Künstlerhauses und seine Werke wurden auf internationalen Ausstellungen in Europa und in den USA präsentiert. Zahlreiche Ehrungen wurden

Ludwig Heinrich Jungnickel Ludwig Heinrich Jungnickel ihm zuteil, so 1930 der Österreichische Staatpreis für bildende Kunst oder 1937 der Große Öster- reichische Staatspreis. 1938 emigrierte Jungni- ckel durch die politischen Umstände veranlasst nach Jugoslawien, wo er sich bis 1952 in Opatija aufhielt. Er wurde 1942 in Abwesenheit wegen „staatsfeindlicher Betätigung“ angeklagt und mit Ausstellungsverbot belegt; sein Wiener Atelier be- schlagnahmte die Gestapo. Erst 1952 gelang es LUDWIG HEINRICH JUNGNICKEL dem Künstler nach Österreich zurückzukehren, wo (Wunsiedel 1881 - 1965 Wien) 23 er sich in Villach niederließ. Die Albertina Wien und Waldwiese das Joanneum Graz veranstalteten große Perso- 1905/1906 nalausstellungen, 1958 wurde ihm der Professo- Schablonenspritztechnik auf Papier rentitel verliehen. Der Künstler starb 1965 in Wien. 33 x 59,4 cm (Druckgröße) Signiert rechts unten: L. H. JUNGNICKEL

Provenienz: Privatsammlung Kärnten Literatur: Tobias G. Natter, Max Hollein, Klaus Albrecht Schröder (Hg.), Kunst für alle. Der Farbholzschnitt in Wien um 1900, Ausstellungskatalog, Schirn Kunsthalle Frankfurt, Albertina, Frankfurt-Wien 2016/2017, Abb. S. 342; Ilse Spielvogel-Bodo, Ludwig Heinrich Jungnickel. Ein Leben für die Kunst, Klagenfurt 2000, Abb. S. 101, Wkv.Nr. OG.11

1) Kunst für alle. Der Farbholzschnitt in Wien um 1900, Kunsthalle Schirn, Frankfurt, 6. Juli bis 3. Oktober 2016, Albertina Wien, 19. Oktober 2016 bis 15. Jänner 2017.

Die beiden hier gezeigten frühen Blätter von Ludwig nicht im leeren Raum zu schweben. Klar umrisse- Heinrich Jungnickel „Waldwiese“ und „Tigerpaar“ ne Formen und die Reduzierung der Zeichnung (beide um 1905/1906 entstanden), von denen auf ein Minimum bewirken in diesen Arbeiten eine Varianten ebenfalls in der erwähnten Ausstellung dekorative Steigerung, die zur Entfernung von der zu sehen waren, zählen zu den seltensten und Naturvorlage führt. „Mit einem unfehlbaren Gefühl herausragendsten Werken im druckgrafischen für Form und Bewegung hat Jungnickel die Tiere Oeuvre des Künstlers. Beide sind in der aufwen- in ihren charakteristischen Eigenschaften erfasst. digen Schablonenspritztechnik gearbeitet, die ihm Ihre Silhouetten – einmal drohend in blockhafter von seinem Lehrer an der Wiener Kunstgewerbe- Monumentalität, dann wieder markant und spitz- schule, Alfred Roller, nahegebracht wurde. Die ein- förmig – zeigen eine rhythmische Spannkraft“2. zelnen Farben werden hierbei durch ein Sieb und mittels einer Spritze auf das Blatt gesprüht; ent- In „Tigerpaar“ (Kat. Nr. 24) verzichtet Ludwig Heinrich sprechend der unterschiedlichen Formen mussten Jungnickel bewusst auf jegliche Hintergrundge- somit mehrere Schablonen für jeden Farbauftrag staltung und setzt die Tiere umso eindringlicher gefertigt werden, für komplexere Bildmotive be- und kraftvoll ins weiße Blatt. Die beiden Tiger sind nötigte der Künstler bis zu fünf unterschiedliche in Physiognomie und Haltung wunderbar beob- Schablonen. Farbton für Farbton wird nun überei- achtet und die ruhige Spannung der noch friedlich nander gelegt, und je nach Konsistenz der Farbe sonnenden, aber jederzeit zum Angriff bereiten und je nach Abstand der Spritze vom Papier wech- Raubkatzen wird in dieser Grafik eindrucksvoll ver- seln sehr zarte und feine Töne mit ruhig geschlos- mittelt. Trotz der stilisierten Flächigkeit suggerieren senen Farbsegmenten. Die so entstandene sam- die nur minimalen Größenunterschiede und die tig anmutende Oberfläche fällt bei jeder weiteren raffinierten Überschneidungen der beiden Prota- Verwendung der Schablonen etwas anders aus. gonisten dem Betrachter die Illusion eines räum- Aus diesem Grund ist keines der Blätter gleich lichen Eindrucks, ein Kunstgriff, der an die von beschaffen und jeder einzelne „Abzug“ als Unikat japanischen Holzschneidern perfektionierte Flä- anzusehen. chenperspektive, von der sich Jungnickel und sei- ne Zeitgenossen gerne inspirieren ließen, erinnert. Ein Meisterwerk sondergleichen ist die im Breit- Auch das starke Heranrücken der Motive an den format angelegte freundliche „Waldwiese“ (Kat. Nr. Betrachter und die forcierte Ausschnitthaftigkeit 23), auch „Obstgarten“ tituliert. Eine wahre Fülle sind wichtige, vom fernöstlichen Farbholzschnitt wildwachsender duftiger Blumen belebt die untere übernommene Gestaltungsmittel jener Zeit3. Hälfte der Darstellung. Mit ihrer zarten Verspielt- heit bilden die Wiesenblumen zu den markanten Im offiziellen Nachruf des Wiener Künstlerhauses Stämmen der alten knorrigen Bäume einen über- wird Ludwig Heinrich Jungnickel zu Recht „als aus reizvollen Kontrast. In frühen Schablonen- einer der größten europäischen Künstler des 20. spritztechniken wie dieser gelingt es dem jungen Jahrhunderts, dessen Lebenswerk als wesentli- Künstler auf packende Weise, das Lichterspiel ei- cher Bestandteil der Geschichte der österreichi- ner besonnten, üppigen Naturszenerie wiederzu- schen Malerei und Graphik angehört“4 bezeichnet.

Ludwig Heinrich Jungnickel Ludwig Heinrich Jungnickel geben. Trotz der flächig-dekorativen Behandlung gewisser Partien, ist eine eindrucksvolle Tiefenwir- kung nicht zu leugnen.

Bald wendet sich Ludwig Heinrich Jungnickel dem damals sehr beliebten Tiermotiv zu und es entsteht, wieder in Spritzschablonentechnik, inspi- riert durch die Vielfalt der Schönbrunner Tierwelt, eine großartige Serie von zehn Motiven, die zum LUDWIG HEINRICH JUNGNICKEL Besten zählen, was auf dem Gebiet je geschaf- (Wunsiedel 1881 - 1965 Wien) 24 fen wurde. Häufig verzichtet der Künstler hier auf Tigerpaar jeglichen Hintergrund und setzt die Tierfiguren um 1905/1906 auf das Weiß des Blattes, dennoch scheinen sie Schablonenspritztechnik auf Papier 36,5 x 36 cm Signiert rechts unten: L. H. JUNGNICKEL

Provenienz: Privatbesitz Deutschland Literatur: Tobias G. Natter, Max Hollein, Klaus Albrecht Schröder (Hg.), Kunst für alle. Der Farbholzschnitt in Wien um 1900, Ausstellungskatalog, Schirn Kunsthalle Frankfurt, Albertina, Frankfurt-Wien 2016/2017, Abb. S. 340 f. Ilse Spielvogel-Bodo, Ludwig Heinrich Jungnickel. Ein Leben für die Kunst, Klagenfurt 2000, Abb. S. 103, Wkv.Nr. OG.3, Abb. S. 321

2) Marian Bisanz Prakken in Ilse Spielvogel-Bodo: L. H. Jungnickel – Ein Leben für die Kunst, Klagenfurt 2000, S. 102 3) Die VI. Ausstellung der Wiener Secession im Jänner und Februar 1900 ist der Kunst aus dem „Land der aufgehenden Sonne“ gewidmet. Künstler wie Gustav Klimt sammeln japanische Holzschnitte, der Secessionist Emil Orlik erlernt die Kunst in Japan selbst und gibt sein Wissen in Kursen in Wien weiter. 4) Walther Maria Neuwirth, Akademischer Maler Professor Ludwig Heinrich Jungnickel gestorben, Pressedienst des Wiener Künstlerhauses Nr. 5, 16. Februar 1965

Der deutsche Künstler Alfred Hermann Helber- der Kunstgeschichtsschreibung mit einprägsamen ger wurde 1871 in Eberstadt bei Heilbronn in Ba- Stilbegriffen identifiziert wurden, das Schaffen den-Württemberg geboren. 1889 bis 1890 war zahlreicher junger Künstler geprägt. So wurden er Schüler am berühmten Städelschen Institut in einem interessierten Publikum etwa der brillante Frankfurt am Main und wechselte anschließend Secessionismus eines Leo Putz, lichtflimmernde an die Kunstakademie in Karlsruhe, wo er beim impressionistische Landschaften und Städtebilder Landschaftsmaler Gustav Schönleber von 1890 von Max Liebermann und schließlich die expressi- bis 1896 studierte. Zwischen 1892 und 1898 un- onistischen Farb- und Formrevolutionen der Künst- ternahm der Künstler mehrere längere Studienrei- ler des „Blauen Reiter“ und der „Brücke“ innerhalb sen nach Norwegen, dessen Landschaft und Licht eines Jahrzehnts in zahlreichen Ausstellungen vor ihn zeitlebens faszinieren sollten. Ab 1896 war Augen geführt. Alfred Helberger als freischaffender Künstler und Grafiker in Frankfurt am Main tätig, 1900 erfolgte Auch unser faszinierendes, frühes, 1914 entstande- der Umzug und die Eröffnung seines Ateliers in nes Stillleben mit Blumen und Früchten von Alfred Berlin. Anlässlich einer nach Paris, ins Zentrum des Helberger ist klar in diesem Spannungsfeld der europäischen Kunstschaffens, unternommenen fauvistischen Kunst und der frühen Expressionis- Reise im Jahr 1905 wurde er stark vom französi- ten zu verorten. Auf einer zinnoberroten, ornamen- schen Impressionismus wie auch nachhaltig von tierten Tischdecke arrangiert der den Arbeiten des Künstlers beein- Künstler ein klassisches Stillleben flusst. Spätere Werke im ersten Jahrzehnt des 20. mit prachtvollen gelben Rosen in Jahrhunderts zeigen auch seine Auseinanderset- einer eleganten hohen Glasvase, zung mit dem Werk Ferdinand Hodlers sowie dem einem Körbchen mit einem Strauß Kunstschaffen der „Fauvisten“, die in Frankreich Mohnblumen sowie Weintrauben Alfred Helberger Alfred Helberger durch Künstler wie Henri Matisse, André Derain und Apfel. Eine gelbe Teetasse oder Maurice Vlaminck zu Weltruhm gelangten. bildet einen kompositorischen und Der im Berliner Kunstleben zunehmend erfolgrei- koloristischen Kontrapunkt zu die- che und als Porträtist der Gesellschaft, wie auch als ser vibrierenden Farbenpracht, die Cuno Amiet (1868-1961), Landschafts- und Blumenmaler höchst geschätzte vor dem dunkelblau schimmernden Hintergrund Blumen und Äpfel, 1909, Künstler war regelmäßig in Ausstellungen wie den umso wirksamer und plastischer inszeniert ist. In Privatbesitz Münchner Jahresausstellungen im Königlichen seinem klaren und dynamisch komponierten Duk- Glaspalast oder mehrfach auch in den Großen Ber- tus, seiner intensiv leuchtenden Farbigkeit und liner Kunstausstellungen mit Werken vertreten. Auf den kraftvoll konturierten Formen spiegelt es eine dem Höhepunkt seiner Karriere gehörte er zu den Modernität wider, die an zeitgleiche Stillleben He- wichtigsten Malern Berlins. 1933, nach der Macht- lene Funkes denken lässt oder an den berühm- übernahme durch die Nationalsozialisten begann ten Schweizer Maler Cuno Amiet erinnert, der als sich die persönliche Lage des Künstlers, der mit Mitglied der Künstlervereinigung „Brücke“ um 1910 einer Jüdin verheiratet war, zu verschlimmern – es mehrfach in Berlin, Dresden, Leipzig, München und erfolgte sein Ausschluss aus dem „Verein Berliner Frankfurt ausstellte. Künstler“ sowie 1937 die Beschlagnahmung sei- ner Arbeiten bei der berüchtigten Aktion „Entartete „Mit wuchtiger Hand tastet er die immanenten Li- Kunst“. Auch wurde er von den Machthabern mit nien … ab, verstärkt sie bis ins Ornamentale und einem Malverbot belegt, ein Schicksal, das er mit trägt mit breitem Pinsel ungebrochene Farben von zahlreichen Kollegen wie etwa auch Ernst Ludwig intensivster Leuchtkraft auf. Oft scheint es, als woll- Kirchner, Karl Schmitt-Rottluff, Emil Nolde oder Max te die Wucht der Linie und die üppige Macht der Beckmann teilte. Alfred Helberger nahm sich nach Farbe den Rahmen sprengen….“1 ist bereits 1918 der Ermordung seiner Frau kurz nach der Befreiung in der renommierten Zeitschrift „Deutsche Kunst Deutschlands 1946 das Leben. und Dekoration“ über die malerische Qualität und die besondere Ausdruckskraft der Gemälde Alfred Vor allem Frankreich, Österreich und Deutschland Helbergers zu lesen. waren bis zum Ausbruch des Ersten Weltkrieges so etwas wie kulturelle Laboratorien der Moderne – es entstand durch einige große und heute berühm- te, wie auch durch zahlreiche kleinere, oft in Ver- ALFRED HELBERGER gessenheit geratene Protagonisten ein unglaublich (Eberstadt 1871 - 1946 Berlin) 25 vielfältiges, schillerndes Panorama der Wissen- Stillleben mit gelben Rosen schaft, Literatur, Musik, Architektur und bildenden 1914 Kunst am Vorabend der großen Katastrophe. Auch Öl auf Leinwand in Deutschland hat dieses anregende und oft auch 89 x 69 cm verwirrende Mit- und Nebeneinander unterschied- Signiert und datiert links unten: A. Helberger (19)14 Monogrammiert rechts unten: AH lichster malerischer Strömungen, die später von Provenienz: Privatbesitz Wien; Privatbesitz Schweden Literatur: Vgl.: Richard Freienfels, Der Maler Alfred Helberger, in: Deutsche Kunst und Dekoration Bd. 43, Darmstadt 1918, S. 231-233; 1) Richard Müller-Freienfels, Maler Alfred Helberger, in: Deutsche Kunst Deutsche Künstler im Exil 1933-1945: Werke aus und Dekoration, Bd. 43, S. 231-233 der Sammlung Memoria Thomas B. Schumann, Fürth 2016

Alfons Walde gilt heute, neben Albin Egger-Lienz, Senke unterhalb des Kitzbüheler Horns gelegen. als der wichtigste, wenn nicht genialste Tiroler Lediglich die Dächer einiger Hütten mit ihren di- Maler des 20. Jahrhunderts1. Unbestreitbar große cken Schneehauben und geometrischen ultra- Zeitgenossen und Künstlerkollegen wie Max von marinblauen Schatten durchbrechen in sanftem Esterle, Artur Nikodem, Herbert Gurschner oder Rhythmus die massive, samtig-weiche Schneede- Wilhelm Nikolaus Prachensky hinterließen ein un- cke, die die Kitzbüheler Berge in dichtem Winter- gemein vielfältiges Oeuvre von oft musealer Qua- kleid umhüllt. lität, aber nur die Bildschöpfungen Alfons Waldes Über der stillen Alm zieht sich der Hang in ho- mit ihrer unverwechselbaren Ikonografie der Tiroler rizontaler Staffelung weit in die Höhe, und jen- Landschaft und der haptischen Maltechnik schei- seits der Baumgrenze ist es nur die Tektonik des nen fest im kollektiven Gedächtnis von Sammlern Gebirges, die markant strukturierte Schatten der und kunstinteressierten Laien verankert zu sein. Mulden und Grate in den Schnee projiziert. Die Nicht zuletzt auch das „serielle“ Arbeiten – ähnlich funkelnde Pracht, die die alpine Landschaft dicht gewissen Werkzyklen eines Claude Monet oder verhüllt, ist mit greifbarer Plastizität modelliert: mit Albin Egger-Lienz – mit den feinen kompositori- leichtem und schwungvollem Pinselduktus gemalt, schen und farblichen Variationen und Nachschär- verbinden sich glitzernde, sonnenbeschienene fungen einmal gefundener Bildlösungen sowie Kuppen aus samtigem Neuschnee, helle, eisige deren Reproduktionen im eigenen Kunstverlag Harschflächen und perlmutt- Alfons Walde Alfons Walde haben maßgeblich zur internationalen Popularität grau schimmernde Firnfelder Alfons Waldes beigetragen. Auch durch die Ver- mit blitzblauen Schattenwürfen wendung früher Schwarz-Weiß-Fotografien „…als zu einem majestätischen alpi- Skizze und Vorstudie für seine Bilder“2 war Alfons nen Panorama der Kitzbüheler Walde ein Pionier im Tiroler Kunstschaffen. „Es ist Berge. Hier und dort blitzt raffi- ein fotografischer Blick, den Walde auf sein Um- niert der ockerfarbige Malgrund feld richtet“3 und besonders in den Landschafts- durch die pastosen Schichten aufnahmen waren die großen Formen und Licht- und trägt durch ein fein zise- werte minutiös zu studieren. Nicht zuletzt dadurch liertes Netz gelblicher Silhouetten maßgeblich zur Fotografie von Alfons Walde, Steinbergkogel, erscheinen seine Gemälde häufig wie spontane maximalen Plastizität des Motives bei. Der cha- 1930er Jahre Momentaufnahmen und suggerieren so etwas rakteristisch hoch am Bildrand angesetzte ruhige wie ein kurzfristiges Innehalten der Welt. Winterhimmel spannt sich in kontrastreichem Tür- kisblau über den Gipfeln und rundet diese Post- Neben Bildschöpfungen wie dem „Auracher kartenidylle eindrucksvoll ab. Kirchl“, dem „Aufstieg der Schifahrer“ oder dem In dieser großartigen Fassung der „Almen im „Bauernsonntag“ zählt auch das Panorama der Schnee“ hat der weltberühmte Maler den win- „Almen im Schnee“ zu diesen ikonischen und ge- terlichen Zauber und die unberührte, makellose suchten „Juwelen“ des Künstlers. Die Trattalmen, Schönheit seiner Tiroler Berge in zeitloser Eleganz „…erdrückt von der Schwere des Schnees, sind verewigt. Eine nur wenige Jahre zuvor entstande- wahrhaftig existente, auch heute noch abseits der ne Variante der Trattalmen war 1926 in der Weih- glattgewalzten Skipisten auffindbare stille Bege- nachtsausstellung des Wiener Künstlerhauses zu benheiten dieser Natur. sehen und zählt heute zu den Schätzen des Kitz- büheler Alfons Walde Museums. „Die Landschaft wird nun als Naturer- eignis in ihrer ganzen Spannweite, in der elementaren, von der technisier- ten Hand des Menschen unberührten Mächtigkeit emporgehoben.“ 4 ALFONS WALDE (Oberndorf 1891 - 1958 Kitzbühel) 26 Hoch über den Gipfeln, wo nur das Pfeifen des Almen im Schnee Windes und der Bergdohlen vernehmbar ist, über- Die Trattalm am Kitzbüheler Horn blickt der Betrachter vogelperspektivisch die gera- 1932 dezu archaischen, tiefverschneiten Almen in einer Öl auf Malkarton 35,7 x 30 cm Signiert rechts unten: A. Walde Rückseitig betitelt und datiert auf originalem Künstleretikett: „Almen im Schnee“ Trattalm am Kitzbüheler Horn 1932 Kitzbühel in Tirol Echtheit bestätigt von Univ.-Prof. Dr. Gert Ammann in einem Brief vom 19. Dezember 2003. Die Arbeit ist im Alfons Walde Archiv unter der Werkverzeichnisnummer D-LA-555 registriert.

Provenienz: Privatbesitz Tirol (direkt vom Künstler erworben) 1) Zur Biografie Alfons Waldes siehe Kat. Nr. 28. Literatur: Vgl.: Alfons Walde, Ausstellungskatalog, Leopold Museum, Wien 2006, S. 85; 2) Günther Moschig, Die Rolle der Fotografie im malerischen Werk Gert Ammann, Alfons Walde. 1891-1958, Innsbruck 2001, S. 89; von Alfons Walde, in: Gert Ammann, Alfons Walde, Innsbruck 2001, S. 153 Gert Ammann, Alfons Walde. 1891-1958, Innsbruck-Wien 1987, S. 204; 3) ebd. S. 153 Kunst des 20. Jahrhunderts. Bestandskatalog der Österreichischen 4) ebd. S. 83 Galerie Belvedere in Wien, Band 4, Wien 2000, S. 205 ff.

Nach dem Ersten Weltkrieg hatte sich Alfons Walde, Grußworte werden ausgetauscht, zumindest las- trotz seiner Freundschaften und Vernetzungen in sen das die leicht geöffneten Münder der Protago- der Kunstszene gegen die österreichische Kunst- nisten und das im Vorbeigehen zur Seite gerich- metropole und für seine Heimatstadt Kitzbühel tete Gesicht der Bäuerin vermuten. Auch der als entschieden, wo er sich schließlich auch dauerhaft Rückenfigur dargestellte dritte Bauer wendet sich niederließ. Wien blieb dennoch im Fokus seines in einer entsprechend manierierten Drehbewe- Wirkungsinteresses: er beteiligte sich erfolgreich gung der Passantin zu. Dem Thema der sonntäg- an zahlreichen Ausstellungen der Wiener Secessi- lichen Begegnung entsprechend legt Walde hier on sowie des Künstlerhauses und fand im Laufe der den Akzent der Genreszene auf das interaktive zwanziger Jahre bedeutende überregionale Reso- Moment und das Augenblickhafte der Situation; nanz. Im Wien der Vorkriegsjahre, im Spannungs- alle Akteure sind in der klaren fest gefügten Kom- feld secessionistischer und der frühen expres- position dynamisch miteinander verschränkt. Der sionistischen Künstlerkreise, hatte Alfons Walde quadratische Ausschnitt ist eng gewählt und der vor allem bei Gustav Klimt und Egon Schiele we- Bildraum mit Vorder- und Hintergrund nur sum- sentliche Impulse für die Entwicklung seiner per- marisch notiert – kulissenartig sind Fenster und sönlichen Handschrift erhalten. Diese formalen Hausmauern angedeutet –, während die marki- Anregungen, die er von der Wiener Avantgarde gen Tiroler Kerle wohl tonangebend die Bildfläche empfing, verband er schließlich mit seinem cha- dominieren. Spannungsreich heben sich ihre Sil- Alfons Walde Alfons Walde rakteristischen Motivbereich, der sich ganz der houetten in dunkler Tracht mit tiefblauem Schurz Milieuwelt der aufstrebenden Kleinstadt Kitzbühel vom hellen schneebedeckten Boden und der verschrieb und das Großstädtische als Thema völ- weißen Hintergrundkulisse ab. Alfons Waldes Farb- lig ausblendete. und Formenkanon erreicht in dieser Komposition So entstand neben seinen unverwechselbaren größte expressive Ausdruckskraft durch äußerste Schilderungen der Tiroler Landschaft ein zweiter, Reduktion der Mittel – er setzt auf wenige pointier- zentraler Werkblock seines Schaffens. Bereits vor te Farben, starke Hell-Dunkel-Kontraste, stilisierte dem Ersten Weltkrieg inszenierte Alfons Walde in Formen und einen dynamischen, pastosen Pinsel- farbstarker Ölmalerei kleinformatige figurale Bil- duktus. Und dennoch lässt es sich der Künstler derserien, in denen er etwa die Anfänge des Win- nicht nehmen, auch in diesem Format, das wenig tersports – mit Motiven wie dem „Gasslrennen“, Raum für die Naturbetrachtung lässt, am Boden, dem „Skilanglauf“ oder einem „Skikurs“ – mit gro- wenn auch nur angedeutet, sein geliebtes weißes ßer Lebendigkeit festhielt. Auch die noch intensiv Element des Winters, den Schnee, zu verewigen. gelebten ländlichen und bäuerlichen Traditionen – In seiner geradezu archaischen Intensität und for- bunte Jahrmärkte in Kitzbühel, „Frauen in Tracht“, malen, entfernt an Egon Schiele und Albin Egger- „Tratschen“ am Dorfplatz oder sonntägliche „Kirch- Lienz erinnernden Ausdruckskraft, ist das vorlie- gänge“ – zählen schon früh zu seinen bevorzug- gende Gemälde eine bemerkenswerte Variante ten Sujets, die später, ab den 1920er Jahren, oft in des Bildthemas „Sonntag“. Weitere Fassungen Auseinandersetzung mit dem Werk Albin Egger- dieser für Alfons Walde so wichtigen Motivwelt Lienz‘ gerne in eine flächig-monumentale Bild- befinden sich im Leopold Museum und in der sprache transformiert werden. Sammlung der Österreichischen Nationalbank.

Nicht der Arbeitsrealität der Tiroler Bauern gilt in nebenstehendem Gemälde Alfons Waldes Inter- esse, sondern der Sonn- und Feiertagsstimmung im dörflichen Ambiente. Das repräsentative Ge- mälde „Sonntag“, das in der ersten Hälfte der 1920er Jahre ausgeführt wurde, evoziert mit großer Lebendigkeit und Dynamik eine charakteristische ALFONS WALDE Momentaufnahme aus dem bäuerlichen Feier- (Oberndorf 1891 - 1958 Kitzbühel) 27 tagsleben: auf dem Dorfplatz hat eine schnellen Sonntag Schrittes vorbei eilende Bäuerin in Festtagstracht um 1920 mit markanter roter Schürze die Aufmerksamkeit Öl auf Karton von drei Bauern erregt. 29,6 x 27,5 cm Monogrammiert links unten: AW Rückeitig originales Klebeetikett des Künstlers Expertise von Univ.-Prof. Dr. Gert Ammann vom 13. August 2017 liegt bei. Die Arbeit ist im Alfons Walde Archiv unter der Werkverzeichnisnummer D-FI-235 registriert.

Provenienz: Galerie Würthle; Privatsammlung Wien Literatur: Vgl.: Alfons Walde, Ausstellungskatalog, Leopold Museum, Wien 2006, S. 100 ff.; Gert Ammann, Alfons Walde. 1891-1958, Innsbruck-Wien 1987, S. 210; Österreichische Malerei der Zwischenkriegszeit. Die Sammlung der Österreichischen Nationalbank, Sammlungskatalog, Wien 2005, S. 126; Kunst des 20. Jahrhunderts. Bestandskatalog der Österreichischen Galerie Belvedere in Wien, Band 4, Wien 2000, S. 205 ff.

Vielleicht ist es kein Zufall, dass Alfons Walde das Ein strahlend blauer Himmel, mächtige, skulptural Thema des „Einsamen Berghofes“ und der „Ein- geformte Felsmassive, das warme Braun des alten samen Hausung“ in jenen Jahren zu einer seiner Holzes und ein von Sonne und Schatten getränk- klassischen Ikonografien ausformte, als er 1929 tes Weiß des alles bedeckenden wie verlockenden sein Berghaus am Hahnenkamm fertigstellte. In Schnees; mehr benötigt Alfons Walde nicht, um in diesem Adlerhorst am Hahnenkamm hoch über diesem, als eines der Hauptwerke der 1930er Jah- Kitzbühel kultivierte er fortan sein Künstlerleben, re titulierten Gemäldes3, den Inbegriff einer stillen fand Ruhe und Konzentration zum Malen, feier- Winterpracht in den Tiroler Bergen zu evozieren. te rauschende Feste und hatte sein Refugium. In der Bildmitte thront auf einer Kuppe majestä- Gut möglich, dass ihm diese Atmosphäre einer tisch der ausladende, jahrhundertealte Bauernhof alpinen Isolation Anregung und Inspiration für mit seinen verwitterten Holzfassaden im plasti- neuartige Bildwelten bot. Die nun entstehenden schen Licht einer klaren Wintersonne; weiter un- Kompositionen der einsamen, hoch über den ten schmiegt sich rautenförmig ein Heustadel an Tälern gelegenen Höfe inmitten der Bergwelt, im den abfallenden Hang. Der Vordergrund ist durch Wechselspiel der Jahreszeiten, entweder unter die reizvolle Staffagefigur einer Mutter mit ihrem perlmuttartig schimmernden Schneedecken oder Kind am Arm neben einem Stapel Baumstämme unter wärmender, strahlend blauer Sommersonne lebensnah akzentuiert; und natürlich dürfen auch vor den Kitzbüheler Alpen oder dem Wilden Kaiser hier die pointierten, leuchtend Türkis und Rot ge- Alfons Walde Alfons Walde gesehen, zählen schon bald zu den Leitmotiven setzten Farbakzente nicht fehlen. Im Hintergrund im Werk des Künstlers der 1930er Jahre. ragt theatralisch ein von schroffen Felsstücken durchbrochener und mit sanften Schneefeldern „Alfons Walde konnte angesichts dieser modulierter Bergrücken hoch an den Horizont, Natur keine anderen Landschaftsbil- über dem ein wolkenloses Firmament diese atem- der gestalten, die Natur war bereits beraubend schöne Landschaftskulisse abschließt. gebaut, war Architektur“1 Der impulsive Pinselgestus und die kantigen For- men von Gebäuden wie Menschen widersetzen In diesen Jahren begann Alfons Walde zuneh- sich gezielt der Illusion süßer Idylle und symbo- mend Menschen in all ihrem bunten Facetten- lisieren vielmehr eine stolze und selbstbewusste reichtum – Schifahrer, Tourengeher, Bauern und Naturverbundenheit, die über dem Wandel der Knechte, weibliche Akte im Schnee oder dörfliche Zeit ihre Gültigkeit bewahrt. Kirchgänger – in immer ausgereifteren, lebensna- hen Kompositionen stolz und manchmal heroisch Aufgrund der monumentalen Darstellung, der zu inszenieren. „Dieser nun neu gefundene Erleb- prachtvollen Farbigkeit und der bis zum äußers- nisbereich wurde in andere Bildmotive übertragen: ten forcierten Plastizität wurde dieses – auch viele die Einsamen Berghöfe, oft in der Aperung des Jahre im Innsbrucker Landesmusem Ferdinande- März gemalt mit einem intensivenwarm-gelb- um ausgestellte – Hauptwerk im Ouevre Alfons lichen Frühlingslicht überstrahlt, zählen zu den Waldes in der Monografie des Künstlers repräsen- einfühlsamsten Werken dieser Phase. Hier wurde tativ abgebildet. die ungebrochene Naturbindung, vor allem in der Behandlung des Lichts, spürbar…..“2 notiert Gert Ammann, Walde-Monograf und einer der besten Kenner seines Werks, über das Oeuvre dieser Jahre.

ALFONS WALDE (Oberndorf 1891 - 1958 Kitzbühel) 28 Einsamer Berghof 1934 Öl auf Malkarton 33,5 x 52,7 cm Signiert rechts unten: A. Walde Rückseitig datiert und betitelt auf originalem Künstleretikett: „Einsamer Berghof“ 1934 Rückseitig ehemalige Inventarnummer des Tiroler Landesmuseums Ferdinandeum Expertise von Univ.-Prof. Dr. Gert Ammann vom 5. Februar 2011 liegt bei.

Provenienz: Privatsammlung Tirol Literatur: Gert Ammann, Alfons Walde. 1891-1958, Innsbruck 2001, mit Abb. S. 115 u. vgl. S. 305; Vgl.: Alfons Walde, Ausstellungskatalog, Leopold Museum, Wien 2006, S. 113; Österreichische Malerei der Zwischenkriegszeit. Die Sammlung der Österreichischen Nationalbank, Sammlungskatalog, Wien 2005, S. 131; 1 ) Alfons Walde. 1899-1958, Ausstellungskatalog Tiroler Kunst des 20. Jahrhunderts. Bestandskatalog der Österreichischen

Landesmuseum Ferdinandeum, Innsbruck 1976, S. 13 Galerie Belvedere in Wien, Band 4, Wien 2000, S. 205 ff. 2) Gert Ammann, Alfons Walde, Innsbruck-Wien 1987, S. 99 3) Vgl. Echtheitsgutachten von Univ.-Prof. Dr. Gert Ammann Ausgestellt: Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum als Leihgabe vom 5. Februar 2011. aus Tiroler Privatbesitz, Innsbruck 1987-1997

Alfons Walde studierte ab 1910 an der Techni- Ein mächtiger eingeschossiger Hof dominiert schen Hochschule in Wien Architektur, allerdings frontal den Vordergrund unseres Bildes, freund- mit einem Schwerpunkt in zeichnerisch-kreativen lich strahlt der weiß gekalkte Steinsockel mit dem Fächern. 1911 fand in Innsbruck die erste und darüber gesetzten ockerfarbenen Holzbau un- bereits sehr erfolgreiche Ausstellung mit Werken ter der milden Frühlingssonne. Grün gestrichene des jungen Alfons Walde statt, für die stilistisch Fensterläden und Giebel bilden leuchtende hin- Giovanni Segantini und der spätimpressionisti- getupfte Farbakzente am alten Gebäude, die mit sche Maler Max von Esterle Pate standen. Gus- der bunten Tracht der beiden kantigen bäuerlichen tav Klimt und Egon Schiele, die ihm auch freund- Staffagefiguren im Vordergrund harmonisch kor- schaftlich verbunden waren, erwiesen sich für die respondieren. Ein weiteres, vom rechten Bildrand weitere künstlerische Entwicklung des jungen überschnittenes Gehöft scheint bereits nahe am Künstlers als prägend. Egon Schiele beispielswei- Abhang gebaut, hinter dem sich die monumenta- se bestärkte ihn auch darin, sich weiterhin mit der le Kulisse der Kitzbüheler Berge auftürmt. Formal intimen Welt seines ursprünglichen Lebensberei- und koloristisch inszeniert Alfons Walde mit der ches zu befassen. In den zwanziger Jahren pro- zerklüfteten alpinen Tektonik einen spannenden fitierte er vom heiteren Milieu des aufstrebenden Gegensatz zu dem bäuerlichen Lebensraum des Wintersportortes Kitzbühel in künstlerischer als Vordergrundes, der dieser Region in jahrhunder- auch persönlicher Hinsicht. Ab 1924 gestaltete er telanger Arbeit abgerungen wurde, sowie den Alfons Walde Alfons Walde Plakate für die Tiroler Fremdenverkehrswerbung noch unberührten und menschenleeren Gipfeln im und Postkartenserien mit den für sein gesamtes Hintergrund. In verblüffender mosaikartiger Redu- Oeuvre charakteristischen Schneebildern aus Ti- zierung wechseln hier erhabene, weiß glitzernde rol. Ausstellungen wie unter anderem die „Bien- Schneefelder mit blau changierenden Schatten nale Romana“ 1925 trugen neben der ständigen und fast schwarz nuancierten Baumgruppen, die Präsenz im Wiener Künstlerhaus zu seiner über- durch die pastose Pinselhandschrift in sich weiter regionalen Bekanntheit bei. In der zweiten Hälfte rhythmisiert sind, sodass bei näherer Betrachtung der 1920er Jahre entwickelte seine Malerei Ana- ein subtil differenziertes Bergpanorama vor dem logien zur Neuen Sachlichkeit: mittels einfacher, Auge des Betrachters ersteht. Ein hellblauer pastel- präzise formulierter Kompositionen und in einer liger Himmel ruht über dem Tiroler Unterland, das klaren Farbigkeit hielt er die Natur in markanter hier von seiner freundlichsten Seite gezeigt wird. Formensprache fest. Nach dem Zweiten Weltkrieg, während dessen er sich auch aus Ablehnung In den von wirtschaftlichen Turbulenzen, politi- der vorherrschenden politischen Meinung in sein schen Kämpfen und unzähligen persönlichen Berghaus am Hahnenkamm zurückgezogen hatte, Tragödien geprägten Zwischenkriegsjahren, hat war Alfons Walde vor allem mit architektonischen Alfons Walde in seinen Bildern wie dem „Berghof“ Entwürfen befasst. 1956 wurde ihm als späte of- eine unbeschwerte ländliche Gegenwelt mit fried- fizielle Anerkennung der Professorentitel verliehen. vollen Lebensräumen, stillen Naturschönheiten Alfons Walde gilt heute neben Albin Egger-Lienz und der Utopie des Einklangs von Mensch und als der „Tiroler Maler“ schlechthin. Seinen unver- Natur geschaffen. Er hat sich damit wie kaum ein wechselbaren, leuchtenden Schneelandschaften anderer österreichischer Künstler unvergesslich in wurden weit über die Grenzen Österreichs hinaus die Wahrnehmung einer breiten Öffentlichkeit ein- Anerkennung und Wertschätzung zuteil. geschrieben.

Während sein Frühwerk ab der Wiener Zeit vor allem durch Gustav Klimts secessionistische und Egon Schieles expressive Einflüsse gekennzeichnet ist, entwickelt Alfons Walde in den ALFONS WALDE 1920er Jahren sein unverwechselbares, (Oberndorf 1891 - 1958 Kitzbühel) 29 auf ein einfaches Repertoire markan- Berghof ter Formen reduziertes Naturbild, das, um 1930 ohne direkte Vorläufer, einzigartig Öl auf Malkarton seine Tiroler Heimat reflektiert. 28 x 38,5 cm Signiert rechts unten: A. Walde Rückseitig originales Künstleretikett Expertise von Peter Konzert vom 5. Juni 2018 liegt bei.

Provenienz: Privatsammlung Tirol Literatur: Vgl.: Alfons Walde, Ausstellungskatalog, Leopold Museum, Wien 2006; Gert Ammann, Alfons Walde. 1891-1958, Innsbruck 2001; Kunst des 20. Jahrhunderts. Bestandskatalog der Österreichischen Galerie Belvedere in Wien, Band 4, Wien 2000, S. 206 ff.

Neben seinen berühmten und international er- Sees Abkühlung sucht. Die pure, unberührte Natur folgreichen Landschafts- und Genredarstellungen ist der grandiose Rahmen für dieses intime, ja pa- schuf Alfons Walde auf unzähligen motivischen radiesische Badevergnügen: üppige Sommerwie- Streifzügen durch seine Kitzbüheler Heimat ein sen in zahlreichen Grünschattierungen, gekonnt in äußerst reizvolles und persönlich gefärbtes Oeu- die Bildtiefe rhythmisiert durch Gruppen dunkler vre an meist kleinformatigen Gouache- und Tem- Nadelbäume, grenzen direkt an das leicht wellige, peraarbeiten. Diese unbeschwerten, spontan und indigoblaue Wasser des Schwarzsees. Natürlich frei von jeglichen Zwängen einer Verkaufsökono- fehlt auch hier nicht der Farbfleck einer knallroten mie zu Papier gebrachten Kabinettstücke erzählen Kopfbedeckung, geradezu ein „Markenzeichen“ stimmungsvoll und mit intensiv erlebter Unmittel- des Künstlers, als leuchtender Kontrapunkt zum barkeit von einsamen alten Berghöfen, verstreut sonst komplementären Kolorit. In der sanften auf Wiesen im milchigen Morgenlicht, von stillen Kräuselung des Wassers spiegelt sich, von hel- Almen, die durch letzte Schneefelder in der mil- len Lichtreflexen bewegt, das monumentale, teils den Frühlingssonne gesprenkelt sind, oder von noch schneebedeckte Bergmassiv des Wilden unberührten Bergtälern im flammenden Kolorit der Kaisers, dessen schroffe Tektonik trotz der Ferne letzten Abendsonne, die entfernt an die Aquarel- verblüffend plastisch und detailliert herausgear- le Emil Noldes denken lassen. Und immer wieder beitet ist. auch verschiedene Ansichten vom pittoresken „Badende am Schwarzsee bei Kitzbühel “ ist eine Alfons Walde Alfons Walde Schwarzsee, einem kleinen Moorsee zwischen hervorragend modulierte, leuchtende Darstellung, Kitzbühel und Reith gelegen, der mit dem am Ho- in der Alfons Walde sehr persönlich von Lebenslust rizont aufragenden Massiv des Wilden Kaisers das und sommerlichen Badefreuden der „Goldenen geradezu idealtypische Motiv einer Tiroler Postkar- Zwanzigerjahre“ auf dem Land erzählt. Gemälde tenlandschaft suggeriert. wie dieses sind aufgrund ihrer ausgezeichneten impressionistischen malerischen Qualität, und Schon Waldes enger Freund, der ihres suggestiven erotischen Zaubers mittlerwei- bekannte Bildhauer Gustinus Ambrosi, le gesuchte Raritäten und am Kunstmarkt kaum hatte dem Künstler zu Beginn der mehr zu finden. 1920er Jahre geraten, diese delikat- erotischen Bilder und Studien aufgrund ihrer Qualität und Modernität doch in Paris auszustellen.

So ist auch nebenstehendes Gemälde „Badende am Schwarzsee bei Kitzbühel“ ein besonders schö- nes und repräsentatives Beispiel für Alfons Waldes Aktkunst, die er nur mit seinen engsten Freunden teilte1. Besonders reizvoll wie auch selten ist hier die gelungene Kombination mit der grandiosen Kulisse der sommerlichen Tiroler Landschaft, die dieses Gemälde „en miniature“ zu einem Kleinod im Schaffen des Künstlers macht. Wir sehen zwei hübsche junge Frauen – vielleicht Sommergäste aus dem nahen Kitzbühel – die eine unbekleidet sich am Ufer in den Sonnenstrahlen räkelnd, wäh- rend ihre Freundin im wellenbewegten Nass des

ALFONS WALDE (Oberndorf 1891 - 1958 Kitzbühel) 30 Badende am Schwarzsee bei Kitzbühel Blick auf den Wilden Kaiser um 1930 Tempera auf Papier 8,7 x 12,8 cm (Passepartout-Ausschnitt) Rückseitig Nachlassstempel Die Arbeit ist im Alfons Walde Archiv unter der Werkverzeichnisnummer D-LA-532 registriert.

Provenienz: Privatbesitz Österreich Literatur: Vgl.: Alfons Walde, Ausstellungskatalog, Leopold Museum, Wien 2006; Gert Ammann, Alfons Walde. 1891-1958, Innsbruck 2001, Abb. S. 67, S. 264; Kunst des 20. Jahrhunderts. Bestandskatalog der Österreichischen Galerie Belvedere in Wien, Band 4, Wien 2000, S. 205 ff.

1) Sein enger Freund, der Bildhauer Gustinus Ambrosi „hatte Walde immer wieder bestärkt, „französische Akte“ zu malen, er versorgte ihn von Paris aus mit Zeitschriften, Broschüren und Fotos. In der Folge entstanden … Akte mit weich modellierten Körpern, eingespannt in Naturstimmungen, vor allem am Schwarzsee“. (Gert Ammann, Alfons Walde, Innsbruck 2001, S. 60

ALFONS WALDE 31 (Oberndorf 1891 - 1958 Kitzbühel) Oberndorf mit dem Wilden Kaiser 1919 Gouache auf Papier auf Karton 20,5 x 28,5 cm Signiert und datiert rechts unten: A. Walde 1919 Die Arbeit ist im Alfons Walde Archiv registriert.

Provenienz: Privatbesitz Österreich Literatur: Vgl.: Alfons Walde, Ausstellungskatalog, Leopold Museum, Wien 2006; Gert Ammann, Alfons Walde. 1891-1958, Innsbruck 2001; Kunst des 20. Jahrhunderts. Bestandskatalog der Österreichischen Galerie Belvedere in Wien, Band 4, Wien 2001, S. 205-209 ALFONS WALDE 32 (Oberndorf 1891 - 1958 Kitzbühel) Frühling in Tirol um 1925 Tempera und Aquarell auf Papier 15,1 x 22,4 cm Rückseitig Nachlassstempel und Bestätigung der Tochter des Künstlers Guta E. Berger, geb. Walde Die Arbeit ist im Alfons Walde Archiv unter der Werkverzeichnisnummer D-LA-539 registriert.

Provenienz: Privatsammlung Wien; Privatsammlung Steiermark Literatur: Vgl.: Alfons Walde, Ausstellungskatalog, Leopold Museum, Wien 2006; Gert Ammann, Alfons Walde. 1891-1958, Innsbruck 2001; Kunst des 20. Jahrhunderts. Bestandskatalog der Österreichischen Galerie Belvedere in Wien, Band 4, Wien 2001, S. 205-209 Carl Moll wurde 1861 in Wien in eine gutbürgerli- Von der Terrasse aus hatte Carl Moll einen freien che Familie geboren. Als schwächliches Kind, er Blick auf die Landschaft des Wienerwaldes über litt unter Anämie, war ihm der Schulbesuch nur den Nussberg Richtung Kahlen- und Leopolds- eingeschränkt möglich: „Lernen durfte ich nicht, berg, auf Grinzing und auf die Pfarrkirche St. Mi- beschäftigen sollte ich mich, also gab man mir chael in Heiligenstadt. Diese idyllische Aussicht Bleistift und Wasserfarben zum Spielen. Der ers- mit dem spannenden Gegensatz des vertikalen te Zufall, der meinen Lebensweg beeinflusste“1. neugotischen Kirchturms und den im Hintergrund Nach nur kurzem Studium an der Akademie der horizontal rhythmisierten Weingärten am Rande bildenden Künste wurde ihm in einer Ausstellung Wiens – damals als Metropole der Donaumonar- des Künstlerhauses 1881 ein Gemälde von Emil chie eine der größten Städte der Welt – inspirierte Jakob Schindler zum „Schlüsselerlebnis“, und den Künstler zu einer eindrucksvollen Serie von schon im Herbst dieses Jahres nahm der Meister Gemälden. Unverkennbar ist in der Bildgestaltung

Carl Moll Carl Moll Carl Moll als Privatschüler auf. Er zählt in seiner – die wie zufällig „inszenierte Frühzeit somit zum Kreis der stimmungsimpres- Ausschnitthaftigkeit, die licht- sionistischen „Schule von Plankenberg“, zu dem getränkte Atmosphäre und der auch Theodor Hörmann, Marie Egner und Olga spontan-fließende Pinselduktus Wisinger-Florian gehörten. 1895 heiratete er die – die Malerei des französischen Witwe des 1892 verstorbenen Emil Jakob Schind- Impressionismus präsent, zu ler, die aus Hamburg stammende Schauspielerin deren Rezeption in Wien gerade und Sängerin Anna Sofie Bergen. Somit wurde die Carl Moll maßgeblich beigetra- leibliche Tochter Schindlers, die später berühmte gen hat“2. Mit ganz unmittelba- Alma Mahler-Werfel, Stieftochter von Carl Moll. Seit rem Einstieg in die Komposition 1894 Mitglied des Wiener Künstlerhauses, war er blickt der Betrachter an einem 1897 neben Gustav Klimt, Josef Hoffmann, Kolo Herbsttag über bereits kahle Baumkronen auf die Claude Monet, Vetheuil, 1902, National Museum of Moser und anderen einer der Mitbegründer der herrschaftlichen Fassaden und die schwingende Western Art, Tokyo Wiener Secession. Hier – wie auch später in der Dachlandschaft um die Heiligenstädter Kirche Galerie Miethke – organisierte Carl Moll zahlreiche bis zu den bläulichen Hügelketten des Horizonts, bedeutende und wegweisende Ausstellungen ös- die in einem nebeligen Sfumato mit dem milchi- terreichischer und internationaler Kunst. In diesen gen Himmel verschwimmen. Mit rasch und virtu- so wichtigen Jahren der anbrechenden Wiener os skizzierter Pinselhandschrift hat Carl Moll hier Moderne schuf er Interieur- und Vorstadtansichten, einmal mehr einen kurzen Augenblick herbstli- die heute zu den „Ikonen“ der österreichischen chen Zaubers in seinem klassischen Fensterblick Malerei jener Zeit zählen. Als künstlerischer Lei- stimmungsvoll und zugleich in dokumentarischer ter der wichtigen Galerie Miethke unterstützte er Direktheit festgehalten. Gemälde wie „Blick auf die Gruppe um Gustav Klimt und zeigte zahlrei- St. Michael in Heiligenstadt“ sind auch als Doku- che Ausstellungen – auch internationaler – zeitge- mente des Wiener Secessionismus am Kunstmarkt nössischer Kunst. Auf Betreiben Carl Molls wurde gesuchte Raritäten, dessen Gegenstücke sich heu- 1903 auch die Moderne Galerie im Unteren Belve- te in renommierten Sammlungen wie der Galerie dere gegründet. Intensive Reisetätigkeit und seine Belvedere, dem Wien Museum, der Österreichi- eigene Malerei rückten in den Jahren nach 1912 schen Nationalbank oder der Sammlung Essl be- zunehmend in den Vordergrund. 1931 erhielt der finden. Künstler anlässlich seines 70. Geburtstages eine vielbeachtete Ausstellung in der Wiener Secessi- on. Zahlreiche Gemälde Carl Molls, die zum Bes- ten der österreichischen Kunst des 20. Jahrhun- derts gehören, befinden sich heute in wichtigen österreichischen und internationalen Museen. CARL MOLL Der „Star-Architekt“ der Wiener Jahrhundertwen- (Wien 1861 - 1945 Wien) de, Josef Hoffmann errichtete eine erste Villa der 33 Blick auf St. Michael in Heiligenstadt ursprünglich als Künstlerkolonie geplanten Hohe- 1919 Warte-Siedlung im 19. Bezirk als Doppelhaus für Öl auf Holz Carl Moll und Koloman Moser. Im August 1901 34,3 x 35,1 cm konnte das – heute stark veränderte – Haus in Monogrammiert rechts unten: CM der Steinfeldgasse 6-8 bezogen werden. Der Rückseitig bezeichnet: Fensterausblick von Alma Wohnbereich lag im Erdgeschoß, während eine Das Bild wurde von Cornelia Cabuk für das Werkverzeichnis Treppe zum Ateliergeschoß unter dem Dach führte. Carl Moll in der Reihe der Belvedere Werkverzeichnisse dokumentiert.

Provenienz: Privatbesitz Wien Literatur: Vgl. Tobias G. Natter, Gerbert Frodl, Carl Moll, 1) Carl Moll, Mein Leben, S. 20, zitiert nach: Tobias G. Natter, Gerbert Frodl, Ausstellungskatalog, Österreichische Galerie Belvedere, Carl Moll, Ausstellungskatalog, Österreichische Galerie Belvedere, Wien 1998, Wien 1998, vergleiche Farbtafel 36, 37 und 38, S. 25 Österreichische Malerei der Zwischenkriegszeit. Die Sammlung der 2) „Entwicklung des Impressionismus in Malerei und Plastik“, XVI. Ausstellung Österreichischen Nationalbank, Sammlungskatalog. Wien 2005, S. 42; der Secession 1903, die Carl Moll aufgrund seiner politischen und Kunst des 19. Jahrhunderts. Bestandskatalog der Österreichsichen künstlerischen Kontakte zu Frankreich maßgeblich mitorganisiert hat. Galerie Belvedere in Wien, Band 3, Wien 1998, S. 92 ff;

Die Jahre um 1930 führen Carl Moll wiederholt In nebenstehendem Gemälde, das als repräsen- an den Mittelmeerraum, wo er gemeinsam mit tatives Werk dieser fruchtbaren Monate in der gro- seiner Frau Anna – oft bei Freunden – die Win- ßen Monografie von Hans Dichand abgebildet ist3, ter- beziehungsweise Frühjahrsmonate verbrachte. braucht der Künstler nicht viel, um auch dem heu- Bevorzugte Destinationen sind in diesen Jahren tigen Betrachter eine stimmungsvolle Impression natürlich Venedig mit der Casa Mahler, die ligu- aus dem Alltag Algiers zu evozieren. In kraftvoller rische Riviera mit dem pittoresken Hafenstädt- Malerei, in der breite Pinselzüge mit gespachtel- chen Rapallo und weiters die Provence und die tem Farbauftrag ein reizvolles Wechselspiel bilden, südfranzösische Côte d´Azur um Sanary-sur-Mer, blicken wir auf die langgezogene Straße eines Beaulieu und Nizza. Hier entsteht unter dem Ein- weitläufigen, ruhigen Vorortes. Die säumende druck der südlichen Sonne ein neues Oeuvre, in hohe Mauer aus Steinsockel und Holzplanken mit breiter, innovativer Maltechnik hingeworfene, licht- den dahinter hochaufragenden schattenspende-

Carl Moll Carl Moll und farbdurchtränkte Gemälde von Olivenhainen, nen Eukalyptusbäumen lassen einen kühlen und durch deren verzweigtes Geäst die Sonne funkelt, duftenden Parkgarten vermuten. Das ziegelfarbige schattenspendende parkähnliche Gartenanlagen, Tondach einer kleinen Behausung nimmt subtil die elegante blumengesäumte Boulevards der mon- erdige Farbe der Straße auf und kontrastiert schön dänen Küstenstädte oder schlichte Meeresszenen mit dem rötlichen Grau der plastischen borkigen mit bewegter, gischtschäumender Brandung. Mit Stämme, dem flächig formalisierten Grün des blau breitem Pinsel und Spachtel, ohne Zuhilfenahme silhouettierten Blätterdaches und den violett chan- von vorbereitenden Skizzen oder Studien werden gierenden Bruchsteinen entlang der Straße. Eine in großer Schnelligkeit Linien, Flächenformen, Far- gemächlich des Weges gehende Staffagefigur mit ben und Hell-Dunkel komponiert. „Er malt das hellem Kaftan belebt die Szenerie, über der ein bizarre, knorrige Geäst der Olivenbäume bald in diesiger, leicht bewölkter Himmel einen milden Ritztechnik, bald in pastos aufgetragenen Spach- Frühlingstag über der Hauptstadt Algeriens ver- telflächen, er malt in flüchtig hingewischten Pin- spricht. selstrichen im Hintergrund eines Bildes eine Stadt, „Unsere Freunde führen uns durch die moderne das ruhige Wasser einer Bucht in dem sich die französische Stadt bergauf in das Europäische Vier- sinkende Sonne in zartem rosa Licht spiegelt, oder tel, in dem alte maurische Paläste und französische leicht schäumende Meereswellen.“1 Villen in üppigen Gärten – Palmen, Eukalyptus, Zy- pressen, alle Gattungen Fruchtbäume - Orangen 1930 – Carl Moll wird in diesem bewegten Jahr vorherrschend – versteckt liegen …“4 wird sich die wegweisende Publikation über Emil Jakob Carl Moll später lebhaft in seiner Autobiografie an Schindler herausbringen und beim jüngeren Maler Motive wie nebenstehende kraftvoll und souverän Robin Christian Andersen Ratschläge zur „Verbes- gemalte „Straße in Algier“ erinnern. serung“ seiner Malerei suchen – reist der Künstler „Moll fühlt das Licht, die Farbe, die Nuance in den von Jänner bis April auf Einladung seines Freun- Fingerspitzen, die den Pinsel führen, und so ent- des und Malerkollegen Graf Spork nach Algier, wo steht in seinen Bildern ein Schweben und Leuch- eine Reihe hervorragender Gemälde entsteht. Die ten des Lichts von unwiderstehlicher Kraft und Euphorie des Künstlers in der Begegnung mit der unausschöpfbarem Reichtum.“5 ihm fremden nordafrikanischen Kultur und dem plastisch konturierenden Licht manifestiert sich in einer Reihe faszinierender Arbeiten, die er von seinen künstlerischen Streifzügen um die algeri- sche Hauptstadt mitbrachte. Sonnenverbranntes Hinterland und grüne Gärten mit spitzen hochste- CARL MOLL henden Agaven, kubische weißgekalkte Häuser (Wien 1861 - 1945 Wien) 34 in pittoresken Buchten mit blau glitzerndem Meer Straße in Algier oder trubelige vielfigurige Straßenszenen aus dem 1930 Zentrum Algiers sind faszinierende Zeugnisse der Öl auf Leinwand Begegnung Carl Molls mit Nordafrika. 65 x 50 cm Monogrammiert rechts unten: CM „Das Leben in Algier gestaltet sich in Rückseitig bezeichnet auf originalem Etikett jeder Beziehung köstlich. Eine erfri- des Wiener Künstlerhauses: Algér m. Staffage schende, ozonreiche Luft mit Champag- Rückseitig Ausstellungsetiketten und Zollstempel nerwirkung, eine üppige Vegetation, der Das Bild wurde von Cornelia Cabuk für das Werkverzeichnis Duft blühender Orangenbäume, alles Carl Moll in der Reihe der Belvedere berauscht.“2 Werkverzeichnisse dokumentiert.

Provenienz: Sammlung Alma Mahler-Werfel; Kunstsalon Mag. Peter Kovacek; Privatbesitz Klagenfurt 1) Hans Dichand, Astrid Gmeiner (Hg.) Carl Moll. Seine Freunde. Literatur: Hans Dichand, Astrid Gmeiner (Hg.), Carl Moll. Sein Leben. Sein Werk, Salzburg 1985. S. 71 Seine Freunde. Sein Leben. Sein Werk, Salzburg 1985, S. 72, Abb. 91; 2) ebd., S. 29 Vgl.: Tobias Natter, Gerbert Frodl (Hg.), Carl Moll (1861 - 1945), Ausstellungskatalog, 3) ebd., Abb. S. 72 Österreichische Galerie Belvedere, Wien 1998, Abb. 64, 65; 4) Zitiert nach: Dr. Cornelia Cabuk, Mail vom 4.7.2018 Kunst des 19. Jahrhunderts. Bestandskatalog der Österreichischen 5) Monika Fritz, Der Wiener Maler Carl Moll (1861-1945), Dissertation Galerie Belvedere in Wien, Band 3, Wien 1998, S. 92 ff. an der Leopold-Franzens-Universität Innsbruck, Innsbruck 1962, S. 98 Ausgestellt: CXVII. Ausstellung, Secession, Wien 1931

Emil Nolde, einer der wichtigsten deutschen Ex- wie ausdrucksstarker, leuchtender Farben. Sie alle pressionisten, wurde 1867 als Hans Emil Hansen haben die Sehgewohnheiten der Menschen nach- in Nolde in Schleswig-Holstein geboren. 1884 haltig verändert und bis heute geprägt. Zu Recht bis 1888 erhielt er an der Kunstgewerbeschule wird gerade Emil Nolde in der jüngst vergangenen in Flensburg eine Ausbildung zum Zeichner und Ausstellung im Wiener Belvedere als „Farbmagier“ Schnitzer; 1892 trat er als Zeichenlehrer ins Ge- bezeichnet2. werbemuseum St. Gallen ein und unterrichtete bis 1897/1898. Erste Erfolge mit als Postkarten „Es war herrlich, wenn um uns in meilen- gedruckten kleinen Zeichnungen der Schweizer weiter Sicht alles nur Wasser war, wenn Berge bestärkten ihn in dem Entschluss, Maler der hohe Himmel sich spiegelte …“ 3 zu werden. Nach einer Ablehnung an der Münch- ner Akademie absolvierte er die private Malschu- Von Kindheit an war Emil Nolde, als Sohn eines le Adolf Hölzels in Dachau und 1899 die Pariser Bauern, intensiv mit Landleben und Natur verbun- Académie Julian. Ab 1903 war im Sommer die den – dieses innige Verhältnis hat ihn tief geprägt Insel Alsen der Hauptwohnsitz von Emil Nolde und auch sein künstlerisches Schaffen nachhaltig

Emil Nolde und seiner Frau Ada, im Winter arbeitete er meist beeinflusst. Gerade den stillen und weiten, biswei- in Berlin. In den Jahren 1906/1907 war er Teil der len monumentalen und bedrohlichen Charakter Künstlervereinigung „Brücke“, ab 1909 Mitglied der seiner heimatlichen norddeutschen Landschaft hat Berliner Secession, später der Neuen Secession. er zeitlebens in Werken von entfesselter Farbge- Den Ersten Weltkrieg verbrachte der Künstler vor- walt in allen nur erdenklichen Stimmungen festge- wiegend in Dänemark. 1926 erwarben er und Ada halten. Mit reintonigen, leuchtenden Kaskaden von eine leerstehende Warft1, die sie Seebüll nannten Violett, Blau und Grün malt Emil Nolde in nebenste- und errichteten dort ein Wohn- und Atelierhaus mit hendem außergewöhnlichen Aquarell seine Vision einem prachtvollen Garten. Obwohl sich Emil Nol- der nordfriesischen Marschlandschaft, dem Got- de selbst als urdeutschen Künstler betrachtete und teskoog-Gebiet nahe Seebüll, seinem Wohnsitz. er, wie durch die neuesten Forschungen belegt, Der Blick des Betrachters schweift über den Rut- der NSDAP doch näher stand als bisher angenom- tebüller See auf das gegenüberliegende idyllische men, wurden seine Bilder 1937 in der Ausstellung Fischerdorf Rosenkranz, dessen Häuser er „gereiht „Entartete Kunst“ gezeigt, zahlreiche seiner Werke wie Perlen einer Gebetsschnur“4 am Horizont auf- wurden beschlagnahmt und zerstört. 1944 wurde scheinen lässt. Um diese horizontale komposito- die Berliner Wohnung und sein Atelier durch Bom- rische Bildmitte setzt Emil Nolde das leuchtende ben zerstört. Erst nach 1945 wurde der Maler mit Wolkenspiel des Himmels beinahe spiegelbildlich zahlreichen Auszeichnungen und Ehrungen be- zu dessen Reflexionen auf der Wasseroberfläche dacht. Emil Nolde starb 1956 in Seebüll. Posthum des Sees. Die weiche, gelblich-violett oszillieren- wurden seine Arbeiten noch auf der documenta II de Atmosphäre eines späten Nachmittags mit und III in Kassel gezeigt. dem kraftvollen Tiefenzug träge schwebender in- digoblauer Wolken lässt in fantastischem Klang Wie nur wenigen Meistern der Malerei – etwa Al- der Farben Erde, Wasser und Himmel miteinan- brecht Dürer, Joseph Mallord William Turner oder der verschmelzen und evoziert ein Panorama von Rudolf von Alt – gelang es auch Emil Nolde mit fast unwirklicher, übernatürlicher Schönheit. Die seinen farbdurchtränkten Aquarellen eine uner- herausragende Qualität dieses Meisteraquarelles reichbare Wegmarke in der Kunstgeschichte des blieb auch dem Essener Industriellen und Kunst- 20. Jahrhunderts zu etablieren. Und ungeachtet sammler Ernst Henke nicht verborgen, der diese der ambivalenten politischen und gesellschaftli- Arbeit schon 1936 von Emil Nolde erwarb. chen Verstrickungen des Menschen Emil Nolde in den Zeitläufen der 1930er Jahre schuf der Künstler mit seinen lichtdurchfluteten Farbkaskaden feinsin- EMIL NOLDE nige Kunstwerke von zeitloser Gültigkeit. Obwohl (Nolde 1867 - 1956 Seebüll) 35 er zurecht als einer der großen Einzelgänger des Nachmittag am Wasser 20. Jahrhunderts gilt, ist er mit seinem künstleri- um 1930/1935 schen Wollen nicht allein: viele Zeitgenossen, ge- Aquarell auf Japanpapier rade die Künstler der „Brücke“ in Berlin oder des 32,8 x 44 cm „Blauen Reiters“ in München streben ebenso nach Signiert rechts unten: Nolde. archaischem, unverfälschtem seelischen Ausdruck Fotoexpertise von Prof. Manfred Reuther, Risum-Lindholm, in der Kunst durch Reduktion und Vereinfachung vom 6. November 2017 liegt bei. Die Arbeit ist in seinem Archiv unter „Nolde A - 60/2017“ registriert. der Motive, Unterordnung der Perspektive zuguns- ten einer mehr zweidimensionalen Flächigkeit so- Provenienz: Sammlung Ernst Henke, Essen (vom Künstler erworben); Privatsammlung Rheinland Literatur: Vgl.: Emil Nolde. Aquarelle in Essener Privatbesitz, Ausstellungskatalog, Museum Folkwang, Essen 1966/1967, Kat. Nr. 27; 1) Ein künstlich aus Erde aufgeschütteter Siedlungshügel, der dem Agnes Husslein-Arco, Stephan Koja (Hg.), Emil Nolde. In Glut und Farbe, Schutz bei Sturmfluten dient. Ausstellungkatalog, Unteres Belvedere, Wien 2013/2014, Abb. S. 210 ff.; 2) Agnes Husslein-Arco, Stephan Koja (Hg.), Emil Nolde. Manfred Reuther (Hg.), Emil Nolde, Seebüll-Köln 2010, S. 171 ff. In Glut und Farbe, Ausstellungskatalog, Unteres Belvedere, Bernhard Fulda, Christian Ring, Aya Soika, Nationalgalerie Berlin, Nolde Stiftung Seebüll (Hg.) Wien 2013/2014, S. 13 Emil Nolde. Eine deutsche Legende. Der Künstler im Nationalsozialismus, 3) Aus einem Brief von Emil Nolde. Martin Urban (Hg.), Emil Nolde, Ausstellungskatalog, Hamburger Bahnhof – Museum für Gegenwart – Berlin, München 2019 Mein Leben, Köln 1976, S. 321 4) Emil Nolde, Jahre der Kämpfe. 1902-1914, Flensburg 1958, S. 112 Ausgestellt: Museum Folkwang, Essen 1966/1967 © Nolde Stiftung, Seebül MAX PECHSTEIN 36 (Zwickau 1881 - 1955 Berlin) Prost Neujahr 1931 Aquarell und Tuschfeder auf Karton 28 x 21,7 cm Signiert, datiert und bezeichnet rechts unten: HMPechstein Prost Neujahr 1931 Provenienz: Privatbesitz England Die Arbeit ist in der Max Pechstein- Literatur: Vgl.: Aya Soika, Peter Thurmann (Hg.), Max Pechstein: Ein Expressionist aus Leidenschaft. Retrospektive, München 2010; Urheberrechtsgemeinschaft dokumentiert. Magdalena M. Moeller, Max Pechstein: Pionier der Moderne, Eine Expertise von Alexander Pechstein liegt bei. München 2015

Bei allen Neujahrsgrüßen, die Max Pechstein 1931 an Freunde geschickt hat, ist der damals vierjährige zweite Sohn des Künstlers, Max-Konrad, genannt Mäki abgebildet. HERBERT GURSCHNER 37 (Innsbruck 1901 - 1975 London) Winter in Tirol um 1930 Tempera auf Papier Provenienz: Privatbesitz Südtirol 22,5 x 22 cm Literatur: Vgl.: Roland und Claudia Widder (Hg.), Herbert Gurschner. Signiert links unten: H. Gurschner - TIROL Ein Tiroler in London, Innsbruck-Wien 2000, S. 54 f. u. S. 67

1894 wurde Josef Floch in Wien geboren. Ab 1913 Vermutlich nach dort angefertigten Zeichnungen besuchte er die Akademie der bildenden Künste, entstehen noch im selben Jahr mehrere Versionen wo er anfangs von Rudolf Bacher, später von Franz des Monte Pellegrino in Palermo.1 Rumpler unterrichtet wurde. Obwohl Floch in Wien schon in früher Zeit sehr erfolgreich war, wurde Der Künstler hat als Standpunkt das südliche sein Wunsch, die Heimat zu verlassen, mit den Ende der Hafenanlagen von Palermo gewählt, von Jahren nach dem Ersten Weltkrieg immer größer. dem aus man einen guten Blick auf den bis auf 1918 reiste er nach München, wo er zum ersten sechshundert Meter ansteigenden Monte Pellegri- Mal mit Bildern von Paul Cézanne, Vincent van no, den „Pilgerberg“, hat. Die Verehrung für die Gogh und Hans Marées in Kontakt kam – eine Er- Landschaftsmalerei Paul Cézannes, die den frü- fahrung, die für sein weiteres Schaffen nicht unbe- hen Werken Flochs noch deutlicher anzumerken deutend war. Auch wenn Josef Floch die große so- ist – wir denken vergleichsweise an Cézannes ziale und künstlerische Anerkennung im eigenen berühmte Serie der Bilder des Montagne Saint- Land zu schätzen wusste, entschloss er sich 1925 Victoire – ist hier ergänzt durch ein verstärktes zur Übersiedlung nach Frankreich. Es folgten meh- Interesse am geometrischen Bildaufbau der Ku-

Josef Floch Josef Floch rere erfolgreiche Ausstellungen in der berühmten bisten: „Die größere seelische Intensität des Ex- Galerie Berthe Weill sowie 1931 in der Crillon Gal- pressionismus und die bewusstere Formklarheit lery in Philadelphia. Mit Beginn des Zweiten Welt- des Kubismus gehen in ihr (Flochs Malerei) eine kriegs änderte sich für den Künstler die gesamte neue Verbindung ein.“2 Geometrische Elemente Lebenssituation. In Österreich verfolgt und zum bestimmen den Bildaufbau, zu nennen sind hier Verlassen seiner Wahlheimat Frankreich gezwun- die Treppenanlage ganz links im Bild, die Kuben gen, emigrierte er mit seiner Familie nach New der Häuser am Fuße des Berges oder der in Zick- York, wo er nun eine völlig neue Existenz aufbau- Zack-Linien den steilen Hang hinaufführende en musste. Auch wenn es anfangs schwierig war Weg. Durch die Schräge der Hafenmauer entsteht Fuß zu fassen, dokumentierten die zahlreichen ein Tiefenzug, der aber malerisch nicht durch eine Auszeichnungen, die Josef Floch im Laufe der Zeit Luftperspektive unterstützt wird. Der Bildraum ist erhielt, seine Anerkennung in Amerika. Im Jahre einheitlich ausgeleuchtet, Kontraste und Helligkeit 1972 fand in der Österreichischen Galerie im Obe- sind in Vorder- und Hintergrund durchwegs gleich- ren Belvedere eine viel beachtete Retrospektive wertig ausgebildet und sorgen für einen unglaub- statt. Josef Floch starb 1977 in New York. lich scharfen, fast kristallinen Eindruck. Hier ist der kompositionelle Grundgedanke durchaus mit 1925 verlässt Josef Floch Wien in Richtung Paris Werken Lyonel Feiningers aus den 1920er Jahren und kann dank seines Freundes Willy Eisenschitz vergleichbar. Horizontale und Vertikale werden be- rasch Kontakte zur französischen Kunstszene sonders stark hervorgehoben und bilden ein stabi- knüpfen. Die Kunstkritiker, unter ihnen so promi- les Gerüst: „Um eine Störung des festen Gefüges nente wie Jean Cassou, Direktor des Musée d’art zu vermeiden, sind die Naturformen vereinfacht, moderne in Paris und späterer Begründer des nur die Grundformen mit ihrer kubistischen Kraft Centre Georges Pompidou, feiern den Österrei- sind gegeben.“3 Allerdings ist die Malerei Josef cher als einen der bedeutendsten Maler des 20. Flochs im Vergleich zu Feininger weicher, kaum Jahrhunderts. Der Künstler steht gewissermaßen konturiert, ohne Präzisierung der Stofflichkeit am Zenit der öffentlichen Anerkennung, sowohl in gleichsam in eine zeitlose Atmosphäre gerückt. seiner Geburtsstadt Wien und seiner Wahlheimat Der Bildraum ist kein „Wirklichkeitsraum“4, sondern Paris als auch in seinem künftigen Wohnort Ameri- eine neu geschaffene Realität, die Josef Floch in ka. Im April und Mai des Jahres 1931 bereist Josef einer faszinierenden und unverwechselbaren Art Floch Italien. Er startet in Mailand und reist über zu erschaffen versteht. die Toskana in den Golf von Neapel und dann wei- ter nach Sizilien. JOSEF FLOCH (Wien 1894 - 1977 New York) 38 Monte Pellegrino, Palermo Sizilien III 1931 Öl auf Leinwand 53,5 x 73 cm Signiert rechts unten: Floch

Provenienz: Privatbesitz Österreich Literatur: Karl Pallauf, Josef Floch. Leben und Werk. 1894-1977, Wien Lyonel Feininger, Das hohe Ufer (Die Bucht), 1923 (Privatbesitz) 2000, Wkv.Nr. 219, S. 195, m. Abb. (Monte Pelegrino (sic!), Palermo Sizilien III); Die verlorene Moderne. Der Künstlerbund Hagen 1900-1938, Ausstellungskatalog, Österreichische Galerie im Schloß Halbturn, 1) Im Werkverzeichnis von Karl Pallauf finden sich vorliegende und Burgenland 1993, Abb. S. 102

zwei weitere Versionen des Motivs. Ausgestellt: AAA Gallery, New York 1942; 2) Hans Tietze, Neue Arbeiten von Joseph Floch, in: Hagenbund. Die verlorene Moderne, Halbturn 1993 Österreichische Kunst, IV. Jg., Heft 1, Wien 1933 3) Fritz Grossmann, Zu neueren Arbeiten Joseph Flochs, in: FORUM. Zeitschrift für Kunst, Bau und Einrichtung, IV Jg., Nr. 5/6, Bratislava 1934 4) ebd.

Max Oppenheimer, der als Sohn des Journalisten lila Dolden – fast spätimpressionistischen Duktus Ludwig Oppenheimer 1885 in Wien geboren wur- sind für diese Jahre charakteristisch.3 Die Hinwen- de, kam schon im Alter von fünfzehn Jahren als dung zum raren Thema Blumenstillleben kann Gastschüler von Professor Christian Griepenkerl an durchaus auch als eine Art „innere Emigration“ ge- die Wiener Akademie der bildenden Künste. 1903 deutet werden. Max Oppenheimer formt mit kraft- setzte er seine Studien an der Akademie in Prag vollem Pinselstrich jedes Detail dieses Bildes, und fort, von wo aus er in der Folge die Wiener „Kunst- souverän gibt er die Dolden des Fliederbusches schau“ mit einigen Bildern bestückte. Bei seiner in all ihren fein nuancierten Lilatönen wieder. Sub- Rückkehr nach Wien schloss er sich dem Künst- tile Rottöne versinnbildlichen die Lebenskraft, die lerkreis um Oskar Kokoschka und Egon Schiele an. in den in voller Blüte stehenden Pflanzen steckt. Ab 1912 verwendete er das Kürzel „MOPP“ zum Durch den pastosen Farbauftrag verleiht Max Op- Signieren seiner Werke. Max Oppenheimers Le- penheimer dem Strauß in der Vase eine großartige bensweg war von zahlreichen Umzügen zwischen Plastizität, die durch den indifferenten Hintergrund Wien, Berlin und der Schweiz geprägt, bevor er gelungen kontrastiert wird. Mit raschem Lineament 1938 in die USA emigrierte und bis zu seinem Le- und flüchtigem Umriss hat er die Glasvase festge- bensende 1954 in New York wohnte. Künstlerisch halten, und der Eindruck der schimmernden Trans- ist Max Oppenheimer eine Einzelerscheinung. Er parenz ist ihm meisterhaft gelungen, obwohl das wird den Expressionisten zugerechnet, hat sich Gefäß nur schemenhaft wiedergegeben ist. Hinter- aber auch intensiv mit den Strömungen des Ku- fangen ist das Blumenstück von einem weißlichen bismus, Kinetismus und Futurismus, sowie mit der Hintergrund, an dessen Rändern amorphe, schat- Neuen Sachlichkeit auseinandergesetzt. tige Braun- und Grüntöne hereinwachsen. Links der Vase sind zarte Wellenlinien angedeutet, viel- Im März 1932 übersiedelt Max Oppenheimer auf- leicht eine duftige Gardine, die hinter den Blumen grund der angespannten politischen Lage von weht. Sofort assoziiert man die Bildhintergründe Deutschland zurück nach Wien. Bereits ein Jahr der ausdrucksstarken Porträts Max Oppenheimers, Max Oppenheimer später, im Anschluss an das Novemberpogrom, auch diese sind oftmals unbestimmt in Grau- und wird sein Werk in Berlin diffamiert und später für Brauntönen gehalten, stets expressiv, manchmal „entartet“ erklärt. Aber auch in Österreich gestaltet ins Kubistische schweifend. Nicht zuletzt diese for- sich seine wirtschaftliche Lage, trotz großer Be- male Parallele erhebt den Flieder gleichsam in den kanntheit und Ausstellungspräsenz in Künstler- Rang eines Porträts. haus und Secession, sehr schwierig, sodass er auf In den Jahren 1933 bis 1935 malt der Künstler Hilfe seiner Schweizer Freunde und Mäzene Jen- einige Blumenbilder, darunter Nelken und Herbst- ny und Sidney Brown angewiesen ist1. „Das Weni- blumen. Sie sind nicht nur geistiges, auch künst- ge, was die Regierung tut, macht sie für kirchliche lerisches Rückzugsgebiet und bieten ihm die Kunst und für die Provinz. Wie überhaupt ein em- Möglichkeit, seinen kultivierten Expressionismus pörend ordinärer Zug durch die Zeit geht, denn es weiterzuentwickeln, ohne angefeindet zu werden. ist nicht nur die materielle Knappheit, es ist auch „Fliederstrauß“ ist ein seltenes und großartiges die Abkehr von der Geistigkeit, die diese Notlage Zeugnis aus einer dunklen Zeit, ein Meisterwerk so drückend macht“, schreibt der Künstler 1935 in der Malkunst des Kosmopoliten Max Oppenhei- einem Brief an Jenny Brown.2 mer, dessen Beitrag zur österreichischen Kunstge- schichte von entscheidender Bedeutung ist. Umso bemerkenswerter erscheint die klare Prä- senz und die schlichte Schönheit des Fliederstrau- ßes, den Max Oppenheimer so eindrucksvoll – und als lebensfrohen Kontrapunkt zu seinem All- tag – auf der Leinwand verewigt hat. Auch die Beruhigung der früheren kubischen und futuristi- MAX OPPENHEIMER schen Formensprache in Kombination mit einem (Wien 1885 - 1954 New York) 39 farbigen – vor allem in der Charakterisierung der Fliederstrauß 1933 Öl auf Leinwand 65,5 x 50 cm Signiert rechts unten: MOPP.

Provenienz: Privatsammlung Österreich Literatur: Marie-Agnes von Puttkamer, Max Oppenheimer - MOPP (1885- 1854). Leben und malerisches Werk mit einem Werkverzeichnis der Gemälde, Wien 1999, S. 275, Wkv.Nr. 222 (o. Abb.) Vgl.: MOPP - Max Oppenheimer 1885-1954, Ausstellungskatalog, Jüdisches Museum, Wien 1994; Kunst des 20. Jahrhunderts. Bestandskatalog der Österreichischen Galerie Belvedere in Wien, Band 3, Wien 1997, S. 143 ff.

Ausgestellt: Kollektivausstellung MOPP, CXXXIX. Ausstellung, Secession, Wien 1935/1936, Nr. 8 1) Die beiden erwarben bereits nach dem Ersten Weltkrieg einige Blumenstillleben des Künstlers. (Vgl. Marie-Agnes v. Puttkamer, Max Oppenheimer - MOPP (1885-1854). Leben und malerisches Werk, S. 111) 2) Brief an Jenny Brown vom 3.4.1935, ebd., S. 148 3) ebd., S. 145, 155-160

1874 in Czernowitz geboren und 1884 nach Wien in durchaus menschlichen Posen inszeniert sind. übersiedelt, erhielt Oskar Laske bereits neben Sogar aus kleinen Gelegenheitsarbeiten wie per- der Realschule Malunterricht. Von 1892 bis 1898 sönlichen Einladungen, Glückwunsch- und Tisch- studierte er Architektur an der Technischen Hoch- karten lugt häufig eine kecke und neugierige Tier- schule in Wien und danach an der Akademie der schar, deren Eigenschaft und Physiognomik meist bildenden Künste unter Otto Wagner. Danach trat hintersinnig dem Adressaten zugeordnet ist. er in die väterliche Firma „Laske & Fiala“ ein. Sein bekanntester Entwurf, die Apotheke „Zum weißen Auch in nebenstehendem seltenen Öltempe- Engel“ in der Wiener Innenstadt, entstand in den ragemälde, welches Oskar Laske wohl nicht ohne Jahren 1901/1902. Während ausgedehnter Rei- Grund in die Reihe seiner wichtigen „Opus-Werke“ sen, unter anderem nach England, Schottland und aufgenommen hat, spielen gewiss Inspirationen Italien, entstanden erste Bilder und Radierungen. aus dem nahe gelegenen Schönbrunner Tier- 1908 entschied sich der 34-jährige Architekt, der garten wie auch musikalische als Mitglied des Hagenbundes bei Ausstellungen Nachklänge an die legendären großen Erfolg feierte, Maler zu werden. Während Klavier- und Musikabenden im des Ersten Weltkrieges gehörte er dem Kriegs- Hause Laske eine Rolle. Be- pressequartier an und war vor allem als Kriegs- schwingt, vielleicht zu den Klän- Oskar Laske Oskar Laske maler in Rumänien, Russland und der Ukraine gen eines populären Foxtrott, ei- tätig. 1924 wurde Oskar Laske Mitglied der Wie- nes modernen American Swing ner Secession. Er begann Bühnenbilder und Kos- oder doch eines traditionellen tüme für verschiedene Theateraufführungen zu Wiener Walzers kreisen die animalischen Protago- Oskar Laske, Einladung zum Tanzfest, Galerie gestalten. Auch in seiner Wohnung veranstaltete nisten unserer Darstellung im paarweisen Tanz um Kovacek & Zetter Oskar Laske mit befreundeten Künstlern regel- einen zentralen, von einer Affenhorde bespielten mäßig Theateraufführungen oder Lesungen, die Musikpavillon. Staunend sehen wir das seltsame sich bald als Jour fixe der Wiener Künstler- und Duett des Elefanten, der eine Giraffe mit seinem Intellektuellenszene etablierten. In den Jahren des Rüssel eng umschlungen hält, blicken auf das in- Zweiten Weltkrieges lebte Oskar Laske in einer nige Schwingen von Hirsch und Pferd oder den Art „inneren Emigration“ und hielt, soweit es ihm blumigen Antrag zwischen Esel und Flusspferdda- möglich war, den geistig-intellektuellen Privatzir- me, die im Vordergrund beschämt zu Boden zu kel in seinem Haus aufrecht. Ab dieser Zeit nahm blicken scheint. Ein Schwarm pfeilschneller Vögel auch seine umfangreiche Reisetätigkeit ab, und er schießt durch den Himmel und scheint sich, dem konzentrierte sich fortan auf Ansichten aus Wien Betrachter gleich, über diese pittoreske und bunt und Umgebung. Oskar Laske verstarb 1951 im Al- bewegte Szenerie einer verkehrten Welt amüsiert ter von 77 Jahren und wurde im darauf folgenden zu wundern. Bei aller Theatralik und Humoristik Jahr in einer großen Gedächtnisausstellung in der derartiger Darstellungen ging es dem Kosmopo- Wiener Albertina und im Künstlerhaus umfassend liten und Intellektuellen Oskar Laske ganz zentral geehrt. auch um eine Vision einer gleichberechtigten, „pa- radiesisch-kosmischen Einheit von Natur, Mensch Die Welt der Tiere war Oskar Laske in seinem lan- und Tier….“1, ein Thema, das in der heutigen Zeit gen künstlerischen Schaffen ein treuer Begleiter. des Verlusts der Artenvielfalt und der Dominanz Und mit welcher spielerischen Ausdrucksvielfalt des Homo sapiens über das Tierreich von gerade- hat der Künstler diese bunte Fauna des Erdballs zu brennender Aktualität scheint. in unzähligen Arbeiten verewigt! Von den sinistren und Unbehagen einflößenden Unterweltskreaturen des frühen Faust-Zyklus, die die Dämonen Franz Sedlaceks vorwegzunehmen scheinen, über die bunten und fröhlichen Lebewesen der Arche Noah OSKAR LASKE und Franziskus-Variationen, die streumusterartig (Czernowitz 1874 - 1951 Wien) 40 um jeden freien Bildplatz zu ringen scheinen, bis Tanz der Tiere zu seinen mythologisch und von der flämischen 1942 Malerei des 17. Jahrhunderts inspirierten Tierpara- Öl und Tempera auf Leinwand diesen spannt sich der fantastische darstellerische 50 x 30 cm Bogen dieser oft in Ölmalerei ausgeführten Haupt- Signiert rechts unten: O. Laske werke. Unvergesslich auch das Gewimmel der Rückseitig vom Künstler eigenhändig bezeichnet zahlreichen Tiermärkte aus Österreich und den auf altem Klebeetikett: Oskar Laske XIV. Nisselg. 1 Kronländern sowie die lebendigen Reminiszenzen (von fremder Hand VII. Lerchenfelderstr. 139) an die Bewohner des Schönbrunner Tiergartens, Tier Konzert - Tanz op. 159 Öl Rückseitig Etikett des Wiener Künstlerhauses: 1952/1348 deren Protagonisten stets liebevoll humoristisch, feinsinnig psychologisierend und augenzwinkernd Provenienz: Privatsammlung Wien; Privatbesitz Österreich Literatur: Lily Schulz-Laske, Elisabeth Kesselbauer-Laske (Hg.), Oskar Laske. Der künstlerische Nachlass, Wien 1952, S. 9; Vgl.: Tobias G. Natter, Oskar Laske. 1874-1951, Ausstellungskatalog, Kunsthaus Wien, Wien 1996, Abb. S. 40; Cornelia Reiter, Oskar Laske. Ein vielseitiger Individualist, Salzburg 1995 1) Cornelia Reiter, Oskar Laske. Ein vielseitiger Individualist, Salzburg 1995, S. 34

OSKAR LASKE (Czernowitz 1874 - 1951 Wien) 41 Vorfrühling in Schönbrunn um 1930 Tuschezeichnung auf Papier 23 x 20 cm (Passepartout-Ausschnitt) Signiert rechts unten: O. Laske Betitelt links unten: Vorfühling in Schönbrunn

Provenienz: Privatbesitz Österreich Literatur: Vgl.: Tobias G. Natter, Oskar Laske. 1874-1951, Ausstellungskatalog, Kunsthaus Wien, Wien 1996; Cornelia Reiter, Oskar Laske. Ein vielseitiger Individualist, Salzburg 1995

OSKAR LASKE 42 (Czernowitz 1874 - 1951 Wien) Im Himmel hängen die Geigen Hochzeitsanzeige um 1925 Aquarell und Tusche auf Papier 29,4 x 31,4 cm (Passepartout-Ausschnitt) Signiert rechts unten: O. Laske Bezeichnet unten: Vermählung + Anzeige

Provenienz: Privatbesitz Österreich Literatur: Vgl.: Tobias G. Natter, Oskar Laske. 1874-1951, Ausstellungskatalog, Kunsthaus Wien, Wien 1996; Cornelia Reiter, Oskar Laske. Ein vielseitiger Individualist, Salzburg 1995 OSKAR LASKE 43 (Czernowitz 1874 - 1951 Wien) Karlsplatz in Wien mit der Karlskirche 1943 Gouache auf Papier 41,3 x 54,2 cm Signiert und datiert rechts unten: O. Laske. 1943

Provenienz: Kunsthandlung Nebehay, Wien; Privatsammlung Österreich Literatur: Nebehay, Katalog 80, Wien 1982, Nr. 47, m. Abb. Vgl.: Oskar Laske. Ludwig Heinrich Jungnickel. Franz v. Zülow. Drei österreichische Künstler der Jahrhundertwende und Zwischenkriegszeit, Ausstellungskatalog, Graphische Sammlung Albertina, Wien 1978/1979, S. 49 OSKAR LASKE 44 (Czernowitz 1874 - 1951 Wien) Fröhliche Apfelernte Entwurf für einen Buchtitel um 1925 Aquarell und Gouache auf Papier 16 x 13,5 cm Signiert rechts unten: O. Laske Bezeichnet oben: Lesebuch 5

Provenienz: Privatbesitz Österreich Literatur: Vgl.: Tobias G. Natter, Oskar Laske. 1874-1951, Ausstellungskatalog, Kunsthaus Wien, Wien 1996; Cornelia Reiter, Oskar Laske. Ein vielseitiger Individualist, Salzburg 1995

OSKAR LASKE (Czernowitz 1874 - 1951 Wien) 45 Beim Heurigen in Grinzing um 1925 Aquarell und Gouache auf Papier 10,5 x 10,2 cm Signiert und monogrammiert rechts unten: O. Laske O. L.

Provenienz: Privatbesitz Österreich Literatur: Vgl.: Tobias G. Natter, Oskar Laske. 1874-1951, Ausstellungskatalog, Kunsthaus Wien, Wien 1996; Cornelia Reiter, Oskar Laske. Ein vielseitiger Individualist, Salzburg 1995

Originalgröße OSKAR LASKE 46 (Czernowitz 1874 - 1951 Wien) Blick auf die Loferer Steinberge 1943 Gouache und Aquarell auf Papier 38,4 x 53,5 cm Signiert und datiert Mitte unten: O. Laske 1943

Provenienz: Privatbesitz Österreich Vgl.: Handschriftliches Ausstellungsverzeichnis von Oskar Laske: 6. 12. (19)41 Aqu. Lofer; Sept. (19)43 „Lofer-Bilder“; Cornelia Reiter. Oskar Laske. Ein vielseitiger Individualist, Salzburg 1995 Früh, noch vor dem Ersten Weltkrieg, entwickelt hier aus erhöhter Perspektive unter der inten- Oskar Laske eine ganz eigenständige, detailreiche siv strahlenden nordafrikanischen Sonne in gro- und narrativ geprägte Kunstauffassung. Komposi- ßer Klarheit festgehalten: zahlreiche Basare und tionsschemata Alter Meister, impressionistische Stände mit bunten, aufgespannten Dächern und Tendenzen der Licht- und Farbmalerei sowie Pa- Planen, die sich an die verschachtelte Architektur raphrasen flächenhafter secessionistischer Kunst der Altstadt drücken, umgeben von unzähligen sublimieren zu einer aufregenden, in der österrei- bewegten Marktbesuchern in leuchtend gefärbten chischen Kunst noch nie dagewesenen Novität. Gewändern, Eselsfuhrwerke mit verschiedensten Oskar Laskes rastlose künstlerische Neugierde, Waren beladen sowie eine mächtige Moschee, de- sein ausgeprägtes Interesse an fremden Kultu- ren Kuppel und Minarette majestätisch und ruhig ren und exotischer Folklore, verbunden mit einem das irdische Treiben überragt. Liebevoll, ja indivi- stets heiteren Blick auf das beobachtete Gesche- duell charakterisiert und fast ornamental durchge- hen, manifestieren sich vor allem in den reizvol- zeichnet sind die Personen des Vordergrundes – len, heute seltenen Blättern seiner „orientalischen“ besonders die drei schelmisch grinsenden Jun- Episode in den noch friedvollen Jahren vor dem gen am rechten unteren Bildrand, die wie in eine Ersten Weltkrieg. Die Bedeutung dieser Reisen Kamera zu blicken scheinen – während sich das für sein weiteres Werk – 1911 über Griechenland Figurentreiben im Hintergrund in charakteristische Oskar Laske Oskar Laske nach Konstantinopel sowie 1913 über Süditalien, bunte Streumusterornamente aufzulösen beginnt. und Sizilien bis nach Karthago und Tunis – wird Mit der verblüffend modernen, konsequent klaren auch von Cornelia Reiter in ihrer Standardmono- und reintonigen Farbgebung und den rhythmisie- grafie über den Künstler hervorgehoben1. renden tiefblauen Schattenwürfen hat der Künstler die lebhafte Atmosphäre eines nordafrikanischen Oskar Laske gelingt es mit diesem Frühlingstages im April 1913 perfekt festgehalten – frühen Meisterwerk, eine märchenhafte und lässt den Trubel, das Stimmengewirr, die be- Impression wiederzugeben, die in ihrer wegte Geschäftigkeit, die vielfältigen Gerüche und koloristischen Modernität Assoziatio- das Flirren der Hitze sehr eindringlich auch für den nen an die berühmte „Tunisreise“ von heutigen Betrachter spürbar werden. August Macke und Paul Klee im Jahr 1914 weckt.

Nebenstehender „Orientalischer Markt“ ist eines der schönsten bekannten Blätter seiner Nordaf- rikareise aus dem Frühjahr 1913 und zeigt einen faszinierenden Blick auf das bunte Markttreiben in der Medina von Tunis unweit des alten Stadttores Bab Souika. Und welche Vielfalt hat Oskar Laske

OSKAR LASKE (Czernowitz 1874 - 1951 Wien) 47 August Macke, Markt in Tunis, 1914, Privatsammlung Orientalischer Markt Motiv aus Tunis 1913 Aquarell und Gouache auf Papier 48 x 38,5 cm (Passepartout-Ausschnitt) Signiert rechts unten: O. Laske Betitelt links unten: Orientalischer Markt

Provenienz: Kunsthandel E. Weninger, Wien; Privatsammlung Graz Literatur: Vgl.: Tobias G. Natter (Hg.), Oskar Laske. 1874-1951, Ausstellungskatalog, Kunsthaus Wien, Wien 1996; Cornelia Reiter, Oskar Laske. Ein vielseitiger Individualist, Salzburg 1995

1) Cornelia Reiter, Oskar Laske, Ein vielseitiger Individualist, Salzburg 1995, S. 21

Wilhelm Thöny wurde am 10. Februar 1888 als Wilhelm Thönys Malstil ändert sich mit seiner Sohn eines Papiergroßhändlers in Graz geboren, Übersiedelung nach Paris radikal. Dominieren in wo er in einem den Künsten aufgeschlossenen El- seinen Grazer Jahren vor allem dunkle, düstere ternhaus aufwuchs. Der äußerst musikalische Bub Farben, die Distanz und Einsamkeit vermitteln, genoss neben einem ersten Malunterricht auch hellt sich die Farbpalette nun auf, was die Grund- eine Klavier- sowie Gesangsausbildung. Nach stimmung seiner Arbeiten positiv beeinflusst. Der der Schulzeit in Graz absolvierte er ab 1908 ein Malduktus wird leicht und das Licht gewinnt an Studium an der Münchner Akademie der bilden- Intensität. Unsere Ansicht einer südfranzösischen den Künste, wo er sich unter anderem mit Buchil- Landschaft ist ein wunderbares Beispiel für die- lustrationen und Radierungen beschäftigte. 1913 se wichtige Schaffensperiode des Künstlers. Von war er neben Paul Klee und Albert Weisgerber 1932 bis 1937 zieht es das Ehepaar Thöny jedes Mitbegründer der Münchner Neuen Secession. Jahr zu Herbstbeginn an die Côte d’Azur zum Durch Ausbruch des Ersten Weltkriegs musste Entspannen und Malen. Ist in Paris das Aquarell der angehende Maler sein Studium abbrechen bevorzugte Maltechnik, so verlegt sich der Maler und nach Graz zurückkehren, von wo aus er 1915 während der Aufenthalte in Südfrankreich vor al- als Einjährig-Freiwilliger als Frontmaler am Monte lem auf kleinformatige Ölbilder, die vor der Natur Zebion eingesetzt wurde. Im selben Jahr heiratete entstehen und die leichte, mediterran vibrieren- er die Amerikanerin Fanny Hilma Walborg White – de Atmosphäre einfangen. Spontan hingesetzte die gemeinsame Tochter Margit wird im darauf- kurze, pastos aufgetragene Pinselstriche kontras- folgenden Jahr geboren. Nach seiner Abrüstung tieren zu zarten, zeichnerischen Linien (wie zum

Wilhelm Thöny Thöny Wilhelm 1918 zog Wilhelm Thöny zu seiner jungen Familie Beispiel beim Aquädukt), wobei der Malgrund in die Schweiz, wo die Ehe wenig später geschie- großflächig sichtbar bleibt. Damit erreicht der den wurde. Nach einigen Jahren in München ging Künstler eine beinahe aquarellartige Wirkung sei- er 1923 zurück nach Graz, wo er mit Gleichgesinn- nes Ölbildes. Überwiegen in der unteren Bildhälfte ten im Herbst desselben Jahres die Grazer Seces- vor allem Grüntöne, die durch sparsame Akzente sion gründete. 1925 lernte er seine spätere zweite in Rot aufgelockert werden, spannt sich im oberen Frau, die gebürtige Amerikanerin Thea Herrmann, Teil des Bildes duftig der in klarem Blau gehaltene kennen. 1929 wurde ihm der Professorentitel ver- Himmel und macht die würzig-herbe Luft dieser liehen, außerdem reiste er zum ersten Mal nach Region für den Betrachter spürbar. Paris, was ihn dermaßen beeindruckte, dass er Dieses beeindruckende Werk aus Wilhelm Thönys 1931 trotz großer Ausstellungs- und Verkaufserfol- französischer Periode stellt eine große Rarität am ge im deutschsprachigen Raum, in die französi- Kunstmarkt dar und ist eine Bereicherung für jede sche Hauptstadt übersiedelte. Die Jahre bis 1938 Sammlung österreichischer Malerei der Zwischen- zählten zu den glücklichsten und künstlerisch kriegszeit. fruchtbarsten seines Lebens. Die unsicheren po- litischen Verhältnisse in Europa bewogen den Ma- ler und seine Frau nach New York auszuwandern, wo seine Kunst sehr geschätzt wurde, was eine rege Ausstellungstätigkeit nach sich zog. Obwohl es ihm rasch gelang, einen neuen Freundeskreis aufzubauen und er eine umfangreiche Korrespon- denz mit Bekannten in Europa pflegte, fühlte er sich in den USA nie ganz heimisch. Am 4. März 1948 ereilte den bei seinen Zeitgenossen belieb- ten Künstler ein schwerer Schicksalsschlag: bei einem Brand in einem Lagerhaus, wo ein Groß- teil seiner Arbeiten untergebracht war, wurden an WILHELM THÖNY die tausend seiner Werke vernichtet. Von dieser (Graz 1888 - 1949 New York) 48 persönlichen Katastrophe hat sich Wilhelm Thöny Sommerlandschaft in Südfrankreich nie mehr erholt – er verstarb ein gutes Jahr später um 1935 am 1. Mai. Sammlungen seiner Werke finden sich Öl auf Leinwand unter anderem im Belvedere in Wien und in der 30,5 x 44,5 cm Signiert rechts oben: W. Thöny Neuen Galerie in Graz. Provenienz: Privatbesitz Österreich Literatur: Wilhelm Thöny. Im Sog der Moderne, Ausstellungskatalog, Neue Galerie Graz, Universalmuseum Joanneum, Graz 2013, Wkv.Nr. 325 m. Abb.; Vgl.: Wieland Schmied, Wilhelm Thöny. Porträt eines Einzelgängers, Salzburg 1976, Farbtafeln 27-34; Bruno Grimschitz, Wilhelm Thöny. Mit Essays des Künstlers, Salzburg 1950

Norbertine Roth wurde 1891 in Graz geboren und Schausammlungen, wo sie nach Präparaten zeich- wuchs in bescheidenen Verhältnissen bei ihrer nete, dienten ihr als unerschöpfliche Inspirations- Mutter auf. Ihre künstlerische Begabung wurde quellen. Ebenso erfuhr sie wichtige Anregungen schon früh von ihrem Volksschullehrer erkannt, durch klassische Bücher wie „Brehms Tierleben“ der sich dafür einsetzte, dass sie 1907 am Zei- oder Ernst Haeckels Kompendium „Kunstformen chen- und Malunterricht der steirischen Landes- der Natur“ sowie durch Besuche zeitgenössischer kunstschule teilnehmen durfte. Bereits in den Ausstellungen, etwa jener Carl Fahringers, der sei- Sommermonaten der Jahre 1909/1910 besuch- ne exotischen Gemälde aus Bali 1922 erstmals in te sie die renommierte Tiermalschule in Dachau Wien zeigte1. bei München unter Hans von Hayek. Ferdinand Das Motiv des im Astwerk eines tropischen Bau- Schmutzer war von der jungen Künstlerin so be- mes liegenden Raubtieres ist ein wichtiges und eindruckt, dass er sie bereits nach einem Jahr mehrfach variiertes im Schaffen der Künstlerin2: Studium in sein Atelier an der Akademie aufnahm. hier döst ein Panther, neugierig beäugt von einem Bereits 1912 erhielt sie als erste Ehrung ihrer Hei- Gecko in der Mittagshitze, dort blickt ein schwar- matstadt die Silbermedaille der Stadt Graz. Nach zer Jaguar aus luftiger Höhe aufmerksam auf den einer erfolgreichen Ausstellung in der bewegten Fluss oder zwei Schnee- Wiener Secession 1916 kehrte sie nach leoparden, die, zu einem samtigen Graz zurück, um sich als freischaffen- Knäuel verflochten, misstrauisch dem de Künstlerin niederzulassen. Mit der Betrachter entgegenstarren. Auch un- ersten „Norbertine Roth Sonderausstel- ser Gemälde mit dem schlichten Titel lung“ (1918), zeitgleich mit dem Ende „Baum“ zählt zu den herausragenden des Ersten Weltkrieges, konnte sie sich Beispielen dieses Oeuvres: in einer in Graz mit großem Erfolg etablieren. markanten Bilddiagonale verspannt, 1919 heiratete sie Georg von Bresslern, schmiegt sich der mächtige, samtig den sie in Wien kennengelernt hatte gesprenkelte Körper eines Leoparden und trat im selben Jahr auch der Künst- hoch oben in der Baumkrone an ei- lerorganisation „Werkbund Freiland“ bei. nen festen Stamm. Vermutlich schon N. Bresslern-Roth, Jaguar Seit den 1920er Jahren beschäftigte geraume Zeit und mit großer Geduld sich die Künstlerin intensiv mit dem drucktechni- wartet die Raubkatze auf dem hohen Ansitz auf schen Verfahren des Linolschnittes und schuf von eine durchziehende Herde, die ihren Jagdinstinkt 1921 bis 1952 in dieser faszinierenden Technik zu wecken vermag. Doch hat eine giftgrüne, zün- hunderte aufwendig konzipierte Tierdarstellungen. gelnde Schlange, die sich rasch über einen Ast Daneben illustrierte sie zahlreiche Kinder- und aus dem Bildraum herauswindet, den Leoparden Märchenbücher und schuf Gobelins sowie fei- jäh abgelenkt und seinen alarmierten Blick auf ne Elfenbeinminiaturen. 1932 wurde Norbertine sich gezogen. Mit großer künstlerischer Verve hat Bresslern-Roth der Professorentitel, 1936 der Ös- Norbertine Bresslern-Roth hier den höchst drama-

Norbertine Bresslern-Roth Norbertine Bresslern-Roth terreichische Staatspreis verliehen. 1978 verstarb tischen Moment einer angespannten Ruhe zwi- die Künstlerin in Graz. Zeit ihres Lebens war sie schen den beiden Tieren eingefangen. mit dem Landesmuseum Joanneum durch lang- Bereits zu Lebzeiten konnte sich die Künstlerin jährige Zusammenarbeit und zahlreiche Schen- mit ihrer feinsinnigen und präzisen Wiedergabe kungen verbunden. 2016 widmete ihr die Neue animalischer Physiognomien und mit unvergleich- Galerie Graz eine großangelegte Retrospektive. lich lebensnahen narrativen Kompositionen im internationalen Kunstgeschehen positionieren. Bis Es verblüfft stets aufs Neue, mit welch unvergleich- heute haben ihre gesuchten Gemälde nichts von licher Lebendigkeit Norbertine Bresslern-Roth ihre ihrer formalen und inhaltlichen Prägnanz und Fas- fantasievollen Tierwelten inszeniert, geradeso, als zination eingebüßt. ob sie ihre Protagonisten jahrelang in der afrikani- schen Savanne, unter dem Blätterdach tropischer Regenwälder oder an fernöstlichen Küsten beglei- NORBERTINE BRESSLERN-ROTH tet und beobachtet hätte. Dabei unternahm sie (Graz 1891 - 1978 Graz) 49 zeitlebens nur eine Reise über die Grenzen Euro- Baum pas hinaus nach Nordafrika (1927), allerdings ein Leopard mit Grüner Mamba einschneidendes Erlebnis, das ihre Kunstauffas- 1960 sung und ihre Malerei maßgeblich geprägt haben. Öl auf Jute Auch unzählige Studien in Schönbrunn und vie- 75,4 x 98,2 cm len anderen europäischen Tierparks sowie Besu- Signiert rechts unten: B. ROTH che von Zirkusvorstellungen und naturkundlichen Rückseitig signiert und betitelt auf Klebeetikett: „BAUM“ ÖL GRAZ N. v. BRESSLERN-ROTH

Provenienz: Pivatbesitz Österreich Literatur: Christa Steinle (Hg.), Norbertine Bresslern-Roth. Tiermalerin, Ausstellungskatalog, Universalmuseum Joanneum. Neue Galerie Graz, Graz 2016/2017, WVG 318, m. Abb.; 1) Vgl.: Christa Steinle, „Die Arbeit von Jahrzehnten…“ Zum künstlerischen Helene Martischnig, Norbertine Bresslern-Roth (1891-1978). Das malerische Werk von Norbertine Bresslern-Roth, in: Christa Steinle (Hg.), Werk, Diplomarbeit an der Universität Graz, Graz 1994, Abb. S. 249 Norbertine Bresslern-Roth. Tiermalerin, Ausstellungskatalog, Universalmuseum Joanneum. Neue Galerie Graz, Graz 2016/2017, S. 12 Ausgestellt: Norbertine Bresslern-Roth zum 70. Geburtstag, 2) ebd., vgl. Abb. S. 57, 277, 285, 293, 299 Neue Galerie am Landesmuseum Joanneum, Graz 1962

Oskar Kokoschka – Künstler von Weltrang, „en- Die Summe seiner künstlerischen Erfahrung spie- fant terrible“ und der berühmteste Protagonist des gelt sich in diesen Arbeiten eindrucksvoll wider. österreichischen Expressionismus – wurde 1886 Mit feinsinnigem künstlerischen Gespür vertiefte in Pöchlarn in Niederösterreich geboren. In Wien er sich in die botanische Sphäre des Wachsens, besuchte er von 1905 bis 1909 die Kunstgewer- Blühens und Gedeihens, die er auch als Sinn- beschule unter Carl Otto Czeschka und entwarf bild der Hoffnung und Lebenskraft in schwieriger bereits in dieser Zeit Postkarten, Fächer und Vi- Zeit verstand. Diese Freude an der vitalen Natur gnetten für die Wiener Werkstätte. Auf der bahn- blieb fortan eine seiner wichtigsten künstlerischen brechenden „Internationalen Kunstschau“ in Wien Triebkräfte. In Villeneuve am Genfer See wurde 1908 erregten seine malerischen Werke großes ihm der zauberhafte Park seiner Villa Delphin zur Aufsehen. In Wien unverstanden, reiste Oskar Ko- täglichen Inspirationsquelle. „Es ist wirklich ein Pa- koschka 1910 nach Berlin, um Herwath Waldens radies, und jetzt sehe ich wie notwendig mir der progressive Zeitschrift „Der Sturm“ zu unterstützen Kontakt zur Natur ist nach 16 Jahren stinkender, und sein berüchtigtes Drama „Mörder, Hoffnung lärmender Großstadt….“1 Liebevoll umsorgte Os- der Frauen“ zu veröffentlichen. 1912, als Assistent kar Kokoschka dort eine Vielzahl von Blumen, die an der Kunstgewerbeschule, begann sein turbu- ihm dann Modell standen für zahlreiche tägliche lentes Liebesverhältnis mit Alma Mahler. Nach „Fingerübungen“, welche in den folgenden Jahr- dem Scheitern der Beziehung meldete er sich zu zehnten zu einem großartigen späten Werkblock Kriegsbeginn zum Militärdienst, wurde aber 1915 seines Schaffens avancierten. schwer verwundet. Nach dem Krieg folgte sein Dieses am Ende des Sommers, im September internationaler Durchbruch mit der Berufung als 1965, entstandene Stillleben ist von exemplari- Professor an die berühmte Dresdener Akademie scher Schönheit und zählt zu den gelungensten (1919 bis 1924). Im darauffolgenden Jahrzehnt Arbeiten dieses über drei Jahrzehnte gewachse- unternahm Oskar Kokoschka ausgedehnte Rei- nen Oeuvres: Vor dem Betrachter entfaltet sich Oskar Kokoschka Oskar Kokoschka sen durch Europa, Nordafrika und Gebiete um das ein koloristisches Feuerwerk, in dem rote Rosen, östliche Mittelmeer, die ihn zu zahlreichen unver- blaue Akelei und rot-orange Zinnie, umschmiegt wechselbaren Städteporträts und Landschafts- von vibrierenden grün-schimmernden Blattwerk bildern inspirierten. Die politischen Ereignisse als zarte Gebilde dynamisch in den grenzenlosen in Österreich veranlassten den Künstler 1934 Bildraum zu wachsen scheinen. Mit expressiver schließlich dazu, seinen Wohnsitz nach Prag zu Pinselführung wirft Oskar Kokoschka mit Leich- verlegen. 1937 wurden im Zuge der „Aktion Ent- tigkeit die verschiedenförmigen Blüten und Blätter artete Kunst“ zahlreiche Werke seiner Hand aus ohne Vorzeichnung treffsicher aufs Papier und ver- deutschen Museen entfernt und teils vernichtet. bindet diese – einmal mehr die Umrisslinien, dann Aufgrund der immer prekärer werdenden politi- wieder mehr Farbflächen akzentuierend – zu ei- schen Situation emigrierte er 1938 nach London nem funkelnden Farbgebilde, in dem sich vor dem und erhielt 1947 die englische Staatsbürgerschaft. Betrachter die inneren, treibenden Kräfte der Natur 1953 übersiedelte er nach Villeneuve am Genfer lebendig zu materialisieren scheinen. Ein kraftvoll- See, wo er, neben einer umfassenden Reisetätig- expressiv ausgeführtes und farbsprühendes Blu- keit, hoch geschätzt und viel geehrt, seine letzten menstück Oskar Kokoschkas, in dem der weltbe- Lebensjahre verbrachte. rühmte Künstler souverän zu einem Nonplusultra Ab den 1940er Jahren hat Oskar Kokoschka im an malerischer Freiheit findet. englischen Exil begonnen als künstlerischer Ge- Vergleichbare Werke finden sich heute nur noch in genpol zu den Schrecken des Krieges und sei- musealen Sammlungen wie dem Leopold Museum nen politisch-allegorischen Bildthemen, sich auch und der Albertina. der Blumenmalerei zuzuwenden. Ab den 1950er Jahren widmet sich der Künstler dann intensiv der Aquarelltechnik und mit bislang kaum bekannter OSKAR KOKOSCHKA Leuchtkraft entstehen Landschaften und vor allem (Pöchlarn 1886 - 1980 Montreux) 50 Blumenbilder, in denen er die farbenreiche Pracht Sommerblumen mit Rosen seines Gartens in der Schweiz verewigt und die 1965 in ihrer Leichtigkeit und Transparenz nicht selten Aquarell auf Papier an Meisterwerke fernöstlicher Kalligrafie erinnern. 61,5 x 49 cm Diese Arbeiten nannte Kokoschka bescheiden sei- Signiert und datiert rechts unten: OKokoschka 20. 9. (19)65 ne „Fingerübungen“ – die Malbewegungen sind Die Arbeit wird in das in Vorbereitung befindliche Werkverzeichnis von Alfred Weidinger aufgenommen. frei und leicht und verraten zugleich die ungemein erfahrene Hand des Künstlers. Auf die Frage, wie Provenienz: Marlborough Fine Art, London; lange er brauche, um ein solches Aquarell zu ma- Fischer Fine Art Limited, London; Privatsammlung Deutschland len, antwortete der Künstler gerne: „Fünfzig Jahre.“ Literatur: Vgl.: Klaus Albrecht Schröder, Antonia Hoerschelmann (Hg.), Oskar Kokoschka: Exil und neue Heimat 1934-1980, Ausstellungskatalog, Albertina, Wien 2008, S. 208 ff.; Veronique Mauron, Werke der Oskar Kokoschka–Stiftung, Musée Jenisch-Vevey, Mainz 1994, Abb. S. 203.

1) Klaus Albrecht Schröder, Antonia Hoerschelmann (Hg.), Oskar Kokoschka: Exil und neue Heimat 1934-1980, Ausstellungskatalog, Albertina, Wien 2008, S. 208

Werner Berg wurde 1904 in Elberfeld in Deutsch- „Emil Nolde wurde mir väterlich- land geboren. Obwohl er schon als Kind Maler freundschaftlicher Lehrer und Förderer, werden wollte, zwangen ihn die ungünstigen wirt- Edvard Munch Leitgestirn“.1 schaftlichen Verhältnisse nach dem Ersten Welt- krieg erst eine Handelslehre und anschließend ein Der Künstler wurde mit seinen leuchtenden, be- Studium der Staatswissenschaften zu absolvieren eindruckend formalisierten Gemälden zu einem – seit 1923 in Wien, wo er seine Studienkollegin unvergleichlichen Chronisten der slowenisch- Amalie Kuster kennenlernte, die er später heiratete. kärntnerischen Bevölkerung, der Lebenswelt der Nach der Promotion begann Werner Berg mit dem Bauern, Jahrmarktbesucher, Kirchgänger, Eis- Studium der Malerei, 1927 bis 1929 an der Akade- schützen, Busreisenden und Wartenden. Und mie der bildenden Künste in Wien bei Karl Sterrer immer wieder porträtierte Werner Berg, ähnlich und 1929 bis 1931 an der Münchner Akademie bei Emil Nolde, mit großer Leidenschaft und direkt in Karl Caspar. 1930 erwarb er gemeinsam mit seiner der Natur Blumen aus dem Bauerngarten neben Frau den Rutarhof, einen einsamen Bergbauern- seinem Atelier. Auch hier fühlte sich Werner Berg hof im Kärntner Unterland nahe der slowenischen seelenverwandt mit dem großen deutschen Ex- Grenze, auf dem er mit seiner Familie seit März pressionisten, der ja ebenfalls in Seebüll an der 1931 lebte. Der Künstler suchte hier seinen existen- Nordsee seinen blühenden Garten kultivierte und Werner Berg Berg Werner ziellen Lebensentwurf als Bauer und Maler – Kunst ein unorthodoxes Leben als Künstler, Bauer und und Leben bildeten für ihn fortan eine untrennba- Jäger pflegte. In diese Zeit des intensiven künstle- re Einheit. Ab diesen Jahren waren seine Motive rischen Austausches zwischen den beiden Malern weitgehend von dieser bäuerlichen Lebensrealität in den 1930er Jahren durch Besuche und Briefe geprägt. Mit einigen Ausstellungen in den 1930er fällt auch die Entstehung unseres eindrucksvollen Jahren wurde Werner Berg in Deutschland schon Gemäldes „Dahlie im Morgenlicht“. Wie bei vielen früh bekannt, sein extrem knapper, expressionis- seiner Blumenbilder, die Werner Berg weniger im tisch-primitivistischer Stil stieß jedoch bei den Na- grellen Tageslicht, sondern bevorzugt im geheim- tionalsozialisten auf Widerstand. 1935 wurde eine nisvollen Licht der Morgen- oder Abenddämme- Ausstellung im Kölner Kunstverein polizeilich ge- rung festhielt, liegt sein Bauerngarten auch hier sperrt und seine Gemälde wenig später auf der be- großteils noch im bläulich schimmernden Zwie- rüchtigten Schau „Entartete Kunst“ diffamiert. Von licht eines anbrechenden Tages. Dunkle Silhou- 1942 bis 1945 war Werner Berg zur Landschafts- etten von Rittersporn und ein Geflecht aus Grä- schilderung als Kriegsmaler in Skandinavien ein- sern, Blattwerk und zarten gelblichen Blüten sind gesetzt. Nach dem Krieg kehrte Werner Berg zu der ornamentale Rahmen für die nahsichtige, fast einem flächigen, nun oft die Konturlinien und Far- bildfüllend und porträthaft inszenierte Dahlienblü- be betonenden Stil zurück. Trotz seiner Tendenz zu te, die sich in voller Pracht den ersten Strahlen der Vereinfachung und Stilisierung beharrte Berg auf Sonne entgegenstreckt. Mit wenigen expressiven einer gegenständlichen Darstellungsweise. 1947 Pinselzügen umreißt Werner Berg die samtige, lila- wurde Berg Mitglied des Art Club in Wien, 1950 farbige Dolde, die fast aus dem Bildraum heraus- war er Teilnehmer der Biennale von Venedig. In zukippen scheint, in ihrer sanften und doch unge- diesen Jahren gelang der endgültige Durchbruch, mein kraftvollen Plastizität. In seiner malerischen der sich in zahlreichen vielbeachteten Ausstellun- Kraft und seiner reduzierten, magisch-suggestiven gen manifestierte: 1956 in der Österreichischen Ausdrucksstärke zeigt sich Werner Berg, einen Galerie in Wien, 1957 in der Moderna Galerija ersten Zenit seiner Kunst erreichend, in diesem Ljubljana und 1961 eine umfangreiche Schau im raren frühen Gemälde ebenbürtig mit der Kunst Münchner Lenbachhaus. 1968 wurde die Werner seines geschätzten Lehrers und Förderers Emil Berg Galerie der Stadt Bleiburg eingerichtet. Seit Noldes. dem Tod des Künstlers 1981 zeigt diese nun als Museum ständig eine umfangreiche Werkschau des faszinierenden Schaffens Werner Bergs.

WERNER BERG (Elberfeld/Wuppertal 1904 - 1981 Rutarhof) 51 Dahlie im Morgenlicht 1934 Öl auf Leinwand 56 x 45,5 cm Monogrammiert links oben: W. B.

Provenienz: Privatbesitz Wien (direkt beim Künstler erworben); Privatbesitz Österreich Emil Nolde, Reife Sonnenblumen, 1932, Literatur: Werner Berg, Digitales Werkverzeichnis, Detroit Institute of Art Werknummer 174 (https://www.wernerberg.com); Harald Scheicher (Hg.), Wieland Schmied, Werner Berg. Gemälde, Klagenfurt 1994, Wkv.Nr. 174, m. Abb. S. 251; Vgl.: Harald Scheicher, Werner Berg. Wirklichkeit im Bildhaften, München 2012

1) Harald Scheicher (Hg.), Werner Berg. Seine Kunst, sein Leben, Klagenfurt 1984, S. 60

Nach dem Besuch der Kunstgewerbeschule ar- Das dem Mond entgegenschwebende beitete Carry Hauser als freischaffender Maler, Liebespaar erinnert an Marc Chagalls Grafiker, Bühnenbildner und Schriftsteller. 1914 traumhafte Szenerien und der flächig- meldete er sich zum Kriegsdienst an die Ostfront, deskriptive Malstil an die Kunst der kehrte aber zum Pazifisten geläutert nach Wien „Neuen Sachlichkeit“. zurück. Viele Werke aus dieser früh-expressiven Schaffensperiode, Zeugnisse des Kriegsschre- In ein magisches Licht getaucht liegt der Hafen ckens, scheinen in den Turbulenzen der Nach- mit seinen Häusern, der helle Schein des Vollmon- kriegszeit verloren gegangen. In den 1920er des erfasst die Szenerie mit seinem milden Licht. Jahren entstanden kubistisch und futuristisch Der Himmelskörper ist strahlender Blickfang und inspirierte Arbeiten, die einen Höhepunkt seines Anziehungspunkt für das eng umschlungene Paar. schöpferischen Werks darstellen. Ebenso sind aus Fest aber zärtlich hält der Mann seine Geliebte dieser Zeit die Mappenwerke „Die Insel“ (1919), im Arm und weist mit seiner Linken in Richtung das „Buch der Träume“ (1922) und die von ihm des gleißenden Mondes, den er so als Ziel der gezeichneten und geschriebenen „Blockbücher“ gemeinsamen Reise markiert. Neugierig blickt die hervorzuheben. Ab 1928 war Carry Hauser Präsi- junge Frau seinen Arm entlang, ihre Blickrichtung dent des Hagenbundes. 1939 verließ der Künstler, verstärkt das Gefühl des Emporsteigens noch. Die über den die Nationalsozialisten ein Berufs- und beiden Liebenden haben unter sich ein kleines Carry Hauser Carry Hauser Ausstellungsverbot verhängt hatten, Österreich. Im Segelboot zurückgelassen, auf dem eine dunkle Schweizer Exil entstanden „Eine Geschichte vom Gestalt, die Arme zum Abschied weit ausgebreitet verlorenen Sohn“ (1941), der autobiographisch hat. Das Boot treibt rechts auf einen Hafenkai zu, geprägte Roman „Zwischen gestern und morgen“ der mit Palmen gesäumt ist, links davon springt (1945) und das Märchen „Maler, Tod und Jungfrau“ ein Delfin aus den spiegelglatten Meeresfluten. (1946). Nach der Rückkehr nach Wien 1947 betei- Der Meeressäuger taucht in der griechischen My- ligte sich Carry Hauser am Aufbau des kulturellen thologie als Begleiter der Fruchtbarkeitsgöttin De- Lebens in Österreich - er wurde Generalsekretär meter auf und half dem Meeresgott Poseidon die des neu errichteten P.E.N.-Clubs (ab 1952) und Liebe der Meeresnymphe Amphitrite zu gewinnen. Ehrenpräsident des neuen Hagenbundes. Als Ma- Man könnte das Bild „Korzula“ also durchaus auch ler genoss er in der Nachkriegszeit internationalen im mythologischen Sinne als Darstellung des Po- Ruf, publizistisch trat er mit Artikeln über Kunst seidon und der stolzen Meeresnymphe Amphitri- und Kunstfragen in verschiedenen Zeitungen her- te deuten. In jedem Fall ist der Delfin aber das vor und verfasste zudem zahlreiche Gedichte und Sinnbild einer großen und erfüllten Liebe: Der Voll- Kurzgeschichten. Seine Verdienste wurden durch mond selbst wird in vielen Kulturen als Symbol der öffentliche Aufträge (Fresken und Mosaike für Fruchtbarkeit angesehen. In seiner meisterhaften Wohn- und Fabriksbauten in Wien) und Auszeich- Komposition und mit seiner magischen Farbigkeit nungen (u.a. „Goldene Medaille der Stadt Wien“), kann dieses Bild Carry Hausers als wichtiger Bei- sowie durch die Verleihung des Professorentitels trag zur österreichischen Malerei der fünfziger Jah- gewürdigt. Carry Hauser zählt heute zu den be- re angesehen werden. Zu Recht gehört der Künst- deutendsten und wegweisenden österreichischen ler zu den prägenden Gestalten der heimischen Künstlern der Zwischenkriegszeit. Kunstszene dieser Zeit.

Das bezaubernde Gemälde mit dem Titel „Kor- zula“ ist 1954 entstanden. In den 1950er Jahren unternahm Carry Hauser zahlreiche Studienreisen, wobei die kroatische Insel Korzula vor der Küste Süddalmatiens gelegen, sein Lieblingsreiseziel war. Die Insel hatte er bereits während der Kriegs- CARRY HAUSER jahre kennen gelernt, als seine Freunde Franz (Wien 1895 - 1985 Rekawinkel) 52 Theodor Csokor und Alexander Sacher-Masoch Korcula dort Unterschlupf gefunden hatten. Die fünfziger 1954 Jahre sind auch für Carry Hauser geprägt von einer Öl auf Hartfaser Aufbruchsstimmung. Nach den ersten, schwieri- 60,3 x 79,8 cm gen Nachkriegsjahren stellen sich nun große öf- Rückseitig monogrammiert, datiert und betitelt: Korzula 1954 CH fentliche Aufträge ein. Auch seine Arbeit als Bu- chillustrator nimmt Carry Hauser wieder auf und Provenienz: Privatbesitz Österreich; in seiner Malerei beweist der wichtige ehemalige Museo de la Moda, Santiago, Chile; Privatbesitz Frankreich Protagonist des „Hagenbundes“ einmal mehr sei- Literatur: Agnes Husslein-Arco (Hg.), Cornelia Cabuk, Carry Hauser. ne Offenheit für zeitgenössische Strömungen. Monografie und Werkverzeichnis, Belvedere, Wien 2012, S. 486; Wkv.Nr. 1954 M4; Vgl.: Carry Hauser 1895-1985, Ausstellungskatalog, Frauenbad, Baden 1989, Kat. Nr. 43, S. 86

In den frühen 1960er Jahre entsteht ein faszi- Besonders schön ist diese kraftvolle, archaische nierender Werkkomplex, der später mit dem ver- Vision einer sich formierenden und wieder verän- bindenden Titel „Wie eine Landschaft“ benannt dernden, stets sich im Fluss befindlichen Natur wurde. In diesem visionären Zyklus gelang Max durch nebenstehendes rares Gemälde aus die- Weiler der Durchbruch seines bisherigen Strebens, sem Werkblock exemplifiziert: „Die sich türmen- seine ureigene Sicht auf Landschaft und Naturpro- den Felsen, die sich ballenden Wolken, die aus- zesse in ungeahnter Kreativität malerisch neu zu geprägten Kontraste, all diese Elemente finden formulieren1. Formal übernahm und verfeinerte der sich in Weilers Gemälden in zusammenfassender Künstler auch das Vokabular der französischen Abstraktion wieder. … Farbe, die transparente Ver- „informellen“ Künstler wie Georges Mathieu, Alfred wolkungen auf leerem Grund ebenso zeigt wie fei- Manessier oder Nicolas de Stael, deren Schaffen ne Spuren von Rinnsalen, die Pigmentkörner wie er 1949 in Paris kennengelernt hatte. Bei allen Geschiebe in einem Flussbett zu einem analogen Analogien ist der große Unterschied beziehungs- Landschaftsbild formen…“.3 Auch hier faszinieren weise das Schlüsselelement bei Max Weiler aber dynamische großflächige Farbfelder neben kleine- die Anschaulichkeit der aus einem Landschafts- ren zarten Landschaftsfragmenten und atomisiert

Max Weiler Max Weiler eindruck abgeleiteten Farbe: er zählt zu jenen wirkenden Kalligrafien, die vibrierend zwischen Künstlern, denen es darauf ankam, „geistige Inhal- dunklem, opakem Kolorit und hellen transparenten te“ zur Darstellung und zum Ausdruck zu bringen – Lasuren herumzuspringen scheinen. Max Weiler Kandinskys „Das Geistige in der Kunst“ bleibt für intoniert in diesem Meisterwerk vorwiegend eine ihn unabdingbar. Aber auch Anregungen durch delikat abgestufte Palette aus Chromoxyd- und die chinesische Landschaftsmalerei sind evident – Smaragdgrün, verschiedenen ockerfarbenen Erd- „….die vergleichbare tonale Anmutung der Werke tönen und feinen Nuancen von Rot-Violett zu Ult- wie die tiefenräumliche Staffelung von Pinselzü- ramarinblau. Sein persönlicher Dialog mit der Na- gen und die auftauchenden bizarren Felsformati- tur – was sich auch in dem poetisch-assoziativen onen – die im südchinesischen Meer tatsächlich Untertitel „Verworrene Landschaft“ widerspiegelt – in solcher Form existieren – legen dies unmittel- rückt hier immer zentraler in den Mittelpunkt und bar nahe.“2 Max Weiler selbst hat immer wieder löst die frühen Bildthemen mit rein religiösen und konstatiert, wie faszinierend für ihn die Malerei der figürlichen Themen ab. chinesischen Sung-Dynastie aus dem zehnten bis dreizehnten Jahrhundert gewesen ist: durch Die Bilderserie „Wie eine Landschaft“ ist, der den Verzicht auf Perspektive, den Fluss der Land- Kunsthistoriker und Biograf Otto Breicha formuliert schaftselemente im hellen Bildgrund, durch die es eindringlich, eine großartige und wegweisende kunstvolle Regie von Nähe und Ferne, eine Vogel- bildnerische Leistung Max Weilers zu Beginn sei- schau, der die Natur wie ein weit ausgebreitetes, nes fünften Lebensjahrzehnts. grenzenloses Panorama erscheint, überhaupt – durch das Gefühl einer innigen Zugehörigkeit des Menschen zur Natur.

Wang Shen, Nebel über Landschaft, China 11. Jhd., Shanghai Museum

MAX WEILER (Absam bei Hall 1910 - 2001 Wien) 53 Wie eine Landschaft Verworrene Gegend 1964 Eitempera auf Leinwand 56,5 x 114,5 cm Rückseitig signiert, datiert und betitelt: WEILER (19)64 „WIE EINE LANDSCHAFT“

Provenienz: Privatsammlung Tirol Literatur: Wilfried Skreiner (Hg.), Max Weiler. Mit einem Werkverzeichnis der Bilder von 1932-74 von Almut Krapf, Salzburg 1975, Wkv.Nr. 565, Abb. S. 292; Vgl.: Gottfried Boehm, Der Maler Max Weiler. Das Geistige in der Natur, 2. verbesserte Auflage, Wien 2010, S. 256 ff.; Max Weiler. Die Natur der Malerei, Ausstellungskatalog, Essl Museum, Klosterneuburg 2010, Abb. S. 72 ff.; Otto Breicha, Weiler. Die innere Figur, Salzburg 1989, Abb. S. 199 ff. 1) Zur Biografie Max Weilers siehe Kat. Nr. 54. 2) Roland Wäspe, Max Weiler. Farbe und Bildraum, in: Max Weiler 1910-2001. Die Natur der Malerei, Ausstellungskatalog, Essl Museum, München 2010, S. 53 3) ebd., S. 53 f.

Neben Oskar Kokoschka oder Friedensreich an Erfahrungen und Erinnerungen speist. Wie in all Hundertwasser zählt Max Weiler zu den gro- seinen Bildern konzentriert er sich – in Anlehnung ßen, international anerkannten österreichischen an altchinesische Kunst wie auch an Maler der eu- Künstlern des 20. Jahrhunderts. Schon als ropäischen Romantik – auf die Essenz der Natur, junger Maler und Mitglied der „katholischen die er in seine eigene Sprache trans-formiert und Reformbewegung“ entwickelte er früh eine ei- aus sich selbst heraus neu hervorbringt. „Ich habe genständige „spiritualisierte“ Weltanschauung. das Geistige … des in der Landschaft spürbaren Er studierte von 1930 bis 1937 an der Wiener Unendlich-Mystischen, das die Sung-Chinesen Akademie bei Karl Sterrer. Nach dem Kriegs- und Grünewald und Caspar David Friedrich haben, dienst führte er die damals sehr kontrovers dis- gesiebt, durchgehämmert, geknetet und zu einer kutierten Wandmalereien in der Theresienkirche rei-nen Form gebracht, also verwirklicht – wirklich auf der Hungerburg (1946/1947) sowie die des gemacht“2. Innsbrucker Hauptbahnhofes (1954/1955) aus. So setzt er in leuchtender, reinfarbiger Eitempe- Nach einer großen Einzelausstellung im Lan- ramalerei ein vibrierendes Mosaik aus Farbflä- desmuseum Ferdinandeum (1950) setzte mit chen, Flecken und Strichen auf den Bildträger

Max Weiler Max Weiler den Biennale-Teilnahmen des Künstlers in São und vermittelt so den Eindruck von der belebten Paulo (1955) und Venedig (1960) dessen inter- Vielfalt und Unendlichkeit des Kosmos. Dieses na-tionale Anerkennung ein. 1961 wurde Max Bildgeschehen parallel zur Natur zeigt Land- Weiler der Große Österreichische Staatspreis schaftsähnliches gleichsam im Fluss, im Prozess verliehen, von 1964 bis 1981 war er Professor des Entstehens, und seines Wachsens, über die für Malerei an der Wiener Akademie der bil- Begrenzungen des Bildraumes hinaus. Assoziati- denden Künste. Retrospektiven seines Werkes onen an einen Berghang mit lockerem ockerfar- fanden in Museen auf der ganzen Welt sowie bigen Erdreich, an Pilze oder Baumstrukturen mit in regelmäßigen Abständen in Österreich statt. markanten roten und türkisen Schirmen oder Kro- 1999 in einer groß angelegten Ausstellung des nen und an bedrohlich-schwebende, wolkenartige Wiener Künstlerhauses und der Wiener Akade- Strukturen werden beim Betrachter hier unmittel- mie, 2010 im Essl Museum in Klosterneuburg bar geweckt. „Handelt es sich um ein kleines Ra- und zuletzt eine Würdigung des zeichnerischen senstück, eine Wasserlacke oder eine Landschaft Werks in der Albertina in Wien 2011. Max Weiler in Aufruhr, sehen wir eine Wolke, einen Kopf, ei- wurde in den vergangenen Jahren mit angese- nen Berg? Oder einfach nur Malerei und Skulptur? henen Preisen und hohen offiziellen Würdigun- Es ist uns freigestellt. Natur und Malerei, Natur und gen ausgezeichnet. Skulptur sind ident.“3

„Hüpfende, häufende und sammelnde Die jahrzehntelange Auseinandersetzung mit Flecken… ein geschichtetes Konzentrat dem „Geistigen der Naturschönheit“ ist in ne- von Kobaltblau und Waldgrün, benstehendem malerischen Kleinod Max Weilers fallenden und steigenden, ein Schwirren eindrucksvoll demonstriert und in schönster Form auslösenden Bewegungen ist das konzentriert. Resultat einer neuen Frische, die das Werk dieses Malers in den letzten Jahren so entschieden bereichert hat.“1

In den späten 1980er Jahren fand Max Weiler nach einem bereits sechs Jahrzehnte überspannenden Oeuvre und mehreren dramatischen Wendepunk- ten zu seinem letzten großen Abenteuer: den un- gemein starkfarbigen „Landschaftsvisionen“, die in MAX WEILER ihrem leuchtenden Kolorit die reduzierte und oft (Absam bei Hall 1910 - 2001 Wien) 54 monochrome Palette der vorangegangenen Jah- Ohne Titel re ablöste. Dieses großartige Spätwerk, zu dem 1989 unser nebenstehendes Gemälde zu zählen ist, Eitempera auf Leinwand malt Max Weiler mit einer souveränen und zarten 40 x 30 cm Leichtigkeit, die sich aus seinem reichen Schatz Signiert und datiert rechts unten: MWeiler (19)89 Das Bild wird in das in Vorbereitung befindliche Werkverzeichnis der Gemälde Max Weilers aufgenommen.

Provenienz: Privatbesitz Österreich Literatur: Vgl.: Gottfried Boehm, Der Maler Max Weiler. Das Geistige in der Natur, 2. verbesserte Auflage, Wien 2010, Abb. S. 385 ff.; Max Weiler. Malerei seit 1927. Retrospektive, Ausstellungskatalog, Künstlerhaus, Wien 1999/2000, Abb. S. 353; Otto Breicha, Weiler. Die innere Figur, Salzburg 1989, Abb. S. 387 ff.

1) Kristian Sotriffer, Das innere Leben, in: Otto Breicha, Weiler. Die innere Figur, Salzburg 1989, S. 294 2) Max Weiler 1910-2001. Die Natur der Malerei, München 2010, S. 52 3) Edelbert Köb, Die Natur der Malerei in: Max Weiler 1910-2001. Die Natur der Malerei. Ausstellungskatalog Essl Museum, München 2010, S. 27

Arik Brauer ist nicht nur ein begnadeter Arik Brauer, dem vom 4. April bis 29. Oktober 2019 Zeichner und Maler, sondern auch ein eine umfangreiche Ausstellung im Jüdischen wunderbarer Sänger, ein großartiger Museum in Wien gewidmet ist, ist einer der fas- Schriftsteller, vor allem aber ein bis in zinierendsten und vielseitigsten österreichischen die letzte Faser seiner Existenz leiden- Künstler. Seine feinen, leuchtenden Malereien, schaftlicher Mensch. die sich an altmeisterlichen Techniken orientieren, eröffnen fantastische Welten und Kosmen voll Arik Brauer wurde 1929 als Sohn eines Handwer- Schönheit, Poesie aber auch Schrecken und Krieg. kers in Wien geboren, wo er auch seine Schulzeit verbrachte, bevor er während des Zweiten Welt- Ein Musiker, dessen Bogen der Ast einer fantasti- kriegs vor dem NS-Regime flehen musste. In den schen rosa Blume bildet, scheint über einer Grube1 Jahren 1945 bis1951 studierte er an der Wiener zu schweben. Ganz entrückt, völlig in seine Musik Akademie der bildenden Künste bei Robin Chris- versunken, senkt er den Blick zu Boden. In Hinter- tian Andersen und Albert Paris Gütersloh. Neben grund sprießen, ähnlich den kunstvollen Karotten Malerkollegen wie Ernst Fuchs, Rudolf Hausner im vorderen Bildteil, kleine Häuser und grüne Bäu- oder Anton Lehmden war Brauer Mitbegründer me aus der Erde. In weiterer Folge lässt sich in Arik Brauer Arik Brauer und einer der Hauptvertreter der „Wiener Schule Vogelperspektive Wien mit der Donau erkennen, des phantastischen Realismus“, einer wichtigen das detailreich in Grau- und Blautönen geschildert Strömung der Österreichischen Malerei, die dem wird. Surrealismus nahe steht. Ihre feine, kleinteilige Malweise schulten die Künstler an Gemälden Arik Brauers Aquarell „Über der Grube“ fasziniert Alter Meister. Nach der Gruppenausstellung der in seiner Feinheit und subtilen Darstellung eines „Phantasten“ 1959 in der Österreichischen Galerie Geigenspielers, dem die Welt zu Füßen zu liegen Belvedere begann ihre internationale Anerken- scheint. Nur die titelgebende Grube stört die all- nung, in deren Folge sich in einer beispiellosen umfassende Harmonie und evoziert eine tieferlie- Erfolgsserie auch zahlreiche Ausstellungen im gende, bedrohliche Ebene. In- und Ausland reihten. Anfang der 1950er Jahre reiste der Arik Brauer mit dem Fahrrad durch Euro- pa und Afrika, um anschließend als Tänzer in Israel und im Wiener Raimundtheater aufzutreten. 1957 heiratete er die Israelin Naomi Dahabani, mit der er in Paris, wo das Ehepaar zwischen 1957 und 1963 zuhause war und auch die beiden Töchter Timna und Talja geboren wurden, als israelisches Gesangsduo auftrat. Nach der Rückübersiedlung der Familie nach Wien 1964 beschäftigte sich der Künstler neben der Malerei mit der Gestaltung von Bühnenbildern und betätigte sich als Lieder- macher und Sänger. 1972 kam die dritte Tochter Ruth zur Welt. Von 1986 bis 1997 war er ordentli- cher Hochschulprofessor an der Akademie der bil- denden Künste. Daneben realisierte er zahlreiche künstlerische Projekte im In- und Ausland, darun- ter architektonische Bauten im öffentlichen Raum („Brauer-Haus“, Wien).

ARIK BRAUER (geb. Wien 1929) 55 Über der Grube Aquarell auf Papier 32,5 x 32,8 cm Signiert links unten: BRAUER Rückseitig betitelt: „ÜBER DER GRUBE“ Authentizität bestätigt durch das Atelier Brauer.

Literatur: Danielle Spera, Daniela Pscheiden (Hg.), Arik Brauer. Alle meine Künste, Ausstellungskatalog, Jüdisches Museum, Wien 2019; Franz Smola, Alexandra Matzner (Hg.), Arik Brauer Gesamt.Kunst.Werk, Ausstellungskatalog, Leopold Museum, Wien 2014

1) „In die Grube fahren“ ein Ausdruck, der aus der Welt des Bergbaus kommt, kann als Synonym für sterben oder aus dem Leben scheiden verstanden werden.

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