SIEBENBÜRGISCHES ARCHIV ARCHIV DES VEREINS FÜR SIEBENBÜRGISCHE LANDESKUNDE DRITTE FOLGE - IM AUFTRAG DES ARBEITSKREISES FÜR SIEBENBÜRGISCHE LANDESKUNDE HERAUSGEGEBEN VON HARALD ROTH UND ULRICH A. WIEN

BAND 42 GENERALPROBE

Neue Forschungen zur Geschichte des Deutschen Ordens in Siebenbürgen und im Banat

Herausgegeben von Konrad Gündisch

2013 BÖHLAU VERLAG KÖLN WEIMAR WIEN TERRA BORZA ET ULTRA MONTES NIVIUM. EIN GESCHEITERTER KIRCHENSTAAT UND SEIN NACHLASS

Von Serban Papacostea

Die Eroberung von Konstantinopel durch die Kreuzritter des Vierten Kreuz- zugs und die Schaffung eines Lateinischen Kaiserreichs auf den Ruinen des Byzantinischen Reiches hatte unvermeidbare internationale Folgen für Südost- und Osteuropa, die nicht vorgesehen wurden, weil sie gar nicht vorhersehbar gewesen sind'. Ob geplant oder nicht, hat die Eroberung Konstantinopels durch die Kreuzritter eine neue politische Lage geschaffen, die eigentlich einer neuen Struktur der internationalen Beziehungen in jenem weiten Raum gleichkam, in dem Byzanz einst die Hegemonie ausgeübt hatte. Die logische Folge der Ereignisse hat sich auch damals, wie allgemein in der Geschichte, jenseits jeglicher Vorahnung der Zeitgenossen abgespielt. Die urbs capta im Jahr 1204 hinterließ den Eroberern und allgemein den wichtigsten Mächten der Chris- tenheit ein Erbe, das diese nicht ausschlagen konnten. Unter dem Vorwand eines Provisoriums, das den Kreuzzug ins Heilige Land konsolidieren sollte, hat die Umleitung nach Konstantinopel die Kreuzfahrer-Streitkräfte, die sich am Bosporus niederließen, in militärische Auseinandersetzungen mit jenen Mächten verwickelt, die die neue politische Realität nicht akzeptieren wollten. Dies hatte zur Folge, dass noch weitere Kreuzfahrer in jenen Raum entsandt wurden, der im Geflecht der internationalen Beziehungen als Folge der Ereig- nisse von 1204 entstanden war. Osteuropa geriet im 13. Jahrhundert sowohl vor als auch nach dem Mongoleneinfall in das Betätigungsfeld der Kreuzfahrer und damit auch der Missionierung durch die Ordensritter. Als einer der bittersten und gefährlichsten Gegner des Kaiserreichs, das die Lateiner in Konstantinopel geschaffen hatten, erwies sich von Anfang an der bulgarische Staat, der Ende des 13. Jahrhunderts wieder entstanden war, als Folge der Zusammenarbeit zwischen den Balkanvlachen, die sich gegen Byzanz erhoben hatten, und den Bulgaren, die sich von der byzantinischen Herrschaft befreit hatten. Im April1205 wurde der Eroberungselan des neu gegründeten

1 Eine neue Bearbeitung des Stoffes bei Zdenek Pen t e k: Cesarstwo Lacinskie 1204- 1261. Kolonialne panstwo Krzyzowkow czy Neobyzancium? [Das Lateinische Kaiserreich 1204-1261, kolonialer Staat der Kreuzritter oder Neu-Byzanz?]. Poznari 2004. Ein gescheiterter Kirchenstaat 31

Lateinischen Kaiserreichs von den Kräften des neu restaurierten bulgarischen Staates empfindlich gebremst. Die Niederlage, die Gefangennahme und der Tod des ersten Lateinischen Kaisers von Konstantinopel während der Gefan- genschaft im Jahr 1205, kurze Zeit nach der Ausrufung des Lateinischen Kai- serreichs, führte den Kreuzrittern vor Augen, welch große Gefahr von ihrem Nachbarn im Norden ausging. Während der wiederholten bewaffneten Ausei- nandersetzungen mit den Streitkräften dieses Nachbarn kamen sie mit einem furchtbaren Gegner in Kontakt, mit den Kumanen, einem Volk, das zu jener Zeit die nordpontische Steppe bis zu den Ostkarpaten und dem Unterlauf der Donau beherrschte, das Steppenreich/ in seiner vorletzten Hypostase, dessen Herrschaft bald ein anderes asiatisches Volk antreten sollte, die Mongolen. Die Kumanen sind im Bewusstsein des Westens vor allem während der Kreuzzüge aufgetaucht, eine Folge des Kontakts der Kreuzritter mit den süd- osteuropäischen Realitäten. Die Folgen des Vierten Kreuzzugs und der katastro- phale Ausgang der Schlacht von Adrianopel, in der die leichte Kavallerie der Kumanen die schwere Reiterei der Kreuzritter zerschmetterte, sicherten ihnen bei den führenden Kreisen des Westens einen großen Bekanntheitsgrad. Die Berichterstatter des Vierten Kreuzzugs konnten, dank der Erfahrungen vor Ort, bedeutende Informationen über die Welt und Militärmacht der Kumanen liefern. Der kastilianische Kleriker Domingo, der spätere Gründer des Domini- . kanerordens, der 1205 in Rom weilte, kurze Zeit also nach der katastrophalen Niederlage der Kreuzfahrer bei Adrianopel, äußerte den Wunsch, seinen missio- narischen Eifer in diese Richtung zu lenken. Sein Wunsch war zweifellos eine Folge der Nachrichten, die im Westen ankamen und von der Rolle kündeten, die die Kumanen in den Auseinandersetzungen zwischen den Kreuzrittern aus Konstantinopel und der vlachisch-bulgarisch-kumanischen Koalition gespielt hatten. Der Nachfolger des bei Adrianopel besiegten lateinischen Kaisers, der neue Kaiser Heinrich, informierte seinerseits Papst Innozenz Ill. über die er- neuten militärischenAuseinandersetzungen mit den Gegnern aus dem Norden, unter anderen den Kumanen. Inder Strategie der Kräfte des Kreuzzugs, in der die Rettung des Lateinischen Kaiserreichs als unerlässlich betrachtet wurde, um das oberste Ziel des Kreuzzugs zu erreichen - nämlich das Heilige Land und Jerusalem - spielte das kumanische Problem eine immer bedeutendere Rolle. Rein zufällig oder dank einer bewussten Koordinierung mit jenen Kräften des Kreuzzugs, die das Lateinische Kaiserreich unterstützten, wurde die kumani- sehe Frage in den folgenden Jahren zum Hauptaugenmerk der Außenpolitik des Apostolischen Königreichs Ungam", Die Mission des Deutschen Ordens hatte anfänglich einen defensiven Cha- rakter. Nachdem sie sich im Jahr 1211 im Burzenland niederließen, ad munimen

2 Vg!. dazu Rene Grousset: Die Steppenvölker. Attila, Dschingis Khan, Tamerlan. München 1970 (franz.: L'Empire des Steppes, 1. Aufl. Paris 1948). 3 $erban Pap a cos tea: Between the Crusade and the Mongol Empire. The in the 13th Century. Cluj-Napoca 1998, S. 36-46. 32 $erban Papacostea

regni contra Cumanos, sahen sich die Ordensritter wiederholt Angriffen der Kumanen ausgesetzt (tanquam novella plantatio sunt positi et assiduos Cuma- norum patientes insultus4). Bald sollte man jedoch von der Verteidigung zum Angriff übergehen; die Ordensritter weiteten ihre Herrschaft ultra montes nivium aus und bauten Befestigungen, zunächst aus Holz, später aus Stein. Die Kumanen waren nicht in der Lage, diese Verteidigungslinie, die immer weiter vorverlegt wurde, zu durchbrechen. Sie konnten auch die traditionelle Taktik der überfallartigen Angriffe und Scharmützel nicht anwenden, weil sie ihre leichte und bewegliche Kavallerie nicht mehr entsetzen konnten (Comani perterriti et dolentes ademptam sibi ingressus et exitus facultatem), so dass viele sich zum Christentum bekehrten und sich den Siegern unterwarfen. Diese für die Christenheit günstige Entwicklung ergab sich bereits weniger als zehn Jahre nach der Ankunft der Deutschordensritter im Burzenland. Im Mai 1222 wurde in einer erneuten Schenkung des ungarischen Königs Andreas II. das ursprünglich dem Deutschen Orden überlassene Gebiet noch einmal erweitert ultra montes nivium, bis zur Donau und zu den Grenzen der Brodnici (usque ad terminos Prodnicorumo. Spätestens zu diesem Zeitpunkt hatte die kumanische Macht die Auseinandersetzung mit dem Deutschen Orden verloren und damit bedeutende Gebiete, die man als das "Schwarze Kumanien" bezeichnete (die westlichen Gebiete des kumanischen "Reiches"). 1223, ein Jahr später, zerfiel die kumanische Macht auch im sogenannten "Weißen Kumanien" (den östlichen Gebieten, die von den Kumanen beherrscht wurden), zerschmettert von der ersten Welle des Mongoleneinfalls. Unter diesem Doppelschlag verschwand die kumanische Variante des Steppenreichs unwiederbringlich. Der Deutsche Orden trug entscheidend zu diesem Ergebnis bei. Gleichzeitig mit der ungari- schen Offensive in Richtung Widin - also mit dem Feldzug des comes [oachim mit einem Heer, das aus Szeklern, Rumänen und Petschenegen bestand (1211- 1212)6- und mit dem Vorgehen des Deutschen Ordens in der terra Borza, vor allem ultra montes - wurde der militärische Beistand der Kumanen für den bulgarischen Staat unterbunden. Von Norden her von den Streitkräften des Königreichs Ungarn und jenen des Deutschen Ordens angegriffen, von Sü- den her von den Kräften des Lateinischen Kaiserreichs bedroht, sah sich das Bulgarien der Asseniden genötigt, nachzugeben und sich in die Allianz der katholischen Mächte einzureihen. Durch ihren von Erfolg gekrönten Feldzug gegen die Kumanen hatten die Deutschordensritter aus der Sicht des Papstes dem Interesse der gesamten Christenheit (toti populo Christiano) gedient und nicht weniger dem des Heiligen Landes (ad utilitatem non modicam TerreSaneie 7). Dieser Topos, der wiederholt in den Dokumenten der päpstlichen Kanzlei im

4 Harald Z i m mer m ann: Der Deutsche Orden im Burzenland. Eine diplomatische Untersuchung. 2. durchgesehene Auflage. Köln, Weimar, Wien 2011, 5.163-165. 5 Ebenda, 5.170. 6 Papacostea: Between the Crusade and the Mongol Empire (wie Anm.3), 5.47. 7 Zimmermann (wieAnm.4), 5. 178. Ein gescheiterter Kirchenstaat 33

Zusammenhang mit den Feldzügen des Deutschen Ordens auftaucht, sollte sicherlich die indirekte Hilfe kennzeichnen, die der Deutsche Orden dem Latei- nischen Kaiserreich von Konstantinopelleistete und die als unerlässliche Basis für einen Triumph des Kreuzzugs in Palästina betrachtet wurde. Umgekehrt brachten der Verlust der Gebiete, die der Deutsche Orden von den Kumanen erobert hatte und die Beschlagnahme dieser Territorien durch den ungarischen König die Kreuzritter und das Heilige Land um eine nützliche Hilfe, wie Papst Honorius Ill,in seinem Brief vom 12. Juni 1225 dem ungarischen König mitteilte (eis et ipsi Terre Sancte pene penitus inutilem reddidistis]. Der Erfolg, den die Deutschordensritter im kumanischen Raum erzielten, eröffnete ungeahnte Möglichkeiten, die von den Siegern unter den Bedingungen der damaligen geographischen Kenntnisse unmöglich vorausgeahnt werden konnten. Sicher ist, dass das eroberte Gebiet und vor allem das Territorium, das sich für ihre Expansion anbot - terra lata et epaciosa" - die Grenzen des ur- sprünglich von König Andreas IT.erhaltenen Besitzungen bei Weitem übertraf. Es bot sich ein weiter Raum an, den es zu erobern und in die Christianitas - in das Gebiet der katholischen Zivilisation - einzugliedern galt, und zwar jener Kumaniens im weitesten Sinne. Das schien die Kräfte des Deutschen Ordens nicht zu überfordern, und er war auch bereit, diesen Auftrag auszuführen. Da es bezüglich der vage ultra montes nivium bezeichneten Gebiete keine ursprüngli- che Abmachung gab, wurden die Divergenzen zwischen den Visionen und den Interessen des Königreichs Ungarn und der Führung des Deutschen Ordens immer größer und mündeten in einen offenen Konflikt. Das Königreich Ungarn äußerte von Anfang an die Hoffnung, sein Gebiet in der Folge der Feldzüge der Deutschordensritter zu erweitern (ut et regnum per conversationem eorum propagatam dilatetur10), und diese dilatatio sollte in Abstimmung mit den Erfolgen geschehen, die von den Bundesgenossen des Ritterordens erzielt wurden. Das Gegenteil war der Fall. Nach den Erfolgen, die der Deutsche Orden erzielte, äußerte er immer entschlossener die Absicht, diese eroberten Gebiete für sich zu behalten und unter ausschließlich seiner Autorität zu unterwerfen (quod in pugna /occupata/ propter hoc potius mori velle, quam restituere illa sibi/ regi/ll). Der Konflikt brach also nicht in der terra Borza oder wegen dieses Gebietes aus, sondern wegen der Territorien, die ultra montes nivium lagen, die die Geographie jener Zeit als Kumanien zu bezeichnen beginnt. Die Spannungen zwischen den beiden Bündnispartnern, die zu Feinden wurden nach den großen Erfolgen, die sie im Kampf gegen die Kumanen errungen hatten, mündeten in einen offenen Konflikt, als der ungarische Kö- nig Andreas H., der entschlossen war, die immensen Räume, die sich den Deutschordensrittern nach dem Zusammenbruch der kumanischen Macht

8 Ebenda, 5. 187. 9 Ebenda, 5.178. 10 Ebenda, 5. 162 11 Ebenda, 5. 191. 34 $erban Papacostea anboten, nicht zu überlassen, die ursprünglichen Abmachungen aufzukündi- gen und die Gebiete zu beschlagnahmen, die im Privileg von 1211 festgelegt worden waren (cum ierram sepedictam eis preceperamus auferri12). Die päpstliche Vermittlung beendete diese erste Phase des Konflikts zwischen den beiden Rivalen im Kampf um die Herrschaft im kumanischen Raum. Das neue Pri- vileg, das der ungarische König Andreas 11. dem Deutschen Orden im Mai 1222 gewährte, erneuerte die Konzessionen für das Burzenland aus dem Jahr 1211 und begrenzte das Gebiet, das den Deutschordensrittern ultra montes nivium überlassen wurde. Obwohl die Autonomie, die der König sowohl für diesen Raum als auch für das Burzenland zugestand, eine weitreichende war, wurde im königlichen Privileg eindeutig der Vorrang der königlichen Macht festgelegt, sowohl über die Gebiete diesseits als auch über jene jenseits der Karpaten. Durch die neue Konzession nahm der König den Deutschen Orden unter seine Herrschaft lImit all den Besitzungen und Gütern, von denen man weiß, dass sie zur Zeit besitzen, oder in Zukunft auf legitime Weise mit Gottes Hilfe erwerben könnten". Nur unter diesen Bedingungen, die eindeutig die Abhängigkeit des Deutschen Ordens vom ungarischen Königtum unterstrichen, hat König Andreas 11. die Rechte der Ordensritter über die Gebiete restauriert (restaurationem facimus), deren Beschlagnahme er vorher beschlossen hatte13• Die Vorstellungen des Deutschen Ordens waren aber genau das Gegenteil dessen, was dem König vorschwebte. Weit entfernt davon, die Beschränkun- gen zu akzeptieren, die ihm durch die Ansprüche des Königs auferlegt wur- den, begann der Orden seine Unabhängigkeit vor allem auf dem Gebiet der kirchlichen Organisation. Mit dem Einverständnis und der Unterstützung der päpstlichen Kurie erhielt der Orden im Jahr 1223, ein Jahr nach der Erneuerung der Privilegien durch König Andreas 11., das Recht, einen Dekan für die von ihm beherrschten Gebiete exempt zu ernennen, unter der direkten Autorität des Papstes, wobei der Dekan direkt zum Bischof des Ordens erklärt wurde, unter Ausschluss eines jeglichen anderen Bischofs oder Prälaten (nullum preter Romanum Pontificem non habeat episcopum vel prelatum14). Unter den gegebenen Umständen war die direkte Abhängigkeit des Deutschen Ordens vom Aposto- lischen Stuhl das Vorspiel zur politischen Unabhängigkeit. Folgerichtig erklärte Papst Honorius Ill. im Laufe des Jahres 1222 die Übernahme des Burzenlandes und der Gebiete jenseits der Karpaten in jus et proprietatem Apostolice Sedis15• Die königliche Konzession von 1211, erheblich erweitert durch die Offensiven und Eroberungen des Deutschen Ordens jenseits der Karpaten, lief darauf hinaus, zur Bildung eines Kirchenstaates zu führen, dem ersten in diesem Teil Europas.

12 Zimmermann (wieAnm.4), 5.171. 13 Ebenda. 14 Ebenda, S.175;GabrielA d r ici n y i: Zur Geschichte des Deutschen Ritterordens in Siebenbürgen. In: Ungarn Jahrbuch 3 (1972),S.17f.; Friedrich Martini: Der Deutsche Ritterorden und seine Kolonisten im Burzenland. In: Ungarn Jahrbuch 10 (1979),S.45f. 15 Zimmermann (wieAnm.4), S.l83. Ein gescheiterter Kirchenstaat 35

Diese Lösung war für den ungarischen König inakzeptabel, er setzte sich über die Empfindlichkeiten der Römischen Kurie hinweg, reagierte manu militari und vertrieb die Rittermönche aus den Gebieten, die er beherrschte. Diesmal erwies sich die Entscheidung König Andreas' 11.als unumkehrbar. Spätere Ver- mittlungen des Papstes Honorius Ill. blieben ergebnislos. Vergeblich versuchte der Papst, den unnachgiebigen König zu überzeugen, der Deutsche Orden be- anspruche lediglich "einen Teil Kumaniens" (partem Comanie16), nämlich jenen, den der König dem Orden in seinem zweiten Privileg von 1222 zugesprochen hatte. Der Entschluss des Ordens, die Unabhängigkeit von der Krone zu erlan- gen, was nunmehr klar zum Ausdruck gekommen war, und die Tendenz des Ordens, seine Herrschaft über Kumanien auszudehnen, veranlassten König Andreas H. dazu, einen neuen Kompromiss abzulehnen und die Versuche der Kreuzritter unwiderruflich abzulehnen, mit päpstlicher Hilfe in jene Gebiete zurückzukehren, aus denen man sie vertrieben hatte. Das ungarische Königtum war nun fest entschlossen, das Erbe des Deutschen Ordens endgültig zu inte- grieren, der das sich in Auflösung befindliche kumanische Reich beherrschte, um ihn in die Christianitas einzuführen, allerdings unter eigener Autorität. Dieses Land sollte in den Herrschaftsbereich des Königs eingehen, der es sei- nen Besitztümern als besonderes Land hinzufügte, das auch durch das Führen des Titels eines rex Cumanie zum Ausdruck karn. Die Ernte, die die Deutsch- ordensritter 14 Jahre lang unter großen Anstrengungen vorbereiteten, wurde letztendlich von der politischen und kirchlichen Hierarchie des Königreichs Ungarn eingebracht und in die eigenen Strukturen eingefügt. Die Führung des Königreichs Ungarn hat das Gebiet, das vorn Deutschen Orden übernommen worden war, unverzüglich kirchlich neu organisiert und die Möglichkeiten ausgelotet, die Herrschaft des Königreichs über das gesamte Gebiet auszu- dehnen, das vorher zum kumanischen Reich gehört hatte. Bemerkenswert ist die Entscheidung König Andreas' 11.,die Identität der Kumanen nicht auszu- löschen; ihr Name hielt in der damaligen Geographie für jenen Raum in den Ostkarpaten Einzug, den man nunmehr als Kumanien zu bezeichnen pflegte. Das erste Indiz, dass die Ungarn Anstrengungen unternahmen, jenes Gebiet zu organisieren, das der Deutsche Orden ungarischem Einfluss geöffnet hat- te, war 1227 die Gründung eines episcopatus Cumanorum, das der kirchlichen Hierarchie Ungarns unterstellt wurde. Nur zwei Jahre nach der Vertreibung der Ritter und nach einer neuen, massiven Welle der Konversion in Kuma- nien, ernannte Papst Gregor IX. den Erzbischof von Gran auf dessen Bitte zum apostolischen Legaten in Kumanien. An die Führung des Kumanenbistums wurde ein Dominikaner aus Ungarn berufen, als Garantie für das Königtum, dass die neue Diözese unter seinem Einfluss verbleiben werde. Selbst als das neue Bistum kurz danach direkt unter die Autorität des Papstes karn, blieb das dazugehörende Gebiet unter der Kontrolle des ungarischen Königtums. Übrigens erscheint nur kurze Zeit nach der Gründung des Bistums auch in

16 Ebenda, 5.199. 36 $erbanPapacostea der Titulatur des ungarischen Königs in der Reihe der Königreiche, die zur ungarischen Krone gehörten, der Titel eines rex Cumaniae. Der neue Titel war die Antwort auf eine Realität und gleichzeitig Anspruchs- denken. Die Realität war das Gebiet innerhalb der Grenzen des kumanischen Bistums, die uns relativ bekannt sind. Im Norden und im Osten grenzte das Land des kumanischen Bischofs (terra episcopi Cumanorum) an den Sereth, den Fluss, dessen Ufer die Deutschordensritter auf dem Höhepunkt ihrer Expan- sion im Osten erreicht hatten. Im Süden bestand das "Land" aus den Gebieten, die die Verbindung zwischen dem Burzenland und der Donau herstellten, und im Westen erstreckte es sich bis zum Unterlauf des Altl7• Aber Kumanien erstreckte sich viel weiter nach Osten bis in die nordpontische Steppe, jenseits des Dnjestr, des Dnjepr und bis zum Don und zur Wolga; die Ansprüche des ungarischen Königtums erstreckten sich prompt auch auf diese Gebiete, die man den Siegen der Deutschordensritter über die Kumanen verdankte, wo- bei die königlichen Heere später das Werk der Ritter vollendeten. Es ist sehr wahrscheinlich, dass sich die kumanischen politischen Strukturen - die Klans und ihre Stämme - der neuen Macht aus dem Westen unterworfen und ihre Oberhoheit anerkannt habenl'', Gleichzeitig mit dem Titel eines rex Cumaniae übernahm Andreas 11.nicht nur die Vorteile, die mit der neuen Herrschaft verbunden waren, sondern auch die Verpflichtung, diesen Raum und die darin lebenden Menschen zu verteidigen. Inder Tat sollten kurze Zeit nach dem Sieg in der Auseinandersetzung mit dem Deutschen Orden zwei neue Konkurrenten im Kampf um die Herrschaft über den nordpontischen Raum auftauchen. Die ersten waren die seldschukischen Türken aus Iconium. Am 21. März 1228 teilte Papst Gregor IX. dem Erzbischof von Gran - dem päpstlichen Legaten, der den Dominikanermönch Theoderich als Bischof der Kumanen eingesetzt hatte - die Notwendigkeit mit, gegen die Ungläubigen mit Waffengewalt vorzugehen, die die terrae Christianorum in der Nachbarschaft der Kumanen besetzt hatten'". Unter diesen Ungläubigen wird namentlich der Sultan von Iconium genannt, dessen Flotte um 1227 den bedeutenden Hafen Soldaja (Sugdea) am östlichen Ufer der Krim besetzt hatte. Der Feldzug der Türken aus Kleinasien wurde begleitet von einer gewaltigen Welle des islamischen Proselytism us, die sowohl die Gebietsgewinne des Kö- nigreichs Ungarn als auch die Erfolge der Römischen Kirche null und nichtig zu machen drohte. Um die erst kürzlich eroberten Gebiete zu verteidigen, gewährte der Papst all jenen, die an den Anstrengungen teilnahmen, die neuen

17 Pa pacostea: Between the Crusade and the Mongol Empire (wieAnm. 3),5.106. 18 Horst G Iass I:Der Deutsche Orden im Burzenland und in Kumanien (1211-1225). In: Ungarn Jahrbuch 3 (1971),5.40-42. 19 Aloysius L. Tä u tu (Hg.):Acta Honorii III (1216-1227et Gregorii IX(1227-1241). Citta dei Vaticano,1950, 5.208-209;~rban Papacostea: Ungaria ~iMarea Neagrä in secolul al XIII-lea[Ungarn und das Schwarze Meer im 13.Jahrhundert]. In: Studii de istorie romäneascä. Economie ~isocietate (secoleleXIII-XVIII).Bräila 2009,5.14£. Ein gescheiterter Kirchenstaat 37

Eindringlinge abzuwehren, einen Sündenerlass für zwei Jahre. Die Reichweite des Kreuzzugs erfasste nun auch den Norden des Schwarzen Meeres. Um diesen neuen Konkurrenten im Kampf um die Herrschaft über Kumanien die Stirn zu bieten oder um einer zweiten Welle der mongolischen Invasion zuvorzukommen, hielt sich 1238 in der Gegend des Asowschen Meeres ein ungarisches Heer unter dem Kommando eines comes Transilvanus auf2o• Die Indizien sind jedenfalls klar: Ungarn hatte sich effektiv im regnum Cumaniae impliziert, das zu den Kronländern seines Königs gehörte. Am weitesten drang das Königreich Ungarn in den osteuropäischen Raum mit Hilfe geistlicher Waffen vor. Im vierten Jahrzehnt des 13. Jahrhunderts startete man eine mutige Expedition aus den Reihen der ungarischen Do- minikanermönche, deren Ziel es war, die Ungarn aus der Magna Hungaria zu finden und sie zum christlichen Glauben zu bekehren, jene Ungarn, die Jahrhunderte zuvor am Oberlauf der Wolga geblieben waren, als ein Großteil ihrer Stammesbrüder Richtung Westen aufbrach, um sich in Pannonien nie- derzulassen. Einer der Teilnehmer an der Expedition der Dominikaner -frater Julianus - gelangte 1234-1235 an sein Zie121. Zur selben Zeit jedoch wälzte sich 1236-1237 aus den Tiefen Asiens die zweite Welle der mongolischen Invasion in den osteuropäischen Raum, die im Verlauf weniger Jahre sämtliche terri- torialen und politischen Fortschritte, die das Königreich Ungarn östlich der Karpaten erzielt hatte, zunichte machte und somit die Expansion beendete, die der Deutsche Orden 1211 begonnen hatte. Von dem gesamten Erbe, das der Deutsche Orden hinterlassen hatte und das vom Königreich Ungarn ausgebaut wurde, blieb nur die terra Borza übrig. An dieser Lage änderte sich ein Jahrhundert lang nichts, so lange die mon- golische Hegemonie über Osteuropa dauerte. Erst gegen Mitte des 14. Jah3 hunderts, als die aus dem Königreich Ungarn, dem Königreich Polen und d gerade entstehenden Donaufürstentümern gebildete antimongolische Koalitio .. die Herrschaft der Goldenen Horde weit nach Osten zurückdrängte, nahm König Ludwig I. die ungarische Expansion, die 1211 vom Deutschen Orden begonnen wurde, in Richtung Osten teilweise wieder auf. Die bedeutendsten Ergebnisse dieser Wiederaufnahme der Expansion, die die Deutschordensritter eingeleitet hatten, waren im 13. Jahrhundert die Bildung des Bistums Milkow im Karpatenbogen mit der Wiederauferstehung des kumanischen Bistums auf weit engerem Raum, die zeitweilige politische Herrschaft über diesen Raum in Opposition zu den rumänischen Fürstentümern Walachei und Moldau und - am bedeutendsten und nachhaltigsten - die Handelsprivilegien, die Kronstadt die Verbindung zum Unterlauf der Donau sicherten, eine wesentliche Vorausset- zung für den Wohlstand der Stadt.

20 Papacostea: Ungaria (wieAnm.19), S. 20. 21 Heinrich D ö r r i e: Drei Texte zur Geschichte der Ungarn und Mongolen: die Mis- sionsreisen des Fr. Julianus o. P. im Uralgebiet (1234-1235) und nach Russland (1237) und der Bericht des Erzbischofs Peter über die Tataren. Göttingen 1956 (Nachrichten der Akademie der Wissenschaften in Göttingen, Phil.-Historische Klasse 6), S. 144f. 38 $erhan Papacostea

Die Expansion des Osmanischen Reiches in Richtung Unterlauf der Donau und Schwarzes Meer beseitigte dieses letzte Segment des Erbes, das der Deut- sche Orden drei Jahrhunderte vorher ultra montes nivium hinterlassen hatte.

Summary

Terra Borza ultra mantes nivium. The Legacy of a Failed State

In 1211, the knights of the have been settled in Transylvania by King Andrew II of Hungary in order to repel the devastating raids of the in the province and, simultaneously, to come to the rescue of the recently founded Latin Empire in Constantinople. Menaced in its very exist- ence by the newly restored Bulgarian Tsarat, dedsevly supported by the same Cumans, who dominated the steppe at the north of the Black Sea till to the lower course of the Danube and the chain of the East Carpathian mountains. The brilliant military successes of the knights in Transylvania - in the "Terra Borza" - and beyond the Carpathian mountains - "ultra montes nivium"- brought to an end the Cuman domination in Eastern Europe; but it also opened the door to an acute rivalry between the Hungarian Kingdom and the Teutonic Knights for the control of the recently emancipated territories from under the Cuman domination. Finally, in 1225, in spite of the persistent protection they enjoyed from the Papacy, the Teutonic Knights had to hand over all their conquests in the region to the Hungarian authorities and to leave the country. Inaugurated by the Teutonic Knights, the trans-carpathian expansion in direc- tion of the Mouths of the Danube and the Black Sea was to remain a constant direction of the foreign policy of the Hungarian Kingdom before the Great Mongol Invasion in 1240-1241 and after the downfall of the hegemony of the Golden Horde in the region in the second half of the XIV century.

Rezumat

Terra Borza ultra mantes nivium. Un stat bisericesc esuat ~i läsämäntul sau

inanu11211, cavalerii Ordinului Teuton au fost instalati inTransiIvania de re- gele Andrei ITal Ungariei pentru a respinge raidurile devastatoare ale cumanilor Ein gescheiterter Kirchenstaat 39 in provincie si, in acelasi timp, pentru a veni in ajutorul Irnperiului Latin din Con- stantinopol, recent intemeiat, amenirrtat in insäsi existenta sa de '[aratul Bulgar, de curänd restaurat, sustinut masiv de aceiasi curnani, care dominau stepele nord- pontice pänä la cursul inferior al Dunärii si pänä la lantul Carpatilor räsäriteni. Strälucitele succese militare ale cavalerilor teutoni in Transilvania - "in terra Borza" - si dincolo de Carpati - "ultra montes nivium" - au pus capät domi- natiei cumane in Europa räsäriteanä: dar ele au deschis ~i calea unei puternice rivalitäti intre Regatul Ungar ~i cavalerii teutoni pentru controlul teritoriilor emancipate de sub stäpänirea cumanä.In cele din urmä, in 1225,in ciuda protec- pei persistente a papalitätii, cavalerii teutoni au fost siliti sa predea autoritätilor ungare toate cuceririle lor inregiune si sa päräseascä tara. Inauguratä de Ordi- nul Cavalerilor Teutoni, expansiunea transcarpaticä in directia Gurilor Dunärii ~ia Märii Negre a fost preluatä de Regatul Ungar ea directie constantä a politicii sale externe inainte de marea invazie rnongolä din 1240-1241 ~idupä präbusirea hegemoniei Hoardei de Aur in regiune, in a doua jumätate a secolului XIV.

Összefoglalas

Terra Borza ultra mantes nivium. Egy bukott egyhazi allam es annak öröksege

1211-ben II. Endre, Magyarorszäg kiralya, Erdelybe telepitette a teuton lova- gokat, hogy kivedjek a kunok pusztitö rajtaüteseit a tartomänyban, valamint hogy segltsegere siessenek a röviddel azelött alapitott konstantinäpolyi Latin Birodalomnak, amelynek letezeset a nem sokkal korabban helyrealitott Bolgar Birodalom fenyegetett. A bolgärok ugyanazoknak a kunoknak elveztek a jelentös tamogatasat, akik a Fekete tengertöl eszakra fekvö es az Also Dunaig valamint a Keleti Kärpätok vonulatäig huzodö sztyeppeket uraltäk, A teuton lovagok ragyogö katonai sikerei Erdelyben (a Barcasägban - in terra Borza) es a Kärpä- tokon tul (ultra montes nivium) veget vetettek a kunok keleteuröpai uralmanak, de ugyanakkor utat nyitottak a Magyar Kirälysäg es a teuton lovagok közötti erös rivalizäläsnak a kunok uralma alöl felszabadult területek fölötti ellenörzes miatt. Vegüll225-ben, a papasag tart6s vedelme elIenere, a teuton lovagok arra kenyszerültek, hogy atadjak a magyar hat6sagoknak összes hOditasaikat a regi6ban es elhagyjak az orszagot. A Nemet Lovagrend altal kezdemenyezett Karpatokon tUli terjeszkedest a Duna torkolata es a Fekete tenger iranyaba atvette a Magyar Kiralysag es a 1240-1241-es nagy tatarjaras elott, valamint az Aranyhorda hegem6niajanak megsziinese utan, a regi6ban ez kepezte külpoli- tikajanak vezerfonalat a 14. szazad masodik feIeben.