Siebenbürgisches Archiv

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SIEBENBÜRGISCHES ARCHIV ARCHIV DES VEREINS FÜR SIEBENBÜRGISCHE LANDESKUNDE DRITTE FOLGE - IM AUFTRAG DES ARBEITSKREISES FÜR SIEBENBÜRGISCHE LANDESKUNDE HERAUSGEGEBEN VON HARALD ROTH UND ULRICH A. WIEN BAND 42 GENERALPROBE BURZENLAND Neue Forschungen zur Geschichte des Deutschen Ordens in Siebenbürgen und im Banat Herausgegeben von Konrad Gündisch 2013 BÖHLAU VERLAG KÖLN WEIMAR WIEN TERRA BORZA ET ULTRA MONTES NIVIUM. EIN GESCHEITERTER KIRCHENSTAAT UND SEIN NACHLASS Von Serban Papacostea Die Eroberung von Konstantinopel durch die Kreuzritter des Vierten Kreuz- zugs und die Schaffung eines Lateinischen Kaiserreichs auf den Ruinen des Byzantinischen Reiches hatte unvermeidbare internationale Folgen für Südost- und Osteuropa, die nicht vorgesehen wurden, weil sie gar nicht vorhersehbar gewesen sind'. Ob geplant oder nicht, hat die Eroberung Konstantinopels durch die Kreuzritter eine neue politische Lage geschaffen, die eigentlich einer neuen Struktur der internationalen Beziehungen in jenem weiten Raum gleichkam, in dem Byzanz einst die Hegemonie ausgeübt hatte. Die logische Folge der Ereignisse hat sich auch damals, wie allgemein in der Geschichte, jenseits jeglicher Vorahnung der Zeitgenossen abgespielt. Die urbs capta im Jahr 1204 hinterließ den Eroberern und allgemein den wichtigsten Mächten der Chris- tenheit ein Erbe, das diese nicht ausschlagen konnten. Unter dem Vorwand eines Provisoriums, das den Kreuzzug ins Heilige Land konsolidieren sollte, hat die Umleitung nach Konstantinopel die Kreuzfahrer-Streitkräfte, die sich am Bosporus niederließen, in militärische Auseinandersetzungen mit jenen Mächten verwickelt, die die neue politische Realität nicht akzeptieren wollten. Dies hatte zur Folge, dass noch weitere Kreuzfahrer in jenen Raum entsandt wurden, der im Geflecht der internationalen Beziehungen als Folge der Ereig- nisse von 1204 entstanden war. Osteuropa geriet im 13. Jahrhundert sowohl vor als auch nach dem Mongoleneinfall in das Betätigungsfeld der Kreuzfahrer und damit auch der Missionierung durch die Ordensritter. Als einer der bittersten und gefährlichsten Gegner des Kaiserreichs, das die Lateiner in Konstantinopel geschaffen hatten, erwies sich von Anfang an der bulgarische Staat, der Ende des 13. Jahrhunderts wieder entstanden war, als Folge der Zusammenarbeit zwischen den Balkanvlachen, die sich gegen Byzanz erhoben hatten, und den Bulgaren, die sich von der byzantinischen Herrschaft befreit hatten. Im April1205 wurde der Eroberungselan des neu gegründeten 1 Eine neue Bearbeitung des Stoffes bei Zdenek Pen t e k: Cesarstwo Lacinskie 1204- 1261. Kolonialne panstwo Krzyzowkow czy Neobyzancium? [Das Lateinische Kaiserreich 1204-1261, kolonialer Staat der Kreuzritter oder Neu-Byzanz?]. Poznari 2004. Ein gescheiterter Kirchenstaat 31 Lateinischen Kaiserreichs von den Kräften des neu restaurierten bulgarischen Staates empfindlich gebremst. Die Niederlage, die Gefangennahme und der Tod des ersten Lateinischen Kaisers von Konstantinopel während der Gefan- genschaft im Jahr 1205, kurze Zeit nach der Ausrufung des Lateinischen Kai- serreichs, führte den Kreuzrittern vor Augen, welch große Gefahr von ihrem Nachbarn im Norden ausging. Während der wiederholten bewaffneten Ausei- nandersetzungen mit den Streitkräften dieses Nachbarn kamen sie mit einem furchtbaren Gegner in Kontakt, mit den Kumanen, einem Volk, das zu jener Zeit die nordpontische Steppe bis zu den Ostkarpaten und dem Unterlauf der Donau beherrschte, das Steppenreich/ in seiner vorletzten Hypostase, dessen Herrschaft bald ein anderes asiatisches Volk antreten sollte, die Mongolen. Die Kumanen sind im Bewusstsein des Westens vor allem während der Kreuzzüge aufgetaucht, eine Folge des Kontakts der Kreuzritter mit den süd- osteuropäischen Realitäten. Die Folgen des Vierten Kreuzzugs und der katastro- phale Ausgang der Schlacht von Adrianopel, in der die leichte Kavallerie der Kumanen die schwere Reiterei der Kreuzritter zerschmetterte, sicherten ihnen bei den führenden Kreisen des Westens einen großen Bekanntheitsgrad. Die Berichterstatter des Vierten Kreuzzugs konnten, dank der Erfahrungen vor Ort, bedeutende Informationen über die Welt und Militärmacht der Kumanen liefern. Der kastilianische Kleriker Domingo, der spätere Gründer des Domini- . kanerordens, der 1205 in Rom weilte, kurze Zeit also nach der katastrophalen Niederlage der Kreuzfahrer bei Adrianopel, äußerte den Wunsch, seinen missio- narischen Eifer in diese Richtung zu lenken. Sein Wunsch war zweifellos eine Folge der Nachrichten, die im Westen ankamen und von der Rolle kündeten, die die Kumanen in den Auseinandersetzungen zwischen den Kreuzrittern aus Konstantinopel und der vlachisch-bulgarisch-kumanischen Koalition gespielt hatten. Der Nachfolger des bei Adrianopel besiegten lateinischen Kaisers, der neue Kaiser Heinrich, informierte seinerseits Papst Innozenz Ill. über die er- neuten militärischenAuseinandersetzungen mit den Gegnern aus dem Norden, unter anderen den Kumanen. Inder Strategie der Kräfte des Kreuzzugs, in der die Rettung des Lateinischen Kaiserreichs als unerlässlich betrachtet wurde, um das oberste Ziel des Kreuzzugs zu erreichen - nämlich das Heilige Land und Jerusalem - spielte das kumanische Problem eine immer bedeutendere Rolle. Rein zufällig oder dank einer bewussten Koordinierung mit jenen Kräften des Kreuzzugs, die das Lateinische Kaiserreich unterstützten, wurde die kumani- sehe Frage in den folgenden Jahren zum Hauptaugenmerk der Außenpolitik des Apostolischen Königreichs Ungam", Die Mission des Deutschen Ordens hatte anfänglich einen defensiven Cha- rakter. Nachdem sie sich im Jahr 1211 im Burzenland niederließen, ad munimen 2 Vg!. dazu Rene Grousset: Die Steppenvölker. Attila, Dschingis Khan, Tamerlan. München 1970 (franz.: L'Empire des Steppes, 1. Aufl. Paris 1948). 3 $erban Pap a cos tea: Between the Crusade and the Mongol Empire. The Romanians in the 13th Century. Cluj-Napoca 1998, S. 36-46. 32 $erban Papacostea regni contra Cumanos, sahen sich die Ordensritter wiederholt Angriffen der Kumanen ausgesetzt (tanquam novella plantatio sunt positi et assiduos Cuma- norum patientes insultus4). Bald sollte man jedoch von der Verteidigung zum Angriff übergehen; die Ordensritter weiteten ihre Herrschaft ultra montes nivium aus und bauten Befestigungen, zunächst aus Holz, später aus Stein. Die Kumanen waren nicht in der Lage, diese Verteidigungslinie, die immer weiter vorverlegt wurde, zu durchbrechen. Sie konnten auch die traditionelle Taktik der überfallartigen Angriffe und Scharmützel nicht anwenden, weil sie ihre leichte und bewegliche Kavallerie nicht mehr entsetzen konnten (Comani perterriti et dolentes ademptam sibi ingressus et exitus facultatem), so dass viele sich zum Christentum bekehrten und sich den Siegern unterwarfen. Diese für die Christenheit günstige Entwicklung ergab sich bereits weniger als zehn Jahre nach der Ankunft der Deutschordensritter im Burzenland. Im Mai 1222 wurde in einer erneuten Schenkung des ungarischen Königs Andreas II. das ursprünglich dem Deutschen Orden überlassene Gebiet noch einmal erweitert ultra montes nivium, bis zur Donau und zu den Grenzen der Brodnici (usque ad terminos Prodnicorumo. Spätestens zu diesem Zeitpunkt hatte die kumanische Macht die Auseinandersetzung mit dem Deutschen Orden verloren und damit bedeutende Gebiete, die man als das "Schwarze Kumanien" bezeichnete (die westlichen Gebiete des kumanischen "Reiches"). 1223, ein Jahr später, zerfiel die kumanische Macht auch im sogenannten "Weißen Kumanien" (den östlichen Gebieten, die von den Kumanen beherrscht wurden), zerschmettert von der ersten Welle des Mongoleneinfalls. Unter diesem Doppelschlag verschwand die kumanische Variante des Steppenreichs unwiederbringlich. Der Deutsche Orden trug entscheidend zu diesem Ergebnis bei. Gleichzeitig mit der ungari- schen Offensive in Richtung Widin - also mit dem Feldzug des comes [oachim mit einem Heer, das aus Szeklern, Rumänen und Petschenegen bestand (1211- 1212)6- und mit dem Vorgehen des Deutschen Ordens in der terra Borza, vor allem ultra montes - wurde der militärische Beistand der Kumanen für den bulgarischen Staat unterbunden. Von Norden her von den Streitkräften des Königreichs Ungarn und jenen des Deutschen Ordens angegriffen, von Sü- den her von den Kräften des Lateinischen Kaiserreichs bedroht, sah sich das Bulgarien der Asseniden genötigt, nachzugeben und sich in die Allianz der katholischen Mächte einzureihen. Durch ihren von Erfolg gekrönten Feldzug gegen die Kumanen hatten die Deutschordensritter aus der Sicht des Papstes dem Interesse der gesamten Christenheit (toti populo Christiano) gedient und nicht weniger dem des Heiligen Landes (ad utilitatem non modicam TerreSaneie 7). Dieser Topos, der wiederholt in den Dokumenten der päpstlichen Kanzlei im 4 Harald Z i m mer m ann: Der Deutsche Orden im Burzenland. Eine diplomatische Untersuchung. 2. durchgesehene Auflage. Köln, Weimar, Wien 2011, 5.163-165. 5 Ebenda, 5.170. 6 Papacostea: Between the Crusade and the Mongol Empire (wie Anm.3), 5.47. 7 Zimmermann (wieAnm.4), 5. 178. Ein gescheiterter Kirchenstaat 33 Zusammenhang mit den Feldzügen des Deutschen Ordens auftaucht, sollte sicherlich die indirekte Hilfe kennzeichnen, die der Deutsche Orden dem Latei- nischen Kaiserreich von Konstantinopelleistete und die als unerlässliche Basis für einen Triumph des Kreuzzugs in Palästina betrachtet wurde. Umgekehrt brachten der Verlust der Gebiete, die der Deutsche Orden von den Kumanen erobert hatte und die Beschlagnahme dieser Territorien durch den ungarischen König

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