Barbara Colette Zitturi

Film im Vergleich der Kulturen

Masterarbeit

zur Erlangung des akademischen Grades eines Master of Arts der Studienrichtung Soziologie an der Karl-Franzens-Universität Graz

Begutachter/in: Dr. Stephan Moebius

Institut: Soziologie

Graz/04/2012

Ehrenwörtliche Erklärung

Ich erkläre ehrenwörtlich, dass ich die vorliegende Arbeit selbständig und ohne fremde Hilfe verfasst, andere als die angegebenen Quellen nicht benutzt und die den Quellen wörtlich oder inhaltlich ent- nommenen Stellen als solche kenntlich gemacht habe. Die Arbeit wurde bisher in gleicher oder ähnli- cher Form keiner anderen inländischen oder ausländischen Prüfungsbehörde vorgelegt und auch noch nicht veröffentlicht. Die vorliegende Fassung entspricht der eingereichten elektronischen Versi- on.

Datum: Unterschrift:

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Danksagung

Some may think I did it on my own But that’s just not true, I would not have been able Without you by my side.

Ich möchte mich bei allen bedanken, die mich beim Verfassen dieser Arbeit, auf unterschiedlichsten Ebenen unterstützt haben.

Allen voran bedanke ich mich bei meinem fachlichen Betreuer Stephan Moebius, der mir während des Anfertigens der Arbeit zur Seite stand.

Besonders bedanke ich mich bei meiner Familie und meinen Freunden, die meine Momente der Ver- zweiflung, aber auch meine kleinen Freuden miterleben mussten. Allen voran gilt mein Dank meiner Mama und Jo, die sowohl fachlich als auch freundschaftlich immer für mich da waren und mich wäh- rend aller Höhen und Tiefen unterstützt haben. Ich bedanke mich bei meinen Freunden in Europa und Asien, die sich für mich und meine Fragen Zeit genommen, mich auf Ideen gebracht und mir immer wieder weitergeholfen haben. Hier sind vor allem Kyung-jun und Jollok zu nennen, die mich auf die technischen Einzelheiten von Filmen aufmerksam gemacht und mich, wie viele andere, auf das Thema dieser Arbeit gebracht haben. Ich möchte Sumin, Julia, Kyu, Jaeun, Jin-seon, Emma, Won- Jae, Wanki, Jukka, Linda, Jiwon, Nicole, Jiyeon, Isabelle, Nayoung, Kate, Bruce Lee und all den ande- ren danken, die mit mir über Korea, die koreanische Kultur und deren Veränderung diskutiert haben. Ich bedanke mich zudem bei Frithjof Nungesser, Sabine Haring und Il-tschung Lim die mich stets mit fachlichen Informationen versorgt hat. Paul, Wolfi, Leni, Sarah, Kathi, Alex, Stefan, Jackson, Kathrin, Fabian, Steffi und Saeed möchte ich dafür danken, dass sie mir mit Gesprächen auf unterschiedlichs- ten Ebenen weitergeholfen haben und beigestanden sind. Ein weiterer Dank gilt Gertrude Selbitsch- ka, die mir bei der Überwindung der bürokratischen Hürden eine große Hilfe war.

Darüber hinaus möchte ich all jenen Personen danken, die mir ermöglicht haben am BIFF (Busan International Film Festival) teilzunehmen, die dort gearbeitet und für den problemlosen Ablauf des Geschehens gesorgt haben. Ein besonderer Dank gilt den Organisator/innen des Busan Forum, das 2011 zum ersten Mal stattgefunden hat und mir fachlich eine große Hilfe war. Ich möchte mich bei jenen Personen bedanken, die ich in Busan kennengelernt habe, die mich in meinem Vorhaben er- mutigt und mit mir ihr Wissen geteilt haben. Besonders hervorheben möchte ich in diesem Zusam- menhang Lucas Chiam, Taek-Gwang Lee, Hyungseob Lee, Kumar Talkies, Razor Omar, Tan Bee Tiam und Min-Uk Kim.

Zum Schluss möchte ich mich noch bei alle jenen bedanken, die mich unterstützt haben, die ich hier aber nicht namentlich nennen kann.

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Inhalt

Danksagung ...... 3 Vorwort ...... 5 1. „Inception” – Einleitung ...... 6 2. „Same Same but Different“ – Kultur ...... 8 2.1. „Culture Club“ – Kulturtheoretische Rahmung ...... 8 2.2. „Over the Edge” – Darstellung der koreanischen Kultur ...... 11 2.3. „Glory To the Filmmaker” – Kino in Korea und den USA ...... 17 2.3.1. Geschichtliche Entwicklung des Kinos in Korea und den USA ...... 18 3. „Analyze This“ – Methoden ...... 24 3.1. „Bestseller“ – Auswahl der Filme ...... 27 3.2. „The River Why“ – Lesarten von Filmen ...... 30 3.3. „How to Train Your Dragon“ – Vorgehensweise bei der Filmanalyse ...... 32 4. „Lost in Translation“ – Filmanalytische Auswertungen ...... 35 4.1. „Do You Know Me“ – Vorstellung analysierter Filme...... 35 4.1.1. Koreanische Filme ...... 36 4.1.2. US-Amerikanische Filme ...... 42 4.2. “Everything is Illuminated” – Genres und Hauptthemen der Filme ...... 48 4.2.1. Genres ...... 48 4.2.2. Hauptthemen der Filme ...... 50 4.3. „I am because we are“ – Individualismus und Kollektivismus in Filmen ...... 58 4.3.1. Beziehungsstrukturen in den Filmen ...... 63 4.3.2. Umgang mit Autoritätsbeziehungen ...... 78 4.4. „A Man and a Woman“ – Geschlechterdarstellungen in Filmen ...... 83 4.4.1. Charakterisierung der Geschlechter ...... 84 4.4.2. „Boyish Girls” und „Girly Guys” – Mode in Filmen ...... 95 5. „Before Sunset“ – Fazit ...... 102 6. „Black Book“ – Literatur- und Filmverzeichnis ...... 105

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Vorwort

Zur Orientierung

Jedes Kapitel dieser Arbeit beginnt mit einer persönlichen Erzählung eines Erlebnisses meiner Reisen nach Südkorea. Dadurch soll das jeweilige Kapitel eingeleitet, mein persönlicher Zugang zur Thematik und zur Entstehung der Arbeit dargestellt werden. Um die persönliche von der wissenschaftlichen Betrachtungsweise auch sprachlich besser unterscheidbar zu machen sind diese Einleitungsteile in einem essayistischen Stil verfasst.

Zu den Begriffen

Der Term „Korea“ bezieht sich in dieser Arbeit auf Südkorea, die Bezeichnung „Amerika“ auf die USA. Werden die Begriffe anders gebraucht, wird darauf ausdrücklich hingewiesen.

Spezifische koreanische Namen und Ausdrücke werden vom Hangul, dem koreanischen Alphabet, in die lateinische Schrift umgeschrieben. Die Hangul Schreibweise wird, sofern der Begriff das erste Mal verwendet wird, in Klammern angegeben.

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1. „Inception” – Einleitung

„Kennt irgendjemand einen guten Film?“ „Einen koreanischen oder einen anderen?“ „Wie sind denn die koreanischen Filme?“ „Na, schon gut, aber ein bisschen anders.“ „Was anders, also wie anders?“ „Naja, sieh dir am besten einen an.“ „Hast du einen?“ „Ja, ich komm dann vorbei, Zimmer dritter Stock?“ „Ja genau. Danke“

So ungefähr hat sich das erste Gespräch angehört, in dem ich mich als Auslandstudierende in Seoul, nach einer Abendbeschäftigung erkundigt habe. Die Bekannte, eine Austauschstudentin empfahl mir eine Internetseite mit koreanischen Filmen. Ich sah mir das Liebesdrama „A Moment to Remember “ (내 머리속의 지우개 – Nae meorisokui jiwoogae ) und die romantische Komödie „ 100 Days with Mis- ter Arrogant “ (내 사랑 싸가지 – Naesarang ssagaji) oder wortwörtlich übersetzt „ My love, the assho- le “ an. Ich hatte meine ersten beiden koreanischen Filme gesehen, obwohl ich gewarnt wurde, dass ich mitten im Film ausschalten würde. Doch ganz im Gegenteil, ich schaute noch einige mehr.

Bald vielen mir Unterschiede und Ähnlichkeiten zu den mir bekannten Hollywood-Filmen auf. Beson- ders die Darstellung der Charaktere und deren Beziehungen, sowie die damit zusammenhängenden Geschlechterbilder begannen mein Interesse zu wecken. Ich erfuhr, dass sich südkoreanische Filme im gesamten asiatischen Raum großer Beliebtheit erfreuen. Korea selbst gilt als kollektivistische Kul- tur und Nordamerika im Vergleich dazu als individualistisch geprägtes Land. (Vgl. Kim Uichol 1994, S. 1-18, 157-174, 19-40; Na 2008, S. 118-126.) Mir stellte sich die Frage, ob es Unterschiede zwischen Filmen aus sogenannten individualistischen und kollektivistischen Ländern gibt und wie sich diese in Beziehungsstrukturen und Geschlechterbildern der unterschiedlichen Filme zeigen. In dieser Arbeit werden Filme einerseits als Möglichkeit der Widerspiegelung gesellschaftlicher und kultureller Seins- Zustände verstanden und andererseits als ein Weg, die in einer Gesellschaft vorherrschende Wün- sche und Träume auszudrücken (vgl. Kracauer 1964, S. 389-402).

Die Hauptfragestellungen dieser Arbeit sind: Wie zeigen sich Kollektivismus bzw. Individualismus und Gender in südkoreanischen im Vergleich zu US-amerikanischen Filmen in der Darstellung der Hauptcharaktere und ihrer Beziehungsstrukturen? Sind koreanische Protagonist/innen und ihre Freundschafts-, Arbeits- und Verwandtschaftsbeziehungen etc. tatsächlich kollektivistischer als jene US-amerikanischer Filmheld/innen? Auf welche Weise und in welchem Ausmaß spiegeln sich die in den beiden Gesellschaften jeweils vorherrschenden Beziehungsstrukturen und Wertvorstellungen in den Filmen wider? Diese Fragen sind besonders aktuell, da im Rahmen der umwälzenden ökonomi- schen, technologischen und kulturellen Wandlungen der letzten Jahrzehnte individualistische Wert- vorstellungen auch in Korea Einzug gehalten haben, sodass sich die Frage stellt, ob man Korea tat- sächlich als kollektivistische Gesellschaft bezeichnen kann. Auf der anderen Seite sind auch in den USA – seit jeher, aber gerade auch in den vergangenen Jahrzehnten – kollektivistische Strömungen zu beobachten.

Da sich kulturelle Wertvorstellungen vor allem in alltäglichen Handlungen und Verhaltensweisen zeigen, liegt das Hauptaugenmerk der Filmanalyse auf der Darstellung der Hauptcharaktere und de- ren Beziehungsstrukturen (vgl. Triandis 1995; Srubar 2005 S. 151-171). Dabei werden Familien-, Freundschafts-, Arbeits- und Feindschafts- und Liebesbeziehungen, sowie die Arten von Beziehungen zwischen Mann und Frau, die den zweiten Schwerpunkt der Arbeit bilden, untersucht. Als theoreti- scher Ausgangspunkt dient der pragmatistische Ansatz. Bei Bedarf werden aber auch Ansätze der „Cultural Studies“ und „Gender Studies“ herangezogen, die im Pragmatismus verankert sind. Das Ziel 6 dieser Arbeit liegt darin herauszufinden, wie Geschlechterkonstruktionen und die Kulturdimensionen Individualismus und Kollektivismus im Film ausgedrückt und reproduziert werden. Auf dieser Grund- lage soll eruiert werden, wie und ob Gender und genannte Kulturdimensionen (Individualismus / Kollektivismus) verknüpft sind, wie sich diese gegenseitig beeinflussen und die in der Gesellschaft herrschenden Wertvorstellungen und Handlungsnormen reproduzieren, verändern oder stabilisieren.

Als Grundlage der empirischen Analyse dienten die drei in Südkorea meistverkauften südkoreani- schen Filme und die drei in den USA meistverkauften US-amerikanischen Filme der Jahre 2009 und 2010. Dadurch ist gewährleistet, dass die gewählten Filme im jeweiligen Land Zuspruch erfahren haben und dort bekannt sind. Gleichzeitig wird mit Fiskes Konzept der „Entstehung des Populären“ davon ausgegangen, dass Filme bis zu einem gewissen Grad die gesellschaftliche Situation widerspie- geln, da er, wenn Rezipienten sich oder die gegebene gesellschaftliche Konzeption in ihm nicht wie- derfinden würden, schwer Bekanntheit bzw. Popularität erlangen könnte (vgl. Winter 1992, S. 69- 129). Die US-amerikanischen Filme dienen dabei als Vergleichsmedium, das Hauptaugenmerk liegt auf den koreanischen Filmen.

Im Kapitel „Same, same but different“ wird zunächst der kulturtheoretische Rahmen dieser Arbeit vorgestellt, der vor allem auf der pragmatistischen Lebenswelttheorie von Ilja Srubar beruht. Da Srubar die Wichtigkeit von Handlungen im kulturellen Vergleich betont, wird der Fokus der Filmana- lyse auf Handlungen in Beziehungsstrukturen gelegt. Auf die Darstellung der kulturtheoretischen Annahmen folgt ein kurzer Vergleich der südkoreanischen und der US-amerikanischen Kultur. Dieser soll einen kurzen Einblick in die beiden Kulturen gewährleisten und deren wichtigste kulturelle Wert- vorstellungen, Beziehungsstrukturen und historische Entwicklungen darstellen. Die anschließende Vorstellung der Entwicklung des Kinos in den beiden Ländern soll in das Thema Kino und Film einlei- ten und einen historischen Hintergrund bieten. Das darauffolgende Kapitel, „Analyze this“, ist der Filmauswahl, die auf Fiskes Theorie des Populären beruht, sowie den Auswertungsmethoden gewid- met. Es verbindet die kulturtheoretischen mit den filmtheoretischen und -analytischen Annahmen und dient dazu, die Filmanalyse besser nachvollziehen zu können. Im vierten Kapitel werden zunächst die ausgewählten Filme vorgestellt, um die Leser/innen mit den Filmen vertraut und somit die Analy- sen besser verständlich zu machen. Anschließend folgen die spezifischen filmanalytischen Auswer- tungen. Im abschließenden Fazit werden die wichtigsten Ergebnisse zusammenfassend dargestellt.

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2. „Same Same but Different“ – Kultur

2.1. „Culture Club“ – Kulturtheoretische Rahmung

Eines Nachts ging ich in Richtung meiner Unterkunft. Mittlerweile studierte ich schon einige Zeit lang in Korea und fand mich auch in Seoul ganz gut zurecht. Wie es nachts so oft in einer 11-Millionen- Einwohner-Stadt passiert, ist man nicht alleine auf den Straßen. Was vielleicht nicht immer und über- all passiert, ist, dass einem jemand nachläuft. Nun hatte ich aber wenig Lust, schneller zu gehen und vor den Rufen, von denen ich kein Wort verstand, zu flüchten. Also drehte ich mich um. Hinter mir stand ein junger Mann – etwas angetrunken und zwischen 25 und 30 Jahre alt – und deutete mir, ich solle warten. Ich ging weiter und er ging neben mir her. Ich sprach kein Koreanisch, er kein Englisch, dennoch begleitete er mich weiter auf meinem Heimweg. War es in der koreanischen Kultur üblich, eine vollkommen unbekannte Frau nach Hause zu begleiten? Kultur ist im Fluss und verändert sich, wer weiß, vielleicht war dieses Verhalten mittlerweile ganz normal. Von einem Mann sicher nach Hause gebracht zu werden ist nichts Außergewöhnliches. Plötzlich stoppte er, sah mich an und sagte: „Just one Hug!“. Ich erzählte meinen koreanischen Freundinnen von diesem Abend. Sie waren scho- ckiert, entschuldigten sich bei mir für ihn, obwohl sie nichts für sein Verhalten konnten, fragten wel- chen Eindruck ich jetzt bloß von Koreanern hätte, bestätigten mir, dass dies kein „normales“ Verhal- ten sei – Koreaner seien als schüchtern bekannt – und wollten wissen, ob der Mann betrunken gewe- sen sei, sie könnten sich ein solches Verhalten ansonsten nicht vorstellen. Ein zufälliges, außerge- wöhnliches Erlebnis eröffnete mir einen Blick in tief verankerte kulturelle Normen und Werte der ko- reanischen Kultur.

In dieser Arbeit wird davon ausgegangen, dass Kultur gesellschaftlich relevant ist. Daher wird ein „bedeutungs- und wissensorientierter Kulturbegriff“ zugrunde gelegt. „Kultur erscheint […] als jener Komplex von Sinnsystemen oder – wie häufig formuliert wird – von ‚symbolischen Ordnungen‘, mit denen sich Handelnde ihre Wirklichkeit als bedeutungsvoll erschaffen und die in Form von Wissens- ordnungen ihr Handeln ermöglichen und einschränken.“ (Reckwitz 2000, S. 84, nach Moebius 2009, S. 19.) „Zentral für diesen Kulturbegriff ist die Annahme, dass weder die kulturellen Codes und Sinn- systeme noch die Praktiken, mit denen die symbolische Ordnung entweder ausgedrückt, realisiert oder (re-)produziert wird, eine überzeitliche Dauer oder universell gültige Merkmale aufweisen. Sie sind vielmehr kontingent.“ (Moebius 2009, S. 19.)

Kultur ist im Fluss, sie verändert sich. So unterscheiden sich nicht nur verschiedene Kulturen unterei- nander, sondern – wie Srubar (2005, S. 152f) in seiner pragmatische Lebenswelttheorie feststellt – auch unterschiedliche Realitätsbereiche einer Kultur.

„Es wird also deutlich, dass diese mannigfaltigen Realitätsbereiche einer Lebenswelt keineswegs harmo- nisch homogen und widerspruchsfrei miteinander verbunden sind, sondern dass die Erfahrungen ihrer Differenz und gegenseitiger Fremdheit der relativ natürlichen Einstellung des Menschen wesentlich an- gehört.“ (Ebd., S.161.) Dabei wird davon ausgegangen, dass Handlungen grundlegend sind, um symbolische Ordnungen, Werte und Normen, also Kultur, zu entwickeln; und dass diese wiederum grundlegend für die Art der Handlungen sind. Es bildet sich damit ein zirkulärer Prozess, in dem sich Kultur und Handlung gegen- seitig beeinflussen. Dieses Zirkelsystem ist keineswegs festgefahren und unveränderlich, sondern kann sich über die Zeit oder in unterschiedlichen Realitätsbereichen verändern und unterscheiden. Wir waren schon immer mit Differenzen konfrontiert. Differenz ist nichts Neuartiges für uns, sondern 8 sie gestaltet unser Leben mit. Davon ausgehend kann man nicht nur die Unterschiede innerhalb einer Kultur, sondern auch die unterschiedlichen Entwicklungen verschiedener Kulturen untersuchen. Die Struktur der Lebenswelt gilt dabei als das zugrundeliegende „tertium comparationis“ (Vgl. ebd., S. 153).

Den theoretischen Rahmen für den interkulturellen Vergleich bietet, die pragmatische Lebenswelt- theorie von Ilja Srubar. Die Lebenswelt kann laut Srubar (2005, S. 152) in zwei Richtungen untersucht werden. Einerseits kann man die formalen Strukturen der Konstitution der Lebenswelt und anderer- seits den Vollzug dieser formalen Strukturen betrachten. Kultur ist demnach durch drei Punkte cha- rakterisiert: (1) den kollektiven Wissensvorrat, (2) die Generierung des Wissens durch Interaktion und Kommunikation und (3) die Voraussetzung eines objektivierten Zeichensystems, das wiederum Medien voraussetzt, um einen kollektiven Wissensvorrat zu ermöglichen. Der Fokus der Theorie wird auf die Handlung selbst gelegt. So wird davon ausgegangen, dass Bewusstseinsprozesse durch „Leib und Leiblichkeit in der Welt verankert“ (ebd., S. 152f) werden. Diese leiblichen Erfahrungen wirken auf das Handeln zurück, wodurch Handlungen nicht nur einen realitätsgenerierenden, sondern auch einen Zeichencharakter und damit eine bedeutende Rolle bei der Konstruktion der Wirklichkeit erhal- ten. Das Wissen, das dadurch entsteht, ist perspektivistisch, da „die pragmatischen Relevanzen indi- vidueller und kollektiver Akteure unterschiedliche Gestalt annehmen“ (ebd., S. 155). Durch diesen Mechanismus entstehen einerseits unterschiedliche Kulturformen, andererseits wird illegitimes von legitimem Wissen unterschieden. Damit wird eine Wissensproduktion möglich, die bestimmtes Wis- sen dauerhaft macht. Oder in den Worten Srubars: „Die Identität als auch die Differenz von Kultur- formen resultiert […] aus jenen Mechanismen, die den unterschiedlichen Erlebnis- und Handlungsar- ten, den Interaktionen der Subjekte sowie den unterschiedlichen Praktiken und Medien des Diskur- ses zugrunde liegen.“ (Ebd.) Weiterführend betont Srubar, dass „die menschliche Aktivität, in der die Produktion und die Ausdifferenzierung von Kulturformen verankert sind, auch immer objektivierte Praktiken mitführt, die den Kulturformen einerseits Sinn verleihen, und sie andererseits auch gegen- seitig verstehbar machen.“ (Ebd., S. 155-156.)

Die Grundthese von Srubars pragmatischer Lebenswelttheorie ist damit, dass „die allgemeinen Me- chanismen der Kulturkonstruktion auch die Varietät der Kulturformen hervorbringen“ (ebd., S. 157.) Srubar diskutiert diese Grundannahme auf vier unterschiedlichen Ebenen. Als erste Ebene führt er Bewusstsein und Leiblichkeit an, wobei das Bewusstsein von der „Temporalität intentionaler Akte“ 1 und der Fähigkeit zur „Appräsentation“ 2 geprägt ist. Die Leiblichkeit ist dadurch gekennzeichnet, dass jedem Einzelnen sein ganz spezifischer Leib eigen ist. Gleichzeitig vermittelt er zwischen Innen- und Außenwelt. Je nachdem, wie ein Leib beschaffen ist, wird die Umgebung auf unterschiedliche Art und Weise aufgenommen. Aus den Analysen dieser Fähigkeiten „lassen sich bereits hier Dimensionen der Wirklichkeitskonstruktion ausmache, […] Zeitlichkeit, Räumlichkeit und die Zeichenfunktion des menschlichen Weltzugangs sind bereits hier verankert […]. Sie führen direkt zum Thema von Identität und Differenz.“ (Ebd., S. 159.) Dies hängt damit zusammen, dass Erlebnisse sowohl vom Bewusstsein als auch vom Leib unterschiedlich aufgenommen, eingeordnet und interpretiert werden können.

1 Das Bewusstsein „ist in erster Reihe die Temporalität der intentionalen Akte, in welchen das Bewusstsein unserer ‚Reali- tät‘ konstituiert, auf die die Plastizität des Bewusstseins und der Konstruktionscharakter seiner Korrelate zurückgehen.“ (Ebd., S. 157.) Eine sinngebende Erfahrungsstruktur bildet sich nicht nur anhand der Eigentemporalität, sondern auch durch Interaktions- und Kommunikationsprozesse, in die diese eingebettet ist. 2 Appräsentation ist die Fähigkeit, gegenwärtige Geschehnisse mit etwas Vergangenem bzw. nicht gegenwärtigem in Ver- bindung zu bringen. 9

Als zweite Ebene führt Srubar Handlung, Materialität und Kommunikation an. Die Zuwendung zur Wirklichkeit durch Handlungen, die auch mit uns umgebenden materiellen Mitteln in Verbindung stehen, prägt die allgemeine Form der Lebensweltkultur und formt bzw. differenziert Kulturformen. Welchen Arten von Handlungen Relevanz zugesprochen und welcher Typ von Lebensstruktur verfolgt wird, ist von Kultur zu Kultur unterschiedlich. „In der pragmatischen Relevanz begegnet uns also ein konstitutiver Mechanismus der Lebenswelt, der für alle alltäglichen Kulturen als identisch angesetzt werden kann, der in seinem Vollzug jedoch immer zur andersartigen, d.h. zu zeit-, raum- und grup- penbezogenen Realitätskonstruktionen führt.“ (Ebd., S. 160.) Differenz und Fremdheit gehören zur „relativ natürlichen Einstellung des Menschen“ (Ebd., S. 161).

Die dritte Ebene bilden Zeichen, Sprache, Semantik und Medien. Aus pragmatischer Sichtweise sind Zeichen niemals nur sprachlich, sondern immer auch nichtsprachlich konstruiert. Srubar verknüpft die Zeichenebene mit der Ebene des Bewusstseins bzw. der Leiblichkeit und der Handlungsebene. Gleichzeitig betont er in diesem Zusammenhang die Materialebene, durch die Zeichen transportiert werden. „So stellen die Unterschiede in medialer Verwirklichung von Zeichensystemen auch Unter- schiede zwischen Kulturformen dar.“ (Ebd., S. 163.) Das impliziert, dass auch das Medium Film als Transporteur von Zeichensystemen von wesentlicher Bedeutung ist. So werden auch in den Cultural Studies „Medien nicht als ‚Ursache‘ betrachtet […], sondern sie sind eingebunden in den kulturellen Kreislauf, transportieren Zeichen, Bilder und Sprache, die in der sozialen Interaktion mit den Medien aktiviert, verändert und weiterverarbeitet werden können.“ (Winter 2005, S. 283.) Sinnkonstruktio- nen, die den Zeichen gegeben wurden, müssen, um Verständigung und Diskurse zu ermöglichen, eine bestimmte zeitliche Konstanz aufweisen. Hier lehnt sich Srubar stark an Alfred Schütz‘ Zeichentheorie an. So „erscheinen Zeichensysteme einerseits als eine Sinnklammer der mannigfaltigen Realitäts- schichten der Lebenswelt und […] andererseits sind sie es auch, die die Ausdifferenzierung der le- bensweltlichen Sinnbereiche tragen.“ (Srubar 2005, S. 164.) Kreative Mechanismen ermöglichen den außeralltäglichen Gebrauch von Zeichen wodurch es zu Sinnverschiebungen und -bildungen kommen kann.

Als vierte Ebene werden Diskurse angesprochen. Srubar geht mit Schütz von einem relativ konstan- ten Zeichensystem aus, das Diskurse ermöglicht. Dabei können – dank der pragmatischen Ausdiffe- renzierung – unterschiedliche Zeichensysteme nebeneinander existieren oder miteinander konkur- rieren. Diese Diskursebene der Wirklichkeitskonstruktion ist eine Quelle interkultureller Unterschie- de. 3 Die Ansicht, dass Kultur ein unzerbrochenes Ganzes darstellt, ist problematisch. Srubar geht davon aus, dass man Kulturformen nach dem Reflexionsgrad des Bewusstseins der eigenen Kultur- konstruktion unterscheiden könnte. (Vgl. ebd., S. 165.) An dieser Stelle ist kritisch anzumerken, dass eine derartige Betrachtung leicht zu einer Hierarchiesierung von Kulturen führen kann. Diese soll in dieser Arbeit vermieden werden.

Dieser Ansatz ermöglicht es, Kulturen vergleichend zu betrachten, ohne eine bestimmte Kultur als Ausgangskultur oder Vergleichsebene ansehen zu müssen. „Die lebensweltliche Perspektive ermöglicht es, die notwendige inter- und intrakulturelle Vielfalt von Lebensformen zu erfassen, ohne dass dadurch die mit Recht kritisierte Hypostasierung einer Kulturform zu einem universellen Deutungsschema erfolgt. Dabei ist die Konzeption offen genug, um die interdiszip- linären Erkenntnisse in ihren theoretischen Rahmen kritisch einzubeziehen.“ (Ebd., S. 169.)

3 Auch die Vertreter der Cultural Studies haben wiederholt auf den „konstruktivistischen Charakter sozialer Wirklichkeit“ hingewiesen. (Vgl. Winter 2005, S. 280.) 10

Differenzen werden nicht nur zwischen verschiedenen Kulturen, sondern auch innerhalb der eigenen Kultur gelebt. Sie sind Bestandteil unseres Lebens. Dennoch lassen sich Ähnlichkeiten in Lebens- weltstrukturen beobachten, die Handlungen, Interaktionen und Kommunikationen innerhalb einer Kultur – aber auch zwischen Kulturen – ermöglichen. Dabei sind Handlungs- und Verhaltensweisen innerhalb einer Lebensweltstruktur ähnlicher als zwischen zwei unterschiedlichen Lebensweltstruk- turen bzw. Kulturen. „Denn die Analyse von Traditionen, Identitäten oder Gruppen kommt ohne die Annahme von Gemeinsamkeiten, die zu Differenzen führen, nicht aus.“ (Winter 2005, S. 281.) Die Fokussierung auf Handlungen und auf Medien, die Handlungen ermöglichen, ermöglicht es, alltägli- che kulturelle Geschehnisse und Medien zu untersuchen.

„Kultur wird also nicht als eine abgegrenzte und feststehende Entität begriffen, sondern sie gewinnt im Kontakt, in der Interaktion mit anderen Kulturen Kontur. […] Kultur erweist sich als relationale, prozess- hafte Konstruktion, die kontinuierlich umgestaltet wird. Kultur befindet sich im Zustand des ‚Werdens‘. […] Kultur findet sich auch in den Medien des Alltags. […] Zentral für die Arbeiten von Cultural Studies ist, dass sie aufzeigen, dass in kulturellen Prozessen sowohl Gemeinsamkeiten als auch Unterschiede be- stimmt werden.“ (Ebd., S. 274.) Wie im Zitat angesprochen ist Kultur auch in den Cultural Studies nicht starr, sondern wandelbar. Dies impliziert, dass „Menschen nicht passiv eine vorgegebene Kultur übernehmen, sondern im akti- ven und produktiven Gebrauch kultureller Waren eigene Kulturen schaffen. Die populäre Kultur wird neu bestimmt als ein Bereich der Auseinandersetzung und des kulturellen Kampfes.“ (Ebd., S. 273.) Das Interesse beider Ansätze gilt alltäglichen kulturellen Erscheinungen und unterschiedlichen Le- bensweltstrukturen (bzw. „Formen kultureller Organisation“), die daraus gebildet werden. Da die Auswirkungen von Handlungen, Diskursen, Interaktionen und Artikulationen real sind, können so- wohl Gemeinsamkeiten als auch Unterschiede zwischen Kulturen daran festgemacht werden (Vgl. ebd., S. 281).

2.2. „Over the Edge” – Darstellung der koreanischen Kultur

Ich saß mit meinen koreanischen Freundinnen in einem Café und wurde über Eigenheiten der koreani- schen Kultur und das Zustandekommen der nächtlichen Begegnung aufgeklärt. Als allererstes wurde ich darauf hingewiesen, dass es in Korea eine ausgeprägte Trinkkultur gibt. Arbeitskollegen arbeiten nicht nur miteinander, sondern gehen nach dem Feierabend häufig gemeinsam trinken und essen. Dies gilt natürlich auch für Freunde oder Schulkollegen, aber vor allem für Berufstätige. Sie landen entweder in einer Norebang (노래방 – einer koreanischen Karaokebar) oder in einem der zahlreichen Lokale, in denen man Soju (소주 – ein alkoholhaltiges Getränk) und Essen bestellt. Sie erklärten mir, dass dadurch das Gruppenzusammengehörigkeitsgefühl gestärkt und gleichzeitig die hierarchische Ordnung der anwesenden Personen und der Mitglieder dieser Gruppe bekräftigt wird. Jüngere Perso- nen sind zum Beispiel angehalten, mit Älteren mitzutrinken, wenn ihnen diese einschenken. Im be- trunkenen Zustand passieren dann schon mal Sachen, die ansonsten auf keinen Fall vorkommen wür- den. Der Zusammenhalt und die Identifikation mit der Gruppe wurde mir auch durch die besorgte Frage bewusst, was ich mir von Koreaner/innen, also von der gesamten Gemeinschaft, nach meiner nächtlichen Begegnung denken würde, und durch die Entschuldigung, die von meinen Freundinnen an der Stelle des Koreaners vorgenommen wurde. Sie hatten doch eigentlich nichts gemacht.

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Für die meisten Autoren ist dieses Zusammengehörigkeitsgefühl im Konfuzianismus verankert. 4 „The primary influences on traditional Korean social patterns and expectations of behavior have been Confucianism and Buddhism. Confucian thought is deeply ingrained in Korean society and affects all aspects of Korean business life and life.” (Oak/Martin 2006, S. 23.) In dieser Denktradition wurzelt auch die hierarchische Beziehung zwischen Personen in der koreanischen Kultur. Der Konfuzianismus wurde ursprünglich gegründet, um Ordnung, sozialen Zusammenhalt, Harmonie und Balance in der Gesellschaft zu entwickeln und beizubehalten. Harmonie soll das Zusammenleben von Menschen und deren Verhaltensweisen prägen und dafür Sorge tragen, die hierarchische (und aus der Sicht des Konfuzianismus harmonische) Ordnung aufrecht zu erhalten. Daraus ergeben sich zwei Regeln: Ers- tens muss der Herrscher gutmütig und gerecht und zweitens muss seine Gefolgschaft gehorsam und loyal sein. Das konfuzianistische Gedankengut wurde während der Silla -Dynastie (668-935) von China in Korea etabliert, um Macht und Autorität Chinas in Korea sicher zu stellen. Dieser frühe und lange Einfluss des Konfuzianismus prägt auch heute noch grundlegend die koreanische Gesellschaft. (Vgl. ebd., S. 23ff.) Wann immer mehrere Personen zusammenkommen, wird versucht, das jeweilige Alter aller Anwesenden festzustellen und herauszufinden, wer der bzw. die Älteste ist. Der älteste Mann wird von den weiblichen Anwesenden mit oppa (오빠 - älterer Bruder) und von den männlichen Anwesenden mit hyung (형 – ältester Mann) angesprochen. Ist die älteste Person hingegen weiblich wird sie von den anderen Frauen bzw. Mädchen als onni (언니 - älteste Frau) und von den Männern bzw. Burschen der Gruppe als nuna (누나 - ältere Schwester) bezeichnet. Es handelt sich hier um ein hierarchisches Verhältnis auf Basis des Alters, wobei die jüngeren den älteren Personen untergeord- net sind. Wenngleich man diese strikte Hierarchie auch unter jüngeren Personen und unter Studie- renden beobachten kann, tritt sie dort in weniger strenger und gelockerterer Form zutage. Hier be- zeichnet man sich schnell als Chingu (친구 – Freund) und legt damit eine Beziehung auf gleicher Ebe- ne fest. Nichts desto trotz wird auch in solch einer Gruppe nach dem Alter gefragt und die älteste Person lachend als oppa , hyung , onni oder nuna bezeichnet. Das Verhalten von jungen Südkorea- ner/innen gegenüber Älteren ist meist von Respekt und Hilfsbereitschaft geprägt. Für einen jungen Südkoreaner, den ich am Flughafen getroffen habe und der Teil einer Reisegruppe war, war es selbstverständlich, dass er einer nur wenig älteren unbekannten Frau während der ganzen Zeit des Eincheckens, Bordens, Auscheckens usw. mit Taschen und Koffern half, obwohl er in der gleichen Zeit mit mir redete. Er meckerte zwar herum und es nervte ihn sichtlich, er meinte aber, er könne nicht anders. Das sei so, als Koreaner müsse man das machen, sie sei schließlich älter.

Im Gegensatz zur koreanischen Gesellschaft beruht die amerikanische Gesellschaft auf einer jüdisch- christlichen Wertemoral, sowie mit den damit in Verbindung stehenden 10 Geboten und den Bill of Rights von 1791, die prägend für die amerikanische Gesellschaft sind. Sie manifestieren die Prinzipien Gleichheit, Recht auf Leben, Freiheit und „pursuit of happiness“. Die Geschichte Nordamerikas ist nicht nur historisch kürzer als jene Koreas; sondern sie wurzelt auch nicht in einem hierarchischen Gebilde bzw. einer hierarchischen Denktradition. Dadurch weist auch das Gruppenverhalten der amerikanischen Gesellschaft weniger starke hierarchische Züge auf als jenes Koreas. Für jede Person, egal welchen Alters, Geschlechts, welcher Ethnizität etc., sollten dieselben Rechte gelten. (Vgl. ebd., S. 14ff.) Gleichzeitig wurden von Anfang an in Amerika unterschiedliche Lebensweisen verfolgt. Eini- ge kämpften für eine gerechtere Gesellschaft durch die Verwirklichung der biblischen Hoffnung, an- dere für das Ideal des Bürger- und Mitwirkungsrechtes, wieder andere träumten von einer nationalen

4 In den folgenden Absätzen wird der Begriff Korea für das gesamte Korea d.h. Nord- und Südkorea verwendet. Südkorea und Nordkorea werden explizit als solche bezeichnet. 12

Größe oder von der Freiheit des Unternehmergeistes (vgl. Bellah u.a. 1987, S. 52). Es gab immer schon multiple Möglichkeiten, die Nation zu sehen. Die Vorstellung, dass jede/r so leben kann, wie er/sie dies für richtig hält, solange man andere nicht in ihrem Recht auf Individualität einschränkt, ist tief in der US-amerikanischen Kultur verankert. Dieses Ideal unterscheidet sich auf spezifische Weise von der konfuzianistischen, auf Zusammenhalt, Harmonie und hierarchische Ordnung beruhenden, Gesellschaftvorstellung, die der koreanischen Gesellschaft zugrunde liegt.

Die unterschiedlichen religiös-kulturellen Wurzeln und Entwicklungspfade verschiedener Gesellschaf- ten bringen es mit sich, dass sich auch bestimmte Verhaltensweisen zwischen Kulturen stärker oder schwächer unterscheiden. Das soll nicht bedeuten, dass sich Verhaltensweisen innerhalb einer Ge- sellschaft oder über die Zeit hinweg nicht unterscheiden oder ändern. Auch hier kommt es durch Einflüsse von außen oder Entwicklungen innerhalb der Gesellschaft selbst zu Veränderungen, die mitunter recht drastisch und umwälzend sein können. In Südkorea lässt sich besonders innerhalb der letzten 50 bis 60 Jahre, der Zeit nach dem Koreakrieg (1950 bis 53), eine starke Veränderung feststel- len. In der Anfangszeit wurde Südkorea noch militärisch regiert und autoritäre Regierungen folgten aufeinander. Nach den Studentenrevolten im April 1960, dem Staatstreich des Präsidenten Park Chung-hee 1961 und dessen anschließende Ermordung 1979, der weltweiten Ölkrise Mitte der 70er, dem Massenaufstand in Gwangju 1980 und massiven zivile Protesten kam es 1987 zur Demokratisie- rung. Innerhalb einer Generation entwickelte sich Südkorea von einer armen, agrarischen Gesell- schaft zu der hochindustriellen, hochtechnologisierten und sich schnell weiterentwickelnden Infor- mationsgesellschaft der 1990er Jahre. 1997 folgten aufgrund der Finanzkrise Südkoreas (auch be- kannt als IMF-Krise, da Südkorea auf die Hilfe des International Monetary Fund angewiesen war) einige harte Jahre für das sich rasant entwickelnde Land und dessen Wirtschaft. Mittlerweile hat Südkorea im Hinblick auf die wirtschaftliche Entwicklung Nordamerika und die west- bzw. mitteleu- ropäischen Länder längst eingeholt und größtenteils sogar überholt. In Bezug auf Internet- und Kommunikationstechnologien befindet sich Südkorea an der Weltspitze. Die Marken Samsung und LG sind in zentralen Bereichen der Unterhaltungs- und Kommunikationstechnologie Weltmarktführer. (Vgl. Kim, Yong-hak 2008, S. 8ff.)

Besonders auffällig ist die Geschwindigkeit, in der sich Südkorea seit einigen Jahren wandelt. Nicht nur auf der politischen und wirtschaftlichen, sondern auch auf der sozialen und kulturellen Ebene lassen sich tiefgreifende Transformationen feststellen. Südkorea ist zu einer hochurbanisierten Mit- telklassegesellschaft geworden. Heute leben ca. 10,5 Mio. der ca. 48,8 Millionen Südkoreaner/innen in der Hauptstadt Seoul. Auch die Familienformen haben sich gewandelt. So hat der der Anteil von Kleinfamilien und kinderlosen Paaren stark zugenommen; und die Fertilitätsrate von 1,22 (2010) ist im internationalen Vergleich eine der niedrigsten Raten überhaupt. Noch erstaunlicher ist jedoch, mit welcher Geschwindigkeit diese Abnahme stattfand: Waren es 1970 noch 4,53 Kinder pro Frau im gebärfähigen Alter, waren es 1990 nur noch 1,59. (Vgl. Choi in Kim, Yong-hak 2008, 44ff und Demos 2010). Die Arbeitstätigkeit von Frauen stieg im gleichen Zeitraum stark an. Zunehmend weicht der kollektivistische Autoritarismus dem Individualismus und Egalitarismus, wobei beide Strömungen das Verhalten beeinflussen. Diese Überlegungen werden später detaillierter ausgeführt. Insgesamt ist die gegenwärtige südkoreanische Gesellschaft konsum- und unterhaltungsorientiert ausgerichtet, gleich- zeitig findet eine Pluralisierung von Werten und Ideologien statt. Diese Pluralisierung lässt sich auch im Hinblick auf die ethnisch-kulturelle Zusammensetzung der Bevölkerung erkennen. Die Anzahl zu- gewanderter Arbeiter und internationaler Hochzeiten nimmt zu. Südkorea ist auf dem Weg, eine

13 multikulturelle Gesellschaft zu werden. (Vgl. Kim, Yong-hak 2008; The Korea Herald 2007; Kim/Jaffe 2010.)

Trotz dieses sehr rasanten Wandels wurden die Verhaltens- und Denkweisen von Südkoreaner/innen nicht vollkommen verändert; vielmehr kann man sowohl traditionelle Handlungsweisen als auch neue Entwicklungen in den Verhaltensweisen wiederfinden. Einige dieser Normen und Werte und die Arten, diese auszudrücken, werden im Folgenden im Vergleich zu Amerika dargestellt.

Verhaltensweisen und Interaktionen zwischen Personen sind stark vom Kontext, den persönlichen Beziehungen und der Situation, abhängig. Hinzu kommen kulturelle Unterschiede und verschiedene Arten der Sozialisation. In Korea ist es besonders wichtig, die Harmonie innerhalb einer Gruppe auf- rechtzuerhalten. Daher ist es notwendig, sich gegenseitig mit großem Respekt zu behandeln, damit alle ihr Gesicht wahren und niemand bloß gestellt wird. In Korea gibt es sechs Konzepte, die für diese Harmonie Sorge tragen: Ch‘emyeon (체면), nunchi (눈치) und kibun (기분) beziehen sich dabei auf Verhaltensweisen von Personen, bunuiki (분위기), cheong (정) und han (한) beziehen sich auf Emoti- onen, die mit diesen Verhaltensweisen verbunden sind.

Ch‘emyon bedeutet so viel wie „nicht das Gesicht verlieren“. Da niemand in eine Situation gebracht werden soll, in der dies passieren könnte, gilt es, die anderen Personen mit Respekt zu behandeln, auch wenn dies eine Lüge erfordert. Ist man zum Beispiel zum Essen eingeladen, wird man betonen, wie gut das Essen geschmeckt hat, auch wenn es nicht besonders gut war. Dabei geht es nicht nur darum, das eigene und das Gesicht der anderen anwesenden Personen zu wahren, sondern auch jenes der Gruppe und jener sozialen Gruppen, denen die Anwesenden angehören (etwa der Familien, aber auch der Nation). Verliert man sein Gesicht, verliert ein Stück weit auch die soziale Gruppe, von der man Teil ist bzw. der man angerhört, ihr Gesicht. Dies ist ein Grund, weshalb sich meine koreani- schen Freundinnen für das unschickliche Verhalten des Koreaners, der mir nachts auf der Straße be- gegnet war, entschuldigten. Alle Personen, die an einer Interaktion beteiligt sind, sind dafür verant- wortlich, dass niemand das Gesicht verliert. In den USA ist dieses Konzept weniger stark ausgeprägt. Es ist höchstens eine Frage der Zeit, bis man sein Gesicht wieder gefunden hat; es handelt sich also nur um eine momentane Blamage. Zudem ist in den USA der Gesichtsverlust weniger von der konkre- ten Situation abhängig. In Korea spielt hingegen die Art der Beziehung der anwesenden Personen zueinander eine zentrale Rolle. Falls man sich in einer Zwickmühle befindet und gezwungen ist, vor irgendjemandem das Gesicht zu verlieren, verliert man das Gesicht lieber vor der Person oder Grup- pe, die einem weniger nahe steht. Je fremder man einer Person ist, desto weniger Angst muss man haben, vor ihr sein Gesicht zu verlieren. (Vgl. Oak/Martin 2006, S. 28ff.) In dieser Hinsicht ist der zentralste Unterschied zwischen Korea und den USA, dass sich der eigene Gesichtsverlust in Korea nicht nur auf seinen selbst beschränkt, sondern auch zu einem Gesichtsverlust jener Kollektive füh- ren kann, zu denen eine Person gehört bzw. sich zugehörig fühlt. Jede/r einzelne ist dafür verant- wortlich, dies zu vermeiden. Das bedeutet, dass man bei jeder Handlung nicht nur an die Konsequen- zen für einen selbst und die unmittelbare soziale Umgebung, sondern auch an die Konsequenzen für größere Kollektive denken muss. Nunchi wird als „reading the situation“ (Ebd., 2006, S. 34) verstan- den. Dies bedeutet, dass jede/r fähig sein sollte, die Situation richtig zu interpretieren, sodass man andere Person in keine unangenehme Lage bringt und ch‘emyon bestehen bleiben kann. Das folgen- de Beispiel stammt zwar aus China, aber es erklärt das Prinzip sehr gut. Einer meiner Bekannten war vor einigen Jahren in China. In einer größeren Stadt fuhr er mit dem Bus und kaufte sich keine Fahr- karte. Als ihn ein Kontrolleur nach dem Fahrschein fragte, antwortete mein Bekannter, er habe kei- nen und fragte, wie hoch die Strafe sei, die er zu begleichen habe. Statt ihm den Betrag zu nennen, 14 entschuldigte sich jedoch der Kontrolleur, da er ihn in eine solch missliche Lage gebracht hatte. Mein Bekannter hatte vor den anderen Fahrgästen sein Gesicht verloren. Dieses Prinzip ist in Korea we- sentlich stärker ausgeprägt als in den USA. (Vgl. ebd, S. 33f.) Das dritte Konzept ist kibun, was als Lebenskraft oder Lebendigkeit bezeichnet werden kann. Wird ch‘emyon nicht aufrecht erhalten und verliert jemand sein Gesicht, hat dies automatisch Auswirkungen auf dessen Lebenskraft, Lebendig- keit und innere Stimmung. Falls dies passieren sollte, muss ch‘emyon wieder hergestellt werden um auch kibun wieder ins Reine zu bringen. Wie man sieht, hängen diese drei Konzepte sehr stark zu- sammen und lassen sich nicht voneinander trennen.

Das gleiche gilt natürlich für jene drei Konzepte, welche sich auf die mit den Verhaltensweisen ver- bundenen Emotionen beziehen. Bunuiki geht mit kibun stark überein und bezeichnet die Atmosphäre oder Stimmung, die für eine bestimmte Situation angebracht ist. Bunuiki gibt dabei gleichzeitig vor, nach welchen Regeln ein Treffen bzw. Interaktionen ablaufen müssen. Durch diese Regeln bleibt wenig Raum für Spontanität. Dies bildet einen wesentlichen Unterschied zu den USA, wo Individuali- tät, Originalität und Spontanität von größerer Bedeutung sind. Cheong kann als Zuneigung zu oder emotionale Verbundenheit mit einer anderen Person übersetzt werden. Dies bezieht sich nicht nur auf Familienmitglieder oder auf Personen, die man liebt, sondern auch auf jene, die man gut kennt, wie zum Beispiel Arbeits- oder Schulkollegen. Existiert dieses Gefühl zwischen Personen, kann es sein, dass erwartet wird, dass man mehr Zeit miteinander verbringt und, dass man sich aufeinander verlassen kann. Das letzte dieser Konzepte wird als han bezeichnet. Diesem Konzept wird häufig die schnelle wirtschaftliche Entwicklung und Erholung Südkoreas nach dem Krieg und der IMF-Krise zu- geschrieben. Han bezeichnet die Spannung, die sich durch die tägliche Existenz, das alltägliche Leben und die Rolle bzw. Position, die man in diesem Leben inne hat, ergibt. Diese Spannung kann positiv oder negativ sein. Wird sie nicht in einer konstruktiven und positiven Art frei gelassen, sondern un- terdrückt, wird sie irgendwann explodieren und bzw. oder emotionalen Schaden anrichten. (Vgl. ebd., S. 28ff.). Han gilt insofern als ein Ursprung der rasanten Entwicklung Südkoreas, da es dafür sorgte, dass sich die negativen Gefühle, die durch die unterschiedlichen Kriege und negativen Ereig- nisse in der Geschichte Koreas (Besetzungen durch China und Japan, Koreakrieg, Ölkrise, Wirtschafts- krise 1997) entstanden waren, schöpferisch ausdrückten und die Entwicklung Südkoreas bis zum heutigen Tag voran trieben. (Vgl. Kim/Jaffe 2010 und Kim 2009.)

Mit diesen Konzepten im Hintergrund sind Verhaltensweisen verständlicher und leichter erklärbar. Im Folgenden sollen einige Beispiele von Verhaltensweisen der beiden Kulturen gegeben werden, wobei der Anspruch nicht auf einer umfassenden Beschreibung der Kulturen liegt. Stattdessen sollen beispielhaft Handlungen und Verhaltensweisen dargestellt werden, um so einen vertiefenden Ein- blick in die südkoreanische und die US-amerikanische Kultur zu gewährleisten. Dabei werden zwei oben beschriebene Eingangssituationen nochmals aufgegriffen und näher betrachtet. 5

Das am Kapitelanfang geschilderte gemeinsame Trinken und Essen nach Feierabend ist ein wesentli- cher Bestandteil der koreanischen Kultur. Dabei ist besonders wichtig, dass alle gemeinsam trinken. Wird einem Alkohol angeboten und eingeschenkt, soll dieser auch getrunken werden, ihn abzu- lehnen, gilt als Beleidung. Außerdem bestellt nicht jeder sein eigenes Gericht, sondern die Gruppe bestellt gemeinsam eine Reihe von Speisen, die in die Mitte des Tisches gestellt werden und von denen sich jeder bedient. Die Auswahl der Gerichte erfolgt entweder in der Gruppe oder obliegt

5 Die im Folgenden genannten Beispiele beziehen sich auf die Kultur Südkoreas. Korea wird wieder als Term für Südkorea gebraucht, wie dies im Vorwort festgelegt wurde. 15 der/dem Ranghöchsten bzw. Ältesten oder der/dem Einladenden. Bei der Bestellung gilt es, die Vor- lieben und Abneigungen oder Allergien der Anwesenden zu berücksichtigen, um ch‘emyon, bunuiki und kibun zu bewahren und dadurch nunchi, die Situation, zu meistern. Weiß ein Gastgeber, dass ein Gast aus einem bestimmten Grund keinen Alkohol trinken darf oder soll, wird er ihm keinen Alkohol anbieten und ihm stattdessen etwas anderes bereitstellen. Will man selbst nichts trinken, sollte man sich doch einschenken lassen, nur einen halben Schluck davon nehmen und den Rest stehen lassen. Während dieses Verhalten in den USA beleidigend wäre, ist es dies in Korea nicht. Umgekehrt ist es in den USA kein Problem, den angebotenen Alkohol auszuschlagen und um Saft oder Wasser zu bit- ten, im Gegenteil oft wird dieses Verhalten sogar bewundert. Auch wird in einem Restaurant kaum eine Person für alle Anwesenden eine Bestellung aufgeben, sondern jede/r bestellt für sich selbst, nämlich das was sie/er will. Anders als in Korea, wo normalerweise eine Person für alle zahlt, werden in den USA häufig einzelne Rechnungen verlangt.

Erinnern wir uns nochmals an mein nächtliches Zusammentreffen mit dem Koreaner, der mich um eine Umarmung bat, kommt man zu einem weiteren Verhalten das hier als Beispiel dienen soll: das Ausdrücken von Zuneigung in der Öffentlichkeit. In Korea sind körperliche Berührungen zwischen den Geschlechtern in der Öffentlichkeit selten. In den USA ist es normal, sich unter Freunden, egal wel- chen Geschlechts, oder auch bei der ersten Begegnung, mit einer Umarmung oder einem Kuss auf die Backe zu begrüßen. Dies ist in Korea nicht so. Man verbeugt sich, gibt sich eventuell die Hand oder berührt den Arm oder die Hand der anderen Person. Durch den – auch und vor allem medial vermit- telten – Einfluss des Westens ist es nicht mehr ganz unüblich, sich zur Begrüßung zu umarmen; aber Backenküsse werden unter Koreaner/innen so gut wie nie ausgetauscht. Auch zum Umarmen muss gesagt werden, dass dies eine relativ neue Entwicklung ist und keineswegs als Standard, sondern nach wie vor als etwas Seltenes bezeichnet werden kann. Auch Pärchen umarmen sich zur Begrü- ßung eher nicht und vor allem küssen sie sich nicht in der Öffentlichkeit. Sie gehen normalerweise eingehängt, manchmal halten sie auch Händchen. Selbst diese Verhaltensweisen treffen eher auf die jüngere Generation zu, die mit einem größeren Einfluss von nicht inländischen Verhaltensweisen in Berührung gekommen ist. Andererseits ist es nicht unüblich, dass Frauen händchenhaltend und Männer Arm in Arm bzw. den Arm um den anderen gelegt durch die Stadt spazieren. Dieses Verhal- ten ist wiederum in den USA unter männlichen Freunden eher unüblich. Hier wird damit eher signali- siert, dass es sich um ein gleichgeschlechtliches Paar handelt. Die Begrüßungs-Umarmung von Mann und Frau ist in Korea äußerst selten – vor allem, wenn es sich lediglich um Freunde oder gar unbe- kannte Personen handelt. Meine nächtliche Begegnung war dementsprechend außergewöhnlich und hat viele Fragen aufgeworfen. Denn eigentlich ist in Korea das öffentliche zur Schau stellen der Zu- neigung nicht einmal zwischen Verliebten üblich – geschweige denn zwischen Fremden. Teilweise wird die Zuneigung zu Freunden und Familienmitgliedern in der Öffentlichkeit sogar emotionaler gezeigt als jene zwischen Liebespaaren. Während es in Europa oder den USA kaum ein Problem ist, sich auf der Straße zu küssen, kommt dies in Korea so gut wie nicht vor. Es würde Dritte in eine un- angenehme Lage bringen, dies soll vermieden werden und das Gesicht gewahrt bleiben. (Vgl. O- ak/Martin 2006, S. 209ff.)

Dies sind einige Beispiele, die Unterschiede im Verhalten von Koreaner/innen und US- Amerikaner/innen widerspiegeln. Mit dieser Ausführungen wurde nicht das Ziel verfolgt, eine umfas- sende Darstellung der koreanischen und der US-amerikanischen Kultur zu verfassen, sondern einige jener Aspekte darzustellen, die für die Fragestellung dieser Arbeit und für die anschließende Filmana- lyse von Bedeutung sind.

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2.3. „Glory To the Filmmaker” – Kino in Korea und den USA

Gemeinsam mit einigen Freunden bahnte ich mir den Weg durch die Kleidungsgeschäfte eines Shop- pingcenters hin zum Aufzug. Wir fuhren in den obersten Stock und gelangten in den Aufenthaltsraum eines Kinos. Es roch nach süßem Popcorn, das Licht war schummrig bläulich. Wir holten uns die Karten und mussten eine halbe Stunde warten – genügend Zeit, um sich etwas umzusehen. Einige holten sich etwas zu essen – Nachos, Popcorn, Junk Food. Ich sah eine ganze Reihe von Pärchen, die eng beiei- nander saßen, sich die Hände hielten und sich verliebt ansahen. Das Kino war einer jener Orte, in de- nen Pärchen „unter sich“ sein können. Es bietet Verliebten die Möglichkeit, sich zu treffen und in der Dunkelheit des Kinosaales das Gefühl zu haben, alleine zu sein. In Korea ist es für Pärchen nicht ein- fach, sich in der Öffentlichkeit seine Liebe zueinander zu zeigen. Eine dieser Möglichkeiten ist, der Freundin die Handtasche zu tragen; eine andere ist, die gleiche bzw. gleichfarbige Kleidung zu tragen. In ganz Seoul sieht man gleichgekleidete Pärchen durch die Straßen bummeln. Ein öffentlicher Kuss ist so gut wie nie zu sehen. Er ist unhöflich gegenüber Dritten, ein Verstoß gegen gesellschaftlich aner- kannte Verhaltensweisen. Wir liefen im Kino umher und entdeckten einen Kinosaal, der anders aussah als alle anderen. Vor dem Saal stand eine Tafel mit koreanischen Zeichen, der Raum war durch ein rotes Plüschband abgesperrt und der Eingang mit einem riesigen Herz geschmückt. Panpan, eine aus China stammende Freundin, die schon länger in Korea lebte, erzählte uns, dass es sich hierbei um einen Kinosaal für Pärchen handle, in dem ausschließlich Liebesfilme gezeigt würden. Wir hatten Glück und durften uns den Saal kurz von innen ansehen. Abgesehen von den großen pink erleuchteten Herzen an der Wand war es ein normaler Kinosaal. Dann merkten wir aber, dass nur zwischen jedem zweiten Sessel eine Lehne war, sodass Pärchen eng nebeneinander sitzen können. Ich versuchte, den Titel des nächsten Films zu entziffern. Ich fragte Panpan, ob sie koreanische Filme kenne. „Sicher! Weißt du das nicht? In China kennen viele Leute koreanische Filme, die Soaps, die Stars, die Musik, die kennt einfach jeder.“ Ich kam in Kontakt mit Hallyu und dem Phänomen, dass sich koreanische Filme und vor allem koreanische Telenovelas und Pop-Musik im gesamten asiatischen Raum großer Beliebt- heit erfreuen. Zur Zeit ist besonders die koreanische Pop-Kultur in China, Taiwan, Japan, Malaysien, Singapur, Thailand und auf den Philippinen beliebt; also in so gut wie allen Ländern, die Korea umge- ben.

Die plötzliche und schnelle Verbreitung der koreanischen Pop-Kultur gegen Ende der 1990er Jahre wird als „Korean Wave“ bzw. Hallyu (한류 ) bezeichnet. „The term coined by the Chinese media de- scribes the dramatic growing fever of Korean pop culture in that region having taken off from the late 1990s. It has helped to change Korea’s image associated with the country’s division and amazing economic development called ‘the miracle of the Han river’.” (GongtoTeam 2009, S.48.) Im Rahmen der rasanten Verbreitung der koranischen Pop-Kultur wurden Korea, die koreanische Lebensweise und Kultur in vielen asiatischen Ländern bekannt und anerkannt. Die erfolgreichsten Filme dieser ersten Boomzeit waren „ My sassy Girl “ (엽기적인 그녀 – Yeopgijeogin geunyeo ), „ Shiri “ (쉬리) und „Friend “ (친구 – Chingu). Mittlerweile wird von einer „New Korean Wave“ bzw. einem „New Hallyu“ gesprochen. Durch die gemeinsam mit Japan ausgetragene Fußball-Weltmeisterschaft im Jahre 2002 nahm das Interesse an der koreanischen Kultur weiter zu und breitete sich auch über den asiatischen Raum hinaus aus (vgl. Yu 2010). Diese „New Korean Wave“ ist vor allem durch den Export von Musik gekennzeichnet, aber auch Fernsehserien spielen nach wie vor eine wichtige Rolle. Kennzeichnend für diese „zweite Welle“ ist, dass sie nicht auf Asien beschränkt bleibt, sondern die koreanische Kul- tur auch in Amerika oder Europa populär macht. „The difference between the old Korean Wave and the new […] is that the buzz is not confined to Asia. Korean stars are making their way to America.“

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(Lee 2010.) Als Beispiele für koreanische Musikgruppen, die auch in Europa und den USA erfolgreich sind, seien die Wonder Girls, JYJ oder Super Junior genannt. Während koreanische Fernsehserien im asiatischen Umland Koreas äußerst bekannt sind, hinken Filme noch etwas nach. Ein Grund dafür wird in der Struktur eines Filmes selbst gesehen: „A movie hast to convey within 90-120 minutes Korean culture and customs, but foreign audiences find it hard to relate to them.” (Jin 2010.) Trotz allem erlangen auch koreanische Filme langsam einen immer höheren Bekanntheitsgrad. CJ Enter- tainment ist bemüht, koreanische Filme in größerem Maße zu exportieren. Diese Entertainmentfirma hat zum Beispiel von 2006 bis 2010 fünf Multiplex-Kinos in China und Lotte-Kinos 6 in Vietnam eröff- net. (Vgl. Jin 2010; Kim, Jeong-hwan 2010 und Jeong 2010.)

2.3.1. Geschichtliche Entwicklung des Kinos in Korea und den USA

Wie hat sich das koreanische Kino entwickelt? Wie und warum erreichte es jene hohe Qualität und Beliebtheit, die es heute besitzt? Und was passierte zur gleichen Zeit in den USA? Diesen Fragen wird im Folgenden auf der Basis der Darstellungen von Shin/Stringer (2005, S. 15-62), Paquet (2009) und DigitalHistory (2011) diskutiert.

Im Jahr 1903 wurde in Korea der erste Film ausgestrahlt; allerdings handelte es sich hierbei nicht um einen koreanischen Film. Der erste koreanische Film, „ The Righteous Revenge “ (의리적 구토 – Uirije- ok Guto), wurde 1919 ausgestrahlt. Zwischen 1909 und 1920 wurden in der Hauptstadt Seoul und in Provinzstädten wie Busan und Pyongyang Kinos errichtet, die vor allem amerikanische und europäi- sche Filme zeigten. Das eingespielte Kapital wurde teilweise zur Finanzierung einheimischer Filme verwendet. Zur gleichen Zeit herrschte in den USA bereits ein harter Wettbewerb auf dem Filmmarkt – Patentanklagen waren keine Seltenheit und 1909 schlossen sich sechs US-amerikanische und zwei französische Firmen zur „Motion Picture Patents Company“ zusammen. Zu diesem Zeitpunkt waren schon 37 Jahre vergangen, seit in den USA der erste Film (das berühmte rennende Pferd von Ead- weard Muybridge) gezeigt wurde. Diese „Motion Picture Patents Company“ beschloss, dass nur sie das Recht hatte, Kameras, Projektoren und Filme zu produzieren, herauszugeben und zu verkaufen. Eine Klage unter dem „Sherman Anti-Trust“-Gesetz erklärte dieses Monopol 1915 als gesetzeswidrig. Schon um 1905 waren in den USA hunderte kleinerer Kinos (Nickelodeons) entstanden, die große Mengen von Zuschauern anzogen. 1907 ließ sich in den USA ein Schwenk zu narrativen Filmen fest- stellen. Vor dieser Zeit wurden reale Ereignisse des Lebens sowie Wettrennen oder Stunts gezeigt. Es fand eine Standardisierung und Rationalisierung der Filmindustrie statt. So wurden zum Beispiel Ka- meras, Projektoren und das Zubehör standardisiert. Der ehemalige Regisseur Edward H. Griffith spiel- te dabei eine bedeutende Rolle. Durch seine Vorliebe für Großaufnahmen entwickelte sich um 1910 das sogenannte „Starsystem“. Durch die Großaufnahmen erlangten erstmals einzelne Film- Schauspieler/innen einen hohen Bekanntheitsgrad. Weitere Entwicklungen zu dieser Zeit waren Adolph Zukors „block-booking“-System, das Kinos zwang, statt einem Film eine ganze Reihe von Fil- men zu bestellen, was zu einer vertikalen Integration der Filmindustrie führte. Zu dieser Zeit be- herrschten Migranten den amerikanischen Filmmarkt, diese standen aktuellen Entwicklungen im Bereich des Films offener gegenüber. 1907 wurde in Chicago, von Teilen der Bevölkerung, die dem Kino kritisch und weniger wohlwollend gegenüber standen, die erste Zensurbehörde gegründet. Ni- ckelodeons und Kinos wurden von großen Teilen der Bevölkerung als Brutstätte von Kriminalität und

6 Lotte ist ein riesiger koreanischer Konzern. 18 sexuellen Missständen gesehen. Dies führte 1908 sogar so weit, dass in New York zeitweise alle Ni- ckelodeons und Kinos geschlossen wurden. Daraufhin wurde 1909 das freiwilligen „Board of Censorship of Montion Pictures“ gegründet, das die Filme überprüfen sollte, um die lokale Zensur zu umgehen. Nach dem Ersten Weltkrieg wurde durch einige Sexskandale die Zensur wieder verstärkt. Zur gleichen Zeit verlagerte sich der Filmmarkt aufgrund billiger Arbeitskräfte, der Möglichkeit kos- tengünstig Land zu erwerben und der guten klimatischen Bedingungen nach Südkalifornien. In den 1920ern war Hollywood schließlich als Weltfilmhauptstadt bekannt. Die Zahl der Zuschauer stieg und damit veränderte sich die Kinolandschaft. Es entstanden getrennte Kinos für spezifische Bevölke- rungsschichten (wie Arbeiterklasse, Mittelklasse) und unabhängige Nachbarschaftskinos. Zudem entwickelten sich große Firmen, die Filme von der Produktion bis zur Vorstellung verwalteten. Beispiele sind die „Big Five“: Paramount, Warner Brothers, RKO (Radio Keith Orpheum), 20th Centu- ry-Fox, Lowe’s (MGM). Als Folge der Dominanz zugewanderter Filmemacher änderten sich auch die Themen der Filme. Sex, Glamour, Exotik usw. standen im Zentrum. Auch vor 1905 hatten Sex und Voyeurismus eine wesentliche Rolle im Film gespielt, nachdem diese Themen in der Zwischenzeit an Bedeutung verloren hatten, nahm ihre Bedeutung in den 20er Jahren wieder zu. Die gesellschaftli- chen Umstände der Nachkriegszeit, die Dominanz zugewanderter Filmemacher und die damaligen gesellschaftliche Sehnsüchte ließen diese Veränderung zu. Das Hollywood der 20er Jahre drückte gesellschaftliche Wünsche und Fantasien aus, half diese salonfähig zu machen und trug damit zum kulturellen Wandel bei. Die Verbesserung der Synchronisierung von Geräusch und Bild trieb die Film- entwicklung weiter voran. In der Zeit der großen Depression der 30er Jahre waren Kinos und Filme von großer Bedeutung. Als Flucht- und Sehnsuchtsorte trugen Filme dazu bei, dass die amerikanische Bevölkerung den Mut nicht verlor.

„As Andrew Bergmann has shown, the fantasy world of the movies played a critical social and psycho- logical function for Depression era Americans: In the face of economic disaster it kept alive a belief in the possibility of individual success, portrayed a government capable of protecting its citizens from ex- ternal threats and sustained a vision of America as a classless society.” (DigitalHistory 2011.) Während des Zweiten Weltkrieges waren Hollywoodfilme für die Bevölkerung einem moralische Stütze. Erstens setzten sich Filme mit der Thematik des Krieges auseinander und zweitens zogen Per- sonen, die in der Filmindustrie arbeiteten, vorbildhaft in den Krieg. Nach dem Vorfall in Pearl Harbour schaffte Roosevelt die Zensur von Filmen mit den Worten: „The motion picture industry must remain free. I want no censorship“ (ebd.), ab.

Die Entwicklung des koreanischen Kinos war bis in die 50er Jahre stark eingeschränkt. Dies lag zu- nächst an der Zensur, welche die Besatzungsmacht Japan eingerichtet hatte. Alle Filme mussten vor ihrer Ausstrahlung dem staatlichen Zensur Bord vorgelegt werden. Zudem war es schwer, Geld für Filmproduktionen aufzutreiben. 1937 marschierte Japan in China ein. Um die japanische Vormacht in den besetzten Gebieten zu sichern wurden 1942 koreanisch-sprachige Filme verboten. Die Zerstö- rungen von 1945 bis 1955, der Zeit der US-amerikanischen Besatzung und des Koreakrieges, fielen auf die filmische Infrastruktur zurück. Aus dieser Zeit haben lediglich fünf koreanische Filme überlebt. 1953, unter Präsident Rhee Syng-nam, wurde die südkoreanische Filmindustrie, durch Subventionen und Steuerbefreiungen der Filmproduktion, revitalisiert. Durch technologische Innovationen, sowie durch neue Geräte und Apparaturen aus dem Ausland wurde in den späten 50er und 60er Jahren das koreanische Kino wiederbelebt. In dieser Zeit erlebte es einen vehementen Aufschwung. Von 1954 bis 1959 stieg die Anzahl der Filmproduktionen von acht auf 108 pro Jahr. Gleichzeitig war es eine Generation von äußerst talentierten Filmregisseuren. Das sogenannte „Motion Picture Law“, das 1962 unter der Militärregierung von Park Chung-hee erlassen wurde und die Kontrolle der Regierung 19

über die Filmindustrie stärkte, schränkte jedoch die Kreativität der Filmproduktion erheblich ein. Einige der bekanntesten Filmregisseure jener Zeit waren Kim Ki-young, Yu Hyun-mok und Shin Sang- ok. In den 1970ern lässt sich ein Rückgang der Besucherzahlen in koreanischen Kinos und eine neuer- liche Verstärkung der Zensur seitens der Militärregierung feststellen. 1973 wurden zwar die „Korean Motion Picture Promotion Corporation“ und im Jahr darauf das „Korean Film Archive“ gegründet, um die Industrie zu beleben, doch der Erfolg blieb bis in die 90er Jahre aus.

In den 80ern und in noch viel stärkerem Ausmaß in den 90ern kann man schließlich von einer Revita- lisierung des koreanischen Kinos sprechen. Anfang der 80er Jahre erhielt der Filmmarkt durch talen- tierte Filmregisseure Aufschwung. Außerdem wurde die Zensur etwas gelockert. In der Folge erhielt der koreanische Film auch international etwas mehr Aufmerksamkeit. Kang Su-yeon bekam bei- spielsweise im Jahr 1987 für die Rolle in „Surrogate Mother“ den Best-Actress-Award bei den Inter- nationalen Filmfestspielen in Venedig. Eine der wohl bedeutendsten und bekanntesten Personen des koreanischen Films ist Im Kwon-Taek. Er wurde durch den Film „Mandala “ (만다 라 – 1981), der die vergessenen Elemente der traditionellen koreanischen Kultur thematisiert, zu einem der berühmtes- ten Regisseure Koreas. 7 In den 80er Jahren veränderten sich die politischen Umstände der koreani- schen Filmproduktion. Nachdem Präsident Park Chung-hee 1979 ermordet wurde, wurden unter der Militärregierung von Roh Tae-woo 1984 die fünfte und 1986 die sechste Veränderung des „Motion Picture Laws“ vorgenommen. Während die ersten vier Gesetzesänderungen (1963, 1966, 1970 und 1973) auf eine stärkere Regierungskontrolle der Filmproduktion ausgerichtet gewesen waren, wurde durch die nachfolgenden Änderungen die politische Zensur gelockert. Die Gesetzesänderung aus dem Jahr 1984 hob das Vorrecht der großen Firmen bei der Filmproduktion auf. „Independent“- Produktionen, die bis dahin illegal gewesen waren, wurden damit ermöglicht. Dadurch entstand eine Gruppe von jungen Regisseuren, die in den späten 80ern den koreanischen Filmmarkt wesentlich veränderten. Mit der Gesetzesänderung des Jahres 1986 wurde der koreanische Markt für ausländi- sche Filme geöffnet. Ausländische Filmfirmen, sowohl Produktion als Vorführung, wurden in Korea erlaubt und viele Importbeschränkungen wurden aufgehoben. Der Import ausländischer Filme stieg zwischen 1985 und 1989 von 27 auf 264 Filme pro Jahr. Die koreanischen Filmemacher mussten nun mit ausländischen Filmen konkurrieren und wurden nur noch vom „Screen Quota System“ geschützt, das Kinos dazu verpflichtete, an 106 bis 146 Tagen des Jahres ausschließlich koreanische Filme zu zeigen. Immer mehr Hollywood-Firmen errichteten ihre Niederlassungen in Korea. UIP war 1988 die erste, darauf folgten im gleichen Jahr Twentieth Century Fox, Warner Bros 1989, Columbia Tristar 1990 und Disney (Buena Vista International) 1993. Im gleichen Jahr erreichte das koreanische Kino einen Tiefpunkt. Diese Entwicklungen führten zu starken Protesten der koreanischen Filmgemein- schaft, die sich vor einer Übernahme des Filmmarktes durch Hollywood-Niederlassungen fürchteten. Diese Veränderungen brachten jedoch auch eine weitere Entwicklung mit sich. 1992 wurde mit „Marriage Stories “ ( 결혼이야기 – Kyeolhon iyagi ) der erste Film gezeigt, der durch die finanzielle Un- terstützung einer Chaebol 8 (재벌; in diesem Falle Samsung) , einer koreanischen Form des global täti- gen Firmenzusammenschlusses, produziert wurde. In der Folge traten mehr und mehr Chaebols in

7 Sein bekanntester Film, „ Sopyonje “ ( 서편제 1993), der sich mit „ pansori “ ( 판소 리), einer traditionellen koreanischen Mu- sikform, auseinandersetzt, war ein großer Zuschauererfolg. Er war der erste einheimische Film, der alleine in Seoul über eine Million Besucher in die Kinos lockte. Auch in seinem neuesten Film, „ Hanji “ ( 달빛 길어올리 기 - Dalbit Kileoolrigi) aus dem Jahr 2010, beschäftigt sich Im Kwon-Taek mit der traditionellen koreanischen Kultur: diesmal widmet er sich der Pro- duktion des koreanischen Papieres. 8 Chaebol ist eine südkoreanische Form des Firmenzusammenschlusses. Es ist ein multinationales, globales Unternehmen, das zahlreiche internationale Unternehmen besitzt, aber trotzdem im Besitz einer Familie ist. Zu den bekanntesten und erfolgreichsten Beispielen zählen Samsung, LG und Hyundai. 20 den Filmmarkt ein und sorgten für ein vertikal integriertes Produktionssystem. Von der Finanzierung über die Produktion und die Vermarktung bis zur Vorführung – geschah alles unter einem Dach. Folg- lich hatten die Chaebols einen starken Einfluss auf die Art der produzierten Filme. Einige der wesent- lichen Effekte der Filmfinanzierungen durch Chaebols waren: Anstieg des Budgets, hohe Investitionen in die lokale Filminfrastruktur, Rückgang der Menge der Produktionen, da nur noch in erfolgsverspre- chende Filme investiert wurde, Fokussierung auf die effiziente Finanzierung des Films, Bevorzugung bekannter Schauspieler/innen und dadurch Beeinflussung des „Starsystems“, Nivellierung des Kinos in Richtung einer Mainstreamkultur und Vernachlässigung der Genre-Vielfalt. Diese vertikal integrier- te Art der Organisation war Vorbild für sich später entwickelnde Entertainmentfirmen, wie etwa CJ Entertainment. Nicht nur, dass Chaebols wie Samsung, CJ, Orion Group () u.v.m. den Weg in den Filmmarkt fanden, es änderte sich auch die Art der Produktion selbst. Filme wurden rationaler geplant. „ Marriage Stories “ ist das bekannteste Beispiel dieser „planned films“. Sie sind durch eine lange Phase der Marktanalyse, der Zielgruppenvorauswahl, der Marketingstrategie-Entwicklung und des Skript-Schreibens gekennzeichnet. Durch diese „planned films“ wurden Marktuntersuchungen zum selbstverständlichen Teil der koreanischen Filmproduktion. Schon Monate im Voraus wird ziel- gruppengenau Werbung für geplante Filme betrieben. Nach dem großen Erfolg von „ Marriage Sto- ries “ (Shin Ch’ol und Yu In-t’aek) entstanden eine ganze Reihe solcher „planned films“.

Im Jahr 1996 begann eine neue Generation, die koreanische Filmindustrie zu übernehmen. Kim Ki- duk – bekannt für seinen groben, aber visuell anregenden und schnellen Dreh von Filmen zu einem kleinen Budget – war einer der Regisseure dieser Generation. Er ist international bekannt und bekam 2004 den „Best Director Award“ bei den Internationalen Filmfestspielen in Venedig und den „Best Director Award“ bei der Biennale. Hon Sang-soo und Lee Chang-dong sind weitere bekannte Regis- seure, die damals den Filmmarkt eroberten. Gleichzeitig bildete sich eine zweite Gruppe von Regis- seuren, die jedoch kommerzieller orientiert waren. Der Film „ Shiri “ (1999) von Kang Je-gyu, gilt als Film, der den koreanischen Film-Boom kennzeichnet. 2001 wurden das erste Mal mehr Tickets für 60 bis 70 koreanische Filme verkauft als für 200 bis 300 ausländische Filme. Koreanische Filme und Re- gisseure wurden international bekannt und der Filmexport stieg drastisch an. Zu dieser Entwicklung trugen auch politische und gesetzliche Entwicklungen bei. Ende der 90er Jahre verließen viele Chaebols den Filmmarkt. Dies lag auch an der finanziellen Krise von 1997, die Südkorea dazu veran- lasste, sich mit der Bitte um Rettungspakete an den Internationalen Monetary Fund zu wenden. Aber diese Veränderung hatte sich schon vorher abgezeichnet. Die Profite der Filmproduktion waren nied- riger als erwartet ausgefallen, da einige teure Filme wenig Geld eingespielt hatten und man die Ge- winnspanne des Kabelfernsehens überschätzt hatte. Mehr und mehr Chaebols stiegen aus der Film- produktion aus. Allerdings blieben einige kleinere von ihnen (wie etwa Cheil Jedang (CJ Entertain- ment) und die Dongyang Gruppe (Showbox)) der Filmindustrie treu und spielen bis heute eine wich- tige Rolle. CJ ist momentan eines der größten Entertainmentunternehmen Koreas. Mit dem Ausstieg der Chaebols aus dem Filmindustriezweig entstanden um die Jahrtausendwende Risikokapitalfirmen, die in Filmproduktionen investierten. Die Filmindustrie bot ihnen die Möglichkeit, innerhalb kurzer Zeit Profit zu machen. Kino galt als wachsende Industrie und die Veränderung der gesetzlichen Lage unter Präsidenten Kim Dae-jung (1998-2003) war vielversprechend. Da die meisten dieser Firmen nicht ganze Filme, sondern nur Teile finanzierten, erhielten die Regisseure mehr künstlerische Frei- heit. Zudem wurden sie gezwungen, die Produktion so effizient wie möglich zu gestalten, da sie auf das Geld mehrerer Investoren angewiesen waren. Diese Art der Finanzierung ging mit einer Verände- rung der Gesetzeslage einher. 1996 wurde das „Motion Picture Law“ durch das „Film Promotion Law“ ersetzt. Dieses war anfangs noch durch ein relativ starkes Zensursystem in Form eines „Public Per- 21 fomance Ethics Commitee“ gekennzeichnet. Das Verfassungsgericht entschied jedoch, dass Prä- Zensur eine Verletzung der Verfassungsrechte sei. Im gleichen Jahr erfolgte die erste Revision des „Film Promotion Laws“, 1999 die zweite, in der das Komitee in das „Korea Media Rating Board“ um- gewandelt wurde. Zensur spielte weiterhin eine Rolle. Zwar wurde das Film-Rating vom Verfassungs- gerichtshof als verfassungswidrig erklärt, dennoch gelang es im Jahr 2002 dem „Media Rating Board“, die öffentliche Vorführung von „ Too Young To Die “ ( 죽어도 좋아 – Jukeodo joha) von Park Jin-pyo durch das Labeln des Films als „restricted“ zu verhindern. Nach einigen Monaten der Debatte wurde der Film freigegeben. Zwar gibt es immer noch einige wenige solcher Beispiele, doch die Bandbreite der erlaubten Filme ist wesentlich größer als vor den 80er Jahren. Die ökonomischen Belastungen der Filmproduktion sind mittlerweile wesentlich Besorgnis erregender als die rechtlichen Zensuren. Be- sonders schwer auf dem koreanischen Filmmarkt haben es Filme, die keine großen Profite verspre- chen. Die „Korean Film Commission“ ist zwar bestrebt, dies durch finanzielle Unterstützungen auszu- gleichen, dennoch passen sich lokale Firmen teilweise an Hollywoodniederlassung an und produzie- ren vorwiegend finanziell viel versprechende Blockbuster-Filme. Was jedoch unterschiedlich bleibt, ist der Vertrieb der Filme. Hollywoodfilme haben, trotz des hohen Bekanntheitsgrades koreanischer Filme in Asien, einen größeren internationalen Markt als Korea. Korea hat, im Gegensatz zu Amerika, auch keine komplexen Finanzierungsarten, da Banken diese nicht bereitstellen und diese mit größten finanziellen Risiken verbunden wären. Auch hinsichtlich des Produktionsprozesses lassen sich Unter- schiede zwischen Hollywood und Korea feststellen, so ist der Einfluss von Drehbuchautoren und Re- gisseuren auf die Art der Filme in Korea wesentlich größer als in Hollywood.

Ab 1999 kann man erneut von Boom-Jahren des koreanischen Filmes sprechen. Einige der bekann- testen Blockbuster dieser Zeit sind „ Shiri “, der erste Blockbuster Koreas, „ JSA - Joint Security Area “ (공동경비구역 JSA – Gongdong gyeongbi guyeok JSA 2000) und „ Friend “ (2001) mit 8,2 Millionen ver- kauften Karten. Der Export von koreanischen Filmen stieg an, neue Multiplex-Kinos wurden gebaut, internationale Filmfestivals etabliert, Marketing- und Werbestrategien wurden wichtiger und die zwei größten Firmen, die 2001 bis 2003 60% des Marktanteils hatten (CJ Entertainment und Cinema Service), wurden gegründet. Blockbuster und erfolgreiche große Filmproduktionen wurden stärker gefördert. Die Zuschauergruppen wurden jünger, wodurch sich die Themen der Filme veränderten. Eine wesentliche Rolle spielte die Förderung des Bildungsbereichs. Durch die Gründung von Film- schulen wurde der Filmmarkt stärker für weibliche Filmemacher geöffnet. Ein Kritikpunkt, der welt- weit und somit auch auf dem „Busan International Filmfestival“ 2011 angesprochen wurde, ist, dass die Förderung der großen Blockbusterfilme auf Kosten kleinerer Filme geht, sodass diese langsam verschwinden.

All diese Entwicklungen haben in Korea dazu geführt, dass sich heute Regisseure künstlerisch frei entfalten können und in ihrem kreativen Talent unterstützt werden. Der Trend zur freieren künstleri- schen Entfaltung lässt sich auch global beobachten. Anders als etwa in Japan, haben in Korea noch immer die Regisseure und nicht die Produzenten die Kontrolle über den Dreh. Koreanische Filme sind mittlerweile international bekannt und tragen zum Export asiatischer und vor allem koreanischer Kultur bei. Diese Entwicklung hat die Technik auf den neuesten Stand gebracht. So hat sich mittler- weile eine koreanische Geräuschfirma etabliert, deren Repertoire nur aus selbst gemachten, in Korea hergestellten Geräuschen besteht.

Der Film-Boom hielt etwa bis 2006 an, bevor er wieder nachließ. Das Jahr 2006 war noch durch zwei große Filme gekennzeichnet, „ King oft the Clown “ ( 왕의 남자 – Wang-ui Namja ) von Lee Jun-ik und „The Host “ ( 괴물 – Gwoemul ) von Boong Joo-ho, der 2011 in 3D wieder neu erschienen ist. „The 22

Host“ brach alle bisherigen Ticketrekorde und verkaufte alleine in Korea 13 Millionen Tickets (was 27% der Gesamtbevölkerung des Landes ausmacht). 2007 und 2008 war ein Rückgang der lokalen Filmmarktanteile zu verzeichnen. 51% 2007 und 43% 2008 (vgl. Kobiz 2011). Zuschauer sind in ihrem Konsumverhalten wählerischer geworden. 2010 stieg jedoch der Marktanteil der koreanischen Filme am nationalen Markt wieder auf 46,4% (vgl. Kobiz 2011) an. Gerade in den letzten Jahren zeichnet sich eine erneute Veränderung in der koreanischen Filmlandschaft ab. So ist die Bandbreite der kore- anischen Film-Genres größer geworden. 2011 sind einige der ersten erfolgreichen koreanischen Ani- mationsfilme, wie „ Leafie, A Hen Into the Wild “ ( 마당을 나온 암탉 - Madangeul Naon Amtak) von Oh Seong-yun oder „ The Kings of Pigs “ ( 돼지의 왕 – Dweji eui wang) von Yeun Sang-ho entstanden. Auch Animationstechniken und 3D-Animationen werden ständig weiterentwickelt und können mittlerweile mit den Hollywood-Produktionen leicht mithalten, wie auf dem Filmfestival in Busan festzustellen war. Zudem vergrößerte sich aufgrund der kontinuierlichen Kommerzialisierung und der hauptsächli- chen Unterstützung von Blockbustern die „Independent“-Szene.

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3. „Analyze This“ – Methoden

Die Zeit als Austauschstudentin in Korea schritt voran, und ich lernte verschiedene Leute kennen die sich auf verschiedenste Weise mit Film beschäftigen. All diese Begegnungen fanden statt, bevor ich die Entscheidung traf, mich in meiner Arbeit mit Filmen auseinander zu setzen. Die Idee sollte sich langsam entwickeln. Unter anderen lernte ich einen Barbesitzer kennen, der davon träumte einen Film zu drehen. Vor kurzem habe ich ihn in Seoul wieder getroffen und er hat mir erzählt, dass er mitt- lerweile dabei ist, die Filmstory zu schreiben. An einem andere Abend war ich zu einer WG-Party 9 ein- geladen, bei der ich einen Schauspieler kennenlernte. Dieser wurde schon im Vorhinein als WG-Party- „Stargast“ angekündigt und sehnlichst erwartet. Er ist kein besonders bekannter Schauspieler, einfach eine Person die von Beruf Schauspieler ist. Dies war die zweite Begegnung, die im Weitesten Sinne etwas mit Filmen zu tun hatte. Einige Wochen bevor ich Korea nach meinem Auslandsemester verließ folgte die dritte Begegnung, ich traf zwei Filmemacher. Einer von ihnen (Jollok) ist ein freischaffender Filmemacher mit einem eigenen Studio, der mit seinen Aufträgen überleben kann, der andere (Kyung- Jun) hat für ein Jahr eine Fixanstellung in einer Firma angenommen, um den Dreh seines Filmes finan- zieren zu können. Ich staunte als ich hörte, wie viel diese zwei Filmemacher über Filme wusste. Sie kannten nicht nur asiatische sondern auch bekannte und prämierte amerikanische und europäische Filme. Ich hingegen wusste nichts über das koreanische bzw. asiatische Kino. Als mir Jollok einen sei- ner Trailer zeigte, den er für einen seiner Auftraggeber produziert hatte und Kyung-Jun mir sagte, worauf ich beim Betrachten der Filmvorschau achten sollte, war ich zunächst überfordert. Ich lehnte mich in meinem Drehstuhl zurück und sah mir den Trailer einfach mal an. Das Wissen der beiden fas- zinierte mich, sie achteten auf Einzelheiten und sahen Dinge, die ich nicht sah oder mit Worten nicht auszudrücken vermochte.

In Filmen steckt viel mehr als auf den ersten Blick erkennbar ist.

„Filme sind wie Gedichte, Romane, Musik und Gemälde und anderer Formen kreativen Schaffens kultu- relle Leistungen und kulturelle Produkte oder Güter, die Mitglieder einer Gesellschaft erzeugen und die von der Gesellschaft bzw. den Individuen singulär oder kollektiv rezipiert, akzeptiert, gelobt, kritisiert, oder auch abgelehnt werden.“ (Hoffmann 2007, S. 198). Filme entstehen gesellschaftlich und werden gesellschaftlich rezipiert. Der Inhalt der Filme steht im Zusammenhang mit der Gesellschaft, „Filme liefern ein Bild oder eine Ansammlung von Bildern als Deutungen von Wirklichkeiten“ (Denzin 2004, S. 423). Sie sind „visuelle Formen in und mit denen sich eine Gesellschaft darstellt“ (Ebd., S. 417). Filme sind ein audiovisuelles Medium, das die Möglichkeit bietet, Gesellschaft, Probleme und Veränderungen, aber auch gesellschaftliche Wünsche darzustel- len.

Filme werden aber nicht nur geschaffen, sondern auch von Dritten aufgenommen und verarbeitet. Damit haben Filme die Möglichkeit, Einfluss auf das Leben jener Personen zu nehmen, die mit ihnen, sei es primär oder auch sekundär, in Berührung kommen. Dazu ein Beispiel: Einer meiner Freunde und ich haben seit wir eine bestimmte Folge von „How I Met Your Mother“ 10 gesehen haben, ange- fangen, immer, wenn wir etwas gut finden, auf eine bestimmte Art mit den Händen einzuschlagen. Wieso? Wir wollten ausprobieren, ob wir das Einschlagen so hinkriegen würden wie Marshall und

9 Wohngemeinschaften und das Feiern von Partys in Wohnungen sind sehr untypisch für Koreaner/innen. Es werden ei- gentlich nur sehr enge Freunde und Familienmitglieder ins Eigenheim eingeladen. 10 „How I Met Your Mother“ ist eine US-amerikanische Fernsehserie, in der ein Vater seinen Kindern die Geschichte erzählt, wie er deren Mutter kennengelernt hat. 24

Lilly (ein langjähriges Pärchen in der genannten Serie). Als dies schließlich im Sitzen funktionierte, probierten wir dies im Gehen. Irgendwann wurde es zur Gewohnheit, es erinnert uns an eine lustige Serie, Spaß, Freizeit u.ä. Personen, die die Serie kennen, wissen woher unser Verhalten kommt und solche die es nicht wissen und danach fragen, kommen mit „How I Met Your Mother“ in Berührung. Manche davon sehen sich die Serie an, um nachvollziehen zu können, wieso wir auf diese bestimmte Art und Weise Abklatschen. Worauf ich hinaus will ist, dass ein Film erst durch die Zuschauer, die Rezipienten eine umfassende Bedeutung erhält. Sie sorgen dafür, ob ein Film bekannt wird oder nicht, sie bestimmen mit, ob er sehenswert ist oder nicht und sie entscheiden – ob nun bewusst oder unbewusst –, wie er interpretiert wird. Gleichzeitig ist zu bedenken, dass Filme von unterschiedlichen Menschen unterschiedlich wahrgenommen und interpretiert werden können. Filme bieten uns viel- schichtige Erzähl- und Bedeutungsstrukturen, die ihnen durch den gesprochenen und vor allem visu- ellen Text, die Erzählung des Films und die Interpretationen, die Deutungen der Zuschauer gegeben werden (vgl. Denzin 2004, S. 423). So stellen Filme nicht nur „eine stetig sprudelnde Quelle dar, um sich über den Zustand einer Gesellschaft, ihre Krisen, Konflikte, ihre Werte und Moralvorstellungen Aufschluss zu verschaffen“ (Schroer 2007, S. 7), sondern beeinflussen durch die Interpretation der dargestellten Gesellschaft im Film und die Filminterpretation der Rezipienten die gesellschaftlichen und kulturellen Strukturen, die Entstehung weiterer Filme und die Rezeption des Filmes selbst. Damit lässt sich ein zirkulärer Zusammenhang zwischen Entstehung und Aufnahme bzw. Konsum eines Fil- mes feststellen. Zu einer anderen Zeit, unter anderen gesellschaftlichen Umständen, in anderen Kul- turen wären Filme, die an einem Ort, zu einer bestimmten Zeit populär sind, niemals bekannt gewor- den.

Wirkungsdiagramm: Filmemacher, Konsumenten, gesellschaftlich- kultureller Kontext

Filmemacher

Gesellschaftlich/ kultureller Filme Kontext

Rezeption der "Konsumenten"

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Zuschauer sind nicht nur beeinflussbare Rezipienten, sondern ihnen kommt eine bestimmte Art der Macht bzw. des Einflusses zu. Sie bestimmen, wie ein Film gesehen und interpretiert wird, ob er wei- ter empfohlen und populär wird oder nicht. Diese Interpretation hängt wesentlich mit dem Lebens- kontext der Zuschauer/innen zusammen. Es wird klar, dass „die Aneignung eines Films entscheidend vom kulturellen Hintergrund der Rezipienten abhängt.“ (Winter 1992, S. 71.) Fiske betont zudem, dass ein Film polysemisch strukturiert ist und damit mehrere unterschiedliche Bedeutungen zulässt, also eine bestimmte Art der Offenheit aufweist. Es besteht sozusagen eine Spannung zwischen der vorrangigen Bedeutung, dem Fokus eines Films, also einem geschlossenen Thema (Schließung) und der Offenheit der Interpretation dieser. Gleichzeitig zeichnet sich „gerade ein populärer Film […] dadurch aus, dass er den textuellen Raum für die Artikulierung von Bedeutungen und Vergnügen, die den Interessen verschiedener Zuschauergruppen entsprechen, bereitstellt.“ (Ebd., S. 86.) Um mit Fiske zu sprechen: „A popular Text, to be popular, must have points of relevance to a variety of read- ers in a variety of social contexts, and so must be polysemic in itself, and any one reading of it must be conditional, for it must be determined by the social condition of it’s reading.“ (Fiske 1989, S. 141.) Es muss sozusagen eine Verbindung zwischen Zuschauer/in und Film geschaffen werden damit dieser auch angesehen wird. Diese Ansicht wird auch von Filmtheoretikern geteilt, so meint Werner Faul- stich: „Je weniger inhaltliche Erfahrungen bzw. die Vermittlungsformen den Zuschauer ansprechen, desto ‚langweiliger‘ scheint ihm der Film.“ (Faulstich 2008, S. 24.) Ist diese Relevanz für Zuschau- er/innen geschaffen, besteht die Möglichkeit, dass ein Film an Popularität gewinnt. Umgekehrt kann also gesagt werden, dass ein Film in einem Land dann populär ist, wenn er gesellschaftliche Relevanz erfährt, das heißt von den dort lebenden Rezipienten als bedeutend und damit auch als gesellschaft- lich und kulturell relevant angesehen wird. Der Erfolg, des deutschen Films „Das Leben der Anderen“ (2006), der das kulturelle Leben, den Stasi-Apparat und die Geschichte Ostberlins um 1984 darstellt, ist bezeichnend dafür (vgl. de.wikipedia.org). Filme sind einerseits Ausdruck der aktuellen und damit auch der traditionellen kulturellen Umgebung einer Gesellschaft und andererseits ein Mittel, gesell- schaftliche Wünsche auszudrücken. Sie sind eine Möglichkeit, Traditionen und Veränderungen, Ver- gangenheit, Gegenwart und Zukunft zur selben Zeit darzustellen.

„In Spielfilmen sind diese kleinen Einheiten Elemente von Handlungen, die sich über alle erdenklichen Sphären erstrecken mögen. Sie können versuchen, die Vergangenheit zu rekonstruieren, können in Fan- tasien schwelgen, einen Glauben propagieren, einen individuellen Konflikt, ein merkwürdiges Abenteuer oder was immer darstellen.“ (Kracauer 1964, S. 393). Filme sind somit gleichzeitig Spiegel und Interpretation der Gesellschaft (vgl. ebd., S. 395ff). In unter- schiedlichen Ländern können verschiedene Filme relevant oder populär sein, je nachdem inwiefern sich die jeweilige aktuelle Gesellschaft in den Filmen wiederfinden kann und sich Rezipienten mit diesen identifizieren können. Dabei spielen für die Zuschauer/innen zwei Punkte eine wesentliche Rolle: einerseits die Identifikation (Schließung) und andererseits die Offenheit von Filmen, die für unterschiedliche Seh- bzw. Lesarten sorgt.

Aufgrund dieser theoretischen Überlegungen wurden für die Analyse die populärsten Filme der letz- ten Jahre gewählt. Wie anfangs dargestellt wurde, ist die zentrale Frage dieser Arbeit, wie sich Kol- lektivismus / Individualismus und Geschlechterbilder in der Darstellung der Hauptcharaktere und ihrer Beziehungsstrukturen in Filmen unterschiedlicher Länder zeigen. Es werden koreanische und amerikanische Filme zum Vergleich herangezogen, da Korea in der soziologischen Literatur und in den Selbstbildern als kollektivistisch und US-Amerika als individualistisch geprägte Gesellschaft gilt (vgl. Bellah u.a. 1987; Kim / Choi 2008). Mit Kollektivismus bzw. Individualismus gehen unterschiedli- che Geschlechterbilder einher. Wie sich die erwähnten Konzeptionen in Filmen der beiden Länder 26 widerspiegeln und welche der Filme jeweils populär sind, soll Aufschluss darüber geben, ob man in einer sich immer mehr vernetzenden Welt, Korea immer noch als rein kollektivistisch und US- Amerika als rein individualistisch bezeichnen kann. Die zu analysierenden Filme stammen aus den Jahren 2009 und 2010 und sind damit Ausdruck der aktuellen Gesellschaft der beiden Länder. Der Fokus wird auf den koreanischen Filmen liegen, jene der USA dienen hauptsächlich als Vergleichsme- dien.11

3.1. „Bestseller“ – Auswahl der Filme

Ich traf Jollok, Kyung-Jun und einige ihrer Freunde zwei Tage vor meiner Abreise aus Korea wieder. Wir saßen auf Plastikstühlen, auf dem Tisch vor uns stand Mandu (gefüllte Teigtaschen mit Gemüse oder Fleisch). Ich fragte die zwei Filmspezialisten nach den besten und bekanntesten Filmen Koreas. Sie beantworteten meine Frage mit einer Gegenfrage: „Meinst du die populärsten oder die ästhetisch und filmisch am besten gedrehten Filme?“ Ich verstand zunächst nicht, was sie damit meinten, für mich bedeutete das dasselbe. Ich wurde, eines besseren belehrt. Filme, die auf Filmfestivals prämiert werden, die ästhetisch, technisch, qualitätsmäßig und filmisch ausgezeichnet sind, müssten nicht zwangsläufig zu den populärsten Filmen gehören. Ich verstand was sie meinten und sprach den Film „Old Boy“ an, der beim Filmfestival in Cannes eine Auszeichnung erhalten hatte, in Korea aber wenig erfolgreich war. Sie meinten, genau das wäre ihr Punkt. Sie erzählten mir von koreanischen Filmen, die ich unbedingt ansehen solle, redeten von amerikanischen und europäischen Filmen. Wir diskutier- ten über Mainstream und Blockbuster und ich fragte nach Trends und Top-Hits in Korea. Ich machte mich auf die Suche nach Daten der populärsten Filme der Jahre 2009 und 2010, die die Basis für mei- ne vergleichende Filmanalyse bilden sollten .

Als Grundlage zur Auswahl der Popularität der Filme dienten die Anzahl der verkauften Tickets und der durch den Film eingespielte Gewinn. Dabei wurden die drei populärsten koreanischen Spielfilme in Korea und die drei populärsten amerikanischen Spielfilme in den USA als Analysegrundlage ver- wendet. Reine Animationsfilme und verfilmte Biografien wurden aus der Analyse ausgeschlossen. Die Daten der amerikanischen Filme stammen von der IMDb (Internet Movie Database), jene der korea- nischen Filme von der Website koreanfilm.org, einer von Darcy Paquet, einem der führenden korea- nischen Filmwissenschaftler, angelegten Website über koreanische Filme. Die Auswahl der Filme ist als heuristisch zu betrachten. Die sechs analysierten Filme liegen unter den jeweils zehn populärsten Filmen der Jahre 2009 und 2010.

Damit ergab sich folgende Auswahl der Filme (vgl. imdb.com und koreanfilm.org) 12 :

Top Hit Filme in den USA Platzierung Titel Genre Jahr Avatar (USA) 13 1. Action, Adventure, Fantasy 2009 $760,505,847 Toy Story 3 (USA) 14 2. Animation, Adventure, Comedy 2010 $414,984,497

11 Die theoretischen Konzeptionen werden in den jeweils relevanten Kapiteln dargestellt. 12 Die grau unterlegten Filme sind jene, die zur Analyse herangezogen wurden. 13 Wurde von der Analyse ausgeschlossen, da es sich um einen reinen Animationsfilm handelt. Dieser ist für die Darstellung der äußeren Erscheinung der Geschlechterbilder in den Filmen nicht geeignet. 14 Auch hier handelt es sich um einen reinen Animationsfilm. 27

Transformers: Revenge of the fallen (USA) 3. Action, Adventure, Sci-Fi 2009 $402,076,689 Alice in Wonderland (USA) 15 4. Adventure, Family, Fantasy 2010 $334,185,206 Iron Man 2 (USA) 5. Action, Adventure, Sci-Fi 2010 $312,057,433 Harry Potter and the Half-Blood Prince (USA) 16 6. Adventure, Family, Fantasy 2009 $301,956,980 Eclipse (USA) Adventure, Drama, Fantasy, Ro- 7. 2010 $300,523,113 mance New Moon (USA) Adventure, Drama, Fantasy, Ro- 8. 2009 $296,619,304 mance Harry Potter Harry Potter and the Deathly Hal- 9. lows (USA) Adventure, Family, Fantasy 2010 $294,980,434 Up (USA) 10. Adventure, Family, Fantasy 2009 $292,979,556

Top Hit Filme in Südkorea Platzierung Titel Genre Jahr Avatar (USA) 17 1. Action, Adventure, Fantasy 2009 13,351,368 (incl. 2010)/ Dec 17 / 124.87bn Haeundae (Korea) Adventure, Natural Disaster, Dra- 2. 2009 11,397,749 / Jul 22 / 81.02bn ma, Sci-Fi Speedy Scandal (Korea) 8,280,308*(with 2009) / 3. Comedy, Drama, Family 2008 18 Dec 3 / 53.80bn Take Off (Korea) 19 4. Comedy, Drama, Sports 2009 8,092,676 / Jul 29 / 57.57bn Transformers: Revenge of the fallen (USA) 5. Action, Adventure, Sci-Fi 2009 7,437,602 / Jun 24 / 50.70bn The Man from Nowhere (Korea) 6. Action, Crime, Thriller 2010 6,228,300 / Aug 4 / 47.10bn Jeon Woo-Chi (Korea) 7. Action, Comedy 2009 6,100,532 (incl. 2010) / Dec 23 / 44.03bn Inception (USA) 8. Action, Adventure, Sci-Fi, Thriller 2010 5,872,548 / Jul 21 / 43.40bn Secret Reunion (Korea) 9. Drama, Thriller 2010 5,461,540 / Feb 4 / 40.15bn 2012 (USA) Action, Adventure, Thriller, Sci-Fi, 10. 2009 5,431,440 (incl. 2010) / Nov 12 / 38.89bn Drama

15 Wir sprechen hier zwar von keinem reinen Animationsfilm, doch spielt die Darstellung von Menschen kaum eine Rolle. Gleichzeitig wird in dem Film eine fiktive Vergangenheit und nicht die aktuelle Gesellschaft dargestellt. 16 Als Grundlage dieses Films dient nicht die menschliche Gesellschaft, sondern eine fantastische Zauberer-Gesellschaft, die sich in einer bestimmten Umgebung in einer bestimmten Zeit abspielt. Im Unterschied zu Eclipse ist der Hauptspielort nicht die menschliche, sondern die magische Welt. Daher wurde Harry-Potter von der Analyse ausgeschlossen und Eclipse in diese einbezogen. 17 Auch hier handelt es sich um einen reinen Animationsfilm. 18 „Speedy Scandal “ wurde bereits im Dezember 2008 in den Kinos gezeigt, die Daten der verkauften Karten beziehen sich jedoch auf das Jahr 2009. 19 Es handelt sich hierbei um einen Film der sich auf das Jahr 1996 bezieht und die Veränderung einer Stadt für die Olympi- schen Winterspiele in Korea darstellt. Er versucht das Jahr 1996 und nicht die aktuelle Zeit zu porträtieren, daher wird er aus der Analyse ausgeschlossen. 28

Wie aus der Tabelle ersichtlich, befinden sich auch in Korea amerikanische Filme unter den meist gesehenen. Der zur Analyse ausgewählte Film „ Transformers: Revenge of the Fallen “ liegt in Korea auf Platz fünf. Teile der Animation dieses Filmes stammen von AKOM, einem vom Koreaner Nelson Shin gegründeten koreanischen Animationsstudio. Schon der erste Teil der Transformers-Filmreihe hatte großen Erfolg in Korea und auch die nächsten beiden Teile („Transformers – Revenge of the Fallen“ 2009 und „Transformers – Dark of the Moon“ 2011 ) waren erfolgreich. Umgekehrt wurde bei dem koreanischen Film „ Haeundae “ eine amerikanische Firma zur Animationsproduktion hinzugezo- gen. Es lässt sich eine Internationalisierung in der Produktion von Filmen beobachten. „Iron Man 2“ nimmt, nach der Listung 2009 bis 2010, in Korea Platz 15 ein und „ Eclipse “, der dritte Teil der „ Twi- light-Serie “, ist nicht unter den Top 20 der beiden Jahre zu finden, er wurde jedoch ausgestrahlt. Um- gekehrt befindet sich kein koreanischer Film unter den in den USA populärsten Filmen. Dazu muss gesagt werden, dass die USA weltweit Filme in größerem Maße exportiert als Korea. Gleichzeitig wird Korea als Testscreening Markt für amerikanische Filme verwendet, die hier früher oder zur gleichen Zeit wie in den USA Prämiere haben. Dies liegt unter anderem daran, dass Filme im hochtechnologi- sierten Korea binnen kürzester Zeit über das Internet zugänglich sind. Andererseits spielt das Kino im kulturellen Leben Koreas eine große Rolle. So hat 2009 jeder Koreaner durchschnittlich 3,15 Filme im Kino angesehen. Laut einer Studie des KOFIC (Korean Film Council) gingen 86,7% der 15-49 Jährigen ins Kino (vgl. Han 2010). Nicht nur der Markt der Zuschauer/innen ist groß, sondern auch die Rück- meldung und Bewertung der Filme ist effizient und vor allem schnell. „Thanks to the advanced Inter- net culture, audience response to movies can be judged almost instantly from posting on web com- munities, which makes a Korean world premiere worthwhile.“ (Park Yeong-cheol 2008, S.2.)

Trotz des Einflusses amerikanischer Filme in Korea, befinden sich verhältnismäßig viele koreanische Filme unter den populärsten Filmen in Korea. Dazu muss angemerkt werden, dass in Korea ein zwie- spältiges Verhältnis gegenüber der US-amerikanischen Kultur zu Tage tritt. Die Verbindung zwischen den USA und Korea ist im Wandel begriffen. Wegen des Koreakrieges und der Stationierung amerika- nischer Soldaten und der anfänglichen Hilfe beim Wiederaufbau Koreas kamen Koreaner stärker als Menschen anderer asiatischer Länder mit der amerikanischen Kultur in Kontakt. Einerseits wurde sie bewundert, ihr nachgeeifert und sie auch teilweise angenommen; andererseits wollte und will man sich von ihr abgrenzen (vgl. Kim / Jaffe 2010, S. 79ff). Dazu ein Beispiel aus der Mode, da sich anhand dieser, das zwiespältige Verhältnis von Korea zu den USA gut veranschaulichen lässt: Röcke und Ho- sen wurden in den letzten Jahren in Korea immer kürzer, enger und orientierten sich an der US-- amerikanischen Mode. Gleichzeitig soll aber nicht zu viel an Ausschnitt, Bauch oder Schultern gezeigt werden, was einen Gegensatz zur amerikanischen Mode darstellt. Korea hat sich mittlerweile wirt- schaftlich erholt und ist nicht mehr von den USA abhängig, es hat die USA in einigen Bereichen, wie zum Beispiel der Unterhaltungstechnologie (Samsung gilt als eine der besten Touch-Screen Produ- zenten weltweit) sogar überholt. Sozialstaatlich orientiert sich Korea eher an Europa als an den USA oder entwickelt eigene Lösungen. Die dreitägigen Demonstrationen im November vergangenen Jah- res (2011) gegen das Freihandelsabkommen mit den USA (KORUS-FTA), das im Januar 2012 in Kraft getreten ist (vgl. McGrath 2011), haben dem Widerstand gegen die USA erneut Ausdruck verliehen. Gegen ein ähnliches Freihandelsabkommen mit der EU wurden von Seiten der Oppositionsparteien keine Einwände erhoben und es kam auch zu keinen Straßendemonstrationen (vgl. ebd.). Zu diesem zwiespältigen Verhältnis Koreas zu den USA trägt auch bei, dass wegen des gespannten Verhältnisses zwischen Süd- und Nordkorea immer noch amerikanische Soldaten in Südkorea stationiert sind und damit die amerikanische Lebensweise ständig präsent ist, wodurch es im alltäglichen Zusammenle- ben immer wieder zu Ungereimtheiten kommt. Ein Beispiel sind Lokale, in denen US-amerikanischen 29

Soldaten der Eintritt verwehrt wird. Andererseits gilt das Erler- nen der englischen Sprache als äußerst wichtig, am liebsten wird Englisch bei „native Speakers“ erlernt. Diese werden zum Großteil besser entlohnt als koreanische Englischlehrer/innen, obwohl „native Speaker“ keine gezielte Lehr- bzw. Sprachaus- bildung haben. Trotz allem ist der Status der Lehrenden aus einem englisch-sprachigen Land im Sinken begriffen. Sie werden als unfähig angesehen, in ihrem eigenen Land Arbeit zu finden und können hier nur wegen ihrer Muttersprache relativ einfach einen gut bezahlten Job finden. Das Verhältnis von den USA zu Korea wird von Kim und Jaffe als ein Eltern-Kind Verhältnis be- schrieben, wobei Korea nun auf eigenen Beinen steht. „The two countries are now going through an awkward stage, not unlike a

Bild: Eingangstür einer Bar in Seoul parent sending a child off to college, a bittersweet but neces- sary moment.” […] „in other words, the United States is like that obnoxious uncle. Koreans may always have something negative to say about him, but deep in their hearts they still love him.” (Kim / Jaffe 2010, S. 79). Diese Metapher gibt das Gefühl und die Entwick- lung der Beziehung von Korea und Amerika relativ gut wider, wobei angemerkt werden muss, dass Korea eine wesentlich längere Geschichte als die USA hat. Zudem hat Korea ein sehr starkes nationa- les Selbstbewusstsein, was immer wieder von Koreaner/innen selbst betont wird.

Angesichts dieser Entwicklung der Beziehung zwischen Korea und den USA und des Glaubens an sich selbst, ist es nicht verwunderlich, dass trotz der zahlreichen ausgestrahlten amerikanischen Filme immer noch mehr koreanische Filme unter die Top-Filme in Korea fallen als amerikanische. Außer- dem kann im Anschluss an die oben angestellten Überlegungen davon ausgegangen werden, dass sich Koreaner/innen in koreanischen Filmen eher wiederfinden können als in US-amerikanischen.

3.2. „The River Why“ – Lesarten von Filmen

Ich hatte nun mein Thema, wusste ein wenig mehr über Korea und war wieder in Europa angelangt. Die Entscheidung war getroffen: Ich wollte koreanische und amerikanische Filme vergleichen und hatte die Filme ausgewählt. Die Frage, die nicht nur ich mir stellte, sondern dir mir mit Nachdruck immer wieder gestellt wurde, war: „Wie willst du das machen?“

„Sie [Filme] bringen […] zentrale kulturelle Werte zum Ausdruck und vermitteln sie zugleich.“ (Denzin 2004, S. 425.) Das bedeutet, dass Filme etwas über die Kultur einer Gesellschaft und die in dieser Gesellschaft lebenden Personen aussagen. „Filme sind kulturelle und symbolische Formen und kön- nen dazu genutzt werden, wichtige Merkmale des sozialen Lebens aufzudecken und zu beleuchten.“ (ebd., S. 423.) Besonders von Seiten der Filmtheoretiker werden Filmanalysen befürwortet, „Filme können nicht nur, sondern sie sollen analysiert werden, um Interpretationen zu überprüfen und zu objektivieren.“ (Faulstich 2008, S. 19.) Gerade Spielfilme sind „mehrdeutig, vielschichtig, mehrdimen- sional, polyvalent und das heißt: interpretierbar“ (ebd., S. 19). Diese Arbeit ist EINE mögliche Lesart der ausgewählten Filme. Es wird ein bestimmter Fokus gesetzt, unter dem die Filme gesehen werden können. So gibt es drei Punkte, die einer „totalen“, „vollständigen“ Filmanalyse entgegenstehen: erstens, gibt es keine universellen sondern immer mehrere zulässige Untersuchungsmethoden (Rela- 30 tivität der Methoden); zweitens ist eine Analyse immer weiter ausführbar (Begrenztheit der Analyse); und drittens sind Filme und Filmdiskurse prozess- und kontextbezogen (Prozessbezogenheit und His- torizität) (vgl. Wulff 2006, S. 232).

Damit soll hier eine Möglichkeit geboten werden, die ausgewählten Filme unter dem Fokus einer bestimmten Thematik zu betrachten. Dadurch soll gleichzeitig ein Vergleichsmoment hergestellt werden. Dieser bezieht sich, wie weiter oben schon dargestellt wurde, auf die Betrachtung der Dar- stellung der Hauptcharaktere und deren Beziehungsstrukturen zu den im Film dargestellten Personen und Personengruppen, um dadurch Aufschluss über die Darstellung von Individualismus / Kollekti- vismus und Genderkonstruktion in den Filmen beider Länder zu erhalten. Es soll festgestellt werden, ob und inwiefern sich Kollektivismus / Individualismus und Geschlechterbilder in Filmen der soge- nannten kollektivistischen Kultur Koreas und eine individualistischen Kultur US-Amerikas unterschei- den, ähneln oder aneinander angleichen. 20

Die Untersuchung legt den Fokus, um mit Korte zu sprechen, auf die Filmrealität, also das effektiv gezeigte und verbindet diese mit der Bezugsrealität, also jenen kulturellen Faktoren, die im Film, explizit (vgl. ebd., S. 237) und implizit, unbewusst angesprochen werden. Die realistische und die subversiven Lesart eines Films werden verbunden. Die realistische Lesart ist dadurch gekennzeichnet, dass erstens visuelle Vorlagen im Film als realistische, wahrheitsgetreue Abbilder eines Phänomens betrachtet werden. Zweitens werden Wahrheitsansprüche über die Welt und die in ihr ablaufenden Vorgänge repräsentiert. Drittens wird die Bedeutung einer visuellen Vorlage erfasst, wodurch vier- tens der auf die Wirklichkeit bezogene Wahrheitsanspruch validiert werden kann. Die subversive Lesart gibt hingegen die Möglichkeit, den Standpunkt des Betrachters zu hinterfragen, lenkt die Auf- merksamkeit auf Nebencharaktere und fragt nach vielfältigen Bedeutungen der im Film dargestellten Wahrheit (vgl. Denzin 2004, S. 424). Da sich die Arbeit nun zwar auf die realistische Darstellung und vor allem auf Hauptcharaktere bezieht, dies aber mit einem bestimmten Blickwinkel macht und be- wusste und unbewusst dargestellte gesellschaftliche Konstruktionen im Film hinterfragt und sich mit der Beziehung der Hauptcharaktere zu den Nebencharakteren beschäftigt, werden realistische und subversive Lesart miteinander verbunden. Denzin macht explizit auf die Verbindung beider Lesearten aufmerksam.

„Jede Vorlage muss auf beide Arten [realistische und subversive Lesart] gelesen werden. Es gibt keine einzig korrekte Lesart eines visuellen Textdokuments, nur multiple Interpretationen. Es wäre falsch, In- terpretationen nur auf die eine oder die andere Lesart zu begrenzen, weil damit andere Bedeutungs- schichten, die in den Vorlagen allgegenwärtig sind, verfehlt würden.“ (Ebd., S. 425.)

20 Die Beschreibung des theoretischen Hintergrundes wird in den spezifischen Kapiteln genauer besprochen. Hier soll diese Fragestellung nur kurz angeschnitten werden. 31

3.3. „How to Train Your Dragon“ – Vorgehensweise bei der Filmanalyse

Wie wurde bei der Analyse konkret vorgegangen? Zu allererst wurde der Film als Ganzes angesehen. Dadurch ergibt sich die Möglichkeit, in diesen einzutauchen, ihn zu erleben. Diese „intuitive oder „normale“ Interpretation [ist] unverzichtbarer Ausgangs- und Ansatzpunkt […] für die analytische Arbeit.“ (Faulstich 2008, S. 20.) Dies ist für die Analyse nicht genug. Es wird daher eine systematische Analyse der Gestaltungs-, Darstellungs- und Vermittlungsformen des Films vorgenommen. Das „Ziel ist es, etwas über den Film in Erfahrung zu bringen, das vorher nicht bekannt war.“ (Ebd., S. 21.) Durch die gezielte Analyse bestimmter Themengebiete soll etwas Neues über die Filme, aber auch die gesellschaftlichen Entwicklungen und deren Spiegelungen im Film in Erfahrung gebracht werden. Durch die genaue Analyse von (Spiel-)Filmen wird bewusst, dass es sich um eine Art Traum handelt, in dem man für die Zeit der Filmdauer lebt. Es handelt sich um eine Art des kollektiven Traumerleb- nisses, also einen Traum, in den sich all jene Personen begeben, die den Film sehen. (Vgl. ebd., S. 21ff.)

Im weiteren Verlauf der Analyse wurde ein Sequenzprotokoll angefertigt, wobei „die Filmhandlung in Szenen oder Sequenzen segmentiert“ (ebd., S. 76) wurde. Dieses vorläufige Sequenzprotokoll wurde anschließend strukturiert, damit die gesamte Handlung des Films „gegliedert und die einzelnen Se- quenzen […] in ihren Proportionen sichtbar“ (Ebd., S. 79) wurden. Dabei galt es nun weiter nicht nur die Geschehnisse zu beschreiben. „Es sind die Situationen und Ereignisse herauszuarbeiten, die mit- einander verknüpft werden, die Personen und Umgebungen, in denen diese Personen handeln. Da- bei sind ästhetische Mittel der Gestaltung zu berücksichtigen, die funktional […] eingesetzt werden.“ (Mikos 2008, S. 135.) Es sollten die kausalen Ursachen des Filmgeschehens herausgefiltert werden. Die chronologische Abfolge der Beschreibung des Geschehens wird dabei durch ein kausales Ver- knüpfungskonzept ersetzt. Während dies bei Faulstich als Plot bezeichnet wird, arrangiert für Mikos der Plot „die Ereignisse, Handlungen und Figuren eines Film[…]textes und steuert auf diese Weise den narrativen Prozess. […] Während die Story einen kausal-logischen Zusammenhang ergibt.“ (Ebd., S. 135.) Hier werden die Begriffe Plot und Story nach Faulstich verwendet der sie wie folgt definiert: „Komplettiert ist das Sequenzprotokoll aber erst, wenn es nicht nur durch das bloße Nacheinander von Sequenzen (Story) gliedert und ausdifferenziert, sondern auch noch die Abfolge ausdifferenziert, Sequenzen gruppiert bzw. größere Zäsuren der Handlungsentwicklung markiert, man nennt das den Plot: Erst geschieht dieses dann jenes – und zwar weil …“ (Faulstich 2008, S. 83).

Anhand des Sequenzprotokolls (Beispiel Tabelle S. 33), das „erlaubt einen ersten Zugriff auf das Or- ganisationsprinzip der Filmhandlung, und zwar sowohl für die genauere Analyse einer einzelnen Se- quenz als auch für den gesamten Film“ (Ebd., S. 79) zu erhalten, wurden Schlüsselszenen herausgefil- tert, die für die Entwicklung der Hauptcharaktere und die Beziehungen der Filmcharaktere zueinan- der prägend sind. Sie wurden einer genaueren Analyse unterzogen, bei der ein weiterer Fokus auf die ästhetische Gestaltung (Bild, Kameraeinstellung, Musik, Ton) gelegt wurde. Um diese herauszuarbei- ten wurde die Frage gestellt, wann es zu Entscheidungen und Veränderungen im Filmgeschehen kommt. Dabei wurde das Grundmodell nach Faulstich angewandt, in dem zunächst betrachtet wur- de, WAS im Film dargestellt wird und wie sich diese Handlungen im Laufe des Films verändern. Gleichzeitig wurde dabei analysiert, WER in diesen Sequenzen dargestellt wird, wer für die Geschich- te und die Entwicklung der Hauptcharaktere wichtig ist und WIE, also mit welchen ästhetischen Mit- teln und auf welche Art und Weise, diese Personen, Situationen und Handlungen dargestellt werden. Dadurch ergab sich WAS an gesellschaftlichen Werten, Normen und Ideologien durch den Film re-

32 produziert und repliziert wird. (vgl. ebd., S. 26ff). Dabei durfte nicht aus den Augen verloren werden, auch die Entwicklung, die ein Charakter im Film durchläuft, also das Wie der Veränderung, in die Ana- lyse mit einzubeziehen (vor allem jene Personen, Situationen und Handlungen, die für diese Verände- rung im Film „verantwortlich“ sind). Das Hauptaugenmerk der Analyse lag auf den Handlungsstruktu- ren der Filmcharaktere, im Besonderen der Hauptcharaktere. Dies ergab sich auch durch die intensi- vere Betrachtung des Plots, der die Handlungsstruktur „als zentrale Sinnstruktur des Films zugäng- lich“ (ebd., S. 83) macht.

Kurz gesagt wurde eine qualitative Inhaltsanalyse durch ein Sequenzprotokoll, die den Fokus auf die filmischen Handlungen der Filmcharaktere legt, durchgeführt. Diese wurden bezugnehmend auf die beiden Schwerpunkte Individualismus / Kollektivismus und Geschlechterkonstruktion der unter- schiedlichen Kulturen und Länder ausgewertet. Besonders im Bereich der Geschlechterdarstellung nahm das WIE der Darstellung, also die ästhetische Komponente des Filmes, einen besonderen Stel- lenwert ein. Ein besonderes Augenmerk wurde hier auf die äußere Erscheinung (wie Kleidung, Aus- sehen und Auftreten) der im Film dargestellten Personen gelegt. Die Hauptcharaktere und die mit ihnen am engsten verbundenen Personen und Personengruppen wurden nochmals beschrieben, was sowohl für die Frage nach Individualismus / Kollektivismus als auch für die Geschlechterbilder wichtig ist. Als dritter Punkt wurden die einzelnen Filme nochmals als Ganzes betrachtet, um die Zerstücke- lung des Filmes, die durch die Analyse vorgenommen wurde, wieder aufzuheben und den Film nochmals als Ganzes wahrnehmen zu können. Im Anschluss daran wurden die Analyseergebnisse der einzelnen Filme miteinander verglichen und festgestellt, ob es Ähnlichkeiten, Unterschiede, Trends u.ä. einerseits innerhalb der koreanischen und amerikanischen und andererseits zwischen koreani- schen und amerikanischen Filmen gibt. Diese Analyseergebnisse wurden unter den Vergleichsmo- menten Kollektivismus / Individualismus und Genderkonstruktionen dargestellt. 21

Beispielausschnitt des Sequenzprotokolls von „Haeundae “: Analyse des Vorspanns

Meer 2004 Weihnachtstag • Aufnahmen Sturm, Schiff, Zoom aufs Fischerschiff • Mann (Vater Yeon-hee) liegt unter einem Maschendrahtzaunartigem Käfig • Arbeiter des Fischerbootes schreien, Nahaufnahmen schreiender Personen (= später stellt sich raus, dass bei dem Unfall Vater von Yeon-hee starb und Man-sik sich dafür verantwortlich fühlt ‰ Kümmert sich im weiteren Film geschehen um das Wohlergehen von Yeon-hee) Büro • Ein Mann läuft herein zeigt einem anderen (Prof. Kim) den Ausdruck eines Seismographen, mit hohen Wellen. • Telefonat: Personen sollen an höhere Stellen in Sicherheit gebracht werden. Mitteilung es ist ein Tsunami Meer und Flugzeug Raum mit Holzausstattung • Ein älterer Mann telefoniert (Eok-jo) - mit dem Rettungsteam auf der See. Gespräch darüber, dass sie sie retten sollen • Raum voller Leute • Junges Mädchen (Yeon-hee) springt auf, fragt nach ihrem Vater

21 Ein detaillierte Analyseschema wird im Anhang zugefügt 33

• Älterer Mann macht Mitteilung, dass Schiff gerettet wurden • Erleichterung, Freude in den Gesichtern der Anwesenden • Junges Mädchen lächelt und weint (Großaufnahme) (erst später erfährt man, dass Yeon-hees Vater tot ist) (Anmerkung: Einstieg in den Naturkatastrophenfilm „Haeundae“ durch einen Tsunami, der einige Jahre zuvor stattfand. Vorwarnung, Thematik wird wieder aufgegriffen ‰ erlaubt Vorahnung, dass etwas schlimmes passiert)

Beispielausschnitt der analysierten Beziehungsstrukturen im „ Haeundae “: Beziehung Man-sik zu Yeon-hee

Veränderungsgrund Beziehungscharakterisierung/-entwicklung

Man-sik (MS) ‰‰‰ Yeon-hee (YH) YH = Kind für MS Fühlt sich verantwortlich für YH und ihr Waisenkind da sein (Vater YH) Kümmert sich um sie, lädt sie ein, schenkt ihr Sachen ein und kümmert sich mehr als für einen großen Bruder üblich ist – Schlechtes Gewissen Freunde MS Freunde sprechen ihn auch schon darauf an – pushen ihn YH als Frau gesehen aber MS macht ihr Kompliment sie sehe schön aus, sie das hätte lange gedauert. nicht für MS ‰ Verantwor- Reden wegen Heiraten. Er solle ihr Mann suchen ;) Reden über Mann suchen ‰ tung (MS) ‰ sucht Partner, verletzt sie indem er sagt er will ihr Mann suchen YH als Frau zurückgewiesen Dong-choo (DC) kommt – spricht Geschäfte und Todestag an Sieht YH als Kind (Gespräch über Erwachsen sein und dass ihr Herz früher im- YH sieht MS als Part- mer höher geschlagen hätte als sie ihn sah) ner/Mann Gespräch YH zu ihrem Vater am Grab MS gibt so gut auf sie acht sie möchte es Gesteht Liebe zu MS im zurückgeben und MS würde nichts verstehen und Vater solle ihr helfen Entschuldigung bei Vater MS entschuldigt sich bei Vater YH, weint, erleichtert damit seine Schuldgefühle (YH) MS sucht Mann für YH und fragt Hyeong-sik (HS) nach Interesse, dieser sagt er HS – MS solle nochmal solle nochmal nachdenken, was Vater YH zu ihm gesagt hat nachdenken Sieht was auf Soju-Flasche Verbietet YH seinen Onkel (Eok-jo) zu bedienen, hat bei ihr gegessen Heiratsantrag Macht YH Heiratsantrag – YH will nachdenken Antrag ausgeschlagen Wird abgewiesen (kein rotes Tuch)wegen DC wegen DC Kniet vor dem Straßenrestaurant Unglück Tsunami Verlobung MS stirbt fast YH nimmt Antrag an Onkel rettet ihn Überlebt durch Onkel Paar, rotes Tuch als Zeichen Hilft ihr beim aufräumen, rotes Tuch

schlechten Gewissen getriebener Helfer/ Vaterfigur ‰‰‰ (Freunde, HS, Unglück – DC, Tsunami – Onkel) ‰‰‰ Mann YH

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4. „Lost in Translation“ – Filmanalytische Auswertungen

4.1. „Do You Know Me“ – Vorstellung analysierter Filme

Ich war gut im Hostel in Haeundae, einem Stadtteil von Busan, angekommen. Es war 11 Uhr abends. Ich hatte die Koffer im Zimmer verstaut und erst jetzt Zeit nachzudenken. Ich war müde, erinnerte mich aber an den Film „Haeundae “ (해운대 ), den ich erst kurz bevor ich losgefahren war nochmal angesehen hatte. Ich sehnte mich nach dem Strand, weil ich wissen wollte, ob er so aussieht wie im Film. Es war zwar Nacht, aber vielleicht würde ich einige der Hotels erkennen, die im Film vorkamen. Ich machte mich auf den Weg, drei Minuten später stand ich im Sand. Ich sah mich um und erkannte Orte, die ich schon einmal gesehen hatte. Ich erinnerte mich an die Stufen, auf denen Professor Kim im Film gesessen hatte und erkannte einige Hochhäuser, die ich aus dem Film zu kennen glaubte. In zwei Tagen sollte das „Busan International Filmfestival“ beginnen. Noch war der Strand fast men- schenleer, ein paar Pärchen und Freundesgruppen saßen dort und genossen die kühle Meeresluft. Ich suchte mir einen Platz etwas abseits der Menschen und setzte mich an den Strand. Es war ein komi- sches Gefühl, an einem Ort zu sein, den ich schon so oft gesehen hatte, den ich auf eine bestimmte Weise kannte, an dem ich aber noch nie zuvor gewesen war. Ich dachte an die Szenen des Films, an die Welle, die den Menschen am Strand entgegenkommt, an die Aufnahmen, die bearbeiteten Szenen und die Schauspieler/innen. Ich stand auf und ging ins Hostel zurück. Dort angekommen fragte mich die Besitzerin, ob ich wegen des Filmfestivals hier sei, ich bejahte. Sie fragte mich nach den Hinter- gründen und ich erzählte von meinem Vorhaben, Filme zu vergleichen. Sie fragte nach den Filmen und ich nannte als ersten „The Man from Nowhere“ (아저씨- Ajeossi). Sie sah mich unwissend an. Ich zeig- te ihr einen Screenshot des Filmes. Sie meinte aufgeregt, sicher würde sie diesen Film kennen, er hieße „Ajeossi “. Sie schwärmte von Won Bin, dem Hauptdarsteller, er sei so „handsome“, besonders nach- dem er sich im Film die Haare kurz geschnitten hatte. Auch die anderen Filme kannte sie ohne über- legen zu müssen und sogar ohne das Vorzeigen von Screenshots. Diesmal erinnerte ich mich nämlich an die koreanischen Originaltitel. Sie war begeistert, dass ihr alle Filme, die in meiner Arbeit eine grö- ßere Rolle spielen, bekannt waren. Die Filme, die ich ausgewählt hatte, waren wirklich populär.

Da das Verständnis des Auswertungskapitels ein grundlegendes Wissen über die Handlung der analy- sierten Filme voraussetzt, werden diese in der Folge kurz beschrieben. Leser/innen, die einen oder mehrere Film/e bereits kennen, mögen die jeweiligen Ausführungen überspringen. Diese enthalten neben einer Kurzbeschreibung der Handlung die grundlegendsten Informationen zum Film, wie Drehbuchautor/in, Regisseur/in, Haupt- und wichtigste Nebendarsteller/innen. Die jeweiligen Hauptcharaktere, von denen ausgehend im zweiten Teil dieses Kapitels die Beziehungsstrukturen analysiert werden, sind grau unterlegt. Dies soll auf die nachfolgenden Grafiken vorbereiten und die Orientierung darin erleichtern.

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4.1.1. Koreanische Filme

Speedy Scandal ( 과속스캔들 - Gwasok Seukaendeul)

Drehbuch und Regie: Kang Hyeong-cheol Produktion: Ahn Byeong-kiund Sin Hye-yeon Musik: Kim Joon-seok Kamera: Kim Jun-young Schnitt: Nam Na-yeong Vertrieb: Lotte Entertainment Premiere: 3.12.2008

Schauspieler Rolle Rollenbeschreibung Cha Tae-Hyun Nam Hyen-soo Radiomoderator – Hauptcharakter Park Bo-yeong Hwang Jeong-nam Tochter Hwang Seok-hyon Hwang Ki-dong Enkel Lim Ji-gyoo Park Sang-yoon Jeong-nams erste Liebe Hwang Woo-seul-hye Jo Mo Kindergartendirektorin Lim Seung-dae Bong Pil-joong Skandalreporter

Hyen-soo, ein Radiomoderator, perfekt gestylt, viel Geld, vollkommen durchorganisiert, hat eine Anruferin. Jeong-nam ruft das erste Mal an – bisher hat sie sich nur per E-Mail gemeldet. Sie hat ih- ren Vater, den sie gesucht hat, gefunden und beschlossen, ihn mit ihrem kleinen Sohn Ki-dong aufzu- suchen. Hyen-soo bestärkt sie in ihrem Vorhaben. Nachdem sie ihm erzählt, dass sie gerne singt, lädt Hyen-soo sie zum Songwettbewerb seiner Radioshow ein. Nachdem er seine Sendung zu Ende mode- riert hat, bedauert er den Vater, der nach so langer Zeit plötzlich eine Tochter und einen Enkel be- kommt. Bei einem Werbedreh trifft er den Skandalreporter Bong, der schon wieder eine Klatschge- schichte über eine bekannte Persönlichkeit aufgedeckt hat. Auch ihn bekräftigt Hyen-soo bei seiner Arbeit, hat aber gleichzeitig Angst, dass dieser irgendwann auch über ihn berichten könnte.

Am gleichen Abend erwartet Hyen-soo in seinem Luxusapartment weiblichen Besuch. Den bekommt er auch – allerdings anders als erwartet. Als er nämlich die Türe öffnet, steht die Anruferin, Jeong- nam, mit ihrem kleinen Sohn vor ihm. Zunächst versucht er, sie abzuwimmeln. Als sie ihn jedoch an ihre Mutter erinnert, realisiert er, dass sie seine Tochter und der kleine Junge sein Enkel ist. Hyen-soo ist schockiert. Als dann noch sein Damenbesuch kommt, stellt er die zwei unerwünschten Gäste in seinen begehbaren Kleiderschrank und wimmelt den Damenbesuch ab. Hyen-soo möchte Tochter und Enkel loswerden, Jeong-nam droht ihm jedoch einen öffentlichen Skandal daraus zu machen. Er nimmt die beiden bei sich auf und lässt seine Vaterschaft durch einen Test bestätigen. Das Zusam- menleben der drei gleicht anfangs einer Katastrophe. Das geregelte Leben von Hyen-soo wird auf den Kopf gestellt. Eines Abends betrinken sich Vater und Tochter und sie verspricht ihm, am Ende des Jahres auszuziehen. Um sein Image nicht zu beschädigen, macht Hyen-soo alles, um seine Vater- schaft geheim zu halten.

Als sein Chef verlangt, dass er weiterhin von Jeong-nam, der Suche nach ihrem Vater und deren Zu- sammentreffen berichtet, bleibt keine andere Möglichkeit, als Jeong-nam zu fragen, ob sie wieder eine E-Mail an die Radiostation senden kann. Da sich die beiden über den Inhalt der E-Mail nicht einig werden beginnt Hyen-soo anstelle von Jeong-nam die E-Mails für die Radiostation zu schreiben. Er stellt ihren Vater als liebevoll dar, der für Tochter und Enkel sorgt und ihnen alle Wünsche erfüllt. Im 36 wirklichen Leben verhält er sich gegenüber seiner Tochter und seinem Enkelkind ganz anders. Gleich- zeitig spielt sich das Zusammenleben der drei Hyen-soo, Jeong-nam und Ki-dong langsam ein. Jeong- nam nimmt beim Songwettbewerb in der Radiostation teil. Hyen-soo versucht anfangs, seine Tochter davon abzubringen. Als ihre Darbietung jedoch durchwegs auf Begeisterung stößt, muss er sich ge- schlagen geben. Ki-dong wird in den Kindergarten eingeschrieben, Hyen-soo gibt sich als Verwand- ten, der sich um Ki-dong kümmert, aus. Im Kindergarten verliebt sich Hyen-soo in die Kindergartendi- rektorin. Diese macht ihn darauf aufmerksam, dass er sich mehr um Ki-dong kümmern müsse, der Kleine gelte im Kindergarten wegen seiner veralteten Kleidung als Außenseiter. Als Hyen-soo erfährt, dass auch seine Arbeitskollegen über Jeong-nams Kleidung spotten, fühlt er sich in seiner Vaterehre verletzt und stattet Tochter und Enkel mit teuren, modischen Kleidern aus. Durch Jeong-nams Radi- owettbewerb-Teilnahme findet der Vater ihres Sohnes sie wieder. Sie verabreden sich und verlieben sich erneut ineinander. In der Zwischenzeit führt Hyen-soo die Kindergartendirektorin Jo Mo zum Essen aus.

Als Ki-dongs Vater sieht, wie Jeong-nam mit Hyen-soo in die Wohnung fährt, denkt er, die beiden wären ein Paar. Dieses Gerücht verbreitet sich und es kommt zu einem Streit, wobei Hyen-soo seine Tochter aus seiner Wohnung wirft. Hyen-soo vermisst Tochter und Enkel, gleichzeitig steht das Finale des Gesangwettbewerbs bevor. Er liest im Radio eine E-Mail vor, die vermeintlich von Jeong-nam stammt, die aber er selbst geschrieben hat. Auf diese Weise bittet er sie um Vergebung, ohne öffent- lich zu machen, dass sie seine Tochter ist. Daraufhin ruft sie in der Sendung an und spricht indirekt sein verleugnendes Verhalten an. Hyen-soo meldet sich nochmal durchs Radio und erinnert seine Tochter daran, dass sie ihre Träume verwirklichen solle. Obwohl es nach dem Streit unsicher ist, ob Jeong-nam zum Wettbewerb erscheint, taucht sie bei der Generalprobe des Songwettbewerbs schließlich doch auf. In der Hoffnung, dass sie zum Wettbewerb erscheint, sagt Hyen-soo den Chor, den er extra für sie bestellt hat, nicht ab.

Kurz vor dem großen Auftritt Jeong-nams verschwindet der kleine Ki-dong. Jeong-nam ist verzweifelt und läuft Tränen überströmt in den Aufführungssaal, wo Hyen-soo gerade das Publikum begrüßt. Auf der Bühne fleht sie Hyen-soo an, ihr zu helfen. Dieser gesteht nun öffentlich, dass Jeong-nam seine Tochter ist und dass ihr Sohn gesucht wird. Hyen-soo und Jeong-nam gehen zur Polizei, Jo Mo kommt hinzu und schließlich auch Ki-dongs Vater, der zunächst auf Hyen-soo los geht. Jeong-nam klärt die Situation auf und erklärt ihm, dass Ki-dong sein Sohn und sie Hyen-soos Tochter sei. Als die Polizei ihnen mitteilt, wo sich Ki-dong aufhält, sind Opa und Mama überglücklich den Kleinen gefunden zu haben. Hyen-soo muss am Ende eine Presseerklärung zu den Vorfällen abgeben. Anders als von ihm befürchtet interessiert sich jedoch keiner der Reporter für seine Beichte, da der Skandalreporter von einem bekannten Star angegriffen wird. Hyen-soo erhält nach außen das Image des liebenden Vaters, beginnt Jo Mo auszuführen und führt ab sofort ein glückliches Familienleben.

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Tidal Wave (해운대 --- Haeundae)

Regie: Yoon Je-kyoon Drehbuchaut: Kim Hwi Studio: Dosaboo Film und CJ Entertainment Musik: Lee Byeong-woo Schnitt: Sin Min-kyeong Vertrieb: CJ Entertainment Premiere: 22.7.2009

Schauspieler Rolle Rollenbeschreibung Seol Kyeong-gu Choi Man-sik Fischer – Hauptcharakter Ha Ji-won Kang Yeon-hee Straßenrestaurant-Besitzerin, in Man-sik verliebt – Hauptcharakter Cheon Bo-geun Seung-hyeon Sohn von Man-sik Kim In-kwon Oh Dong-choon Verliebt in Yeon-hee Song Jae-ho Eok-jo Onkel von Man-sik, will Shoppingcenter bauen Park Joong-hoon Kim Hwi Professor, Geologe – Hauptcharakter Uhm Jung-hwa Lee Yoo-jin Ex-Frau des Professors – Hauptcharakter Kim Yoo-jeong Ji-min Tochter von Yoo-jin und vom Professor Son Yeong-soon Kimbap grandma Nimmt Ji-min auf Lee Min-ki Choi Hyeong-sik Rettungsschwimmer, verliebt in Hee-mi – Hauptcharakter Kang Ye-won Kim Hee-mi Studentin aus Seoul, verliebt in Hyeong-sik – Hauptcharakter Yeo Ho-min Joon-ha Yacht-Besitzer aus Seoul

Anfangs wird das Leben am Hafen und am Strand in Haeundae, einem Stadtteil von Busan, darge- stellt. Yeon-hee, eine in Haeundae lebende junge Frau, hat einige Jahre zuvor ihren Vater, der auf einem Fischerboot gearbeitet hat, verloren. Einer seiner Kollegen, Man-sik, der für den Tod ihres Vaters mitverantwortlich ist, kümmert sich um sie. Er bringt ihr Lebensmittel für ihr kleines Restau- rant, leiht ihr das Geschirr vom Restaurant seiner Mutter usw. Man-siks Onkel, Eok-jo, möchte in Haeundae ein riesengroßes Shoppingcenter errichten, wodurch die kleinen Restaurants und Geschäf- te am Strand vertrieben werden würden. Man-sik und die Bewohner sind gegen den Bau des Shop- pingcenters. Gleichzeitig wird eine große Veranstaltung geplant, die Yoo-jin, die Ex-Frau des Geolo- gen Professor Kim, organisiert. Professor Kim warnt von Anfang an vor einem Tsunami, weil er Unre- gelmäßigkeiten in den Bodenmessungen festgestellt hat. Da seine Exfrau bisher in den USA gelebt hat, sieht er zu dieser Zeit zum ersten Mal seine kleine Tochter. Ein weiterer Strang der Geschichte beschäftigt sich mit einigen Jugendlichen, die am Strand von Haeundae Urlaub machen. Eine Gruppe von Studentinnen aus Seoul wird von jungen Männern, die sie soeben erst kennengelernt haben, auf eine Yacht eingeladen. Beim Yachtausflug fällt eine dieser Studentinnen, Hee-mi, vom Schiffsgeländer ins Meer. Sie verliebt sich in den Rettungsschwimmer Hyeong-sik, nachdem er ihr durch den Wurf einer Rettungsboje ein blaues Auge verpasst und sie anschließend aus dem Wasser gefischt hat. Am Ende des Films rettet Hyeong-sik den jungen Yachtbesitzer, der auch um Hee-mi wirbt.

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Die verschiedenen Erzählstränge verknüpfen sich durch das Aufeinandertreffen der unterschiedli- chen Personen. So kümmert sich der Rettungsschwimmer um Professor Kims kleine Tochter, nach- dem dessen Ex-Frau sie verloren hat. Professor Kim kauft in der Rettungsstation für seine kleine Tochter bei einer älteren Frau etwas zu essen. Diese Essensverkäuferin kümmert sich, nachdem Pro- fessor Kim und seine Frau von der Welle getötet werden, um deren kleine Tochter. Man-sik, der sich für das Leben von Yeon-hee verantwortlich fühlt, fragt den Rettungsschwimmer, ob er Yeon-hee heiraten möchte. Der Rettungsschwimmer lehnt ab, er hat sich nämlich in die Studentin aus Seoul verliebt. Yeon-hee selbst hat nur Augen für Man-sik. Als dieser ihre Annährungen versteht, macht er ihr einen Heiratsantrag. Durch einen der am Strand lebenden Männer, der in Yeon-hee verliebt und daher eifersüchtig auf Man-sik ist, findet sie heraus, dass Man-sik für den Tod ihres Vaters mitver- antwortlich ist. Daraufhin will sie Haeundae verlassen. Vorher bittet sie aber Man-siks Onkel, den Bau des Shoppingcenters zu überdenken.

Immer wieder warnt Professor Kim vor einem Tsunami, bis es schließlich zu spät ist und eine riesige Welle direkt auf Haeundae zurast. Sie bricht auf Haeundae und die dort lebenden und urlaubenden Personen ein. Die Hauptakteure überleben die erste Welle, doch dann bricht die Nachwelle herein. Der Professor und seine Frau sterben, schaffen es aber noch, ihr Kind zu retten. Der Rettungs- schwimmer kommt um, da er den Yachtbesitzer und die Seouler Studentin Hee-mi rettet. Kurz vor seinem Tod schenkt der Rettungsschwimmer ihr seine Uhr als Zeichen seiner Liebe. Hee-mi weint um ihren verstorbenen Geliebten. Dong-choo erhält für seinen Mut eine Auszeichnung, da er einige Menschen gerettet hat, nachdem er durch einen Unfall dafür verantwortlich war, dass ein Tanker- schiff explodiert ist. Dong-choos Mutter stirbt, da sie statt auf einen Ausflug zu fahren in Haeundae geblieben ist, um ihrem Sohn Schuhe zu kaufen. Man-sik und Yeon-hee gestehen sich während der Katastrophe ihre Liebe, verzeihen und verloben sich. Man-siks Onkel stirbt, um seinen Neffen zu ret- ten. Kurz vor seinem Tod hat er den Vertrag für den Bau des Shoppingcenters aufgelöst.

Die unterschiedlichen Erzählstränge kreuzen und verbinden sich im Laufe des Films und hängen auf diese Weise alle auf die eine oder andere Weise zusammen. Darüber hinaus verbinden zwei große Ereignisse alle Personen miteinander: die Betrachtung eines Feuerwerks über Haeundae und der anschließend Einbruch der Riesenwelle.

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The Man from Nowhere ( 아저씨 - Ajeossi)

Drehbuchautor und Regisseur: Lee Jeong-beom Produzent: Lee Tae-heon Musik: Shim Hyun-jeong Kamera: Lee Tae-yoon Schnitt: Kim Sang-beom und Kim Jae-beom Vertrieb: CJ Entertainment Premiere: 4.8.2010

Schauspieler Rolle Rollenbeschreibung Won Bin Cha Tae-sik Ex- Spezial-Agent – Hauptcharakter Kim Sae-ron Jeong So-mi Entführtes Mädchen Kim Hyo-seo Hyo-jong Mutter des Mädchens Kim Hee-won Man-seok Anführer eines Drogenrings Kim Seong-oh Jong-seok Junger Bruder des Drogenringchefs Thanayong Ramrowan Mitarbeiter des Drogenrings Wongtrakul Jo Seok-hyeon Dal-seo / Ex- Spezial-Agent, Freund von Tae-sik Seo-mon

Im Zentrum der Geschichte stehen der Pfandhausbesitzer Tae-sik und So-mi, ein kleines Mädchen. So-mi wohnt mit Hyo-jong, ihrer drogenabhängigen Mutter, die in einem Table-Dance-Club arbeitet, in einer Wohnung über dem Pfandhaus. Die Mutter stiehlt einem Dealer Heroin und versteckt es – ohne das Wissen von Tae-sik – in dessen Pfandhaus. Die kleine So-mi sucht die Nähe von Tae-sik, den sie „Mister“ nennt. Tae-sik weist sie einerseits emotional immer wieder ab, andererseits sorgt er sich um sie; er lässt sie bei sich essen, schlafen und deckt sie sogar zu. Als sie wieder einmal bei Tae-sik übernachtet, bemalt sie heimlich einen seiner Fingernägel. Er bemerkt es erst am nächsten Morgen. An diesem Tag besucht er das Grab seiner verstorbenen schwangeren Frau. Auf dem Rückweg beo- bachtet er, wie die kleine So-mi beschuldigt wird, etwas gestohlen zu haben. Als die Polizisten nach ihren Eltern fragen, zeigt sie auf Tae-sik, aber dieser verschwindet ohne ihr zu helfen. Gleich darauf trifft Tae-sik So-mi in einem Geschäft, in dem die Kleine demonstrativ etwas stiehlt. Tae-sik wird vom Ladenbesitzer als Vater bezeichnet. Tae-sik geht So-mi nach und sie gesteht ihm, dass sie ihn nicht hassen kann, da sie dann niemand mehr hätte, den sie lieben würde. Um das gestohlene Heroin zurückzuerhalten entführt der Junior Chef des in Korea operierenden chi- nesischen Drogenrings, So-mi und deren Mutter. Auf der Suche nach dem gestohlenen Heroin bre- chen Mitarbeiter des Drogenrings in Tae-siks Pfandhaus ein. Nach einem Kampf erhält Tae-sik die Aufgabe, Drogen an einen koreanischen Drogenboss zu überbringen, dafür würde das Leben von So- mi und ihrer Mutter verschont. Allerdings handelt es sich hierbei um eine Falle des chinesischen Dro- genrings, mit dem Ziel, den Boss eines konkurrierenden koreanischen Drogenrings der Polizei auszu- liefern. Tae-sik kann der Polizei zunächst entkommen, er sieht So-mis tote Mutter im Kofferraum eines Autos und bleibt gebannt davor stehen. Dadurch wird er von der Polizei gefasst und zu einem Verhör gebracht. Er flieht von der Polizeistation als er eine Karte sieht, die So-mi ihm als Pfand für ihren Mp3-Player zurückgelassen hat. Der weitere Verlauf des Films ist dadurch geprägt, dass Tae-sik die Verfolgung des Drogenchefs im Alleingang aufnimmt, um die kleine So-mi zu retten. Gleichzeitig stellt sich heraus, dass Tae-sik ein ehemaliger Spezialagent ist, dessen schwangere Frau aus Rache von Verdächtigen umgebracht wurde. Er selbst wurde angeschossen, überlebte jedoch.

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Auf der Suche nach So-mi wird Tae-sik angeschossen und sucht Zuflucht bei seinem ehemaligen Ar- beitspartner Seo-mon. Mittlerweile wird Tae-sik auch von der Polizei verfolgt. Seo-mon rät ihm da- von ab, So-mi im Alleingang zu befreien, aber Tae-sik ist von der Idee besessen, sie zu retten. Er be- sorgt sich eine Pistole und schneidet sich seine Haare, wodurch er wieder so aussieht wie zu seinen Spezialagent-Zeiten. Durch einen Telefonanruf eines Polizisten findet er heraus, dass So-mi noch lebt. Er deckt die Geschichte des Drogenrings auf: Kinder werden entführt und als „Ameisen“ verwendet; das bedeutet, dass sie als Drogen- bzw. Geldüberbringer benutzt werden. Tae-sik folgt einem Kind und gelangt schließlich an den Ort, an dem das Heroin von den Kindern verpackt wird. Gleichzeitig findet er heraus, dass dort nicht nur Drogen, sondern auch menschliche Organe verkauft werden. Als er an einem toten, ausgeweideten Mädchen einen bemalten Fingernagel entdeckt, weiß er, dass So- mi in der Nähe sein muss. Er ermordet den jüngeren der beiden Drogenringbossbrüder und treibt damit den älteren Bruder in die Enge. Zur gleichen Zeit schwebt So-mi in Lebensgefahr: Es sieht so aus, als würden ihr die Augen entfernt. Schließlich steht Tae-sik dem älteren Bruder des jungen Dro- genbosses gegenüber. Als ihm dieser eine Glasrolle zurollt, die zwei menschliche Augen enthält, glaubt Tae-sik, es seien So-mis Augen. Er verliert die Kontrolle über sich und metzelt alle Mitglieder des Drogenrings nieder. Schlussendlich stellt sich heraus, dass So-mi nichts angetan wurde, da ein Mitarbeiter des Drogen- rings sie beschützt und dem Chirurgen an ihrer Stelle die Augen entfernt hatte. Als So-mi Tae-sik er- blickt, läuft sie auf ihn zu. Tae-sik versucht, sie von sich fernzuhalten, aber sie ignoriert seinen Befehl und umarmt ihn trotzdem. Bevor Tae-sik von der Polizei abtransportiert wird, kauft er So-mi noch eine Tasche voller Schulsachen. Er bittet sie um eine Umarmung und beginnt zu weinen. Tae-sik zeigt das erste Mal offen Liebe und Zuneigung zu So-mi.

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4.1.2. US-Amerikanische Filme

Transformers – Revenge of the Fallen

Regie: Michael Bay Drehbuch: Ehren Kruger / Roberto Orci / Alex Kurtzman Produktion: Ian Bryce / Tom DeSanto / Lorenzo di Bonaventura / Don Murphy Musik: Steve Jablonsky Kamera: Ben Seresin Studio: DreamWorks Pictures / Di Bonaventura Pictures Schnitt: Roger Barton / Paul Rubell / Joel Negron / Thomas Muldoon Vertrieb: Paramount Pictures Premiere: 19. 6.2009 (UK) / 24.6.2009 (USA und Kanada)

Schauspieler Rolle Rollenbeschreibung Shia LaBeouf Sam Witwicky Student, der den Transfomers geholfen hat – Hauptcharakter Meagan Fox Mikaela Banes Sams Freundin Josh Duhamel Major Lennox Beauftragter der Spezialeinheit NEST John Turturro Simmons Agent der Spezialeinheit Sektor 7 (erster Transformers-Teil) Ramon Rodriguez Leo Spitz Sams Mitbewohner im Studentenheim Kevin Dunn Ron Witwicky Sams Vater Julie White Judy Witwicky Sams Mutter Isabel Lucas Alice Studentin (Deceptikon), die Sam auf einer Party kennenlernt Bumblebee Sams Auto (Cybertron) Optimus Prime Chef der Cybertron und Beauftragter von NEST Wheelie und Jetfire Von den Decepticons zu den Cybertrons übergelaufen The Fallen Feind (Decepticon), versucht die Sonne zu zerstören Megatron Feind (Decepticon)

„Transformers – Revenge of the Fallen“ ist der zweite Teil der dreiteiligen Transformers-Reihe. Im ersten Teil hilft der High-School-Schüler Sam den Cybertrons (Transformers - Lebewesen von einem anderen Planeten, die sich in Autos und eine Art roboterartige Menschen verwandeln können), die Erde vor den feindlichen Decepticons (ebenfalls Transformers) zu beschützen. Am Beginn des zwei- ten Teils erzählt Optimus Prime, der einzige Nachfahre der mit besonderen Fähigkeiten ausgestatte- ten Primes und Chef der Cybertrons, dass sich Menschen und Cybertrons zusammengeschlossen haben, um als Spezialkommando NEST die restlichen sich auf der Welt befindenden Decepticons, zu verfolgen und zur Strecke bringen. Man sieht, wie zwei Decepticons getötet werden und einer von ihnen Optimus Prime den Hinweis gibt, dass „The Fallen“ wieder auferstehen wird.

Sam ist dabei den Umzug ans College vorzubereiten und im Zuge dessen einen Splitter des Allspark- Würfels, mit dem er im ersten Teil Megatron, den Chef der Cybertrons, besiegt hat. Megatron wurde im Ozean versenkt und wird nun überwacht. Der Splitter des Würfels sorgt dafür, dass Sam jede Menge unbegreiflicher Zeichen sieht, die ihm später – wie sich herausstellen wird – den Weg zu einer Energiequelle weisen. Sam darf Cybertron Bumblebee, das gleichzeitig sein Freund und erstes Auto ist, nicht aufs College mitnehmen, da Studierenden im ersten Semester keine Autos erlaubt werden. 42

Auch seine Freundin Mikaela kommt nicht mit, da sie ihrem kürzlich aus dem Gefängnis entlassenen Vater hilft dessen Autowerkstatt wieder aufzubauen. Beim Abschied verlangen Sam und Mikaela voneinander, dass der jeweils andere sagt, dass er/sie sie/ihn liebt. Niemand sagt es und Sam fährt zum College. Dort angekommen lernt er seinen neuen Mitbewohner Leo kennen, der eine Website aufgebaut hat und von der Existenz der Transformers überzeugt ist. Auf einer Party lernt Sam Alice kennen, die, wie sich später herausstellt, ein Decepticon ist und ihn töten will. Bumblebee, der Sam ans College gefolgt ist, bringt ihn zu Optimus Prime. Sam schlägt dessen Bitte um Hilfe mit der Be- gründung ab, dass ihn die Cybertrons nicht bräuchten. Währenddessen suchen die Decepticons nach Sam, weil er die Information des Würfels durch den Kontakt mit dem Würfelsplitter in seinem Kopf gespeichert hat. Gleichzeitig verlangt ein US-Sicherheitsberater, dass die Cybertrons die Erde verlas- sen, da er glaubt, dass die Decepticons hinter ihnen her sind und diese töten wollen. Mithilfe eines weiteren Splitters des Allspark-Würfels erwecken die Decepticons Megatron wieder zum Leben.

Das Decepticon Wheelie versucht, den anderen Würfelsplitter, den Sam in die Obhut Mikaelas gege- ben hat, zu stehlen. Dabei wird Wheelie von Mikaela ertappt und von ihr in eine Metallbox gesperrt. Als ihr Sam am Telefon erzählt, dass er Zeichen sieht, fliegt Mikaela sofort zu ihm. Dort angekommen sieht sie, wie Sam und Alice sich küssen. Als Alice ihn jedoch angreift, verhilft Mikaela ihm zur Flucht. Die Decepticons greifen Sam, Mikaela und Leo an. Optimus und Bumblebee kommen ihm zu Hilfe, wobei Optimus getötet wird. Leo, Bumblebee, Mikaela und Sam verstecken sich in einem abgelege- nen Hinterhof. Leo erinnert sich, dass er die Zeichen, die Sam im Kopf herumschwirren, schon einmal gesehen hat und bringt Mikaela, Sam und Bumblebee zu einem Computernerd. Dessen Hinweise führen sie zu einem Museum, in dem ein veralteter, zu den Cybertrons übergelaufener Decepticon ausgestellt ist. Nachdem sie ihn wieder zum Leben erweckt haben, erzählt er ihnen von einer Kreatur namens „The Fallen“. Sie sei ursprünglich auch einer der Primes (und damit ein Vorfahre von Opti- mus Prime) gewesen, habe sich dann aber von den anderen abgespalten. Die Primes hatten damals die Aufgabe, einen Harvester zu errichten, um durch die Zerstörung von Sonnen die lebensnotwendi- ge Energie für die Transformers zu gewinnen. Aber „The Fallen“ verfiel seiner Machtgier und wollte den Beschluss der Primes, dass nur Sonnen von unbelebten Planeten zerstört werden dürfen, bre- chen. Die drei anderen Prime-Brüder opferten sich und formten aus sich selbst ein Grab, um den Schlüssel des Harvesters darin zu begraben.

„The Fallen“ kann nur von einem anderen Prime aufgehalten werden. Der einzige noch existierende Prime – Optimus Prime – ist jedoch bei der Rettung Sams gestorben. Aus diesem Grund will Sam ihn mit dem Schlüssel des Harvesters wieder zum Leben erwecken. Der alte Decepticon teleportiert Sam, Leo, Bumblebee und Mikaela nach Ägypten. Dort finden sie heraus, wo der Schlüssel versteckt ist. In der Zwischenzeit organisiert Sam, dass Optimus Prime vom NEST-Team nach Ägypten gebracht wird. Als Sam den Schlüssel des Harvesters in die Hand nimmt, zerfällt dieser zu Staub. Da Sam davon überzeugt ist, dass er Optimus Prime wieder zum Leben erwecken kann, nimmt er den Schlüsselstaub in einer Socke mit. Auf dem Weg zur Wiederbelebung Optimus lässt Sam seine Eltern von Bumblebee in Sicherheit bringen. Sam stirbt bei einer Explosion und ihm erscheinen die drei Prime-Brüder. Sie erwecken ihn wieder zum Leben und fügen den Staub zu einem Schlüssel zusammen. Kurz bevor Sam wieder ins Leben zurückkehrt, gesteht Mikaela ihm seine Liebe. Als Sam aufwacht, sagt auch er, dass er sie liebt. Sam erreichen schließlich Optimus und erwecken ihn durch den Schlüssel zum Leben. Mithilfe des alten, übergelaufenen Decepticons gelingt es Optimus, den mittlerweile von den Decep- ticons aktivierten Harvester zu zerstören und „The Fallen“ zur Strecke zu bringen. Megatron hingegen kann flüchten.

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Iron Man 2

Regie: Jon Favreau Drehbuch: Justin Theroux (basiert auf Iron Man von Stan Lee / Larry Lieber / Don Heck / Jack Kirby • Produktion: Avi Arad und Kevin Feige • Musik: John Debney • Kamera: Matthew Libatique • Schnitt: Dan Lebental /Richard Pearson Studio: Marvel Studios / Fairview Entertainment Vertrieb: Paramount Pictures Premiere: 26.4.2010 (LA) / 7.5.2010 (USA)

Schauspieler Rolle Rollenbeschreibung Robert Downey Jr. Tony Stark Iron Man, Besitzer des (Waffen-)Konzerns Stark In- dustries und Multi-Milliardär– Hauptcharakter John Slattery Howard Stark Tonys Vater Mickey Rourke Ivan Vanko/ Whiplash Tonys Gegner Sam Rockwell Justin Hammer Konkurrierender Waffenproduzent Gwyneth Paltrow Pepper Potts Sekretärin und Geschäftsführerin von Stark Industries Don Cheadle Rhodey Rhodes / War Machine Tonys Freund und Mitarbeiter des US- Verteidigungs- ministerium Samuel L. Jackson Dr. Nick Fury Agent von S.H.I.E.L.D. (einer geheim gehaltenen US- Spionage- und Sicherheitsbehörde) Scarlett Johansson Natalie Rushman / Natasha Sekretärin bei Stark Industries und S.H.I.E.L.D.- Romanov Undercover-Agentin, die Tony Stark beschützen soll

„Iron Man 2 “ ist die Fortsetzung von „Iron Man “, in dem der Waffenproduzent Tony Stark einen An- zug entwickelte, mit dessen Hilfe er die Welt rettete. Allerdings hängt auch sein Leben an der Ener- giequelle die den Anzug antreibt, sie lässt sein Herz schlagen. Am Ende des ersten Films stieg Tony aus der Waffenproduktion aus. Der zweite Teil ist durch Tonys narzisstische Ausschweifungen ge- prägt. Der Energiering, der ihn einerseits am Leben hält, vergiftet ihn andererseits. Zwar erzählt er niemanden von seinem drohenden Tod, jedoch verabschiedet er sich nach und nach von persönli- chen Dingen, verschenkt seine Kunstsammlung und macht seine Sekretärin Pepper zur Vorsitzenden der Firma usw.

Zur gleichen Zeit entwickelt Vanko, der Sohn eines Wissenschaftlers, der zusammen mit Tonys Vater ursprünglich den Energiering erfunden hat, ebenfalls diese Art der Energiegewinnung. Er konstruiert einen ähnlichen Anzug, wie Tony und greift diesen bei einem Autorennen an. Vanko landet im Ge- fängnis, wird aber von dem Waffenproduzenten Justin Hammer engagiert. Dieser konkurriert gerne mit Tony kommt aber sowohl in geschäftlicher als auch in wissenschaftlich-technischer Hinsicht we- der an Tony noch an Stark Industries heran. Vanko soll im Auftrag von Hammer eine ganze Armee von Iron-Men aufbauen. Vanko nutzt diese Gelegenheit, um sich einen Anzug zu bauen und diese Iron-Men-Armee von einer Zentrale aus selbst zu steuern. Am Ende des Films greift Vanko Tony an.

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Tony Stark weiß, dass er bald sterben wird und setzt ständig sein Leben aufs Spiel: Er nimmt an wag- halsigen Autorennen teil und feiert exzessive Partys. Gleichzeitig gerät er vom US- Verteidigungsmi- nisterium unter Druck, dieses verlangt nämlich von Tony den Anzug und die Informationen darüber an das Ministerium auszuhändigen, um damit die Nationale Sicherheit zu gewährleisten. Sie fürchten, dass auf anderen Teilen der Welt der Anzug nachgebaut und gegen Amerika eingesetzt werden könn- te. Um die Firma von seinen Ausschweifungen zu entlasten, macht Tony seine Sekretärin Pepper, zur Geschäftsführerin. Starks neue Sekretärin Natalie missfällt Pepper zunächst im Laufe der Geschichte arbeiten die beiden dann eng zusammen. Später stellt sich heraus, dass Natalie eigentlich eine Un- dercover-Agentin namens Natasha ist, die über den körperlichen Zustand Tonys Bescheid weiß und diesen beschützen soll.

Nach einem neuerlichen peinlichen Auftritt bei einer Party eskaliert die Situation: Tonys bester Freund Rhodey, er arbeitet für das Verteidigungsministerium, liefert sich einen Kampf mit Tony. Da- bei stiehlt er einen Iron-Man-Anzug und liefert in der US-Army aus. Tony selbst wird in eine Villa ge- bracht. Dort erhält er die Aufgabe, das Palladium, das ihn am Leben hält und gleichzeitig langsam vergiftet, als Energiequelle zu ersetzen. Durch einen Film seines verstorbenen Vaters findet Tony heraus, dass dieser ihn immer geliebt und immer an ihn geglaubt hat. Er war dessen ganzer Stolz. Bis dahin dachte Tony, sein Vater hätte ihn nicht geliebt und kein Vertrauen in ihn gehabt. Tony nimmt aus der Villa Reißaus, damit er sich bei Pepper – mehr schlecht als recht – für seine Exzesse entschul- digen kann. Pepper nimmt die Entschuldigung genauso wenig an wie die Erdbeeren, die er ihr schen- ken wollte, sie sind nämlich das einzige, worauf sie allergisch ist.

Tony rafft sich schließlich auf und entdeckt ein chemisches Element, das sein Vater bereits entdeckt hat, wieder. Er entwickelt dieses neue Element, das als alternative Energiequelle für sein Herz dient und somit sein Leben rettet. Gleichzeitig startet die Stark-Expo, eine von Tonys Firma organisierte und finanzierte High-Tech-Messe, auf der die besten und neuesten Erfindungen ausgestellt werden. Justin Hammer stellt dort die von Vanko entwickelten „Hammer-Drohnen“ vor – ferngesteuerte Iron- Man-Kampfmaschinen, die von Rhodey im entwendeten Iron-Man-Anzug angeführt werden sollen. In Wirklichkeit und entgegen den Abmachungen mit Hammer werden die Drohnen jedoch von Vanko gesteuert, der sie kurzerhand das Messe-Publikum angreifen lässt. Auch Rhodey kann seinen Iron- Man-Anzug plötzlich nicht mehr steuern, weil dieser von Vanko darauf programmiert wurde, Tony zu töten. Mittlerweile ist auch Tony im Iron-Man-Anzug mit der neuen und besseren Energiequelle bei der Stark-Expo aufgetaucht. Rhodey greift im ferngesteuerten Iron-Man-Anzug unfreiwillig Tony an, sie liefern sich eine Verfolgungsjagd. Natasha findet den Hauptcomputer zur Steuerung der Iron- Man-Anzüge und kann Rhodeys Anzug umprogrammieren. Tony ist zunächst gerettet. Er und Rhodey versöhnen sich und werden von Vanko, der sich selbst auch einen Anzug gebaut hat, angegriffen. Tony schafft es, ihn mit Hilfe von Rhodey zu besiegen. Er rettet anschließend Pepper vor den Ham- mer-Drohnen, die darauf programmiert wurden zu explodieren.

Pepper gesteht Tony, dass sie es nicht mehr aushält, ständig miterleben zu müssen, wie er sich in Lebensgefahr begibt. Er gibt ihr Recht, sagt, sie habe etwas Besseres verdient und küsst sie. Dr. Fury berichtet Tony, er und das Verteidigungsministerium würden ja zum Iron-Man-Anzug sagen aber nein zu Tony im Anzug, sie würden ihn aber als Berater hinzuzuziehen. Tony meint daraufhin, das über- steige ihr Budget, aber er würde sich mit einer Auszeichnung und einer Laudatio für sich und seinen besten Freund Rhodey zufrieden geben. Dieser Forderung wird erfüllt.

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The Twilight Saga – Eclipse

Direktor: David Slade Drehbuch: Melissa Rosenberg (nach dem Roman Eclipse von Stephanie Meyer) Produktion: Wyck Godfrey und Karen Rosenfelt Musik: Howard Shore Kamera: Javier Aguirresarobe Schnitt: Nancy Richardson und Art Jones Studio: Maverick Films Vertrieb: Summit Entertainment Premiere: 6.6.2010 (LA) / 30.6.2010 (USA)

Schauspieler Rolle Rollenbeschreibung Kristen Steward Bella Swan High-School-Mädchen, das zum Vampir werden möchte – Hauptcha- rakter Robert Pattinson Edward Cullen In einer Beziehung mit Bella (Vampir) Taylor Lautner Jacob Black Freund von Bella und in sie verliebt (Wolf) Billy Burke Charlie Swan Bellas Vater Sarah Clarke Reneè Dwyer Bellas Mutter Peter Facinelli Carlisle Cullen Arzt, Gründer und Vaterfigur der Cullen-Familie (Vampir) Elizabeth Reaser Esme Cullen Mutterfigur der Cullen-Familie (Vampir) Ashley Greene Alice Cullen Mitglied der Cullen-Familie, kann in die Zukunft sehen (Vampir) Kellan Lutz Emmett Cullen Mitglied der Cullen-Familie (Vampir) Nikki Reed Rosalie Hale Mitglied der Cullen-Familie (Vampir) Jackson Rathbone Jasper Hale Mitglied der Cullen-Familie, hat „Neugeborene“ trainiert (Vampir) Bryce Dallas Howard Victoria Möchte sich an Bella für den Tod ihre Partners rächen (Vampir) Xavier Samuel Riley Biers Hilft Victoria eine Armee von „Neugeborenen“ zu gründen (Vampir)

Eclipse Ist der dritte Teil der Twilight-Saga, einer Buchverfilmung, bei der es um die Liebe zwischen einer Sterblichen und einem Vampir geht. Im dritten Teil sind Edward aus der Vampirfamilie der Cul- lens und Bella schon ein Paar. Bella hat im zweiten Teil dem großen Rat der Vampire versprochen, ein Vampir zu werden. Der dritte Teil ist von Edwards Versuchen geprägt, Bella von ihrem Vorhaben ab- zubringen. Er macht sie auf alle Unannehmlichkeiten des Vampirdaseins aufmerksam. So verspüren „Neugeborene“ einen besonders starken Drang nach Menschenblut; was angesichts der Tatsache, dass die Cullen-Familie kein Menschenblut zu sich nimmt, zu erheblichen Schwierigkeiten führen würde. Bellas Vater ist gegen ihre Beziehung mit Edward. Er hebt ihren Hausarrest auch nur unter der Bedingung auf, dass sie sich mit einem Freund der Familie (Jacob) trifft. Was der Vater nicht weiß, ist, dass Jacob aus einer Wolfsfamilie stammt und sich in einen Wolf verwandeln kann. Die Wolfs- und die Vampirfamilie leben auf unterschiedlichen Seiten des Flusses und sind seit jeher miteinander verfeindet. So lange die jeweils anderen das fremde Revier nicht betreten, lassen sie sich gegenseitig in Ruhe.

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Jacob ist ein Jahr jünger als Bella und unsterblich in sie verliebt. Wölfe sind Heißblüter, sie tragen Wärme in sich und sind sterblich. Vampire hingegen sind unsterbliche Kaltblüter. Sie benötigen keine Wärme, da sie kein Blut in ihren Adern haben und können Menschenblut riechen. Die einzige Mög- lichkeit, Vampire zu töten, ist, ihnen den Kopf abzureißen und sie anschließend zu verbrennen. Durch verschiedene Umstände werden Vampir- und die Wolfsfamilie dazu gezwungen, zusammenzuarbei- ten. Im ersten Twilight-Film wurde ein Vampir eines anderen Clans von der Cullen-Familie getötet. Um den Tod ihres Partners zu rächen stellt Victoria, seine ehemalige Freundin, nun eine Armee von „Neugeborenen“ zusammen, die die Cullens umbringen soll. Victoria hingegen will nur eines und zwar Bella umbringen, damit Edward genauso leidet wie sie. Sie benutzt Riley – einen Vampir –, die Neugeborenen auszubilden, Bella zu finden und sie zu töten. Nur durch Kooperation der Cullen- Vampire und der Wölfe, können Bella und die in der Umgebung lebenden Menschen vor den men- schenbluttrinkenden Vampiren gerettet werden.

Auch Edward und Jacob, die beide in Bella verliebt sind und sich gegenseitig nicht ausstehen können, müssen zusammenarbeiten, um Bella zu beschützen. Sie beschließen, dass Bella in den Bergen am sichersten aufgehoben ist. Jacob bringt sie dorthin, damit sein Wolfsgeruch Bellas Menschengeruch überdeckt, sodass Victoria sie nicht finden kann. Es fällt Edward nicht leicht, Bella in Jacobs Hände zu geben. Dies hängt unter anderem damit zusammen, dass Jacob Bella zuvor einmal geküsst hat, wo- raufhin sie ihm ins Gesicht geschlagen hat. Andererseits hat Bella ihm bisher verschwiegen, dass ihr Edward einen Heiratsantrag gemacht hat, den sie nach einigem Zögern angenommen hat. Auf dem Gipfel des Berges steht ein Zelt bereit, Edward wartet dort schon auf Bella und Jacob. Die Nacht ist kalt, es schneit und Bella droht zu erfrieren. Die einzige Möglichkeit sie zu wärmen, ist, dass Jacob, der auch auf dem Berg geblieben ist, sich zu ihr unter die Decke legt. Edward, muss sich nochmals überwinden, um Bella in Jacobs Obhut zu geben. Bei einem Gespräch zwischen Edward und Jacob, meint zweiter, er wäre die bessere Wahl für Bella. Edward stimmt ihm zu und sagt er hätte Bella ge- sagt, sie solle menschlich bleiben, doch sie wolle dies nicht und er akzeptiere ihre Entscheidung.

Am nächsten Morgen erfährt Jacob durch ein Gespräch zwischen Edward und Bella, dass sie verlobt sind. Er läuft davon, Bella läuft ihm hinterher und verlangt einen Kuss von Jacob. Da Edward Gedan- ken lesen kann, bekommt er mit, dass Bella Jacob geküsst hat. Mittlerweile hat Victoria Bellas Spur aufgenommen und ist auf dem Weg, sie zu töten. Jacob läuft als Wolf zu jenem Platz, an dem sich Cullen-Familie und Wölfe mit der „Neugeborenen“-Armee einen blutigen Kampf liefern, um beim Kampf gegen die Neugeborenen zu helfen. Bella geht zu Edward zurück. Sie weiß, dass er von ihrem Kuss mit Jacob weiß und sagt ihm, dass sie ihn mehr liebe als Jacob. In diesem Moment erscheint Victoria. Es kommt zum Kampf und Edward wird beinahe von Victoria getötet. Doch Bella schneidet sich in den Arm, so wie dies eine Wolfsfrau in einer Sage getan hat, und lenkt damit Victorias Blick auf sich. Schließlich kann Edward Victoria töten.

Jacob wird bei dem Kampf mit den „Neugeborenen“ verletzt, kann aber vom Arzt des Cullen-Clans gerettet werden. Jacob macht Bella klar, dass er auf sie wartet, auch wenn sie ein Vampir werden würde. Gleichzeitig wird die Cullen-Familie von den Volturi, den „Überwachern“ der Vampire, daran erinnert, dass sich Bella in einen Vampir verwandeln muss. Am Ende des Films legen Edward und Bella den Tag für ihre Hochzeit und für Bellas Verwandlung fest.

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4.2. “Everything is Illuminated” – Genres und Hauptthemen der Filme

Busan veränderte sich. Die roten Teppiche wurden ausgerollt, die Kameras und Fernsehmodera- tor/innen waren allzeit bereit, das „Werbe-Village“ für Sponsoren war aufgebaut und Vorträge, De- batten, Vorführungen, Partys und Auszeichnungsübergaben zeitlich aufeinander abgestimmt. Zehn Tage lang kamen Menschen aus aller Welt in Busan zusammen, um sich auf unterschiedlichste Weise mit Filmen zu beschäftigen. Die Filme wurden angeschaut, kritisiert und gelobt, erhielten Auszeich- nungen, wurden vermarktet und gesponsert, waren im Entstehen begriffen oder erst halb geschrie- ben, wurden diskutiert, interpretiert und analysiert. Nur eines machten sie nicht: spurlos an einem vorübergehen. Ich befand mich in einem großen Saal in einem noch größeren Hotel und nahm an Vorträgen zu den Themen Film, Kino und Filmfestivals teil. Eine Problematik, die in den Vorträgen und Diskussionen immer wieder auftauchte, war die Frage nach einer asiatischen Identität. Was ist Asien? Worin bestehen die Eigen- und Besonderheiten des asiatischen Kinos? Gibt es eine asiatische Identi- tät? Was ist die Identität des koreanischen Kinos? Und was ist die koreanische Identität? Schon öfter hatte ich gehört, dass sich viele Koreaner/innen die Frage stellen, was Korea und die koreanische Kul- tur ausmacht, charakterisiert und zu etwas Besonderem macht. Trotzdem war ich überrascht, wie intensiv diese hochaktuelle Frage auf dem Filmfestival diskutiert wurde. Auch wenn sich die Anwe- senden nicht auf eine Antwort verständigen konnten, waren sich doch alle darüber einig, dass es wichtig sei, sich auch in Filmen mit diesen drängenden Fragen zu beschäftigen. Ich selbst fragte mich, was eigentlich die Filme charakterisierte, die ich analysierte. Was machte sie zu koreanischen, was zu amerikanischen Filmen? Welche Genres und Themen wurden behandelt? Und was war in welcher Hinsicht typisch?

Bevor Individualismus, Kollektivismus und Gender in den Filmen betrachtet werden, werden wir uns zunächst ganz allgemein den Genres und Themen der ausgewählten Filme widmen. Durch die Zuord- nung zu Genres soll die Orientierung in den Filmen verbessert werden. Gleichzeitig lassen sich dadurch allgemeine Unterschiede und Ähnlichkeiten zwischen den Filmen darstellen.

4.2.1. Genres

Geht man zunächst der Frage nach, welche Film-Genres in den USA und in Korea beliebt sind, so stellt man fest, dass sich in den USA vor allem Science-Fiction-, Fantasy- und Familienfilme allgemei- ner Beliebtheit erfreuen. In Korea finden sich unter den meistbesuchten Filmen neben US- amerikanischen Science-Fiction-Filmen hingegen vor allem Dramen und Komödien. (Vgl. Kapitel 3, S. 27-28.) Überhaupt zeichnen sich die koreanischen Filme durch eine Kombination und schnelle Anei- nanderreihung und Umformung von komödienhaften und sehr dramatischen Szenen und Situationen aus . Diese Kombination ist in US-amerikanischen Filmen kaum zu beobachten.

Ein besonders augenscheinliches Beispiel ist der analysierte Film „ Speedy Scandal “: Nach dem Ver- schwinden ihres Sohnes macht Jeong-nam eine dramatische Szene vor ihrem Vater (Hyen-soo), der sich schließlich in der Öffentlichkeit als Vater zu erkennen gibt. Als die beiden besorgt auf der Polizei- station warten, erscheint plötzlich Jeong-nams Freund und greift Hyen-soo an. Jeong-nam gesteht ihm tränenüberströmt, dass Ki-dong sein Sohn ist, woraufhin ein Wechsel der dramatischen Situation zu einer lustigen erfolgt. Hyen-soo haut als Reaktion auf die Aussagen von seiner Tochter auf deren Freund ein, sodass zwei Polizisten einschreiten müssen, um die zwei Streithähne auseinanderzubrin- gen. Nachdem Hyen-soo einem der Polizisten versehentlich fast einen Schlag versetzt und sich mit 48

einer Verbeugung bei ihm entschuldigt hat, wird ihm mitgeteilt, er dürfe sich in der Poli- zeistation nicht prügeln, aber er könne drau- ßen damit weitermachen. Dieses ganze Ge- schehen wird von einem Skandalreporter mit der Fotokamera festgehalten.

Ein zweites Beispiel stammt aus dem Film „Haeundae “: Nachdem die Riesenwelle auf die Stadt hereingebrochen ist und Szenen von Toten und Verletzten zu sehen sind, folgt Bilder „Speedy Scandal“: Hyen-soo verprügelt Ki-dongs Vater eine lustige Szene, in der Dong-choo ver- sucht, sich vor den von einem Schiff fallenden Containern zu ret- ten. Obwohl er sich dabei tollpatschig anstellt, verfehlen ihn die Cointainer jedes Mal knapp (Bilder rechts). In einer nachfolgen- den Szene zündet er sich eine Zigarette an. Dabei erschrickt er vor der Stichflamme des Feuerzeugs so sehr, dass er das Feuerzeug nach hinten wirft, wo es auf einem Ölbehälter landet. Der Behäl- ter fängt Feuer und explodiert. Dong-choo läuft hastig weg. In der darauffolgenden Einstellung, die drastisch anmutet, sieht man

wie die explodierten Tankerteile in die Fassade eines Hochhauses Bilder aus „ Haeundae “: Container die krachen. knapp neben Dong-choo fallen

Dies sind lediglich zwei von zahlreichen Beispielen in den Filmen. Solche Brüche und Übergänge zwischen tragischen bzw. dramati- schen und sehr lustigen, komödiantischen Szenen sind in US- amerikanischen Filmen kaum – und wenn, dann nur sehr verein- zelt – zu finden. In den koreanischen Filmen sind es dabei nicht nur einzelne Gesten oder Sätze, die tragische Elemente in die Komödie einbauen; vielmehr wechseln sich innerhalb der einzel- nen Filme und teilweise sogar der einzelnen Szenen die Genres ab. Es sind ganze tragische bzw. komödiantische Szenen, die inei- nander übergehen, aufeinanderfolgen, miteinander verwoben sind und durch die entsprechende Mise-en-Scene und Hand- lungsweisen gekennzeichnet sind.

Dieser Wechsel kommt selbstverständlich ebenso wenig in allen koreanischen Filmen vor, wie in allen US-amerikanischen Filmen Science-Fiction oder Fantasy eine Rolle spielt. Dennoch sind einige Filme von dieser Art der Gleichzeitigkeit und von solchen schnel- len Übergängen gekennzeichnet. Alleine von den drei hier analy- sierten koreanischen Filmen sind zwei von diesem Wechselspiel der Gefühle gekennzeichnet. Im Gegensatz dazu liegt der Fokus der analysierten US-amerikanischen Filme auf Science-Fiction, in die entweder lustige oder tragische Elemente eingebaut sind. Bilderreihe „Haeundae “: Dong-choo Zwar besteht auch „ Haeundae “ aus Science-Fiction-Elementen, da flieht vor der selbst verursachten Explosion ein nicht-reales, nur vorgestelltes Ereignis dargestellt wird. In 49

„Haeundae “ sind diese Elemente jedoch lediglich den Szenen der Katastrophe eines Tsunamis ge- widmet, während sie in „ Transformers – Revenge of the Fallen “ und „ Iron-Man 2 “ vor allem Kampfs- zenen und der Rettung der Welt gewidmet sind und damit den Hauptfokus und den größten Teil des Filmes ausmachen.

Auf dem „Internationalen Filmfestival Busan“ gab es einige koreanische Filme, die dieses charakteris- tische Nebeneinander von Tragik und Humor aufwiesen, wie zum Beispiel „ Punch “ oder „ The Host “. Einige Filmexpert/innen, mit denen ich ins Gespräch kam, bestätigten, dass dieser Wechsel zwischen komödiantischen und tragischen Elementen typisch für das koreanische Kino ist und in koreanischen Filmen schon eine lange Tradition hat. Diese Art des Genre-Mix wurde immer wieder übernommen und hat sich zu einem fixen Bestandteil der koreanischen Filmlandschaft etabliert. Eine mögliche Erklärung für die lustigen Szenen in tragischen Momenten bietet das Konzept des „ Han “. „ Han “ be- schreibt jene Spannung, die sich aus dem ganz normalen Alltag mit seinen Höhen und Tiefen ergibt. Diese Spannung des Alltags muss abgebaut werden und dies soll im idealen Falle auf konstruktive Weise geschehen. Dies spiegelt sich in den Filmen dadurch wieder, dass die negative Gefühlsspan- nung, die sich in sehr tragischen Momenten und schweren Zeiten bei den Hauptcharakteren aufbaut, durch die Darstellung von lustigen Szenen auf eine positive Weise äußert. Dadurch kommt niemand ernsthaft zu schaden und gleichzeitig wird die Spannung des Alltags abgebaut, sodass man dem All- tag selbst wieder positiv gegenüber sehen kann. Man verfällt nicht in Melancholie oder Depression, sondern dreht das Ganze ins Gegenteil um. Dies ist eine der Erklärungen, die hier geliefert werden kann. Um die Frage genauer zu beantworten, bedürfte es weiterer Forschungen und gezielterer Un- tersuchungen, die im Zuge dieser Arbeit nicht gemacht werden können. Eine andere in Korea belieb- te Genre-Kombination ist jene von Drama, Tragik und Psychothriller. „ The Man from Nowhere “ ist ein Beispiel hierfür. Der Hauptdarsteller tötet am Ende des Filmes aus Schmerz des angeblichen Todes eines kleinen Mädchens, das er zu retten versucht hat, wie im Wahn alle Mitglieder eines Drogen- rings mit einem Messer.

Neben den beiden Filmen „ Transformers – Revenge of the Fallen “ und „ Iron-Man 2 “, die durch Sci- ence-Fiction geprägt sind, ist „ Eclipse “, der dritte analysierte amerikanische Film, ein dramatischer Fantasy-Film, der die Liebe zwischen zwei Menschen und Welten in dem Mittelpunkt stellt. Ihre Liebe kann von nichts, weder von äußeren Angriffen noch von unterdrückten Emotionen, zerstört werden.

4.2.2. Hauptthemen der Filme

Die analysierten Filme unterscheiden sich aber auch hinsichtlich ihrer Themen. In zwei US- amerikanischen Filmen – „Transformers – Revenge oft the Fallen “ und „ Iron Man 2 “ – dreht sich alles darum, dass ein Held Amerika bzw. die Welt vor Zerstörung und Unheil bewahrt. In den Nebenhand- lungen werden die aufregenden Kampf- und Weltrettungsszenen durch Liebes- und Freundschafts- beziehungen ergänzt. Der dritte US-Film, „ Eclipse “, handelt von der großen Liebe und vom Verlangen, Teil einer selbst gewählten Welt zu werden – allen Schwierigkeiten, Hindernissen und einzugehenden Kompromissen zum Trotz. Kampf, Schutz und Rettung vor dem Feind sind die Hauptthemen der Fil- me. Durch das Beschützen vor dem Feind wird gleichzeitig die Liebe der jeweiligen zwei Hauptcha- raktere auf die Probe gestellt, um sie schlussendlich zu festigen.

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Zwei der drei koreanischen Filme – „The Man From Nowhere “ und „ Speedy Scandal “ – widmen sich der Familie, wobei der Fokus jeweils auf dem Vaterwerden bzw. -sein und auf den damit verbunde- nen Erwartungen, Verantwortungen und Problemen liegt. Aber auch die emotionale Bindung zwi- schen Vater und Kind ist ein zentrales Thema. Der dritte koreanische Film, „ Haeundae “, beschäftigt sich mit dem Leben der Bewohner und Besucher von Haeundae, einem Stadtteil von Busan, das von einem Tsunami bedroht wird. Nach der Naturkatastrophe nimmt das Hafenleben, angefangen mit den Aufräumarbeiten, wieder seinen Lauf. Verpackt in die Darstellung des Hafenlebens sind diverse Liebesgeschichten; einerseits zwischen in Haeundae lebenden und aufgewachsenen Personen und andererseits zwischen Bewohnern von Haeundae und Personen, die nicht dort leben.

Auch wenn sich die Haupthemen der Filme voneinander unterscheiden, lassen sich bestimmte Bezie- hungskonstellationen in allen Filmen wiederfinden: Liebes- und Freundschaftsbeziehungen, Bezie- hungen, die sich nur auf die Arbeit oder auf die Lösung der im Film gestellten Aufgabe beschränken, und Beziehungen zu einem Feind oder Gegner. In den nachfolgenden Abschnitten werden diese Be- ziehungskonstellationen genauer und intensiver analysiert.

Feindbilder

Die Angst, von anderen Nationen angegriffen zu werden, äußere Feinde, irdische oder außerirdische Feinde, zu haben, die sobald sich eine Möglichkeit bietet Amerika angreifen, prägen amerikanische Filme. Dies impliziert die Angst, eine andere Nation könne (militärisch und wirtschaftlich) mächtiger sein als die USA. Mit Nordkorea, Russland (bzw. UdSSR), China und dem Iran handelt es sich bei den feindlichen und „bösen“ Nationen entweder um Staaten, die zumindest offiziell kommunistisch re- giert sind und im medialen Diskurs als kommunistisch bezeichnet werden, oder um Staaten, zu denen die USA zurzeit ein schwieriges Verhältnis hat. Bereits hier spiegelt sich die Wirklichkeit im Film wi- der. Dabei beeinflusst in diesem Moment der Film die Zuschauer, die unbewusst bestimmte Staaten als Feinde wahrnehmen, auch wenn diese Staaten im Film gar nicht für konkrete Angriffe verantwort- lich sind.

Diese Konstruktion eines äußeren Feindbildes, gegen das man sich verteidigen muss, fehlt in den koreanischen Filmen vollständig – was angesichts des andauernden militärischen Konflikts mit Nord- korea umso bemerkenswerter ist. So sind zwar die Drogendealer, die in „The Man from Nowhere “ bekämpft werden, aus China, aber sie arbeiten mit einem koreanischen Drogenring zusammen. Au- ßerdem geht diese Gefahr weniger von „außen“ als von „innen“ aus, schließlich operiert der Drogen- ring in Korea. Darüber hinaus wird in den koreanischen Filmen nicht die Bedrohung der Nation Süd- korea oder gar der ganzen Welt (bzw. der ganzen „guten“ Welt) thematisiert, sondern die Bedrohung des moralisch guten Leben oder des moralisch angemessenen Verhaltens. Der koreanische Drogen- boss kritisiert unter anderem auch die zu demokratische und zu wenig diktatorische politische Ord- nung Koreas. Er als Koreaner kritisiert somit nicht nur China, sondern auch Korea. Auch wenn das Feindbild mit einer anderen Nation in Verbindung gebracht wird, lassen sich dieselben Feindbilder – Drogenbosse – ebenfalls innerhalb der eigenen Gesellschaft wiederfinden. Im Film „ Haeundae “ droht eine Naturkatastrophe, die nicht verhindert werden kann. Dies ist weniger ein Feind als eine Gege- benheit, gegen die man nichts unternehmen kann, außer sich selbst in Sicherheit zu bringen. Da die Warnungen nicht ernst genommen wurden, müssen die Bewohner von Haeundae mit den Folgen der Macht der Natur leben, wie die Aufnahmen von den Aufräumarbeiten am Strand zeigen. Auch hier ist

51 nicht die ganze Nation oder gar „die Welt“ in Gefahr lediglich ein Stadtteil. Vergleicht man dies mit Katastrophenfilmen aus Hollywood, wie „ 2012 “ oder „ The Day After Tomorrow “, in der die ganze Welt vom Untergang bedroht ist, wird deutlich, dass auch in US-amerikanischen und koreanischen Katastrophenfilmen die Reichweite der Bedrohung unterschiedlich weit gesteckt ist. Eine große Be- drohung bzw. ein Feindbild, die/das von außen eine ganze Nation und deren Vormachtstellung und in Folge das herrschende „Gleichgewicht“ der Welt aus den Angeln hebt, lässt sich in den koreanischen Filmen nicht erkennen. Hier geht es um wesentlich kleinere, privatere Welten, die bedroht oder ver- ändert werden. Besonders interessant ist auch, dass in den US-amerikanischen Filmen durch die An- griffe, Bedrohungen und Katastrophen sowohl das Machtgleichgewicht als auch die Weltsicht nicht verändert, sondern wieder hergestellt, bestätigt und dadurch gefestigt wird. Durch die Rettung „der Welt“ durch amerikanische Helden wird außerdem die Vormachtstellung der USA in dieser Welt un- terstrichen; die USA werden als etwas Individuelles und Besonderes dargestellt, was Rückschlüsse auf die gelebte Individualität in den USA zulässt (vgl. Bellah 1987; Triandis 1995; Uichol u.a. 1994). In koreanischen Filmen verändern sich hingegen im Laufe des Films teilweise die Rollen und das Leben der Hauptcharaktere und damit die dargestellte kleiner Welt. Die dadurch entstanden Ordnung in der kleinen Welt ermöglicht eine Einbettung in die größere Gesellschaft.

Familie oder Zweierbeziehung?

In Korea scheint die alleinerziehende Vaterfigur, die sich ihren Kindern gegenüber emotional öffnet, ein aktuelles Thema zu sein. Überhaupt kann man im Hinblick auf die Familie von einer Spannung zwischen weiterhin bestehenden traditionellen Werthaltungen und Familienmustern auf der einen Seite und recht drastischen Wandlungen derselben auf der anderen Seite sprechen. So ist in den letzten Jahren die Anzahl der arbeitstätigen Frauen vehement gestiegen, die Kernfamilie gewinnt an Bedeutung und die Scheidungsrate steigt. Außerdem ist durch die verlängerte Ausbildungszeit und den Anstieg des Heiratsalters die Geburtenrate stark gesunken; sie zählt mittlerweile weltweit zu den niedrigsten (vgl. Kim, Yong-hak 2008, S. 145ff). „The decrease in the birthrate, an increase in the av- erage marriage age, and a hike in the divorce rate show that the meanings of marriage and the family have changed. Family relationship and family structures have become flexible.” (Lee 2008, S. 165.) Im Zuge dessen kommt es langsam auch zu einer Veränderung der Geschlechterrollen. Trotz dieser Ver- änderungen sind traditionelle, in der koreanischen Kultur verwurzelte Werthaltungen nach wie vor weitaus wirksamer als dies in den USA oder etwa in Mitteleuropa der Fall ist. So hat die Familie in Korea einen sehr hohen Stellenwert. Eine Studie aus dem Jahr 2006 zeigt: „Koreans believe that a career woman and a housewife are of equal worth“ (Eun 2008, S. 151). Uneheliche Kinder sind auch heute noch selten und auch die Idee, dass das Zusammenleben zwischen Mann und Frau erst nach einer Hochzeit legitim ist, ist weit verbreitet. So ändern sich die Geschlechterrollen nicht so schnell, wie man es sich angesichts der oben beschriebenen Wandlungen erwarten würde. Korea ist nach wie vor eine männerzentrierte Gesellschaft. Trotz dieser Verhaftung an traditionellen Werten lassen sich Veränderungen erkennen.

Diese Spannungen – sowohl der hohe Stellenwert der Familie als auch die Veränderungen der Fami- lienformen und der familienbezogenen Rollenbilder – werden in den koreanischen Filmen aufgegrif- fen und angesprochen. In vielen Filmen ist die Gründung einer Familie oder einer familienähnlichen Struktur das zu erreichende und häufig auch erreichte Ziel – auch wenn dies den Hauptcharakteren nicht immer bewusst ist. In „ Speedy Scandal “ nimmt Hyen-soo nicht nur Tochter und Enkel bei sich 52 auf, er findet über sie außerdem seine zukünftige Freundin, mit der er eine Familie gründet. In „ The man from Nowhere “ findet Tae-sik, der seine Familie verloren hat, durch das kleine Nachbarsmäd- chen, dessen Mutter ebenfalls ermordet wurde, seine Vatergefühle und damit sich selbst wieder. In „Haeundae “ verlobt sich der alleinerziehende Vater Man-sik mit Yeon-hee und Professor Kim erhält die Möglichkeit, sich um seine Tochter zu kümmern, sie vor dem Tod zu retten und am Schluss mit seiner Frau gemeinsam zu sterben. In den Filmen wird suggeriert, dass sich der Mann nicht mehr nur um das äußere Wohlergehen seiner Familie sorgen muss, sondern außerdem auch durch emotionale Zuneigung und durch das Zeigen von Vatergefühlen am Familienleben teilnehmen soll. Dies stellt einen Bruch mit dem traditionellen koreanischen Vatermodell dar, demzufolge er nur nach außen repräsentiert und innerhalb des Familienlebens wenig Mitbestimmungsrecht hat. Er wird in das Fami- lienleben nicht nur mit eingebunden, sondern es wird von ihm verlangt, Gefühle gegenüber seinen Kindern zu zeigen, um eine Familie gründen zu können.

Auch in den drei US-amerikanischen Filmen spielt die Beziehung zwischen Vater und Kindern eine Rolle. Sowohl in „ Eclipse“ (Bellas Vater) als auch in „ Transformers – Revenge of the Fallen “ (Mikaelas Vater) wird das Thema des alleinerziehenden Vaters behandelt. Auch in „ Iron Man 2 “ spielt die emo- tionale Bindung zur Mutter keine, jene zum Vater hingegen eine große Rolle. Allerdings liegt hier anders als bei den koreanischen Filmen der Fokus nicht auf der Familiengründung bzw. - zusammenführung, sondern auf der Entstehung und Festigung von Zweierbeziehungen. Außerdem ist die Abspaltung von der Familie, die als nicht frei gewählte Lebenswelt gezeichnet wird, ein wichti- ges Motiv. In „ Transformers – Revenge of the Fallen , zieht Sam an die Uni und fängt damit ein Leben abseits der Familie an. Am Ende des Films wird die Loslösung von der Familie noch einmal unterstrichen, als Sam seinem Vater erklärt, dass er die Welt nur retten kann, wenn ihn dieser gehen lässt. Sam lässt seine Eltern in Sicherheit bringen, nimmt aber seine Freundin Mikaela auf der Flucht vor den feindlichen Decepticons mit. Die Bindung zwischen Sam und Mikaela wird zusätzlich dadurch gefestigt, dass sie sich gleichzeitig die Liebe gestehen und damit die Art ihrer Beziehung endgültig offiziell klären. Dadurch entsteht eine feste, ausgesprochene Beziehung. In „ Iron Man 2“, hält die zwiespältige Beziehung zu sei- nem Vater Tony zunächst davon ab, seinen eigenen Tod abzuwenden. Als er erfährt, dass sein Vater immer an ihn geglaubt hat und er der große Stolz des Vaters war, kann er seine Arbeit wieder aufnehmen. Tony rettet nicht nur sich, sondern auch Pepper

und die weltweite militärische Vormachstel- Bilder „Transformers- Revenge of the Fallen“ : Sam und Mikaela lung der USA. Am Ende gelingt es ihm sogar, gestehen sich ihre Liebe, nachdem Sam fast gestorben wäre Pepper seine Zuneigung zu zeigen. In „ Eclip- 53 se “ wird ein ganz klarer Schnitt zwischen der Menschenwelt und der Vampirwelt gemacht. Bella ent- scheidet sich entschieden gegen die Welt der Menschen und damit auch gegen ihre Familie, die sie als Vampir zurücklassen muss. Die Entscheidung für die Beziehung mit Edward ist außerdem gleich- zeitig eine Entscheidung gegen eine eigene Familie, da Vampire keine Kinder bekommen können. Durch diesen Schnitt mit der Menschenwelt wird die Beziehung zu Edward und der frei gewählten Vampirwelt gestärkt. Am Ende des Films stellt Bella nochmals klar, dass sie diese Entscheidung nicht nur für Edward, sondern vor allem für sich selbst trifft, da sie sich in der Menschenwelt schon immer fremd gefühlt hat. Diese Abspaltungen von der Familie verlaufen nicht ohne Schwierigkeiten und Sehnsüchte, dennoch zieht Bella das selbst gewählte Leben und die Verfestigung der gewünschten Zweierbeziehung der Abhängigkeit und dem gemeinschaftlichen Familienleben vor. Diese Art der Selbstdefinition und der individuellen freien Wahl ist typisch für das Selbstverständnis der USA und auch für die US-amerikanische Gesellschaft. „Wir leben in einer Gesellschaft, die uns drängt, uns von unserer Vergangenheit zu befreien, unser eigenes Selbst zu definieren, die Gruppen zu wählen mit der wir uns identifizieren wollen.“ (Bellah u.a. 1987, S. 187.)

Held/innen

Wie bereits kurz angesprochen wurde, ist die Rettung der USA und der ganzen – oder der „guten“ – Welt durch eine/n Held/in ein zentrales Thema vieler US-amerikanischer Filme. Oft ist die Heldenfi- gur mit besonderen Fähigkeiten ausgestattet und hebt sich – ob sie dies will oder nicht – von ande- ren Personen in ihrer Umgebung ab. In „Iron Man 2“ ist Tony aufgrund seiner überragenden Intelli- genz und seines technischen Geschicks in der Lage, sich einen Anzug zu bauen, der ihn mit besonde- ren Fähigkeiten ausstattet. Gerade weil er anders ist als alle anderen und gewissermaßen außerhalb der Gesellschaft steht, kann er etwas Besonderes vollbringen. Er zieht seine Aktionen am liebsten alleine und ohne Hilfe durch. Dennoch gelingt ihm die Rettung seines eigenen Lebens und der Sieg über seinen Gegenspieler Vanko nicht ohne die Hilfe seiner Freunde – etwa von Rhodey, Pepper und Natalie bzw. Natasha. Am Ende werden auch sie als Helden gefeiert. Außerdem stellt Tony die Vor- machtstellung der USA im Bereich der Technologie, des wissenschaftlichen Fortschritts und der mili- tärischen Stärke wieder her. In „ Transformers – Revenge of the Fallen “ hebt sich Sam durch seine Fähigkeit, Zeichen zu sehen, vom Rest der Bevölkerung ab. Nur er kann den Weg zum magischen Schlüssel finden, mit dem Optimus wieder zum Leben erweckt werden kann. Optimus wiederum ist der einzige, der die Zerstörung der Welt verhindern kann. Auch hier stehen beide Helden durch ihre besonderen Fähigkeiten außerhalb der Gesellschaft bzw. der sozialen Gruppe. In „ Eclipse “ macht die Beziehung mit dem Vampir Edward und der Wunsch, selbst ein Vampir zu werden, Bella zu jemand Besonderem. Dadurch befindet sie sich sowohl in der Eigen- als auch in der Fremdwahrnehmung außerhalb der Familie, der lokalen Gemeinschaft und der Menschheit. Auch zu den Vampiren gehört sie nicht wirklich dazu, weil sie für diese durch ihre Menschlichkeit eine Außenseiterin ist. Sogar nach der Aufnahme in den Cullen-Clan bleibt sie gewissermaßen abseits der „normalen“ Vampirwelt. Im Gegensatz zu den anderen Vampiren ernähren sich die Cullens nämlich nicht von Menschen-, son- dern – wenn überhaupt – ausschließlich von Tierblut. Insgesamt können die US-amerikanischen Film- held/innen „für die Gesellschaft nur wertvoll sein, wenn sie vollkommen autonome Individuen sind, die außerhalb stehen.“ (Bellah u.a. 1987, S. 178.) Die dargestellten Helden geben ihr eigenes, norma- les Leben auf, um anderen zu helfen. Sie zeichnen sich durch ihre „heroische Selbstlosigkeit“ (vgl. ebd.) aus. Diese Art der Held/innen-Darstellung ist typisch für die individualistische US-Kultur. Erstre-

54 benswert ist, was einen zu etwas Besonderem, etwas Einzigartigem macht; etwas, wodurch man sich individuell von anderen abheben und jemand ganz Eigenes sein kann, eine Person, die sich selbst definiert, die ihr Leben selbst wählt. (Vgl. Kaufmann 2005, S. 62-83.)

In den analysierten koreanischen Filmen wird von den Held/innen nicht verlangt, die ganze Welt zu retten, sondern sich in eine Welt einzupassen und ihren Platz in dieser zu finden. Die Hauptcharakte- re gelten dann als „gute“ Held/innen, wenn sie sich an die „normale Welt“ anpassen bzw. wenn sie sich in die Gesellschaft mit ihren Beziehungsmustern, Wertvorstellungen und Handlungsnormen ein- passen. Zum Beispiel nimmt in „ Speedy Scandal “ Hyen-soo seine Vaterrolle an und gründet eine Fa- milie. In „ Haeundae “ verlobt sich ein Paar und macht damit genau das, was alle anderen schon lange erwartet haben. Und der Geschäftsmann beschließt, das Shoppingcenter nicht zu bauen, um die Gemeinschaft von Haeundae aufrecht zu erhalten und die dort lebenden Menschen nicht zu vertrei- ben. In allen drei Fällen passen sich die Menschen in die Gemeinschaft ein und verhalten sich so, wie es von ihnen erwartet wird bzw. wie es für die Gemeinschaft am besten scheint. In „ The Man from Nowhere “ setzt sich Tae-sik über die polizeilichen Anweisungen und über die Gesetze hinweg, um das kleine Mädchen So-mi zu retten. Er tötet zahlreiche Mitglieder des Drogenrings und wird daraufhin verhaftet. Der Held wird selbst zum Verbrecher und kommt nicht straffrei davon. Dennoch fügt er sich am Ende in die Vaterrolle, die ihm während des gesamten Films zugeschrieben wird – und zwar sowohl hinsichtlich der Versorgung und der Befriedigung primärer Bedürfnisse als auch im Hinblick auf die emotionale Beziehung und das Zeigen der Vaterliebe. Kurz vor seiner Verhaftung stattet er So-mi nämlich nicht nur mit Schulsachen aus, sondern er bittet sie um eine Umarmung. Dadurch bringt Tae-sik zum ersten Mal im Film seine Zuneigung auch auf emotionale Weise zum Ausdruck. Durch diese Handlung öffnet er sich wieder gegenüber den Menschen. Er kann wieder ein Teil der Gesellschaft werden und ein Leben ohne Exklusion aus der Gemeinschaft führen.

In koreanischen Filmen haben die Held/innen ihr Ziel erreicht, wenn sie sich in die Gesellschaft ein- gebettet haben, ein Teil dieser geworden sind und ihre Rolle darin gefunden haben. Dabei stehen die Held/innen anfangs entweder außerhalb der Gemeinschaft bzw. der Gesellschaft und integrieren sich im Laufe oder am Ende des Films in diese. Oder sie sind von Anfang an in die Gesellschaft integriert und steigen lediglich zu Positionen mit einem höheren gesellschaftlichen Status auf. Ersteres trifft auf Tae-sik in „ The Man from Nowhere “ zu. Nachdem er sich zunächst von allen abschottet und als ge- fährlicher Mann mit einer fragwürdigen Vergangenheit gilt, übernimmt er am Ende die Verantwor- tung für ein kleines Mädchen. Ein Beispiel für die zweite Art der Wandlung ist der Film „ Speedy Scan- dal “. Der Hauptcharakter Hyen-soo entwickelt sich von einem Bachelor zu einem Familienvater und steigt damit in der gesellschaftlichen Hierarchie auf. Wenn eine soziale Position gefunden wird, die sich in eine moralisch gute Gemeinschaft integrieren lässt, gibt es keine größeren Skandale. Solange die an die Rolle gestellten Erwartungen erfüllt werden, ist die gesellschaftliche und soziale Position nicht in Gefahr. Daher kommt es in „ Speedy Scandal “ zu keinem größeren Skandal und Hyen-soo kann seine soziale Position als Radiomoderator beibehalten; es wird lediglich sein Image als Bachelor durch jenes des liebenden Familienvaters ersetzt. Die Einbettung der sozialen Position in die Gemein- schaft sorgt gleichzeitig dafür, dass man sich den mit ihr verbundenen Rollen anpasst und versucht, den einmal gewonnen sozialen Status beizubehalten, auszubauen und unter keinen Umständen zu verlieren. Die Angst vor einem Skandal, einem Ansehens- und Gesichtsverlust treibt Hyen-soo zu- nächst dazu, mit allen Mitteln zu verheimlichen, dass er eine uneheliche Tochter hat. Dabei tritt eine starke Trennung zwischen dem Privatbereich, der nach außen geheim gehalten wird, und dem öf- fentlichen Lebensbereich, der nach außen gezeigt wird, in den Vordergrund. In der Sprache des Gof-

55 fman‘schen Bühnenkonzepts (Goffman 2006, S. 217-134) könnte man sagen, dass in kollektivisti- schen Gesellschaften die Vorderbühne ausgedehnt wird, sodass die Hinterbühne fast verschwindet bzw. sich die Wertvorstellungen und Handlungsmuster von Hinter- und Vorderbühne fast decken. Jene Teile des Privatbereichs, die sich nicht mit den gesellschaftlich vorherrschenden Wertvorstel- lungen und den erwarteten Verhaltensweisen des öffentlichen Bereichs decken, sind stark von die- sem abgetrennt. Daher wird besonders darauf geachtet, niemandem zu missfallen und sowohl das eigene als auch das Gesicht des/der anderen zu wahren. Solange die Vorstellung auf der Vorderbüh- ne gut und reibungslos verläuft, ist nicht von Bedeutung, wie die nicht einsehbare Hinterbühne aus- sieht, organisiert ist und funktioniert. Je weiter die Handlungen, Werthaltungen und Normen der Hinterbühne und jene der Performance auf der Vorderbühne auseinanderklaffen, desto stärker müs- sen diese beiden Bereiche voneinander getrennt werden. Noch komplizierter wird es, wenn das Ge- schehen der Hinterbühne auf die Vorderbühne überzufließen droht. Traditionell geschah die Tren- nung zwischen privatem (Hinterbühne) und öffentlichem Bereich (Vorderbühne) des Lebens mit der Trennung der Bereiche Haushalt und Arbeit, wobei Frauen für die Organisation im Privatbereich zu- ständig waren und die Männer das Familienleben in der Öffentlichkeit repräsentierten (vgl. Kim, Uichol 1994, S. 36-40).

Das heißt weiter, solange auf der Vorderbühne also nach außen hin alles passend, norm- und wert- konform erscheint, werden Rolle und Status einer Person von den Mitmenschen nicht angezweifelt. Erst wenn die Fassade zu bröckeln beginnt oder wenn das Verhalten in der Öffentlichkeit nicht mehr den gesellschaftlich vorherrschenden Wertvorstellungen und Handlungsnormen entspricht, muss ein Statusverlust befürchtet werden. In „ Speedy Scandal “ kommt dies plakativ zum Ausdruck. Aus Angst vor einem Ansehens- oder Gesichtsverlust verheimlicht Hyen-soo so lange wie möglich, dass er eine uneheliche Tochter hat. In dieser Komödie spiegelt sich nicht nur die enorme Bedeutung, die in der koreanischen Kultur dem Bewahren des Gesichts, oder „ chemyon“, zukommt, eindrucksvoll wider; auch die Art, mit einer solchen Situation umzugehen, wird präzise dargestellt. Kann man einem Ge- sichtsverlust nicht mehr ausweichen, wählt man jenen Weg, bei dem der zu erwartende soziale Sta- tusverlust am geringsten ist, auch wenn man dafür lügen muss. Selbst als Hyen-soo vom Freund sei- ner Tochter beschuldigt wird, mit dieser eine Affäre zu haben, verschweigt er seine Vaterschaft. Am Ende des Films stellt sich heraus, dass die Gründung und Versorgung einer Familie keinen sozialen Statusverlust mit sich bringt – selbst wenn es sich dabei um eine Patchwork-Familie mit einem un- ehelichen Kind handelt. Dadurch bricht der Film mit dem traditionellen koreanischen Familienbild des verheirateten Ehepaares mit leiblichem Kind. Nicht nur in dieser Hinsicht spiegelt der Film die aktuellen sozialen Veränderungen und Umbrüche wider, die in der koreanischen Gesellschaft zurzeit sattfinden. Er greift auch die Ungleichzeitigkeit der Wandlungen von Familienstrukturen und den vorherrschenden Werthaltungen sowie die damit zusammenhängenden Konflikte auf. Gerade im Hinblick auf die Beziehungsmuster haben die realen gesellschaftlichen Praktiken die vorherrschenden Wertvorstellungen, die noch stark in traditionellen Vorstellungen verwurzelt sind, teilweise überholt. Auch wenn die Anzahl der unehelichen Kinder in den letzten Jahren gestiegen ist, ist die uneheliche Mutter- und Vaterschaft in den gesellschaftlichen Vorstellungen nach wie vor mit Tabus und mit Ängsten belegt. Im Film hat Hyen-soo Angst vor den Folgen bzw. Sanktionen seines scheinbaren Normenbruchs. Dabei unterschätzt er jedoch, dass sich die diesbezüglichen Wertvorstellungen und Handlungsnormen in den letzten Jahren durchaus auch gewandelt haben und dass ein uneheliches Kind – zumindest für eine bekannte Persönlichkeit – keinen existenzbedrohlichen Imageschaden nach sich ziehen muss. Dass der Hauptcharakter diese Situation fast unbeschadet übersteht und sich sein Leben sogar zum positiven wendet, hängt einerseits damit zusammen, dass die Filmwirklichkeit 56 mit traditionellen Wertvorstellungen bewusst brechen will. Andererseits wird dieser Tabubruch ak- zeptabel, weil er von sozial erwünschten Handlungsweisen eingerahmt ist. So nimmt Hyen-soo die gesellschaftlich anerkannte Wertvorstellungen, wie die Rolle des verantwortungsvollen, liebenden Vaters und Partners, an und wird zu einem norm- und wertkonformen Mitglied bzw. Held der Gesell- schaft. „ Speedy Scandal “ widmet sich gesellschaftlichen Problemen (wie dem Zurückdrängen des Privatbereichs und der Angst, dass private Ereignisse ans Licht der Öffentlichkeit geraten) auf komö- diantische Weise, indem er sie am Beispiel eines bekannten Radiomoderators, bei dem diese Prob- leme aufgrund seiner Popularität noch deutlicher zutage treten, überspitzt darstellt.

In den US-amerikanischen Filmen stehen die Held/innen am Ende außerhalb der Gesellschaft. Sie sind etwas Besonderes und stechen heraus, sind individuell und einzigartig, und nicht einfach Teil der Gemeinschaft. Kurz: Sie sind anders als alle anderen. Diese Einzigartigkeit wird jedoch immer wieder auf die Probe gestellt. In koreanischen Filmen werden die Hauptcharaktere erst durch die Eingliede- rung in die Gemeinschaft oder Gesellschaft zu Held/innen. Eine Person ist erst dann heldenhaft, wenn sie es geschafft hat, sich eine Gemeinschaft aufzubauen und einen sicheren Platz in dieser ein- zunehmen. In den US-amerikanischen Filmen brauchen die Held/innen zwar auch Hilfe von einzelnen Menschen und benötigen deren Informationen, aber sie machen sich ihrer nur nutzbar. Der/Die Held/in selbst steht am Ende als etwas Besonderes da, alleine und außerhalb der Normalgesellschaft.

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4.3. „I am because we are“ – Individualismus und Kollektivismus in Filmen

Das „Busan International Filmfestival“ hatte mittlerweile begonnen, die Stadt und mit ihr das Hostel war mit Leuten gefüllt, die deshalb hier waren. Einige meiner Mitbewohner waren Produzenten, de- ren Filme vorgestellt werden sollten; andere waren wegen ihrer Abschlussarbeit für die Universität hier; und wieder andere waren hier, um beim Festival als Volunteers zu arbeiten. Diese Volunteers waren überall, sie wiesen die Leute zu den Orten, bildeten menschliche Absperrketten, um Stars vor ihren Fans zu schützen, beaufsichtigten Getränke und Buffets bei Abendveranstaltungen, regelten den Verkehr, händigten VIP-Karten an Gäste aus und arbeiteten im Büro am Telefon; sie wurden herum- kommandiert, ausgeschimpft und hin und wieder gelobt. Ich fragte jene, die im selben Hostel wie ich wohnten, wieso sie sich freiwillig diesen Arbeitsstress antaten. Des Geldes wegen konnte es nicht sein, denn sie hatten mehr Ausgaben als Einnahmen. Eine Erklärung, die ich erhielt, war, es sei gut für den Lebenslauf, denn ein guter Abschluss alleine reiche nicht, um einen Studienplatz an einer angesehe- nen Universität oder einen aussichtsreichen Arbeitsplatz bei einer großen Firma zu erhalten. Eine zweite Erklärung war, dass es schön sei, ganz nahe bei den Stars zu sein, näher als alle anderen. Es mache einfach Spaß und sei eine gute Gelegenheit, einmal nach Busan und damit weg von zu Hause zu kommen. Eine dritte Erklärung auf die Frage, wieso so viele Freiwillige hier arbeiteten, war, dass Korea ein kleines Land mit wenigen Einwohnern sei, dass man daher zusammenhalten müsse, um zu zeigen, dass auch ein kleines Land etwas Großes, international Anerkanntes zustande bringen kann. Man brauche die Unterstützung aller, um dies zu erreichen. Eine derartige Erklärung hatte ich nicht erwartet, ich stockte und sagte nichts. Mein Gegenüber, eine weitere freiwillige Helferin, bemerkte das und sagte, sie wisse, dass dies in Europa anders sei und sie wisse auch nicht, wieso das hier so wie es sei. Doch es sei einfach so.

In dieser Arbeit werden jene Handlungen als kollektivistisch bezeichnet, die aus Motiven der gegen- seitigen Unterstützung und Kooperation sowie der Stärkung und Aufrechterhaltung des gegenseiti- gen Zusammenhaltes entstehen und sich durch die Unterordnung von Eigeninteressen unter das Gruppeninteresse auszeichnen. Grundlegend wird Individualismus und Kollektivismus hier wie folgt definiert:

„Collectivism may be initially defined as a social pattern that consists of closely linked individuals who see themselves as parts of one or more collectives (family, co-workers, tribe, nation); are primarily mo- tivated by the norms of, and duties imposed by, those collectives; are willing to give priority to the goals of these collectives over their own personal goals; and emphasize their connectedness to members of these collectives. A preliminary definition of individualism is a social pattern that consists of loosely linked individuals who view themselves as independent of collectives; are primarily motivated by their own preferences, needs, rights, and the contracts they have established with others; give priority to their personal goals over the goals of others; and emphasize rational analyses of the advantages and disadvantages to associating with others.” (Triandis 1995, S. 2.)

Die Begriffe „Individualismus“ und „Kollektivismus“ wurden im 18. und 19. Jahrhundert das erste Mal von englischen Philosophen verwendet. Ihre Geschichte reicht somit 300 Jahre zurück. Zahlreiche soziologische und sozialpsychologische Studien deuten darauf hin, dass das Konstrukt Kollektivismus / Individualismus in Gesellschaften auch wirklich existent ist. So wurden im Bereich der Sozialpsycho- logie zahlreiche Studien zu diesem Thema durchgeführt; unter anderem von Stanley Milgram, der 1961 und 1977 die berühmte Asch-Studie in Norwegen und Frankreich wiederholte. Dabei ließ sich beobachtenden, dass sich Norweger konformer verhielten als Franzosen (Vgl. Aronson / Wilson / Akert 2008, S. 254). 58

„Im Rahmen einer Metaanalyse von 133 in 17 Ländern durchgeführten Asch-Studien zur Beurteilung von Linien stellten Forscher einen Zusammenhang von kulturellen Werten und normativem sozialem Einfluss fest. […] Forschungsteilnehmer in kollektivistischen Kulturen zeigen bei Linienaufgaben ein höheres Maß an Konformität als Forschungsteilnehmer aus individualistischen Kulturen. […] Anderen zustimmen ist dort weder ein Akt der Unterwerfung noch ein Zeichen von Feigheit, sondern zeugt von Takt und Feinge- fühl.“ (Ebd., S. 254.). J. W. Berry legte in den 60er Jahren den Mitgliedern einer Fischfang- und Jagdgesellschaft (den Inuit in Kanada) und jenen einer Agrargesellschaft (den Temne in Sierra Leone) die gleichen Konformitäts- aufgaben vor. Es stellte sich heraus, dass Temne stark zur Annahme der Vorschläge der Gruppe ten- dierten, während Inuit diese ignorierten. Berry führte diese Unterschiede darauf zurück, dass Jagd- Gesellschaften ihren Mitgliedern Unabhängigkeit und Durchsetzungsvermögen abverlangen, wäh- rend in Agrargesellschaften Konformität und Kooperationsbereitschaft gefragt sei. (Vgl. ebd., S. 255.) Wheeler und Kim (1997) stellten in einer ähnlichen Studie fest, dass sich die Charaktermerkmale, die attraktiven Personen zugeschrieben werden, zwischen verschiedenen Kulturen unterscheiden. Zwar werden die Charaktereigenschaften kontaktfreudig, glücklich, sexuell aufgeschlossen, freundlich, extrovertiert, beliebt, reif, sympathisch, ausgeglichen und selbstsicher sowohl in Korea als auch in den USA attraktiven Personen zugeteilt. Während sie in Korea durch sensibel, ehrlich, einfühlsam, vertrauenswürdig und großzügig ergänzt werden, gelten in den USA zusätzlich die Eigenschaften stark, durchsetzungsfähig und dominant als attraktiv. (Vgl. Eagle et al 1991; Feingold 1992; Wheeler & Kim 1997 in Aronson / Wilson / Akert 2008, S. 322-325.) Neben Psycholog/innen haben sich auch zahlreiche Anthropolog/innen diesem Thema angenommen. Margareth Mead (1967) widmete sich zum Beispiel dem Thema der Kooperation und Konkurrenz in primitiven Stämmen. Harry C. Triandis (1988) machte auf die Unterordnung von Eigeninteressen unter Fremdinteressen aufmerksam. Hsu (1983) verglich die chinesische und die japanische Kultur mit der US-amerikanischen, wobei er sich auf die Harmonie innerhalb einer Gruppe konzentrierte, die in Japan und China besonders wichtig ist. Auch Soziologen haben sich mit Kollektivismus und Individualismus beschäftigt. Talcott Parsons (1949) wies zum Beispiel auf den Unterschied von Kollektivität und Selbst hin. Robert N. Bellah (1987) war einer jener Forscher, die sich kritisch gegenüber dem fortschreitenden Individualismus äußerten. Er sah eine Lösung in der Revitalisierung alter, traditionaler Gemeinschaften und Werte und in der Entstehung und Formung neuer Gemeinschaften (siehe Kommunitarismus). (Vgl. Triandis 1995, S. 19- 39; Bellah u.a. 1987, S. 313-335.)

Wie Triandis festgehalten hat, ist keine Person und auch keine Gesellschaft ausschließlich und abso- lut individualistisch oder kollektivistisch; vielmehr sind jeder einzelnen Person sowohl individualisti- sche als auch kollektivistische Züge inhärent; und man kann sie nur im Vergleich als individualisti- scher bzw. kollektivistischer bezeichnen (vgl. Triandis 1995, S. 33-38). „In sum, all of us have both collective and individualist elements in our cognitive system, but in different mixtures.” (Ebd., S. 38.) Trotzdem zeichnen sich Personen, die in kollektivistisch orientierten Kulturen aufgewachsen sind, eher durch gemeinschaftsbezogene Wertvorstellungen, Affektmodellierungen und Verhaltensweisen aus, während Personen, die in individualistischen Kulturen sozialisiert worden sind, eher Ich- bezogene Wertideen, Affekthaushalte und Handlungsweisen aufweisen (vgl. Triandis 1994, S. 42ff). Eine der bekanntesten und wohl einflussreichsten Studien zu diesem Problemfeld ist Hofstedes Un- tersuchung von IBM-Angestellten (1980). Hofstede definierte die USA, Kanada und Westeuropa als individualistisch, Asien, Lateinamerika und Afrika hingegen als kollektivistisch. (Vgl. Kim Uichol u.a. 1994, S.1.) Auch heute gilt Asien als kollektivistisch und vor allem Nordamerika als individualistisch geprägt (vgl. Schwartz 1994, S. 85-119). Allerdings sei darauf hingewiesen, dass selbst die US-

59 amerikanische Gesellschaft, die häufig als Paradebeispiel einer individualistischen Gesellschaft ange- sehen wird, nicht frei von Gemeinschaften bzw. „Communities“ ist. Gerade im protestantischen Puri- tanismus, der einen Ausgangspunkt des US-amerikanischen Denkens der US-amerikanischen Gesell- schaftsorganisation darstellt, sind die christlichen Ideale der Brüderlichkeit und der Zugehörigkeit zu einer Gemeinschaft von großer Bedeutung. Anders als im Konfuzianismus spielt jedoch auch die indi- viduelle Pflichterfüllung und Selbstverwirklichung eine wesentliche Rolle. Gerade in den letzten Jahr- zehnten gibt es in den USA unter dem Stichwort Kommunitarismus unzählige Denkansätze, die da- rauf hinweisen, dass es auch in den individualistischen USA Gemeinschaften und Zusammengehörig- keitsgefühle gibt und dass man nicht von einem vollkommenen Gemeinschaftsverlust sprechen kann. Der zentrale Unterschied zu Korea besteht darin, dass es in den USA eine Vielfalt von Möglichkeiten gibt, an der Gesellschaft teilzunehmen und, dass die Zugehörigkeit zu den Gemeinschaften wesent- lich freier wählbar und entscheidbar ist. Hier ist es in erster Linie dem Individuum und dessen eige- ner, persönlicher Entscheidung überlassen, welcher Gemeinschaft es sich anschließt. So ziehen US- Amerikaner häufig um, können aber gerade durch den Umzug ihre Gemeinschaft frei wählen und sich in ihre persönlich präferierte Umgebung einfinden. (Vgl. Brumlik / Brunkhorst 1993; Bellah 1987.) Hans Joas hat in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen, dass „[d]ie ökonomische Homogenisie- rung der Suburbs […] wiederum die Gemeindebindung [erleichtert]“ (Joas 1993, S. 58). Dieses Ele- ment der freien Wahl kann man sogar bei den Amisch, die auf den ersten Blick eine kollektivistisch organisierte Gemeinschaft zu sein scheinen, finden. Bei ihnen ist es üblich, dass die Jugendlichen in einem bestimmten Lebensalter, zwischen Schulende und dem eventuellen Beitritt zur Gemeinde, die Gemeinschaft verlassen, um das Leben außerhalb dieser auszuprobieren. In dieser Zeit des „Rum- springa“ haben sie Freiheiten, die danach nicht mehr erlaubt sind. Nach dieser Zeit dürfen sie selbst entscheiden, ob sie in die Gemeinschaft zurückkehren und sich an diese anpassen oder ob sie in der „weiten Welt“ bleiben wollen. (Vgl. de.wikipedia.org 2012.) Sogar in dieser Gemeinschaft entschei- den die Mitglieder für sich selbst, welches Leben sie führen wollen. Dies ist einer der wesentlichen Unterschiede zwischen kollektivistischen und individualistischen Kulturen.

Die folgenden Auswertungen basieren auf der Überlegung, dass sich Individualismus und Kollektivis- mus in Situationen mit und in Beziehungen zu anderen Personen bzw. Personengruppen erkennen lassen. Ob eine Kultur als kollektivistisch oder individualistisch angesehen wird bzw. in welchem Ma- ße sie das eine oder das andere ist, hängt davon ab, ob in ihnen unterschiedliche Situationen als et- was aufgefasst werden, das lediglich das Individuum angeht, oder als etwas, das ein bestimmtes Kol- lektiv betrifft. (Vgl. Triadis 1995, S. 6ff.) Dabei sind Individualismus und Kollektivismus nicht als dicho- tom zu verstehen, sondern als zwei Pole einer Linie, auf der Tendenzen in die eine oder andere Rich- tung abgelesen werden können. Sieht man diese beiden Extrempole als Referenzgruppen an, kann man mit Uichol Kim sowohl im Individualismus als auch im Kollektivismus verschiedene Arten (oder „Modes“) der zwischenmenschlichen Beziehungen unterscheiden, die meist in Kombination zu be- obachten sind.

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Modes im Individualismus Modes im Kollektivismus

(aus: Kim, Uichol 1994, S. 28.) (aus: Kim, Uichol 1994, S. 33.)

Im Individualismus ist zunächst (1) der „Aggregate Mode“ zu nennen, bei dem einzelne, unabhän- gige Individuen getrennt voneinander existieren und sich von zugeschriebenen Beziehungen ab- wenden. Interkationen werden durch Regeln, Normen und Gesetze geregelt, welche auf rationa- len Prinzipien beruhen. Der (2) „Distributive Mode“ zeichnet sich dadurch aus, dass eine Gruppe von Einzelpersonen durch gemeinsame Interessen und Attribute definiert ist. Die Gruppengrenzen sind fließend und durch die Ähnlichkeit bzw. Unähnlichkeit von Interessen 22 geprägt. Beziehungen entstehen schnell und sind teilweise oberflächlich. Der (3) „Static Mode“ ist von Gesetzen und Institutionen gekennzeichnet, die die individuelle Freiheit und das Recht jedes einzelnen beschüt- zen. Das Prinzip der Gleichheit herrscht vor. Die Gesetze und Institutionen sind dabei keine un- wandelbaren, statischen Elemente, sondern können sich mit dem gesellschaftlichen Wandel ver- ändern. Im Kollektivismus unterscheidet Kim Uichol (1) den „Undifferentiated Mode“, der feste und explizite Gruppengrenzen hat. Die Grenzen der Einzelperson und der Gruppe unterscheiden sich nicht, sie sind indifferent. Bei der extremsten Form dieses Typus wird die Einzelperson von der In-Group 23 beherrscht und definiert. Im (2) „Relational Mode“, sind die Grenzen zwischen den Personen einer In-Group porös, sodass Gedanken und Ideen frei kommuniziert werden können. In diesem Mode sind drei Fähigkeiten notwendig: (a) Man muss denken und fühlen, was die anderen dieser Gruppe denken und fühlen; (b) man muss diese impliziten Informationen aufnehmen ohne darauf aufmerksam gemacht zu werden; und (c) man muss die Wünsche der Gruppenmitglieder zufriedenstellen und ihnen bei der Realisierung ihrer Ziele helfen. Der dritte der im Kollektivismus unterschiedenen Modes ist der (3) „Coexistence Mode“. Hier koexistieren unterschiedliche und sich widersprechende Elemente. Er ist dadurch gekennzeichnet, dass das private und das öffentli- ches Selbst einer Person getrennt werden. Das öffentliche Selbst ist durch kollektive Wertvorstel- lungen – wie Loyalität, Familie und Solidarität gegenüber der In-Group – geprägt; das private Selbst hingegen durch individualistische Werte – wie individuelle Strebsamkeit oder das Voran-

22 Im Originaltext wird das Wort commonalities verwendet. 23 In-Group ist jene Gruppe, der eine Person angehört bzw. von der sie Mitglied ist. Den Gegensatz dazu bildet die Out- Group, jene Gruppe, der die Person nicht angehört. 61 treiben der eigenen Bildung. Das öffentliche Selbst ist dabei der sichtbare Teil der Person, der nach außen hin repräsentiert wird. Das private Selbst ist jener Teil der Person, der versteckt bleibt und sich nicht nach außen hin offenbart. Diese Zweiteilung macht es besonders wichtig sein Ge- sicht vor anderen und in der Öffentlichkeit zu wahren. So kommt auch in der koreanischen Kultur ch’emyon (Bewahren des Gesichtes) eine besondere Bedeutung zu. (vgl. Kim, Uichol 1994, S. 27- 41.) Zu diesem Konzept muss noch gesagt werden „[t]he boundaries within a culture or across cultures, however, are dynamic.“ (Kim, Uichol 1994, S. 40.) Es gibt in kollektivistischen Kulturen ebenso Personen, die eher individualistisch orientiert sind, wie in individualistischen Kulturen Personen leben, die eher kollektivistischen Wertvorstellungen anhängen.

Die Art der konstruierten Beziehungen ist ein Punkt, der untersucht werden kann. Nun stellt sich aber auch die Frage, wie und zwischen wem diese In-Groups gebildet werden. Sind die Mitglieder der Gruppen frei gewählt oder nicht (wie etwa in der Familie, der Schule, dem Dorf oder der Nati- on)? Generell kann gesagt werden, dass im Kollektivismus die Gruppenzugehörigkeit von außen zugeschrieben und in individualistischen Gesellschaften von innen erlangt wird. In manchen Fällen kann die Gruppenmitgliedschaft sowohl zugeschrieben als auch aktiv verdient werden müssen. (vgl. Han / Choe 1994, S. 213ff und Triandis 1994, S. 43f.) In bestimmten US-amerikanischen Vor- stadtgangs ist zum Beispiel sowohl der Wohnort als auch eine Mutprobe Kriterium zur Aufnahme. Wenn die Gruppenzugehörigkeit nicht von außen zugeschrieben bzw. festgelegt wird, ist es einfa- cher, einer Gruppe beizutreten oder sie zu verlassen (vgl. Triandis 1994, S. 43f.). In kollektivisti- schen Kulturen, in denen Gruppenzugehörigkeiten durch die Gesellschaftsstrukturen festgelegt sind, ist es zwar schwieriger, die Gruppen selbst zu wählen und sie wieder zu verlassen; aber als Mitglieder einer In-Group ist man fest in diese eingebettet, wird als Teil des „Wir“ angesehen, intensiv unterstützt und beschützt. Innerhalb einer Gruppe herrscht Geschlossenheit und soziale Interdependenz, sodass Gruppenmitglieder gegenüber gruppenfremden Personen bevorzugt werden. Diese Netzwerke und Verbindungen spielen im sozialen Leben Koreas eine zentrale Rolle. Vor allem Familien-, regionale 24 und Schulnetzwerke gelten in Korea als besonders wichtig. Diese Netzwerke wirken sich zum Beispiel bei der Jobsuche positiv aus. Je mehr soziale Netzwerke eine Person besitzt, desto besser gestaltet sich ihr soziales Leben. Personen, die durch Netzwerke ver- bunden sind, werden freundlicher behandelt als netzwerkfremde Personen. In einer In-Group wird besonders darauf geachtet, dass unter den Mitgliedern eine bestimmte Grundharmonie herrscht und bestehen bleibt, sodass sich alle mit gegenseitigem Respekt behandeln. So sind Per- sonen, die sehr empfänglich für soziale Netzwerke sind bzw. in viele Netzwerke eingebunden sind, gegenüber anderen Personen generell freundlicher. (Vgl. Han / Choe 1994, S. 213ff.) Ein weiteres Beispiel ist die Anstellung bei einer koreanischen Company. Diese Unternehmen zahlen den Mit- arbeitern nicht nur das Gehalt aus, sie sorgen in vielfacher Hinsicht für ihre Angestellten und de- ren Familien. Häufig werden zum Beispiel Unterkünfte in der Nähe des Arbeitsplatzes gratis zur Verfügung gestellt. Außerdem erleichtern und verbilligen sie durch jährliche Spenden an gute Schulen und Universitäten den Zugang für Kinder von Angestellten, und bieten den Kindern billige Wohnungen in Universitätsnähe an. Viele Firmen ermöglichen es Angestellten kostenlos Sprach- und andere Weiterbildungskurse zu besuchen. Bei familiären Großereignissen, wie Hochzeiten, Todesfällen oder Schulabschlüssen der Kinder, erhalten die Angestellten häufig Geschenke. Je größer ein Betrieb ist, desto größer sind seine Möglichkeiten, den Angestellten Zusatzleistungen zu gewähren. Dieses System erleichtert einerseits das alltägliche Leben der Angestellten und ihrer

24 Unter regionalen Netzwerken werden die Netzwerke des Ortes, an dem man aufgewachsen ist, verstanden. Die Netzwer- ke der sogenannten „hometown“. 62

Familien, andererseits macht es diese von den Firmen abhängig, da eine Fixanstellung weit mehr Sicherheit bietet als nur einen monatlichen Gehaltsscheck. Daher ist es wenig verwunderlich, dass die meisten Koreaner/innen einen Job in einer großen Firma anstreben, wohl wissend, dass die Arbeitsbedingungen teilweise sehr hart, schwierig und mit vielen langen Arbeitstagen verbunden sind. (Vgl. Kim, Uimong M. 1994, S. 251-266; Kim / Jaffe 2010, S. 176-192.) 25

Die folgenden vergleichenden Auswertungen der vorgestellten Filme basieren auf den eben dar- gestellten theoretischen Annahmen zu Individualismus und Kollektivismus. Da sich in individualis- tische bzw. kollektivistische Verhaltensweisen in den Handlungen, dem Verhalten und den Moti- ven dieser in Beziehungen besonders gut zum Ausdruck kommen, liegt auf ihnen das Hauptau- genmerk der Auswertungen. Gleichzeitig ist ein Film auf Beziehungshandlungen und den Kontakt bzw. nicht Kontakt mit anderen Personen aufgebaut. Mis-en-Scène, Kameraeinstellungen und Filmkonzeption sind auf diese hin, sowohl bewusst als auch unbewusst auf Interaktionen und den damit in verbindungstehenden Handlungen und Verhaltensweisen ausgerichtet und bieten damit einen tieferen Einblick in die Darstellungen. Somit bietet sich auch auf filmtheoretischer Grundla- ge Beziehungsstrukturen als Auswertungsgrundlage an. Gleichzeitig sind gerade Handlungen in unterschiedlichen Beziehungen, vor allem auch im Mikrobereich wie Familie oder Zweier- und Liebesbeziehungen kulturell geprägt und zeichnen sich durch unterschiedliche Verhaltensweisen und Arten der Handlungen aus. Dies bringt mich zu meinen kulturvergleichenden theoretischen Annahmen, die sich stark auf Handlungen beziehen. Im Besonderen liegt das Interesse auf den Handlungen in unterschiedlichen Arten von Beziehungen und dem Unterschied zwischen diesen in amerikanischen bzw. koreanischen Filmen. Somit hängen filmtheoretische-, kulturtheoretische und die Konzeption Individualismus und Kollektivismus mit den Beziehungsstrukturen einer Ge- sellschaft zusammen.

4.3.1. Beziehungsstrukturen in den Filmen

Sieht man sich die Beziehungsstrukturen in den Filmen genauer an, kann man feststellen, dass be- stimmte Arten von Beziehungen in allen analysierten Filmen vorkommen. Dies sind Liebesbeziehun- gen, Freundschaften, Beziehungen zur Familie, zum Feind und Beziehungen, die lediglich zur Erfül- lung der im Film gestellten Aufgabe dienen und keine persönliche Basis haben. All diese Beziehungs- arten können sowohl zwischen Personen, die lediglich durch gemeinsame Interessen verbunden sind, entstehen, als auch zwischen Personen, deren Gruppenzugehörigkeit zunächst von äußeren Struktu- ren festgelegt wurde. Diese verschiedenen Beziehungsstrukturen wurden in den unterschiedlichen Filmen analysiert, die Ergebnisse werden im Folgenden dargestellt. Zunächst werden die Arten der Beziehungsstrukturen – ausgehend von dem jeweiligen Hauptcharakter – für jeden Film einzeln in einer Grafik dargestellt. Anschließend werden sie verglichen und zueinander in Beziehung gesetzt.

25 Ich möchte mich von der Vorstellung distanzieren, man könne Individualismus mit einer komplexeren und Kollekti- vismus mit einer traditionalen und weniger komplexen Gesellschaftsorganisation gleichsetzen, wie man sie etwa bei Parsons (1972, S. 146-155) finden kann. So sind zum Beispiel Urbanisierungs- und Modernisierungsprozesse nicht zwangsläufig mit einer Entwicklung hin zum Individualismus verbunden. Das Leben in einer Großstadt muss nicht not- wendig nur von individualistischen Tendenzen geprägt sein. Aspekte des Kollektivismus, die mit der Urbanisierung und dem Großstadtleben übereingehen, können durchaus bestehen bleiben. Gleichzeitig können sich neue Arten des Kollek- tivismus oder auch des Individualismus bilden und mit anderen traditionellen oder veränderten Arten koexistieren. (Vgl. Kagitcibasi 1994, S. 52ff; Sinha / Tribathi 1994, S. 123ff; Triandis 1995.) „Old customs do not disappear if they still serve useful functions. (Han / Choe 1994, S. 223.) 63

Grafiken der Beziehungsstrukturen in den Filmen

Koreanische Filme

„Speedy Scandal“

„The Man from Nowhere“

Legende

Hauptcharakter Beziehung frei gewählt Beziehung durch äußere Strukturen festgeschrieben Beziehung durch äußere Strukturen festgeschrieben, jedoch frei gewählt (z.B. wurde Agentin Romanov

von Fury beauftragt, Tony zu überwachen, aber dieser stellt sie aus freier Entscheidung an) Familie (blutsverwandt) Familienähnliche Beziehung (nicht blutsverwandt – z.B. Tae-sik, der sich, obwohl er nicht So-mis Vater

ist, um sie kümmert) Liebesbeziehung Engere persönliche Beziehung (z.B. Freundschaft) Nicht-enge persönliche Beziehung (z.B. reine Arbeitsbeziehung, Personen die Informationen liefern, um

die im Film gestellte Aufgabe zu lösen) Gegner / feindschaftliche Beziehung

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„Haeundae“

Legende

Hauptcharakter Beziehung frei gewählt Beziehung durch äußere Strukturen festgeschrieben Beziehung durch äußere Strukturen festgeschrieben, jedoch frei gewählt (z.B. wurde Agentin Romanov

von Fury beauftragt, Tony zu überwachen, aber dieser stellt sie aus freier Entscheidung an) Familie (blutsverwandt) Familienähnliche Beziehung (nicht blutsverwandt – z.B. Tae-sik, der sich, obwohl er nicht So-mis Vater

ist, um sie kümmert) Liebesbeziehung Engere persönliche Beziehung (z.B. Freundschaft) Nicht-enge persönliche Beziehung (z.B. reine Arbeitsbeziehung, Personen die Informationen liefern, um

die im Film gestellte Aufgabe zu lösen) Gegner / feindschaftliche Beziehung

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US-Amerikanische Filme

„Transformers – Revenge of the Fallen“

Legende

Hauptcharakter Beziehung frei gewählt Beziehung durch äußere Strukturen festgeschrieben Beziehung durch äußere Strukturen festgeschrieben, jedoch frei gewählt (z.B. wurde Agentin Romanov

von Fury beauftragt, Tony zu überwachen, aber dieser stellt sie aus freier Entscheidung an) Familie (blutsverwandt) Familienähnliche Beziehung (nicht blutsverwandt – z.B. Tae-sik, der sich, obwohl er nicht So-mis Vater

ist, um sie kümmert) Liebesbeziehung Engere persönliche Beziehung (z.B. Freundschaft) Nicht-enge persönliche Beziehung (z.B. reine Arbeitsbeziehung, Personen die Informationen liefern, um

die im Film gestellte Aufgabe zu lösen) Gegner / feindschaftliche Beziehung

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„Iron Man 2“

„Eclipse“

Legende

Hauptcharakter Beziehung frei gewählt Beziehung durch äußeren Strukturen festgeschrieben Beziehung durch äußere Strukturen festgeschrieben, jedoch frei gewählt (z.B. wurde Agentin Romanov

von Fury beauftragt, Tony zu überwachen, aber dieser stellt sie aus freier Entscheidung an) Familie (blutsverwandt) Familienähnliche Beziehung (nicht blutsverwandt – z.B. Tae-sik, der sich, obwohl er nicht So-mis Vater

ist, um sie kümmert) Liebesbeziehung Engere persönliche Beziehung (z.B. Freundschaft) Nicht-enge persönliche Beziehung (z.B. reine Arbeitsbeziehung, Personen die Informationen liefern, um

die im Film gestellte Aufgabe zu lösen) Gegner / feindschaftliche Beziehung

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Liebesbeziehungen

Auf den ersten Blick unterscheidet sich die Art und Weise, wie Hauptcharaktere in koreanischen und US-amerikanischen Filmen ihre Liebes-Partner/innen auswählen, nicht voneinander. In jedem der sechs Filme kommt zumindest eine Liebesbeziehung vor. Sowohl in den amerikanischen als auch koreanischen Filmen entstehen bzw. entstanden die Liebesbeziehungen zwar teilweise über von au- ßen festgelegte Strukturen (wie die Schule, den Arbeitsplatz oder den Wohnort), werden dann aber durch freie Entscheidungen und aus freien Stücken aufrechterhalten bzw. begonnen. In den US- amerikanischen Filmen lernen Bella („ Twilight “) und Sam („ Transformers “) ihren jeweiligen Partner bzw. ihre jeweilige Partnerin in der Schule kennen, also innerhalb einer Gemeinschaft, die von außen bestimmt wurde. Hyen-soo („ Speedy-Scandal “) verliebt sich in die Kindergartendirektorin von Ki- dong, deren Aufgabe es ist Hyen-soo auf Probleme des Kleinen aufmerksam zu machen. Sie verabre- det sich dann aber sogar mit Hyen-soo, obwohl sie dieser anfangs angeschwindelt hat. Auch der Va- ter Ki-dongs verliebt sich, ohne von seinem Sohn zu wissen, in dessen Mutter, Jeong-nam. Dafür, dass die Verbindungen frei gewählt sind spricht auch, dass es in den Filmen häufig Beziehungskons- tellationen gibt, in der sich eine Person zwischen zwei Personen entscheiden muss und gezielt eine Person davon auswählt. In „ Iron Man 2 “ macht Tony Pepper zur Geschäftsführerin, gleichzeitig stellt er eine Sekretärin, die sich als Agentin Romanov entpuppt, ein. Er entscheidet sich für eine Beziehung mit Pepper, von einer Arbeitsbeziehung wird eine Liebesbeziehung. In „ Eclipse “ ist Bella nicht nur in Edward, sondern auch in Jacob verliebt, der ein Freund der Familie ist und dem sie schwer aus dem Weg gehen kann. Sie verlobt sich jedoch mit Edward, den sie mehr liebt als Jacob. In „Haeundae “ entscheidet sich Hee-mi obwohl sie von einem reichen Mann begehrt wird für den Rettungsschwim- mer Hyeong-sik. Professor Kim und seine Ex-Frau finden am Ende desselben Films wieder zusammen, obwohl sie mit einem amerikanischen Freund nach Haeundae kam. Auch Man-sik und Yeon-hee, die beide in Haeundae leben und aufgewachsen sind, finden, wie von Freunden erwartet, zusammen. Auch hier ist es Yeon-hee, die nicht nur von Man-sik sondern auch von einem anderen Mann umwor- ben wird. Es stellt sich zusätzlich heraus, dass sowohl in Korea als auch in den USA das vorherrschen- de Idealbild einer Liebesbeziehung eine Zweierbeziehung zwischen Mann und Frau ist. Mit diesem Bild wird in keinem der analysierten, weder koreanischen noch amerikanischen, Filmen gebrochen, jedoch wird die Beziehung der zwei sich Liebenden häufig durch eine dritte Person bedroht oder in Frage gestellt.

Sieht man genauer hin, erkennt man, dass vor allem in den amerikanischen Filmen die Liebesbezie- hungen häufig auf die Probe gestellt und dadurch schlussendlich gefestigt werden. In „ Transformers – Revenge of the Fallen “ küsst Sam zum Beispiel Alice und stirbt bei der Rettung von Optimus fast. Haben Mikaela und Sam ihre Liebe zueinander vorher nicht in Worte gefasst, machen sie dies nach dem Fast-Tod Sams. Sie festigen ihre Liebe zueinander in dem sie die Worte „Ich liebe dich“ ausspre- chen, legen sich dadurch fest und untermauern ihre Beziehung. Auch in „ Eclipse “ wird die bestehen- de Liebesbeziehung zwischen Bella und Edward von Jacob, dem Mann für den Bella auch Gefühle hat, in Frage gestellt. Durch Bellas Verlobung wird auch die Beziehung zwischen ihr und Edward auf ein neues Level gehoben und gefestigter, als dies am Anfang des Filmes der Fall war. Von besonderer Bedeutung für den Aufbau einer Beziehung ist das Teilen gemeinsamer Erlebnisse und Interessen. Im ersten Teil von „ Transformers “ finden Sam und Mikaela nur deshalb zusammen, weil sie gemeinsam gegen die feindlichen Decepticons kämpfen, der Loser Sam und die Schulschönheit Mikaela kommen eigentlich von anderen Welten. In der „ Twilight-Saga “ finden sich Bella und Edward, weil sie etwas Besonderes ist, da Edward die Gedanken aller anderen lesen kann, nur jene Bellas nicht. Ihr Blut ist

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jenes, das er am meisten begehrt, seine ganz eigen zugeschnittene Dro- ge. Bella hingegen fühlt sich, wie sie in „ Eclipse “ gesteht in der Men- schenwelt falsch am Platz und fühlt

sich aus ganz eigener Entscheidung der Vampir-Welt zugehörig. Gemein- sam stehen sie den Kampf um Bellas Leben gegen den feindlichen Vampir- Clan durch und festigen nicht nur durch die Verlobung sondern auch Bilder: „ Eclipse“ : Die Liebe zwischen Bella und Edward wird von Jacob auf durch den Kampf gegen Feinde ihre die Probe gestellt. Durch die anschließende Verlobung wird Edwards und Beziehung. In „ Iron-Man 2 “ stehen Bellas Beziehung gefestigt. Pepper und Tony gemeinsam den Kampf gegen Vanko durch und teilen den Arbeitsplatz, die Firma und die Probleme, die mit dieser verbunden sind. Was sich durch diese Ereignisse entwickelt, ist die große wahre Liebe, die die Le- bensumstände für beide nicht unbedingt einfacher macht, sondern oft erschwert. So hat Pepper durch Tony mehr Probleme mit der Firma, als ihr lieb ist, was sie am Ende sogar dazu treibt als Ge- schäftsführerin zurückzutreten. In „ Eclipse “ schwebt Bella für ihr Liebesglück, in „ Transformers – Re- venge of the Fallen “ Mikaela permanent in Lebensgefahr.

In den koreanischen Filmen werden zwar auch Ereignisse geteilt, jedoch werden hier die Weichen für eine zukünftige Beziehung schon im Vorhinein gestellt. Dies geschieht durch eine dritte Person oder eine äußere Situation, welche zwei Personen in ein Abhängigkeitsverhältnis – häufig in Verbindung mit Schuldgefühlen und Gewissensbissen – zueinander drängt. Hier spiegelt sich ein Charakteristikum kollektivistischer Gesellschaften wider: Schuldgefühle und Scham spielen dort in unterschiedlichen Beziehungsarten eine wesentliche Rolle. „In the relation mode, guilt plays an important role in con- trolling a person’s behavior; in the coexistence mode shame plays a central role.” (Kim, Uichol 1994, S. 39.) Scham und schlechtes Gewissen führen dazu, dass sich die Personen den gesellschaftlich ak- zeptierten Normen und Werten anpassen und sich in die von der Gemeinschaft bereitgestellte Rolle einfinden. Die Gefühle binden die Personen an die Gemeinschaft und an die Erfüllung der dort ge- stellten Erwartungen. Dies muss jedoch nicht zwangsläufig bedeuten, dass die eigenen Wünsche zugunsten der Gruppe in den Hintergrund treten müssen.

„The undifferentiated and the coexistence modes prescribe behaviors, through existing norms and ex- pectations, that demand role fulfillment at the expense of individuals’ desires, opinions, and ideas. The relational mode, on the other hand, does not necessarily mean sacrifice one’s wishes and goals for the in-group. It implies that working together, collectively and harmoniously, is a way of expressing and en- hancing oneself.” (Ebd., S. 39.) Am besten funktioniert dies natürlich, wenn sich die eigenen Interessen mit jenen der Gruppe de- cken. In Japan wird zum Beispiel den Kindern gesagt, dass sie ihre Eigeninteressen an jenen der Gruppe ausrichten sollen (vgl. ebd., S. 39). Dieser Abgleich kann in den koreanischen Filmen vor al- lem dann beobachtet werden, wenn zwei Personen, die bereits durch ein schlechtes Gewissen anei- nander gebunden sind, sich eine Partnerschaft miteinander wünschen und sich schlussendlich inei- nander verlieben. In „ Haeundae “ zwingt zum Beispiel Hee-mi den Rettungsschwimmer dazu, mit ihr Essen zu gehen, da er ihr bei ihrer Rettung unabsichtlich ein blaues Auge verpasst hat. Auch Man-siks Beziehung zu Yeon-hee ist zunächst durch sein schlechtes Gewissen geprägt, da er sich für den Tod 69 von deren Vater verantwortlich fühlt und diesem versprochen hat, auf Yeon-hee aufzupassen. Im Laufe des Films verwandelt sich diese Beziehung in eine Liebesbeziehung. Yeon-hee nimmt Man-siks Heiratsantrag zunächst nicht an, da sie von dessen Mitschuld am Tod ihres Vaters erfährt. Erst als sie durch den Tsunami fast stirbt, nimmt sie Man-siks Antrag an, womit sie ihn dazu verpflichtet, im Chaos der Katastrophe durchzuhalten. Professor Kim und Yoo-jin, sein Ex-Frau, sind hingegen durch ihr gemeinsames Kind miteinander verbunden. Auch im Film „ Speedy Scandal “ wird die Beziehung von Hyen-soo und der Kindergartendirektorin, sowie die Beziehung seiner Tochter Jeong-nam und Sang-yoon – Vater von Ki-dong – durch deren Enkel bzw. Kind Ki-dong von außen gefestigt. Ähnliches gilt für Eltern-Kind-Beziehungen. In „ The Man from Nowhere “ ist Tae-siks Beziehung zu dem kleinen Nachbarmädchen So-mi durch Selbstvorwürfe gegenüber seiner verstorbenen schwangeren Frau geprägt. Diese und deren ungeborenes Kind wurden von Verdächtigen, die Tae-sik während seines Spezialagenten-Daseins verfolgte, durch einen getürkten Unfall getötet. In „ Speedy Scandal “ wird Hyen-soos Verhältnis zu seiner Tochter durch die Angst vor einem Skandal und der anschließenden Scham gefestigt. Zunächst hat Hyen-soo sowohl gegenüber seinem Enkel als auch gegenüber der Kindergartendirektorin ein schlechtes Gewissen. Erstens schämt er sich dafür, dass er sich nicht aus- reichend um seinen Enkelsohn kümmert, und zweitens, plagt ihn das schlechte Gewissen, weil er der Direktorin, mit der sich eine intime Beziehung anbahnt, nicht die Wahrheit gesagt hat. Erst als er am Ende des Films seine Eigeninteressen zurücksteckt, zu seiner Tochter steht und sich um sie und ihren Sohn kümmert, wird sein Gewissen erleichtert und der gefürchtete Skandal tritt nicht ein. Durch die Kombination von Scham und schlechtem Gewissen wird das gesellschaftlich erwünschte Verhalten erzwungen. Hyen-soo passt sich schlussendlich an die Vaterrolle an und erfüllt die mit ihr verbunde- nen Erwartungen. Gleichzeitig wird gerade dadurch auch das traditionelle Vaterbild aufgebrochen und Hyen-soos öffentliches Image verändert. Er wird vom ewigen Junggesellen zum liebenden Vater.

In den amerikanischen Filmen sind die Liebesziehungen weniger von außen als durch das Teilen ge- meinsamer Interessen und Erlebnisse geprägt. Die Personen, die in den amerikanischen Filmen ein Liebespaar bilden, sind nicht schon im Vorhinein durch bestimmte Abhängigkeitsbeziehungen und Gefühle miteinander vernetzt. Sie teilen zunächst nur einen Ort, wie etwa die Schule oder den Ar- beitsplatz, miteinander, stehen sich aber darüber hinaus weder emotional noch durch gegenseitige – „äußere“ – Verpflichtungen nahe. In „Transformers “ verliebt sich etwa der Loser Sam in die beliebte Schulschönheit Mikaela. Erst durch ihren gemeinsamen Kampf gegen die Decepticons finden die bei- den (im ersten „Transformers “-Teil) zueinander. In der „ Twilight-Saga “ gehört Bella der Menschen- welt und Edward der Vampirwelt an. Obwohl sie von außen nichts miteinander verbindet, fühlen sie sich voneinander angezogen. So sind sowohl Bellas Vater und Mutter als auch Jacob gegen diese Beziehung. Edward kann, obwohl er die Gedanken aller anderen Menschen lesen kann, Bellas Ge- danken nicht lesen. Auch hier scheinen die Umstände gegen eine Liebesbeziehung der Hauptcharak- tere zu sprechen und die beiden müssen ihre Liebe gegen eine Reihe von Widerständen durchsetzen. Aber gerade diese Erfahrungen, diese gemeinsam überstandenen Probleme und Kämpfe schweißen die beiden zusammen und machen sie schlussendlich zu einem Paar. Ebenso wenig haben in „Iron Man 2 “ Tony und Pepper von außen einen zwingenden Grund ein Paar zu werden. Zwar ist sie seine Angestellte und wird später zur Vorsitzenden seiner Firma, aber ihre Beziehung ist ständig von Pep- pers Sorge um Tony geprägt. Sie muss auf ihn wie auf ein kleines Kind aufpassen und möchte am Ende sogar kündigen. Auch hier steht niemand in der Schuld des anderen und ist – außer durch Liebe – nicht emotional mit der anderen Person verbunden. Trotz dieser Probleme werden die beiden am Ende ein Paar.

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In diesen in den Filmen dargestellten Beziehungsformen spiegeln sich realgesellschaftliche Beson- derheiten und Prozesse wider. In individualistischen Gesellschaften (vgl. Kim u.a. 1994 und Bellah 1987), vor allem in den USA, ist es wichtig, niemandem etwas schuldig, unabhängig und frei zu sein und sich von niemandem abhängig zu machen. Dies zeigt sich auch in der Art und Weise, in der in den amerikanischen Filmen Liebesbeziehungen dargestellt werden. Anders als in kollektivistischen Gesellschaften wie Korea ist die Abhängigkeit von einer Gruppe oder von anderen Personen in den individualistisch geprägten USA negativ besetzt, da sie mit dem Verlust von Freiheit in Zusammen- hang gebracht wird. Gerade in den USA können soziale Bindungen nur dann andauern und „bestän- dig sein, wenn sie auf die freie, vom Eigeninteresse des einzelnen getragene Wahl zurückgehen“ (Bel- lah u.a. 1987, S. 139). Das bedeutet, dass die in den koreanischen Filmen gezeichnete Beziehungs- form, die auf gegenseitigen Abhängigkeiten, Schuldgefühlen und Verpflichtungsgefühlen beruht, in einer individualistischen Gesellschaft wesentlich seltener ist. Für die in den amerikanischen Filmen dargestellten Liebesbeziehungen ist hingegen charakteristisch, dass sie das Leben der Charaktere verkomplizieren – auch, aber nicht nur aufgrund unterschiedlicher sozialer Herkunft. Besonders stark zum Ausdruck kommt dies in „ Eclipse “, wo Bella ihr Menschenleben für das Leben als Vampir aufgibt. Diese Entscheidung löst einen Kampf zwischen unterschiedlichen Vampirclans aus und bringt nicht nur sie, sondern auch Edward und Jacob und deren Familien in Lebensgefahr. Auch in „ Transformers “ werden der Loser Sam und die Schulbeliebtheit Mikaela ein Paar. Dies ist typisch für viele Liebesbei- ziehungen in der US-amerikanischen Gesellschaft: Anders als in Korea „[entsteht] Liebe […] trotz, nicht wegen sozialer Zwänge.“ (Bellah u.a. 1987, S. 139.)

Zusammenfassend kann gesagt werden, dass sowohl in koreanischen als auch in US-amerikanischen Filmen die Partner/innen auf den ersten Blick frei gewählt werden. Aber die Art der Beziehungen und der Entstehung dieser Beziehungen unterscheidet sich recht deutlich voneinander. Während in den koreanischen Filmen die Liebesbeziehungen schon im Vorhinein von äußeren Situationen, Schuldge- fühlen und emotionalen Verquickungen gefestigt werden, entstehen sie in amerikanischen Filmen nicht wegen, sondern trotz der – und häufig sogar gegen – die äußeren Umstände: durch geteilte Erlebnisse und überstandene Krisen. In den amerikanischen Filmen entsteht Liebe freier von sozialen Zwängen – und häufig gegen sie. In den koreanischen Filmen entstehen Liebesbeziehungen hingegen gerade wegen dieser und durch diese Zwänge. Die große Liebe passt sich der für die Gemeinschaft idealsten Lösung an und verstärkt damit wiederum die kollektivistische Tradition der gesellschaftli- chen Organisation. In den amerikanischen Filmen halten die Protagonisten hingegen trotz – oder gerade wegen – aller Schwierigkeiten an der „wahren“, „frei gewählten“ Liebe fest, obwohl es ein leichtes wäre, die Beziehung zu beenden. In den koreanischen Filmen hingegen ist es nicht so ein- fach, sich aus einer Beziehung zu winden; nicht einmal, wenn man sie noch gar nicht eingegangen ist. Auch wenn den Protagonist/innen ihre Gefühle anfangs noch nicht klar sind und selbst wenn sie ihre Zukünftigen nicht mögen, führen alle Wege zueinander.

Freundschaften

Betrachtet man die Freundschaftsbeziehungen in den analysierten Filmen, fällt auf, dass diese in koreanischen und amerikanischen Filmen eine unterschiedliche Rolle einnehmen. In koreanischen Filmen werden Freunde nicht nur um Hilfe und Rat gebeten, sondern sie mischen sich auch direkt und aktiv in das private (Liebes-)Leben der Hauptprotagonisten ein. In den amerikanischen Filmen hingegen wird versucht, sogar beste Freunde so weit wie möglich von privaten Problemen fern zu 71 halten. Freunde akzeptieren und respektieren diese Distanz und mischen sich so lange nicht in Pri- vatangelegenheiten ein, bis ihr eigenes privates Leben durch das Verhalten der anderen in Gefahr oder sie in größere Schwierigkeiten geraten würden.

Widmen wir uns zunächst den Filmen aus den USA. In „ Transformers – Revenge of the Fallen “ ist Sams bester Freund sein Auto Bumblebee, das er im ersten Teil

. gekauft hat, ohne zu wissen, dass es ein Transformer ist. Dieses Auto hat sich ent- schieden, bei Sam auf der Erde zu bleiben, es begleitet ihn auf Schritt und Tritt und beschützt ihn vor feindlichen Angriffen. Dabei hat sich das Auto Sam ausgesucht. Leo, Sams Studentenheimmitbewohner, ist durch einen unglücklichen Zufall in die ganze Decepticon-Bekämpfungs-Geschich- te verwickelt, er ist jedoch nicht Sams Freund, sondern teilt mit ihm nur das Zimmer und liefert ihm wichtige Hinweise Bilder „ Transformers – Revenge of the Fallen “: Sam entschuldigt zu den Zeichen in seinem Kopf. Auch alle sich bei Bumblebee, seinem Auto, für den Tod von Optimus. Bumb- anderen Personen, die Sam kennenlernt, lebee steht trotz allem zu Sam. und auch seine Bekannten, die er im zwei- ten Teil wieder trifft, sind Informationslieferanten und Helfer auf seinem Weg, Optimus Prime zu retten. Freunde spielen in diesem Film kaum eine Rolle und werden auch nicht als Möglichkeit ange- sehen, zur Lösung des Rätsels beizutragen. Der Film kann als eine Art Schnitzeljagd verstanden wer- den, bei der unterschiedliche Personen oder Roboter gesucht werden, mit deren Hilfe am Ende der Feind besiegt werden kann. Bumblebee ist zwar kein Mensch, dennoch hat er menschliche Eigen- schaften und Gefühle. Die Freundschaftsbeziehung zwischen ihm und Sam wird auf die Probe ge- stellt. Erstens weil Sam Bumblebee nicht mit an die Uni nimmt, da Erstsemestern Autos nicht erlaubt sind und zweitens weil Sam glaubt Bumblebee enttäuscht zu haben, da er Optimus – Anführer der Transformers – Bitte um Hilfe zurückgewiesen hat und dieser anschließend gestorben ist, um Sam das Leben zu retten. Bumblebee jedoch steht zu seinem Besitzer und Freund Sam und begleitet die- sen bei der Rettungsaktion von Optimus. Einerseits ist Bumblebee zwar Sams Freund, andererseits ist es aber immer noch ein Auto, das Sams Eigentum ist und seinen Befehlen gehorcht, was bei einer zwischenmenschlichen Freundschaftsbeziehung wohl nicht der Fall wäre. Dennoch wird die Bezie- hung zu Bumblebee durch die gemeinsam durchgestandenen Situationen und Erlebnisse gefestigt und bestätigt. In „ Eclipse “ wird Jacob zunächst als einer von Bellas Freunden dargestellt. Allerdings ist Bella in ihn verliebt, ohne es sich anfangs zuzugestehen. Jacob ist daher mehr als nur ein Freund. Bellas Schulfreunde spielen im Film kaum eine Rolle, sie teilen lediglich den Schulalltag mit ihr. Auch die Mitglieder von Edwards Vampirfamilie, die Cullens, werden nicht zu ihren Freunden, sondern zu ihrer Familie. Sie nehmen Bella auf und übernehmen damit auch die Aufgabe, sie zu beschützen. Insgesamt spielen in „ Eclipse “ Freunde eine geringe Rolle. Sie werden lediglich einmal von Bellas Va- ter als Druckmittel verwendet, um Bella dazu zu veranlassen, sich nicht nur mit Edward, sondern auch mit anderen Leuten zu treffen. Intime Wünsche oder Geheimnisse werden zwischen Freunden nicht ausgetauscht. Auch in „ Iron Man 2 “ stellt sich die Situation ähnlich dar. Tony hat in Rhodey 72 zwar einen besten Freund, aber die beiden sind in beruflicher Hinsicht gewissermaßen Gegenspieler, auch wenn sie die gleichen großen – und patriotischen – Ziele verfolgen. Als Angestellter des US- Verteidigungsministeriums wird Rhodey beauftragt Tony dazu zu bewegen, die Iron-Man-Anzüge auszuhändigen. Schließlich eskaliert die Situation: Nach einem Streit entführt Rhodey einen von To- nys Iron-Man-Anzügen und bringt diesen zu seinen Vorgesetzten. Trotzdem steht Rhodey am Ende des Films Tony bei und sie besiegen gemeinsam den Feind Vanko. Außerdem ist interessant, dass Tony seinem langjährigen besten Freund nichts von seinen gesundheitlichen und emotionalen Prob- lemen erzählt. Obwohl in diesem Film ein Freund eine wesentliche Rolle spielt, ohne dessen Hilfe der Hauptcharakter sterben würde, teilen die beiden private Informationen und intime Gefühle nicht miteinander. Das Leben muss aus Sicht der Hauptprotagonisten alleine gemeistert werden bzw. soll nur jene miteinbeziehen, die auch anderweitig, wie z.B. durch den Besitz von Informationen, in die zu bewältigende Aufgabe verstrickt sind. Durch das Teilen von Erlebnissen wird die Beziehung zwischen Rhodey und Tony zunächst auf die Probe gestellt und am Schluss noch einmal gefestigt. Hier tritt deutlich zutage, dass selbst gute Freunde nur bestimmte Teilbereiche des Lebens miteinander teilen und die Privatsphäre des anderen respektieren. Niemand ist dazu gezwungen oder fühlt sich dazu verpflichtet, intime Informationen preiszugeben oder nach ihnen zu fragen. Auch hier gilt der Grund- satz, sich nichts schuldig zu bleiben und sich dadurch zu nichts verpflichten.

Ganz anders ist dies in Korea, wo Freunde häufig zu einer Art Familienangehörigen zählen und in das Privatleben involviert werden. Zudem sind in Korea mit einer Freundschaft bestimmte Verpflichtun- gen verbunden. So wird von einem Freund bzw. einer Freundin erwartet und er/sie ist dazu verpflich- tet, Bitten nachzukommen, sich zu jeder Zeit umeinander zu kümmern, sich bei allem und immer weiter zu helfen. In all diesen Punkten unterscheiden sich koreanische Freundschaften deutlich von US-amerikanischen. (Vgl. Oak / Martin 2000, S. 67-68; Bellah u.a. 1987, S. 165-197.) Sowohl in „ The Man from Nowhere “ als auch in „ Speedy Scandal “ wenden sich die Hauptprotagonisten in ihrer Not an ihre Freunde. Tae-sik ist durch seine Verwundung gezwungen, irgendwo Unterschlupf zu suchen, und taucht nach langer Zeit bei seinem Freund Seo-mon, einem langjährigen Arbeitskollegen und ehemaligen Spezialagenten auf. Dieser rettet Tae-sik das Leben und rät ihm von seinem Vorhaben ab. Tae-sik hält sich nicht daran und wird am Ende von der Polizei abtransportiert. Er kann sich nicht mehr um das kleine Mädchen, das er gerettet hat, kümmern. In seiner Not erhält Tae-sik keine Hilfe von einem Unbekannten, sondern er wendet sich an den einzigen Freund, den er zu haben scheint. Auch in „ Speedy-Scandal “ sucht Hyen-soo Hilfe bei seinem besten Freund, um einen Vaterschaftstest machen zu lassen. Dieser, so meint Hyen-soo selbst, sei der einzige, an den er sich mit seinen Prob- lemen wenden könne. Auch als Hyen-soo wegen des Verschwindens seiner Tochter unglücklich und traurig ist, steht ihm sein bester Freund mit Rat und Trost zur Seite. Anders als die amerikanischen Filmhelden verarbeitet Hyen-soo seinen Kummer nicht alleine. Am Ende des Filmes wird Hyen-soos Freund in die neu entstandene Familie aufgenommen. Dies ist in Korea nichts Ungewöhnliches. Auch in „ Haeundae “ mischen sich Freunde in Man-siks Privatleben ein und fragen nach, was zwischen ihm und Yeon-hee, mit der er sich später verlobt, laufen würde. Gleichzeitig greift auch Man-sik in das private Liebesleben von Yeon-hee ein, indem er – vor der Verlobung – versucht, einen Ehemann für sie zu finden. Auch Hee-mis Freunde mischen sich in deren Beziehung zum Rettungsschwimmer ein, so arrangieren sie ein Date mit einem ihrer Ansicht nach passenderen Partner.

Zusammenfassend kann man festhalten, dass sich die in den koreanischen Filmen dargestellten Freundschaftsbeziehungen deutlich von jenen in den amerikanischen Filmen unterscheiden. Auch diesbezüglich spiegeln sich in den Filmen gesellschaftlich-kulturelle Unterschiede wider, die mit den

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Konzepten Kollektivismus und Individualismus zusammenhängen. Die kollektivistischen Wertvorstel- lungen der koreanischen und die individualistischen Wertvorstellungen der US-amerikanischen Ge- sellschaft lassen sich in Freundschaftsbeziehungen durchaus erkennen. In Korea bedeutet Freund- schaft mehr als das Teilen bestimmter Informationen, Lebensabschnitte und Lebensstile; sie ist durch Offenheit, den Austausch von Gefühlen und das Einmischen in das Privatleben geprägt. Während Freundschaften in individualistischen Kulturen hauptsächlich durch geteilte Interessen gekennzeich- net sind („distributive Mode“), zeichnen sich koreanische Freundschaften auch durch das Teilen inti- mer Gedanken und Gefühle aus („relational Mode“). Man versucht, gemeinsam eine Lösung für die kleinen und großen Probleme des Alltags zu finden. (Vgl. Kim, Uichol 1994, S. 19-40.) Dies bedeutet nicht, dass es in Korea keine Einzelgänger gibt und dass die Menschen in Korea immer alles mitei- nander teilen. Aber es ist auffallend, dass in den koreanischen Filmen – im Gegensatz zu den ameri- kanischen – Freundschaften eine starke emotional unterstützende Rolle spielen. Tatsächlich ist dies auch in der koreanischen Gesellschaft der Fall. Einerseits kann man stets auf die Hilfe seiner Freunde und Freundinnen zählen, anderseits verpflichtet man sich durch das Eingehen einer Freundschaft auch dazu, der anderen Person zu helfen, sich um sie zu kümmern und sich in ihr Privatleben einzu- mischen. Man macht sich ein Stück weit voneinander abhängig. Dies gilt umso mehr, wenn man au- ßerdem durch äußere Strukturen, Pflicht- oder Schuldgefühle aneinander gebunden ist. Vgl. Oak / Martin 2000, S. 67-68, 93-131; Han / Choe 1994, S. 213-224; Kim, Uimong 1994, S. 251-266) In der US-amerikanischen Gesellschaft wird Freundschaft wesentlich lockerer gesehen. So kann auch eine wenig bekannte Person als Freund gelten. Zudem wird erwartet, dass jede/r Einzelne ihr/sein Leben alleine, ohne Abhängigkeiten oder Verpflichtungen gegenüber anderen im Griff hat. Im Gegensatz dazu wird in kollektivistischen Kulturen wie Korea von Einzelindividuen weniger erwartet, das Leben unabhängig und alleine zu meistern. Vielmehr kann man immer auf die Unterstützung anderer Per- sonen zählen. In vielen koreanischen Dörfern gibt es zum Beispiel eine Art Gemeinschaftstopf, dem jede Person in bestimmten Abständen Geld spendet. Gerät eine Person oder eine Familie in eine Notlage, wird sie mit diesem Geld unterstützt. So erhält jede Person irgendwann Hilfe von der Ge- meinschaft und hilft gleichzeitig den Mitmenschen und damit auch die Dorfgemeinschaft. (Vgl. Oak / Martin 2000, S. 67-68, 93-131; Bellah u.a. 1987, S. 165-197; Han / Choe 1994, S. 213-224; Kim, Ui- mong 1994, S. 251-266; Kim, Yong-hak 2008, S. 144) Im Film „ Haeundae “ wird zum Beispiel, obwohl dieser in einer Großstadt spielt, die Gemeinschaft des Stadtteils ins Zentrum des Films gestellt. Die Bewohner von Haeundae kümmern sich um Yeon-hee, deren Vater gestorben ist. Yeon-hee selbst bezeichnet die in Haeundae lebenden Personen, als Familie und Man-siks Onkel verzichtet auf den Bau des Shoppingcenters, um diese Gemeinschaft nicht zu zerstören. Im amerikanischen Film „ Eclip- se “, in der sich das Geschehen in einer Kleinstadt abspielt, sind die Stadtgemeinschaft und der Zu- sammenhalt der Einwohner hingegen kaum ein Thema, zwar kennen sich die Personen, sie lassen sich aber weitgehend in Ruhe und leben ihr eigenes, ganz privates Leben. Einerseits hat ein starkes Wir-Gefühl den Vorteil der gegenseitigen Unterstützung, andererseits ist es auch mit größeren sozia- len Verpflichtungen verbunden. Die Abhängigkeit der Einzelperson von der Gruppe, mit ihren Vor- und Nachteilen ist in „ Haeundae “ wesentlich größer als zum Beispiel in „ Eclipse “. Auch das mit der Person in Verbindung gebrachte Image spielt in amerikanischen Filmen kaum eine Rolle, während es im koreanischen Film „ Speedy Scandal “ sogar im Zentrum des Filmes steht.

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Familie

Wenden wir uns nun den familiären Beziehungsstrukturen zu. In den amerikanischen Filmen spielen Schwierigkeiten, die mit der Abspaltung und dem Nicht-Loskommen von der Familie zusammenhän- gen, eine wichtige Rolle. Auch wenn sowohl in den amerikanischen als auch in den koreanischen Filmen der Großteil der Beziehungen zur Familie nicht frei gewählt ist, gibt es vor allem in den korea- nischen Filmen Beziehungen, die familienähnlich anmuten, bei denen aber keine leibliche Verwandt- schaft vorliegt. Im Film „ The Man from Nowhere “ kümmert sich zum Beispiel Tae-sik um So-mi, ob- wohl er nicht ihr Vater ist. In „ Haeundae “ sorgen sich Man-sik und sein Onkel um Yeon-hee wie um eine Schwester oder Tochter.

Im Hinblick auf die Familie unterscheiden amerikanische und koreanische Filme in doppelter Hinsicht: Erstens in der Frage, ob familiäre Beziehungen und Gefühle überhaupt thematisiert werden; und zweitens in der Art und Weise wie dies geschieht. Ein wesentlicher Unterschied besteht darin, dass sich in den amerikanischen Filmen die Protagonist/innen von ihren Familien lösen wollen, um selbst- ständig, alleine und ohne bzw. mit wenig Bindung zur Familie zu leben, während die koreanischen Held/innen – zumindest am Ende des Films – in die Familiengemeinschaft eingebettet sein möchten. In „ Transformers “ verlässt Sam seine Familie, um zu studieren. Die Mutter ist traurig und weint, da sie ihren Sohn gehen lassen muss. Am Ende des Films gibt Sam seinem Vater zu verstehen, dass ihn dieser ziehen lassen muss, damit er die Welt retten kann. Der Vater vertraut seinem Sohn und lässt ihn gehen. Als Sam seine Eltern von Bumblebee in Sicherheit bringen lässt, dreht sich das Eltern-Kind- Verhältnis sogar kurzzeitig um, da der Sohn für die Sicherheit seiner Eltern sorgt. Durch den Sieg über die Decepticons beweist Sam schließlich, dass er sein Leben alleine und ohne elterliche Hilfe meistern kann. Auch seine Freundin Mikaela hilft ihrem erst kürzlich aus dem Gefängnis entlassenen Vater wieder auf die Beine, indem sie, statt mit Sam aufs College zu gehen, in der Autowerkstatt des Vaters mithilft. Auch hier wird das Eltern-Kind-Verhältnis umgekehrt: Nicht mehr der Vater sorgt für Mikae- la, sondern Mikaela hilft ihrem Vater das Leben zu meistern. Sobald Sam sich aber in Schwierigkeiten befindet, verlässt Mikaela vorrübergehend die Werkstatt ihres Vaters, um Sam bei seiner Aufgabe beizustehen. In „ Iron Man 2 “ bietet sich ein ähnliches Bild. Tony glaubt zunächst, dass sein verstor- bener Vater ihn nie geliebt und ihm nie vertraut hat. Daher kann er anfangs auch nicht an sich selbst glauben. Als er jedoch herausfindet, dass sein Vater immer stolz auf ihn gewesen ist, beginnt er auch selbst an sich zu glauben und sein Selbstbild zu verändern. Damit rettet er nicht nur sein eigenes Leben, sondern kann dadurch auch den Feind besiegen und die Welt – oder die USA – beschützen. Erst als er sich von seinem Vater löst, kann er eine Lösung für sein Problem finden. Der eindeutigste und endgültigste Bruch mit der Familie findet jedoch in „Eclipse “ statt. Bella entscheidet sich nicht nur für Edward, sondern im Zuge dessen auch gegen ihre Familie und gegen die Gründung einer ei- genen Familie, da sie als Vampir nicht mehr altert und auch keine Kinder bekommen kann. Ihr Vater spielt im Film nur eine untergeordnete Rolle. Er gibt ihr Hausarrest und hebt diesen nur unter der Bedingung auf, dass sie sich auch mit anderen Freunden und nicht nur mit Edward trifft. Ihr Vater hat sozusagen die Aufsichtspflicht, aber ansonsten wenig mit Bellas Leben zu tun. Persönliche Gespräche zwischen ihnen finden kaum statt, nur einmal zieht sie ihn wegen der Hochzeit mit Edward zu Rate. Auch die emotionale Bindung zu ihrer Mutter bringt Bella nicht davon ab, die angeborene Men- schenwelt gegen die frei gewählte Vampirwelt einzutauschen und damit mit Familie und Freunden zu brechen.

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Im Gegensatz zu den amerikanischen sind die koreanischen Filme sehr familien- zentriert. Korea wird in der soziologischen und kulturwissenschaftlichen Literatur als Gesellschaft beschrieben, in der der Familie ein besonders hoher Stellenwert zukommt.

n „For Koreans, family is a very special in- group. Due to our Confucian tradition, Ko- reans usually respect and follow their own fathers more than others‘ fathers, and trust their own sons more than others’ sons.” (Na 2008, S. 121.) Gleichzeitig werden Freunde und sogar Verwandte von Freunden in die Familie aufgenommen und als Teil der Fa- milie behandelt. “Family-centeredness among Koreans becomes the prototype of Korean collectivism, and using the family as the basic unit, the network is further ex- Bilder „The Man from Nowhere “: Tae-sik im Mordwahn als er So- tended.” (ebd. S. 122.) Auch dies spiegelt mi für Tod hält. sich in den Filmen wieder. Tae-sik fühlt sich in „The Man from Nowhere “ für So-mi verantwortlich, obwohl er nicht ihr leiblicher Vater ist und auch mit ihrer Mutter wenig zu tun hat. Von der Trauer um den Tod seiner schwangeren Frau und seinem ungeborenen Kind gequält wird die Rettung des Nachbarsmädchens zu seiner Lebensaufga- be. Er projiziert sein verstorbenes Kind in So-mi, deren Rettung es ihm ermöglicht, den Tod seines Kindes, den er nicht verhindern konnte, zu verarbeiten. Als er fälschlicherweise glaubt, So-mi seien von den Organhändlern die Augen entfernt worden, verliert er völlig die Kontrolle und tötet alle Mitglieder des Drogen- und Organhändlerrings. Am Ende des Fil- mes gelingt es ihm schließlich, sich väterlichen Gefüh- len zu öffnen und So-mi in der Form einer Umarmung seine Zuneigung zu zeigen. Das zentrale Thema von „Speedy-Scandal“ ist, eine Familie zu werden und als Familie zusammenzufinden. Allerdings muss der Prota- gonist erst eine – positiv konnotierte – Wandlung durchmachen, bevor er zu seiner Familie und seinen diesbezüglichen Pflichten und Gefühlen stehen kann. Jeong-nam sucht ihren Vater, als sie ihn findet, möchte dieser seine Vaterschaft aus Angst vor einem öffentli- chen Skandal zunächst geheim halten. Nach einigen Komplikationen entwickelt Hyen-soo jedoch väterliche Gefühle und gewinnt sowohl Jeong-nam als auch sei- nen Enkel Ki-dong lieb. Am Ende findet Hyen-soo nicht nur zu Tochter und Enkel, sondern zusätzlich eine

Partnerin, und alle wachsen zu einer Familie zusam- Bilder „ Speedy Scandal “: Hyen-soo, Jeong-nam und men. Anders als von ihm befürchtet, führt dies nicht zu Ki-dong finden als Familie zusammen

76 einem öffentlichen Skandal. Im Gegenteil: Sein Image in der Radiostation verbessert sich durch die Familie sogar, da er den gesellschaftlichen Erwartungen gerecht wird und sich seiner Verantwortung stellt. Hyen-soo wird vom ewigen Junggesellen zum liebenden Vater und Opa. Zu alledem wird auch noch sein langjähriger Bachelorfreund in die Familie aufgenommen. Auch in „ Haeundae “ wird die Familie und deren gemeinschaftliches Zusammensein als erstrebenswertes Ideal dargestellt. Profes- sor Kim lernt erstmals seine Tochter kennen und erhält die Möglichkeit, sich um sie zu kümmern und sie sogar zu retten. Kurz bevor seine Ex-Frau stirbt, gesteht diese, ihrer Tochter, dass Professor Kim ihr Vater ist. Als Vater und Mutter ihre Tochter gemeinsam retten, bezeichnet die Kleine Professor Kim als Vater. Bevor die Eltern sterben, bindet Professor Kims Ex-Frau diesem noch die Krawatte – eine Geste, die typisch für ein Paar oder Ehepaar ist. Die Familie hat – wenn auch nur kurz – zusam- mengefunden. Auch der Fischer Man-sik, der von seiner Frau mit seinem Sohn alleine gelassen wur- de, verlobt sich nach einigem hin und her mit Yeon-hee. Besonders stark fallen in diesem Film auch die Bindungen zur Herkunftsfamilie auf. So wohnt Man-sik noch bei seiner Mutter, die sich über des- sen liebevolles und sorgendes Verhältnis zu Yeon-hee brüskiert und ihn tadelt, als er von einem Baseballspiel betrunken nach Hause kommt. Gleichzeitig kämpft Man-sik gegen die Pläne seines On- kels, ein großes Shoppingcenter genau an jenem Ort zu errichten, an dem einige Ortsansässige ihre Geschäfte haben. Des Weiteren kümmert sich auch Man-siks Onkel um Yeon-hee, da er mit ihrem Vater befreundet war. Wegen einem Gespräch mit Yeon-hee, die am Ende durch die Verlobung mit Man-sik Teil der Familie wird, verzichtet Man-siks Onkel auf den Bau des Shoppingcenters. Zwar wird auch im amerikanischen Film „ Eclipse “ Bella in die Familie der Vampire aufgenommen, jedoch ist dies im Gegensatz zu den koreanischen Filmen eine Besonderheit, etwas nicht Alltägliches und ist mit Schwierigkeiten und Opfern, wie den Verlust der eigenen Familie verbunden. Gleichzeitig ist das Zu- sammenleben als Clan eine Besonderheit der Vampir- bzw. Wolfs-Gesellschaft, die sich dadurch von der menschlichen Gesellschaft unterscheiden und außerhalb dieser stehen.

Diese Ausführungen sollten deutlich gemacht haben, dass in den koreanischen Filmen der Familie eine wesentlich größere Bedeutung zukommt als in den amerikanischen Filmen. Auch die Verqui- ckungen innerhalb der Familie sind wesentlich komplexer und komplizierter. Offensichtlich spiegelt sich die zentrale Rolle, die das Familienleben in der koreanischen Kultur spielt, in den Filmen wider. Dies wird auch durch die zahlreichen „Chaebols “, Familienbetriebe, ersichtlich. In vielen koreanischen Fernsehserien geht es um die Übergabe eines Familienbetriebes an den Sohn und um den Kampf zwischen zwei Geschwistern, die den Streit auf dem Rücken ihrer Kinder austragen (z.B. in „Protect the Boss “ (보스를 지켜라 – Boseureul Jikyeora) oder in „1 % of Anything “ ( 1%의 어떤 것 – 1% eh uh ddun gut). Auch der Versuch, das Erbe des Vaters weiter zu tragen bzw. wieder aufleben zu lassen, wird in Telnovelas aufgegriffen (wie etwa in „ Personal Preference “ ( 개인의 취향 – Kaeinui Chwihy- ang). Die gegenwärtigen Wandlungen der Familienformen und die mit ihnen zusammenhängenden Probleme und Konflikte werden in den koreanischen Filmen thematisiert. Dabei ist besonders inte- ressant, dass zwischen der traditionellen Familienform und alternativen Formen des Zusammenle- bens kein großer Unterschied gemacht wird. Egal ob eine Wiedervereinigung mit dem/der Ex- Partner/in stattfindet oder ein/e neue/r Partner/in gefunden und eine Patchwork-Familie gegründet wird: Der Fokus liegt auf der Tatsache, dass eine Familie gegründet wird und dass dadurch ein har- monisches Zusammenleben einer Gruppe von Menschen stattfindet. Besonders in den letzten Jahren haben in Korea Kern- und Kleinfamilien sowie kinderlose Paare ebenso zugenommen wie die Schei- dungsrate. Mit diesen Veränderungen steigt auch die Anzahl der Patchwork-Familien. Die Gründung einer Familie – egal welcher Art – wird in den koreanischen Filmen als etwas Wünschenswertes, Er- sehntes und Schönes dargestellt. Eine Familie, egal welcher Art, ist immer noch besser als alleinste- 77 hend oder gar alleinerziehend zu sein. So sagt Hyen-soo scherzhaft zu seinem Bachelorfreund, dieser müsse froh sein, in die Familiengemeinschaft aufgenommen zu werden. In den amerikanischen Fil- men geht es hingegen um die Entstehung einer gefestigten Zweierbeziehung, als deren Basis die ro- mantische Liebe gilt. Zwar ist es in den USA auch wichtig, den Rückhalt und das Vertrauen der ganzen (Herkunfts-)Familie zu erhalten; aber geht es dort nicht in erster Linie darum, ein harmonisches Fami- lienleben aufzubauen, sondern darum, dass dieses Vertrauen der/dem Einzelnen Rückhalt gibt, damit diese/r ein individuelles, frei gewähltes Leben aufbauen kann. Das Ziel besteht weniger darin, sich in die Familie zu integrieren, als darin, sich von dieser abzunabeln, um eigen- und selbstständig leben zu können und eine eigene, selbst gewählte Partnerschaft einzugehen. In „Transformers – Revenge of the Fallen “ schmieden zum Beispiel Sams Eltern schon Pläne für das Leben nach Sams Auszug. Auch wenn dies nicht immer einfach ist, rechnen die Eltern damit, dass ihre Kinder nicht ewig bei ihnen bleiben, sondern finden sich damit ab, dass diese so bald wie möglich ihr eigenes Leben aufbauen. Das bedeutet nicht, dass das emotionale Vertrauen der Eltern für die Kinder nicht von Bedeutung ist. Aber sowohl in „Transformers – Revenge of the Fallen “ als auch in „ Eclipse “ und in „Iron Man 2 “ müssen sich die Kinder von ihren Eltern abnabeln und mit der Vergangenheit abschließen, um glück- lich zu werden bzw. die ihnen gestellten Aufgaben zu bewältigen. Je lockerer in den amerikanischen Filmen die Beziehung zur Herkunftsfamilie wird, desto stärker werden die Beziehungen zu Freunden und Geliebten. In dem Maße, in dem die angeborenen und zugeschriebenen Bindungen an Intensität abnehmen, nehmen die selbst gewählten Bindungen an Sicherheit und Stärke zu. Diese Entwicklung ist in koreanischen Filmen nicht auszumachen. Im Gegenteil: Wird die Bindung zu einem Menschen stärker, nimmt auch die Intensität der Bindung zu anderen Personen zu. Diese Beobachtungen de- cken sich mit den Ergebnissen soziologischer Untersuchungen von individualistischen und kollektivis- tischen Gesellschaften. In kollektivistisch geprägten Gesellschaften ist das Leben umso einfacher, je größer und dichter das Netz der zwischenmenschlichen Beziehungen ist. (Vgl. Cha 1994, S. 157-174.) In individualistischen Gesellschaften sind die Beziehungsstrukturen hingegen besonders durch selbst und frei gewählte Beziehungen gekennzeichnet. Während man in Korea als erfolgreich gilt, wenn man in familiäre, freundschaftliche und kollegiale Abhängigkeitsnetze eingebettet und integriert ist, gilt man in den USA als erfolgreich, wenn man alleine – d.h. möglichst ohne fremde Hilfe – bestehen kann und etwas erreicht, wenn man sein Leben nach seinen eigenen Vorstellungen gestaltet, sich seine Beziehungen und seinen Lebensstil frei wählt und sein Leben jederzeit ändern könnte, wenn man wollte. (Vgl. Kaufmann 2005, S. 62-83.)

4.3.2. Umgang mit Autoritätsbeziehungen

In Korea spielen gesellschaftlich traditionelle Hierarchien nach wie vor eine große Rolle und es ist besonders wichtig, auf hierarchische Ordnungen zu achten und ihnen Folge zu leisten. Wie eine Stu- die des „Institute of Social Development“ der „Seoul National University“ aus dem Jahr 2003 zeigt, schätzen die meisten Koreaner/innen die Kultur ihres Landes als autoritär ein.

„Of the survey respondents 56.4 percent thought the relationship between bureaucrats and citizens was authoritarian, while 70 percent thought the same relations existed between workplace superiors and subordinates. The only relationship in which the level of authoritarianism had subsided were family rela- tionships such as between husbands and wives, and between parents and children. Even relationships between teachers and students were characterized as authoritarian by 50 percent of respondents.” (Park Gil-sung 2008, S. 127-128.)

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Dabei ist das Vertrauen in öffentliche Institutionen besonders niedrig. Dies zeigen auch Statistiken des „General Social Service“. 2008 vertrauten der Koreanischen Nationalregierung 47,5% „kaum“, 44,8% „ein wenig“ und lediglich 4,8% „sehr“. Auch das Vertrauen in die lokalen Regierungen Koreas ist nicht größer (44,4% „kaum“, 47,2% „wenig“ und 6,6% „sehr“). (Vgl. Chae / Lee 2009, S. 177-186; kossda.or.kr.) Dieses Misstrauen ist nicht zuletzt darauf zurückzuführen, dass viele junge Korea- ner/innen der traditionellen, autoritär-hierarchisch organisierten Gesellschaftsordnung kritisch ge- genüberstehen (vgl. Park Gil-sung 2008, S. 127-135). Vor allem jüngere Generationen brechen mit dem hierarchischen Ordnungsverhalten, das auf blindem Gehorsam beruht. Dies macht sich auch im alltäglichen Leben bemerkbar. Ein gutes Beispiel ist die Altershierarchie, der in Korea immer noch eine besonders wichtige Rolle zukommt. Beim Zusammentreffen unbekannter Personen werden die Altersunterschiede nach wie vor abgeklärt, zwischen jüngeren Personen sind sie mittlerweile weniger bedeutungsvoll und verbindlich als dies noch vor einigen Jahrzehnten der Fall war bzw. zwischen älteren Personen noch immer der Fall ist. Auch in Gesprächen mit jungen Koreaner/innen kommt das Problem der Autoritätshörigkeit immer wieder zur Sprache. Häufig wird kritisiert, dass sich die Jun- gen ständig respektvoll gegenüber Älteren verhalten müssen, während sie von diesen respektlos behandelt werden. Wie schwierig dieses Nebeneinander von traditionellen und neuen Autoritäts- ordnungen ist, kommt vor allem dann zum Ausdruck, wenn eine jüngere Person durch ihren Beruf oder ihre Aufgabe mit mehr Autorität ausgestattet wird und eine ältere Person zurechtweisen muss. Beim Internationalen Filmfestival in Busan konnte ich mehrmals beobachten, dass sich alte Personen bestimmten Festival-Regeln einfach widersetzten, obwohl sie von den circa 20-jährigen Volunteers auf ihr Fehlverhalten aufmerksam gemacht wurden. Oft waren die jungen Securities, die den Eingang zum VIP-Bereich bewachten und nur Besucher mit ausgewiesener Karte hineinlassen sollten, damit überfordert, älteren Menschen ohne entsprechende Zugangsbewilligung den Zugang zu verwehren. Dies war vor allem dann der Fall, wenn wesentlich jüngere Personen mit VIP-Ausweisen an den Älte- ren vorbei in den VIP-Bereich gingen. Es kam mehrmals vor, dass die älteren Besucher die jungen Sicherheitskräfte einfach ignorierten oder sogar beschimpften. Dieses Beispiel zeigt, dass man den Konflikt zwischen der langsam aufbrechenden traditionellen hierarchischen Altersordnung und den bei internationalen Veranstaltungen installierten funktionsbezogenen, alters-unabhängigen Ord- nungssystemen in ganz alltäglichen und konkreten Situationen beobachten kann.

Besonders problematisch ist dies im Geschäftsleben, da diese starren und steilen Autoritätsbezie- hungen Wettbewerbsnachteile mit sich bringen. So werden Vorschläge und Ideen junger Mitarbeiter prinzipiell ignoriert. Durch die stark autoritäre Struktur und Hierarchisierung ist selbst in Meetings kein Raum für Diskussionen. „Subordinates cannot criticize or disobey a decision made by a boss. It is extremely dangerous, if not impossible, to make a suggestion to a boss.” (Kim / Jaffe 2010, S. 182.) Diese Hierarchisierung und Autoritätshörigkeit ist typisch für kollektivistische Gesellschaften. Vor allem innerhalb der jungen arbeitenden Generationen wird die Kritik an dieser Autoritätshörigkeit immer stärker. In vielen Firmen hat in den letzten Jahren diesbezügliches ein Umdenken eingesetzt. Viele Konzerne strukturieren die Hierarchien in Bezug auf das Alter langsam um und die Vorschläge und Ideen jüngerer Angestellter werden vermehrt akzeptiert. „In early 2009, Samsung and LG – faced with their first profit losses in decades due to the global recession – completed a massive restructur- ing of the executive offices that included bringing in younger bosses.” (ebd., S. 181.)

Auch in den analysierten Filmen kommt dieser aktuelle gesellschaftliche Konflikt zum Vorschein. Be- sonders in „Haeundae “ werden Autoritäts- und damit zusammenhängende Generationenkonflikte

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thematisiert. Man-siks Mutter fordert die junge Yeon- hee auf, vor ihrem Restaurant kein Essen mehr zu ver- kaufen, da sie ihre Gäste vertreiben würde. Was als Wortgefecht beginnt, endet damit, dass Man-siks Mut- ter auf Yeon-hee losgeht und sie an den Haaren reißt. Man-sik beschützt Yeon-hee vor seiner Mutter und begleitet sie anschließend zu ihrem Boot. Er macht sie darauf aufmerksam, dass sie seine Mutter mit Respekt behandeln und sich mit ihr gut stellen solle. Yeon-hee erwidert daraufhin, dass auch seine Mutter sie mit Respekt behandeln müsse, nicht nur sie die Mutter. Man-sik trägt seinerseits einen Konflikt mit seinem Onkel aus, der in Haeundae ein Shoppingcenter errich- ten will und damit den kleinen Straßenrestaurants und Geschäfte den Platz rauben würde. In einer Szene wird der Onkel von den Bewohnern mit Eiern beworfen und Man-sik spuckt neben ihm auf den Boden. Obwohl Man-siks Onkel in Haeundae eine Autoritätsperson ist, stellen sich sein Enkelsohn und die Bewohner ihm ent- gegen. Nach einem Gespräch mit der jungen Yeon-hee beschießt der Onkel, das Einkaufszentrum doch nicht zu bauen. Der ältere Onkel nimmt den Rat der wesent- lich jüngeren Yeon-hee an, die Hierarchie wird auf den Kopf gestellt. Dabei ist von Bedeutung, dass Yeon-hee den Onkel durch das Rekurrieren auf kollektivistische Werte überzeugt. Sie stellt das Hafenviertel Haeundae als Familie dar und betont dessen Gemeinschaftscha- rakter. Auch Man-sik wird von einem jüngeren Mann, Hyeong-sik, zurechtgewiesen, nachdem er diesen ge- Bilder „Haeundae “: Konflikt mit Autöritätspersonen. (Bild 1-3) Mutter Man-siks greift die junge Yeon-hee fragt hat, ob er Yeon-hee heiraten möchte. Hyeong-sik an. (Bild 4-5) Onkel Man-siks wird, wegen des ge- lehnt ab und regt Man-sik an, nochmal über Yeon-hee planten Shoppingcenter-Baus, von Man-sik ignoriert und ihre Situation nachzudenken. Daraufhin macht und von Bewohnern mit Eiern beworfen. Man-sik Yeon-hee einen Heiratsantrag. Auch hier wird mit den traditionellen Altershierarchien gespielt und gebrochen. Die Botschaft ist: Egal, wie alt eine Person ist, sie ist nicht unfehlbar. Zudem wird gezeigt, dass auch die Meinung von jüngeren, status- und hierarchieniedrigeren Personen akzeptiert, wertgeschätzt und angenommen werden kann und manchmal sogar die beste Lösung bietet. In „ Speedy Scandal “ schlägt sich ein junges Mädchen ganz alleine durch und weiß ganz genau, was es will. Sie gehorcht ihrem Vater genauso lange, wie sie möchte. In einigen Szenen belehrt die Tochter den Vater. Dies geschieht nicht nur auf komödianti- sche Art und Weise, sondern auch in Passagen, in denen Ironie und Sarkasmus in Ernsthaftigkeit um- schlagen. So macht die Tochter ihrem Vater klar, dass sie ihn nicht wegen seines Geldes aufgesucht hat, sondern weil sie ihren Vater kennlernen wollte. Gegenüber seinen Vorgesetzen wird Hyen-soo – wenn auch auf ironische Weise – als unterwürfig, fast untertänig dargestellt. Widersetzt sich ein Held gegenüber Autoritäten und zieht einen Alleingang durch wie zum Beispiel Tae-sik in „The Man from Nowhere “, der der Polizei nicht folgeleistet und So-mi im Alleingang befreit, wird er dafür bestraft. So wird Tae-sik im Polizeiauto abtransportiert und muss sich von der kleinen So-mi verabschieden. 80

In amerikanischen Filmen lassen sich keine Altershierarchien ausmachen. Vielmehr herrscht das Ideal der individuellen Selbstverwirklichung ohne äußere Zwänge vor, was sich häufig in der Form eines Kampfes gegen diese äußeren Zwänge ausdrückt. Am Ende siegt die Individualität, Freiheit und Un- abhängigkeit. In den amerikanischen Filmen sind zwei der drei Hauptcharaktere gerade dabei, die High-School zu verlassen bzw. abzuschließen, und damit relativ jung. Sie kämpfen mit der Abspaltung von zu Hause. Besonders in „ Eclipse “ ist eine Hierarchiebildung durch das Alter schwer auszumachen, da Vampire äußerlich nicht altern und daher ihr effektives Alter schwer feststellbar ist. Mehr als das Alter zählen bei Vampiren die Fähigkeiten, die jeder einzelne besitzt. Allerdings ergeben sich aus diesen Fähigkeiten keine hierarchischen Staffelungen, sondern sie kommen dann zur Geltung, wenn sie gebraucht werden. Am wichtigsten und mächtigsten ist jene Person, die über die für die im Mo- ment zu bewältigende Herausforderung wertvollsten Informationen oder Fähigkeiten verfügt. In „Transformers – Revenge of the Fallen “ gibt der junge Sam die Befehle, sagt wo es lang geht und was gemacht werden soll. Er ist derjenige, der die meisten und wichtigsten Informationen in seinem Kopf gespeichert hat, der das Rätsel lösen und den Weg zum Schlüssel finden kann. Auch wenn er immer wieder auf die Hilfe von Fremden bzw. alten Bekannten angewiesen ist, trifft er die zentralen Ent- scheidungen und erteilt die wesentlichen Befehle. Auch hier lässt sich keine hierarchische Altersfolge erkennen, sondern es ist jeweils die Person verantwortlich, die in der konkreten Situation die meis- ten Informationen hat. Lennox erteilt Befehle, um Optimus nach Ägypten bringen zu lassen, damit Sam diesen retten kann. Ein alter Bekannter, der Sam bei der Rettungsaktion begleitet hat, über- nimmt den Befehl, um den Harvester vor den feindlichen Decepticons zu verteidigen und Optimus hat den Befehl über die Cybertrons. In „ Iron Man 2 “ hält Tony nicht viel von Autoritäten und macht alles andere, als sie zu respektieren. Tony ist ein Narzisst mit viel Geld, Macht und einem starken Selbstbewusstsein. Er läuft zu gern vor Schwierigkeiten davon und drückt sich vor Verantwortung, wodurch er manchmal wie ein Kind wirkt. Sogar als Tony in einer Villa eingesperrt wird, flüchtet er, ignoriert die Befehle von Dr. Fury und arbeitet wie es ihm beliebt – unkonventionell aber genial. Er widersetzt sich allen Mächtigen, allen Vorschriften und allen hierarchischen Einrichtungen und weiß, dass er trotzdem oder gerade deshalb Erfolg hat. Die hierarchisch aufgebauten Institutionen wie das Verteidigungsministerium können Tony kaum etwas anhaben, da sie auf ihn angewiesen sind.

Zusammenfassend kann gesagt werden, dass in den koreanischen Filmen mit dem traditionellen Au- toritätsdenken gebrochen und es teilweise ironisiert wird. Dass dies in allen Filmen geschieht, deutet jedoch darauf hin, dass es in der koreanischen Gesellschaft und Kultur nach wie vor eine bedeutende Rolle spielt. Diese kleinen aber immer wieder vorhandenen Anspielungen auf Hierarchien, die vor allem das Alter betreffen, und das Brechen mit diesen Hierarchien, sind wesentliche Bestandteile in der Gestaltung der Filme. Der Konflikt zwischen dem Wunsch der jüngeren Generation, mit den strik- ten Altershierarchien zu brechen, und der Forderung der älteren Menschen, die Altershierarchien aufrecht zu erhalten und weiterhin auf gehorsames und fügsames Verhalten zu treffen, wie e und je, wird in den Filmen direkt und indirekt angesprochen. Dabei steht nicht das kollektive Gemeinschafts- gefühl, die Zusammengehörigkeit und die Gemeinschaft an sich auf dem Prüfstand, sondern die Or- ganisation der hierarchischen Beziehungen innerhalb dieser. Die Gemeinschaft wird geschätzt, geför- dert, vertreten und anerkannt, die hierarchische Ordnung (z.B. nach dem Alter) innerhalb dieser wird jedoch in Frage gestellt. Ähnliche Meinungen lassen sich häufig in Gesprächen mit Koreaner/innen ausmachen. Auch die jüngeren Koreaner/innen schätzen die Gemeinschaft weitgehend, während sie die hierarchische Organisation dieser Gemeinschaft in Frage stellen. Eine Hierarchisierung nach dem Alter lässt sich mit den äußeren Veränderungen, der Urbanisierung und der wirtschaftlichen Konkur- renz nicht mehr vereinbaren, da durch die allzu straffe Organisation viele innovative Ideen der jünge- 81 ren Generationen ausgeklammert werden, was hinderlich für die wirtschaftliche Entwicklung ist. (vgl. Kim / Jaffe S. 176-192.) Während die ältere Generationen an dieser Hierarchisierung festhalten, be- ginnen jüngere diese stärker in Frage zu stellen. Überhaupt kann man in Korea von einem Wertekon- flikt zwischen älteren und jüngeren Generationen sprechen. Dabei sind die jüngeren Generationen insofern im Vorteil, als sie sich schneller an Veränderungen anpassen können. (Vgl. Yang 2008, S. 86- 98; Park Gil-sung 2008. S. 127-135.) Diese sich reibenden Veränderungen und Hierarchieumstruktu- rierungen machen sich auch in den Filmen bemerkbar. Einerseits findet ein Bruch mit einem traditio- nellen Wert, der Autoritätshörigkeit, statt und andererseits will man traditionelle Werte und kollekti- ve Gemeinschaften aufrechterhalten und fördern. Individualistische Tendenzen finden dort statt, wo sie sich in den Kollektivismus einbauen lassen, diesen aber nicht auflösen.

In den amerikanischen Filmen spielt diese hierarchische Altersordnung keine Rolle. Der Status und die Bedeutung einer Person hängen primär von ihrer Nützlichkeit für eine bestimmte Mission ab. Auch hier spiegeln sich die individualistischen Tendenzen der US-amerikanischen Kultur wider. Die gesellschaftliche Position und der soziale Status resultieren nicht aus angeborenen oder zugeschrie- benen Eigenschaften, wie etwa dem Alter, der Hautfarbe oder dem Geschlecht, sondern ausschließ- lich aus individuellen und erworbenen Leistungen oder Fähigkeiten.

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4.4. „A Man and a Woman“ – Geschlechterdarstellungen in Filmen

Nach einem Jahr stand ich wieder inmitten von Hochhäusern in der Hauptstadt Südkoreas. Ich war in Seoul, hatte etwas Zeit und war mit einer Freundin verabredet. Wir liefen in Hongdae (홍대 ), einem Stadtteil von Seoul, die Straße entlang und gingen in einen der vielen Coffee Shops, die sich dort anei- nanderreihen. Ein Jahr war vergangen und ich konnte es kaum glauben, ihr gegenüber zu sitzen. Nachdem wir über Jobsuche, Abschluss- und Aufnahmeprüfungen geredet hatten, erzählte sie mir, dass sie einige Blinddates gehabt hatte. In Korea ist es ganz normal, auf Blinddates zu gehen, die von Freund/innen, Eltern oder Bekannten arrangiert wurden. Ich war erstaunt, da sie bisher zwar Blind- dates für andere organisiert hatte, selbst diese bis dahin jedoch gemieden hatte. Nun war sie doch zu einem Blinddate überredet worden und irgendwie, gestand sie, wollte sie es auch, schließlich wünsche sie sich einen Partner. Zwar kenne sie viele Männer, aber diese seien Freunde und keine potenziellen Liebespartner. Ich fragte sie, wie ihr perfekter Mann sein solle. „He should be kind“, war ihre erste Antwort. Außerdem solle er einen guten Job haben und intelligent sein. Ich erinnerte mich an ein nächtliches Gespräch. Ich war mit zwei Koreanern am Strand von Busan gesessen und hatte mich mit ihnen unterhalten. Ganz unerwartet hatten sie mich geradeheraus gefragt, was ich mir als Europäerin von einem Mann erwarte. Etwas verdattert hatte ich wissen wollen, wieso sie so plötzlich diese Frage stellten . Sie hatten geantwortet, dass es sie interessieren würde, ob es in Europa anders sei, denn in Korea sei es für einen Mann wichtig, einen guten Job bei einer großen Firma zu haben und viel Geld zu verdienen, um seiner Frau Sicherheit bieten zu können. Zudem wollten koreanische Frauen muskulöse, trainierte und keine schlaksigen, dünnen Männer. Ich fragte meine Freundin, ob das stimme, was mir die zwei Koreaner erzählt hatten. Sie bejahte: Ein guter Job und materielle Sicherheit seien für die meisten Koreanerinnen bei der Suche nach einem Mann äußerst wichtige Kriterien. Ihr persönlich sei am wichtigsten, dass er gütig, nett und freundlich ist. Beim Aussehen musste sie gestehen, dass auch sie große, breite und muskulöse Männer besonders attraktiv findet. Doch Männer würden nicht auf solche Frauen wie sie stehen. Sie hätten lieber süße, liebe, brave, sich hilflos gebende Frauen, die viel Wert auf ihr Äußeres legen, schlank und immer perfekt gestylt sind. Ich befand mich inmitten eines Kreuzfeuers von Stereotypen koreanischer Männer- und Frauenbilder.

Im Folgenden wird durch die Charakterisierung und die Analyse des Verhaltens der Haupt- und wich- tigsten Nebenfiguren in unterschiedlichen Beziehungen, auf die in den Filmen dargestellten Männer- und Frauenbilder eingegangen. Die Auswertung bleibt auf Menschen beschränkt. Rein animierte, maschinenhafte Gestalten (wie Transformers) werden in der Analyse nicht berücksichtigt, da sie als Maschinen grundsätzlich geschlechtlos und von ihrer physischen Konstitution her weder als Mann noch als Frau zu erkennen sind. Zwar sind einige Transformers mit bestimmten Eigenschaften ausge- stattet, die man als „typisch männlich“ bzw. „typisch weiblich“ charakterisieren könnte; aber wenn die Transformers anhand dieser Eigenschaften in männliche und weibliche eingeteilt werden, können diese Dispositionen nicht mehr als Indikatoren für geschlechterspezifische Eigenschaften oder Ver- haltensweisen herangezogen werden. In den folgenden Analysen werden nicht nur das Verhalten und die Handlungen in den dargestellten Beziehungsstrukturen betrachtet, sondern auch das äußere Erscheinungsbild der dargestellten Personen, weil „we know that through clothing people communi- cate some things about their persons, and at the collective level this results typically in locating them symbolically in some structured universe of status claims and life-style attachements.” (Davis 1992, S. 4.) Kleidung wird gerade in Filmen gezielt dazu verwendet, ein bestimmtes Frauen- bzw. Männerbild zu zeichnen und zu reproduzieren. Durch die Kleidung kann die Charakterisierung der dargestellten

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Person zusätzlich unterstrichen und Einzelheiten können betont werden. Aus diesem Grund ist die Kleidung besonders gut dazu geeignet, Geschlechterbilder zu analysieren. Die Bedeutung des Klei- dungsstils ist kontextabhängig, ihre Symbolik muss verstanden werden und kann sich je nach sozia- lem Status und nach sozialer Gruppe unterscheiden. Ein-und-dieselbe Art der Kleidung kann von ver- schiedenen Rezipient/innen bzw. in verschiedenen Kulturen unterschiedlich interpretiert werden. (Vgl. ebd., S. 8-12.) Diese Überlegungen beruhen auf der These, „that clothing’s meanings are cultur- al, in the same sense that everything about which common understandings can be presumed to exist […] is cultural.” (Ebd., S. 13.) Damit ist die Brücke zwischen Kleidung, Kultur und Geschlechterbildern geschlagen und wir können zu den konkreten Analysen übergehen. Vor allem bei den Auswertungen des äußeren Erscheinungsbildes von Personen werden zur besseren Orientierung Bildbeispiele be- reitgestellt.

4.4.1. Charakterisierung der Geschlechter

Obwohl Koreas Familien- und Gendernormen und -werte im Wandel begriffen sind, gilt die koreani- sche Gesellschaft in dieser Hinsicht immer noch als sehr konservativ und traditionell.

„The truth is that Korean family values are changing. But, when put in a global context, Korea still ap- pears to have one of the most traditional and conservative set of family values in the world. […] Con- temporary Korean Society is definitely moving away from conservative family values, and in the direc- tion of gender equality and progressive attitudes on various family values, including marriage and gen- der roles. But, for now, it is still premature to say that our family values are no longer traditional or con- servative.” (Eun 2008, S. 156.) Im internationalen Vergleich befand sich Korea im Jahr 2003 auf Platz 27 des Gender Development Index 26 , einem der schlechtesten unter den OECD-Ländern, im Jahr 2007 auf Platz 25, was immer noch einer der hintersten Plätze der OECD ist. 2003 lag Korea auf Platz 58 des Gender Empowerment Measure 27 , 2007 und auch 2010 auf Platz 61 von 109 Ländern (im Vergleich dazu befand sich die USA 2007 auf Platz 15). Diese Zahlen machen deutlich, dass der Fortschritt im Bereich der Geschlech- tergleichstellung langsam voran geht und dass Veränderungen nur in kleinen Schritten erfolgen. (Vgl. Lee On-jook 2008; Chae / Lee 2009; Lee Ji-yoon 2010; Human Development Reports hdr.undp.org/en/).

Erst mit dem Jahre 2008 wurde in Korea das Hoju-System, ein altes Familienregistrierungssystem, bei dem lediglich das männliche Familienoberhaupt als Person registriert wurde, während Kinder und Frauen nur mitregistriert wurden, durch ein neues Individualregistriersystem ersetzt, bei dem jede einzelne Person erfasst wird. Das Hoju-System erlaubte es, Frauen als Objekte zu betrachten, die von Männern besessen und bei Bedarf ausgetauscht werden können. (Vgl. Lee On-jook 2008 und Byun 2008.) Andererseits sehen sich Frauen durch die schnellen wirtschaftlichen Veränderungen, die zu- nehmende Urbanisierung und die damit zusammenhängenden rasanten sozialen Veränderungen immer mehr als selbständige, unabhängige Individuen.

26 Der Gender Development Index (GDI) gibt an, in welchem Ausmaß Männer und Frauen über die gleichen Fähigkeiten bzw. Möglichkeiten in einer Gesellschaft verfügen. 27 Der Gender Empowerment Measure (GEM) misst, in welchem Ausmaß Frauen an der ökonomischen und politischen Entscheidungsfindung aktiv teilhaben. 84

„Women of the new generation no longer see themselves as mothers and wives but as individuals. […] Young women, who are desperate to be different from their mother’s generation, have finally found an outlet in images. Young women now want to be psychocultural beings, not hardworking laborers like their mothers.” (Haejoang 2002, S. 187-188.) Daher ist es wenig verwunderlich, dass es starke Überschneidungen zwischen alten und neuen ge- sellschaftlichen Wertvorstellungen und große Unterschiede zwischen den Generationen gibt. Zudem ist es wenig erstaunlich, dass sich die gesellschaftlichen Wertvorstellungen erst langsam verändern und sich an gesetzliche Veränderungen anpassen bzw. umgekehrt. In koreanischen Filmen werden einerseits traditionelle Männer- und Frauenbilder beibehalten, andererseits wird mit ihnen gebro- chen und es werden neue oder sich im Wandel befindende Geschlechterbilder aufgegriffen.

Retter und Retterinnen – wie jemand beschützt werden muss

Ein erster Unterschied zwischen den in amerikanischen und in koreanischen Filmen dargestellten Geschlechterrollen lässt sich erkennen, wenn man sich ansieht, wer wessen Leben rettet. Während in den koreanischen Filmen Frauen gerettet werden müssen, um zu überleben, werden in den amerika- nischen Filmen die Frauen nicht nur gerettet oder beschützt, sie retten durch ihre eigenen Handlun- gen das Leben anderer oder spielen bei der Rettung eine wesentliche Rolle. Kurz: Während in den

amerikanischen Filmen die Frauen sowohl als Gerettete als auch als Retterinnen dargestellt werden, werden in den koreanischen Filmen die Frauen lediglich gerettet. Dies gilt aller- dings nur, wenn es um das rein physische Überleben geht. Bei der „emotionalen Ret- tung“ von Männern spielen Frauen in korea- nischen Filmen hingegen eine wesentliche Rolle. Durch Frauen werden koreanische Männer weicher und finden (wie in „ The Man from Nowhere “) zu ihrem Leben zurück oder werden (wie Hyeon-soo in „ Speedy Scandal “) erwachsener und emotional offener.

Betrachten wir zunächst die amerikanischen Filme, in denen nicht nur Männer Frauenle- ben, sondern auch Frauen Männerleben ret- ten. In „ Iron Man 2“ lindert Natalie/Natasha nicht nur Tonys Schmerzen, sie sorgt auch dafür, dass Rhodey, der in einem Iron-Man Anzug steckt, Tony nicht tötet, indem sie Rhodeys Anzug umprogrammiert. Um dies erledigen zu können, muss sie zunächst eini- ge Securities aus dem Weg räumen. Während sie sich den Weg freikämpft und zahlreiche Bilder „ Iron Man 2 “: Natascha rettet Tony vor Rhodeys pro- Sicherheitskräfte zur Strecke bringt, ist ihr grammiertem Anzug Chauffeur, der sie zur Zentrale gefahren hat, 85 mit dem Kampf gegen lediglich einen Security beschäftigt. Natalie/Natasha muss nicht beschützt werden, sie beschützt ihrerseits. Pepper hingegen muss von Tony vor dem Tod gerettet werden, dennoch rettet sie vorher das Leben anderer, da sie das Expo-Gelände nicht verlässt, bevor nicht alle Besucher vor Vankos Angriff in Sicherheit gebracht wurden. Auch in „Transformers – Revenge of the Fallen “ rettet Mikaela Sam vor dem Decepticon Alice.

Zudem trägt sie zur Lösung des Rätsels bei, in- dem sie einem Decepticon droht, dessen Auge auszubrennen. Im Gegenzug wird sie aber auch immer wieder von Sam beschützt. So hält er sie zum Beispiel bei der Flucht vor Feinden an der Hand und zieht sie hinter sich her oder er nimmt ihre Schultern, sieht sie eindringend an und ver- sichert ihr, dass alles gut wird. In „ Eclipse “ be- schützt nicht nur Edward Bella vor Viktoria, son- dern auch Bella rettet Edward, indem sie sich schneidet und die feindlichen Vampire durch ihr Blut ablenkt. Emotional reifen in den amerikani- schen Filmen sowohl die männlichen als auch die weiblichen Hauptcharaktere. Mikaela und Sam sind in „ Transformers – Revenge of the Fal- Bilder „Transformers- Revenge of the Fallen“: Sam beruhigt len “ zur gleichen Zeit bereit, sich einzugestehen Mikaela und hält sie an der Hand, um ihr bei der Flucht vor und auszusprechen, dass sie sich lieben. In „ Iron den Decepticons zu helfen Man 2 “ versucht Tony mit Pepper alles richtig zu machen und eine Beziehung zu führen; und Pepper lernt, Tony in die Schranken zu weisen und ihn weniger wie ein Kind und mehr wie einen Erwachsenen Mann zu behandeln. In „ Eclipse “ lernt Edward, Bella emotional loszulassen und Bella gesteht sich Gefühle ein, die sie bisher nicht zugelas- sen hatte. So reifen in den amerikanischen Filmen alle Hauptcharaktere in ihren emotionalen Schwä- chen.

Anders stellt sich dies in den koreanischen Filmen dar. Hier sind es ausschließlich Frauen, die vor dem Tod gerettet werden. In „ The Man from Nowhere “ muss das Leben eines kleinen Mädchens be- schützt werden. Im Gegenzug findet Tae-sik durch das Mädchen seine Gefühle wieder und kann sich emotional öffnen. Der starke, kontrollierte Mann, der Angst hat, Gefühle von Schwäche, Trauer und Liebe zuzulassen, da er fürchtet, daran zu zerbrechen, spiegelt das Männerbild der koreanischen Gesellschaft wider. „In the meanwhile it is a serious anxiety among men if they will look like pathetic failures or sissies, if they fail to stick to the norms of masculinity.” (Byun 2008, S. 190.) Mit diesem Bild wird am Ende des Films insofern gebrochen, als Tae-sik es schafft, seine Emotionen der Liebe und Sorge um So-mi zuzulassen und zu heulen. Tae-sik wirkt durch diese emotionale Öffnung nicht schwächer, sondern scheint emotional stärker als zuvor zu sein. Im Dialog der Abschlussszene wird dieser Eindruck noch einmal unterstrichen. Tae-sik versucht So-mi zu erklären, weshalb er sie emoti- onal nicht zu nahe an sich heranlassen konnte. Auf ihre Nachfrage, was dies bedeuten solle, sagt er, das wisse er selbst nicht. Anschließend bittet er sie um eine Umarmung. Tae-siks innere Wandlung wird durch die Veränderung seines Aussehens unterstrichen. Indem er sich im Laufe des Filmes die Haare kurz scheidet, sieht er männlicher aus, wird aber emotional am Ende weicher und verliert in-

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sgesamt nichts von seiner Männlich- keit. Die Angst, als schwacher Mann zu erscheinen, wird überwunden der harte, un-emotionale, rationale und n kühle Mann erhält eine weiche, lie- bende Facette hinzu. Am stärksten ist das Motiv, dass Frauen gerettet und beschützt wer- den müssen, im Film „Haeundae “ zu erkennen. Hyeong-sik rettet Hee-mi nicht nur einmal, sondern sogar zweimal. Das erste Mal nachdem sie aus eigener Tollpatschigkeit ins Was- ser gefallen ist und das zweite Mal vor der Riesenwelle, die auf Haeundae zurast. Zwar erkämpft sich Hee-mi selbst das Drahtseil, das sie in den Hubschrauber ziehen soll, jedoch Bilderreihe: Veränderung Tae-siks im Film „ The Man from Nowhere “ lediglich, um sich selbst in Sicherheit zu bringen. Professor Kims Ex-Frau wird von einem Handwerker aus dem mit Wasser gefüllten Aufzug und ihre Tochter wird von Profes- sor Kim gerettet. Dong-choo, ein Bewohner Haeundaes, wird, obwohl er nicht schwimmen kann, von einer älteren Frau ins Wasser geworfen, damit er einem kleinen Jungen, der zu ertrinken droht, hilft. Er wird sozusagen gezwungen den Retter zu spielen. Yeon-hees Versuch, ihren Verlobten Man-sik aus dem Wasser zu ziehen, scheitert hingegen, weil sie zu schwach ist. Als Man-sik vom Wasser davon gerissen wird packt sein Onkel den Davon-Treibenden an der Hand und bewahrt ihn vor dem Tod. Auch in diesem Film übernehmen Männer durch die Beziehung zu Frauen eine grö- ßere Verantwortung und reifen an der Beziehung mit der Frau. So gründet Man- sik eine Familie indem er Yeon-hee fragt, ob sie ihn heiraten will. Hyeong-sik, der Rettungsschwimmer, verliert durch hüb- sche Seouler Studentin ein wenig seine n Schüchternheit und wird in seinem Aus- druck klarer und sicherer. Professor Kim kümmert sich um seine Tochter und kann zeigen, dass ihm die Familie wichtiger ist als der Job. Auch in „ Haeundae “ wird – wie in „Speedy-Scandal“ – das gesell- schaftlich aktuelle Thema angesprochen, des Vater-Seins angesprochen. Denn in Korea wollen sich immer mehr Männer in die Familie einbringen und sich um ihre Kinder kümmern. Bilderreihe „Haeundae “: Rettung Man -siks durch seinen Onkel

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„Increasingly, more young fathers want to be involved in parenting. But, due to their long working hours and typical after-work drinks with colleagues, they have difficulty being the fathers they may wish to be. Some are brave enough to take time off from their jobs, using paternal leave, to fully care for their little ones. They know that child care is an exhaustive and very rewarding job. But they also know that the grandparents and colleagues and bosses do not feel comfortable with their decision. […] The young fa- thers who want to be seriously involved in rearing children realize that Korean society is not ready for men to take on the role. The proportion of fathers taking parental leave was only 0.5 percent between 2004 and 2006.” (Lee Mi-jeong 2008, S.182.) In „ Speedy-Scandal ” ist es ebenfalls ein Mann, nämlich Hyen-soo, der die größte emotionale Entwick- lung und Reifung erfährt und sich von einem unbekümmerten freien Bachelor zu einem sich sorgen- den, liebenden und verantwortungsvollen Vater entwickelt. Eine Lebensrettung kommt in diesem Film nicht vor. Hyen-soos Tochter ist die einzige, die vor einem Abtransport durch Securities befreit werden muss, was ihr Vater, indem er sich als dieser zu erkennen gibt, auch macht. Auch hier wird das Ideal des sich in die Familie einbringenden Vaters hochgehalten. Auch in der gesellschaftlichen Entwicklung Koreas macht sich diese Veränderung hin zu einer zunehmenden Mitsprache der Män- ner im Privat- Familienbereich bemerkbar. Durch die raschen gesellschaftlichen Wandlungen der letzten Jahre und Jahrzehnte (die Demokratisierung im Jahr 1987, die starke Urbanisierung, die ver- stärkte Arbeitstätigkeit von Frauen, die Individualisierung, die zunehmende Kritik an der patriarcha- len und autoritären Gesellschaftsstruktur usw.) hat die Autorität von Männern in der Öffentlichkeit merkbar abgenommen. Dafür lässt sich zunehmend die Forderung von Männern zur Mitsprache im Privatbereich ausmachen.

„The constant shifts in ideology, ethics and lifestyles cast these sluggish men as pitiable and lifeless be- ings, continually alienated and besieged from the public. This leads men to demand more attention at home and more domesticity from the women. This pattern reveals the profound difficulties in gender relations, in societies that underwent intense modernization throughout the twentieth century. […] The ‘shrinking authority‘ of also Korean men in the modern society ushers them to reassert their power in the domestic space. This pattern also demands that women idealize the notion of ‘feminine passitivity’ even in ‘modern’ domestic space. The inclination by men to spend more time with domestic affairs in the twentieth century did not necessarily achieve gender equality in domestic labor or encourage wom- en’s further participation in the public sphere, but it simply replaced the masculinity inside the home since its power was ceded beyond the domestic.” (Kim, Kyung Hyun 2005, S. 135-236.)

Während in den koreanischen Filmen ausschließlich Männer Frauen das Leben retten, lässt sich in amerikanischen Filmen auch der gegenteilige Fall beobachten. Reifen in den amerikanischen Filmen sowohl Mann als Frau in emotionaler Hinsicht, ist es in den koreanischen Filmen zunächst die Frau, die sich ihrer Gefühle sicher ist und weiß, was sie will. Der Mann muss hingegen einen emotionalen Reifungsprozess durchmachen und wird durch verschiedene äußere Umstände dazu gezwungen, Verantwortung zu übernehmen. Erst dann können sich die Frauen in die straken Hände der Männern fallen lassen und sich von ihnen beschützen lassen.

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„Tough Guy” und „Mama’s Boy” – „Coquettish Girl” und „Decided Women”

Männer weisen sowohl in koreanischen als auch in amerikanischen Filmen ein kindliches Verhalten auf. So werden sie entweder als kindlich-unbeholfen und schüchtern oder als trotzig und rebellisch dargestellt. Beide Männertypen benötigen eine Mutter, die auf sie achtet. Dieses Verhalten schwenkt sowohl in amerikanischen als auch koreanischen Filmen dann um, wenn die Männer ernsthaft ge- braucht werden und Verantwortung für andere übernehmen müssen.

In „ Iron Man 2 “ verhält sich Tony wie ein rebellischer Teenager. Er feierte exzessive Partys, nimmt an waghalsigen Autorennen teil, bricht aus der Villa aus, in die er eingesperrt wurde, und glaubt, er könne sich bei Pepper ohne weiteres mit Erdbeeren, auf die sie noch dazu allergisch ist, entschuldi- gen. Als er jedoch merkt, dass auch Pepper, die ihn immer mütterlich umsorgt und gepflegt hat, von ihm abwendet und er gebraucht wird, übernimmt er Verantwortung, rettet sich und die ihn umge- benden Menschen. Im Nachhinein fällt er jedoch teilweise wieder in das kindliche Verhalten zurück. Auch in „ Speedy Scandal “ wird der Protagonist Hyen-soo als trotziger Mann dargestellt, der mit allen Mitteln versucht, sich vor der Verantwortung als Vater zu drücken. Er will Tochter und Enkel davon überzeugen, dass es nicht gut für sie wäre, in der Großstadt zu leben, will beim Kartenspielen mit seinem Enkelsohn schummeln, da dieser immer gewinnt usw. Als jedoch der kleine Ki-dong wirklich in Gefahr ist und verschwindet, übernimmt Hyen-soo die Verantwortung für Tochter und Enkel. Im ersten Teil von „ Transformers “ wird Sam als unsicher und unbeholfen dargestellt, vergleichbar mit Hyong-sik in „ Haeundae“. In „ Transformers – Revenge of the Fallen “ lässt sich ein ähnliches Verhalten bei Sams Mitbewohner Leo feststellen; und auch bei Sam, als er von Alice angemacht wird. Ein weite- res Beispiel ist in „ Haeundae “ zu finden. Man-sik bietet seinem kleinen Sohn Alkohol an, zieht ihm aus Versehen einen Zahn usw. Erst als er um die Hand von Yeong-hee anhält, verhält er sich zum ersten Mal so, wie es von einem erwachsenen Mann und einem verantwortungsvollen Vater erwar- tet wird. Eine diesbezügliche Besonderheit der koreanischen Filme ist, dass auf der anderen Seite gerade jene Männer, die anfangs als stark und durchsetzungsfähig dargestellt werden, am Ende un- beholfen, schwach und rettungsbedürftig sind. In „ Haeundae “ ist etwa Joon-ha zunächst sehr selbst- sicher. Er droht dem schüchternen Rettungsschwimmer Hyeong-sik und schlägt ihn sogar zusammen. Am Ende dreht sich das Machtverhältnis und damit ihr Verhalten um: Hyeong-sik rettet dem verzwei- felten und ängstlichen Joon-ha das Leben und verliert dabei selbst sein Leben. Auch im Umgang mit Hee-mi, dem Mädchen aus Seoul, ist Hyeong-sik anfangs schüchtern, unbeholfen und ungeschickt. Bei ihrer Rettung wirft Hyeong-sik ihr eine Rettungsboje an den Kopf und schlägt ihr ein blaues Auge, weil sie sich im Wasser gegen ihn wehrt. Sie kommandiert ihn herum und es besteht kein Zweifel, wer von den beiden sagt, wo‘s langgeht. Dieses unsichere „Mama’s Boy“-Verhalten legt Hyeong-sik jedoch in dem Moment ab, in dem er glaubt, Hee-mi hätte ihn belogen. Er ist kalt, abweisend und direkt. In „ The Man from Nowhere “ zeigt Tae-sik, der starke, kontrollierte, gefühlskalte Mann, am Ende des Films eine weiche Seite.

Einen Gegensatz zum eher kindlichen Männertyp bilden Männer wie Edward („ Eclipse “) und Tae-sik („ The Man from Nowhere “), die das Leben ernsthafter und weniger spielerisch betrachten. Sie wirken gefährlich, sehr selbstkontrolliert und hart, vor allem zu sich selbst. Tae-sik ist durch seine Vergan- genheit und die Erinnerung an seine verstorbene Frau geplagt und – wie Edward – durch Selbstbe- herrschung gekennzeichnet. Man sieht, dass sich in dieser Hinsicht zwischen koreanischen und ame- rikanischen Filmen sowohl Ähnlichkeiten als auch Unterschiede ergeben.

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Anders steht es mit der Darstellung von Frauen. In koreanischen Filmen können Frauen, solange sie auf sich alleine gestellt und gezwungen sind, selbst über die Runden zu kommen, stark durchs Leben gehen. Jedoch sind sie auf der Suche nach einem Mann, in dessen Arme sie sich fallen lassen können, der sie beschützt und versorgt. In „Speedy Scandal “ richtet Jeong-nam sogar ihr Leben danach aus, die wichtigen Männer ihres Lebens – ihren Vater und den Vater ihres Kindes – zu finden. In „Haeundae “ versorgt sich Yeon-hee weitgehend selbst, zumindest versucht sie es, sie erhält jedoch immer wieder Hilfe von Man-sik und dessen Onkel. In dem Moment, in dem Man-sik ihr einen Hei- ratsantrag macht, wirkt Yeon-hee femininer und weicher, sie steht vor dem Spiegel, streicht sich über die Haare und betrachtet ihr Gesicht. Die Seouler Studentin Hee-mi ist bedrückt, verschüchtert und plötzlich schwach, nachdem Hyeong-sik sie zurückgewiesen hat. Alleinerziehende Frauen versagen in koreanischen Filmen in Erziehungsfragen. In „ The Man from Nowhere “ ist So-mis Mutter drogenab- hängig und kann sich nicht um ihre Tochter kümmern, weshalb diese oft bei Tae-sik ist. In „Haeundae “ übergibt die arbeitende Ex-Frau von Professor Kim, die einen guten Job hat und eine größere Veranstaltung organisiert, ihre kleine Tochter immer wieder in die Obhut eines Bekannten, der die Kleine prompt verliert. Die Tochter muss auf der Rettungswache abgeholt werden. Als die Welle auf Haeundae zurast ist die Kleine alleine im Hotelzimmer und auch hier ist es nicht die Mut- ter, die ihr Kind vor dem Tod bewahrt, sondern der Vater. Während es den alleinerziehenden Vätern in koreanischen Filmen trotz ihres kindlichen Verhaltens gelingt, ihre Kinder ohne schlimmere Zwi- schenfälle aufzuziehen, scheitern die alleinerziehenden Mütter trotz ihres verantwortungsvollen Verhaltens durchwegs an dieser Herausforderung. Dem starken Mann, der das Kind schon schaukelt, wird die von der Doppelbelastung überforderte Frau gegenübergestellt. Diese Doppelbelastung der Frau ist in Korea gegenwärtig ein hochaktuelles Thema. „It has begun to be understood that the dou- ble burden [work and family] tends to lead women to avoid marriage and giving birth. […] But for women of the younger generation, career is as important as marriage and babies.” (Lee Mi-jeong 2008, S.183.) Der Rückgang der Fertilitätsrate wird unter anderem als Folge dieser Doppelbelastung und der vermehrten Arbeitstätigkeit von Frauen angesehen. In den analysierten Filmen wird die Problematik der Doppelbelastung der Frau thematisiert und dabei ein traditionelles Geschlechterrol- lenbild aufrechterhalten, bei dem der Mann arbeitet und die Frau für Haushalt und Kinder verant- wortlich ist.

„The ideas and practices that define men as the principal income earner of the family justify men’s do- mestic authority and dominance in south Korean Society. This masculinized practice goes hand in hand with the normative construction of women as dependent housewives or, at best, as supplementary in- come earners.” (Moon 2002, S. 84.) Diese Idee der Geschlechterrollentrennung, die ihre Wurzeln in der stark männlich-autoritären Ge- sellschaftsstruktur Koreas hat, ist in der koreanischen Gesellschaft noch immer weit verbreitet.

„Within the family, they [women] are burdened by dual labor – work outside and household duties after work – and many are suffering from domestic violence. This may have to do with the deep-rooted au- thoritarian tendency in Korean society, together with the ‘gender lag’ phenomenon which contributes to a machismo culture.” (Lee On-jook 2008, S. 174.)

Dennoch gibt es Gegentrends: Viele junge, selbständige Frauen versuchen, einen eigenen Lebensstil zu entwickeln, der frei von männlicher Dominanz und weiblicher Unterordnung ist (vgl. Haejoang 2002, S. 190).

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In koreanischen Filmen wird mit dem Bild der hilflosen Frau und jenem des starken, beschützenden Mannes jedoch nicht gebrochen. Frauen sind genau solange stark wie sie es sein müssen. Bei den Männern ist es umgekehrt: Sie verhalten sich solange wie Kinder wie sie können und hören erst da- mit auf, wenn sie gezwungen werden, Verantwortung zu übernehmen.

„The streets of Seoul are filled with girlish women. Some look fragile, as if calling for protection. Women of this generation say that they want to be protected rather than to protect. Young girls who used to fa- vor gentle ‘mama’s boys’ now turn their backs on them. They are anxious to fall in love with `tough guys’ who look strong and even violent, […]. A pretty and coquettish girl, with a tiny, cute dog, beside a tough guy is part of this emergent new image.” (Haejoang 2002, S. 182.) Teilweise brechen die koreanischen Filme mit dem Image des „Tough Guys. In „Haeundae ” wirkt zum Beispiel Hyeong-sik unsicher und unbeholfen. Dennoch ist sein Beruf gefährlich und verlangt Kraft, Ausdauer und Mut – Eigenschaften, die dem Bild des starken Mannes entsprechen und dieses wiederum bestärken. Auch mit dem Bild des süßen Mädchens wird gebrochen. Yeon-hee ist eine selbstbewusste, arbeitende junge Frau, die sich sogar gegen Man-siks Mutter zur Wehr setzt. Trotz- dem lehnt sie sich am Ende an Man-siks Schulter und versucht alles, um diesem endlich zu verstehen zu geben, dass er um ihre Hand anhalten kann. Auch hier wird mit dem traditionellen Bild gespielt, um es letztlich zu verstärken.

Etwas anders sieht dies in den amerikanischen Filmen aus. Im Gegensatz zu den koreanischen Filmen gibt es hier durchaus Frauen, die ihr Leben nicht auf einen Mann ausrichten und denen während des Films kein Mann an die Seite gestellt wird. Natalie/Natasha („Iron Man 2“ ) ist zum Beispiel sehr femi- nin. Sie trägt Kleider und aufreizende Lederanzüge, flirtet ein wenig, zeigt aber kein Interesse an ei- nem Mann und schreibt als Agentin des Verteidigungsministeriums am Ende auch noch Tonys Beur- teilung. Sowohl auf amerikanische als auch auf koreanische Filme trifft zu, dass Frauen als ernster, erwachsener und weniger kindlich dargestellt werden als Männer. Sie sehen das Leben weniger als ein Spiel, sind entschlossener, wissen was bzw. wen sie wollen und werden in ihrer Entscheidung noch einmal auf die Probe gestellt. Sogar Hee-mi („Haeundae “), die Hyeong-sik beißt statt ihn wirk- lich zu küssen, macht trotz ihrer kokettierenden Art einen entschlossenen Eindruck. Sie weiß, dass sie Hyeong-sik als Partner haben will. Er ist hingegen anfangs mit ihrer offen gezeigten Zuneigung über- fordert. Während Frauen schon im Vorhinein wissen müssen, was sie wollen, haben Männer die Möglichkeit, sich dessen im Laufe des Films erst klar zu werden und dann zu entscheiden. Sogar Bella, die sich eingestehen muss, dass sie nicht nur Edward, sondern auch Jacob liebt, weiß, dass dies keine Rolle spielt, da sie Edward mehr liebt.

Der Kampf um die Frau oder den Mann

Widmet man sich der Entstehung bzw. Aufrechterhaltung der Liebesbeziehungen in den Filmen, kommen immer wieder Dreierkonstellationen vor, bei der sich eine Frau oder ein Mann zwischen zwei potentiellen Partner/innen entscheiden muss. Sowohl in koreanischen als auch in amerikani- schen Filmen wird die Beziehung zwischen zwei Personen, einem Mann und einer Frau, als „normale“ Beziehungsform dargestellt. Liebt man – wie Bella in „ Eclipse “ – zwei Männer, muss man sich für einen von ihnen entscheiden. Während in den koreanischen Filmen die Frauen nicht an ihrer Ent- scheidung für einen bestimmten Mann zweifeln und Männer gar nicht in die Situation kommen, von zwei Frauen begehrt zu werden, wird diese Entscheidung in amerikanischen Filmen sowohl bei Frau

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en als auch bei Männern durchaus thematisiert. Sam („Transformers – Revenge of the Fallen “) beteuert zwar immer wieder, dass er eine Freundin hat, trotzdem fühlt er sich von Alice angezogen. Und obwohl Bella („Eclipse“ ) weiß, dass sie Edward mehr liebt, bittet sie Jacob um einen Kuss. Gleichzeitig lässt sich ein weiterer Unterschied zwi- schen koreanischen und amerikanischen Filmen festma- chen. Während in den koreanischen Filmen ausschließlich Frauen von mehreren Männern begehrt werden, gibt es in den analysierten amerikanischen Filmen auch Dreierkons- tellationen, an denen zwei Frauen und ein Mann beteiligt sind. In „ Transformers – Revenge of the Fallen “ wird Sam von Alice, einem Decepticon in Mädchengestalt, verführt. Bilder „Transformers- Revenge of the Fallen“: Sie küssen sich und er betrügt Mikaela. Im Gegenzug be- Sam wird von zwei Frauen begehrt zeichnet das Decepticon Wheelie Mikaela als Kriegsgöttin und schmiegt sich an ihr Bein. Der eifersüchtige Sam stößt Wheelie weg. In „ Iron Man 2“ stellt Tony, nachdem er Pepper zur Geschäftsführerin seines Konzerns gemacht hat, eine sehr gut aussehende Juristin als Privatsekretärin ein, woraufhin Pepper ihn als berechnend bezeichnet. In einigen Szenen flirtet Tony mit der Neuen. Die Frauen kämpfen nicht hinter dem Rücken der Männer um sie, oder verbreiten Gerüchte, sondern zeigen offen ihre Eifersucht. In „ Eclipse “ ist es die Frau, die zwischen zwei Männern steht und sich zwischen ihnen entscheiden muss. Bella muss sich die Liebe zu Jacob eingestehen, was aber nichts an ihrer Entscheidung für Edward ändert.

In Korea herrscht noch immer die Vorstellung vor, dass Frauen jene sind, die begehrt wer- den, um die man kämpfen und die man gewin- nen kann. Diese Vorstellung degradiert Frauen zu einem Objekt, das man erobern und im An- schluss daran besitzen kann. Daher ziehen die Männer alle Register, um das zu bekommen, was sie wollen.

„This very primitive idea, that a wife is one of her husband’s possessions and not an inde- pendent human being, still exists among highly educated couples in modern Korean society. In short, female sexuality, especially a wife’s sexu- ality, appears as an object to be acquired, pos- sessed, dominated, and conquered.” (Lee So- Hee 2002, S. 146.) Anders als in den amerikanischen Filmen wird der Kampf zwischen den Männern in koreani- schen Filmen nicht vor der Frau, sondern hin- Bilder „ Haeundae “: Joon-ha „Bad Boy“ (schwarzer Anzug) ter ihrem Rücken ausgetragen. Durch Drohun- droht, verbreitet falsche Gerüchte und verprügelt Hyeong-sik gen und das Verbreiten falscher Gerüchte, „Mama’s Boy“ (gestreiftes Polo-Shirt), damit er das Mädchen durch die der Konkurrent das Gesicht verliert, seiner Wahl kriegt. wird versucht, die Frau für sich zu gewinnen 92 bzw. dafür zu sorgen, dass entweder der Nebenbuhler aufgibt oder die Umworbene sich gegen die- sen entscheidet. Die direkte Konfrontation zwischen den Verliebten findet kaum bzw. nur in Situatio- nen statt, in denen kein Weg daran vorbeiführt. In „ Haeundae “ konkurrieren Hyeong-sik und Joon-ha um Hee-mi. Joon-ha bedroht Hyeong-sik und behauptet, er und Hee-mi seien ein Paar seien. Hyeong- sik findet kurz vor seinem Tod heraus, dass Joon-ha ihn belogen hat. Auch Yeon-hee, die Besitzerin des Straßenlokales in Haeundae, wird nicht nur von Man-sik, sondern auch von Dong-choo, einem anderen in Haeundae lebenden Mann, geliebt. Dong-choo erzählt ihr, als er von ihrer bevorstehen- den Verlobung erfährt, aus Eifersucht von Man-siks Mitschuld am Tod ihres Vaters, wodurch er die Verlobung zunächst verhindern kann. Auch die Ex-Frau Professor Kims hat einen männlichen Freund aus den USA mit nach Korea gebracht, der auf ihre Tochter aufpasst. Als er die Tochter verliert, stellt Professor Kim wütend die Partnerwahl seiner Exfrau in Frage. In „ Speedy Scandal “ wird ein Skandal losgetreten, da Jeong-nams Freund ihren Vater fälschlicherweise für ihren Geliebten hält. Das Auffal- lende in all diesen Geschichten ist, dass die Frauen von Anfang an wissen, welchen der beiden Män- ner sie zu ihrem Zukünftigen machen wollen und kei- neswegs an der ihrer Entscheidung zweifeln. Obwohl die Frauen die Männer über ihre Entscheidung nicht im Un- klaren lassen, kämpfen die Männer weiter. Sie bedrohen sich gegenseitig und/oder verbreiten Gerüchte, sodass es kurzzeitig gelingt, einen Keil zwischen die Frau und ihren auserwählten Mann zu treiben. Durch das Verhal- ten der Männer werden die Urteilskraft und die Ent- scheidung der Frau in Frage und auf die Probe gestellt. Dennoch hat die Frau ihren eigenen Kopf, weiß genau wen sie will und sucht sich ihren Mann selbst aus. Aber durch die Kämpfe zwischen den Männern kann diese Entscheidung auf die Probe gestellt werden. Die Kontra- henten buhlen um die Anerkennung der Frau, ohne da- bei auf Fairness oder darauf zu achten, dass sie damit auch der Frau wehtun könnten. Das Verhalten der Män- ner ist in diesem Zusammenhang sehr individualistisch und selbstverliebt, das Eigeninteresse steht im Vorder- grund.

In den amerikanischen Filmen ist dies etwas anders. Edward („Eclipse“ ) lässt Bella gehen. Er ist zwar eifer- süchtig und verletzt, gibt sie aber immer wieder aus den Händen und versucht, als selbstloser Held ihre Wünsche zu akzeptieren. Jacob hingegen ist einer jener Männer, die als heißblütig und kämpferisch dargestellt werden. Er versucht mit allen Mitteln, Bella davon zu überzeugen, dass er die bessere Wahl ist. Anders als in den koreani- schen Filmen geschieht dies nicht durch die Verbreitung von Gerüchten oder Lügen, sondern durch das Zur- Schau-Stellen der eigenen Vorzüge, um die Umworbene Bilderreihe „Eclipse“: Kampf um Bella, offene von sich zu überzeugen und den Kontrahenten abzu- gegen-seitige Provokation von Edward und Jacob schrecken oder zu provozieren. Jacob zeigt Bella zum 93

Beispiel seinen nackten durchtrainierten Oberkörper demonstrativ vor Edward; im Gegenzug gibt Edward Bella wiederum in Anwesenheit Jacobs einen langen, intensiven Kuss. Edward, der frei von Eigeninteresse handelt, auf Bellas Wohl achtet und ihre Entscheidung akzeptiert, hat am Ende schließlich auch Bella zur Verlobten.

Insgesamt fällt auf, dass Männerfreundschaften sowohl in den amerikanischen als auch in den kore- anischen Filmen eine zentrale Bedeutung zukommt. Die besten Freunde von Männern sind – sowohl in den koreanischen als auch in amerikanischen Filmen – Männer; sei es Rhodey in „ Iron-Man 2 “, Seo-mon in „ The Man from Nowhere “ oder Chang-hoo in „ Speedy Scandal “. Auch die Feinde oder Rivalen dieser Männer sind wiederum Männer, egal ob es sich um den Kampf um ein Mädchen, einen Anzug oder um die Befreiung eines kleinen Kindes handelt: die Hauptrivalen sind Männer. Die einzige Ausnahme ist die Vampirfrau Victoria in „Eclipse “, die wegen dem Tod ihres Gefährten Rache üben will. Insgesamt kann gesagt werden, dass in den analysierten Filmen eine Tendenz dazu besteht, mehr Männer als Frauen darzustellen. Außer in „ Eclipse “ sind die Hauptfiguren aller analysierten Filme männlich; auch bei den handelnden Nebenfiguren ist ein männlicher Überhang festzustellen.

(K)Ein Kuss – Worte oder Taten sprechen

In den amerikanischen Filmen wird Liebe mit einem Kuss besiegelt. In den koreanischen Filmen ist hingegen kein typischer romanti- scher Filmkuss auf den Mund zwischen Mann und Frau zu sehen. In „ Haeundae “ beißt Hee- mi Hyeong-sik statt ihn wirklich zu küssen; und weder in „ Speedy Scandal “ noch in

Bild „Haeundae “: Kusszene zwischen Hee-mi und Hyeong-sik „Haeundae “ küssen sich frisch Verliebte oder Paare, die wieder zusammengefunden ha- ben, innig auf den Mund. Auch hier spiegeln sich gesellschaftliche Handlungsnormen und -tabus wi- der. In Korea küsst man sich nicht öffentlich, man lässt andere das Küssen nicht sehen. (vgl. Oak / Martin 2006, S. 146-153). Auch in den Filmen ist diese starke Trennung zwischen privater und öffent- licher Welt festzustellen. Ein ausgiebiger, langer Kuss ist zu privat, um auf der Leinwand gezeigt zu werden. Auch in koreanischen Fernsehserien werden kaum Küsse dargestellt. Jene Küsse, die in Film oder Fernsehen zu sehen sind, sind meist wenig erotisch. Sie sehen eher aufgedrückt aus oder wer- den, beispielsweise durch einen Biss, lediglich angedeutet. In den USA ist es hingegen Gang und Gä- be, sich in der Öffentlichkeit zu küssen. Daher sind innige und erotische Küsse auch in Filmen keine Seltenheit.

Betrachtet man genauer, wann und wie Gefühle zum Ausdruck gebracht werden, fällt auf, dass in den koreanischen Filmen Worte den Taten vorausgehen, während dies in den amerikanischen Filmen genau umgekehrt ist. Sehen wir uns zunächst die koreanischen Filme genauer an. Hier lässt der Mann Taten sprechen, nachdem die Frau ihn dazu aufgefordert hat. In „ Haeundae“ sagt Yeon-hee ihrem Auserwählten, dass sie ihn liebt, indem sie zum Grab ihres Vaters spricht. Sie gesteht ihrem toten Vater, dass sie Man-sik, der hinter ihr steht, sehr gerne hat, dass dieser ihre Andeutungen aber nicht versteht. Daraufhin macht Man-sik ihr einen Heiratsantrag. Auch Hee-mi gesteht Hyeong-sik, dass er

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süß aussieht, sagt aber gleich, dass er sich nichts darauf einbilden soll. Hyeong-sik verliebt sich in sie und schenkt ihr eine Uhr. In „ Speedy Scan- dal “ sagt Jeong-nam dem Vater ihres Kindes, von dem sie getrennt lebt, dass er endlich ihre Hand nehmen soll, woraufhin sie dieser küsst. Auch Hyen-soo wird von der Kindergartendirektorin direkt auf sein Verhalten angesprochen. Sie rät ihm, anstatt seinen Enkelsohn vorzuschicken, sie selbst zu fragen, was sie mag. Nachdem Hyen- soo dies gemacht hat, spielt er für die Kindergar- tendirektorin auf der Gitarre und singt dazu. Von n koreanischen Männern wird erwartet, dass sie Bilder „ Speedy Scandal “: Hyen-soo singt für Jo Mo, nachdem sie ihm durch einen Blick zu verstehen gibt was sie mag den ersten Schritt in Form von Taten machen. Sie sollen die Führung übernehmen. „In particu- lar they are expected to take a leading role in sexual relationships, to give pleasure to women, or to take responsibility for all sexual interactions. Men are neither allowed to voice disappointment nor identify their own femininity.” (Byun 2008, S. 190.) Durch die Handlung des Mannes wird die Liebe besiegelt. Aber die Frauen sorgen dafür, dass diese Taten auch stattfinden, indem sie den Männern zunächst ihre Liebe gestehen und dann auf deren Taten warten. Die Männer ihrerseits machen genau das, was die Frauen von ihnen erwarten. Im Gegensatz dazu folgen in amerikanischen Filmen eher Worte den Taten. Ganz charakteristisch ist dies in „ Transformers – Revenge of the Fallen “, wo es im ganzen Film darum geht, dass Sam und Mikaela, die bereits ein Liebespaar sind, die Worte: „Ich liebe dich“, aussprechen. In „ Iron Man 2 “ küssen sich Pepper und Tony, sagen jedoch nicht, dass sie sich lieben. In „ Eclipse “ gesteht Jacob zwar Bella zunächst seine Liebe, küsst sie daraufhin aber, obwohl sie ihn abweist. Werden die Worte der Liebe in amerikanischen Filmen ausgesprochen, sind den Worten schon Taten vorausgegangen.

4.4.2. „Boyish Girls” und „Girly Guys” – Mode in Filmen

Werfen wir abschließend einen Blick auf das Aussehen von Männern und Frauen. Besonders in Korea haben sich in den letzten Jahren die Mode und das äußere Erscheinungsbild von jungen Frauen dras- tisch verändert. Schönheitsoperationen, Diäten, Make-up, High-Heels, Markenkleidung und Designer- Täschchen stehen auf der Tagesordnung. Einerseits will sich die junge Frauengeneration von ihren Müttern abgrenzen. Viele junge Koreanerinnen sehen sich nicht mehr als Mütter und Hausfrauen, sonders als selbständige Individuen. Sie wollen als Personen und nicht nur als schwer und hart arbei- tende Individuen wahrgenommen werden. Andererseits waren es gerade die Mütter dieser Frauen- generation, die ihre Töchter dazu ermutigt haben, nach einem luxuriösen Leben zu streben, sich ko- kett zu kleiden und zu verhalten und sich Augen- und Nasenoperationen zu unterziehen. (Vgl. Haejo- ang 2002, S. 165-196.)

„The increased interaction between men and women, and the images propagated through the mass media, are producing young women who have a constant yearning to be sexy and attrac- tive. […] Discovering their subjectivity away from their mothers and the weight of history,

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young women literally remade their faces with heavy makeup, plastic surgery, and sessions in private beauty schools. Campuses and streets became filled with model-like women with bright red lips and high heels. Some were hunting for men but many claimed they were just looking for self-satisfaction. This is the advent narcissism. The phenomenon is noteworthy for the suddenness with which nearly every young woman has become extremely self-conscious about her looks.” (Ebd., S. 183.) Das Aussehen ist zu einem der wichtigsten Dinge im Leben koreanischer Frauen geworden. Vor allem für die Arbeitssuche wird Frauen geraten, sich schön und schlank zu halten, da dies die Jobchancen erhöht. Vor allem jungen Frauen ist das Aussehen häufig wichtiger als die Fähigkeiten für eine Anstel- lung. Gleichzeitig erhalten viele Koreanerinnen als Matura- bzw. Abitur-Geschenk eine Schönheits- operation, um sich ein (europäisches) Schlupflid machen zu lassen oder die Nase (ebenfalls europä- isch) zu erhöhen.

Mit dieser Obsession in Bezug auf das Ausse- hen wird in den koreanischen Filmen teilweise gebrochen. So sind weder Yeon-hee in „Haeundae “ noch Jeong-nam in „ Speedy Scandal “ zunächst besonders elegant, luxuriös oder schön gekleidet. Aber auch in dieser Hin- sicht findet im Film ein Wandel statt. Im Hin- blick auf die Veränderung des Aussehens im Laufe des Films kann man einen Unterschied zwischen koreanischen und amerikanischen Filmen ausmachen. Je mehr sich eine Frau in einem koreanischen Film auf einen Mann ver- lassen kann, desto weiblicher, eleganter und

Bilder „ Speedy Scandal “ Veränderung Jeong-nams Kleidungs- stils figurbetonter wird sie dargestellt. Die Diagnose der Anthropologin Cho Haejoang über die koreanischen Geschlechterbilder trifft auch auf die analysierten Fil- me zu. „Women exist for men’s everyday living and to cater to the male ego. Modernity, understood as the birth of the individual, is for male gender, while mo- dernity, understood in status and materialistic display, is for female gender.” (Ebd., S. 188.) Trägt Jeong-nam in „ Speedy Scandal “ anfangs noch rosarote, kindliche Turnschuhe und alte, sehr bunte kindlich anmutende Kleidung, steht sie am Ende in einem schönen teuren Kleid und hochhackigen Schuhen da. In „ Haeundae “

n trägt Yeon-hee, die zu Beginn Arbeitskleidung und ein Bilderreihe „Transformers- Revenge of the Fallen“ : weites T-Shirt trägt, am Ende aber eine weiße Bluse, Veränderung Mikaelas Kleidungstils 96 obwohl sie mit Aufräumarbeiten beschäftigt ist. Die Wichtigkeit des Aussehens wird dadurch in den Filmen erneut betont und unterstrichen. In den amerikanischen Filmen lässt sich entweder keine oder eine genau umgekehrte Veränderung der Kleidung ausmachen. In Transformers - Revenge of the Fallen “ hat Mikaela zunächst noch Hotpants und ein kurzes Shirt und später ein weißes Kleid und High-heels an, während sie am Ende knielange verdreckte Hosen und ein einfaches Trägertop trägt. In „ Iron Man 2 “ läuft Natalie/Natasha zuerst noch mit Kleidern und Röcken, trägt dann am Ende des Films jedoch einen Lederoverall. Ihre Weiblichkeit ist zwar deutlich erkennbar, dennoch ist die Klei- dung praktisch, sodass sie sich verteidigen und weglaufen kann. Bella ist in „ Eclipse “ mit ihren Jeans, Holzfäller-Hemden, T-Shirts, Kapuzenpullis, dicken Jacken und ihrer Mütze weniger figurbetont als dem kalten Wetter entsprechend gekleidet. Sie ändert diesen Kleidungsstil auch nicht. Im Vergleich

zu den koreanischen Frauen kann man bei den in den amerikanischen Filmen dargestellten Frauen von einem relativ praktischen, teilweise männli- chem Kleidungsstil oder einem sexuell freizügi- gen, aufreizendem Stil, bei dem viel Haut gezeigt wird sprechen.

Frauen in koreanischen Filmen tragen häufig Kleider oder Röcke, eventuell kurze knielange Hosen. Die Frauenkleidung ist zwar sehr feminin, jedoch ist sie weniger aufreizend und sexuell verrucht angehaucht als jene in Filmen der USA. In den amerikanischen Filmen werden die Frauen häufiger in sehr enger, kurzer, weit ausgeschnit- tener und nicht schulterbedeckender Kleidung gezeigt, sodass viel weibliche Haut sichtbar wird. Mikaela trägt in „ Transformers – Revenge of the Fallen “ Hot Pants und ein sehr kurzes Top, das es erlaubt ihren nackten Bauch und Rücken zu se- hen bzw. einen engen Motorradlederanzug, der ihre weibliche Figur betont. Natalie/Natasha wird in „ Iron Man 2 “ auf einem Foto kurz in Unterwä- sche gezeigt und trägt am Ende, wie Mikaela, einen Lederoverall. In den koreanischen Filmen sind die Kleidung und/oder die Accessoires der Frauen durch süße Elemente, wie Blümchen oder Schleifen, und durch helle, teilweise pastellene Farben wie rosa oder hellblau gekennzeichnet. T- Shirts und Tops sind länger und weiter geschnit- ten, Rücken oder Bauch wird dabei nicht sicht- bar. Dadurch wird eine andere Art der Weiblich- keit dargestellt. Die Frauen in den koreanischen Filmen wirken süßer, braver, lieblicher und mäd- chenhafter. Sind die Frauen in den amerikani- Bilder „ Haeundae “ (Bild 1-4) und „ Speedy Scandal “ (Bild 5- schen Filmen teilweise verrucht und gefährlich- 6): Mädchenartige Mode in den koreanischen Filmen sexy, wirken die Frauen in den koreanischen 97

Filmen süß, brav, lieblich und mädchenhaft-sexy. Neben diesen beiden Stilen lässt sich noch jener der arbeitenden Businessfrau, die sich in Anzug mit Rock oder einfachem, eleganten Kleid mit wenig Ausschnitt zeigt, identifizieren. Allerdings ist in den amerikanischen Filmen auch die Busi- nessmode etwas gewagter, während sie in den koreanischen Filmen neutraler ist.

Noch deutlicher als bei den Frauen sind die Unter- schiede bei den Männern. Koreanische Männer legen relativ viel Wert auf ihr Äußeres. Nicht sel- ten kann man in einer U-Bahnstation Männer beobachten, die sich vor einem Spiegel oder einer spiegelnden Metallfläche die Haare zurechtzup- fen. Auch die Statistiken des KOSSDA (Korean Social Science Data Archive) zeigen, dass Männer und Frauen so gut wie gleich viel Zeit für die tägli- n che persönliche Pflege aufbringen (vgl. kossda 2009).

Sowohl in amerikanischen als auch in koreani- schen Filmen werden Männer im Anzug oder lege- rer Kleidung wie Jeans und T-Shirt oder einfachem Pullover dargestellt. Öfter als in den amerikani- schen Filmen tragen Männer in den koreanischen Filmen Hemden und Polo-Shirts. In amerikani- schen Filmen lässt sich der Oberkörper der Män- ner durch die Kleidung hindurch stärker erahnen, da sie häufiger ärmellose T-Shirts tragen (außer- dem werden sie häufiger mit nacktem Oberkörper gezeigt). In „ Eclipse “ steht Jacob mit entblößtem Oberkörper an das Auto gelehnt vor Edward und Bella. Auch die anderen Wölfe tragen ihre Ober- körper frei zur Schau. In „ Iron Man 2 “ wird Tonys Bilder „ Iron Man 2 “; „ Transformers – Revenge of the Fal- len“; „Eclipse”: Darstellungen von Frauen in US-Filmen Feind Vanko ständig mit nacktem Oberkörper gezeigt, ansonsten trägt er ein weißes Tanker-Top. Tony hingegen wird in Anzug, Rennanzug oder schwarzem Tanker-Oberteil gezeigt. Die Darstellung der Männer in amerikanischen Filmen ist muskelbetonter und die Männer erscheinen allgemein als roher und ungeschliffener als in den koreanischen Filmen. Die Männermode in koreanischen Filmen ist hingegen weitaus metrosexueller als in amerikanischen Filmen. Hyen-soo trägt in „ Speedy Scan- dal “ neben Anzügen Hüte, beige- und pastellfarbene Hosen, die oberhalb des Knöchels enden, und dazu sehr flache Schuhe. In „ Haeundae “ trägt Joon-ha Kleidung mit tiefem V-Ausschnitt, die vor allem für gefährliche und attraktive Männer mit „Bad Boy“-Image kennzeichnend sind. So trägt auch einer der Drogenbosse in „ The Man from Nowhere“ sein Hemd weit aufgeknöpft. Diese tiefen V- Ausschnitte kommen in amerikanischen Filmen nicht vor.

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In koreanischen Filmen tragen auch Männer Muster und Farben, die in den USA oder in Europa als weib- lich gelten – wie etwa beige, rosa oder hellblau. Durch die Farben wird die Kleidung weiblicher bzw. metrosexueller. Neben Hyen-soo, der in „ Speedy Scandal “ die schon erwähnten beigefarbenen Ho- sen und den Hut trägt, ist hier Hyeong-sik („ Haeundae “) zu nennen, dessen hellblaues Polos- hirt sein Image des netten Jungen, des „Cute Guys“, unterstreicht. Auch das Tragen schwarzer, dick- wandiger Brillen und weiter Pullover mit langen Ärmeln ist typisch für die Männerdarstellungen in koreanischen Filmen. Allerdings sind die soeben erwähnten Trends und Unterschiede nicht nur in den Filmen festzustellen, sondern sie spiegeln die jeweiligen modischen Trends und die diesbezügli- chen gesellschaftlichen Konventionen der beiden Länder. Die Standardfarben für Männerkleidung sind sowohl in amerikanischen als auch in koreani- schen Filmen Schwarz und Weiß. Vor allem dunkle Farben wie Schwarz oder die Kombination zwischen

„Speedy Scandal “ (Bild 1-6), „Haeundae“ (Bild 8-11): Metrosexuelle Kleidung –Pastellfarben rosa, hellblau; Trendfarben schwarz und weiß; Hemden, Jaketts, Polo- Shirts Schwarz und Weiß gilt als Kennzeichen von ge- fährlichen, zwielichtigen, etwas unheimlichen Personen. Ein Unterschied lässt sich darin erken- nen, dass die sogenannten „Though Guys“ in Bilder: „ Speedy Scandal“ (links); „Haeundae“ (mitte) ; „The koreanischen Filmen oft in schwarzem Hemd und Man from Nowhere“ (rechts): Trendfarbe schwarz in schwarzer Anzugshose dargestellt werden. In koreanischen Filmen „The Man from Nowhere “ kämpft Tae-sik im schwarzen Anzug gegen den Drogenring an. Auch die

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Mitarbeiter des Drogenrings sind mit schwarzen Anzü- gen bekleidet oder tragen anstelle eines Jacketts eine Lederjacke.

In „ Haeundae “ hat Joon-ha, als er den Rettungs- schwimmer zusammenschlägt, ebenfalls ein schwarzes Hemd und eine schwarze Anzugshose an. In amerikani-

schen Filmen tragen die Personen, die in einen Kampf verwickelt sind, keine Anzüge, außer es sind Anzüge, die ihnen spezielle Fähigkeiten verleihen (wie etwa Tonys

Bilder: „ Eclipse“ (oben); „Transformers- Revenge of the Fallen“ (mitte) ; „Iron Man2“ (unten): Trendfarbe schwarz in amerikanischen Filmen

Iron-Man-Anzug). Sie werden zwar auch in dunklen Farben, aber in schwarzem T-Shirt, Kapuzenpulli oder dunklen Jacken mit hoch- gestelltem Kragen gezeigt.

Da die Mode in amerikanischen Filmen „männlicher“ ist als in koreanischen, ist es möglich, dass sich auch Frauen „männlicher“ kleiden. In koreanischen Filmen ermöglicht hingegen die „weiblichere“, mädchenhaftere Kleidung der Frauen den Männern, weibli- chere, metrosexuellere Kleidung zu tragen. Meiner Einschätzung nach bleibt der Unter- schied zwischen Männer- und Frauenmode in beiden Kulturen erhalten. Der zentrale n Bilder „ Iron Man 2 “; „ Transformers – Revenge of the Fallen“; Unterschied ist, dass in den amerikanischen „Eclipse”: Darstellungen von Männern in amerikanischen Filmen

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Filmen Frauen männliche Elemente in ihren Kleidungsstil aufnehmen, während in den koreanischen Filmen die Männer weibliche Stilelemente in ihren Modestil einbauen. Nicht nur Frauen, sondern auch koreanische Männern legen viel Wert auf ihr Aussehen, es kommt nicht selten vor, dass auch Männern geschminkt oder mit lackierten bzw. poliert Fingernägel zu sehen sind. Abgetragene, zerris- sene Kleidung, Personen mit Raster, echten Tätowierungen oder bunt gefärbte Haaren sind auf den Straßen Koreas kaum zu sehen, während dies in den USA und Europa keine Seltenheit ist. Was Tätowierung in Korea betrifft, sind diese oft aufgeklebt, um passend für einen Abend im Club gekleidet zu sein, sie gelten jedoch als unschicklich im Alltag und werden dafür wieder abgenommen. Nur für bestimmte Berufsgruppen, wie DJ’s, Pop- und TV-Stars, sind tätowierte Körper in Ordnung. Das Be- dacht sein auf die Wirkung und das Erschei- nen nach außen, kann mit der noch immer sehr autoritären und kollektivistischen Kultur n zusammenhängen. In dieser ist das Aussche- Bilder „ Iron Man 2 “ (Bild 1-3); „ Eclipse “ (Bild 4) : Darstellung ren, das Auffallen, Anders- und Individuell- nackter Oberkörper mit Tätowierungen Sein mit einem möglichen Gesichtsverlust, Schamgefühlen und Ängsten vor der Gruppe verbunden. Zusätzlich muss bedacht werden, dass die ganze Gruppe (z.B. die Familie) durch ein negatives Bild nach außen, in ein schlechtes Licht geraten kann. Dadurch wird auch von außen Druck darauf ausgeübt sich an gesellschaftliche Werte und Nor- men zu halten und diese aufrechtzuerhalten. Gleichzeit kommen vor allem jüngere Leute, stärker mit Individualismus und der westlichen Lebensweise in Kontakt und kosten diese auf ihre Art aus, so findet man in Clubs Jugendliche und junge Erwachsene mit individuellen, aber abnehmbare Tätowie- rungen. Diese lassen Jugendlich erstens Teil der Clubgesellschaft werden, wo sie schwarz geschminkt in schwarz, weißer Kleidung mit Tätowierungen wenig auffallen, zweitens unterscheiden sie sich an diesem Abend von der Mode tagsüber und können ihre individuellen Stile verfolgen und drittens wird ihr alltägliches Leben nicht beeinflussen, da Kleidung gewechselt werden kann und die Tätowie- rungen nicht von permanenter dauer sind. Wieso sich der Modestil koreanischer Männer in eine aus westlicher Sich weiblichere Richtung bewegt, liegt meiner These nach einerseits daran, dass relativ viel Wert auf das Aussehen, das tadellose Auftreten und Schönheit gelegt wird. Andererseits lässt sich auch im Westen, den USA und Europa, ein Trend hin zu metrosexueller Mode beobachten, dabei nehmen Koreaner/innen neue Trends in Bereich von Mode, Design und Technik sehr schnell auf und passen sich ihnen an. Wie sich dies genau entwickelt hat, worauf es zurückführbar ist und wie sich globale Trends widerspiegeln bedürfte genauerer Untersuchungen.

Es lassen sich, auch im Bereich der Kleidung Unterschiede zwischen koreanischen und amerikani- schen Filmdarstellungen von Männern und Frauen finden, die wesentlich in der Kultur verankert sind. Andererseits kann man auch Ähnlichkeiten zwischen ihnen ausmachen, die auf Ähnlichkeiten der gesellschaftlich-kulturellen Entwicklung und auf Globalisierungstendenzen zurückzuführen sind. Trotzdem halten sich wesentliche traditionelle kulturelle Wertvorstellungen, Konventionen und Ver- haltensweisen, andere dieser werden durch neue ersetzt, ergänzt, verändert oder angepasst.

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5. „Before Sunset“ – Fazit

Meine Zeit in Korea war das zweite Mal zu Ende. Ich befand mich am Flughafen, hatte den Check-In hinter mir und Zeit, über die vergangenen drei Wochen nachzudenken. Die Bilder der Kinosäle er- schienen in meinem Kopf, der Geruch des Popcorns stieg in meine Nase, ich erinnerte mich an die breiten Kinosessel bei Pressescreenings, an die Sitzsäcke im VIP-Bereich, in denen ich unterschiedlichs- te Leute nach einem Filmmarathon schlafend vorgefunden hatte und an die ausgetrunkenen Kaffee- becher auf den Tischen, die stehengeblieben waren, weil die Besitzer zur nächsten Filmvorstellung aufgebrochen waren. Ich sah auf die Landebahn, beobachtete die startenden Flugzeuge und erinnerte mich an das Klatschen, das nach jedem Film im Kinosaal ertönt war. Ich selbst hatte mit den anderen Kinobesuchern mit applaudiert. Es war das Signal, dass der Film zu Ende war, nach und nach lösten sich die Menschen von der Leinwandwelt, standen langsam auf und strömten in Scharen aus dem Saal. Andere Zuschauer hatten schon vor dem Saal auf den nächsten Film gewartet, auch sie würden am Ende klatschen, langsam den Blick von der Leinwand wenden und sich Schritt für Schritt in die „richtige“ Welt zurückbegeben. Unterschiedlich würden die Filme nachwirken, kritisiert, bewundert oder gelobt werden. Mein Gate wurde aufgerufen, auch für mich war die Zeit hier zu Ende, es war an der Zeit mich wieder in meine Kultur, an meinen Studienort zu begeben und zu beenden, was ich an- gefangen hatte. Ich war um eine Erfahrung reicher, hatte einen weiteren Einblick in die koreanische Kultur erhalten und die Möglichkeit bekommen, Fragen zu stellen. Während ich auf das Boarden war- tete begann ich mich mit einem jungen koreanischen Feuerwehrmann zu unterhalten, der mit einer koreanischen Reisegruppe auf dem Weg nach Europa war. Von einer ihm unbekannten mitreisenden Frau mittleren Alters war er gebeten worden, sich um ihr Gepäck zu kümmern d.h. er checkte es ein, trug und verstaute es. Es sei in Korea einfach so, man müsse Ältere respektieren, ihnen behilflich sein und ihre Bitten erfüllen, selbst wenn man lieber was anderes machen würde. Man müsse sich anpas- sen. Auch wenn er seinen Reise- und Zimmergenossen unsympathisch fand und dieser unangenehm roch, würde er es aushalten und der Reiseleitung nichts sagen. „It’s Korean Culture“ war seine Erklä- rung. Aber nicht immer werden gesellschaftlich-kulturelle Regeln eingehalten, auch das hatte ich er- fahren. Manchmal werden sie gebrochen, verändert oder kurzzeitig aufgehoben. Ich lächelte und dachte daran, wie mich ein männlicher koreanischer Freund in einem öffentlichen Lokal umarmt hat- te. Ohne zu zögern war er nach einem Jahr auf mich zugekommen und hatte mich, eine Frau, in einem Café umarmt. Er hatte seinen Gefühlen Ausdruck verliehen, ohne dabei an gesellschaftliche Konven- tionen zu denken. Sind es nicht gerade die Ausnahmen, die die Regeln der Kultur bestätigen?

Die zentrale Fragestellung dieser Arbeit war: Wie zeigen sich Kollektivismus bzw. Individualismus und Geschlechterbilder in südkoreanischen und US-amerikanischen Filmen in der Darstellung der Hauptcharaktere und ihrer Beziehungsstrukturen?

Die Filmauswertung konzentrierte sich auf der kulturtheoretischen Basis der pragmatistischen Le- benswelttheorie von Ilja Srubar vor allem auf Handlungen in Beziehungsstrukturen, die einerseits im Hinblick auf die Kulturdimensionen Individualismus / Kollektivismus und andererseits im Hinblick auf die Geschlechterdarstellungen ausgewertet wurden. Dabei wurden die im Film beobachteten Bezie- hungsstrukturen und Verhaltensweisen sowie deren Veränderungen jenen in der Realgesellschaft gegenübergestellt. Die Filmauswahl erfolgte auf der Basis von John Fiskes Theorie des Populären und auf Überlegungen aus den Cultural Studies. Die Tatsache, dass die Filmauswertung mithilfe eines Sequenzprotokolls durchgeführt wurde, machte es möglich, sowohl einzelne Details als auch Struktu- ren des Filmgeschehens und der Beziehungsstrukturen zu erkennen. 102

Wie sich gezeigt hat, eignet sich die Untersuchung von Handlungs- und Verhaltensweisen in Bezie- hungsstrukturen, gesellschaftliche Normen und Konventionen zu analysieren. Dies ist darauf zurück- zuführen, dass sich kulturelle Eigenheiten, aber auch gesellschaftliche Problemlagen und Wand- lungsprozesse in den Filmen widerspiegeln. Daher lassen sich kulturelle Unterschiede in den Filmen sehr gut herausfiltern und beobachten. Auf diese Weise lässt sich nicht nur erkennen, wo eine Ge- sellschaft steht und in welche Richtung sie sich entwickeln könnte, sondern auch, welche zukünftigen Entwicklungen oder Alternativen als erstrebenswert angesehen werden. Dies lässt sich besonders gut in den Widersprüchen innerhalb eines Films, aber auch zwischen filmischer und nicht-filmischer Welt feststellen; etwa wenn es um die Auflösung traditioneller Geschlechterrollen, Familien- und Partner- schaftsformen oder um die Privatsphäre, die Chancen von Frauen und die Erwartungen an alleiner- ziehende Väter geht.

Zusammenfassend lassen sich folgende Unterschiede und Ähnlichkeiten zwischen US-amerikanischen und koreanischen Filmen feststellen. Die Kulturdimensionen Kollektivismus / Individualismus spiegeln sich in den filmischen Darstellungen wider – wenn auch teilweise erst auf den zweiten Blick. Dies zeigt sich vor allem bei den unterschiedlichen Beziehungsstrukturen. So sind etwa Liebesbeziehungen sowohl in den koreanischen als auch in den amerikanischen Filmen frei gewählt, sie entstehen aus freiem Willen und werden auch aus freien Stücken aufrechterhalten. Die detaillierte Analyse der Beziehungsstrukturen macht jedoch deutlich, dass Liebesbeziehungen in den koreanischen Filmen zwar nicht von Dritten erzwungen sind, aber durch gewisse Geschehnisse, Beziehungskonstellationen oder Gefühle (meist Schuldgefühle) von außen bestimmt werden. In den amerikanischen Filmen ent- stehen Liebesbeziehungen hingegen nicht wegen, sondern trotz bestimmter äußerer Erwartungen und Umstände. Sie werden gerade durch das gemeinsame Überstehen von Widerständen, Krisen und Gefahren gefestigt. Freundschaftsbeziehungen spielen in den koreanischen Filmen eine größere Rolle als in den amerikanischen. In den koreanischen Filmen sind Freunde jene Instanz, an die sich die Pro- tagonist/innen mit ihren Problemen wenden. Die amerikanischen Filmheld/innen versuchen hinge- gen, ihre Probleme im Alleingang zu lösen und halten diese häufig sogar vor Freund/innen geheim. Ähnliches gilt für familiäre Beziehungen. Während in den analysierten koreanischen Filmen die Fami- liengründung und die Einheit der Familie eine wesentliche Rolle spielen, geht es in den amerikani- schen Filmen eher um die Stabilisierung einer Zweierbeziehung. Auch hinsichtlich der Thematisierung von Feindbildern und -beziehungen lassen sich eindeutige Unterschiede zwischen koreanischen und amerikanischen Filmen beobachten. Anders als in den koreanischen Filmen tauchen in den Holly- wood-Filmen immer wieder aktuelle Feindbilder aus der nicht-filmischen Welt (wie etwa Nordkorea, China, Afghanistan, Iran oder der Irak) auf. Auch wenn sich im Laufe des Films herausstellt, dass sich diese Staaten im konkreten Fall nicht „feindlich“ verhalten oder wenn sie sowohl in der filmischen als auch in der nicht-filmischen Wirklichkeit längst nicht mehr zu den Feinden der USA zählen (wie etwa Russland), werden sie doch als potentielle Angreifer genannt. In den koreanischen Filmen fehlt dieses Motiv (auch im Falle Nordkorea) ebenso wie die Selbststilisierung zum Retter der ganzen Welt.

Auch in den Geschlechterdarstellungen lassen sich Unterschiede zwischen koreanischen und ameri- kanischen Filmen feststellen. Dies gilt zunächst für die äußere Erscheinung von Männern und Frauen. In den koreanischen Filmen werden Frauen als lieblicher, braver und mädchenhafter dargestellt als in den amerikanischen Filmen, wo sie gefährlicher und sexuell verruchter gezeichnet werden. Der Klei- dungsstil von Männern hingegen ist in den koreanischen Filmen – aus westlicher Sicht – metrosexuel- ler und eleganter als in den amerikanischen Filmen, in denen Männer rauer dargestellt werden. Trotzdem bleibt der Unterschied zwischen Männer- und Frauenmode in beiden Ländern erhalten.

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Zwar ist in koreanische Filmen die Männermode – aus europäischer Sicht – „weiblicher“ als in ameri- kanischen Filmen, aber auch die Frauenmode ist „weiblicher“ und mädchenhafter (oder weniger „männlich“). Gleichzeitig ist in den amerikanischen Filmen nicht nur die Frauen-, sondern auch die Männermode „männlicher“ (oder weniger „weiblich“) als in koreanischen Filmen. Anders als in kore- anischen sind in den amerikanischen Filmen Frauen häufig in legerer Kleidung, wie Holzfäller- Hemden und Kapuzenpullovern, zu sehen. Auch in dieser Hinsicht spiegeln sich reale gesellschaftlich- kulturelle Unterschiede wider. Ein weiterer Punkt, in dem sich Unterschiede zwischen den Geschlech- terbildern in amerikanischen und koreanischen Filmen beobachten lassen, sind Verhaltensweisen in Beziehungen zwischen Mann und Frau. In koreanischen Filmen sind es die Frauen, die begehrt und umworben werden müssen. Dabei liegt es am Mann, die erste konkrete Handlung zu setzen – meist, nachdem die Umworbene ihm ihre Liebe gestanden hat. In amerikanischen Filmen übernehmen auch Frauen die Initiative. Dabei gehen meist Handlungen, wie Küsse und Umarmungen, einem Liebesge- ständnis voraus. Anders als in koreanischen Filmen stehen die Worte „ich liebe dich“ in amerikani- schen Filmen immer mit einer intimen körperlichen Handlung in Verbindung. Darüber hinaus ist inte- ressant, dass die Frauen in koreanischen Filmen nur so lange selbständig und stark sind, wie sie müs- sen – und zwar sowohl in privater als auch in beruflicher Hinsicht. Sobald sie einen Mann gefunden haben, lassen sie sich bis zu einem gewissen Grad „fallen“ und erfreuen sich der neuen wirtschaftli- chen Sicherheit. Auch wenn sie ihren Job, ihre Interessen und Engagements nicht aufgeben, wird ihr Leben durch die Partnerschaft zumindest erleichtert. Insgesamt nimmt die Partnersuche in koreani- schen Filmen eine zentrale Rolle ein. Dabei wird es sowohl für Männer als auch für Frauen als erstre- benswert dargestellt, eine Partnerin bzw. einen Partner zu finden. Dieses Motiv ist in amerikanischen Filmen kaum zu beobachten. Weder das Leben der Männer noch jenes der Frauen ist hauptsächlich darauf ausgelegt, einen Partner bzw. eine Partnerin zu finden; und manche Frauen stehen am Ende des Films alleine da. Männer hingegen verhalten sich solange wie Kinder, bis sie von anderen Perso- nen oder von äußeren Situationen dazu gezwungen werden, Verantwortung zu übernehmen.

Zusammenfassend kann gesagt werden, dass es tatsächlich Unterschiede zwischen Filmen aus indivi- dualistischen und kollektivistischen Kulturen gibt, die sich in den jeweiligen Werthaltungen und Handlungen in Beziehungsstrukturen sowie in den Geschlechterbildern ausdrücken. Abschließend sei noch einmal betont, dass diese Ausführungen nicht auf alle Frauen- und Männerdarstellungen bzw. Beziehungsstrukturen in allen Filmen zutreffen, sondern dass es sich hierbei um Tendenzen handelt. Außerdem sind diese Interpretationen weder universell gültig noch vollständig. Vielmehr sollen sie einen speziellen Blickwinkel auf die Filme, die Filmrealitäten und deren gesellschaftlich-kulturelle Kontexte bieten, die es erlauben, bestimmte gesellschaftliche Strukturen, sei es nun in der filmischen oder der nicht-filmischen Realität, zu betrachten. Dabei konnte festgestellt werden, dass sich histo- risch und gesellschaftlich verankerte Strukturen auch in modernen hochaktuellen Medien wiederfin- den lassen und über kulturelle Zusammenhänge, aktuelle gesellschaftliche Themen, Probleme, Wandlungen und Wünsche Aufschluss geben. Filme eignen sich daher nicht nur als Material zur Ana- lyse einer Gesellschaft, sondern auch als Vergleichsmedium verschiedener Kulturen und Gesellschaf- ten. Sie zeigen die Gesellschaft eines Landes und deren Sicht anderer Länder und Kulturen. Gleichzei- tig sind sie selbst ein Produkt, entstanden und rezipiert in einer bestimmten kulturellen und gesell- schaftlichen Umgebung. Diese Arbeit ist der Versuch, sich soziologisch einem Feld zu nähern, in dem noch viele Untersuchungen und Forschungen möglich sind.

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6. „Black Book“ – Literatur- und Filmverzeichnis

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