Schattendorf 1927
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begleitband kern 21.02.2007 9:49 Uhr Seite 1 INHALTSVERZEICHNIS Vorwort Kulturlandesrat Helmut Bieler . 4 Einleitung . 5 Pia Bayer Konsens und Konflikt I Burgenländische Landespolitik 1922–1927. 6 Dieter Szorger Demokratie am Wendepunkt I Die Wehrverbände . 12 I Der Republikanische Schutzbund . 16 I Die Frontkämpfervereinigung . 22 I Die Heimwehrbewegung . 27 Pia Bayer, Dieter Szorger Schattendorf 1927 I Schattendorf am Vorabend des 30. Jänner 1927 . 30 I Das Ereignis von Schattendorf und die politischen Folgen. 32 Pia Bayer, Dieter Szorger Biografien I Josef Grössing . 47 I Matthias Csmarits . 48 I Josef Tscharmann . 49 I Hieronymus Tscharmann . 51 I Johann Pinter. 52 Zeittafel 1921–1927. 54 Literaturverzeichnis. 56 Danksagung . 58 begleitband kern 21.02.2007 9:49 Uhr Seite 2 VORWORT Sehr geehrte Damen und Herren! ie „Schüsse von Schattendorf“ tischen Kontrahenten, die dann im Bür- stehen in der burgenländischen gerkrieg des Jahres 1934 gipfelten. Dund österreichischen Geschichte Wenn wir heute, 80 Jahre nach den für den Beginn des Scheiterns eines erst „Schüssen von Schattendorf“, der Opfer jungen Demokratisierungsprozesses in der von damals gedenken, rufen wir uns nicht Ersten Republik. Die triste wirtschaftliche nur die Vorgänge in der Ersten Republik in Lage führte zu einer Radikalisierung und Erinnerung, sondern wollen auch jene po- in weiterer Folge auch Militarisierung der sitive politische Entwicklung sehen, die politischen Lager. Am Ende dieser Ent- unser Land nach 1945 stark gemacht hat: wicklung standen zwei aufeinanderfol- Ein Miteinander der Parteien nach demo- gende diktatorische Regime, die der jun- kratischen Grundsätzen, den Aufbau eines gen Demokratie in Österreich ein jähes sozialen Netzes sowie die Austragung un- Ende setzten. terschiedlicher Standpunkte im Dialog. Das Ereignis von Schattendorf und Die Ereignisse von Schattendorf sollen der Brand des Justizpalastes symbolisie- uns daher stets als mahnendes Beispiel die- ren heute noch die vermehrte Gewalt- nen, dass Toleranz, Gesprächsbereitschaft bereitschaft in der Gesellschaft durch und das Akzeptieren anderer Meinungen paramilitärische Verbände und eine ge- Grundlagen einer demokratischen Gesell- waltsame Auseinandersetzung von poli- schaft sein müssen. Helmut Bieler Kulturlandesrat 4 begleitband kern 21.02.2007 9:49 Uhr Seite 3 EINLEITUNG as tragische Ereignis von Schatten- „Privatarmeen“ blieben nicht aus. Die Kon- dorf vom 30. Jänner 1927 leitete in- flikte wurden zahlreicher und heftiger und er- Ddirekt jene Radikalisierung der reichten ihren ersten tragischen Höhepunkt österreichischen Innenpolitik ein, an deren am 30. Jänner 1927 in Schattendorf, als bei Ende die Abschaffung der parlamentari- einer Auseinandersetzung zwischen Front- schen Demokratie und die Auflösung der kämpfern und Schutzbündlern auf sozialde- Parteien standen. mokratischer Seite der Klingenbacher Schutz- bündler Matthias Csmarits und der sechsjäh- Im Burgenländischen Landtag herrschte rige Josef Grössing erschossen wurden. zwischen Sozialdemokaten und Christlich- sozialen darüber Konsens, keine Wehrfor- Als ein Geschworenengericht die ver- mationen zu gründen. Konflikte sollten mit meintlichen Todesschützen am 14. Juli Worten und nicht mit Waffen ausgetragen 1927 freisprach, kam es in Wien zu heftigen werden. Diese Vereinbarung hielt bis Massendemonstrationen und am 15. Juli 1925/26 als die Frontkämpfervereinigung zum Justizpalastbrand. Die blutigen Aus- damit begann, in den Bezirken Eisenstadt, schreitungen forderten letztendlich 89 Tote Mattersburg und Oberpullendorf Ortsgrup- und über 600 Verletzte. pen zu gründen. Dem folgte der planmäßige Aufbau des Republikanischen Schutzbundes. Österreich stand am Rande eines Bürger- Reibereien und erste Schlägereien dieser krieges. 5 begleitband kern 21.02.2007 9:49 Uhr Seite 4 KONSENS UND KONFLIKT „Ernster Wille, Schaffensfreude und Begeisterung für das öffentliche Wohl wir- ken zu wollen, sind die Voraussetzungen für eine gedeihliche Zusammenarbeit. Das burgenländische Volk muß auch zur Erkenntnis gelangen, daß politische Gegnerschaft nicht Feindschaft bedeutet, daß wir trotz gegensätzlicher An- schauungen nebeneinander leben müssen und daß dieses Leben für uns alle nur dann erträglich wird, wenn jeder die Rechte seines Mitmenschen achtet, wenn niemand in der Ausübung seiner Rechte gestört und wenn auch bei Meinungs- verschiedenheiten ein mittlerer Weg gefunden wird, der auch für den politi- schen Gegner gangbar ist.“ (aus der Antrittsrede von Landeshauptmann Josef Rauhofer am 4.1.1924, Stenographisches Protokoll) BURGENLÄNDISCHE LANDESPOLITIK 1922–1927 m 1. Jänner 1922 fand die Land- zialdemokraten, 10 für die Christlichsozia- werdung des Burgenlandes mit len, 6 für den Bauernbund und 4 Mandate Ader Übergabe des Ödenburger für die Großdeutsche Volkspartei. Abstimmungsgebietes an Ungarn (bis auf Die ersten Wahlen im Burgenland spie- kleine Grenzkorrekturen) ihren Abschluss. gelten deutlich die politische Struktur des Am 18. Juni 1922 erfolgte die erste Land- Landes wider: Die Sozialdemokratische Ar- tagswahl im Burgenland und diese brachte beiterpartei rekrutierte den Großteil ihrer einige Überraschungen: Die Sozialdemo- Wähler aus den Wanderarbeiterorten des kraten erreichten 38,1% der Stimmen und nördlichen Burgenlandes. Darüber hinaus wurden damit stärkste Fraktion im Land- war es ihr gelungen, auch viele Landarbei- tag, während die Christlichsozialen mit ter der Gutshöfe, Kleinbauern und Klein- 31,2% nur den zweiten Platz errangen. pächter, die wirtschaftlich und gesellschaft- Der Sieg der Sozialdemokraten war ge- lich nicht besser gestellt waren als die Ar- nauso überraschend wie das gute Ab- beiter, für sich zu gewinnen. schneiden des Burgenländischen Bauern- Das mittlere Burgenland (Bezirk Ober- bundes, der mit 17,1% deutlich die Groß- pullendorf) teilte sich in zwei politische deutsche Volkspartei mit 12,8% überflü- Landschaften – in die sozialdemokrati- gelte. Umgemünzt auf die Mandatsvertei- schen Dörfer des nördlichen Stoobtales lung bedeutete dies 13 Mandate für die So- und des Beckens von Deutschkreutz – die 6 begleitband kern 21.02.2007 9:49 Uhr Seite 5 KONSENS UND KONFLIKT vorwiegend Wanderarbeiter bewohnten, Während es auf Bundesebene Dr. Ignaz sowie in den konservativen Süden und Seipel gelungen war, eine Koalition von Westen des Bezirkes, wo vor allem bäuerli- Christlichsozialen und Großdeutschen zu che Strukturen vorherrschten. bilden (im Mai 1922 und damit am Höhe- Die drei südlichen Bezirke waren über- punkt des burgenländischen Wahlkamp- wiegend konservativ, wobei aber nicht die fes), gelang es dem sozialdemokratischen Christlichsoziale Partei, sondern der Bau- Parteiführer Ludwig Leser, im Burgenland ernbund die stärkste Partei stellte. eine bürgerliche Koalition zu verhindern. Die Kroaten – rund 15% der burgenlän- Am 19. Juli 1922 konstituierte sich die ers- dischen Bevölkerung – wählten nicht ein- te Regierung des Burgenlandes als Konzen- heitlich eine Partei, sondern waren in zwei trationsregierung. Landeshauptmann wur- Lager gespalten: Während jene des mittle- de der parteiunabhängige bisherige Landes- ren und südlichen Burgenlandes dem verwalter Dr. Alfred Rausnitz. christlichsozialen Lager angehörten, hatten sich ihre nördlichen Volksgenossen der So- Zu den heikelsten Problemen, die es um- zialdemokratie angeschlossen. gehend zu lösen galt, zählte die Schulfrage. Foto: Burgenländisches Landesmuseum Die erste burgenländische Landesregierung (1922-1923) Stehend (von links nach rechts): LR Viktor Voit (BBd), er folgte am 30.1.1923 LR Gustav Walter, LR Dr. Alfred Walheim (GdP), LAD Dr. Hugo Reissig, LR Alfred Ratz (CsP), LR Ernst Hoffenreich (SdP). Sitzend (von links nach rechts): LH-Stv. Franz Stesgal (CsP), LH Dr. Alfred Rausnitz (parteilos), LH-Stv. Ludwig Leser (SdP). 7 begleitband kern 21.02.2007 9:49 Uhr Seite 6 KONSENS UND KONFLIKT Foto: Burgenländisches Landesmuseum Die erste burgen- ländische Land- tagssitzung in einem Vortrags- saal der heutigen Martinskaserne, 15. Juli 1922. Im Unterschied zu Österreich, wo seit dem gert wurde, konnte im Juli 1923 durchge- Reichsvolksschulgesetz von 1867 der Staat bracht werden. Der Schulstreit blieb nach für die Schule verantwortlich war und im wie vor brisant und war indirekt auch die Wesentlichen deren Lerninhalte be- Ursache für den Sturz des Landeshaupt- stimmte, standen die Schulen in Ungarn mannes Rausnitz, der in dieser Angelegen- bis auf geringe Ausnahmen unter der Auf- heit immer mehr zur Christlichsozialen sicht der Kirche, insbesondere unter jener Partei tendierte. Zum unmittelbaren Anlass der katholischen. Diese Zustände waren für den Sturz von Rausnitz wurde seine für die Sozialdemokratische Arbeiterpartei Haltung in der Landeshauptstadtfrage, in sowohl ideologisch als auch machtpolitisch der sich dieser für das „Wiener Neustadt unerträglich – das „klerikale Monopol“ auf Projekt“ exponierte. Dieses sah vor, die Bildung sollte ein für alle mal gebrochen alte Theresianische Akademie aus der übri- werden. Der „Angriff“ auf das Schulgesetz gen Stadt herauszulösen und zum burgen- erfolgte aber nicht von sozialdemokrati- ländischen Regierungssitz zu machen – ein scher Seite selbst, sondern wurde vom Plan, den man Rausnitz ankreidete. Schulreferenten und großdeutschen Abge- Um einem Misstrauensantrag zu ent- ordneten Dr. Alfred Walheim eingebracht. gehen, demissionierte Rausnitz selbst am Der Antrag wurde auch von den Bauern- 14. Juli 1923. Dieser Rücktritt erfolgte in bündlern unterstützt. Mit dieser Mehrheit der gleichen Landtagssitzung, in der die