SCHICKSAL DER BURGENLANDROMA Mit Blick Auf Mattersburg
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SCHICKSAL DER BURGENLANDROMA mit Blick auf Mattersburg Anna Mayer-Benedek SKANDINAVIEN FINNLAND 1584 n. Chr. 1515 n. Chr. WANDERBEWEGUNG DER SINTI UND ROMA BRITISCHE INSELN 1440 n. Chr. POLEN 1509 n. Chr. DEUTSCHLAND 1407 n. Chr. BÖHMEN 1399 n. CHR. SERBIEN 1348 n. Chr. SPANIEN GRIECHENLAND 1425 n. Chr. 1320 n. Chr. BYZANZ 855 n. Chr. PERSIEN 750 n. Chr. VON INDIEN WOHER SIE KAMEN as Ursprungsland der Maria Theresia versuchte die „drohm“ (Sanskrit) war Roma und Sinti 1763 zur Sess- Indien. Dort lebten sie haftigkeit zu zwingen, Wagen Dals Kaste der Spielleute mit einge- und Zugpferde wurden konfis- schränkten Berufsmöglichkeiten. ziert. 1773 verfügte Josef II, der Drei Subkasten kamen im Laufe Sohn von Maria Theresia. einen jahrhundertelanger Wanderbewe- Erlass, durch den die „Zigeun- gungen in das Gebiet des heutigen erkinder“ über fünf Jahren ih- Österreich: Roma, Sinti und Lovara. ren Eltern weggenommen und den Bauern und Handwerkern Zwischen dem 5. und 9. Jahrhun- zur „Erziehung“ übergeben dert verließen die Vorfahren der wurden. Zusätzlich durften die Roma ihre ursprüngliche Heimat Roma ihre traditionelle Klei- und siedelten im persischen, spä- dung nicht tragen und ihre ter im armenischen und schließlich Sprache nicht mehr sprechen! im 10. - 11. Jahrhundert im griechi- Im 16. und 17. Jahrhundert kamen Viele Roma flohen vor diesen grau- schen Gebiet des Byzantinischen Roma im Dienste des türkischen samen Maßnahmen, sie versteckten Reichs. Sie verließen das Land aus Heeres als Musiker, Waffen- und sich, um ihre Kinder zu retten, und ökonomischen und sozialen Grün- Hufschmiede nach Ungarn. Nach gingen wieder auf die Wanderschaft. den, wegen klimatischer Katastro- Abzug der Türken blieben viele im phen, aber auch wegen politischer Lande. In Westungarn führten sie Nach dem Tod von Josef II wurde und religiöser Konflikte. Die Men- ein halbnomadisches Leben. Im die Politik gegenüber den sesshaf- schen haben sich auf ihren Wande- Winter blieben sie an einem Platz ten Roma weniger rigoros und es rungen längere Zeit - oft auch über in einfachsten Behausungen und im folgten 150 Jahre einer teils sym- mehrere Generationen - im Iran, in Sommer zogen sie von Ort zu Ort biotischen Beziehung zwischen Armenien und im Byzantinischen und boten den Bauern ihre Dienst- den „Zigeunern“ und den Gadsche Reich aufgehalten. leistungen und Produkte an. (Nicht-Roma). 2 DIE SPRACHE DER ROMA m 18. Jahrhundert erkann- ten Sprachwissenschaft- ler die Zugehörigkeit der Džanes romanes? Sprache der Roma, des ROMANES I jevend gadžemišto zur indischen Sprachgruppe. Das manuš Romanes oder Romani gehört wie buti viele europäische Sprachen (z.B. kalo Deutsch, Englisch, Italienisch) zur bango indoeuropäischen Sprachenfamilie. DAND halls Die Verwandtschaft mit neu-indi- schen Sprachen wie Panjabi, Hindi KALO und Urdu zeigt sich im Wortschatz, drakh jevend in der Grammatik und im Laut- bestand. Anhand der Lehnwörter gadže Jipen Du hal miro jevend konnten die Migrationsbewegun- kalo šukar RUKH gen der Roma von Indien nach MANUŠmišto Europa nachvollzogen werden. Ro- manes, wurde von den jeweiligen Kontaktsprachen (Persisch, Arme- ŠUKARmanuš RAT nisch, Griechisch) stark beeinflusst. jevend Zum späten Lehngut zählen Wörter Sepeči dand aus dem Neugriechischen, Slawi- džal Kalderaš schen, Ungarischen und Deutschen. dem die Roma ausgesetzt sind, In Nord- und Westeuropa wer- ging der Gebrauch des Roman den verschiedenen Sinti-Sprachen auch innerhalb der Volksgrup- gesprochen, wogegen die Roma- pe zurück. Um dem drohen- ni-Sprachen in Zentral- und Süd- den Sprachtod und dem damit europas sehr stark von den sie um- verbundenen Identitätsverlust gebenden Sprachen wie Albanisch entgegenzuwirken, startete der und Türkisch auf dem Balkan, sowie Obmann vom „Verein Roma von Rumänisch, Ungarisch und an- Oberwart“, Emmerich Gärt- deren slawischen Sprachen beein- ner-Horvath, zusammen mit flusst wurden. dem Institut für Sprachwissen- schaft an der Universität Graz Romanes ist daher eine sehr hetero- und in engem Kontakt mit der gene Sprache mit unterschiedlichen Volksgruppe ein Projekt zur Dialekten, die seit Jahrhunderten Verschriftlichung und Erstellung ausschließlich mündlich tradiert von Text- und Lehrmaterialien. wird. Die Verschriftlichung begann erst im 19. Jahrhundert. Seit September 1999 wird der Roman-Sprachunterricht erst- Fundierten Schätzungen zufolge le- Bis vor einigen Jahren war das mals an einer öffentlichen Schule, ben in Europa 8–12 Millionen Roma, Roman, die Sprache der Roma im der Volkschule Oberwart, angebo- von denen ungefähr 6–10 Millionen Burgenland, eine kaum bekann- ten. Die Kinder erwerben auf spie- Romani sprechen. Verlässliche Zah- te Minderheitensprache. Infolge lerische Weise Grundkenntnisse des len liegen aber nicht vor. des starken Assimilationsdrucks, Roman. 3 WIE SIE LEBTEN Romasiedlung in Oberwart, vor 1931 „Zigeunerklasse“ in Stegersbach, 1930er Jahre „Zigeunerbanda“, vor 1938 Rutensesselflechter, 1934 eit den 17. Jahrhundert sind Roma und Sinti auf Die Lebensbedingungen der Burgenlandroma ver- dem Gebiet des heutigen Österreich beheima- schlechterten sich im 20. Jahrhundert nach der Überga- tet. Die am längsten ansässige Gruppe bilden be Westungarns an Österreich. Durch Mechanisierung, Sdie Burgenland-Roma. Industrialisierung und Rationalisierung der Wirtschaft wurden sie nach und nach ihrer Lebensgrundlage als Die Roma spezialisierten sich in Marktnischen und fan- zum Teil wandernde Handwerker, Musiker und Händler den als Scherenschleifer, Ruten- und Sesselerzeuger, beraubt und als Gelegenheitsarbeiter an den untersten Korbflechter, Besen- und Bürstenbilder, Pinselerzeuger, Rand der sozialen Hierarchie gedrängt. In der Krise ver- Kesselflicker, Rastelbinder, Schmiede und Musikanten loren sie meist auch diese Gelegenheitsarbeiten. Die Be- ihr Auskommen. Die Frauen konnten die von ihnen ge- hörden machten ihnen das Leben schwer: Sie mussten sammelten Kräuter, Beeren, Blumen und Pilze sowie Papiere einer österreichischen Gemeinde vorweisen, die aus Tierfetten hergestellten Medikamente verkau- hatten sie nur gültige ungarische Reisepässe wurden fen und verdingten sich auch als Wahrsagerinnen. Die sie aus Österreich abgeschoben. 1924 wurde ein „Fest- im 19. Jahrhundert zugewanderten Lovara waren meist setzungserlass“ beschlossen, der die Burgenland-Roma Pferdehändler mit Niederlassungen im Seewinkel. Um am Verlassen ihrer Dörfer hinderte und die Ausübung die Mitte des 19. Jahrhunderts kamen auch die ersten des ohnehin kaum mehr möglichen Wandergewerbes Sinti aus Böhmen und Bayern nach Österreich. endgültig unterband. Die Bauern nahmen die Dienste und Waren in Anspruch Die Fotos wurden mit freundlicher Genehmigung vom Landesarchiv und bezahlten oft mit Lebensmitteln. Eisenstadt zur Verfügung gestellt. Die Aufnahmen wurden hauptsäch- lich zu Beginn der 1930er Jahre von der Gendarmerie gemacht und dienten auch dazu, die Ressentiments in der Bevölkerung zu schüren. 4 Bei eine Zählung im Jahre 1933 in Mattersburg 444 „Zigeuner“ registriert, die sich wie folgt aufteilen: Mattersburg 57 Forchtenau 15 Wiesen 36 Walbersdorf 46 Marz 59 Schattendorf 38 Rohrbach 43 Neudörfl 52 Draßburg 19 Krensdorf 29 Sigleß 20 Sieggraben 14 Gendarm nimmt einem Rom Fingerabrücke ab, vor 1938 MARGINALISIERUNG, DISKRIMINIERUNG UND VERFOLGUNG ie alle „Zigeuner“ waren auch die Burgen- im Tragen bunter Kleider, Vorliebe für Rauchen, fettes landroma an den Rand der Gesellschaft Essen, Branntwein und Vielweiberei definiert. gedrängt und sozial ausgegrenzt. Die Dis- Wkriminierung der Burgenlandroma erlebte im 20. Jahr- Die Nürnberger Rassegesetze von 1935 stellen die Ver- hundert ihren verbrecherischen Höhepunkt. folgung der Roma und Sinti, als Menschen „artfremden Blutes“, auf eine Stufe mit der Verfolgung der Juden. In den 1920er Jahren löste die Krise Not, Arbeitslosigkeit und politische Unsicherheit aus. Durch den Anschluss Der burgenländische NS-Landeshauptmann Tobias Westungarns an Österreich verloren die Burgenlandro- Portschy publiziert 1938 eine rassistische Denkschrift „ ma das Recht auf Quartier während der Wanderschaft. Die Zigeunerfrage“, die er unter das Motto „Willst du, Es wurde eine eigene Gendarmerie für die „Zigeuner“ Deutscher, Totengräber des Nordischen Blutes im Bur- geschaffen. „Zigeunergendarmen“ führten Razzien in genlande werden, so übersehe nur die Gefahr, die ihm den Siedlungen durch. 1928 werden in einer von der die Zigeuner sind!“ stellte. Seine Lösungsvorschläge zur Bundespolizeidirektion Eisenstadt geführten Kartothek „Zigeunerplage“ zielen vor allem auf Sterilisation und die Burgenlandroma erfasst. Alle Zigeuner über 14 Jahre Zwangsarbeit in Internierungslagern. werden durch Fingerabdrücke und Lichtbild registriert, jedes Jahr wird die Kartei ergänzt. Als Zigeuner wurden 1938 wurde den Romakindern der Schulbesuch unter- zunächst alle anders gearteten, asozialen Personen be- sagt. Die ersten Deportationen nach Dachau und Ra- zeichnet. Das Anderssein wird durch dunkle Hautfarbe, vensbrück begannen. 5 erfamilienlager“ in Birkenau. Zwi- schen dem 1. März 1943 und dem 20. Juli 1944 wurden 22.600 „Zigeune- rinnen“ und „Zigeuner“, zum über- wiegenden Teil aus Deutschland und Österreich, nach Auschwitz-Bir- kenau deportiert. Über 90 Prozent von ihnen sollten die Liquidierung des Lagers am 2. August 1944 nicht mehr erleben. Von den insgesamt in den Jahren 1940 bis 1945 rund 4.000 im Lager Lackenbach internierten „Zigeunern“ erlebten nur einige hundert Häftlinge die Befreiung des Lagers durch sow- jetische Truppen im April 1945. Verwaltungsgebäude Lackenbach