KOLUMNE 23

Esther Girsberger Der halbe Bundespräsident

Umso erstaunlicher, dass die Frage der Amts- dauer eines Bundespräsidenten regelmässig Stein des Anstosses ist, wenn es um die Staats- leitungsreform geht. Seit einem Vierteljahr- hundert setzen sich Parlament und Regierung mit solchen Reformvorschlägen auseinander. Herausgekommen sind in den vergangenen 25 Jahren zwei markante Veränderungen: Zum Ersten der Wechsel des Bundesamtes für Sport vom Innenministerium zum Departement für Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport, weil die damalige Bundesrätin

Bild: zVg gar nichts dagegen hatte, dieses Amt ihrem sportbegeisterten Kollegen, Alt Bundesrat Adolf Ogi, abzugeben. Zum Zweiten die Zusam- eit ein paar Tagen haben wir einen menlegung der beiden Bildungsämter, die neuen Bundespräsidenten. Genau jetzt beim Volkswirtschaftsminister Schneider- genommen einen halben. Er heisst Ammann vereint sind. Weil der ehemalige und ist insofern nur Innenminister und damit Schirmherr des Bun- Sein halber Bundespräsident, als ihm Ausland- desamtes für Bildung, , bei reisen eher lästig sind und er seine Ausland- der nächsten sich ihm bietenden Gelegenheit repräsentation deshalb auf das Minimum be- ohnehin ins EDA wechseln wollte und sein schränken will. Da kommt es ihm gerade Bildungsamt deshalb ohne viel Herzblut hergab. recht, dass ein Jahr später Vizepräsident Didier Burkhalter auf ihn folgt. Der Vorsteher des Ein zweijähriges Bundespräsidium stand im Eidgenössischen Departements für auswärti- Rahmen der Staatsleitungsreformen auch ge Angelegenheiten (EDA) nimmt die Gele- immer wieder zur Diskussion. Es scheiterte re- genheit gerne wahr, sich im Ausland als Bun- gelmässig an parteipolitischen Machtansprü- despräsident und Aussenminister nicht nur chen, indem keine Partei der anderen während während eines Jahres, sondern gleich während 24 Monaten die Vorherrschaft überlassen zweier Jahre in Erinnerung zu rufen. Ob wollte. Dass es jetzt ohne Getöse möglich ist, dadurch Angela Merkel oder David Cameron beweist einmal mehr, dass eine ernst ge- eher wissen, wer in der Schweiz gerade das meinte, nach staatspolitischen und strukturel- Szepter schwingt, darf mit Fug und Recht be- len Überlegungen sinnvolle Staatsleitungs- zweifelt werden. Angela Merkel, François reform fast nicht zu realisieren ist. Weil es auch Hollande, David Cameron und Mario Monti im Bundesrat zu stark menschelt. Und weil werden sich zwar zweifellos an die Bundes- niemand gerne Macht abgibt. Auch und gerade präsidentin 2011, Eveline Widmer-Schlumpf, er- ein Regierungsmitglied nicht. innern. Aber nicht in ihrer Funktion als Prima inter pares der schweizerischen Landesregie- Es sei denn, die Macht des Regierens sei einem rung, sondern als Finanzministerin. eher eine Last. Wie etwa Ueli Maurer, der, wie er selbst betont, eigentlich gar nie Bundesrat Mit anderen Worten: Für das Ausland ist es irre- werden wollte.  levant, wer in der Schweiz gerade Bundesprä- sident oder Bundespräsidentin ist. Innerschwei- zerisch von Bedeutung ist es vor allem, weil er oder sie primär für die Sitzungsordnung und -führung im Bundesrat verantwortlich ist. Das kann stimmungssenkend oder stimmungsför- dernd wirken. Darüber hinaus ist das Amt Esther Girsberger ist Publizistin sowie Dozentin von keiner grossen politischen Bedeutung. und lebt in Zürich.

Schweizer Arbeitgeber 01 / 2013