Austrian Flavors Wie Hiphop Nach Österreich Kam
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Austrian Flavors Wie HipHop nach Österreich kam Masterarbeit zur Erlangung des Titels „Master of Arts“ (MA) an der Philosophisch-Historischen Fakultät der Leopold-Franzens-Universität Innsbruck (Masterstudium Europäische Ethnologie) am Institut für Geschichtswissenschaften und Europäische Ethnologie Fach: Europäische Ethnologie vorgelegt von Mag. Manuel Obermeier, BA (0176641) betreut von Univ.-Prof. Dr. Ingo Schneider Innsbruck 2018 II 1. EINLEITUNG 1 2. FORSCHUNGSFRAGE, -STAND UND -DESIGN 9 2.1. Forschungsfrage 9 2.2. Forschungsstand 17 2.3. Forschungsdesign 20 3. HIPHOP IN DEN USA UND DER WELT 30 4. HIPHOP IN ÖSTERREICH, ÖSTERREICHISCHER HIPHOP UND AUSTRIAN FLAVORS 36 4.1. HipHop in Österreich? Noch nie gehört! 37 4.2. Epigonen, Imitate und Authentizität 41 4.3. Von Urlauben, Kinderzimmern und dem Hörensagen 47 4.4. Tags, Parties und Buh-Rufe 52 4.5. Medien? Welche Medien? 58 4.5.1. Fernsehen 58 4.5.2. Zeitungen 60 4.5.3. Radio 64 4.6. Der wöchentliche Gottesdienst 66 4.7. Bandcontest, Sampler und Vernetzung 69 4.8. Austrian Flavors und die Etablierung einer österreichischen Szene 74 4.9. Österreichischer HipHop im Jahr 2018 78 5. CONCLUSIO UND AUSBLICK 80 6. INTERVIEWS 84 6.1. Karl Fluch, Wien, 10.1.18 84 6.2. Martin Forster, Wien, 14.1.18 95 6.3. Alexander Hertel, Innsbruck, 4.5.18 103 6.4. Holger Hörtnagl, Wien, 20.2.18 122 III 6.5. Oliver Kartak, Wien, 18.2.18 136 6.6. Daniel Shaked, Wien, 19.1.18 147 6.7. Katharina Weingartner, Wien, 14.2.18 158 6.8. Christoph Weiss, Wien, 17.1.18 169 7. QUELLENVERZEICHNIS 188 7.1. Filme 188 7.2. Fernsehen 188 7.3. Youtube 188 7.4. Radio 189 7.5. Print 189 8. LITERATURVERZEICHNIS 190 9. EIDESSTAATLICHE ERKLÄRUNG 203 IV V 1. EINLEITUNG Es war 2009, als HipHop endgültig im österreichischen Mainstream ankam. Und im selben Moment auch zu Grabe getragen wurde, wie einige HipHop-Künstler*innen in Österreich meinen. In ganz Europa und auch in Österreich bestimmte der Wahlkampf um die EU-Parlamentswahlen das politische Tagesgeschäft und Heinz-Christian Strache von der Freiheitlichen Partei Österreichs (FPÖ) schaffte es, mit einer für die politischen Verhältnisse Österreichs bisher einzigartigen medialen Inszenierung für Aufsehen zu sorgen: Am 26. Mai 2009 veröffentlichte die FPÖ das Lied „Österreich zuerst ;-) – HC Strache“. Im dazugehörigen Video1 sieht man den Chef der rechtspopulistischen Partei und heutigen Vizekanzler auf dem Dach in der Wiener Innenstadt und im spartanisch eingerichteten Tonstudio. In seinem Rap wettert er gegen die „Volksverräter“ in Österreich, die Europäische Union, das Fremde im Allgemeinen und die Türkei im Speziellen. Es sind klassische freiheitliche Themen, doch die Form, in der diese transportiert werden, ist neu: HC Strache und die FPÖ bedienen sich der Kultur- und Musikform HipHop. Und der damalige Oppositionsführer scheint Gefallen an dieser Ausdrucksform gefunden zu haben, 2013 folgt „Steht auf, wenn ihr für HC seid!“2, 2014 „Patrioten zur Wahl!“3 und 2015 „Good Men[sch] Rap“4. Urbanität, Jugendlichkeit, Rebellentum, Sampling, Rap, zum Teil auch Graffiti und DJing, die FPÖ und ihr Vorsitzender eigneten sich klassische Codes und Kulturtechniken des HipHop an, um mit diesen in die politische Auseinandersetzung zu gehen. Dabei sind die Freiheitlichen nicht die einzigen, die sich dieser Ausdrucksform bemächtigten: Ebenfalls bereits 2009 initiierte die Sozialdemokratische Partei Österreich (SPÖ) in Wien das Projekt „Ich bin Wien“, im dazugehörigen Rap-Song5 wird die Schönheit und Einzigartigkeit der Stadt thematisiert. Auch hier werden Urbanität, Jugendlichkeit, Sampling, Scratching, das Einmaleins des HipHop als Wahlkampfinstrument eingesetzt. 1 Österreich zuerst ;-) – HC Strache, https://youtu.be/pVnzYs4HYBQ (1.5.2018). 2 HC Strache Rap 2013 – „Steht auf, wenn ihr für HC seid!“, https://youtu.be/8aWgT7dlAY0 (1.5.2018). 3 HC Strache Rap 2014 feat. Leopold Figl: Patrioten zur Wahl!, https://youtu.be/zAEP08ps-JM (1.5.2018). 4 HC Strache feat. MC Blue – Good Men[sch] Rap, https://youtu.be/J9pMh3Aipv4 (1.5.2018). 5 Ich bin Wien – HipHop Collabo, https://youtu.be/-bCFiT0TghI (1.5.2018) 1 Unabhängig von der musikalischen oder inhaltlichen Qualität der hier angeführten Werke zeigt der Umstand, dass Parteien wie die FPÖ und SPÖ sich einer Kulturform bedienen, die lange Zeit einen äußerst schweren Stand in Österreich hatte, dass HipHop spätestens in den 2010er Jahren auch hier im Mainstream6 angekommen ist. Das war in dieser Form vor rund dreißig Jahren noch nicht abzusehen, denn bevor Rap, DJing, Graffiti und B-Boying, die vier Elemente des HipHop, durch die österreichische Politik instrumentalisiert werden konnten, hatten die Protagonist*innen dieser Kulturform mit einigen Widrigkeiten zu kämpfen. HipHop galt im besten Fall als amerikanischer Kulturimport, als etwas Fremdes, als schwarze7 Musik, die im weißen Österreich keinen Platz hätte, als kurzlebige Modeerscheinung, die genauso schnell verschwinden würde, wie sie gekommen war. HipHop, so die offizielle Geschichtsschreibung, ist gegen Ende der 1970er Jahre in New York als eine Reaktion auf die beengten und ärmlichen Verhältnisse in der Bronx entstanden. Es war die Zeit, als der Stadtteil von Kriminalität und Jugendbanden beherrscht wurde und ganze Viertel dem Verfall preisgegeben wurden; vor allem die South Bronx galt als sozialer Brennpunkt und Schandfleck. Deprivation und Frustration bestimmten das Leben im New Yorker Stadtteil. Arbeitslosigkeit und Armut nahmen erschreckend hohe Ausmaße an, vor allem die Jugend hatte mit großen Entbehrungen zu kämpfen. Dabei kann ein rassistischer Hintergrund nicht geleugnet werden: Während die weiße Bevölkerung sukzessive die Bronx hinter sich ließ und in wohlhabendere Gegenden ziehen konnte, mussten Schwarze und Hispanics auf Grund ihrer weitreichenden Exklusion aus dem ökonomischen Leben in diesem Stadtteil verbleiben. Die Bronx entwickelte sich in den 1960er und 70er Jahren immer mehr zu einem Ghetto, dessen Einwohner*innen von der Politik missachtet und vergessen wurden. In diesem Klima bildete sich eine neue Kulturform heraus, die zu 6 Der Begriff Mainstream wird in dieser Arbeit ausschließlich in kursiver Schriftweise verwendet, um auf die überholte Dichotomie von Subkultur und Mainstream hinzuweisen. Der Dualismus der beiden Begriffe erscheint vor allem in der Auseinandersetzung von Musik- und Kulturformen des späten 20. und beginnenden 21. Jahrhunderts, darunter ist auch HipHop zu zählen, als überholt und durch die ungenauen Definitionen nicht mehr anwendbar. Vgl. hierzu: Huber, Alison: Mainstream as Metaphor: Imagining Dominant Culture. In: Baker, Sarah/Bennett, Andy/Taylor, Jodie (Hg.): Redefining Mainstream Popular Music. Abingdon 2013, 3-13. 7 Begriffe wie weiß und schwarz werden hier stets kursiv geschrieben, um auf die soziale Konstruktion dieser Definitionen hinzuweisen. Denn mit den Begriffen schwarz und weiß wird mehr als nur die Hautfarbe beschrieben, es sind politische Begriffe, die eng mit sozialen Stellungen, Privilegien und Rassismus verbunden sind. 2 Beginn vor allem einen Ausweg aus der Tristesse der lebensweltlichen Realität schaffen sollte. HipHop gebar sich in seiner Anfangszeit nicht unbedingt als ein politisches Statement, zumindest nicht auf den ersten Blick, sondern als eine Form der Selbstverwirklichung und -bemächtigung. Personen wie Kool DJ Herc, Afrika Bambaataa oder Grandwizard Theodore waren die ersten Protagonisten einer sich rapide ausbreitenden Kultur, die sich innerhalb von zwei Jahrzehnten über die gesamte Welt ausdehnte. Mit den Block Partys, die in der Öffentlichkeit der Nachbarschaft gefeiert wurden, setzten die frühen Proponent*innen des HipHop den exklusiven Disco-Clubs New Yorks etwas entgegen. HipHop begehrte auf, noch bevor diese Musik unter dem Namen HipHop bekannt wurde. Sie war früh gewissermaßen eine „oppositional subculture“, eine Subkultur, die sich gegen bestehende Werte und Normen richtete.8 Baudrillard empfand vor allem die Einschreibung in und die Besetzung von Räumen durch Graffiti als eine „Revolte [und] Auflehnung gegen bürgerliche Identität und Anonymität“.9 Erst mit „Rapper’s Delight“ von der Sugarhill Gang Ende der 1970er Jahre wurde dieser Kulturform ein Label zugeschrieben und sie war fortan als HipHop bekannt.10 Mit der Benennung trat HipHop auch den Siegeszug um den Globus an, „Rapper’s Delight“ sollte der erste große Hit dieser neuen Musikform werden, und tausende sollten noch folgen. Ausgehend von New York und der amerikanischen Ostküste, über Los Angeles und den weiteren anglosächsischen Raum verbreitete sich HipHop über den gesamten Globus. Dabei wird auf die mythisierte Entstehungsgeschichte nie vergessen; sie bleibt im Habitus des HipHop durchwegs inhärent, unabhängig von der geografischen Verortung der lokalen Spielarten. HipHop versichert sich seiner Geschichte stetig selbst und ist stark in der Vergangenheit verortet, was sich auch in der essentiellen Methode des Samplings, die neue Zusammensetzung alter Musikstücke, 8 Blair, M. Elizabeth: Commercialization of the Rap Music Youth Subculture. In: Forman, Murray u. Neal, Mark Anthony (Hg.): That’s the Joint! The Hip-Hop Studies Reader. New York 2004, 497-504, hier 497f. 9 Baudrillard, Jean: Kool Killer oder der Aufstand der Zeichen. Berlin 1978, 37ff. 10 In dieser Arbeit soll bewusst nicht auf die lange und komplizierte Entstehungsgeschichte des HipHop eingegangen werden, diese wurde bereits ausführlich beschrieben. Eine besonders ausführliche und übersichtliche Geschichtsschreibung des HipHop in seinen sozialen und ökonomischen Bedingungen lieferte