Corona Magazine 4/2020

Verlag in Farbe und Bunt Beschreibung & Impressum

Das Corona Magazine ist ein traditionsreiches und nicht- kommerzielles Online-Projekt, das seit 1997 die Freunde von Science-Fiction, Phantastik, Wissenschaft, Kunst und guter Unterhaltung mit Informationen und Hintergründen, Analysen und Kommentaren versorgt. Seit dem Wechsel zum Verlag in Farbe und Bunt erscheint es im zeitgemäßen E-Book-Gewand.

Redaktion Uwe Anton, Reiner Krauss (Wisser), Bettina Petrik, Thorsten Walch, Reinhard Prahl, Alexandra Trinley, Oliver Koch, Andreas Dannhauer, Lieven L. Litaer, Birgit Schwenger, Sven Wedekin, Kai Melhorn, Armin Rößler, Anna Pyzalski, C. R. Schmidt, Bernd Perplies, Hermann Ritter, Carsten Schmitt, Hartmut T. Klages, Frank Stein, Bastian Ludwig, Peter R. Krüger, Jacqueline Mayerhofer, Lujayne Sealya, Eric Zerm, Ansgar Imme, Jens Krohnen

Herausgeber & Chefredakteur Der Verleger, Medienjournalist & Autor Björn Sülter schreibt Romane (Beyond Berlin, Ein Fall für die Patchwork Kids), Biographien (Hallo, Herr Kaiser! Das Leben ist wilder, als man denkt) & preisgekrönte Sachbücher (Es lebe , Die Star-Trek-Chronik), ist Headwriter und Experte für SYFY und mit Kolumnen und Artikeln bei Quotenmeter,

2 Serienjunkies, in der GEEK! oder im FedCon Insider ver- treten. Dazu präsentiert er seine beliebten Podcasts Planet Trek fm und Der dreiköpfige Affe, ist Herausgeber und Chefredak- teur des Printmagazins TV-Klassiker und als Hörbuchspre- cher (Der Earl von Gaudibert, Dunkle Begegnungen, Star Trek - The Next Generation: Q sind herzlich ausgeladen) und Moderator aktiv. Er lebt mit Frau, Tochter, Pferden, Hunden & Katze auf einem Bauernhof irgendwo im Nirgendwo Schleswig-Holsteins.

3 Ausgabe #353, April 2020

1. Auflage, 2020 ISBN 978-3-95936-227-6 © April 2020 / Alle Rechte vorbehalten. in Farbe und Bunt Verlag Björn Sülter Am Bokholt 9 | 24251 Osdorf www.ifub-verlag.de / www.ifubshop.com

Herausgeber & Chefredakteur | Björn Sülter E-Book-Satz | EM Cedes & Reiner Krauss Lektorat | Bettina Petrik & Telma Vahey Cover | EM Cedes Cover-Fotos | Unsplash.com

Corona Webseite | www.corona-magazine.de Kontakt | [email protected]

Weitere Kontaktmöglichkeiten/Webseiten [email protected] http://www.ifub-verlag.de/ https://www.ifubshop.com/

Nachdruck und Vervielfältigung, auch einzelner Artikel oder Auszüge, ist nur mit schriftlicher Genehmigung des Verlages gestattet. Für unverlangt eingesandte Manuskripte, Fotos und Zeichnungen kann keine Gewährleistung übernommen

4 werden. Namentlich gekennzeichnete Beitrage geben nur die Meinung des Verfassers wieder und stimmen nicht zwangsläufig mit den Ansichten der Redaktion und des Herausgebers überein.

5 Editorial: Schall & Rauch

Liebe Leserinnen und Leser, immer noch befinden wir uns mittendrin in einer Zeit, die noch vor wenigen Monaten undenkbar schien. Die Freiheit, tun und lassen zu können, was wir möchten (und vor allem auch, wann wir es möchten), wurde gezwun- genermaßen massiv eingeschränkt und vielen von Ihnen fehlen bestimmt die Sozialkontakte und Aktivitäten, an die wir hier in Deutschland so selbstverständlich gewöhnt sind. Auch wenn ich optimistisch bin, dass wir in nicht allzu ferner Zukunft unser »normales« Leben sukzessive zurück- 6 erhalten werden, ist dieser Tag jetzt natürlich noch nicht gekommen. Covid-19 ist allgegenwärtig; in unseren Gedanken, im All- tag und vor allem in den Medien. Sämtliche Fernsehsender, Radiostationen, Onlineportale, Tageszeitungen und Maga- zine befassen sich auf ganz unterschiedliche Weise mit dem Thema. Ob Politik, Lifestyle, Klatsch und Tratsch, Wissen- schaft oder Satire; die Pandemie macht vor keiner Redak- tion halt. Und das ist auch gut so! Jeder darf schließlich frei ent- scheiden, in welchem Maße er oder sie sich informieren möchte. Das Angebot sollte aber in jedem Fall vorhanden und möglichst breit aufgestellt sein. Meinungsbildung ist keine Einbahnstraße. Kein Wunder also, dass es auch bei uns zu der Frage kam, ob wir das Thema angehen sollten. Die Beantwortung ließ sich für mich in zwei Teile zerlegen. Unsere Redaktion ist einerseits geradezu prädestiniert dafür. Wissenschaftlich versierte Kollegen geben sich bei uns mit politisch interessierten oder Freunden der Popkultur die Klinke in die Hand. Das Corona Magazine bietet ein derart breites Spektrum, dass es fraglos spannend war, eigene Ansatzpunkte zu finden. Dann kam jedoch der zweite Teil ins Spiel: Warum sollten wir vielleicht nicht darüber berichten? Die Antwort fiel so simpel wie irritierend aus: Unser Name war das Problem. Dabei sei noch einmal angemerkt: Unser Magazin ist bereits seit 1997 unter dieser eigentlich so schönen Bezeich-

7 nung, die sich auf die Sonnenkorona bezieht, kostenlos für Sie am Markt. Dass wir ihn uns nun plötzlich nicht mehr nur mit einem Bier, dem Siegerkranz aus der Antike, einer Heiligen des 2. Jahrhunderts, vielen Orten auf der Erde, einer ehemaligen Eurodance-Band, Autoherstellern oder einem Modell von Toyota, dem Königreich aus Rapunzel – Neu Verföhnt oder Schreibmaschinentypen teilen, sondern auch mit einer Pandemie, ist zwar purer Zufall, stellt aber offenbar für einige Menschen auch ein Problem dar. Nur warum? Weil der Name aktuell negativ belegt ist? Oder in der Wahrnehmung Einzelner immer bleiben wird? Das wirft Fragen auf: Was sollen all die Menschen sagen, die sich ihre Namen mit Stürmen, Orkanen oder Hurrikanes teilen, die teilweise für großes Leid verantwortlich waren? Sie leben vermutlich einfach weiter. Und sogar Walking on Sunshine von Katrina and the Waves hört man heute noch weltweit im Radio. Glaubwürdigen Gerüchten zufolge möchte übrigens auch die Sonne nach nunmehr 4,57 Milliarden Jahren ihre Korona nicht mehr umbenennen. Warum sollten wir es also nach 352 Ausgaben und 23 Jahren tun? In diesem Zusammenhang macht auch ein Fall, wie er jüngst aus Australien medial zu uns schwappte, nachdenk- lich: Dort lebt der achtjährige Corona de Vries. Was wie ein wohlklingender Name scheint, entwickelte sich für den Jungen in den letzten Wochen durch Mobbing, Hänseleien und Ausgrenzung zu einem Alptraum. Er schrieb einen Brief an den just aus der Quarantäne entlassenen Tom Hanks, der 8 ihm nicht nur aufmunternd antwortete, sondern auch noch eine Schreibmaschine vom Typ Corona mitschickte. Corona de Vries mag dem Vernehmen nach seinen eigenen Namen sehr gerne; und wenn Sie mich fragen, sollte er das auch unbedingt weiterhin dürfen. Die Corona-Pandemie hat weltweit bereits viele Opfer gefordert und sie fordert von den Menschen in allen Län- dern der Erde jeden Tag Geduld, Rücksichtnahme, Verzicht, Umstellungen und Durchhaltevermögen. Da müssen wir uns doch nicht in zusätzlichen Trivialitäten verlieren, oder? Hier geht es um die Sache, nicht um Namen. Und selbst wenn uns all die schönen Dinge mit dem Namen Corona nicht interessieren würden; für Corona de Vries müssen wir uns die klare Sichtweise erhalten, dass dieser Name kein schlechtes Omen oder Grund zur Besorg- nis ist. Es bleibt purer Zufall, dass Wissenschaftler ihn irgendwann für genau diese Pandemie auswählten. Ich bin an dieser Stelle äußerst pragmatisch. Die Pande- mie wird vergehen, das Corona Magazine jedoch bleiben. Wir machen weiterhin Licht und erforschen alle Spielarten der Phantastik. Gehen Sie dieser Tage doch einfach ein wenig ins Freie (und nehmen Sie ihren Reader mit, um diese Ausgabe genießen zu können), wärmen Sie sich im frühlingshaften Sonnenlicht (mit Abstand zu anderen) und vergessen Sie dabei nie: Namen sind letztlich Schall und Rauch, die inne- ren Werte zählen. Bleiben Sie gesund und uns gewogen! 9 Ihr Björn Sülter Herausgeber & Chefredakteur

10 Termine: Treffen sie uns!

Die Corona-Pandemie macht auch vor unseren Messe- plänen selbstverständlich nicht halt. Aus diesem Grund bitten wir leider an dieser Stelle um Geduld, bis neue und verbindliche Termine kommuniziert werden können.

11 Tipps fürs Lesevergnügen

»Ich habe gar keinen eBook-Reader« ist eine häufig gehörte Aussage, wenn es darum geht warum ein phantastisch interessierter Mensch noch kein neues Corona Magazine gesehen und gelesen hat.

Beispielsweise sind Kindle Paperwhite und Tolino tolle eBook-Reader, sie können tausende von Büchern in einem schmalen, robusten Gerät mitnehmen und dank mattem eInk-Display und dezenter Hintergrundbeleuchtung sowohl in der Sonne am Strand als auch abends, ohne Taschen- lampe, im Bett lesen.

Jede Ausgabe ihres Corona Magazines kann ganz selbstver- ständlich auch auf ihrem Smartphone, iPhone oder Compu- ter geschaut und gelesen werden. Hier haben sie gar die volle Farbkraft unserer Bilder in den Beiträgen.

12 Wie das geht? Amazon-Kunden installieren sich idealer- weise die Kindle-App oder schauen im Browser selbst, genau wie beim Tolino webreader. Windows 10 Nutzer können gar ein lokales eBook ganz einfach mit dem integ- rierten Edge-Browser öffnen.

Schauen sie uns somit in Zukunft auf vielen Geräten und sagen sie es allen weiter, die noch nicht wussten wie sie uns lesen können und freuen sie sich somit auf ein Magazin von und in »Farbe und Bunt«.

Kindle-App für Windows und iOS https://www.amazon.de/kindle-dbs/fd/kcp

© Amazon

Tolino webReader https://mytolino.de/tolino-webreader-ebooks-online- lesen/

13 © myTolino

Ihr Reiner Krauss Autor und eBook-Gestaltung

14 Podcast Deep Inside

Wir machen Licht! Das Corona Magazine präsentiert mit Deep Inside einen eigenen Podcast zu all den Themen, die uns und Sie bereits seit über zwanzig Jahren interessieren. Von phantastischen Geschichten, Romanen, Sachbüchern oder Hörerlebnissen bis hin zu den Bereichen Wissenschaft, Kunst oder Popkultur deckt Gastgeber Reiner Krauss (Wisser) alle Bereiche der Phantastik mit spannenden Gästen ab.

15 Via Soundcloud: https://soundcloud.com/user-104747826

Via Anchor: https://anchor.fm/deep-inside-by-corona-magazine

Via RSS-Feed: https://rss.acast.com/deep-inside

16 Podcast Planet Trek fm

Ein weiterer Podcast, der vom Verlag in Farbe und Bunt präsentiert wird, ist seit 2017 Planet Trek fm von und mit Björn Sülter. In bisher rund 50 Ausgaben bespricht der Moderator und Gastgeber mit seinen illustren Gästen wie den Autoren und Übersetzern Christian Humberg, Mike Hillenbrand, Lieven L. Litaer oder Claudia Kern alle Themen rund um Trek, die uns Fans ohnehin im Kopf herumschwirren. Neben übergeordneten Themen gibt es auch immer fri- sche Besprechungen aktueller Serienepisoden; kritisch, humorvoll, aber immer fair.

Via Webpage: http://www.planettrekfm.de

17 Via Soundcloud: https://soundcloud.com/user-412263487

Via RSS-Feed: https://rss.acast.com/planet-trek

18 Podcast Der dreiköpfige Affe

Ebenfalls eine Produktion vom Verlag in Farbe und Bunt ist Der dreiköpfige Affe – Lebensanomalien, Nerdtum & Bana- nen von und mit Björn Sülter. Der Gastgeber empfängt in seinem neuen Personality- Podcast Gäste aus allen Lebensbereichen, um mit ihnen offen und ehrlich über das Leben, Gefühle und Geschichten zu sprechen. Im Dreiköpfigen Affen geht es darum, aufeinander zuzu- gehen, sich für seinen Gegenüber zu interessieren, einander zuzuhören, zu hinterfragen und einen gemeinsamen Nenner zu finden. Es geht um das, was uns als Gemeinschaft stark macht, was uns im Miteinander hilft. Der Podcast wird in loser Folge fortgesetzt und sich in jeder Ausgabe um ein interessantes Thema oder einen interessanten Menschen (im besten Falle um beides) drehen.

Via Webpage: http://www.affencast.de

19 Via Soundcloud: https://soundcloud.com/user-412263487

Via RSS-Feed: https://rss.acast.com/der-dreikoepfige-affe

20 Topthema Pandemie – der schleichende Tod von Reinhard Prahl

Der Beginn Es beginnt immer auf dieselbe Weise. Einige Menschen infizieren sich mit einem gefährlichen Krankheitserreger und tragen von nun an unwissend Gevatter Tod in sich. Ein kleines Husten, ein Händedruck, der Verzehr und das Teilen von Nahrung oder das Anfassen eines alltäglichen Gegenstandes können genügen, um die Kiste der Pandora unwiderruflich zu öffnen. Und der Tod lässt sich nicht lange bitten. Er kommt erst schleichend und unsichtbar und schlägt dann mit der Wucht eines Hammerschlages zu. Innerhalb weniger Wochen breitet sich das Virus, Bakterium oder Prion aus und beginnt sein schreckliches Werk zu verrichten. So erleben wir es derzeit etwa mit dem Coronavirus SARS-CoV-2, das die Lungenkrankheit COVID-19 auslöst. Zum Zeitpunkt der Abgabe dieses Artikels gab es weltweit etwas mehr als zwei Millionen bestätigte COVID-19-Fälle mit über 200.000 Toten. Allein in Deutschland hatten sich bis Redaktionsschluss 159.000 Menschen infiziert, über 6000 waren an den Folgen der Viruserkrankung gestorben. Diese kurze Statistik ist durchaus angsteinflößend, vermittelt aber nur einen Hauch der fürchterlichen Ausmaße, die eine Pandemie annehmen kann. Im 21 Gegensatz zu einer Epidemie, die lokal begrenzt auftritt, wird als Pandemie eine länder- und sogar kontinentübergreifende Infektionskrankheit bezeichnet. Die SARS-CoV-2-Pandemie ist ein erschreckendes, aber passendes Beispiel hierfür. Im November 2019 in der chinesischen Provinz Wuhan aufgetreten, verbreitete sich die neue Variante des SARS-CoV-Virus von 2003, der damals rund 770 Menschen das Leben kostete, rasend schnell über den Erdball und hinterlässt derzeit in zahlreichen Ländern der Erde eine Spur der menschlichen und wirtschaftlichen Verwüstung.

Die Pest – Geißel der Menschheit Im Gegensatz zu einigen historischen Pandemien verläuft die derzeitige allerdings noch verhältnismäßig mild. Zwischen 165 und 180 n.Chr. wütete im römischen Reich die sogenannte Antoninische Pest, deren Ursache bis heute ungeklärt ist, möglicherweise aber auf den Pocken beruhte. Ihr fielen zwischen sieben und zehn Millionen Menschen zum Opfer. Nur 70 Jahre später wurde das gebeutelte Reich wieder von den Pocken heimgesucht und forderte erneut zahlreiche Menschenleben.

Die erste Welle Die erste große Pandemie, die sicher auf das gefährliche, vom Rattenfloh übertragene Bakterium Yersinia pestis zurückzuführen ist, datiert auf das Jahr 541 und brach im Byzantinischen Reich aus. In 15 bis 17 Wellen wütete der Erreger in den Ländern des Weltreiches und tötete 22 Millionen. Eigentlich war der sporenlose und unbegeißelte Bazillus in seiner Urform, Yersinia pseudotuberculosis, für den Menschen relativ ungefährlich und stammte wohl aus Asien. Im Lauf seiner Evolutionsgeschichte mutierte er dann irgendwann. Fortan verursachte er unter anderem die Beulenpest oder Lungenpest und löste so zwischen 1346 und 1353 eine der bis heute verheerendsten Pandemien in der Geschichte der Menschheit aus.

Die Pest im Mittelalter Ihren Anfang nahm die Seuche bereits zwischen 1338 und 1339 in einer christlichen Gemeinschaft der assyrischen Kirche am Yssykköl-See im heutigen Kirgisistan. Kurze Zeit später erkrankten erste Menschen auf der Krim und in Sarai an der Wolga, die zum Reich des mittelalterlichen mongolischen Khanates der Goldenen Horde gehörten. Bereits 1346 erreichte die Pest Europa, als die Goldene Horde die von Genuesern besetzte Stadt Kaffa (das heute Feodossija auf der Krim) belagerte. Berichten zufolge spannten die Mongolen an der Pest verstorbene Krieger auf Katapulte und schleuderten sie in die Stadt, was zur schnelleren Ausbreitung beitrug. Über das weit verzweigte Handelsnetz der Genueser gelangte der Schwarze Tod schließlich nach Messina auf Sizilien und über den Landweg nach Frankreich, Venedig, Österreich, Deutschland, Norwegen, Schweden, England und Irland, das 1349 die ersten Todesfälle verzeichnete. Innerhalb kürzester Zeit waren ganz Europa sowie Teile Russlands und Afrikas betroffen. Yersinia pestis fuhr eine schreckliche Ernte ein. 23 Ein Drittel der damaligen europäischen Bevölkerung, circa 25 Millionen Menschen, fand den Tod, davon allein 200.000 in den Jahren 1348 und 1349 in Norwegen.

© http://www.heilpraxisnet.de/

Niemals besiegt Zwischen 1665 und 1714 trafen drei weitere Wellen Europa und forderten mehr als eine Million Todesopfer. Die dritte große Pest-Pandemie überraschte die Welt Ende des 19. Jahrhunderts. Ausgehend von Yunnan in China gelangte die Krankheit bis Hongkong. Hier konnte 1894 der Schweizer Arzt Alexandre Yersin den Erreger endlich identifizieren und die zweifelhafte Ehre in Anspruch nehmen, dass das Pest-Bakterium nach ihm benannt wurde. Obwohl die Übertragungswege von Yersinia pestis ebenfalls geklärt werden konnten, breitete sich die Pest wiederum in viele

24 Teile der Welt bis in die Vereinigten Staaten von Amerika aus und verschlang rund zwölf Millionen Menschenleben. Bis heute ist die Pest nicht besiegt. Obwohl man die Krankheit gut mit Antibiotika behandeln kann, ist der Erreger nicht kleinzukriegen. Allein zwischen 1978 und 1992 meldete die WHO (World Health Organization) Ausbrüche in 21 Ländern, darunter die USA. Seit Mitte der 90er Jahre ist die Pest wieder auf dem Vormarsch. Auf Madagaskar hält sich das Bakterium besonders hartnäckig. Die WHO registriert seit 2008 immer wieder Ausbruchsherde, mit insgesamt 600 Todesfällen bis zum Ende des Jahres 2017.

Die Spanische Grippe – Der schnelle Tod Nachdem in den Jahren 1910 und 1911 noch einmal 45.000 bis 60.000 Menschen an der Pest gestorben waren, schien Ruhe auf der Erde einzukehren. Erkrankungen wie die Cholera, Pocken oder Typhus führten zwar auch weiterhin zu tausenden Verlusten an Leben. Doch eine Pandemie, die sich über große Teile der Welt erstreckte, blieb aus, bis 1918 das Influenzavirus A/H1N1 die Welt zu verheeren begann. Grippewellen suchen die Menschheit wahrscheinlich bereits seit Jahrtausenden heim und haben im Lauf der Zeit bei vielen Menschen für Anpassungen des Immunsystems gesorgt. Dennoch sterben auch heute noch zwischen 250.000 und 645.000 Personen jährlich an den Atemwegserkrankungen, die durch eine Influenza-Infektion ausgelöst werden.

Die Spanische Grippe in Amerika 25 Gegen die Spanische Grippe, die ihren Namen daher hat, dass Spanien als neutrales Land in der späten Phase des ersten Weltkriegs die ersten Meldungen über die Seuche herausgab, erscheinen diese Zahlen aber dennoch geradezu harmlos. Dabei verlief die Pandemie, die innerhalb von zwei Jahren zwischen 25 und 50 Millionen Opfer kostete, zunächst wie jede andere Grippewelle auch. Sie begann wahrscheinlich im US-Bundesstaat Kansas und verbreitete sich über Truppenbewegungen nach Europa. Die erste Welle im Frühjahr 1918 verzeichnete zwar ein enormes Ansteckungspotential, im Verhältnis dazu aber relativ wenige Todesfälle. Der milde Verlauf wiegte die Welt in Sicherheit.

Der Tod fährt mit Der Beginn der wesentlich tödlicheren zweiten Welle wird auf August 1918 datiert, als auf dem norwegischen Frachter Bergesfjord erste Fälle der Spanischen Grippe auftraten. Fast gleichzeitig meldeten Frankreich, Dakar, der Senegal, Sierra Leone in Westafrika und viele Militärlager in den USA unverhältnismäßig hohe Ansteckungsraten. In den Lagern grassierte die Spanische Grippe sogar so stark, dass drei von einhundert Soldaten starben. Militärärzte horchten erschreckt auf und forderten umfangreiche Quarantänemaßnahmen. Die Ansuchen wurden aber aufgrund der Kriegssituation abgeschmettert und die kranken Soldaten, auf engen Schiffen eingepfercht, nach Europa verfrachtet. Sechs von einhundert Männern überlebten die Tortur nicht. 26 Doch auch in den Städten wütete die Krankheit wie nie zuvor. Allein in der Woche zwischen dem 17. und 23. Oktober 1918 registrierte man in den USA 21.000 an der Spanischen Grippe gestorbene Menschen, die sich erst wenige Tage zuvor infiziert hatten. In Europa, Südamerika, Asien, Afrika und auf den pazifischen Inseln starben Menschen in so großer Anzahl, dass in einigen Städten weder genug Särge noch Gräber zur Verfügung standen, eine erschreckende Parallele zu der Situation, wie wir sie heute in Madrid, New York und Städten in Norditalien erleben. In Indien, das in dieser Zeit zusätzlich unter den Strapazen einer Hungersnot litt, starben fünf von einhundert Erkrankten, was eine ungewöhnlich hohe Letalitätsrate darstellt. Doch auch Mexiko war mit rund 440.000 Toten stark betroffen. Das immer noch kriegsgebeutelte Europa kümmerte sich in einer Zeit, in der sowieso wöchentliche Listen mit tausenden gefallenen Soldaten veröffentlicht wurden, wenig um die Auswirkungen der Spanischen Grippe, was die Zählung der Leichen erheblich erschwerte. So geisterhaft, wie sie erschien, verschwand die Spanische Grippe wieder. Im Gegensatz zu anderen Grippe-Pandemien oder auch der aktuellen COVID-19-Welle starben an der Infektion übrigens überwiegend jüngere Menschen. Nach Schätzungen waren 99% aller Verstorbenen unter 65 Jahre alt. Dies sollte uns auch in heutiger Zeit ein warnendes Beispiel sein.

Andere Grippewellen 27 Obwohl das Influenzavirus 1933 isoliert werden konnte und die Virologen ihrem Feind damit zum ersten Mal sprichwörtlich von Angesicht zu Angesicht gegenüberstanden, hat sich bis heute nicht viel daran geändert, dass wir ihm, abgesehen von immer neuen Impfungen, mehr oder weniger hilflos begegnen. Das Virus erscheint äußerst anpassungsfähig und tritt in immer neuen Varianten auf. Die Asiatische Grippe kostete 1957 und 1958 zwischen einer und zwei Millionen Menschenleben, während die Hongkong-Grippe des Subtyps A/H3N2 1968 bis 1970 mehr als eine Million Tote forderte. Nur sieben Jahre später breitete sich der Typ A/H1N1 in Form der Russischen Grippe erneut aus und forderte 70.000 Seelen. 1995 und 1996 hatte die Bundesrepublik ca. 30.000 Tote zu beklagen, wobei 8,5 Millionen Menschen an einer Virusgrippe erkrankten. Die ab 2004 registrierten Varianten Vogelgrippe und Schweinegrippe wirkten sich mit insgesamt 19.000 Opfern zwar weniger vernichtend aus, ihr zoonotischer Charakter zeigt aber, wie anpassungsfähig und gefährlich das Virus mitsamt seiner zahlreichen Mutationen ist.

HIV – aus den Köpfen, aus dem Sinn Als am 2. Oktober 1985 der Hollywood-Star Rock Hudson an AIDS verstarb, sprach plötzlich die ganze Welt über das erst zwei Jahre zuvor von den französischen Virologen Luc Montagnier und Françoise Barré-Sinoussi entdeckte Retrovirus. Zu diesem Zeitpunkt wurde der Welt allmählich klar, dass sie einer neu- und besonders bösartigen 28 Pandemie gegenüberstand, die bis heute über 36 Millionen Erkrankten das Leben nahm und in einigen afrikanischen Ländern wie Swasiland, Botswana oder Lesotho bis zu ein Viertel der 15- bis 49-Jährigen betrifft. Zwar ist weltweit ein Rückgang der Neuinfektionen und Sterbefälle zu verzeichnen, doch in einigen hochindustrialisierten Ländern wie Russland hat sich die Zahl der HIV-Infizierten innerhalb von fünf Jahren sogar verdoppelt. Auch das HIV-Virus ist äußerst hartnäckig. Eine Heilung, wie etwa bei einigen Hepatitis-Arten, ist bis heute nicht möglich. Das liegt unter anderem am Vermehrungszyklus, wozu das HIV-Virus Wirtszellen benötigt, die den CD4-Rezeptor (ein Glykoprotein an der Oberfläche von Zellen des Immunsystems) auf ihrer Oberfläche haben. Vor allem die T-Helferzellen dienen als Reservoir, weshalb bei Erkrankten auch regelmäßig die Anzahl dieser Zellen bestimmt werden. Ist eine Zelle erst einmal infiziert, kann sie das Virus als T-Gedächtniszelle lange in sich tragen und als Reservoir dienen. Aus diesem Grund können antiretrovirale Medikamente die Infektion zwar soweit eindämmen, dass das Virus praktisch kaum oder nicht mehr nachweisbar ist; setzt man die Medikamente aber ab, kommt es zu einem Rückfall.

HIV heute in Deutschland In Deutschland spielen HIV und AIDS in der öffentlichen Wahrnehmung leider kaum mehr eine Rolle. Waren vor einigen Jahren noch zahlreiche Plakate und Werbespots zu sehen, die vornehmlich bei jungen Menschen um den 29 Gebrauch von Kondomen warben, sind die Mahnungen heute fast vollständig aus der Medienlandschaft verschwunden. Doch das Robert-Koch-Institut ging noch Ende 2018 davon aus, dass in Deutschland fast 88.000 Menschen mit einer HIV-Infektion leben, wovon geschätzt 10.600 nichts davon ahnen, dass sie eine tickende Zeitbombe in sich tragen.

Ebola, oder wie ein Film die Menschen das Fürchten lehrte Mitte der 70er Jahre gingen furchterregende Bilder einer Epidemie im Sudan und in Zaire um die Welt. Menschen mit schweren hämorrhagischen Fiebersymptomen, Blutungen aus Mund und Nase, geplagt von Schüttelfrost, Kopf- und Gliederschmerzen, Erbrechen und Durchfall waren zu sehen. Die Presse berichtete erstmalig über ein neuartiges Virus, das seinen Ursprung offenbar am Fluss Ebola hatte und später nach diesem benannt wurde. Abgesehen von den fürchterlichen Symptomen, war die hohe Sterberate der Infizierten noch sehr viel beängstigender als bei der Pest oder Spanischen Grippe. Im Sudan starben 151 von 284 Erkrankten. In Zaire zeigte das Ebolavirus eine noch grässlichere Fratze. 284 von 318 erfassten Patienten verloren innerhalb kürzester Zeit ihr Leben. Damit lag die Fallsterblichkeit bei 88%. Das Ebolavirus, das eine Gattung aus der Familie der Foloviridae ist, gehört also nicht umsonst zu den tödlichsten und aggressivsten der Welt und wird vom Center for Disease Control and Prevention (CDC) vollkommen zu Recht als Kampfstoff der Kategorie A geführt. 30 Schlimmer als jeder Film Der nächste größere Ebola-Ausbruch in Gabun, der Demokratischen Republik Kongo und Südafrika verlief etwa zeitgleich mit dem Erscheinen des Pandemie-Thrillers Outbreak – Lautlose Killer in den Jahren 1994, 1995 und 1996. Der Film von Wolfgang Petersen mit Dustin Hoffmann, Morgan Freeman, Rene Russo und Donald Sutherland in den Hauptrollen ist zwar nicht vollends realistisch, zeigt aber doch sehr eindrücklich eben jene Bilder von Infizierten, die bereits 1976 die Zuschauer der Nachrichten erschüttert hatten. So drang das Ebola-Virus, das im Film allerdings nicht ausdrücklich so genannt wird und in puncto Übertragungswege und Inkubationszeit nicht mit dem realen Vorbild übereinstimmt, in die Popkultur der 90er Jahre vor. Von nun hatte jeder Mensch, der den Film gesehen hatte, eine Ahnung davon, welche Auswirkungen eine Ebola-Pandemie weltweit haben könnte. Der Kritiker Denis Hoffmann schrieb passend auf Zelluloid.de: »Man könnte meinen, Petersen hätte sich mit der Natur verbündet. Fast pünktlich zum Kinostart häufen sich die realen Schlagzeilen über die Ebola-Epidemie in Zaire. Dadurch erhält der Film einen zusätzlichen Beklemmungsfaktor, den er aber eigentlich gar nicht gebraucht hätte.« Wie prophetisch diese Aussage klingt, zeigt sich, wenn man sich erneut die Sterbefallrate anschaut, die während der 90er-Jahre-Ausbrüche stets sehr hoch zwischen 50% und 81% lag.

31 rvSV-ZEBOV – ein Ausweg? Seit einigen Jahren versucht man den fünf Ebola-Virusspezies Bundibugyo Ebolavirus, Reston Ebolavirus, Sudan Ebolavirus, Tai Forest Ebolavirus und Zaire Ebolavirus mittels eines Impfstoffs auf die fadenförmige oder auch bazillusförmige sprichwörtliche Pelle zu rücken. Seit 2014 liefen Tests verschiedener Impfstoffe an Menschen. Besonders vielversprechend zeigt sich der Wirkstoff rVSV-ZEBOV, der laut WHO als erster wirksam und abschließend sicher getestet werden konnte. Als im Sommer 2018 eine neue Ebola-Epidemie die Demokratische Republik Kongo zu überrollen drohte, startete die dortige Regierung erfolgreich eine Impfkampagne. Bis November 2018 erhielten mehr als 28.000 Menschen den Wirkstoff, und auch klinische Studien zeigten höchst erfreuliche Ergebnisse. Das ändert natürlich leider nichts daran, dass bis heute kein wirksames Virostatikum existiert und man im Grunde genommen bei Betroffenen nur die Symptome lindern kann. Doch wenn rVSV-ZEBOV erst einmal flächendeckend eingesetzt wird, kann man dem Ebola-Monster vielleicht irgendwann seinen Schrecken nehmen.

SARS-CoV, MERS-CoV, SARS-COV-2 – Verlangsamen ist alles Seit 2002 beschäftigt die Menschheit nun eine Virusgruppe, die den Namen Coronaviridae (Corona = deutsch: Krone) trägt und ursprünglich bei Wirbeltieren wie Vögeln, Fischen oder Säugetieren auftrat. Das SARS-assoziierte Coronavirus, das 2002/2003 die erste 32 bekannte Pandemie mit der Erkrankung SARS (Severe Acute Respiratory Syndrome = schweres akutes Atemwegssyndrom) auslöste, verfügt über eines der umfangreichsten Genome unter den sogenannten RNA-Viren (Viren, deren Erbmaterial aus Ribonukleinsäure besteht). Intensive Untersuchungen führten zu dem Ergebnis, dass das Virus seinen Ursprung wahrscheinlich in einem in Fledermäusen vorkommenden Vorfahren hatte. Dieses Virus entwickelte sich zum humanpathogenen SARS-CoV weiter und verbreitete sich 2002 und 2003 über die Welt. Im Jahr 2003 gelang es schließlich auch, das noch unbekannte Coronavirus zu isolieren. Bis dahin waren allerdings über 700 Menschen gestorben.

MERS-CoV 2012 sorgte ein weiterer Vertreter der Corona-Familie, MERS-CoV (Middle East Respiratory Syndrome Coronavirus) für Aufsehen. Wiederum von Fledermäusen ausgehend, überträgt sich das Virus auf Dromedare und von dort aus sporadisch auf den Menschen. Mensch-zu-Mensch-Ansteckungen sind höchstwahrscheinlich sehr selten, was zu einer relativ geringen Infektionsrate führt. Dennoch erkrankten auf der Arabischen Halbinsel immerhin rund 2.500 Personen, wovon mehr als 850 starben, was einer Fallsterblichkeit von sehr besorgniserregenden 34% entspricht.

Covid-19 – es hat gerade erst begonnen

33 Damit endet dieser Artikel dort, wo er begann, mit der COVID-19-Pandemie, die seit Ende November 2019 die Welt in Atem hält. Das Virus SARS-CoV-2 stellt eine so neuartige Variante dar, dass bislang noch immer diskutiert wird, welche Tiergruppen als Ursprung des zoonotischen Erregers gelten können. Hoch im Kurs steht die Hufeisennasen-Fledermaus, bei der man bereits das verwandte SARS-CoV-1-Virus nachgewiesen hatte. Doch kurze Zeit später fand man im Malaiischen Schuppentier Coronaviren mit einer genetischen Übereinstimmung zu SARS-CoV-2 von 90% und sogar 99% in einer bestimmten Region, die dem Virus die Bindung an die für ihn so wichtigen ACE-Rezeptoren (hilft bei der Regulierung des Volumenhaushaltes des menschlichen Körpers und reguliert den Blutdruck) ermöglicht. Die Gefährlichkeit dieses neuen Erregers wird deutlich, wenn man sich die Infektionskurve genauer anschaut. Am 07. März 2020 meldete die WHO über 100.000 Infizierte weltweit sowie 3.486 Tote. Wie eingangs berichtet, liegt die Infektionsrate fast genau einen Monat später 10-mal höher, die Sterberate sogar 20-mal. Es sollte klar sein, dass COVID-19 noch lange nicht besiegt sein wird, und es ist fraglich, ob ein Impfstoff tatsächlich auf Dauer den gewünschten Erfolg bringt oder ob sich das Virus als ähnlich anpassungsfähig wie das Influenza-Virus erweisen wird. Der Kampf hat gerade erst begonnen, und es liegt in unserer Hand, ihn nicht zu verlieren.

34 Pandemie im SciFi- und Horrorfilm von Thorsten Walch

Das Thema ist in aller Munde, hat uns alle im Griff. Sein Name lautet »Pandemie«. Noch bis vor relativ kurzer Zeit konnte sich kaum jemand vorstellen, dass der Begriff eine Relevanz über Bücher, Filme, Comics oder auch Computerspiele des vorwiegend phantastischen Genres hinaus erlangen könnte. Und zwar genau bis zur derzeitigen weltweiten Situation. Die Science-Fiction, so sagt man, hat stets einen visionären Charakter: Nicht wenige technische Errungenschaften, die es ursprünglich nur auf Celluloid oder Druckpapier gab, sind nach einer Weile Wirklichkeit geworden. Doch leider lässt sich dies auch mühelos auf vieles Negative übertragen, das ebenso Eingang in unsere Realität gefunden hat, darunter auch Szenarien aus dem benachbarten Horror-Genre. Wir vom Corona Magazine möchten zeitgemäß nachfolgend einen kleinen Ausschnitt der SciFi– und Horrorfilme und auch TV-Serien vorstellen, die sich dem Thema »Pandemie« gewidmet haben … teilweise lange Zeit, bevor es damit begann, unsere Wirklichkeit zu bestimmen.

Weltraum-Viren: Andromeda – Tödlicher Staub aus dem All Zu den bekanntesten Science-Fiction-Filmen, die sich der Pandemie-Thematik widmen, gehört bis heute der 1971 entstandene Andromeda —Tödlicher Staub aus dem All von 35 Regisseur Robert Wise. Dieser führte zuvor Regie bei so unterschiedlichen Filmen wie dem Musical Meine Lieder, meine Träume (1965) oder später Star Trek: Der Film (1980). In Andromeda —Tödlicher Staub aus dem All geht es um eine US-Militärraumsonde, die nach Beendigung ihrer Mission in der Wüste von New Mexico niedergeht. Allerdings wurde die Sonde mit einem unbekannten Bakterium offenbar außerirdischer Herkunft kontaminiert. Binnen allerkürzester Zeit rafft eine grauenhafte Seuche fast alle Einwohner der nahegelegenen Kleinstadt Piedmont sowie die Soldaten dahin, die die Sonde bergen sollten: Das gesamte Blut im Körper gerinnt zu Pulverform. Die beiden einzigen Überlebenden sind ein wenige Tage alter Säugling sowie ein alternder Alkoholiker. Im Auftrag der Regierung werden der Wissenschaftler Dr. Jeremy Stone (Arthur Hill) und sein aus den Dres. Dutton (David Wayne), Leavitt (Kate Reid) und Hall (James Olson) bestehendes Team in einem hochgeheimen unterirdischen Laborkomplex mit der Bezeichnung »Steppenbrand« einquartiert, um den »Andromeda« genannten Bakterienstamm zu erforschen und ein Gegenmittel zu finden. Die Seuche breitet sich inzwischen zunehmend im gesamten US-Bundesgebiet aus und befällt plötzlich auch unbelebte Materie, die sich durch sie aufzulösen beginnt. Der Präsident zieht schließlich gar eine atomare Bombardierung betroffener Gebiete in Erwägung, um die Ausbreitung einzudämmen. Dr. Stone und sein Team haben mittlerweile herausgefunden, dass es sich bei dem Bakterium um einen Einzeller auf kristalliner Basis handelt, der seine infektiöse Wirkung durch Einatmen 36 erhält. Fieberhaft gehen sie auf die Suche nach den Gemeinsamkeiten zwischen dem Neugeborenen und dem alten Trinker, die sich für beide als lebensrettend erwiesen haben …

© Universal Pictures Andromeda gehört zu der Art von Filmen, in deren Genre-Bezeichnung das Wort Science in Science-Fiction besonders hervorgehoben wird. Romanautor Michael Crichton besaß Universitätsabschlüsse in Medizin und Biologie. Bereits in der literarischen Vorlage des Films, die er 1969 als 27-jähriger verfasste, punktet er mit reichlich wissenschaftlichen Hintergründen, was Regisseur Wise nahtlos auf die Verfilmung überträgt. Die ausnehmend realistische Schilderung einer unbekannten Bedrohung und damit verbunden der zumindest anfänglichen Machtlosigkeit der irdischen Wissenschaft macht den überaus spannenden und äußerst beklemmenden Film bis heute zu einem Meilenstein der (im wahrsten Sinne des Wortes) wissenschaftlich orientierten Science Fiction. Das 2008 entstandene 2-teilige TV-Remake von Ridley und Tony

37 Scott kann trotz einiger unbestrittener Qualitäten dem Original nicht das Wasser reichen.

Der letzte Mensch auf Erden: Der Omega-Mann Aus dem gleichen Jahr wie Andromeda – Tödlicher Staub aus dem All, 1971, stammt auch Der Omega-Mann, in dem Charlton Heston (Ben Hur) unter der Regie von Boris Sagal die Rolle des (vermeintlich) letzten Menschen auf der Erde spielt. Im Gegensatz zu den wissenschaftlichen Ansätzen in Andromeda ist Der Omega-Mann jedoch mehr ein actionreicher Endzeit-Streifen mit Elementen des Horrorfilms und nahm in seinem Szenario Teile des acht Jahre später erschienenen Kultklassikers Mad Max vorweg. Auch Der Omega-Mann basierte auf einer literarischen Vorlage, dem Roman Ich bin Legende von Richard Matheson, welcher bereits 1954 erschien. Die erste Verfilmung war schon 1964 mit Horror-Ikone Vincent Price in der Hauptrolle unter dem Titel The Last Man On Earth entstanden, doch hatte es der Film nicht bis in die deutschen Kinos geschafft. Obwohl Der Omega-Mann abgesehen von einigen Modernisierungen weitgehend der Romanhandlung folgt, wurden die nicht-menschlichen Überlebenden wesentlich intelligenter als im Buch und auch den beiden anderen Verfilmungen dargestellt. In (für damalige Zeiten) naher Zukunft kommt es zu einem Weltkrieg zwischen der UdSSR und der Volksrepublik China, in dessen Verlauf biologische Waffen zum Einsatz kommen. Einer der verwendeten Bakterienstämme mutiert und wird zu einer Gefahr für die gesamte restliche Welt. Die 38 wenigen Überlebenden der Seuche degenerieren zu bleichen Vampir-Zombie-Hybriden, die kein Sonnenlicht mehr ertragen können und zunehmend tierisches Verhalten annehmen. Der Militärbiologe Dr. Robert Neville (Charlton Heston) kann zwar ein Antiserum entwickeln, stürzt auf dem Weg zur Massenfertigung jedoch mit dem Hubschrauber ab und kann sich lediglich selbst damit impfen. Seitdem ist der Wissenschaftler der titelgebende Omega-Mann, der im entvölkerten Los Angeles sein Leben gegen die bleichen Untoten verteidigen muss. Diese nennen sich schlicht »die Familie« und stehen unter der Führung von Bruder Matthias (Anthony Zerbe). Nachts machen sie gnadenlos Jagd auf Neville. Dabei macht Neville die Bekanntschaft einer Gruppe von Jugendlichen, die von der Seuche und ihren verheerenden Auswirkungen bisher verschont geblieben sind, doch ist einer der jungen Leute bereits erkrankt. Neville versucht, das Leben des Jungen zu retten … Freilich besitzt Der Omega-Mann bei Weitem nicht die Tiefe des erstgenannten Films und ist eher dem Unterhaltungsbereich zuzuordnen. Wenn Charlton Heston mit einem großkalibrigen Gewehr Jagd auf die Untoten macht (die sich übrigens allesamt biblische Namen gegeben haben und das Ende der Welt predigen), fühlt man sich gleich mehrmals an Rambo und Konsorten erinnert. Dennoch ist auch in Der Omega-Mann der erhobene Zeigefinger nicht zu übersehen. 2008 wurde Mathesons Ich bin Legende übrigens ein drittes Mal verfilmt, diesmal unter dem Originaltitel (auch bei uns heißt der Film I Am Legend) und mit Will Smith (Bad Boys For Life) in der Hauptrolle. 39 Obwohl man die Seuchenopfer hierin wieder zu den zombiehaften Gestalten des Romans machte und der Film echten Schauwert hat, weicht er noch weiter von der literarischen Vorlage ab als Der Omega-Mann.

Die Zombie-Apokalypse Unbestritten gehört die Furcht vor völligem Verlust der Selbstkontrolle und des Ich-Bewusstseins zu den ausgeprägtesten menschlichen Urängsten. Ganz sicher liegt hierin auch einer der Grundgedanken bei der Beschäftigung des Horror-Genres mit der Pandemie-Thematik. Bekanntestes und wegweisendstes Beispiel jenes Subgenres, in dem eine Pandemie aus einem Großteil der Menschheit mörderische fleischfressende Untote gemacht hat, ist zweifellos George A. Romeros Klassiker Dawn Of The Dead von 1978. Für die deutsche Kinoauswertung erhielt er anfangs den schlichten Titel Zombie, der für inoffiziell veröffentlichte Videotheken-Bootlegs in den 80er-Jahren gar auf Zombies im Kaufhaus erweitert wurde. Dawn Of The Dead (belassen wir es beim Originaltitel) war der zweite Teil einer Filmreihe von George A. Romero, welche dieser 1968 mit der No-Bugdet-Produktion Die Nacht der lebenden Toten begonnen hatte. Dieser Film war 1971 auch kurzzeitig in deutschen Kinos gelaufen, hatte jedoch keinerlei Anklang gefunden und war hierzulande unbekannt. Dawn Of The Dead schildert in sehr drastischer und damals noch nie zuvor gesehener Weise den Überlebenskampf einer Gruppe von Menschen in einer großteils von Untoten bevölkerten 40 Welt. Wer von den mörderischen Horrorgestalten gebissen wird, verwandelt sich binnen kürzester Zeit selbst in einen von ihnen. Lediglich am Rande erhält der Zuschauer den Hinweis darauf, dass ein Virus hierfür verantwortlich sei, über dessen Ursprung man jedoch nichts weiter erfährt. Hubschrauber- Andrews (David Emge), seine schwangere Freundin Francine (Gaylen Ross) und die Polizisten Peter (Ken Foree) und Roger (Scott H. Reiniger) müssen auf dem Dach eines verlassenen Einkaufszentrums notlanden. Dieses ist nicht allein von den Untoten, sondern auch von einer plündernden Rockerbande bevölkert, und die vier versuchen, aus der infernalischen Situation zu entkommen. Natürlich geht es sowohl in Dawn Of The Dead als auch seinen vier ebenfalls von Romero inszenierten Fortsetzungen und diversen Neuverfilmungen vorwiegend um den hohen Splatter-Faktor. Der Film enthält Gewaltdarstellungen, die auch für abgebrühte Zuschauer der damaligen Zeit nur schwer zu verkraften waren, und entwickelte sich allein deshalb zu einem riesigen Erfolg. Es gab dutzendweise Nachahmungen unterschiedlichster Qualität. Trotzdem muss ganz klar hervorgehoben werden, dass Romeros Dead-Reihe auch sehr offene sozialkritische Züge besitzt: Nicht zuletzt geht es darin auch um die fortschreitende Entmenschlichung während der Pandemie, die bei Weitem nicht allein die seelenlosen Untoten betrifft. Einem (allerdings nur auf den ersten Blick) recht deutlich an Romero angelehnten Stil folgt die populäre, mittlerweile 10 Staffeln umfassende TV-Serie The Walking Dead (seit 41 2010). Sie basiert auf der kürzlich eingestellten Comic-Reihe gleichen Titels von Robert Kirkman und Tony Moore. Produziert wird sie von Frank Darabont und Gale Anne Hurd für den Bezahl-Fernsehsender FOX. Auch hier erfährt man so gut wie nichts über die Umstände, die zur geschilderten Zombie-Apokalypse geführt haben. Nach Romero-Art wurde auch hier der Großteil der Bevölkerung der Erde von einem namenlosen Virus im Zuge einer weltweiten Pandemie in fleischfressende Untote verwandelt. Der ehemalige Sheriff Rick Grimes (Andrew Lincoln) schart eine Gruppe von Überlebenden um sich, darunter den toughen Daryl (Norman Reedus), die einstmals unterdrückte Hausfrau Carol (Melissa McBride), die Schwertkämpferin Michonne (Danai Gurira) und viele weitere mehr. Gemeinsam versuchen sie, wenigstens ein Stück der verlorengegangenen Zivilisation wieder neu zu errichten. Dabei stellen sich ihnen im Laufe der Staffeln vielerlei Gegner in den Weg, darunter der brutale Negan (Jeffrey Dean Morgan) und die psychopathische Alpha (Samantha Morton), die jedoch auf ihre Weise ebenfalls nichts anderes wollen, als lediglich in dem endzeitlichen Szenario zu überleben. The Walking Dead, welches mit Fear The Walking Dead bereits seit 2015 eine Ablegerserie bekommen hat und ab demnächst mit The Walking Dead: World Beyond eine weitere erhalten wird (beide zu sehen bei Amazon Prime), zeichnet sich durch eine Mischung aus niemals zuvor im TV gezeigter Splatter-Härte (… die Romero mitunter vor Neid erblassen lassen würde …) und großer Tiefe der Charaktere 42 aus. Diese werden als Menschen mit Sorgen und Nöten und nicht nur als reines Kanonenfutter für Gore-Szenen gezeigt. So geht es unter anderem auch um die Auswirkungen auf Überlebende, die versuchen, wieder zu einer halbwegs zivilisierten Lebensweise zurückzufinden, sowie um das stets geschilderte Trachten danach, die eigene Menschlichkeit zu erhalten. Einem ähnlichen Muster folgte der bereits 2002 von Danny Boyle (Trainspotting) inszenierte 28 Days Later. Im Gegensatz zur namenlosen Zombie-Apokalypse Romeros erfährt der Zuschauer hier von einem in britischen Labors generierten »Wut-Virus«, mit dem als Versuchstiere gehaltene Schimpansen infiziert wurden. Als militante Tierschutzaktivisten die Affen befreien, kommt es zu einer englandweiten Pandemie, während der die Infizierten ebenfalls in fleischfressende Untote verwandelt werden. Im Gegensatz zu den schwankenden Romero-Untoten sind diese körperlich jedoch ziemlich gewandt und entsprechend schnell. 28 Tage später (daher der Titel) erwacht Jim (Cillian Murphy) in einem Londoner Krankenhaus, wo er von der Seuche bisher verschont geblieben ist. Nachdem Jim festgestellt hat, dass seine Eltern verstorben sind, macht er sich zusammen mit seinen unfreiwilligen Gefährten Selena (Naomi Harris), Mark (Noah Huntley), Hannah (Megan Burns) und Frank (Brendan Gleeson) auf den Weg nach Manchester, wo es in einer vom Militär kontrollierten Sperrzone unter dem Kommando von Major West (Christopher Eccleston) angeblich ein Heilmittel gegen die Seuche geben soll … 43 Der sehr intensive Streifen enthält deutlich weniger harte Gore- und Splattereffekte als Romeros Filme und gestaltet sich um einiges psychologischer, indem er sich mehr den Auswirkungen der Zombie-Apokalypse widmete sowie der Frage, was diese Apokalypse mit den Menschen macht. Die 2007 entstandene Fortsetzung 28 Weeks Later des spanischen Regisseurs Juan Carlos Fresnadillo (Intruders) aus dem Jahre 2007 hingegen schildert den weiteren Fortgang der Geschehnisse aus der Sicht von Tammy (Imogen Poots), Andy (Mackintosh Muggleton), Scarlett (Rose Byrne) und Don (Robert Carlyle). Nachdem England zunächst wieder für »sicher« erklärt wurde und mit amerikanischer Unterstützung unter anderem durch Sergeant Doyle (Jeremy Renner) und seine Leute wiederbevölkert werden soll, erweist es sich, dass man dem »Wut-Virus« doch nicht so leicht beizukommen vermag, wie man sich erhofft hatte. Obwohl sich auch dieser Film von zumeist billig produzierter Zombiefilm-Einheitskost durch seine Eindringlichkeit und höchstmöglichen Realismus abhebt, kann er dem ersten Film der Reihe dennoch nicht das Wasser reichen. Trotzdem ist das Spiel mit dem Wechsel aus Angst und Hoffnung in den Zeiten der Pandemie, die das zentrale Thema ist, hier durchaus hervorzuheben.

Gnadenloser Realismus Zum Abschluss dieses Artikels soll es noch um zwei Filme gehen, die im Zeitraum von etwas mehr als 15 Jahren herauskamen und die Gefahr einer Pandemie in ähnlicher 44 Weise thematisieren, sich dabei jedoch auf verschiedene Facetten konzentrieren. Outbreak – Lautlose Killer ist der Titel des ersten der beiden Filme und entstand 1995. Unter der Regie des deutschen Hollywood-Imports Wolfgang Petersen (Das Boot) sind Dustin Hoffman, Rene Russo, Morgan Freeman und Donald Sutherland Akteure in einem sowohl actionreichen als auch beklemmenden Pandemie-Szenario, das es insbesondere in Sachen Schockeffekte mit so manchem gestandenen Horrorfilm aufnehmen kann. Ein besonderer Aspekt von Outbreak ist die in der Handlung immer wieder thematisierte Kluft zwischen den humanen und den militärischen Interessen in der gezeigten bedrohlichen Situation. Ein jahrzehntelang für besiegt gehaltenes Virus aus dem afrikanischen Busch tritt dort erneut auf. Der Militärvirologe Daniels (Dustin Hoffman) findet bei der Untersuchung einer Blutprobe heraus, dass es sich um eine gefährliche mutierte Variante des Ebola-Erregers handelt. Daniels ahnt jedoch nicht, dass das »Motaba« genannte Virus seinen Vorgesetzten, den Generälen Ford (Morgan Freeman) und McClintock (Donald Sutherland) schon lange bekannt ist. Kurze Zeit später tritt das Virus in der kalifornischen Kleinstadt Cedar Creek auf und fordert schnell erste Todesopfer. Daniels schlägt zusammen mit seiner Ex-Frau Robby Keough (Rene Russo) gegen den Willen seiner Vorgesetzen eine mobile Forschungsstation in der Stadt auf. Während sich das Virus mehr und mehr ausbreitet, kommt

45 der Virologe schließlich einer mörderischen Militärverschwörung auf die Spur … So wie mehrere der in diesem Artikel genannten Filme ist Outbreak trotz des grundsätzlich realistischen Szenarios gleichfalls in erster Linie Unterhaltungskino mit entsprechenden Attributen. Dennoch handelt es sich um einen Film, der im Gedächtnis bleibt. Regisseur Petersen versteht es meisterlich, die Bedrohung durch das Virus auf sehr plastische Weise über die Grenzen der Kinoleinwand hinaus zu transportieren. So gibt es beispielsweise eine enorm eindrucksvolle Szene, in der mittels entsprechender Tricktechnik die Verbreitung des Virus durch Tröpfcheninfektion dargestellt wird – in einem vollbesetzten Kino. Der Verfasser dieses Artikels erinnert sich an überaus heftige Besucherreaktionen im Lichtspieltheater seiner damaligen Heimatstadt. Angesichts der Tatsache, dass viele verordnete Sicherheitsbestimmungen in der realen Pandemie-Situation durch den COVID-19-Erreger ignoriert werden, können Filmszenen wie diese einen durchaus pädagogischen Effekt auf Leute haben, die sich von der Gefahr nicht angesprochen fühlen. Der zweite Film, der in diesem Zusammenhang genannt werden soll, trägt den Titel Contagion und wurde im Jahr 2011 von Regisseur Steve Soderbergh (Solaris) mit Matt Damon, Kate Winslet, Jude Law, Marion Cotillard und Gwyneth Paltrow in den Hauptrollen inszeniert. Während Outbreak bei aller ernsten Thematik eher dem Action-Genre zuzuordnen ist, lässt sich Contagion trotz gewisser

46 Thriller-Elemente eher als eine psychologische Charakterstudie beschreiben. Nach der Rückkehr von einer Dienstreise nach Asien leidet Beth Emhoff (Gwyneth Paltrow) an den Symptomen eines grippalen Infektes mit Fieber und Husten. Nur kurze Zeit später kollabiert sie und verstirbt in einem Krankenhaus. Während ihr Mann Mitch (Matt Damon) ihr beisteht, verstirbt auch Beths Sohn Clark (Griffin Kane). Mitch wird im Krankenhaus unter Quarantäne gestellt, erweist sich jedoch als immun gegen den Erreger, dem seine Frau und sein Stiefsohn zum Opfer gefallen sind. Wenig später bricht eine zunächst USA- und kurz darauf weltweite Pandemie aus. Infolgedessen geht es alsbald überwiegend um die verschiedensten Aspekte, die dies mit sich bringt: die Furcht der Regierungsbehörden vor einem Biowaffenanschlag; die unermüdliche Forschungsarbeit von Wissenschaftlern wie Dr. Mears (Kate Winslet) und Dr. Orantes (Marion Cotillard) zur Entwicklung eines Impfstoffs, aber auch um die Machenschaften des Scharlatans Alan Krumwiede (Jude Law), der sich durch den Verkauf eines wirkungslosen homöopathischen Präparates bereichern will. Dem Realismus geschuldet, kommen viele der Hauptfiguren im Zuge der Handlung zu Tode, was den Film zu einem ebenso geeigneten Mittel der Warnung macht, wie es Outbreak auf seine Weise ist.

Hollywood von gestern »Alles nur Film!«, mag man im sprichwörtlichen Gestern über Filme wie die hier vorgestellten Produkte gesagt 47 haben. Nichts davon ist schließlich die Wirklichkeit. Dass die Zeiten sich geändert haben, muss an dieser Stelle sicherlich nicht eigens erklärt werden. Passen Sie auf sich auf – und bleiben Sie gesund!

48 Echo-Station – Die Star-Wars-Ecke

Ressortleiter Reiner Krauss

Herzlich willkommen zu dieser neuen Rubrik im Corona Magazine, die ganz in der Tradition unserer Star-Trek-Ecke Unendliche Weiten das andere große Sternenfranchise beleuchten wird. Federführend ist in diesem Bereich unser Redakteur Reiner Krauss, den Sie bereits von seinen kenntnisreichen und spannenden Wissenschaftsartikeln kennen. Wir wünschen gute Unterhaltung!

The Mandalorian mit Stagecraft Power von Reiner Krauss

Die neue und bei Fans und Kritikern beliebte Serie The Mandalorian auf Disney+ hat nicht nur am Bildschirm 49 überzeugt, sondern die Filmtricktechnik erweitert und neu definiert. ILM (Industrial, Light & Magic) nennt es »Stagecraft«. Regisseur Jon Favreau geht damit an die Grenzen der Filmtechnik. Er und Lucasfilm haben die so genannte Stagecraft-Technologie entwickelt, die es im Wesentlichen ermöglicht, Bilder auf ultrahochauflösende Bildschirme zu projizieren, die die die Sets regelrecht umhüllen und die Schauspieler damit an fremden Orten agieren lassen, ohne dass sie auf Greenscreens angewiesen sind.

© Lucasfilm Ltd. / Disney+

Hochauflösende, perspektivisch täuschend echt aussehende Landschaften versetzen den Darsteller in noch nie gekannte Filmkulissen. Gedreht wird im Studio mit neuartiger digitaler Rückprojektion. Die Darsteller müssen nicht mehr vor einer blauen oder grünen Leinwand agieren und sich die

50 Umgebung vorstellen – sie sehen sie real und spielen darin. Mit 4k-Laserprojektoren auf großen LCD-Monitoren können beliebige Hintergründe um die Schauspieler herumgeworfen werden. Lebensgroße 3D-Welten entstehen so mit Hilfe des Computers. Die Schauspieler agieren dabei in einer Szenerie, die so echt wirkt, dass sie mit realen Umgebungen verwechselt werden kann. Verändert der Kameramann seine Perspektive, passen die Laser-Projektoren ihre automatisch so an, dass der Blickwinkel stets erhalten bleibt. Ein weiterer Vorteil dieser Technik ist, dass keine ungewollte Reflexion oder Spiegelung auf Schauspieler und Anzüge fällt, sondern stets die gewollte real wirkende Umgebung.

© Lucasfilm Ltd. / Disney+

51 Zudem sinken die Produktionskosten, da kein ganzer Filmstab in ferne Länder und Locations reisen muss, um kurze Szenen zu drehen. Mit Stagecraft kann Lucasfilms sich ferne Landschaften ins Studio holen und binnen weniger Minuten gar die Locations wechseln. Das vermeidet ebenso teure Dreh-Unterbrechungen. Kathleen Kennedy von Lucasfilm und Mandalorian-Regisseurin Deborah Chow sprachen unlängst darüber, wie wirtschaftlich der Einsatz dieser realistischen Technologie bei Dreharbeiten ist. »Es bedeutet, dass man, wenn man eine große, etablierte Aufnahme in Island machen will, nicht 700 Leute mitnehmen und auch nicht vier Monate damit verbringen muss, ein Set vorzubereiten. Es spart tonnenweise Zeit und Geld.«

© Lucasfilm Ltd. / Disney+

52 Weiterführende Informationen zum Thema:

The Mandalorians Special Effects | Stagecraft Explained | Unreal Engine https://youtu.be/pwPkdFYh2Xg

The Mandalorian Nachspann – Eine Hommage an Ralph McQuarrie von Reiner Krauss

Ohne den Künstler Ralph McQuarrie (1929 –2012) hätte es Krieg der Sterne (Star Wars) und alles, was danach kam, nie gegeben, denn die Ideen und Vorstellungen des Regisseurs, Autors und Produzenten George Lucas waren für Filmstudios in den 1970iger Jahren zu abgefahren und zu unvorstellbar. Lucas engagierte sehr früh (1975) einen ersten Mitarbeiter für dieses Projekt. Ralph McQuarrie sollte dessen geschriebene Ideen visualisieren und zum Leben erwecken. McQuarrie gab all diesen Ideen aus tausendundeiner Nacht und in einer Galaxis, weit, weit entfernt, die erste Gestalt – und das in atemberaubenden Bildern.

Aus Worten Bilder machen

53 Seine Zeichnungen sind legendär und einmalig geworden. Erst sie ermöglichten es Filmstudios, zu erkennen, was Lucas mit dem Krieg der Sterne erschaffen wollte, als er von den damals so genannten Abenteuern von Mace Windu und Luke Starkiller (später Skywalker) im ersten Drehbuch schrieb. Seien Bilder brachten die Verantwortlichen bei 20th Century Fox erst dazu, die Produktion zu finanzieren.

© Lucasfilm Ltd. / Disney / Ralph McQuarrie bei ILM, 2008

Als Konzeptzeichner mit guter Vorstellungskraft war Ralph McQuarrie eine der wichtigsten kreativen Kräfte hinter den ersten drei Star Wars-Filmen. In kurzer Zeit skizzierte McQuarrie Charaktere, Landschaften, Raumschiffe und Monster. Er schuf Darth Vader im schwarzen Umhang. Seine

54 Gemälde strotzten vor Fantasie, woran sich die Filmemacher in Lucas' Firma orientierten. Jedem Produktionsgemälde lag eine kleine Story zugrunde. Stets waren die Kameraeinstellungen mitgedacht und wurden oft in den späteren Film übernommen. Viele Spezialeffekte entstanden mit McQuarries Hilfe. In sogenannten Matte Paintings malte er Landschaften oder ganze Planeten auf Glasscheiben. Auf freigelassene Bereiche projizierten Lucas und sein Team dann die Bewegtbilder mit den Schauspielern. Am 3. März 2012 verstarb Ralph McQuarrie an den Folgen seiner Parkinson-Erkrankung. »Vor über 35 Jahren entwarf ein Künstler eine Galaxie, die Filme für immer veränderte und Generationen inspirierte.« So beginnt der Nachruf von Lucasfilm auf einen Menschen, der mit seinen Bildern den Look von Star Wars erst erschaffen hat.

Spiegel Online https://www.spiegel.de/geschichte/star-wars-designer-ral ph-mcquarrie-und-seine-bilder-a-1067854.html

Eine Hommage Im Stil seiner Bilder erleben wir auf Disney+ nun den Abspann oder Nachspann in jeder Folge der erfolgreichen Serie The Mandalorian, wo der Text und die Credits in einer Art Diashow mit Zeichnungen aus den gezeigten Folgen hinterlegt sind. Eine würdige Hommage an einen großen Zeichner und Künstler, der den Look von Krieg der Sterne

55 und somit des ganzen Star Wars-Franchise geprägt hat wie kein anderer.

The Look of Star Wars Sehen Sie eine kleine Auswahl seiner Schaffenskunst. Im Anschluss können Sie weiteren Links folgen, u.a. einer Videodokumentation und Würdigung.

© Lucasfilm Ltd. / Disney / Ralph McQuarrie

© Lucasfilm Ltd. / Disney / Ralph McQuarrie 56 © Lucasfilm Ltd. / Disney / Ralph McQuarrie

© Lucasfilm Ltd. / Disney / Ralph McQuarrie

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© Lucasfilm Ltd. / Disney / Ralph McQuarrie

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© Lucasfilm Ltd. / Disney / Ralph McQuarrie

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© Lucasfilm Ltd. / Disney / Ralph McQuarrie

62 © Lucasfilm Ltd. / Disney / Ralph McQuarrie

© Lucasfilm Ltd. / Disney / Ralph McQuarrie

Weiterführende Informationen zum Thema:

Ralph McQuarrie, Star Wars Concept Artist: Tribute to a Master https://youtu.be/HlcjTqxzWEk

Star Wars Concept Art: 140 paintings by Ralph McQuarrie https://youtu.be/6NH8l_RbrkU

63 Star Wars Art: Ralph McQuarrie. Limited Edition https://www.amazon.de/Star-Wars-Art-Ralph-McQuarrie/ dp/1419717936/ref=sr_1_1?hvadid=80333100464735&hvb mt=be&hvdev=c&hvqmt=e&keywords=ralph+mcquarrie&qi d=1583678026&sr=8-1

This is the way – Mandalorianische Rüstung von Jacqueline Mayerhofer

Mandalorianer. Gerade jetzt dank der neuen Star Wars-Serie The Mandalorian (2019, produziert von Jon Favreau) aktueller denn je. Für etliche der Fans waren Mandalorianer jedoch, speziell aufgrund ihres Vorreiters Boba Fett, wesentlich früher bereits etwas ganz Besonderes und

64 dementsprechend äußert beliebt. Wer verfällt auch nicht ihrer gelassenen Coolness, wenn sie in Rüstung und Helm erscheinen? Eine Ruhe und Überlegenheit ausstrahlen, die ihren Gegnern am Schlachtfeld so richtig imponiert? Denn eines ist sicher: Ke nu jurkadir sha Mando'ade! (Mando’a / Mandalorianisch für: »Leg dich nicht mit Mandalorianern an!«)

© Peter Gludovatz

Auch ich schreibe beispielsweise als Autorin nicht nur über starke Charaktere in auffälligen Rüstungen, sondern

65 verkörpere ebenso in meiner Freizeit gerne solche Figuren in Form meiner eigenen Beskar’gam (Mando’a für »Eiserne Haut«). Mandalorianer haben mich schon immer fasziniert. In schweren Zeiten hat mich ihr Credo motiviert, nicht aufzugeben. Denn wenn sie eines nicht tun, dann zu resignieren, wenn sie auf dem Boden liegen. Nein, Mandalorianer stehen wieder auf und versuchen es so lange, bis es eben klappt. Noch eingenommener von diesem Kodex wurde ich, als ich die Buchreihe Star Wars: Republic / Imperial Commando von Karen Traviss gelesen habe. In diesen fünf Teilen wird nicht nur wunderbar die Kultur der Mandalorianer erklärt, sondern auch gezeigt, wie wichtig einem Clan ebenso Freundschaft und Zusammenhalt ist. Und natürlich, dass Blut nicht immer dicker als Wasser ist, sondern auch Wasser zu brüder-/schwesterlichem Blut werden kann. Als ich dann auch noch erzählt bekam, dass es einen offiziellen Star Wars-Fanclub mit Gleichgesinnten gibt, die sich auf den Bau solcher Rüstungen spezialisiert haben, gab es für mich nur noch eine Option: Ich wollte unbedingt Mitglied der Mandalorianischen Beskarschmiede (www.beskarschmiede.de) werden. Gesagt, getan – ich meldete mich 2015 an und tauschte mich mit den Mitgliedern der Gemeinschaft aus. Meine Rüstung entstand. Immer wieder erhielt ich neue Tipps und Vorschläge, was ich an meiner Beskar’gam verbessern könnte. So habe ich es schließlich geschafft, mein eigenes Cosplay aus Aluminium innerhalb von 1 ½ Jahren (mit Pausen) zu bauen. Die Arbeit mit Aluminium und dem Rest der Rüstung war für mich als 66 Neuling schwierig, zumal mir oftmals physisch die Kraft dazu fehlte, beispielsweise zwei dickere Stücke zusammenzunieten. Die Platten mussten nicht nur ausgeschnitten, sondern auch gebogen, gekantet und manchmal sogar mit dem Hammer getrieben werden – wie für Brust- und Rückenplatte zum Beispiel. Nicht selten flossen Blut und Schweiß, oder es gab Schmerzen jeglicher Art für mich – waren es verletzte Muskeln, Schnitte, eine spitze Feile, die plötzlich ziemlich tief den Daumennagel durchstoßen hatte und dementsprechend im Finger steckte. Letzten Endes jedoch habe ich es geschafft, mein Cosplay tragbar (oder »troopbar«, wie man so schön sagt) zu machen. Zufrieden ist man natürlich nie, und ich habe genug Teile, die ich mittlerweile austauschen oder erneuern möchte – aber wann ist man auch schon mit einem Kostüm je fertig?

67 © Peter Gludovatz

Meine Intention hinter der ganzen Sache war jedoch nicht nur die, dass ich eine mandalorianische Rüstung aus festem Aluminium mein Eigen nennen darf oder gar lediglich Mitglied einer offiziellen Interessensgemeinschaft bin, sondern die ganze Kultur und Einstellung der Mandalorianer, die gerade jetzt mit The Mandalorian endlich wieder das ist, was sie immer schon war. Mit meinem Kostüm stelle ich einen von mir eigens erschaffenen Charakter namens Sheyla Beroya (inklusive Hintergrundgeschichte) dar. Eine kleine Randnotiz dazu:

68 »Beroya« ist ebenso ein Wort auf Mando’a und bedeutet »Kopfgeldjäger«. Und ganz ehrlich, so eine Beskar‘gam ist nicht nur verdammt cool, sondern gerade bei eigenen Kreationen fühlt sie sich einfach nach mehr an als nur einem Cosplay. Sie fühlt sich real an – als würde man einfach in seine Rüstung schlüpfen, wenn es gerade einen passenden Anlass dazu gibt. Meinen ersten gerüsteten Auftritt hatte ich tatsächlich 2017 bei einer Hochzeit von Freunden. Danach folgten ein Kino-Event zu Star Wars Episode VIII, noch eine Hochzeit, Fotoshootings und ein weiteres Kino-Event zu Star Wars Episode IX, bei dem wir wie immer zusammen in unseren Kostümen verschiedene Star Wars-Charaktere verkörpern und für Fans für Fotos zur Verfügung stehen. Bis jetzt habe ich es leider noch auf keine Convention geschafft, doch das sollte nichts sein, was sich nicht nachholen ließe.

In diesem Sinne: Oya! This is the way.

501st Legion - Bad guys doing good! von Lujayne Sealya

69 Wer schon mal eine größere Convention besucht hat, dem sind bestimmt Darth Vader, Kylo Ren oder die vielen Stormtrooper der 501st Legion aufgefallen. Aber wer steckt hinter dem weltweit größten Star Wars-Kostümclub, der in 68 Ländern rund um den Erdball aktiv ist und rund 14.000 Mitglieder zählt? Allein 900 Aktive davon bei der German Garrison in Deutschland?

70 ©: Lujayne Sealya / Austrian Garrison 501

Seit 1997 verbreitet die 501st Legion, auch bekannt als 501st oder Vader’s Fist, die Magie der Star Wars-Saga mit ihren selbst angefertigten und authentischen Kostümen. Dabei haben sich die Mitglieder der »Dunklen Seite« und dem Galaktischen Imperium verschrieben – den Bösewichten, Schurken und zwielichtigen Kreaturen aus allen Generationen von George Lucas‘ einzigartiger Science Fiction-Saga. Ziel ist es, das Interesse und die Begeisterung der Öffentlichkeit für Star Wars durch die Herstellung und das Tragen von Kostümen zu fördern, mit diesen Kostümen den Besuchern von Fan-Events und Veranstaltungen – egal ob jung oder alt – unvergessliche Star Wars-Erlebnisse zu bescheren und durch Freiwilligenarbeit karitative Zwecke und Wohltätigkeitsprojekte zu unterstützen. Die von den Mitgliedern getragenen Kostüme sind das Ergebnis mühevoller Recherche, sorgfältiger Kleinarbeit und jeder Menge Hingabe, denn der Großteil der Kostümteile wird von den Mitgliedern selbst handgefertigt und zusammengebaut. Ihr könnt euch also vorstellen, dass zum Beispiel in einem Boba Fett-Kostüm mit all seinen unendlich vielen Details sehr viel Herzblut steckt. Erraten Sie die drei beliebtesten Kostüme der 501st Legion? Die Auflösung folgt am Ende dieses Berichtes. Als Albin Johnson (TK 210) die 501st Legion 1997 gründete, wählte er den Namen als Bezeichnung für eine fiktive Einheit imperialer Sturmtruppen, auf deren Struktur der Zusammenschluss der ersten Sturmtruppler basieren 71 sollte. Als Zeichen der Anerkennung für ihre Leistungen und mit Unterstützung von Lucasfilm wurde der Name der 501st Legion seither in Büchern, Filmen, Videospielen und sogar in Form einer Actionfigur verewigt. 2008 erhielt die 501st Legion aufgrund ihrer hohen Mitgliederzahl sogar einen Eintrag ins Guinness-Buch der Rekorde. Auch wurden einige 501st Legion Stormtrooper mit ihren Rüstungen in der neuen Star Wars-Serie The Mandalorian engagiert und durften in einer Episode das Imperium repräsentieren. Sicher ein Traum für jeden Star Wars-Fan!

©: Lujayne Sealya / Austrian Garrison 501

In erster Linie hat sich die 501st aber zu einem Vorreiter bei der Unterstützung wohltätiger Zwecke durch Fangruppen

72 entwickelt. Die Mitglieder bringen Kinderaugen zum Leuchten bei kleinen privaten Geburtstagsfeiern oder besuchen Kinder im Krankenhaus. Sie selbst könnt auf Events unsere Spendenpartner wie zum Beispiel die Kinderkrebshilfe oder die Make-a-Wish Foundation mit einem Betrag in den Spendentopf unterstützen. Bad guys doing good! Die Gründe, warum ich seit nunmehr 14 Jahren im Namen der 501st Legion für die Austrian Garrison immer wieder voller Begeisterung als TK8558 in meinem Stormtooper, Mudtrooper oder als Imperialer Offizier unterwegs bin, sind vielfältig: Zum einen bin ich unheimlich stolz auf meine Kostüme, und es macht Spaß, in die Rolle des elitären und »bösen« Imperiums zu schlüpfen. Einmalig ist das Erlebnis, zusammen mit 280 Kostümierten einer der 62 Stormtrooper zu sein, die zum Klang des Imperialen Marsches die Parade durch das Legoland bestreiten. Das ist Gänsehaut pur. Aber noch mehr liebe ich es, Kindern ein Lächeln ins Gesicht zu zaubern. Ich erinnere mich gerne an eine Familie, die ein Foto mit uns Stormtroopern machen wollte. Dem kleinen Mädchen waren wir ein wenig unheimlich, und sie hat sich zuerst länger nicht getraut, sich neben uns zu stellen. Der Bruder meinte irgendwann genervt: »Star Wars, das ist halt nichts für dich, das können nur mutige Jungs.« Daraufhin habe ich den Stormtrooper-Helm abgenommen und meinte zum Mädchen: »Mädchen sind genauso mutig!« Ich glaub, ich hab noch nie ein solch strahlendes Lachen gesehen. Ein weiteres Highlight für mich sind auch die 73 ganzen grenzüberschreitenden Bekanntschaften und sogar Freundschaften, die ich über die Jahre schließen durfte. Ich habe 501st-Freunde in Deutschland, Schweiz, Italien, Luxemburg, Monaco, Kroatien, Niederlande, USA, die allen möglichen Nationalitäten angehören, und darunter sind viele Menschen, die ich ohne die 501st nie kennen gelernt hätte! So fühlt sich jedes Treffen, egal wo auch immer das ist, ein wenig nach Familienfeier an. Wenn Sie sich fragen, was die Aufnahmekriterien bei der 501st sind, dann ist das schnell zusammengefasst : Einzig ein filmakkurates Kostüm der »dunklen« Seite, welches für jedes Kostüm in einem Vorgabenkatalog, der sogenannten Costume Reference Library (CRL) geregelt ist, ist notwendig, eine jährliche Teilnahme an einem offiziellen 501st Event, sowie das Mindestalter von 18 Jahren sind Pflicht. Also, sprechen Sie uns an, wenn Sie uns das nächste Mal treffen. Wir sind gar nicht so böse und hoffen, Sie für das Imperium und die 501st Legion begeistern zu können! Und übrigens: Die Top-3-Kostüme der 501st sind -–Stormtrooper, TIE-Pilot und Officer. Habt Sie es erraten?

Imperiale Grüße Lujayne Sealya TK8558 - Austrian Garrison 501st Legion

74 Die verrücktesten Star-Wars-Fans und ihre Ideen: Der weltgrößte R2-D2 von Hubert Zitt von Reiner Krauss

Der vielfach bekannte Star-Trek-Experte und Dozent an der Fachhochschule Kaiserslautern, am Standort Zweibrücken, sowie Begründer der Star-Trek-Vorlesung hat auch ein Herz für Star Wars, und die Hochschule und die dortige Sternwarte wurden um eine Attraktion bereichert. R2-D2, der weltberühmte Droide, strahlt in groß vom Hügel auf dem Kreuzberg. Seitdem auch Mark Hamill (Luke Skywalker) dies entdeckte und auf Twitter teilte, ging es weltweit viral.

© Hubert Zitt 75 Die Corona-Magazine-Redaktion hat Hubert Zitt selbst befragt, wie es zu diesem Projekt kam, und er antwortete bereitwillig. »Die Sternwarte erinnerte ja schon vorher ein bisschen an R2-D2. Der Gedanke, die Sternwarte so zu streichen, schwirrte schon seit Jahren in meinem Kopf rum. Und obwohl ich das nie geäußert habe, haben mich immer mal wieder Studenten angesprochen, die den gleichen Gedanken hatten. Nachdem die Sternwarte in den letzten Jahren in einem bescheidenen Zustand war (schmutzig, mit Graffiti beschmiert usw.), habe ich dann im Frühjahr bei der Mitgliederversammlung des Naturwissenschaftlichen Vereins, der die Sternwarte gebaut hat und auch betreibt, meine Idee vorgestellt. Der Verein fand meine Idee gut und hat sich bereit erklärt, das Projekt zu finanzieren. Von der Hochschulleitung habe ich auch grünes Licht bekommen. Und so habe ich nur noch auf den richtigen Augenblick gewartet. Denn bei so einem Projekt muss man erstens Zeit haben, und zweitens muss das Wetter mitspielen. Beides war im August gegeben, und so haben wir am 16. August damit begonnen, die Sternwarte zunächst zu reinigen. Am 20. August bekam sie dann einen neuen Grundanstrich, und an weiteren vier Arbeitstagen haben wir die bis dahin weiße Sternwarte in R2-D2 verwandelt. Wir, das sind vor allem ich selbst, Malermeister Klaus Ruffing, mein Schwiegervater Horst Helle und außerdem

76 mein Assistent Mathias Bauer sowie der Student Luca Hartmuth, die spontan mitgeholfen haben. Die Fakten: 6 Arbeitstage, ca. 120 Arbeitsstunden (insgesamt), ca. 400,00 Euro Materialkosten.« Eine wirklich gelungene Umsetzung einer tollen Idee, und die Hochschule in Zweibrücken ist um eine spektakuläre Attraktion und »Fan-Pilgerstätte« reicher.

77 Werbung

78 Star Wars – Das Rollenspiel: Abenteuer in einer weit, weit entfernten Galaxis von Peter R. Krüger

Wer wollte nicht schon immer mal als Jedi-Ritter-Planeten bereisen, als Schurke Waren am Imperium vorbeischmuggeln und das Herz einer herumirrenden Prinzessin erobern? Vielleicht als Wookie unverständliches Brüllen von sich geben und beim Holo-Schach jemanden den Arm auskugeln? Oder einfach nur mit einem X-Wing drauflos fliegen, TIE Fighter wegpusten und sich anschließend als Held feiern lassen? Mit dem Star-Wars-Rollenspielsystem aus dem Hause Fantasy Flight Games, das hierzulande von Ulisses Games herausgebracht wird, ist all das möglich … und noch viel mehr. Dabei gliedert sich das Grundregelwerk auf. Es gibt nämlich nicht nur ein Grundregelwerk, sondern gleich drei. Das klingt ungewöhnlich? Ist es auch. Aber aus gutem Grund. Normalerweise gibt es für ein Rollenspielsystem ein Grundregelwerk und eventuell noch weitere Bücher, die das jeweilige System mit Hintergründen, neuen Gegnern, Spielleiterinfos, Abenteuern etc. pp. ergänzen. Ergänzungsbücher gibt es auch bei Star Wars, aber eben auf diese drei Grundregelwerke aufgeteilt. 79 Kommen wir also zum Punkt. Warum drei Grundregelwerke? Ähnlich wie die Geschichte von Luke Skywalker in den drei Originalepisoden strukturiert ist – also vom einfachen Farmerjungen am Rande des Imperiums zum X-Wing-Piloten und Rebellen im Zeitalter der Rebellion bis hin zum Jedi-Ritter, der über Macht und Schicksal entscheidet – sind auch diese drei Grundregelwerke aufgegliedert. Und die Titel der einzelnen Werke habe ich eben schon verraten. Am Rande des Imperiums, Zeitalter der Rebellion und Macht und Schicksal. Jedes Buch behandelt eine bestimmte Epoche in der Star-Wars-Geschichte und lässt sich grob der Originaltrilogie zuordnen. Aber werfen wir doch einmal einen Blick in die Bücher, um festzustellen, was für einen Umfang sie bieten. Jedes einzelne Regelwerk umfasst über 450 Seiten Inhalt. Immer sind dreizehn Kapitel enthalten, die mit den Grundregeln anfangen, dann zur Charaktererschaffung überleiten und viel Interessantes und Wissenswertes über die Spielwelt darlegen. Die ersten acht Kapitel sind für alle Spieler wichtig; ab Kapitel neun sollte nur noch der Spielleiter weiterlesen. Denn die Informationen sind von da an wichtig, um Abenteuer vorzubereiten und die Star Wars-Welt lebendig zu gestalten. Wer dennoch zum Beispiel wissen möchte, welche Informationen zu Planeten wie Tatooine, Alderaan oder Dagobah in diesen Büchern zu finden sind, sollte seinen Spielleiter entscheiden lassen, wann es Zeit ist, darüber Bescheid zu wissen. Es könnte sonst passieren, dass Sie vielleicht doch noch eine wichtige 80 Information lesen, die Ihnen als Spieler noch gar nicht bekannt sein dürfte. Aber wenn Ihnen das Spiel Spaß macht, dann werden Sie bestimmt noch früh genug auch Planeten wie Hoth, Ord Mantell oder Nal Hutta besuchen. In allen drei Regelwerken zusammen befinden sich vierundzwanzig Planeten, die von rund zwanzig einzigartigen spielbaren Völkern (Mensch, Twi’lek, Ithorianer, Zabrak u.v.m.) besucht werden können. Doch das ist längst noch nicht alles. Wie es sich für ein Rollenspiel gehört, sucht man sich ja nicht nur aus, welches Volk man darstellt, sondern auch, welcher Klasse oder Profession man angehören möchte. Hier heißen diese Berufe und Spezialisierungen. Und über alle drei Regelwerke haben die Spieler dann die Auswahl aus achtzehn Berufen, die sich auf vierundfünfzig (54!) Spezialisierungen aufgliedern. Das ist wirklich viel. Hierbei kann ein Spieler zum Beispiel entscheiden, ob sein Schmugglercharakter nun ein Dieb, ein Pilot oder ein Schurke sein möchte. Alle Varianten aufzuzählen, wäre etwas viel, aber eines kann festgehalten werden. Hier lässt sich der gewünschte Charakter ganz Star Wars-passend individuell gestalten. Muss man alle drei Grundregelwerke kaufen, um das Spiel spielen zu können? Nein, muss man nicht. Denn jedes Regelwerk orientiert sich, wie bereits erwähnt, auf eine bestimmte Zeit im Star Wars-Universum. Der Vergleich mit Luke Skywalkers Entwicklung ist hier entsprechend zum Inhalt der Bücher. Wobei festgehalten werden muss, dass auch die 81 Entwicklung von Jedi-Charakteren etwa den jeweiligen Stand von Luke aufweisen. Richtige, echte Jedis gibt es nur im schwarzen Buch Macht & Schicksal. Andere Charaktere spielen aber in jedem Regelwerk eine Rolle.

Wie wird gespielt? Wie bei Rollenspielen üblich, suchen sich die Mitspieler einen Charakter aus bzw. stellen ihn zusammen, um dann Abenteuer zu erleben. Die wichtigen Daten, was der Charakter wie gut kann, sind auf dem sogenannten Charakterbogen festgehalten, und das Ganze läuft meist als Erzählspiel ab. In Situationen, in denen es dann aber darauf ankommt, dass etwas schief gehen oder auch etwas ganz besonders gut gelingen kann, sind die Würfel gefragt. Schafft es mein Hacker, sich in das imperiale

82 Computersystem einzuloggen? Kann mein Dieb sich an den Wachen des Unterweltbosses vorbeischleichen? Gelingt es meinem Jedi, wenn er mit Zeige- und Mittelfinger vor den Augen des Bothaners herumwedelt, ihn davon zu überzeugen, dass er den Speeder für die Hälfte des Preises verkauft? Irgendwann kommen zwangsläufig Momente, in denen man feststellen muss, ob eine Aktion gelingt. Aber auch hier hat das Star Wars-Rollenspiel eine Überraschung parat. Die Würfel weisen nämlich keine Augen oder Zahlen, sondern Star Wars-typische Symbole auf. Anhand derer ermittelt man dann, ob eine Aktion geglückt ist oder verpatzt wurde. Im Grundsatz stehen bei einem Wurf dann Begabungs- gegen Schwierigkeitswürfel, die beide aber durch verschiedene Umstände auf Trainings- bzw. Herausforderungswürfel erhöht werden können. In besonders schwierigen Momenten kommen dann noch Komplikationswürfel dazu, denen wiederum Verstärkungswürfel gegenüber stehen, falls besonders positive Umstände zum Tragen kommen. Das wirkt vielleicht kompliziert, doch sobald die Würfel gefallen sind und man die erste Auswertung macht, merkt man, wie der Hase läuft, oder sagen wir lieber, wie das Lichtschwert geschwungen wird.

83 Der große Vorteil dieses Würfelsystems ist es nämlich, dass nicht einfach stur Zahlen heruntergerechnet werden (getroffen, Rüstung überwunden, man verliert zehn Trefferpunkte … gähn), sondern dass alle Spieler am Tisch aufgefordert sind, das Würfelergebnis in ihre Erzählungen, in ihr Spiel, mit einzubeziehen Die Würfelergebnisse werden hier als Erfolg, Vorteil und Triumph sowie Fehlschlag, Bedrohung und Verzweiflung gewertet. So kann es auch schonmal zu einem Ergebnis kommen, bei dem eine geplante Aktion zwar in einem Fehlschlag endet, dennoch ein Triumph errungen werden konnte. (Ich habe zwar meinen Schuss auf einen Imperialen verrissen, stattdessen wurde aber die Steuerungseinheit der Tür getroffen, die sich sofort geschlossen hat. Die Sturmtruppler werden wohl einen Moment brauchen, um da durchzukommen).

84 Das System geht nach ein, zwei Würfen schnell von der Hand und hat den großen Vorteil, dass es sehr atmosphärisch ist. Hier kommt schnell Star Wars-Feeling auf. Im Prinzip ist das auch in allen drei Grundregelwerken gleich, sodass sich alle Bücher problemlos miteinander kombinieren lassen. Warum also drei Regelwerke? Hätte eins nicht ausgereicht? Vermutlich hätte man die Inhalte auch in ein Buch quetschen können. Doch abgesehen von den gleichen Spielregeln beinhaltet jedes Buch andere Spezies, andere Berufe und Spezialisierungen, andere Planeten und andere Hintergrundthemen. Würde man versuchen, all das in einem Buch unterzubringen, wäre dieser Band dann weit über tausend Seiten dick. Denn es überschneiden sich nur etwa achtzig Seiten in den drei Werken.

Am Rande des Imperiums Dieser Band richtet sich zuallererst an diejenigen, die Han Solo, Chewie und Lando als ideale Charaktere im Star Wars-Universum sehen und sich gerne mit zwielichtigen Gestalten wie den Hutts oder der Schwarzen Sonne abgeben. Jedi-Jünglingen steht hier noch recht wenig Macht zur Verfügung. Der besondere Aspekt dieses Regelwerks liegt zudem auf der Verpflichtung der Charaktere, die bei jedem Spieltag zum Tragen kommen kann (aber nicht muss).

85 Zeitalter der Rebellion Im Weltraum auf TIE Fighter ballern, auf Tatooine Womb-Ratten jagen oder Torpedos in kleine Löcher schießen? Das ist die Rebellion. Aber auch auf ungastlichen Planeten gegen Sturmtruppler kämpfen, AT-ATs mit Seilen zuschnüren oder auch auf diplomatischen Wegen mit Gouverneuren zu verhandeln gehört dazu. Wem das alles nichts ist, der kann sich auch als Spion unter die Imperialen mischen und Geheimpläne stehlen oder heimlich böse Imperiale abmurksen. Viva la revolución! Jedis wachen hier langsam auf und werden sich ihrer Fähigkeiten allmählich bewusst. In Zeitalter der Rebellion steht die Pflicht im Fokus, die jeder Charakter zu erfüllen hat. 86 Macht und Schicksal Endlich Laserschwerter schwingen und Sith mit der Macht ausschalten. Würgen ist leider nicht so gern gesehen, aber es gibt auch noch andere Möglichkeiten, wie man als Jedi die bösen Widersacher ausschalten kann. Moral spielt hier eine ganz wichtige Rolle, denn die dunkle Seite der Macht ist verführerisch. Zudem gibt es hier auch noch ausführliche Informationen zu den Jedi und den Sith, der alten Republik, dem Imperium und der neuen Republik.

87 Alles in allem ist das Star Wars-Rollenspielsystem von Fantasy Flight Games ein sehr gelungenes und atmosphärisches Rollenspiel. Anfangs noch vom Heidelberger Spieleverlag in Deutschland vertrieben, steht nunmehr der Ulisses Verlag für gute Qualität ein.

88 Wer sich zwar für die Systeme interessiert, sich aber nicht sicher ist, ob er mit den speziellen Würfeln und Regeln klar kommt, dem sei eines der wirklich anfängerfreundlichen Einsteigersets empfohlen, die aber auch für Rollenspielprofis viel brauchbares Material liefern, um spannende Abenteuer in diesem beliebten Universum

89 erleben zu können, allen voran das jeweils enthaltene Würfelset. Möge die Macht mit uns allen sein.

Die Geschichte des Starkillers: Star Wars Comic-Kollektion 73: The Force Unleashed von Ansgar Imme

The Force Unleashed war ein multimediales Cross-over-Event, welches auf dem gleichnamigen Konsolenspiel basierte, das in 2008 erschienen ist. Eigentlich war das Erscheinen zum 30-jährigen Jubiläum in 2007 vorgesehen, aber man konnte den Termin nicht einhalten. Neben dem Spiel erschienen der hier beschriebene Comic wie auch ein Roman, Hasbro-Actionfiguren, LEGO-Spielzeuge, Merchandising und anderes.

Chronologisch spielt die Handlung zwei Jahre vor der Schlacht um Yavin, also zwischen den Teilen 3 und 4 – Die Rache der Sith und Eine neue Hoffnung. Anakin Skywalker a.k.a. Darth Vader ist im neuen Imperium als Vollstrecker des Imperators aktiv und verfolgt überlebende Jedi der Order 66. Im Geheimen hat er bei der Ausschaltung zweier Jedi ihr machtbegabtes Kind entdeckt und es als Schüler angenommen, ihm den Namen Starkiller gegeben und es ausgebildet. 90 Das Geschehen beginnt mit der Suche von Senator Bail Organa und der imperialen Offizierin Juno Eclipse nach dem Droiden Proxy, welcher einst Starkiller gehörte. Sie wollen von ihm erfahren, was Starkiller plante und was er auf dem Planeten machte, als Vader ihn angriff. Proxy erzählt in einem Rückblick, wie Starkillers Ausbildung endete und er als erste Prüfung von Vader die Suche nach einem überlebenden Jedi-Meister aufgetragen bekam. Es folgten weitere Prüfungen, bei denen er auch in Vaders Machenschaften verwickelt wurde, die anscheinend auch

91 mit Intrigen Vaders gegen den Imperator zu tun hatten. Starkiller musste sich fragen, ob er seinem Meister Darth Vader wirklich vertrauen konnte. Gleichzeitig fühlte er auch eine Verbindung zur entstehenden Rebellenallianz – für welche Seite sollte sich Starkiller entscheiden? Die Handlung bildet im weitesten Sinne den Verlauf des Konsolenspiels ab, was aber gar nicht nachteilig ist. Die Autoren haben mit ein paar Anpassungen eine runde und spannende Geschichte aus der Vorlage gebildet, der man ihre Herkunft nicht anmerkt und die sich flüssig lesen lässt. Eine Mischung aus ruhigen Szenen und Action bietet eine gute Abwechslung. Die Idee des Rückblicks durch den Erzähler Proxy ermöglicht zudem einen Blick von außen auf die Figur Starkillers, womit eine geraffte Hintergrundbeschreibung erfolgen kann, ohne zu weit auszuholen. Aber auch die weiteren Ereignisse und Pläne Starkillers ermöglichen eine andere Perspektive und damit Beurteilung und Erklärung für den Leser. Für Spieler des Konsolenspiels ist natürlich nichts wirklich Neues dabei, sodass diese keine Überraschungen erleben werden. Bei den Figuren liegt erwartungsgemäß der Schwerpunkt deutlich auf Starkiller, während die anderen eher Stichwortgeber sind oder ihre Bedeutung nur gestreift wird. Gerade Proxy oder Juno wirken dabei durchaus interessant und hätten mehr Handlung verdient gehabt. Dafür tauchen – wenn auch nur in kurzen Episoden – einige bekannte Nebenfiguren wie Bail und (eine junge) Leia Organa, Mon Mothma, Shaak-Ti sowie natürlich Darth Vader und der Imperator auf. Letztere haben immerhin einen stärkeren 92 Handlungsbezug. Die Hauptfigur Starkiller wirkt oft zu mächtig und kaum mit Schwächen versehen, die zudem fast dem Imperator an Macht gleicht. Natürlich hatten die Autoren hier nicht viel Spielraum, da das Spiel dies vorgab, aber ein paar Schwächen mehr hätten der Geschichte durchaus gut getan und andere Personen stärker einbinden können. Zeichnerisch gibt es nicht viel zu meckern. Die Gesichter sind gut erkennbar und unterscheidbar, die dynamischen Actionszenen packen den Leser, Details sorgen für Stimmung. Auch die Farben, die Hell-Dunkel-Kontraste oder Anordnung der einzelnen Bilder sind gut und ansprechend gelungen. Es gibt sicherlich einzelne Bände mit besserer künstlerischer Gestaltung, da an manchen Stellen noch kleine Verbesserungen möglich wären (etwa beim Detailgrad der Gesichter). Insgesamt kann man hier aber zufrieden sein.

Fazit Spieler des alten Konsolenspiels werden nicht viel Neues im Comic entdecken. Wenn das letzte Spiel aber lange genug her ist oder man die Handlung eben gar nicht kennt, bekommt man eine spannende, flotte Geschichte, die einen Übergang zwischen Episode 3 und 4 darstellt und gut unterhält.

Star Wars Comic-Kollektion 73: The Force Unleashed Comic Haden Blackman, Bong Dazo, Brian Ching u.a. 93 Panini Comics 2019 ISBN: 978-3741610547 128 S., Softcover, deutsch Preis: EUR 13,99

94 Unendliche Weiten – Die Star-Trek- Ecke

Ressortleiter Thorsten Walch

Kolumne: Star Trek und die Religion von Thorsten Walch

Sie ist zweifellos eines der wahrhaft universellsten und damit unausweichlichsten Themen der heutigen Zeit: die Religion. Selbst wenn man sich vor langer Zeit von ihr abgewendet hat, dürfte es quasi unmöglich sein, ihr aus dem Weg zu gehen: Das Thema ist omnipräsent in Presse, Fernsehen und auch allen anderen Medien der heutigen 95 Zeit. Und es findet natürlich auch reichlichen Zugang in jene Welten, in die wir Nerds und Geeks uns so gerne zurückziehen. Grund genug, in dieser Kolumne einmal einen Blick auf den Einfluss zu werfen, den die Religion auf unser aller Lieblings-Universum, die Welt von Star Trek, ausübt. Schließlich wurde auch dem Star Trek-Franchise selbst ja bereits wiederholt vorgeworfen, zumindest pseudoreligiöse Züge zu beinhalten.

Atheismus in spiritueller Zeit Star-Trek-Schöpfer Gene Roddenberry war bereits seit seiner Jugendzeit ein überzeugter Atheist. Was diesen Umstand bedingt hat, ist unbekannt. Doch hielt Roddenberry Religionen beziehungsweise die Anhänglichkeit an sie für den Grund vieler Missstände auf der Welt. Unrecht hatte er zweifellos nicht mit seiner Sichtweise, da mehr oder weniger aus Glaubensgründen ausgefochtene Konflikte und gar Kriege in den 60er-Jahren ebenso das Bild des Zeitgeschehens bestimmten, wie es heute der Fall ist. Aus diesem Grund war es ein wichtiger Punkt für ihn, dass die Religion in seiner Utopie mit dem Titel Star Trek keine Rolle mehr spielen sollte. Das Raumschiff Enterprise sollte etwa ebensowenig einen Bord-Geistlichen haben, wie man Kruzifixe in der Offiziersmesse zu sehen bekommen würde. Das Thema sollte einfach keinen besonderen Stellenwert in Roddenberrys Vorstellung vom 23. Jahrhundert haben. Vermutlich zeigte sich damals bereits im Vorfeld, dass sich dies nicht umsetzen ließ: Die Religion nämlich, vermischt 96 mit der ihr ähnlichen, aber dennoch abweichenden Spiritualität gehörte zu den dominantesten Themenbereichen der 60er-Jahre. Ausgelöst durch die Flower-Power-Bewegung, umgangssprachlich auch häufig als »Hippie-Kult« bezeichnet, hatten viele insbesondere junge Menschen damit begonnen, sich mit fernöstlichen Religionen wie dem Buddhismus, dem Hinduismus oder auch der Hare-Krishna-Bewegung unter deren Anführer Bhagwan Shree Rajneesh zu beschäftigen. Prominente Bands wie die Beatles oder The Doors trugen diesem neuen Trend in ihrer Musik Rechnung. Wenn Roddenberry also in seiner Zukunftsvision die damalige Gegenwart in vielerlei Hinsicht reflektieren wollte, kam Star Trek um das Thema ergo nicht herum.

Star Trek: The Original Series — »… von Magie nicht zu unterscheiden« Von dem berühmten Science-Fiction-Autor Arthur C. Clarke (1917-2008, Die letzte Generation) stammt der Ausspruch »Jede hinreichend fortgeschrittene Technologie ist von Magie nicht mehr zu unterscheiden« aus dem Jahr 1962. Es hat den Anschein, als habe sich Gene Roddenberry für seine Behandlung religiöser Themen an dieser Aussage Clarks orientiert, zumindest teilweise. Meist handelte es sich bei »göttlichen Wesen«, denen Captain Kirk und die Crew der Enterprise auf ihren Reisen begegneten, um hochentwickelte Aliens oder aber um missverstandene beziehungsweise missbrauchte Technologien. In Der Tempel des Apoll etwa erwies sich der titelgebende griechische Gott 97 als eines von mehreren arroganten außerirdischen Wesen, welche die Erde in antiker Zeit besucht und sich dort zum Götterpantheon des alten Griechenland aufgeschwungen hatten. In Die Stunde der Erkenntnis hingegen verehrte ein primitives Planetenvolk den zurückgelassenen Computer einer hochentwickelten Zivilisation, die deren Welt schon lange verlassen hatte, als Gott. In Landru und die Ewigkeit hingegen konnte der Herrscher einer hochentwickelten Planetenbevölkerung seine Persönlichkeit in einen Computer einspeisen, der in seinem Namen Jahrtausende lang als unsterbliche Wesenheit eine strenge Diktatur führte. In Star Trek V – Am Rande des Universums tritt sogar Gott selbst in Erscheinung, was Captain Kirk zu der ikonisch gewordenen Frage geführt hat, wozu Gott denn ein Raumschiff braucht. Natürlich erwies sich der vermeintliche Gott erneut als hochentwickeltes, in diesem Fall bösartiges Alien, aber dennoch erfuhr die Trekkie-Gemeinde, dass auch die Vulkanier, die Romulaner und die Klingonen durchaus Paradies-Mythen kennen. Auch sonst scheint die Religion aus dem Alltagsleben des 23. Jahrhunderts nicht völlig verschwunden zu sein: In der Episode Spock unter Verdacht werden zwei junge Crewmitglieder von Captain Kirk in einer Art Andachtsraum getraut, in dem sich ein Altar befindet. Allerdings sucht man typisch christliche Attribute wie Kreuz oder Bibel hier vergeblich. Dennoch scheint die christliche Bibel auch Vulkaniern bekannt zu sein: In Kennen Sie Tribbles? zitiert Mister Spock höchstpersönlich Matthäus 6.28 beziehungsweise Lukas 12.27, als er die Tribbles mit den »Lilien auf dem Felde« vergleicht und anmerkt: »Sie 98 säen nicht, sie ernten nicht, und Er ernährt sie doch.« Es wäre jedoch vorstellbar, dass man Roddenberry dergleichen seitens des Senders vorgab.

Star Trek – The Next Generation: Q & Picard = Gott? Diesem Stil blieb man auch bei Star Trek – The Next Generation treu. Auch im fast 100 Jahre nach Kirk & Co. angesiedelten 24. Jahrhundert gab es keine Stellungnahme bezüglich Religion, die stattdessen anders thematisiert wurde. Beispielsweise bereits in der 2-teiligen Pilotfolge Der Mächtige / Mission Farpoint, in der der omnipotente Q erstmals in Erscheinung trat (und die Crew der Enterprise-D von da an bis zur Abschlussfolge immer wieder einmal heimsuchte): Religiöse Vorstellungen hatten sich in den beiden zurückliegenden Jahrzehnten gewandelt. Sie waren in einer gewissen Weise bodenständiger geworden, wozu nicht zuletzt einige bahnbrechende wissenschaftliche Erkenntnisse beigetragen hatten, und dem trug man auch bei Star Trek mit seiner stets allegorischen Erzählweise Rechnung. Gott, so schien es, war greifbarer, fasslicher geworden, und was bot sich für eine Darstellung dieser Sichtweise besser an als ein allmächtig scheinendes Lebewesen, das die Menschen und auch alle anderen humanoiden Völker vor Gericht stellte? Wie bereits erwähnt, blieb Q ein wiederkehrender Faktor in der Serie. Er war es, der die Föderation erstmals mit den halb-kybernetischen Borg konfrontierte und damit (zumindest vermeintlich) einen der schlimmsten Feinde auf sie losließ (Zeitsprung mit Q), dann wieder zeigte er sich wie 99 ein hilfloses, seiner Kräfte beraubtes Kind (Noch einmal Q), um sich schließlich endgültig als Gott auszugeben (Willkommen im Leben nach dem Tode). Doch auch außerhalb der Episoden um Q war die Religion immer wieder einmal das Thema bei TNG: So etwa in Das Gesetz der Edo, bei der sich der zürnende Gott einer sinnlich orientierten Zivilisation als Repräsentant einer nichtmenschlichen Spezies erweist, die ihre eigenen komplizierten Wertevorstellungen auf unterlegene Humanoide übertragen will, ein Vorgehen, das durch die teilweise alles andere als zimperlichen Missionierungsbemühungen mancher Religionen im Lauf der Jahrhunderte bestens auch bei uns auf der Erde der Gegenwart bekannt ist. In Der Gott der Mintakaner hingegen wird Captain Jean-Luc Picard für eine Bevölkerung rückständiger Vulkanier-Abkömmlinge selbst zum Gott, was sehr deutlich auf den bereits angesprochenen Clarke’schen Ausspruch zurückgeht. Picards daraus resultierende Aufgabe ist ebenso schwierig wie delikat: Er muss den Mintakanern ausreden, dass er der große Gott Picard ist und ihnen die erhoffte Erlösung nicht bringen kann. Die in ihn gesetzten Erwartungen vermag er nicht zu erfüllen. Auf jeden Fall eine in ihrer Aussage recht kontroverse Aussage zu religiösen Themen.

Star Trek: Deep Space Nine – Glauben um jeden Preis DS9, wie die dritte Star-Trek-Serie gern abgekürzt wird, setzt sich mit Abstand am meisten mit religiösen Themen auseinander – und in mancherlei Hinsicht auch am 100 kontroversesten. Das Hauptvolk in der Serie sind die hochspirituellen Bajoraner, deren religiöse Vorstellungen wie eine Mischung aus dem Buddhismus und dem orthodoxen jüdischen Glauben anmuten. Nach einer verheerenden Krise (in diesem Fall die Besetzung durch die totalitären Cardassianer) zeigen sich erstmals die uralten Götter der Bajoraner erneut: Die mysteriösen Propheten, die ihren himmlischen Tempel nahe des Planeten Bajor bewohnen. Recht schnell müssen Sternenflottenkommandant Sisko und seine Leute, die den Bajoranern beim Wiederaufbau helfen, erkennen, dass es sich auch bei den Propheten um mächtige Aliens und nicht etwa mystische Wesenheiten handelt (Der Abgesandte). Ihr himmlischer Tempel ist nichts anderes als das nahe der Raumstation Deep Space Nine alias Terok Nor gelegene Wurmloch, das als Einstein–Rosen–Brücke in den entlegenen Gamma-Quadranten der Galaxis führt. Und was tun die Bajoraner? Verfallen sie in Verzweiflung, jetzt, da ihre Götter vollends entspiritualisiert sind? Keineswegs: Die Propheten, die ihnen seit ewigen Zeiten wohlgesonnen sind und in der einen und anderen Weise halfen, bleiben ihnen auch weiterhin verehrungswürdig, obwohl ihre Natur eine andere ist als ursprünglich angenommen. Schließlich hat alles einen Ursprung, und möglicherweise lässt sich Clarkes Ausspruch gar entsprechend anpassen: Etwa zu »Jede hinreichend fortschrittliche Technologie wird für diejenigen, die sie nicht vollumfassend verstehen, ganz zwangsläufig zu wahrer Magie.« So nimmt es auch nicht wunder, wenn die Bajoraner schließlich zusammen mit der staunenden 101 Sternenflotte erkennen müssen, dass auch die finsteren Abbilder ihrer Propheten, die Pah-Geister, genauso wenig ein Mythos sind wie erstere (Die Erpressung, Tränen der Propheten). Nur wohin der Schatten fällt, ist das Licht zu erkennen. Für die Bajoraner ist die Erkenntnis nicht sonderlich überraschend, hielten sie doch selbst zu Zeiten der cardassianischen Besatzung an ihrer Spiritualität fest. Eine weitaus martialischere Sichtweise der Religion hingegen bietet das Verhältnis der kriegerischen Jem’Hadar (erster Auftritt in Der Plan des Dominion) und der gestaltwandelnden »Gründer«: Erstere sehen letztere als Götter an, die sie mit der für sie lebensnotwendigen Droge Ketracel-White versorgen. Mehr erhalten sie von ihren Göttern nicht: keine Verheißungen ewiger Freuden im Leben nach dem Tod, keine Erlösung. Doch wie es so oft auch hier auf Erden der Fall ist: Dennoch halten die Jem’Hadar den Gründern die ewige Treue.

Star Trek: Voyager: Fürsorger, Omega-Molekül & Co. Deutlich weniger religiös-spirituell ging es in der nachfolgenden vierten Star-Trek-Serie Voyager zu. Im Großen und Ganzen kehrte man hier wieder zur gleichen Sichtweise auf religiöses Erleben zurück, die man bereits in der Originalserie sowie in The Next Generation transportiert hatte: Vermeintlich »göttliche« Erscheinungen gingen fast immer auf das Wirken überlegender Außerirdischer zurück, so schon in der Pilotfolge Der Fürsorger: Ein göttergleich mächtiges und von den kurzlebigen Ocampa verehrtes, aber auch unbedachtes Lebewesen vom Volk der Nacene war es, 102 welches das titelgebende Raumschiff Voyager überhaupt erst in den entlegenen Delta-Quadranten transferierte. Allerdings verstarb der Fürsorger, ehe er diesen Vorgang wieder rückgängig machen konnte. Auch Suspiria, die Gefährtin des Fürsorgers, vermochte dergleichen nicht (Suspiria). Ferner erfuhren wir Trekkies, dass selbst die halb-kybernetischen Borg in gewisser Weise einer Art von Religion anhängen: Sie verehren das faktisch unbegrenzte Mengen an Energie erzeugende Omega-Molekül, das aufgrund dieser unschätzbar wertvollen Eigenschaft entsprechend selten in der bekannten Galaxis vorkommt. Natürlich setzen die Borg alles daran, so viel wie möglich von diesem wertvollen Stoff in die Hände zu bekommen beziehungsweise zu erzeugen, wozu ihnen jedes Mittel recht ist (Die Omega-Direktive). Auch das ansonsten eher unscheinbare Crewmitglied Kes entwickelte sozusagen gewisse göttliche Eigenschaften und verließ die Voyager, um in einer anderen Dimension ihre Daseinsform zu wechseln (Die Gabe). Voller Wut, so auch der Titel einer späteren Episode, kehrte sie schließlich auf die Voyager zurück und ließ die Crew ihre neugewonnene Überlegenheit in einer Weise spüren, die Apoll aus der klassischen Originalserie zur Ehre gereicht hätte. Und für die Bewohner eines Planeten, auf dem die Zeit vielfach schneller als im restlichen Universum verging, wurde das Raumschiff Voyager aufgrund seiner Entdeckung selbst eine Art von Gottheit (Es geschah in einem Augenblick). Auch der (zunehmend nur vermeintlich) omnipotente Q macht der Voyager-Crew gleich mehrmals seine unerwünschte Aufwartung: Zum 103 einen möchte er den Selbstmord eines Artgenossen verhindern, zum anderen wird die Voyager-Crew in einen Bürgerkrieg im Q-Kontinuum hineingezogen, und Janeway wird zu guter Letzt unfreiwillig zur Patin des göttlichen Nachwuchses von Q (Todessehnsucht, Die Q-Krise, Q2).

Star Trek: Enterprise – Religion und Logik Star Trek: Enterprise machte chronologisch gesehen bekanntlich einen Schritt zurück in der Geschichte des Roddenberry’schen Zukunftsuniversums. Hier wurde ein vager Blick darauf geworfen, wie sich das religiöse Leben zumindest auf der Erde des 22. Jahrhunderts nach dem Ende eines verheerenden Atomkrieges gestaltet hatte. In der Episode Cold Front etwa spricht der denobulanische Bordarzt der neuen alten Enterprise, Dr. Phlox, über das Thema. Während seiner Zeit auf der Erde, erklärte der Doktor, hatte er sich eingehend mit den Religionen des Planeten beschäftigt und im Zuge dessen unter anderem eine Messe im Petersdom in Rom besucht. Dies lässt darauf schließen, dass zumindest in der Anfangszeit der Sternenflotte die Religion noch eine Rolle auf der sich gerade wieder erholenden Erde spielte. Nicht vergessen werden darf hierbei jedoch auch, dass Star Trek: Enterprise bereits die dritte Serie des Franchises war, die ohne Zutun des 1991 verstorbenen Star Trek-Schöpfers Gene Roddenberry entstanden war. Dieser hätte derartigen Handlungselementen möglicherweise sehr skeptisch gegenübergestanden. Ansonsten war insbesondere die Philosophie und auch Religion der Vulkanier gleich 104 mehrmals Thema von Episoden bei Star Trek: Enterprise. In Doppeltes Spiel etwa erfahren wir vom vulkanischen Kloster auf dem Planeten P’Jem, während in Episoden wie Zeit des Erwachens und Kir’Shara die mystisch und spirituell gefärbte, recht deutliche religiöse Züge tragende Seite der vulkanischen Philosophie beleuchtet wird. Trotz ihrer vermeintlichen Emotionslosigkeit nämlich sind Vulkanier Telepathen und beherrschen unter anderem die Gedankenverschmelzung, mit der sie sich sozusagen in den Geist eines anderen Lebewesens »einklinken« können. Bereits in der klassischen Originalserie sowie zwei der auf ihr basierenden Kinofilme war dies thematisiert worden. Auch das Prinzip der unsterblichen Seele der Vulkanier, »Katra« genannt, war bereits früher angesprochen worden (Star Trek III – Auf der Suche nach Mister Spock) und wurde in Star Trek: Enterprise weiter ausgebaut. So erfuhr man in der bereits genannten Episode Zeit des Erwachens, dass sterbende Vulkanier ihr Selbst gar in unbelebte Schreine übertragen konnten. In einigen Punkten scheint auch die Religionsphilosophie der Vulkanier somit Ähnlichkeiten mit dem irdischen Buddhismus aufzuweisen. Auf jeden Fall jedoch sind die Vulkanier den Menschen in einem weiteren Belang um Lichtjahre voraus: Sie müssen nicht an ihre unsterbliche Seele glauben wie wir, sondern sie wissen darum.

Star Trek: Discovery – Ein roter Engel und ein klingonisches Begräbnisschiff

105 Auch rund zehn Jahre vor Kirk & Co. kommt man im Star Trek-Universum nicht ohne zumindest gelegentliche Beschäftigung mit religiösen Themen aus: So erfahren wir gleich in der Eröffnungsfolge Leuchtfeuer einiges mehr über die Religion der Klingonen, die nach verschiedenen Intermezzi als Verbündete wieder voll und ganz den Status waschechter Bösewichter innehaben. Die Klingonen hängen einem mystisch anmutenden Totenkult an und bestatten zumindest die Leichname ihrer wichtigsten Vertreter auf einer Art Mausoleumsschiff, das der fanatische T’Kuvma kommandiert. In Episoden von The Next Generation war bislang nur die Rede vom Glauben der Klingonen an das mythische Sto’Vo’Kor, das gewisse Parallelen zum Walhalla der nordischen Religionen aufweist, und seine finstere Entsprechung, das höllische Gre’thor. In der zweiten Serienstaffel wird auch das klingonische Kloster auf dem Planeten Boreth vorgestellt, dessen Mönche ihre Schüler (wie nicht anders zu erwarten) zu erbarmungslosen, aber auch geistig geschulten Kriegern heranziehen (Tal der Schatten). Ein weiteres Mal wird auch das Thema der Religionen auf der Erde behandelt, allerdings geht es erneut um die Anfangszeit der Sternenflotte: Auf dem Planeten New Eden (so auch der Titel der Folge) entdecken Captain Pike und seine Crew Nachfahren von Überlebenden, die von der Erde des 21. Jahrhunderts stammten. Zu Beginn des verheerenden Krieges sind diese Menschen vom geheimnisvollen »Roten Engel« hierher gerettet worden und haben im Gedenken an die mystische Entität ein Gotteshaus 106 errichtet, in dem allen Weltreligionen zugleich gehuldigt wird. Der Rote Engel erweist sich letztlich jedoch – wie so oft der Fall bei Star Trek – als ein Erzeugnis missverstandener Hochtechnologie.

Star Trek: Picard: Romulanische Kriegernonnen Stand in den beiden ersten Staffeln von Star Trek: Disocvery die Religion der Klingonen zeitweise im Vordergrund, so nimmt man sich in der gegenwärtig neuesten Serie des Franchises nunmehr der Romulaner an. In Star Trek: Picard machen wir Bekanntschaft mit den Qowat Milat, einem Ordens von Kriegernonnen, die nach dem Untergang der romulanischen Heimatwelt auf dem Planeten Vashti angesiedelt wurden. Die Qowat Milat zelebrieren den »Weg der absoluten Offenheit« und sprechen ohne Rücksicht auf eventuelle Verluste alles deutlich aus, was sie denken, ferner lehnen sie tiefere Bindungen ab. Dennoch verbindet Jean-Luc Picard eine langjährige Freundschaft mit der Vorsteherin des Ordens, Zani. Die Qowat Milat bilden schier unbesiegbare Schwertkämpferinnen aus, welche »Tan Qalang« genannte Schwerter tragen und die sich einer bestimmten Sache verschreiben können, für die sie dann bis zum Tode kämpfen. Die einzige männliche Ausnahme bei den Qowat Milat ist der Waisenjunge Elnor, der bei den Nonnen aufwächst und ausgebildet wird, sich aufgrund der Traditionen des Ordens jedoch nicht als vollwertiges Mitglied desselben bezeichnen darf. In einigen Punkten ähneln die Qowat Milat damit den buddhistischen 107 Shaolin-Mönchen, welche jedoch keine Frauen in ihren Orden aufnehmen – eine recht deutliche Referenz zu den (bis auf Elnor) rein weiblichen Qowat Milat. Man kann also unschwer erkennen, dass das Thema Religion – je nach Serie mal mehr, mal weniger – immer ein zentrales Thema bei Star Trek geblieben ist, auch wenn Serienschöpfer Roddenberry dies ursprünglich anders geplant hatte. Themen, die so fest in der menschlichen Natur verwurzelt sind wie Glauben oder auch Nicht-Glauben, sind nun einmal unumgänglich – auch im 23. Jahrhundert und darüber hinaus.

Star Trek News 04/2020 von Thorsten Walch

Kurz nach dem Ende der ersten Staffel von Star Trek: Picard und vor dem Start der 3. Staffel von Star Trek: Discovery gibt es nur vergleichsweise wenige News zu unserem Lieblings-Franchise in dieser Ausgabe zu vermelden.

Star Trek: Picard räumt ab Star Trek: Picard auf Platz 1 der Streaming-Dienst-Hitliste Mit der Abschlussepisode Et In Arcadia Ego, Teil 2, bei uns in Deutschland seit dem 26. März bei Amazon Prime verfügbar, kehrte die bislang 7. Serie des Franchises auf den 1. Platz der hierzulande meistgesehenen Programme des Streaming-Bereiches zurück. Kurzzeitig hatte Picard diesen Platz für die Star Wars-Realserie The Mandalorian räumen 108 müssen, die diesen nach dem Start des neuen Streaming-Dienstes Disney+ ab dem 24. März eingenommen hatte.

Geordi La Forge in der 2. Staffel von Star Trek: Picard? Nachdem bereits offiziell bestätigt wurde, dass Whoopi Goldberg für die kommende 2. Staffel von Star Trek: Picard in ihre Rolle als Guinan zurückkehren wird, kamen jetzt Gerüchte auf, dass es eventuell auch ein Wiedersehen mit Geordi La Forge geben könne. Sein Darsteller LeVar Burton (63) war als Schauspieler zuletzt zwischen 2017 und 2019 in

109 7 Episoden in der wiederkehrenden Gastrolle des Rufus Nero in der Serie Navy CIS: New Orleans zu sehen gewesen, die er als Regisseur auch inszenierte. Die Hauptrolle in dieser Serie des Special Agent Pride wird übrigens von Burtons Star Trek-Kollegen Scott Bakula (Captain Archer aus Star Trek: Enterprise) gespielt.

»Gastauftritt« der Enterprise? Wie Produzent Michael Chabon in einem Interview äußerte, halte man es durchaus für möglich, dass das Raumschiff Enterprise in der zweiten Staffel von Picard zu sehen sein werde. Allerdings, so Chabon weiter, werde die Serie auch danach keine Raumschiff-Show werden. Dies wirft allerdings die Frage auf, welche Version der Enterprise zu sehen sein wird. Bisher war bekanntlich lediglich die aus TNG bekannte Enterprise-D in einer Traumsequenz in der allerersten Episode zu sehen.

Start von Staffel 2 noch ohne Termin Die Dreharbeiten der zweiten Staffel von Star Trek: Picard hatten laut Hauptdarsteller Sir Patrick Stewart ab März starten sollen. Es ist jedoch sehr wahrscheinlich, dass sie aufgrund der aktuellen COVID-19-Krise verzögert beziehungsweise unterbrochen werden mussten. Ein Starttermin vor frühestens 2021 erscheint derzeit unwahrscheinlich.

Corona-Pandemie kein Thema in Staffel 2

110 Die gegenwärtige Corona-Pandemie beziehungsweise eine Star-Trek-gemäße Entsprechung davon soll laut Aussage der Produzenten in der zweiten Staffel kein Thema bilden. Das Konzept für deren Gesamthandlung stehe bereits fest und werde nicht allegorisch auf die aktuelle Lage eingehen.

Teaser zu Star Trek: Discovery Season 3 Mitte März wurde ein etwas über eine Minute langer Teaser zur nach wie vor für 2020 angekündigten 3. Staffel von Star Trek: Discovery veröffentlicht. Neben den bereits bekannten Charakteren wie Burnham, Saru, Tilly und Georgiou ist darin Neuzugang David Ajala (Supergirl) zu sehen. Dieser spielt die Rolle des aufsässigen Cleveland »Book« Booker, ein Mann aus der 930 Jahre entfernten Zukunft, in die es die Discovery am Ende der 2. Staffel verschlagen hat.

Dreharbeiten abgeschlossen, Starttermin noch ungewiss Die Dreharbeiten für Staffel 3 wurden mittlerweile abgeschlossen, doch legt man sich derzeit aufgrund der aktuellen Lage noch nicht auf einen Starttermin fest. Dieser wird jedoch aller Wahrscheinlichkeit nach noch in 2020 liegen.

Short Treks auf BluRay Die insgesamt 8 thematisch an Star Trek: Discovery orientierten Short Treks werden am 2. Juni in den USA auf BluRay veröffentlicht. Bislang waren nur die beiden 111 Kurzfolgen Entlaufen und Der hellste Stern über die Veröffentlichung bei CBS All Access beziehungsweise Netflix hinaus als Bestandteil der Specials auf der Heimkino-Veröffentlichung der zweiten Discovery-Staffel erhältlich gewesen. Einzig die Short-Treks-Episode Children Of Mars, die die Vorgeschichte zu Star Trek: Picard schildert, wird nicht in der Kollektion enthalten sein: Es ist davon auszugehen, dass sich diese in den Specials der Heimkino-Veröffentlichung der Picard-Serie finden wird. Bisher wurde die BluRay mit den Short Treks noch nicht in einer deutschen Version angekündigt; damit dürfte spätestens kurz nach dem US-Start zu rechnen sein.

Serie um Captain Pike in Vorbereitung Obwohl die ganz große offizielle Ankündigung noch fehlt, so ist mittlerweile tatsächlich eine eigene Star Trek-Serie über die Abenteuer der Enterprise unter Captain Pike (Anson Mount, Marvel’s Inhumans) in Vorbereitung. Mögliche Titel lauten unterschiedlichen Gerüchten zufolge Star Trek: Enterprise (was angesichts der Tatsache, dass es bereits eine Star Trek-Serie dieses Titels gibt, sehr unwahrscheinlich ist) sowie Star Trek: Strange New World. Alles andere steht noch in den buchstäblichen Sternen: Weder gibt es einen geplanten Dreh-, geschweige denn einen Veröffentlichungstermin, noch ist bekannt, ob neben Anson Mount als Pike auch »Spock« Ethan Peck (The Holiday Calendar) in der neuen Serie mit von der Partie ist. Wir vom Corona Magazine werden weiter berichten.

112 Star Trek für William Shatner »erledigt« Das Thema Star Trek habe sich für ihn erledigt, äußerte der kürzlich 89 Jahre jung gewordene Ur-Captain-Kirk-Darsteller William Shatner via seines Twitter-Accounts. »Nein, ich denke, Kirks Geschichte ist zu diesem Zeitpunkt ziemlich gut auserzählt!“, antwortete er dort auf die Frage eines Fans, ob nach Star Trek: Picard nicht auch eine Captain-Kirk-Serie denkbar sei. Dies habe er bereits in früheren Statements deutlich gemacht, so Shatner weiter. »Kirk ist in Treffen der Generationen gestorben. Was soll da noch kommen?«, schloss der Altstar schließlich.

Aprilscherz von George Takei George Takei (Lt. beziehungsweise Captain Hikaru Sulu aus der klassischen Star Trek-Originalserie) hat die Star-Trek-Fangemeinde auf seinen Facebook- und Twitter-Accounts in den April geschickt: Der 82-jährige verkündete stolz, er werde bei den auf 2021 verschobenen Olympischen Sommerspielen in Tokio gekleidet in seine Star Trek-Uniform das olympische Feuer entzünden. Trotz des Datums verbreitete sich die Neuigkeit von »Uncle Georges« neuestem Projekt wie ein Lauffeuer.

Die Stars aus Star Trek in anderen Rollen, Teil 46: Jonathan Del Arco von Thorsten Walch

113 Im Nachgang zur kürzlich ausgelaufenen ersten Staffel von Star Trek: Picard soll in dieser Kolumne nochmals einer der Darsteller der neuesten Serie des Franchises im Mittelpunkt stehen. Zwar erhielt Jonathan Del Arco in Star Trek: Picard nach seinen beiden berühmten Auftritten in Star Trek – The Next Generation keine Serien-Hauptrolle; viele Trekkies und Trekker freuen sich dennoch über das Wiedersehen mit seiner beliebten Figur Hugh.

© CBS All Access / Paramount / Amazon

Geboren in Uruguay und schicksalhafte Jahre Geboren wurde Jonathan Del Arco am 7. März 1966 im südamerikanischen Staat Uruguay. Im Alter von 10 Jahren siedelte er jedoch mit seiner Familie zusammen in die Vereinigten Staaten um. Hier lebte er in der relativen Nähe von im Örtchen Port Chester. Schon in

114 Jonathans Kindheit fiel seinen Eltern das eher feminine Verhalten ihres Sohnes auf, welches sie über Behandlungen durch einen Psychiater zu »korrigieren« versuchten. Glücklicherweise konnte der junge Jonathan seine Persönlichkeit jedoch beibehalten und weiterentwickeln. Bereits als Teenager schlug sein Herz für die Welt der Schauspielerei und des Theaters: Er reiste recht häufig mit dem Nahverkehrszug nach New York City, um dort Theateraufführungen zu besuchen. Nach seinem Schulabschluss schrieb er sich dort in verschiedenen Schauspielklassen ein und zog schließlich dauerhaft nach New York City um. In etwa dieser Zeit bekannte sich der junge Jonathan auch offen zu seiner Homosexualität. Ende der 80er-Jahre musste der junge Schauspielanwärter einen schweren Schicksalsschlag verkraften: Er verlor seinen damaligen Beziehungspartner an die damals noch kaum therapierbare Immunschwäche AIDS.

Vom Theater zu Film und Fernsehen: Beinahe Wesley Crusher? Eines von Jonathans ersten Theaterengagements erhielt er in der Torch Song Trilogy des Autors Harvey Fierstein, weitere Bühnenauftritte folgten. Schon mehrmals äußerte Jonathan Del Arco in Interviews, er habe in den 80er-Jahren in Castings für Star Trek – The Next Generation für die Rolle des Wesley Crusher vorgesprochen, die bekanntermaßen letztlich an Wil Wheaton ging. Seinen ersten tatsächlichen TV-Auftritt hatte Jonathan Del Arco dann 1987 in einer Episode aus der 4. Staffel von Miami Vice mit dem Titel 115 Familienbande. Hier spielte er den jungen Punk Ricky Diaz. Im Zuge seiner Mitwirkung in dem unabhängig produzierten Film Lost Angeles im Jahr 1990 zog Jonathan nach L.A. um. Erst 1991 folgte der nächste TV-Gastauftritt in einer Folge der Comedy-Serie Ein Strauß Töchter.

Ich bin … Du??? 1992 verschlug es Jonathan Del Arco dann zum ersten Mal wirklich in das Star Trek-Universum, das damals einen ungeheuren Boom erlebte. In der Episode Ich bin Hugh aus der 5. Staffel von Star Trek – The Next Generation spielte er den titelgebenden jungen Borg, der durch eine Rettungsmission an Bord der Enterprise gelangt und in Lt. Geordi La Forge eine Art Vater-Ersatz findet. Die an und für sich eher anrührende Folge sorgte hier bei uns in Deutschland für amüsante Verwicklungen: Da man den Namen »Hugh« (sprich: Chjuh) als »You« (= »Du«) missverstanden hatte, adressierte die Enterprise-Crew in der ersten deutschen Fassung den jungen Mann dementsprechend schlicht in dieser Weise. Erst danach fiel der Fehler auf und wurde für eine neue Fassung wieder begradigt. Hugh wurde durch seinen Auftritt in der 5. Serienstaffel bei den Fans so populär, dass Jonathan Del Arco die Rolle 1 ½ Jahre später in Angriff der Borg, Teil II, der Auftaktfolge der 7. und letzten Staffel von TNG, ein weiteres Mal spielte. Danach jedoch sollte es volle 17 Jahre dauern, ehe man Jonathan Del Arco erneut in dieser Rolle zu sehen bekommen würde. Seine Rückkehr ins Star Trek-Universum fand jedoch bereits früher statt – wenn auch in einer 116 anderen Rolle. Dazu aber an entsprechender Stelle noch einmal mehr.

Neue Rollen, neue Aufgaben Zwar wurde Jonathan Del Arco durch seine Rolle als Hugh nicht zum TV-Superstar, doch war er danach häufiger in US-Serien der damaligen Zeit zu sehen. Es folgten 2 Episoden der Nostalgie-Serie Die wunderbaren Jahre (1993) sowie Auftritte in Blossom (1994), Pacific Blue – Die Strandpolizei (1996), Das Leben und ich (1997) oder Starlets (2000). Dazwischen spielte Jonathan häufig nach wie vor Theater und begann ferner damit, sich öffentlich für die Rechte von Schwulen und Lesben zu engagieren. Bis heute ist Jonathan Del Arco neben der Schauspielerei ein bekannter LGBT-Aktivist.

Erste Rückkehr zu Star Trek 2001 erfolgte die schon angesprochene kurzzeitige Rückkehr Jonathan Del Arcos zu Star Trek, allerdings nur für eine Folge: In der Episode Die Leere aus der 7. und letzten Staffel von Star Trek: Voyager spielte er die Rolle eines außerirdischen Gastes auf der Voyager, der vom holographischen Doktor aufgrund seiner Vorliebe für Opernmusik den Namen »Phantom« (in Anlehnung an das »Phantom der Oper«) erhält. Diese Rolle hatte vermutlich nicht ganz zufällig gewisse Ähnlichkeiten mit der des Hugh aus TNG.

Gastauftritte und feste Rollen 117 2003 gab es ein Wiedersehen mit Jonathan Del Arco in drei Folgen der kontroversen Serie Nip/Tuck – Schönheit hat ihren Preis, die im Milieu der Schönheitschirurgie angesiedelt war. Hier konnte Jonathan Del Arco seine schauspielerischen Fähigkeiten in der Rolle der transsexuellen Sofia Lopez ausgezeichnet unter Beweis stellen. Es folgten jeweils einmalige Gastauftritte in Crossing Jordan – Pathologin mit Profil (2004), Huff – Reif für die Couch (2005), 24 (2005) sowie Die Sopranos (2006), ehe Jonathan Del Arco 2007 ab der 3. Serienstaffel der Krimiserie für 40 Episoden die Rolle des Gerichtsmediziners Dr. Morales übernahm, die er bis 2012 spielte. Dieser Seriencharakter wurde auch in die Nachfolgeserie Major Crimes übernommen, wo Del Arco sie bis zu ihrer Einstellung im Jahr 2018 weiterhin verkörperte. Zwischenzeit sah man ihn lediglich in einer 2009 inszenierten Episode der Mystery-Serie Dollhouse.

Die Rückkehr von Hugh 2019 schließlich wurde bekannt, dass Jonathan Del Arcos beliebter Star Trek-Charakter Hugh auch in der bislang noch neuesten Serie des Franchises, Star Trek: Picard, mit von der Partie sein würde. In insgesamt vier Episoden erfahren die Trekkies, dass der Ex-Borg Hugh an Bord eines umgebauten Borg-Kubus an einem Geheimprojekt unter romulanischer Beteiligung als Wissenschaftler tätig ist. Zum Leidwesen seiner Fans verliert Hugh dabei jedoch sein Leben … Dennoch: Was sowohl im Fall von Spock als auch dem von Picard selbst gelungen ist, könnte vielleicht und unter 118 Umständen auch bei Hugh eintreffen: Seine (selbstverständlich rein hypothetische und hochgradig-spekulative …) Rückkehr vom Serien-Tod … wer weiß, was die Zukunft bringt.

Jonathan Del Arco privat Jonathan Del Arco ist seit langen Jahren glücklich mit seinem Schauspielagenten Kyle Fritz verheiratet, der neben ihm unter anderem auch Seven Of Nine-Darstellerin Jeri Ryan betreut. Wie bereits erwähnt engagiert sich der Schauspieler in verschiedensten Projekten zugunsten der rechtlichen Gleichstellung von Menschen aus der LGBT-Gemeinschaft.

Star Trek: Picard – Episodenguide Staffel 1 von Thorsten Walch

Das also war sie nun, die erste Staffel der lange und mit Spannung erwarteten Serie Star Trek: Picard. Zehn Episoden lang durften wir die neuen Abenteuer eines der ikonischsten Helden unseres Lieblings-Franchises miterleben und dabei auch einigen anderen Weggefährten aus den Glanzzeiten des Roddenberry’schen Universums wiederbegegnen. Eine zweite Staffel ist beim seit einer Weile wiedervereinigten Multi CBS/Paramount beschlossene Sache. Wann wir diese

119 allerdings zu sehen bekommen werden, steht bisweilen noch in den sprichwörtlichen Sternen. Aus diesem Grund möchten wir an dieser Stelle einen Episodenguide zu Staffel 1 präsentieren und am Ende auch ein Resümee der ersten Staffel ziehen. Wir wünschen dabei viel Vergnügen!

Folge 1.01: Gedenken (Remembrance) Admiral a.D. Jean-Luc Picard (Sir Patrick Stewart) hat sich 14 Jahre zuvor aus der Sternenflotte auf sein Weingut zurückgezogen, nachdem diese seiner Meinung nach die einstmals verfeindeten Romulaner im Stich gelassen hat: Ihr Heimatplanet wurde durch eine Supernova zerstört (siehe Star Trek, 2009), und Picards Meinung nach fand die Rettungsaktion nur halbherzig statt. Dem verleiht er auch in einem Fernsehinterview Ausdruck, zu dem er sich überreden lässt. Noch immer träumt Picard von seinem Freund und früheren Crewmitglied Lt. Cmdr. Data (Brent Spiner, The Outcast), der ihm im Traum kryptische Botschaften übermittelt. In diesen geht es um eine junge Frau, die Data einst auf einem Bild gemalt hat. Androiden sind in der Sternenflotte inzwischen verboten, da eine Fraktion von ihnen 14 Jahre zuvor aus unbekannten Gründen die Utopia Planitia-Werft auf dem Planeten Mars zerstört hat. Zur gleichen Zeit wird die junge Wissenschaftlerin Dahj (, American Crime Story) von vermummten romulanischen Agenten in ihrer Wohnung angegriffen, wobei ihr Freund sein Leben verliert. Sie selbst kann jedoch die Angreifer töten und entkommen. In dem 120 Fernsehinterview erkennt Dahj auf der Flucht Picard, von dem ihre Mutter ihr einst als ihrem Retter erzählt hat, und reist nach Frankreich, wo sie von Picard angehört und aufgenommen wird. Der Grund dafür ist, dass Picard in ihr die junge Frau wiedererkennt, die Data auf seinem Bild mit dem Titel »Tochter« gemalt hat. Noch ehe Picard mehr erfahren kann, verlässt Dahj sein Weingut, da sie befürchtet, dass auch Picard gefährdet sein könnte. Dieser macht sich auf die Suche nach Dahj und findet sie schließlich, doch muss er mitansehen, wie sie von weiteren romulanischen Agenten getötet wird. Picard begibt sich daraufhin zum Daystrom-Forschungsinstitut auf der Insel Okinawa, wo er die Bekanntschaft von Dr. Agnes Jurati (Alison Pill, American Horror Story) macht: Diese klärt ihn darüber auf, dass Dahj allem Anschein nach das Ergebnis eines geheimen Forschungsprojektes ist – und eine Zwillingsschwester haben muss. Was beide nicht wissen: Diese befindet sich augenscheinlich auf einem umgebauten Borg-Kubus …

Folge 1.02: Karten und Legenden (Maps And Legends) In einem Rückblick ist die Zerstörung von Utopia Planitia durch Amok laufende Androiden 14 Jahre vor Beginn der Serienhandlung zu sehen. In der Gegenwart untersucht Picard zusammen mit seiner romulanischen Hauswirtschafterin Laris (Orla Brady, Into The Badlands) derweil Dahjs Wohnung und findet heraus, dass ihre Schwester den Namen Soji trägt und sich nicht auf der Erde aufhält. Ferner weist Laris Picard auf die mögliche Beteiligung der sagenumwobenen romulanischen 121 Geheimorganisation Zhat Vash an der Angelegenheit hin. Kurz darauf erfährt Picard von seinem früheren Bordarzt von der Stargazer, dass die einstmals in seinem Gehirn festgestellte Anomalie (siehe TNG – Gestern, heute, morgen) nach wie vor aktiv ist. Picard möchte der Angelegenheit dennoch nachgehen und versucht beim Sternenflotten-Hauptquartier, von Admiral Clancy (Ann Magnuson, State Of Mind) das Kommando über ein Schiff zu erhalten. Seine frühere Kollegin weist ihn jedoch in schroffer Weise ab. Allerdings erfährt die vermeintliche Vulkanierin Commodore Oh (Tamlyn Tomita, The Good Doctor) von der Angelegenheit, welche Verbindungen zu den Romulanern hat. Nach einem weiteren Gespräch mit Dr. Jurati, von der Picard erfährt, dass Dahjs Bewusstsein erst vor drei Jahren geschaffen wurde, wendet er sich an seine ehemalige Adjutantin Raffi Musiker (Michelle Hurd, Ash Vs The Evil Dead). Diese ist durch Picards Austritt aus der Sternenflotte in Ungnade gefallen und fristet ein trostloses Leben in einem Trailer. Entsprechend ist sie nur wenig begeistert, dass ihr einstiger Vorgesetzter wieder in ihr Leben tritt. Der geheimnisvolle Borg-Kubus, auf dem sich Dahjs Schwester Soji aufhält, erweist sich derweil als von den Romulanern und der Sternenflotte betriebene Rückgewinnungsstation, auf der Borg-Drohnen wieder de-assimiliert werden. Soji beginnt eine Liebesbeziehung mit dem ebenso mysteriösen wie untypischen Romulaner Narek (Harry Treadaway, Mr. Mercedes) …

122 Folge 1.03: Das Ende ist der Anfang (The End Is The Beginning) In einem Rückblick ist mehr über die genaueren Umstände zu erfahren, die das Ende der Sternenflotten-Karriere von Raffi Musiker herbeigeführt haben. Obwohl Raffi ihrem früheren Vorgesetzten noch immer grollt, stellt sie einen Kontakt zum ebenfalls ehemaligen Sternenflottenangehörigen Rios (Santiago Cabrera, Salvation) her, der das kleine Raumschiff La Sirena kommandiert. Währenddessen erhält Dr. Jurati Besuch von Commodore Oh, die sie über Picard und die Art ihrer Verbindung auszuquetschen versucht. Dr. Jurati sucht Picard daraufhin auf seinem Anwesen auf, um ihn davon zu unterrichten. Dort wird Picard bei den Vorbereitungen für den bevorstehenden Raumflug derweil ebenfalls von vermummten Romulanern angegriffen, derer er sich nur mit Hilfe seiner Haushälterin Laris und deren Mann Zhaban (Jamie McShane, The Passage) erwehren kann. Von einem überlebenden Romulaner erfahren Picard, Jurati, Laris und Zhaban, dass Dahjs Zwillingsschwester Soji als die prophezeite »Zerstörerin« der romulanischen Mythologie angesehen und aus diesem Grund gejagt wird. Auch Soji selbst erfährt auf dem Borg-Kubus davon, kann jedoch mit der Information für den Moment nichts anfangen. Ferner erfährt sie vom Tod ihrer Schwester, was von ihrer vermeintlichen Mutter jedoch bestritten wird: Diese versichert ihr, ihre Schwester sei wohlauf. Dr. Jurati schließt sich Picard inzwischen an, um ihn auf seiner Suche zu unterstützen. An Bord der La Sirena treffen die beiden recht 123 überraschend auf Raffi, welche jedoch klarstellt, dass sie lediglich mitfliegen und die Crew danach verlassen will. Die La Sirena bricht zu einem Flug zum Planeten Freecloud auf. Dort soll sich der Wissenschaftler Dr. Bruce Maddox befinden, der Erschaffer jener Androiden, die für die Vernichtung von Utopia Planitia verantwortlich waren und der ferner der Lehrmeister von Dr. Jurati gewesen ist …

Folge 1.04: Unbedingte Offenheit (Absolute Candor) In einem weiteren Rückblick erleben wir mit, wie der damalige Admiral Picard kurz vor dem Amoklauf der Androiden auf dem Planeten Vashti die Bekanntschaft der dorthin umgesiedelten Qowat Milat macht. Die diesem Orden angehörenden romulanischen Kriegernonnen gelten als die erbittertsten Gegner des Geheimdienstes Tal Shiar, was mit ihrer Philosophie der absoluten Offenheit zusammenhängt. Picard lernt dabei auch den kleinen Waisenjungen Elnor kennen, der seit dem Tod seiner Eltern bei den Qowat Milat lebt. Der alte Admiral und der kleine Junge freunden sich dabei an. In der Gegenwart setzt Picard durch, mit der La Sirena den in einer mittlerweile unsicheren und gefährlichen Raumregion liegenden Planeten zu besuchen: Picard möchte hier eine Qowat Milat als Unterstützung für die Mission gewinnen. Während die Qowat Milat, allen voran deren Äbtissin Zani (Amira Vann, Miss Virginia) Picard freudig empfangen, sind die restlichen auf Vashti lebenden Romulaner alles andere als begeistert, da sie der Sternenflotte vorwerfen, sie im Stich gelassen zu haben. Picard trifft hier auch wieder auf Elnor (Evan 124 Evagora, Fantasy Island), der zum jungen Mann herangewachsen ist. Er hat mittlerweile seine Ausbildung bei den Qowat Milat abgeschlossen, kann jedoch nicht in den Orden aufgenommen werden, da er ein Mann ist. Zani erklärt Picard, dass lediglich Elnor in seinen Dienst treten könne, doch da sich auch der junge Mann von Picard enttäuscht fühlt, lehnt er dies zunächst ab. Elnor ändert seine Meinung jedoch, als Picard auf der Straße von einer Gruppe ehemaliger romulanischer Würdenträger angegriffen und von dem jungen Mann gerettet wird. Auf dem Borg-Kubus wird Narek derweil von seiner Schwester Narissa (Peyton List, Colony) bedrängt, Soji auszuspionieren. Die La Sirena wird nach ihrem Start von einem veralteten romulanischen Bird Of Prey angegriffen, dessen Pilotin sich als eine alte Bekannte erweist: Seven Of Nine (Jeri Ryan, Bosch) …

Folge 1.05: Keine Gnade (Stardust City Rag) In der schon obligatorischen Rückblende erleben wir mit, wie Seven Of Nines Adoptivsohn Icheb (Casey King, NCIS: Los Angeles) bei vollem Bewusstsein von Unbekannten seine Borg-Implantate herausgerissen werden. Icheb wird dabei so schwer verletzt, dass Seven Of Nine nichts mehr für ihn tun kann, weshalb sie ihn mit einem Phaserschuss von seiner Qual erlöst. In der Gegenwart hat Dr. Bruce Maddox (John Ales, Sneaky Pete) auf der Flucht vor dem Tal Shiar auf dem Casino-Planeten Freecloud Zuflucht bei seiner Auftraggeberin Bjayzl (Necar Zadegan, Navy CIS: New Orleans) gesucht, wird jedoch stattdessen von dieser 125 gefangengesetzt. Picard und seine neue Crew, die davon Wind bekommen haben, arbeiten einen Plan aus: Sie alle wollen undercover nach Freecloud beamen und Seven Of Nine dort zum Schein zum Verkauf anbieten, da Bjayzl auf der Suche nach Borg-Drohnen ist. Picard und seine Leute ahnen jedoch nicht, dass Bjayzl für den Tod von Icheb verantwortlich war und Seven dem Plan nur zustimmt, um Rache an der Gangsterin zu nehmen. Raffi trifft derweil auf ihren Sohn, der sich einst von ihr abgewandt hat, da sie ihre Mission weit wichtiger einzustufen schien als ihre persönliche Sorge um sein Wohlergehen. Nachdem er Raffi seine schwangere romulanische Freundin vorgestellt hat, wendet er sich endgültig von seiner Mutter ab. Seven droht mittlerweile Bjayzl damit, sie umzubringen. Bjayzl schlägt einen Deal vor: Wenn Seven sie am Leben lässt, will sie den gefangenen Dr. Maddox ausliefern und darauf verzichten, ein Kopfgeld auf die frühere Borg-Drohne auszusetzen. Picard kann Seven dazu überreden, auf das Angebot einzugehen. An Bord der La Sirena erfährt Picard von Maddox, dass sich Dahjs Schwester Soji auf dem »Artefakt« genannten Borg-Kubus befindet, wohin Maddox selbst sie geschickt hat, da er eine Verschwörung aufdecken will. Wie es sich jedoch zeigt, spielen weder Seven Of Nine noch Dr. Jurati mit offenen Karten …

Folge 1.06: Die geheimnisvolle Box (The Impossible Box) An Bord des Artefakts hat Soji einen wiederkehrenden Traum, der sich auf ihre (real niemals stattgefundene) Kindheit bezieht. Narek glaubt, dass er durch eine 126 Auswertung dieses Traums Sojis Heimatwelt finden wird. An Bord der La Sirena überzeugt Dr. Jurati Picard und die anderen davon, dass Dr. Maddox an den Folgen seiner auf Freecloud erlittenen Verletzungen verstorben ist. Raffi Musiker nutzt inzwischen ihre früheren Sternenflotten-Kontakte, um Picard einen zeitweiligen Diplomatenstatus zu verschaffen: Hierdurch soll er das »Artefakt« betreten und Kontakt zu Hugh (Jonathan Del Arco, Major Crimes) aufnehmen können. Der Plan gelingt, und Picard kann in seiner neuen Eigenschaft als Botschafter an Bord der Rückgewinnungsstation gehen, deren wissenschaftliche Teams vor einer ganzen Reihe großer Herausforderungen stehen. Narek dringt dagegen im Auftrag seiner Schwester weiter in Soji vor. Dies führt dazu, dass sie erkennen muss, dass keins ihrer Besitztümer älter als 37 Monate ist. Narek leitet sie daraufhin in einem romulanischen Geistes-Ritual zur Erkundung ihrer Träume an, was von seiner Schwester Narissa insgeheim mitverfolgt wird. Aufgrund von Visionen kann Narissa erste Schlüsse auf die Koordinaten von Sojis Herkunftsplanet ziehen. Picard ist inzwischen auf dem »Artefakt« auf seinen alten Freund Hugh getroffen. Narek hat mittlerweile den Versuch unternommen, Soji zu töten, da ihm ihre Gefährlichkeit vollends bewusst geworden ist. Diese jedoch kann in die Gänge des Artefakts entkommen, wo sie auf Picard, Hugh und Elnor trifft. Mittels eines Notfall-Transportersystem können Picard und Soji von dem Borg-Kubus entkommen, während Hugh und der bei ihm zurückbleibende Elnor die anrückenden romulanischen Sicherheitskräfte davon 127 abhalten, ebenfalls das Transportersystem zu benutzen und den Flüchtigen zu folgen …

Folge 1.07: Nepenthe (Originaltitel gleichlautend) Erneut eine Rückblende: Drei Wochen vor den aktuellen Ereignissen unterzieht Commodore Oh Dr. Jurati einer Gedankenverschmelzung, bei der die Wissenschaftlerin die Zerstörung eines Planeten miterlebt. Jurati erhielt ferner von Oh einen Tracker und die Anweisung, sich Picard und seiner neuen Crew anzuschließen. In der Gegenwart erpresst Narissa auf dem Artefakt Hugh, in dem sie mehrere de-assimilierte Borg-Drohnen vor seinen Augen tötet: Hugh soll ihr den Aufenthaltsort von Picard und Soji verraten. Diese befinden sich inzwischen auf dem Planeten Nepenthe, auf dem Picards frühere Crewmitglieder Captain William Riker (Jonathan Frakes, Devil’s Gate) und seine Frau Deanna Troi-Riker (Marina Sirtis, The Orville) zusammen mit ihrer Tochter Kestra (Lulu Wilson, Spuk in Hill House) leben. Der alte Freund und seine junge Begleiterin werden herzlich aufgenommen. Kestra baut eine besondere Verbindung zu Soji auf, die niemandem mehr vertrauen kann, und überzeugt sie davon, dass insbesondere Picard ihres Vertrauens würdig ist. Auf der La Sirena entdeckt Captain Rios, dass sein Schiff von Narek verfolgt wird. Rios mutmaßt, dass Raffi auf Freecloud einen Tracker erhalten hat, und zieht Dr. Jurati ins Vertrauen, die jedoch insgeheim weiß, dass die Romulaner ihrem eigenen Tracker folgen. Um diesen zu zerstören, injiziert sie sich selbst Uranhydrid, wodurch sie jedoch ins Koma fällt. Auf dem Artefakt kommt 128 es zur gleichen Zeit zu einem Kampf zwischen Elnor und Narissa, während dem Hugh sein Leben verliert. Mittels Hughs Notrufsender, mit dem er Seven Of Nine kontaktieren kann, ruft er diese zu Hilfe. Auf Nepenthe ist Kestra inzwischen mit Hilfe des befreundeten Sternenflotten-Captains Crandall dahintergekommen, dass Sojis Heimatplanet im Ghulion-System liegt, das sich im Vayt-Sektor befindet. Picard und Soji beamen an Bord der La Sirena, um den Planeten anzufliegen …

Folge 1.08: Bruchstücke (Broken Pieces) Rückblende: 14 Jahre zuvor versammelt sich eine Gruppe romulanischer Agenten unter Leitung der romulanisch-vulkanischen Hybridin Oh auf dem Planeten Aia, der in einem künstlich erschaffenen Planetensystem mit 8 Sonnen liegt. Der Gruppe gehören auch Narissa und ihre Tante Ramdha (Rebecca Wisocky, For All Mankind) an, die später von den Borg assimiliert wurde. Die Gruppe unterzieht sich einem mystischen Ritual, während dem die Teilnehmer Visionen von einem untergegangenen Volk vor Jahrtausenden haben. Im Verlauf der Visionen sehen sie dabei das Gesicht einer künstlichen Lebensform, das sich in das Datas verwandelt, und erfahren von der geheimnisvollen Zerstörerin. Auf der La Sirena konnte Dr. Jurati gerettet werden. Sie gesteht, für Commodore Oh zu arbeiten und Dr. Maddox ermordet zu haben, und will sich auf dem nächstgelegenen Flottenstützpunkt Deep Space 12 stellen. Raffi findet heraus, dass Rios vor neun Jahren miterleben musste, wie sich sein Vorgesetzter auf der U.S.S. 129 Ibn Majid, Captain Alonzo Vandermeer (Vincent Teixeira, War Dogs), mit dem er auch befreundet war, suizidierte, nachdem Commodore Oh ihn zwang, zwei Angehörige einer unbekannten Rasse künstlicher Lebensformen zu ermorden. Soji bedrängt die Crew derweil, direkt zu ihrem Heimatplaneten zu fliegen. Um den Weg abzukürzen, benutzt die La Sirena einen alten Transwarp-Kanal der Borg. Allerdings werden sie von einem getarnten romulanischen Raumschiff verfolgt. Auf dem Artefakt ist Seven Of Nine dem gesendeten Notruf gefolgt und verbindet die verbliebenen Borg einschließlich sich selbst in einer Art temporärem Mini-Kollektiv wieder miteinander, um den Kubus zu reaktivieren und gegen die Romulaner einzusetzen. Ein Großteil der Borg kommt jedoch ums Leben, als Narissa die Luftschleuse öffnet. Die Romulaner machen sich auf den Weg zu Sojis Heimatplanet, und auch die verbliebenen Borg fliegen mit dem Kubus dorthin …

Folge 1.09: Et In Arcadia Ego, Teil 1 (Originaltitel gleichlautend) Die La Sirena, Nareks Schiff sowie der Borg-Kubus treffen kurz nacheinander nahe dem Planeten Coppelius im Ghulion-System ein. Hier werden sie von riesigen, orchideenartigen Gebilden dazu gezwungen, auf der Oberfläche des Planeten zu landen. Picard und die Crew der La Sirena begeben sich zunächst zu dem abgestürzten Borg-Kubus, wo sie auf Seven und Elnor treffen. Mit den Langstreckensensoren des Kubus finden sie heraus, dass 218 romulanische Warbirds noch zwei Tagesreisen vom 130 Ghulion-System entfernt sind. Seven und Elnor bleiben auf dem Kubus zurück, um dessen Waffensysteme zu reaktivieren. Picard und die La Sirena-Crew machen sich auf den Weg zur Coppelius-Station. Diese ist von Androiden bewohnt, welche allesamt von Dr. Altan Inigo Soong (Brent Spiner) geschaffen wurden. Dieser behauptet, der leibliche Sohn Dr. Noonien Soongs zu sein, der einst Data, Lore und B-4 geschaffen hat. Die Androidin Sutra (Isa Briones), die große Ähnlichkeit mit Soji hat, unterzieht Dr. Jurati einer Gedankenverschmelzung. Dabei findet sie heraus, dass die prophezeite »Mahnung«, vor der sich die Romulaner fürchten, nicht an diese, sondern an die Androiden gerichtet ist und von einer geheimnisvollen Rasse von künstlichen Lebensformen aus einem entlegenen Teil der Galaxis stammt. Die Androiden können Narek gefangennehmen und unter Bewachung durch die Androidin Saga (Nikita Ramsey, Paranormal Haunting At Silver Falls) stellen. Narek schafft es jedoch, das Vertrauen Sutras zu gewinnen und sie dazu zu bringen, ihm die Flucht zu ermöglichen. Dabei kommt Saga unter zunächst ungeklärten Umständen ums Leben. Sutra schürt daraufhin die Furcht vor organischen Lebensformen unter den anderen Androiden. Sie überzeugt Dr. Soong davon, mittels einer Bake die Allianz künstlicher Lebensformen herbeizurufen, um gegen die angreifenden Romulaner sowie alle anderen organischen Lebewesen vorzugehen. Picard wird unter Arrest gestellt …

Folge 1.10: Et In Arcadia Ego, Teil 2 (Originaltitel gleichlautend) 131 Raffi und Rios ist es gelungen, die La Sirena zu reparieren. Sie erhalten unerwartete Unterstützung, als Narek am Schiff auftaucht und ihnen anbietet, sich mit ihnen zu verbünden, um gemeinsam die Bake zu vernichten, mit welcher die Maschinenzivilisation herbeigerufen werden soll. Dr. Jurati befreit in der Zwischenzeit Picard aus seinem Arrest, während Soji und Sutra gemeinsam die Bake aktivieren. Raffi, Rios und Narek können mit einer Anzahl Spezialgranaten in das Dorf um die Coppelius-Station gelangen, doch der Versuch, die Bake damit zu sprengen, misslingt, als Soji die Granate abfängt. Dr. Soong kommt durch Extraktion deren Gedächtnisspeichers dahinter, dass nicht Narek, sondern Sutra die Androidin Saga getötet hat, und deaktiviert die Mörderin daraufhin, Soji jedoch hält weiterhin an dem bisherigen Plan fest. Die romulanische Flotte hat den Planeten inzwischen erreicht, wird jedoch von den mechanischen Orchideen für den Moment aufgehalten. Picard und Raffi fliegen daraufhin mit der La Sirena ins All, wo sie den unter dem Kommando von Oh stehenden Romulanern durch einen Trick vorgaukeln können, es existiere eine ganze Flotte von Schiffen der gleichen Klasse wie das ihrige. Allerdings kommen die Romulaner sehr schnell hinter den Trick. Auf dem abgestürzten Borg-Kubus kommt es derweil zu einer Konfrontation zwischen Seven und Narissa, in deren Verlauf die Ex-Drohne die Romulanerin tötet. Im All gibt es Hilfe von unerwarteter Stelle: Eine riesige Flotte von Sternenflottenraumschiffen unter dem Kommando von Captain Will Riker zwingt die Romulaner, abzuziehen. Picard 132 kann nach einer letzten ergreifenden Begegnung mit dem gespeicherten Bewusstseins Datas Soji dazu bringen, die Bake zu deaktivieren, was im letzten Augenblick geschieht. Doch für den alten Ex-Admiral schlägt die Stunde des Schicksals: Aufgrund der immensen Belastungen macht sich Picards Anomalie im Gehirn bemerkbar, und niemand kann Picards Tod verhindern. Dennoch aber gibt es den berühmten Silberstreif am Horizont …

Kritik Ganz sicherlich stellt es keinen wirklichen Spoiler dar, dass unser Held am Ende natürlich nicht den Heldentod sterben wird und Sir Patrick Stewart auch in der zweiten Staffel der Serie (welche sich bereits in Produktion befindet) wieder mit von der Partie sein wird. Anders verhält es sich allerdings mit seinem Schauspielkollegen Brent Spiner, der unmissverständlich klar gemacht hat, kein weiteres Mal mehr als Data auftreten zu wollen. Die Serie selbst spaltet wieder einmal die Trekkie- und Trekker-Fan-Gemeinde in gleich mehrere Fraktionen auf. Die eine davon kann es noch immer nicht fassen, dass Star Trek: Picard nicht nur nicht das erhoffte Star Trek – The Over-Next Generation geworden ist, welches man sich trotz vielerlei Hinweise im Voraus letztendlich doch noch gewünscht hatte. Riker, Troi und Data, schön und gut – aber wo waren Worf, Geordi, Dr. Crusher und Wesley? Eine andere Fraktion sieht die Serie als einen mehr oder weniger gelungenen Fan-Service an, der trotz einiger recht schwerwiegender Logiklöcher in der Handlung und auch vermeidbarer Längen 133 genau das richtige Maß an Spaß verbreitet hat, und eine weitere Fraktion hasst die Serie, weil sie einfach grottenschlecht war und benötigt keine weitere Begründung hierfür, und überhaupt ist Patrick Stewart zu alt, und Star Trek ist tot. Ende der Durchsage. Welcher dieser Fraktionen aber gehört der Autor dieses Episodenguides an? Richtig geraten, eigentlich keiner davon voll und ganz, und uneigentlich in weiten Teilen der zweiten. Bereits die erste Folge der Serie (da sie nicht als Pilotfolge konzipiert war, soll auf diese Definition auch verzichtet werden) gibt den Kurs der Dinge vor, die da kommen sollen. Keine neue Raumschiff-Show, in der Admiral a.D. Picard in der 2., spätestens der 3. Folge wieder in den aktiven Dienst der Sternenflotte zurückkehrt, sondern es geht stattdessen in das in letzter Zeit wieder zunehmend populärere Mystery-Genre. Das Ganze natürlich in echter Star Trek-Art, und aus diesem Grund werden zunächst eine Menge Fragen aufgeworfen und gleichzeitig einige interessante neue Charaktere ins Spiel gebracht – neben Dahj und kurz darauf Soji sind dies Picards romulanische Hauswirtschafter Laris und Zhaban, hinter denen mehr zu stecken scheint, als auf den ersten Blick ersichtlich ist. Hier liegt der erste Schwachpunkt: Warum wurden diese beiden hochinteressanten Figuren von weiteren Auftritten in den Folgen 2 und 3 abgesehen nicht weiterverfolgt? Hier hat man ganz klar Potenzial verschenkt. Schön und gut, es gibt jedoch noch andere neue Charaktere. Dr. Jurati zum Beispiel. Leider hat man sich alle erdenkliche Mühe gegeben, den Charakter mit dem 134 Nervtöter-Faktor 20 zu versehen. Die Unsicherheit und innere Zerrissenheit der Figur hätte man auch auf andere Weise darstellen können – so, wie es zum Beispiel gegen Serienende geschah. Bloß waren da die Sympathien für die Figur bei weiten Teilen des Publikums bereits im tiefsten Keller, und es wird sicherlich schwer, sie da wieder hinauszumanövrieren. Nun gut – schwer heißt nicht zwangsläufig unmöglich. Es besteht Hoffnung! Längen … ja … Längen … mhmm. Man stelle sich eine ansonsten hochspannende Krimiserie vor, deren Handlungsfluss des ermittelnden Kommissars immer wieder durch völlig unnötige Schilderungen verschiedenster Umstände aus dessen Privatleben unterbrochen würde. Ja, leider tut Star Trek: Picard gleich mehrere Male Ähnliches. Sicher ist es interessant, etwas über die Vorgeschichte des romulanischen Kriegernonnen-Ordens der Qowat Milat und deren einzigen männlichen Schüler Elnor zu erfahren (übrigens eine der erfrischendsten und sympathischsten Figuren der ganzen Serie und allen Unkenrufen zum Trotz eben kein »Elb«), aber ob die Serienhandlung für diese Schilderungen wirklich volle 45 Minuten auf der Stelle treten musste, darüber lässt sich beim besten Willen streiten. Auch wenn Sir Patrick Stewart mit einem Rapier in der Hand trotz seiner bald 80 Jahre immer noch eine ausgezeichnete Figur macht. Und ja, wir Fans freuen uns über bekannte Gesichter. Auch dann noch, wenn Picard Urlaub bei den Rikers macht und wir dem Ex-Commander-und-jetzigen-Captain-a.D. beim Pizza-Backen zusehen können (ist eigentlich noch 135 jemandem aufgefallen, dass außer Deanna Troi niemand von der fertigen Pizza isst?), was die Handlung null, nada und kein Stück weit voranbringt. Und überhaupt: Wenn man nicht sehr, sehr gut aufpasst, dann ist man sehr schnell raus aus der ziemlich komplizierten und immer kruder werdenden Verschwörungsgeschichte rund um Romulaner (die trotz der Zerstörung ihres Planeten anscheinend immer noch über eine ganz ordentliche Raumschiffflotte verfügen), die Sternenflotte (die auch nicht mehr das ist, was sie mal war …), Data (der hier nach Star Trek: Nemesis zum zweiten Mal stirbt) und den Borg, die im wahrsten Sinne des Wortes einfach nicht totzukriegen sind – vor allem Seven Of Nine nicht, die mit den Jahren so fein gereift ist wie guter Wein. Man könnte also meinen, der Verfasser möge Star Trek: Picard dementsprechend nicht. Doch damit läge man falsch. Absolut sogar. Star Trek: Picard ist nicht perfekt, nein. Das aber war auch nicht zu erwarten. Betrachtet man andere erste Staffeln von Star Trek-Serien, findet man ebenfalls Fehler, und zwar mitunter noch deutlich schwerwiegendere als die in Picard. Doch vergessen wir dieses »Whataboutism« genannte Phänomen. Picard macht trotz der negativen Kritikpunkte Spaß. Man muss dazu lediglich hier und da Fünfe gerade sein lassen können. Laris und Zhaban etwa sind nicht aus der Welt und könnten in der 2. Serienstaffel eine größere Rolle spielen. Und Dr. Jurati hat die Gratwanderung am Ende als unperfekte, aber überaus ausbaufähige Figur recht gut hinbekommen. Vielleicht ist es ja gerade der mitunter 136 fehlende Sympathie-Faktor, der die Figur letztlich ausmacht. Und Längen … macht es nicht immer wieder Freude, bei den Leuten durch das sprichwörtliche Fenster zu schauen und dabei zuzusehen, was sie neben den ganz großen und wichtigen Sachen eigentlich noch gern so treiben? Das kann Figuren sehr menschlich machen. Unter dem Strich bietet die Serie spannende Unterhaltung mit gelegentlichen Unterbrechungen für Star-Trek-Fans vielleicht etwas älteren Semesters. Jung-Fans mag es natürlich schwerfallen, sich mit einem 94-jährigen Helden zu identifizieren, der von einem 79-jährigen Darsteller gespielt wird, aber für Jung-Fans, so scheint es, ist die Serie mit ihrem eher gemächlichen Erzähltempo auch nicht gemacht. Sondern sie richtet sich weit eher an Fans der »Next Generation«, die sich immer gefragt haben, wie es in ihrem Lieblingsteil des Universums nach den Ereignissen in der Glanzzeit weitergegangen ist. Das war bisher nur den Fans der klassischen Originalserie vergönnt gewesen. Bei alledem ist die Serie in hohem Maß an heutige Sehgewohnheiten angepasst, die nur noch selten vorhersehbare und stereotype Charaktere wie im Fernsehen der 80er- und 90er-Jahre (großteils jedenfalls) beinhalten. Picard ist ein Anfang, von dem eine Fortsetzung zu erhoffen ist. Und der letzte Satz soll ein Dankeschön sein: An Ernst Meincke nämlich, der trotz einer schweren Erkrankung vor einigen Jahren noch einmal aus seinem Ruhestand zurückgekehrt ist, um unserem Helden eine seiner gewohnten deutschen Stimmen zu verleihen.

137 Special: Lieblingsfolgen – Teil 4 Heute eine gemeinsame Lieblingsepisode: Thorsten Walch (Es lebe Star Wars, Es lebe Captain Future) stellt seine und Reinhard Prahls (Seelen, Es lebe Captain Future) DS9-Lieblingsfolge Der Weg des Kriegers passend zu dessen Interview mit J.G. Hertzler (General Martok) in dieser Ausgabe des Corona Magazine vor:

The Way Of The Warrior (Der Weg des Kriegers) aus Star Trek: Deep Space Nine von Thorsten Walch und Reinhard Prahl

Worum geht‘s? Auf Deep Space Nine befindet man sich angesichts der immer größer werden Bedrohung durch das Dominion aus dem Gamma-Quadranten in höchster Alarmbereitschaft. Da es den »Wechselbälger« beziehungsweise »Gründer« genannten Gestaltwandlern, den Anführern der Feindmacht, kürzlich gelungen ist, die Station zu infiltrieren, halten Captain Sisko und seine Brückencrew eine Übung ab: Im Rahmen einer Simulation jagen sie Sicherheitschef Odo, der den feindlichen Gestaltwandler spielt. Sehr schnell erweist sich dabei, dass die Mannschaft nur wenig gegen eventuelle Eindringlinge von Odos Volk unternehmen kann. Dies jedoch ist nicht allein der Sternenflotte klar: Der klingonische Kanzler Gowron beschließt auf Anraten seines Generals Martok, eine Flotte von Kriegsschiffen in der Nähe 138 des Wurmloches zu postieren und eine Garnison von Kriegern auf Deep Space Nine einzuquartieren, da er die Cardassianische Union für von den Gestaltwandlern unterwandert hält. Erwartungsgemäß birgt diese Situation reichlich Konfliktpotential. Aus diesem Grund wird Lt. Cmdr. Worf, der einzige Klingone in der Sternenflotte, dauerhaft als Verbindungsoffizier zu seinem Volk von der Enterprise-E nach Deep Space Nine versetzt …

Veränderte Gegebenheiten: Klingonen und ein Captain mit Glatze Auch die dritte Star Trek-Serie Deep Space Nine hatte in ihrer letztlich 7-jährigen Laufzeit immer wieder einmal mit schwankenden Einschaltquoten zu kämpfen. Einer der Gründe hierfür war nicht allein die gegenüber der Vorgänger-Serie TNG ziemlich düstere Machart der Serie, sondern auch das auf einer Raumstation angesiedelte Szenario: Die für Star Trek sprichwörtlichen »fremden Welten, neues Leben und neue Zivilisationen« mussten auf diese Weise nach Deep Space Nine kommen wie der Berg zum Propheten. Dass dies auf Dauer nicht funktionieren konnte, war den Produzenten klar, weshalb bereits eine Staffel zuvor mit der Defiant ein stationseigenes Raumschiff in die Serie eingeführt worden war. Doch auch das allein reichte noch nicht aus, um die Serie endgültig ähnlich legendär wie den Vorgänger zu machen: Die Klingonen mussten her. Zwar waren die höckerköpfigen polterigen Gesellen bereits ab der 1. Staffel von DS9 immer wieder einmal auf den Fluren der schäbigen Raumstation 139 aufgetaucht, doch eine wirklich wichtige Rolle hatten sie dabei nicht gespielt. Die Handlung, in deren Mittelpunkt mehr und mehr die Machenschaften des Dominion rückten, bot an diesem Punkt eine ideale Möglichkeit, den Klingonen einen größeren Handlungsspielraum einzuräumen. Ein Sahnehäubchen fehlte aber trotzdem noch, und dieses trug den Namen Worf. Die Figur des einzigen klingonischen Offiziers in der Sternenflotte war bereits nach Anfängen als handzahmer Lakai der Brückencrew zu einer der beliebtesten Figuren in TNG avanciert, und zusätzlich spielte Worf auch eine nicht unerhebliche Rolle in den zeitgleich produzierten, auf der Vorgängerserie basierenden Kinofilmen. Und da sein Darsteller Michael Dorn gerade nichts Besseres zu tun hatte, beamte er also an Bord. Doch auch Avery Brooks, der eine Staffel zuvor zum Captain beförderte Benjamin Sisko, erhielt einen neuen Anstrich: Von nun an präsentierte er sich mit kahlrasiertem Kopf und Mongolenbärtchen, was seinem von Fans der Serie geliebten Erscheinungsbild als Hawk in Spenser: For Hire entsprach.

Aus der Traum vom Frieden Der Weg des Kriegers, im Gegensatz zur US-Ausstrahlung als anderthalbstündiger TV-Film hierzulande in zwei Episoden zerteilt, präsentierte sich natürlich als eine recht actionorientierte Geschichte von Anfang an: Nach einer Verfolgungsjagd auf Odo, der für eine Kampfsimulation einen feindlichen Gestaltwandler mimte, legte die Folge deutlich mehr Tempo vor als ein großer Teil der vorherigen, 140 eher ruhigen DS9-Episoden, was der Serie hier und da den Ruf eingebracht hatte, lahm zu sein. Wo Klingonen sind, da wird gekämpft, so ist das nun einmal. Und genau das entwickelte sich in der Episode (und nach ihr eigentlich der gesamten restlichen Serie) zum springenden Punkt: Wie lange kann eine Rasse geborener Krieger, wie es die Klingonen mit all ihren kämpferischen Attributen nun einmal sind, in einem immerwährend scheinenden Zustand des Friedens leben? Fans der klassischen Originalserie hatten die einstigen Feinde als neue Verbündete bei TNG diesbezüglich von Beginn an mit erheblichem Misstrauen beäugt. Doch hielten die Klingonen in den sieben Jahren der Picard-Enterprise die Füße ganz erstaunlich still, sieht man vom Zweiteiler Der Kampf um das klingonische Reich (Redemption) einmal ab, der von der 4. in die 5. Serienstaffel überleitete. Hier erwies sich der klingonische Bürgerkrieg jedoch als Folge der Machenschaften böser Romulaner und nicht etwa als Auswirkung der langen Untätigkeit bei dem Kriegervolk. Ansonsten hatte es niemals eine Episode gegeben, deren Aussage »Klingonen MÜSSEN kämpfen! tlhIngan maH taHjaj!« gelautet hätte, jedenfalls nicht im größeren Stil. Darum nun sollte es in Der Weg des Kriegers gehen, beziehungsweise eigentlich ab diesem Zeitpunkt in der kompletten restlichen Serie. Die Klingonen waren des mehr als ein Jahrhundert währenden Friedens überdrüssig, so schien es, und sehnten sich nach neuen ruhmreichen Schlachten, die man anschließend besingen konnten. Doch bei alledem nicht ohne Grund, schließlich war das Dominion in der Serienhandlung eine überaus reale 141 Bedrohung und nicht etwa herbeigeredetes Verschwörungs-Geschwurbel … oder?

Neue Klingonen … Der klingonische Ratskanzler Gowron, gespielt von Robert O’Reilly, war bereits seit TNG ein bekanntes Gesicht im Star Trek-Universum und hatte bereits zuvor in Folgen von DS9 mitgewirkt. Worf hingegen sollte ursprünglich nur zeitweilig mit von der Partie sein, stieg aber schon in Der Weg des Kriegers in die Riege des im Vorspann genannten Hauptdarsteller-Casts auf. Hier integrierte er sich entgegen anderslautender Fan-Meinungen bereits nach kurzer Zeit recht gut, da er viele neue Facetten seiner schon bekannten Figur einbrachte, und blieb der Serie aus diesem Grund bis zu ihrem Ende nach der 7. Staffel erhalten. Einer der schillerndsten Neuzugänge jedoch wurde der klingonische General Martok, gespielt von J.G. (für John Garman, siehe das Interview mit ihm von Reinhard Prahl in dieser Ausgabe) Hertzler. Martok ist es, der Gowron überhaupt erst auf die Idee bringt, Flottenverbände an der cardassianischen Raumgrenze zu positionieren. Das Ganze hat freilich einen Grund, der einen erheblichen Mystery-Faktor in die Serie bringt, als er einige Episoden später offenbar wird: Martok nämlich ist gar nicht Martok, sondern ein in seiner Gestalt agierender Gestaltwandler, während der echte Martok (mittlerweile einäugig) in der Gefangenschaft des Dominion schmort. Gestaltwandler-Martok will durch sein Vorgehen eine Verschärfung der Konfliktsituation erreichen, was ihm auch trefflich gelingt. Trotz dieses anfänglichen 142 Identitätsverlustes entwickelte sich »Tough Guy« Martok zu einem ausgesprochenen Parade-Klingonen, der bis heute zu den absoluten Fan-Favoriten zählt.

… und eine neue Liebe für Sisko Ein Neuzugang ist auch Frachter-Kapitänin Kasidy Yates, die man bereits eine Staffel zuvor als potentielles neues Love Interest des Hauptdarstellers kennengelernt hatte. Gespielt wird sie von Penny Johnson, die seit mittlerweile fast drei Jahren unserer Zeit als Bordärztin Dr. Claire Finn auf dem Konkurrenzraumschiff The Orville ihren Dienst in einem benachbarten Universum verrichtet. Von Anfang an wurde Kasidy als starke Frauengestalt aufgebaut, der man anmerkte, dass sie nicht nur zeitweilig in Erscheinung treten würde. Und richtig: Ihre Beziehung zu Sisko und ihr gemeinsames Kind wurden außerordentlich wichtig für die weitere epische Serienhandlung. In Der Weg des Kriegers steht alles das jedoch noch ganz am Anfang. Kasidy Yates ist eine erfrischende Bereicherung für die Serie; ein mitunter recht verschlagen agierender weiblicher Han Solo und damit das ziemlich haargenaue Gegenteil des zwar unorthodoxen, aber stets korrekten Sternenflottenoffiziers Ben Sisko. Die Schilderung der Beziehung brachte dem Zuschauer auch die Figur des Sisko um ein weiteres großes Stück näher.

Synchronisationsprobleme … Weiß jemand hier, was ein »Wechselbalg« ist? Äußerst kurz ausgedrückt, handelt es sich dabei um einen von Elfen und/oder Kobolden erschaffenen Doppelgänger eines 143 Kindes, welcher guten Menschen im Irland alter Zeiten im Austausch für ihr eigenes gestohlenes Kind untergeschoben wird. Während das echte Kind das »Kleine Volk« von da an mit seinem Liebreiz erfreut, macht der Wechselbalg seinen unfreiwilligen Adoptiveltern in aller Regel nichts als Ärger. Erboste irische Eltern werfen ihren unartigen Kindern bis heute vor, in Wahrheit Wechselbälger zu sein. Was dieser zweifellos interessante, thematisch jedoch recht deplatziert wirkende Ausflug in die irische Sagenwelt mit Star Trek allgemein und Der Weg des Kriegers speziell zu tun hat? Einiges … In mehreren Märchen lautet die Bezeichnung für den Wechselbalg im englischen Original »changeling«, was sich sinngemäß auch mit »Gestaltwandler« übersetzen lässt. Dummerweise hat sich aber der Wechselbalg im deutschen Sprachgebrauch durchgesetzt. Das Resultat davon ist, dass bei DS9 die im Original »changeling« genannten Gestaltwandler, die man auch als die Gründer des Dominion kennt, in der deutschen Fassung zu Wechselbälgern wurden, nicht allein in Der Weg des Kriegers, sondern bis weit in die nachfolgende Serie hinein. Anfänglich war das amüsant, irgendwann aber einfach nur noch ärgerlich. Glücklicherweise begradigte man die unglückliche Übersetzung und sprach dann nur noch von den Gründern. Gut so.

Noch eine Folge für die Insel … Deep Space Nine hatte nicht nur beim Verfasser dieses Artikels seine Startschwierigkeiten. Darüber kann man an 144 dieser Stelle diskutieren, man kann es auch bleiben lassen. Doch spätestens mit Der Weg des Kriegers waren diese überwunden. Die seinerzeit 3. beziehungsweise 4. (wenn man die Zeichentrickserie mitzählt) Serie aus dem Star Trek-Universum wagte mit der 4. Staffel eine Art Neustart und wurde so zur Serie in der Serie. Bis zum Schluss blieb DS9 absolut Star Trek-untypisch, doch seit Der Weg des Kriegers auf an- und aufregende und nicht mehr auf gelegentlich einschläfernde Art und Weise. Das lag nicht nur an den Klingonen. Aber was soll man sagen … sie hatten einen nicht unerheblichen Anteil daran!

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147 Im Gespräch mit John G. Hertzler – »Die gesamte Zeit am Set war ein einziges Highlight für mich.« von Reinhard Prahl

In nicht weniger als 26 Episoden der Kult-Serie Star Trek: Deep Space Nine verkörperte der US-amerikanische Schauspieler John G. Hertzler den Klingonen Martok. Bereits bei seinem ersten Auftritt in The Way of the Warrior (Der Weg des Kriegers) gelang es dem sympathischen Schauspieler aus Savannah in Georgia, die Herzen der Fans für sich zu gewinnen. Von der vierten bis zur siebten Staffel prägte er gemeinsam mit Michael Dorn alias Worf das Bild des ehrenhaften, mutigen und loyalen Kriegers wie kaum ein anderer Darsteller. Im Gespräch mit unserem Redakteur Reinhard Prahl teilt Hertzler seine Erinnerungen vom Set und erzählt davon, wie sehr Martok sein Leben bereichert hat.

Reinhard Prahl (RP): Hallo John. Vielen Dank, dass du dir die Zeit für ein Interview mit uns nimmst. Lass uns zunächst ein wenig über Martok reden. Was hat dich am meisten an ihm beeindruckt?

Hertzler:

148 Spontan? Seine Tapferkeit, seine Loyalität und sein Respekt gegenüber dem schweren Amt eines Anführers. Außerdem mag ich Martoks Mut, ausgetretene Pfade zu verlassen und etwas Neues zu wagen. Martok ist anders als der typische Klingone, dem nichts mehr bedeutet, als im Kampf zu sterben. Er ist seinen Freunden gegenüber loyal, auch wenn diese nicht unbedingt das Idealbild eines Klingonen entsprechen.

RP: Gibt es für dich den einen unvergesslichen Martok-Moment?

Hertzler: Den gibt es. Es ist eine kleine Szene mit Michael Dorn aus der Folge Soldiers of Empire (Martoks Ehre). Wir sind auf dem Weg ins Jem’Hadar-Gebiet, und Worf und ich haben eine Besprechung in meinem Bereitschaftsraum auf der Rotarran. Worf hält eine kurze Rede, ich antworte, entlasse ihn und kehre dann an meinen Schreibtisch zurück. Doch Worf bleibt genau dort stehen, wo er gerade ist und sagt kein Wort. Schließlich schaue ich auf, und unsere Blicke treffen sich. Dann sage ich noch einmal, etwas lauter als vorher: »Wegtreten!«, und arbeite weiter. Martoks fragender Klang in der Stimme und der – nicht verstehen könnende – Blick auf Worfs Gesicht ist für mich als Schauspieler einer der wenigen wirklich spontanen und ehrlichen Momente Martoks in der Show.

149 Ich mache meinen Job nun bereits seit 50 Jahren. Schauspieler arbeiten eigentlich so gut wie immer auf mehreren Realitätsebenen, nämlich im Dialog und im Subtext der jeweiligen Szene, die das Verhältnis von Schauspieler zu Schauspieler und Figur zu Figur widerspiegelt. Unerwartete Momente, auf die man nur mit vollständiger Ehrlichkeit reagieren kann, sind selten und in meinem Handwerk etwas ganz Besonders. Diese Szene mit Worf war einer dieser wundervollen Momente.

RP: Wie hast du deine Zeit am Set von Deep Space Nine in Erinnerung? Gibt es vielleicht eine kleine Anekdote, die uns erzählen möchtest?

Hertzler: Die gesamte Zeit am Set von DS9 war ein einziges Highlight für mich. Ich liebe die Schauspielerei, und ich liebe Science Fiction. Und ich liebe Ideen! Ich mag das Arbeiten mit talentierten Kollegen und Freunden, um etwas Wundervolles zu erschaffen. Das ist wohl auch der Grund, warum ich dem Sport so sehr zugeneigt bin. Man spielt, siegt, oder verliert im Team, ist involviert und ergriffen. Was kann schöner sein als das? Sich am Lächeln eines Teamkameraden zu erfreuen, den Sieg gemeinsam zu feiern, das bin ich! In Bezug auf das oben Gesagte ist es das Wichtigste für einen Schauspieler überhaupt, dass jeder am Set den bestmöglichen Job abliefert. Du willst deine Freunde nicht 150 hängenlassen, so einfach ist das. So machen einem auch die langen Tage weniger aus. Wir haben oft 18 Stunden am Tag gearbeitet. Und hier kommt nun die von dir erbetene Anekdote (lacht). Eine Szene spielte in einem Gefängnis, in dem Garaks Vater im Sterben lag. Die Zelle war dunkel, und die meisten von uns saßen oder lagen in der Gegend herum, während Garak einen sehr langen und leidenschaftlichen Monolog hielt. Ich saß zuerst und lehnte mich dann an der Wand an. Da das Höhlenset, in dem ich wartete, sehr dunkel und relativ ruhig war, schlief ich schließlich auf einem Bett ein, während Garak seinem Vater etwas zuflüsterte. Das nächste, woran ich mich erinnere, ist Andrew J. Robinsons Garak-Gesicht einige Zentimeter von meinem entfernt. Seine Augen blitzten wie Dolche, und er sagte sehr sanft: »JG, lass mich nur einmal meinen Text zu Ende sprechen, BITTE!« Offensichtlich war ich eingeschlafen und habe auch noch laut geschnarcht. Ich war beschämt, weil ich sie alle im Stich gelassen hatte. Es war 02:00 Uhr morgens. Alle waren todmüde und wollten nur noch diese eine Szene in den Kasten kriegen, um endlich nach Hause zu kommen. Ich war wirklich am Boden zerstört und dachte, das wäre es jetzt für mich gewesen. Glücklicherweise waren die Produzenten aber sehr verständnisvoll, und Martok bekam seine Chance auf eine Rehabilitation. Es war eben ein langer Tag gewesen.

RP:

151 2003 hast du Martoks Weg als Kanzler im zweiteiligen Roman The Left Hand of Destiny weitererzählt. Wie kam es dazu, und worum geht es in der Geschichte?

Hertzler: Einige Jahre nach dem Ende von Deep Space Nine fragte man mich, ob ich Interesse hätte, für Simon & Schuster einen Star Trek-Roman zu schreiben. Mein Co-Autor Jeffrey Lang und ich verfassten darauf hin The Left Hand of Destiny. Die Geschichte setzt direkt nach dem Ende des Dominion-Krieges an, als Martok nach Q’onos zurückkehrt. Er muss sich einem Militärputsch stellen, der von einem korrupten und machthungrigen Klingonen angeführt wird. Die Geschichte beginnt mit einer Traumsequenz, die Martok erneut mit Gowrons Tod konfrontiert. Der Hohe Rat ist aufgebracht und zwingt ihn in eine Situation, die der König Arthurs, als er gegen Mordred ins Feld zog, nicht unähnlich ist. Nur mit der Hilfe des jungen Ferengi Phar (der dem unvergesslichen Nog meines lieben Freundes Aron Eisenberg nachempfunden ist) und der Unterstützung von Ezri Dax, Worf und einem Großteil der Besatzung von DS9 gelingt es, den entfesselten Armeen seines Gegners standzuhalten. Der Zweiteiler ist klasse geworden und ein Fest für jeden Klingonen-Fan.

RP: Du bist seit 1993 ein fester Bestandteil der Star Trek-Welt und in drei TV-Serien und fünf Videospielen zu sehen und zu hören. Wird deine Rolle in Axanar, sollte der Film je 152 erscheinen, der letzte Auftritt bei Star Trek sein, oder könntest du dir einen Cameo-Auftritt in einer der neuen Serien vorstellen?

Hertzler: Ich würde es natürlich lieben, in Star Trek: Discovery oder Star Trek: Picard mit dabei zu sein. Am meisten würde ich mich aber darüber freuen, in The Orville eine Rolle annehmen zu dürfen. Ich schaue Picard jede Woche, sobald die neue Folge online ist, finde den Plot aber aus unerfindlichen Gründen sehr verwirrend. Ich kann nicht einmal genau sagen, warum, es ist mehr ein Gefühl. Einige der Dialoge sind mir vielleicht zu sehr in der heutigen Umgangssprache verortet als in der typischen Star Trek-Syntax, die eine uneingeschränkte Teilhabe an der fiktiven Zukunft der Figuren ermöglicht. Ich weiß es einfach nicht genau. Ich liege möglicherweise komplett falsch, aber irgendwas verhindert, dass ich einen wirklichen Zugang zu den Figuren finde. Sir Patrick Stewart ist einer meiner größten Schauspielhelden, doch selbst er kommt mir seltsam deplatziert vor. Es mag daran liegen, dass er gleichzeitig auch als Executive Producer fungiert und Jean-Luc Picard deshalb mehr von außen betrachtet. Das macht es mir etwas schwer, an seine Vorgehensweise, oder noch wichtiger, seine Reaktionen auf bestimmte Ereignisse zu glauben. Wie auch immer. Ich bin und bleibe ein riesiger Star Trek-Fan und werde weiter zuschauen und mich auf jede neue Folge freuen.

153 The Orville ist da im guten alten Star Trek-Sinne etwas einfacher gestrickt. Die Folgen haben alles: tolle Figuren, ein Motiv, Action und ein Hindernis, das es zu überwinden gilt. Hinzu kommt ein feiner Sinn für Humor. Außerdem finde ich die KRILL und ihre coolen Raumschiffe einfach klasse!

RP: Das Star Trek-Franchise wächst gerade stark. Derzeit laufen zwei Serien mehr oder weniger gleichzeitig, und mindestens vier weitere befinden sich in der Mache. Du bist ja ebenfalls Drehbuchautor. Wenn du also eine neue Serie entwickeln dürftest, was wäre das Thema?

Hertzler: In der DS9-Episode Far Beyond the Stars (Jenseits der Sterne), die von Marc Zicree geschrieben wurde, spielte ich den Pulp-Magazin-Illustrator Roy Rittenhouse. Mein Job beim Magazin war das Zeichnen von Storyboards zu Ideen und Geschichten, die die Autoren sich ausgedacht hatten. Ich habe diese Rolle geliebt. Ich fand die gesamte Idee der Folge einfach genial. Meiner Meinung nach bildet Far Beyond the Stars die perfekte Grundlage für eine sehr, sehr erfolgreiche Serie mit fast unbegrenzten kreativen Möglichkeiten. Man kann sich kaum vorstellen, welches enorme Potenzial an Science Fiction-Themen in so einer Serie stecken könnte. Von den ersten intelligenten Lebewesen des Universums bis in die entfernteste Zukunft wäre alles denkbar, fast so wie in den Pulp-Magazinen der 30er bis 50er Jahre. Falls irgendjemand da draußen Lust hat, 154 die Idee mit mir umsetzen, ruft mich an!

RP: Letzte Frage: Deine Fans würden dich gerne wieder einmal in Deutschland treffen, vorzugsweise zusammen mit Robert O’Reilly. Eure gemeinsamen Panels sind legendär. Hast du in dieser Hinsicht irgendwelche Pläne für die nähere Zukunft?

Hertzler: Ich hoffe doch sehr, dass Robert und ich bald wieder in Deutschland sind. Für dieses Jahr sind bisher noch keine Verträge unterzeichnet und von einer internationalen Krise gezeichnet. Aber das Jahr ist noch jung, wer weiß? Seit ich vor ungefähr 20 Jahren meine ersten Conventions in Bremen, Berlin und Goslar besucht habe, liebe ich meine Auftritte in Deutschland. Im Laufe der Jahre habe ich viele Menschen kennengelernt und auch einige Freunde gefunden. Mir liegen also die deutschen Star Trek-Fans sehr am Herzen, vor allem die Klingonen unter ihnen. Auch meine späteren Conventions in Bonn, Düsseldorf und Stuttgart waren klasse. Mein Name stammt ja aus dem Deutschen, daher ist ein Besuch in Deutschland für mich immer ein wenig wie nach Hause kommen, vor allem, wenn ich im Harz oder Schwarzwald bin. Also ja, ich würde sehr gerne kommen!

Vielen Dank für das tolle Gespräch und bis bald in Deutschland, John. 155 Werbung

156 Phantastisches Sehen

Ressortleiterin Bettina Petrik

Perlentaucher: American Horror Story, Teil 2 von Thorsten Walch

Nachdem in der vorhergehenden Ausgabe des Corona Magazine die Staffeln 1 bis 4 der erfolgreichen Horror-Anthologienserie behandelt wurden, werfen wir diesmal einen Blick auf die Staffeln 5 bis 9, wobei Letztere die bislang aktuellste Season ist.

Ungewöhnliche unheimliche Geschichten Staffel 5 von 2015 mit dem Untertitel Hotel wartete mit einer echten Überraschung für die Fans auf: Da Hollywood-Veteranin Jessica Lange ihre feste Mitwirkung im Ensemblestab der Serie beendet hatte, rückte für sie keine

157 Geringere nach als Lady Gaga höchstpersönlich. Die exzentrische Pop-Sängerin (mit bürgerlichem Namen übrigens Stefani Joanne Angelina Germanotta) war im Lauf ihrer kunterbunten Karriere schon mehrmals in Fernsehserien und Kinofilmen aufgetreten, darunter als seinerzeit 15-jährige in Die Sopranos (2001), eine Sprechrolle in Die Simpsons (2012, als sie selbst) sowie in Men In Black 3 (2012) und Machete Kills (2013). Obwohl einerseits schon im Vorfeld angekündigt wurde, dass Lady Gagas Rolle in der neuen Staffel recht erotisch gefärbt ausfallen würde, wurde andererseits erklärt, dass die zeigefreudige Sängerin dennoch lediglich eine größere Nebenrolle verkörpere. Wie sich erwies, handelte es sich um die der unsterblichen Vampirgräfin Elizabeth Johnson. Zwei weitere Neuzugänge waren der unter anderem aus Underworld: Awakening (2011) und Die Tribute von Panem – The Hunger Games (2012) bekannte Wes Bentley, der den labilen Polizisten John Lowe spielen sollte, sowie Cheyenne Jackson (30 Rock, 2009 –2013) als großspuriger Will Drake. Die restlichen Rollen gingen an den bekannten Serien-Cast um Kathy Bates, Sarah Paulson, Matt Bomer, Evan Peters, Angela Bassett und Chloë Sevigny. Eine der schillerndsten Rollen fiel diesmal an Denis O’Hare, der bisher vorwiegend schmierige Bösewichter gespielt hatte: Er verkörperte die transsexuelle Liz Taylor und legte damit zweifellos eine der brillantesten schauspielerischen Leistungen seiner Karriere aufs Parkett. In der Handlung ging es um das Hotel Cortez, das in den 20er Jahren von dem Jungunternehmer James Patrick March eröffnet wurde, der eine finstere 158 Zweitidentität als Serienkiller hatte. Wohl darum ist das Cortez ein ausgesprochenes Spukhaus, in dem sich gleichermaßen düstere wie skurrile Gestalten tummeln, wie etwa »Gräfin« Elizabeth Johnson (Gaga), einst eine berühmte Adlige, die zur Vampirin wurde, und ihr Liebhaber Donovan (Bomer). Oder aber die dauerdeprimierte Sally McKenna (Paulson), die eine ebenso mörderische Vergangenheit hat wie Empfangsdame Iris (Bates) und Barkeeperin Liz (O’Hare). Bei alledem jedoch sind die Bewohner und Dauergäste des Hotels in geheimnisvoller Weise miteinander verbunden. In dieses Szenario hinein gerät Polizeioffizier Lowe (Bentley), der sich gerade von seiner Frau getrennt hat und im Zuge seiner Mord-Ermittlungen im Cortez eincheckt. Hier kommt er unter anderem dahinter, dass sein verschollener kleiner Sohn Holden (Lennon Henry), dessen Verschwinden das Ende seiner Ehe besiegelte, allem Anschein nach in der Gewalt der Gräfin noch immer am Leben ist. Obwohl die Story von Hotel reichlich verwickelt und verstrickt daherkam, wobei sie sich ähnlich brutal wie Freak Show im Jahr davor präsentierte, wurde die Staffel ein großer Publikumserfolg. Dies lag unter anderem sicher auch an prominenten Gaststars wie Supermodel Naomi Campbell, die ein Cameo in der Serie hatte. Auch Hotel gehört zu den Lieblingsstaffeln vieler Fans der Serie. Anders verhält es sich jedoch mit der Nachfolgestaffel Roanoke, welche 2016 herauskam: Sie wird von nicht wenigen Fans der Serie als bislang schwächste Staffel von American Horror Story angesehen. 159 Der Erzählstil von Roanoke wich erheblich von dem der vorherigen Staffel ab, womit man vermutlich frischen Wind in die Serie zu bringen versuchte, doch die Sache ging nicht auf. An bereits bekannten Darstellern waren erneut Kathy Bates, Sarah Paulson, Lily Rabe (die in Hotel nur einen Gastauftritt gehabt hatte), Denis O’Hare, Evan Peters, Frances Conroy, Taissa Farmiga, Finn Wittrock und Angela Bassett mit dabei. Neuzugänge waren André Holland (Moonlight, 2016) und Hollywood-Star Cuba Gooding Jr. (bekannt aus Der Butler, 2013, und Selma, 2014), ferner wurde angekündigt, dass auch Lady Gaga, Wes Bentley und Cheyenne Jackson wieder mit dabei sein würden. Diese hatten jedoch allesamt nur kleine Rollen. Diesmal ging es um die Reality-Serie My Roanoke Nightmare, in der das Ehepaar Shelby (Lily Rabe) und Matt Miller (André Holland) in Interviews über schreckliche Erlebnisse in der (real existierenden) sagenumwobenen Kolonie Roanoke sprechen, in der im 16. Jahrhundert eine große Gruppe Siedler spurlos verschwand. In Rückblenden, in denen die Millers TV-gerecht von den Schauspielern Dominic Banks (Gooding) und Audrey Tindall (Paulson) verkörpert werden, erzählen sie, wie sie es mit einer alteingesessenen mörderischen Hillbilly-Sippe namens »The Polk Family« unter Leitung der irren Mama Polk (Conroy in den Filmsequenzen, Robin Weigert als reale Person) zu tun bekommen und dabei beinahe ihr Leben verlieren. Da die Reality-Show ein riesiger Fernseherfolg wird, beschließt Produzent James (Jackson), eine zweite Staffel an Originalschauplätzen zu drehen. Dort jedoch lauern die 160 Geister der Vergangenheit, und es kommt zu einem durch und durch splatterigen Spektakel, das manchem ultrabrutalen Indexstreifen ernstliche Konkurrenz bereiten könnte. Dies mag die Staffel für Freunde solcherart gestrickter Unterhaltung sicherlich interessant machen, doch im Kontext der eher auf Skurrilität ausgerichteten Serie sticht Roanoke durch ihre verwirrende, am Ende permanent zwischen verschiedenen Zeitebenen hin- und herspringende Handlung eher unangenehm hervor, obwohl auch sie (vermutlich wegen des schon angesprochenen Gore-Faktors) hervorragende Einschaltquoten verzeichnen konnte.

Zurück zu den Wurzeln Zumindest stilistisch eher althergebracht präsentierte sich Staffel 7 mit dem Titel Cult, obwohl auch sie im Nachgang aus Gründen viele Fans nicht recht zu überzeugen verstand. Im Gegensatz zum vielköpfigen Darsteller-Ensemble in Roanoke gab es diesmal mit Sarah Paulson, Evan Peters, Cheyenne Jackson sowie den beiden Neuzugängen Billie Lourd und Alison Pill nur fünf Hauptdarsteller. Billie Lourd ist übrigens die Tochter der 2016 verstorbenen Carrie Fisher (bekannt als Prinzessin Leia Organa in Star Wars) und wirkte in der kleinen Rolle der Lieutenant Connix in den drei letzten Filmen der Saga auch selbst mit. Alison Pill hingegen war in der zurückliegenden ersten Staffel von Star Trek: Picard als Dr. Agnes Jurati zu sehen. Andere Schauspieler des gewohnten Casts wie Leslie Grossman, Emma Roberts und Frances Conroy spielten 161 lediglich Nebenrollen. In einer weiteren Nebenrolle wirkte ferner in seiner ersten größeren Rolle Chaz Bono mit, Ex-Tochter und jetziger Sohn der bekannten Sängerin Cher. Diesmal setzte sich eine Gruppe von Leuten in der (fiktiven) US-Kleinstadt Brookfield Heights kurz nach der Wahl von Donald Trump als neuem Präsidenten mit den Konsequenzen dieses Geschehens auseinander. Darunter befinden sich auch das gleichgeschlechtliche Ehepaar Allyson (Paulson) und Ivy Mayfair-Richards (Pill), die sich vor Repressalien unter der neuen politischen Führung fürchten, sowie der unbedarfte Gary Longstreet (Bono), der die Wahl begrüßt. Der hochintelligente, aber psychopathische Trump-Fan Kai Anderson (Peters) hingegen nimmt die Wahl zum Anlass, um einen mörderischen Kult zu gründen, der nach dem Vorbild der von ihm verehrten Sektenführer Jim Jones, David Koresh und Charles Manson (die Peters allesamt in Rückblenden auch darstellt) blutige Jagd auf Gegner seiner bizarren Überzeugungen macht. Obwohl auch die Gangart von Cult sicherlich nichts für zartbesaitete Gemüter war, konnte sie in dieser Hinsicht nicht an Roanoke heranreichen. Der eigentliche Kritikpunkt vieler Fans, darunter auch der Verfasser dieses Artikels, lag jedoch in der ziemlich deutlichen Anlehnung an die The Purge-Filmreihe, was je nachdem mal mehr, mal weniger gelungen daherkam. Dennoch war Cult eine mit Abstand bessere Staffel als die eher misslungene vorherige.

Neue Höhen

162 Über die nächste Staffel, die unter dem Titel Apocalypse angekündigt wurde, rankten sich anfangs unterschiedlichste Gerüchte. Die neue Staffel, so hieß es, sollte ein Science Fiction-Setting erhalten und im Weltraum auf einer Raumstation spielen, wohin sich die letzten Menschen nach dem Ende allen Lebens auf der Erde geflüchtet hatten. Ob dergleichen geplant war oder nicht, lässt sich nicht ermitteln, doch war die Staffel letztlich tatsächlich in der Endzeit angesiedelt. Als Besonderheit sollte Apocalypse nach Freak Show (Staffel 4) ein weiteres Mal ein Crossover mit anderen Staffeln von American Horror Story bilden, und zwar mit Murder House (Staffel 1) sowie Coven (Staffel 3). Sarah Paulson, Evan Peters, Kathy Bates, Cheyenne Jackson, Adina Porter, Leslie Grossman und Emma Roberts waren allesamt wieder seitens des Ensemblecasts vertreten. Diesem gehörte von da an auch Billie Lourd aus Cult an, während sich Alison Pill anderen Projekten widmete. Ein weiterer Neuzugang war Cody Fern, den man aus TV-Serien wie der AHS-Schwesterserie American Crime Story und House Of Cards (beides 2018) kannte. Für das Crossover mit Murder House und Coven würden ferner Connie Britton und Dylan McDermott aus Staffel 1, außerdem Angela Bassett, Jamie Brewer, Frances Conroy, Taissa Farmiga, Gabourey Sidibe und Lance Reddick aus Staffel 3 für Gastauftritte wieder mit von der Partie sein. Besondere Schmankerl gab es ebenfalls: So hatte sich Jessica Lange zu einem Gastauftritt als Constance Langdon aus Staffel 1 bereiterklärt, außerdem Rock-Ikone Stevie Nicks, die ihr Cameo in Coven als sie selbst in Apocalypse wiederholen 163 würde. Als Special Guest Star gewann man die 1933 geborene und während der Dreharbeiten mithin bereits 85-jährige Joan Collins, die in der Rolle der zynischen Evie Gallant zu sehen sein sollte. Trekkies kennen Joan Collins als Edith Keeler aus der Episode Griff in die Geschichte (1966) der klassischen Star-Trek-Originalserie, während sie zwischen 1981 und 1989 als biestige Alexis Carrington-Colby in der Serie Der Denver-Clan allgemeine Berühmtheit erlangt hatte. Für eine Dame ihres Alters legte Joan Collins in Apocalypse eine bemerkenswerte körperliche Fitness an den Tag. In Apocalypse findet eine Gruppe höchst unterschiedlicher Charaktere nach einem Atomkrieg Zuflucht in einem Hochsicherheitsbunker, unter anderem die überdrehte Coco St. Pierre Vanderbild (Grossman), der schnöselige Gallant (Peters), dessen Mutter Evie (Collins) sowie die devote Mallory (Lourd). Die Bunkergemeinschaft steht unter der Leitung der strengen Ms. Wilhelmina Venable (Paulson) und ihrer toughen Helferin Ms. Mead (Bates). Lange können sich die Überlebenden nicht an ihrem Glück erfreuen: Ein geheimnisvoller Mörder in einem schwarzen BDSM-Latexanzug reduziert ihre Zahl, und anscheinend ist der Antichrist höchstpersönlich – in Gestalt von Michael Langdon (Fern) – ebenfalls in den Bunker gelangt. Des Rätsels Lösung scheint in der Vergangenheit zu liegen und mit dem besagten »Mord-Haus« und dem Hexenzirkel von Cordelia Goode verknüpft zu sein … Apocalypse steht auf der Hitliste der Lieblingsstaffeln von Fans der Serie ziemlich weit oben. Gründe dafür sind neben 164 besagten Reminiszenzen zu den Staffeln 1 und 3 sicherlich auch die zahlreichen Anspielungen auf berühmte Horrorfilm-Klassiker. So ist Joan Collins etwa in einer kompletten zeitgemäßen Neuverfilmung ihrer berühmten Szene in dem Episoden-Horrorfilm Tales From The Crypt – Gruft des Schreckens (1972) zu sehen, wobei erneut die bemerkenswerte körperliche Konstitution des Altstars hervorzuheben ist.

Zurück in die 80er 1984 lautete schließlich der angekündigte Titel der 9. und bislang aktuellsten Staffel von American Horror Story. Nach der US-Premiere im September 2019 war sie hierzulande, so wie auch alle vorherigen Staffeln, ab November beim Bezahlsender FOX zu sehen. Da 1984 als Hommage an die berühmt-berüchtigten Teenie-Horrorfilme der 80er und 90er Jahre wie A Nightmare On Elm Street (1984) oder auch Ich weiß, was Du letzten Sommer getan hast (1997) gedacht war und aus vorwiegend jugendlicher Perspektive spielen sollte, standen großteils die Jung-Darsteller des Ensemblecasts von AHS im Vordergrund: Emma Roberts, Billie Lourd, erneut Cody Fern sowie Finn Wittrock. Während Sarah Paulson und Evan Peters in 1984 pausierten, waren außerdem Lily Rabe, Dylan McDermott, Leslie Grossman sowie John Carrol Lynch zu sehen, der in Freak Show den unglücklichen Killerclown Twisty gespielt hatte. Gaststars waren unter anderem Zach Villa, bekannt durch Gastauftritte in Navy CIS: L.A. (2013) und The Expanse (2018), der den (real existierenden!) 165 Serienmörder Richard »Nightstalker« Ramirez spielen sollte, die aus der Serie Pose (seit 2018) bekannte Angelica Ross sowie der Freestyle-Skifahrer Gus Kenworthy, der auch schon in TV-Serien zu sehen gewesen war. Da die insgesamt 100. Episode von American Horror Story während 1984 gesendet wurde, erhielt diese prompt den schlichten Titel Episode 100. 1984 handelt von der jungen Brooke (Roberts), die nach einer beinahe tödlich verlaufenen Begegnung mit dem Serienmörder Nightstalker (Villa) Zuflucht als Betreuerin im Sommer-Ferienlager Camp Redwood sucht. Dieses war vor Jahren Schauplatz fürchterlicher Geschehnisse, als der Hausmeister Benjamin Richter, genannt Mr. Jingles (Lynch) dem Wahnsinn anheimfiel und mehrere Jugendliche ermordete. Seitdem lebt er in einer forensischen Strafanstalt. Die gottesfürchtige Margaret Booth (Grossman) hat Camp Redwood inzwischen neu eröffnet, und Brooke trifft auf ihre neuen Kollegen, darunter Rita (Ross), Xavier (Fern), Montana (Lourd) und Chet (Kenworthy). Es kommt, wie es kommen muss: Mr. Jingles kann aus der Klapse fliehen und kehrt nach Camp Redwood zurück. Doch auch Nightstalker Richard Ramirez ist nicht gewillt, sein potentielles Opfer entkommen zu lassen, also macht er sich ebenfalls auf den Weg in das Sommercamp … 1984 gestaltet sich nach dem erstklassigen Apocalypse eher mittelmäßig. Nach einem gelungenen Auftakt verliert sich die Staffel zunehmend in Ungereimtheiten aller Art, und gleich mehrmals tritt die Handlung unangenehm auf der Stelle, während einige Pointen einfach zu früh und 166 andere erst dann eingesetzt werden, wenn jeder halbwegs aufmerksame Zuschauer schon selbst darauf gekommen sein müsste. Ebenfalls eher unnötig ist eine Reihe von Teaser-Trailern, die an Filme wie Halloween (1978) oder Freitag der 13. (1980) angelehnt sind, deren Szenen in der Serie aber nicht zu sehen sind. Dennoch ist 1984 um Längen besser als das wirre Roanoke von 2016.

Staffel 10: Kevin allein … im dunklen Keller (?) Ab Herbst 2020 steht die 10. Staffel von American Horror Story an, mindestens drei weitere sollen laut offiziellen Angaben in den Jahren 2021, 2022 und 2023 noch folgen. Zu Staffel 10 ist bisher lediglich bekannt, dass Sarah Paulson wieder in die Serie zurückkehren soll, und auch der Gaststar wurde bereits genannt: Ex-Kinderstar Macaulay Culkin, bis dahin genau 40 Jahre alt, hatte nach dem Erfolg von Filmen wie Kevin – Allein zu Haus (1990) und Kevin – Allein in New York (1992) große Probleme, seine Karriere fortzusetzen. Welche Rolle Culkin in AHS spielen wird, ist bisher noch unbekannt. Die Gerüchteküche jedoch glaubt zu wissen, dass es sich bei Staffel 10 angesichts des Gaststars um eine unheimliche Weihnachtsgeschichte handeln könnte. Bleiben wir also gespannt!

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168 Perlentaucher-Reihe: Die große persönliche Rückschau auf Akte X: Die unheimlichen Fälle des FBI – Staffel 2 und die Alien-Verschwörung von Eric Zerm

Im März 1995 – vor 25 Jahren – endete mit der Folge Das Labor die erste Staffel der Serie Akte X: Die unheimlichen Fälle des FBI im deutschen Fernsehen und deutete mit seinen drastischen Wendungen bereits an, dass da noch Großes auf das Publikum zukommen würde. Für das Corona-Magazine ist das Anlass genug für eine ausführliche und auch persönliche Rückschau auf diesen modernen Serien-Klassiker, ebenso ein Beweggrund, die Serie Staffel für Staffel – mit Stift und Notizblock bewaffnet – wieder einmal anzusehen. Weiter geht's nun mit Staffel 2. Hier nimmt die Serie rasant an Fahrt auf, und die Verschwörung, die in Staffel 1 nur angedeutet wurde, nimmt immer größere Ausmaße an. Worum geht's? Die X-Akten sind zu Beginn der zweiten Staffel geschlossen. Die FBI-Agenten Fox Mulder (David Duchovny) und Dana Scully (Gillian Anderson) wurden unterschiedlichen Abteilungen zugeteilt. Es gelingt ihnen jedoch mehrere Male, indirekt trotzdem an Fällen zusammenzuarbeiten. Weil die Verschwörer um den 169 geheimnisvollen Raucher (William B. Davis) befürchten, dass Mulder ihren Geheimnissen allmählich auf die Spur kommt, schlagen sie gnadenlos zu. Scully wird entführt und verschwindet für drei Monate spurlos. Mehrere bedrückende Sequenzen in Seilbahn zu den Sternen zeigen Scully scheinbar an Bord eines UFOs auf einem Untersuchungstisch. Als sie wieder auftaucht, liegt sie im Koma, und Mulder ist völlig am Ende. Die Folgen von Scullys Entführung ziehen sich von nun an für lange Zeit wie ein roter Faden durch die Serien-Mythologie. Im Anasazi-Dreiteiler, mit dem die zweite Staffel endet und die dritte Staffel beginnt, entdeckt die Agentin durch Zufall einen winzigen Chip, der ihr vermutlich während ihrer Entführung in den Nacken implantiert wurde.

©: Fox / Pro7

Der Mythologie-Zweiteiler Die Kolonie konfrontiert im zweiten Staffel-Drittel Fox Mulder mit seiner Vergangenheit:

170 der möglichen Entführung seiner Schwester Samantha durch Außerirdische, als sie beide noch Kinder waren. In Die Kolonie begegnet Mulder nun einer Frau (Megan Leitch), die sich als Samantha ausgibt. Im Anasazi-Dreiteiler wird wiederum angedeutet, dass Fox' Vater Bill Mulder (Peter Donat) früher in einem engen Verhältnis zu den Verschwörern stand. In den Einzelfolgen lotet die zweite Staffel von Akte X viele menschliche und gesellschaftliche Abgründe aus. Es geht um die Folgen medizinischer (Schlaflos) und technologischer (Das Experiment) Experimente, um einen Pharma-Konzern, der für seine Forschung über Leichen geht (Verseucht), um Satanismus (Satan), Kannibalismus (Unsere kleine Stadt, eine Folge, die darüber hinaus die Schattenseiten einer scheinbaren Kleinstadtidylle zeigt, in der man sich »umeinander kümmert«) und um »böse Gene« (Böse geboren). Die Folge Todestrieb zeigt darüber hinaus mit Donald Pfaster (Nick Chinlund) einen Serienkiller, den keine geheimnisvollen Kräfte, sondern seine dunkelsten Triebe zum Mord treiben. Heilige Asche präsentiert eine Art Akte X-Version des Horror-Klassikers Das Omen, Frische Knochen geht dem Zombie-Mythos auf den Grund, und Excelsis Dei, eine Folge, die in einem Altenheim spielt, ist eine Art Mystery-Kommentar zum Pflegenotstand. Erwähnenswertes: Während The X-Files mit der ersten Staffel beim Publikum noch eine Art Geheimtipp war, gingen die Einschaltquoten ab der zweiten Staffel durch die Decke. Im Buch Hinter den Kulissen von Akte X von Andreas Kasprzak ist zu lesen, dass die Serie in den USA jetzt 171 wöchentlich im Schnitt 14,2 Millionen Zuschauer erreichte. Zudem setzte sich die Serie bei den Golden Globes durch. In Kontakt, der ersten Folge der zweiten Staffel, lernt das Publikum Senator Matheson (Raymond Barry) kennen, einen der politischen Förderer von Fox Mulder, die er zu Beginn der Serie erwähnt. In dieser Folge wird die Entführung von Fox Mulders Schwester Samantha durch Außerirdische gezeigt, von der er schon in der ersten Staffel erzählt hat. In der Folge Schlaflos tritt erstmalig Alex Krycek (Nicholas Lea) auf, den das Publikum bald zu hassen lernte. Es stellt sich sehr schnell heraus, dass er direkt für den geheimnisvollen Raucher (William B. Davis) arbeitet. Krycek erweist sich als einer der skrupellosesten und hinterhältigsten Figuren der Serie. Seit dem Anasazi-Dreiteiler hegt Mulder persönliche Rachegelüste gegen ihn. Krycek wendet sich zugleich vom Raucher ab und agiert von nun an unabhängig. In der Folge Schlaflos begegnet Fox Mulder zum ersten Mal dem rätselhaften Mr. X (Steven Williams), der – oberflächlich betrachtet – als Informant die Nachfolge des zum Ende der ersten Staffel getöteten »Manns mit der tiefen Stimme« antritt. Während der »Mann mit der tiefen Stimme« zu Mulder aber wie ein väterlicher Freund war, ist X absolut skrupellos und schreckt auch vor Mord nicht zurück. In Das Experiment zieht er gnadenlos seine eigenen Pläne durch, indem er den verfolgten Dr. Banton (der spätere Monk-Darsteller Tony Shalhoub) entführen lässt.

172 Mit Unter Kontrolle, Seilbahn zu den Sternen, Drei und An der Grenze hat die zweite Staffel ab Folge 5 ihren ersten Mehrteiler, wobei Unter Kontrolle, Seilbahn zu den Sternen und An der Grenze unmittelbar zusammenhängen, während Drei nur in der Zeit zwischen Seilbahn zu den Sternen und An der Grenze spielt. Zwischen Seilbahn zu den Sternen und Drei liegen drei Monate. Die ersten beiden Episoden des Mehrteilers spielen im August 1994. Zu Beginn von Drei blättert Mulder den Kalender in seinem seit langer Zeit verlassenen Büro auf November um. Die Kolonie wird in Episode 16 und 17 als Zweiteiler erzählt. Das Staffelfinale Anasazi ist wiederum der Auftakt zu einem rasanten Dreiteiler, der zu Beginn der dritten Staffel zu Ende erzählt wird. Die zweite Staffel endet mit einem explosiven Cliffhanger, als Soldaten einen Sprengsatz in einen vergrabenen Eisenbahnwaggon werfen, in dem sich Fox Mulder befindet. In An der Grenze lernt Fox Mulder Dana Scullys sehr esoterisch veranlagte Schwester Melissa (Melinda McGraw) kennen. Wer den Anasazi-Dreiteiler kennt, weiß, welches Schicksal ihr die Serien-Autoren zugedacht haben. Im Die Kolonie-Zweiteiler tritt zum ersten Mal der von Brian Thomson gespielte außerirdische Gestaltwandler und Kopfgeldjäger in Erscheinung. Er hat eine grünliche Körperchemie, die an die Alien-Mensch-Hybriden in Das Labor erinnert, und erscheint unbesiegbar. Selbst Kugeln machen ihm kaum etwas aus. Im Die Kolonie-Zweiteiler lernte das Publikum Fox Mulders Vater Bill Mulder (Peter Donat) kennen. Er hat 173 früher für die Regierung gearbeitet. Im Anasazi-Dreiteiler wird klar, dass er mit den Verschwörern, zu denen der Raucher gehört, früher eng in Verbindung gestanden hat. In der Folge Rotes Museum begegnen Fox Mulder und Dana Scully dem »Crew-Cut Man« (Lindsay Ginter) wieder, dem Mörder des »Mannes mit der tiefen Stimme«. Die Folge beschreibt darüber hinaus Experimente der Verschwörer mit der Substanz »Purity Control« (aus der Folge Das Labor) an Kindern. Der Anasazi-Dreiteiler führt mit dem »Hispano« (Lenno Britos) einen weiteren Handlanger der Verschwörer ein. Er wird in der Serie noch weitere Auftritte haben. Mit diesem Dreiteiler nimmt die Verschwörung, deren Mitglieder von den Außerirdischen wissen und einen noch nicht bekannten Plan verfolgen, internationale Dimensionen an, angedeutet durch Männer, die auf unterschiedlichen Kontinenten Anrufe entgegennehmen. Zum ersten Mal sieht man auch die geheimnisvolle Gruppe, zu der der Raucher zu gehören scheint, unter ihnen der »Well-Manicured Man« (John Neville). Der Raucher agiert für diese Gruppe als eine Art Vollstrecker, wobei seine Methoden nicht immer gut ankommen. Die »MJ«-Akte, die zu Beginn des Anasazi-Dreiteilers kopiert wird, bezieht sich auf die geheimnisumwitterte Operation »Majestic 12«, laut UFO-Legende ein Geheim-Komitee, das 1947 nach dem UFO-Absturz bei Roswell von Präsident Truman gegründet wurde. Die später im Anasazi-Dreiteiler erwähnte Operation »Büroklammer« (»Paper Clip«) gab es wirklich. Nach dem 174 Ende des Zweiten Weltkriegs sicherte sich die US-Regierung die Dienste von Wissenschaftlern, die zuvor für das Nazi-Regime gearbeitet hatten, unter ihnen Wernher von Braun und seine Leute aus dem V2-Programm. Die Karteikarten dieser Wissenschaftler wurden mit einer Büroklammer gekennzeichnet. Persönliche Highlights: In den Mythologie-Folgen Unter Kontrolle, Seilbahn zu den Sternen, An der Grenze, dem Die Kolonie-Zweiteiler sowie dem Anasazi-Dreiteiler gehen die Serien-Autoren mit ihren zentralen Figuren emotional ans Limit. Den aufgeschlossenen und offenen Fox Mulder der ersten Staffel zeigen sie zu Beginn der zweiten Staffel als frustrierten Zyniker. Nach Dana Scullys Entführung wird er zum Nervenbündel. In An der Grenze geht er brüllend und mit erhobener Pistole auf den Raucher los, nur um festzustellen, dass er diesem gegenüber völlig machtlos ist. Als er in Die Kolonie scheinbar seiner Schwester Samantha wiederbegegnet, geht ihm das auf andere Weise nah. Die Szene, in der Mulder seinem Vater erzählen muss, dass Samantha mit großer Wahrscheinlichkeit ums Leben gekommen ist, wird von David Duchovny und Peter Donat so intensiv gespielt, dass es schon schmerzt. Ähnlich intensiv ist im Anasazi-Dreiteiler ein weiteres Gespräch zwischen ihnen, als Bill Mulder seinem Sohn schwere Entscheidungen aus seiner Vergangenheit beichten möchte. Darüber hinaus spielen die genannten Mythologie-Folgen immer wieder meisterhaft mit den Mitteln des Paranoia-Thrillers und geizen auch nicht mit ihren Schauwerten. Höhepunkte der zweiten Staffel sind in Die 175 Kolonie – Teil 2 Szenen in der nächtlichen Arktis mit einem U-Boot, dessen Turm die Eisdecke durchbrochen hat. Bei den Einzelfolgen bleibt unter anderem der Serienkiller Donald Pfaster in Todestrieb im Gedächtnis, den Nick Chinlund mit fast roboterhaften Bewegungen als innerlich gehemmten Triebtäter spielt. Pfaster gefiel den Serienmachern so gut, dass sie ihn in der siebten Staffel zurückbrachten. – Sehr atmosphärisch und am Ende sehr emotional ist Totenstille. Ein Großteil der Handlung spielt nachts auf einem verlassenen und völlig verrotteten Kriegsschiff, und alle Menschen an Bord – inklusive Mulder und Scully – beginnen mit rasender Geschwindigkeit zu altern. Mit ihrer intensiven Langsamkeit ist die Folge erzählerisch das Gegenteil des temporeichen Kolonie-Zweiteilers. – Verseucht kombiniert – abseits der Serien-Mythologie – wiederum sehr spannend Elemente eines Gefangenen-Flucht-Szenarios mit denen eines düsteren Bio-Thrillers. – Ein Juwel der zweiten Staffel ist die groteske Komödie Der Zirkus, geschrieben von Darin Morgan. Sie feiert das Anderssein und steckt zudem voller skurriler Szenen und herrlicher One-Liner. (Mulder zu Scully: »Sie klagen über Normalität bei einem Verdächtigen namens Blockhead?«) Besonderheiten: Der Handlungsbogen, in denen Dana Scully entführt wird, wurde damals quasi aus der Not heraus entwickelt. Scully-Darstellerin Gillian Anderson war, als die Arbeiten zur zweiten Staffel begannen, hochschwanger, und das Produktionsteam von Chris Carter wollte ihr Zeit verschaffen, damit sie in Ruhe ihre Tochter zur Welt bringen 176 konnte. So filmte man die Folgen Kontakt, Der Parasit, Blut, Schlaflos, Unter Kontrolle und Seilbahn zu den Sternen quasi um ihre Umstände herum, und als Scully vorübergehend aus der Serie verschwunden war, konnte Gillian Anderson eine kleine Pause einlegen.

Fortsetzung folgt …

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178 Doctor Who – die kompletten Peter Capaldi-Jahre Auf der Reise mit dem total abgefahren rockenden Dimensionen ignorierenden Sternenkreuzer von Peter R. Krüger

21 vollgepackte DVDs erwarten den Doctor Who-Fan, wenn die limitierte Komplettedition der Doctor Who-Box mit den

179 Peter Capaldi-Jahren (2014 – 2017) geöffnet wird. Und hier heißt komplett auch genau das – KOMPLETT! Man muss nicht an einem bestimmten Punkt anfangen, Doctor Who zu sehen. Doch der Wechsel von einem Darsteller zum nächsten erweist sich oft als guter Einstiegspunkt. Das ist auch hier der Fall. Es spielt im Grunde keine große Rolle, ob man die vorhergehenden Schauspieler in der Rolle des Doctors kennt. Hier beginnt die Ära von Peter Capaldi, und alles, was man wissen muss, ist, dass es vorher schon andere Inkarnationen des Doctors gab. Hilfreich ist noch zu wissen, dass der Doctor ein Zeitreisender von einem anderen Planeten ist, der mit seiner Zeitmaschine, die wie eine alte britische Polizeinotrufzelle aussieht, durch Zeit und Raum reist, um Wunderbares zu sehen und oft auch die Welt zu retten. Und das eher mit Witz und Verstand statt mit Waffengewalt.

180 Nicht nur alle drei Staffeln, alle Sonderfolgen und allerlei Specials bekommt man mit dieser Box, sondern auch noch einige besondere Goodies. Fans erinnern sich sicherlich daran, dass Peter Capaldi schon zu Zeiten von David Tennant einen Gastauftritt in der Serie Doctor Who hatte. Wer sich jetzt aber nicht genau erinnert, in welcher Folge welcher Staffel das war, greift einfach zur Bonus Disc Nr. 21. Auf dieser ist die Folge nämlich enthalten (Staffel 4, Folge 2 – Die Feuer von Pompeji). Wer die Ablegerserie Class noch nicht kennt, greift ebenfalls zur Bonus Disc Nr. 21. Darauf ist die Pilotepisode enthalten, in der Peter Capaldi den jungen Leuten quasi seinen Segen gibt. Es bleibt sein einziger Auftritt in dieser Ablegerserie (die leider viel zu früh beendet wurde). Wer erst Fan werden möchte, dem stehen die Türen zu weit über 30 spannenden Geschichten offen. Egal, ob die Reise in die Vergangenheit oder in die Zukunft geht, ob es gilt, das Rätsel eines Dinosauriers in London zu lösen oder sich mit den Auswirkungen eines schwarzen Lochs herumschlagen zu müssen: Der Doctor hat viele verschiedene Abenteuer zu erzählen, die mal etwas lustiger, mal etwas dramatischer, aber immer spannend sind.

181 Die Qualität der Geschichten schwankt über die drei Staffeln etwas, und es gibt sicher auch ein paar schwächere Folgen, dafür aber auch einige richtig gute Highlights. Absoluter Anspieltipp ist die Doppelfolge Masken der Verdammnis / Der Doctor fällt. Und wer gerne mal einen Blick hinter die Kulissen und damit auf ein paar Darsteller der Classic-Serie werfen möchte, dem sei das Special The Five(ish) Doctors ans Herz gelegt, für das niemand Geringeres als Peter Davison verantwortlich zeichnet. Peter Davison war von 1982 bis 1984 der fünfte Doctor. 1.960 Minuten Laufzeit allein bei den Episoden und nochmal 1.370 Minuten Bonusmaterial warten in dieser vollgepackten Box darauf, gesehen zu werden. Ach so, falls jemand über den »total abgefahren rockenden Dimensionen ignorierenden Sternenkreuzer« zu

182 Beginn des Artikels gestolpert sein sollte: Diese Bezeichnung stammt vom Doctor höchstselbst.

183 Werbung

184 Dune – Der Wüstenplanet: Eine Reise durch ein phantastisches Universum von Peter R. Krüger

Der Beginn ist eine sehr delikate Phase. Die ersten Worte aus dem Film Dune – Der Wüstenplanet eignen sich hervorragend, um diesen Artikel einzuleiten. Denn das Universum, das 1965 von Frank Herbert geschaffen wurde und bis heute Relevanz in der Science Fiction besitzt, übt seit Beginn des ersten Romans großen Einfluss auf die Welt der Phantastik aus. Legendary Pictures haben sich schließlich die Filmrechte gesichert, so dass sich Science Fiction-Fans im Dezember 2020 auf eine weitere Filmadaption des Stoffs um rivalisierende Adelshäuser,

185 verschiedene Gilden und das außerordentlich wichtige Spice freuen können. Beginnen wir die Reise in ein phantastisches Universum. Dune, Arrakis, der Wüstenplanet. 1984 präsentierte Kultregisseur David Lynch der Welt seine Vision des von Frank Herbert geschriebenen Werks Der Wüstenplanet als abendfüllenden Kinofilm. Herbert selbst begleitete damals die Dreharbeiten. Der Film unterschied sich zwar in einigen Punkten von der Buchvorlage, war jedoch trotzdem eine vielbeachtete und noch immer von Fans geliebte Version des Stoffes.

Imperator Shaddam IV versucht auf Anordnung der Navigatorengilde, dem Haus Atreides eine Falle zu stellen, und übergibt Herzog Atreides die Leitung über den Planeten Arrakis, auf dem das wichtige Spice abgebaut wird. Spice ist eine bewusstseinserweiternde Droge, die unter anderem

186 auch dafür genutzt wird, die Überbrückung von Lichtjahren in Sekundenschnelle möglich zu machen. Wer sich jetzt wundert, warum ein Imperator sich Befehle von einer Gilde geben lässt, stößt schon auf den Kern des Dune-Universums. Denn hier ist ein Imperator nicht Alleinherrscher und Oberbefehlshaber über alles und jeden. Wenn die einzelnen Häuser und Gilden nicht mitspielen, gibt es in diesem Universum wenig zu regieren. Oder man wird beseitigt, weil andere Gruppen ihre ganz speziellen Pläne im Sinn haben, die sich nicht immer mit den eigenen decken müssen. So passt das Haus Atreides nicht in die Pläne der Navigatorengilde und noch viel weniger in die Ränkeschmiede des üblen Baron Harkonnen. Der ist nämlich der ausgemachte Gegenspieler und wartet nur darauf, seinem Erzfeind, Herzog Leto Atreides, den Garaus zu machen. Doch das ist erst der Anfang eines wirklich großartigen Zyklus über eine fiktive Zukunftsvision, die sehr viel Substanz zu bieten hat und sich über Generationen hinweg erstreckt.

187 Die Bücher Frank Herbert schuf insgesamt sechs Bücher, die das Wüstenplanet-Universum begründeten. Er arbeitete noch bis vor seinem Tod 1985 an einem siebten Roman, der jedoch lange Zeit nicht beendet wurde. Erst 1999 wurde mit Prelude to Dune: House Atreides (dt. 2001: Der Wüstenplanet – Die frühen Chroniken 1: Haus Atreides) von Franks Sohn Brian Herbert mit dem renommierten Science Fiction Autor Kevin J. Anderson (Romane zu Akte-X, Star Wars sowie seine eigene Science Fiction Reihe Saga der sieben Sonnen) die Geschichte 188 weitergeschrieben. Zunächst als Vorgeschichte, dann die Vor-Vorgeschichte, später aber auch die eigentliche Fortsetzung, die Frank Herbert selbst nicht mehr beenden konnte. Nun sind inzwischen mehrere Trilogien erschienen, in denen die Zuordnung der einzelnen Bücher in der richtigen Folge zueinander nicht immer klar zu erkennen ist. Ähnlich wie im Artikel zum The Witcher Franchise (Corona Magazin 12/2019) bieten wir hier den Service, die einzelnen Bände der Buchserie sowohl von Frank Herbert als auch von Brian Herbert & Kevin J. Anderson in der richtigen chronologischen Reihenfolge zu präsentieren. Es sind einige:

Der Wüstenplanet – Die Legenden (Brian Herbert & Kevin J. Anderson): Butlers Djihad (dt. 2003 / orig. 2002) Der Kreuzzug (dt. 2004 / orig. 2003) Die Schlacht von Corrin (dt. 2005 / orig. 2004) Great Schools of Dune (kein deutscher Trilogie-Titel) (Brian Herbert & Kevin J. Anderson): Der Thron des Wüstenplaneten (dt. 2014 / orig. 2012) Die Mentaten des Wüstenplaneten (dt. 2016 / orig. 2014) Die Navigatoren des Wüstenplaneten (dt. 2017 / orig. 2016) Der Wüstenplanet – Die Frühen Chroniken (Brian Herbert & Kevin J. Anderson): Das Haus Atreides (dt. 2001 / orig. 1999) Das Haus Harkonnen (dt. 2001 / orig. 2000) Das Haus Corrino (dt. 2002 / orig. 2001) 189 Heroes of Dune (kein deutscher Trilogie Titel) (Brian Herbert & Kevin J. Anderson): Paul Atreides (dt. 2010 / orig. 2008) Stürme des Wüstenplaneten (dt. 2010 / orig. 2009) Leto of Dune – noch nicht erschienen Der Wüstenplanet – Originalzyklus (Frank Herbert): Der Wüstenplanet (dt. 1967/1978 / orig. 1965) Der Herr des Wüstenplaneten (dt. 1971 / orig. 1969) Die Kinder des Wüstenplaneten (dt. 1978 / orig. 1976) Der Gottkaiser des Wüstenplaneten (dt. und orig. 1982) Die Ketzer des Wüstenplaneten (dt. 1985 / orig. 1984) Die Ordensburg des Wüstenplaneten (dt. und orig. 1985) Die Vervollständigung des Originalzyklus (Brian Herbert & Kevin J. Anderson): Jäger des Wüstenplaneten (dt. 2007 / orig. 2006) Die Erlöser des Wüstenplaneten (dt. 2008 / orig. 2007) Träume vom Wüstenplaneten (Frank Herbert / Brian Herbert & Kevin J. Anderson): Träume vom Wüstenplaneten (dt. 2009 / orig. 2005)

Nach Frank Herberts Tod war es lange Zeit still um den Wüstenplaneten. Als sein Sohn die Arbeit Ende der 1990er Jahre wieder aufnahm, waren Fans der Bücher zwar zunächst skeptisch, doch das Ergebnis spricht für sich. Mittlerweile haben Brian Herbert & Kevin J. Anderson mehr als doppelt so viele Bücher zum Dunezyklus beigetragen, als die Originalreihe umfasste, und sie haben dabei nicht nur die Notizen und Entwürfe von Frank Herbert sorgsam und respektvoll überarbeitet, sondern durch ihre vier (noch 190 nicht vollständigen) Trilogien zur Vorgeschichte das Universum erheblich erweitert und so manche Information, die bis dahin nur am Rande Erwähnung fand (Butlers Djihad) oder als gegeben akzeptiert werden musste (z. B. die Feindschaft zwischen den Atreides und den Harkonnen – deren Verhältnis einst ganz anders war) in sehr lesenswerten Geschichten aufgeschlüsselt und so das Gesamtwerk zu einem regelrechten Universum erweitert. Für die Trilogie Heroes of Dune fehlt noch der abschließende Teil Leto of Dune.

Der Wüstenplanet in Film und Fernsehen David Lynchs Dune – Der Wüstenplanet von 1984 war die erste Verfilmung des Stoffes, für dessen Verfilmung David Lynch sogar Die Rückkehr der Jedi-Ritter sausen ließ. Bis heute hat der Film regelrechten Kultstatus (wenn auch umstritten aufgrund seiner Unterschiede zur Romanvorlage), und die später veröffentlichte TV-Fassung, die auf rund drei Stunden Spielzeit erweitert wurde, erfreut Fans des Films insbesondere wegen des rund zehnminütigen Vorspanns, der mehr zum Dune-Universum erklärt, aber auch der Grund dafür ist, weswegen sich Lynch von dieser Version distanzierte. Leider war der Film an den Kinokassen anno 1984 weniger erfolgreich, so dass die beiden angedachten Fortsetzungen, für die David Lynch bereits unterschrieben hatte, nicht realisiert wurden. Doch war dieser Film nicht der erste Versuch, Der Wüstenplanet ins Kino zu bringen. Manch ein Fan weiß, dass 191 der chilenische Regisseur Alejandro Jodorowsky bereits in den 1970er Jahren an einer Film-Umsetzung arbeitete. Mit von der Partie war u.a. H.R. Giger, der einige Konzeptzeichnungen lieferte. Seine eindrucksvolle Begabung konnte er schließlich bei einem anderen Science Fiction-Film unter Beweis stellen – Alien. Was Alien angeht … auch Ridley Scott durfte sich vorübergehend dem Film Dune widmen, wechselte aber recht bald (nach dem Tod seines Bruders Frank) zu seinem eigenen Projekt Blade Runner. Aber auch bei den Schauspielern hätte sich Jodorowsky nicht lumpen lassen. David Carradine, Orson Welles, Stummfilmstar Gloria Swanson, Mick Jagger (Rolling Stones) und selbst Salvador Dalí standen auf der Darstellerliste. Als Lady Jessica sollte Charlotte Rampling (Zardoz, Babylon A.D.) auftreten. Bekanntermaßen wurde diese Verfilmung jedoch nie realisiert. Weniger bekannt ist die Tatsache, dass vor Jodorowsky Filmproduzent Arthur P. Jacobs mit Frank Herbert über die Filmrechte an Der Wüstenplanet verhandelte. Jacobs produzierte von 1969 bis 1973 die damaligen fünf Planet der Affen-Verfilmungen, welche sich großer Beliebtheit erfreuten. Als Regisseur für seine Dune-Verfilmung waren sowohl David Lean (Lawrence von Arabien) und auch Franklin J. Shaffner (Planet der Affen) im Gespräch. Als Jacobs 1973 starb, wurde dieses Projekt jedoch beendet.

192 Nach David Lynchs Kinofilm und dem Tod von Frank Herbert wurde es still um den Wüstenplaneten. Doch während sich Herberts Sohn zur Jahrtausendwende an die Fortsetzung der Romanreihe machte, produzierte der Sci-Fi Channel (heute Syfy) unter der Regie von John Harrison (Earth 2) im Jahre 2000 die TV-Miniserie Dune. William Hurt war das Zugpferd der Schauspielerriege, die hierzulande durch Uwe Ochsenknecht ebenfalls prominent ergänzt wurde. Inhaltlich war diese Verfilmung weitaus näher an der Buchvorlage als Lynchs Kinofilm von 1984. Optisch gab man sich viel Mühe, einen eigenständigen Look zu kreieren, was angesichts der prominenten Kinovorlage sicher nicht ganz einfach war. Und obwohl sich manche Medien darauf stürzten, dass die Produktion zu dialoglastig war und tricktechnisch an manchen Stellen hinterherhinkte, war Dune die bis heute erfolgreichste Produktion des Sci-Fi Channel. Wohl auch auf Grundlage des Erfolgs von Dune durfte John Harrison nur drei Jahre später die Fortsetzung als

193 weitere Miniserie produzieren. Children of Dune, 2003 veröffentlicht und im TV ausgestrahlt, erzählte die Geschichten aus den beiden Romanen Der Herr des Wüstenplaneten und Kinder des Wüstenplaneten. Die Darstellerriege war zum großen Teil in den Hauptrollen ähnlich wie in der vorherigen Dune-Miniserie, doch wurden einige Rollen umbesetzt. Dadurch landeten allerdings auch ein paar weitere bekannte Namen in der Liste der Darsteller: Alice Krige (Star Trek – Der erste Kontakt), James McAvoy (X-Men) und Susan Sarandon (The Rocky Horror Picture Show). Am 17.12.2020 wird hierzulande und einen Tag später in den USA die Neuverfilmung von Dune – Der Wüstenplanet die Kinoleinwände erobern. Legendary Pictures hatte die Rechte 2016 erworben und setzte Dennis Villeneuve (Blade Runner 2049) auf den Regiestuhl. Der hatte für diese Gelegenheit sogar abgelehnt, beim 25. James Bond-Abenteuer Regie zu führen. Die aktuelle Verfilmung wird als Remake des Kinofilms von 1984 angesehen, wobei Villeneuve bereits erwähnte, dass es wohl zwei Kinofilme geben werde – die Möglichkeit, darüber hinaus noch weitere Filme im Dune-Universum zu zeigen, lässt man hier ganz bewusst offen. Bei den Darstellern gibt es eine kleine Besonderheit. Denn neben Josh Brolin (Avengers), Jason Momoa (Aquaman) und Oscar Isaac (Star Wars) wird nun auch Charlotte Rampling (Zardoz, Babylon A.D.) endlich ihren Auftritt im Dune-Universum haben. Diesmal allerdings nicht als Lady Jessica, sondern als Reverend Mother Mohiam. 194 Um mit dem Franchise richtig durchzustarten, gab die Spieleentwicklerschmiede Funcom (Conan Exiles) zusammen mit Legendary Pictures bekannt, Computerspiele auf Basis der Dune-Lizenz entwickeln zu wollen.

Dune am Spieltisch und auf dem PC 1979 veröffentlichte Avalon Hill das erste Brettspiel zum Dune-Universum, das damals noch auf den Romanen von Frank Herbert fußte. Hierbei handelte es sich um ein Strategiespiel, das sich grob am immer noch erhältlichen Klassiker Cosmic Encounter orientierte. 2019 erschien eine

195 stark überarbeitete Neuauflage des Spiels, bislang jedoch noch nicht auf Deutsch. Pünktlich zur Veröffentlichung des Kinofilms veröffentlichte Parker dann 1984 ein weiteres Brettspiel zu Dune. Diesmal war der Film die Vorlage, und das Spiel richtete sich eher an Familien und Gelegenheitsspieler. Mit etwas Glück lässt sich noch heute eine gut erhaltene Ausgabe im Internet finden. Nachdem es dann nach Frank Herberts Tod ab 1985 um Dune ruhig wurde, sorgten 1992 gleich zwei Computerspiele im Dune-Universum für neu angefachtes Interesse. Der Softwareentwickler Cryo Interactive Entertainment brachte mit dem Titel Dune ein Adventure heraus. Da Cryo etwas schneller war, konnte das später kultisch verehrte Westwood Studio nicht den gleichen Titel nehmen, weshalb dessen erstes Echtzeitstrategiespiel kurzerhand Dune II – Kampf um Arrakis getauft wurde. Dune II war dann schließlich der Vorgänger für die bis heute gefeierte Echtzeitstrategiespielserie Command & Conquer. Aufgrund des Erfolgs von C&C und der schnellen technischen Entwicklung legte Westwood Dune II dann 1998 mit verbesserter Grafik und angepasster Bedienung als Dune 2000 neu auf.

196 Doch damit nicht genug. Angefeuert durch die neuen Romane und die TV-Miniserie veröffentlichte Westwood im Jahre 2001 ein weiteres Echtzeitstrategiespiel. Emperor – Schlacht um Dune bot alles, was der C&C-Spieler zu der Zeit liebte, inklusive Schallmodule, Sardaukar und Sandwürmer. Auch Cryo legte nach und veröffentlichte im gleichen Jahr mit Frank Herbert’s Dune ein weiteres Adventure. Dieses floppte allerdings und fiel schließlich in die Kategorie der misslungenen Franchisespiele. Der Vollständigkeit halber sollen hier noch das Dune-Sammelkartenspiel von Last Unicorn Games und das im Jahr 2000 erschienene Dune – Chronicles of the Imperium-Rollenspiel, ebenfalls von Last Unicorn Games in Zusammenarbeit mit Wizards of the Coast (Dungeons & Dragons), Erwähnung finden.

Blick in die Zukunft

197 Dune-Fans und solche, die es werden wollen, können sich auf interessante Zeiten freuen. Mit dem neuen Dune-Film wird diese epische Geschichte endlich wieder einem breiten Publikum präsentiert und bietet sogleich die Chance auf eine oder vielleicht sogar mehrere Fortsetzungen. Gleichsam kündigte Funcom an, in einer sechsjährigen Zusammenarbeit mit Legendary Studios mindestens drei neue Spiele im Dune-Universum entwickeln zu wollen. Außerdem hatte Brian Herbert 2017 bekannt gegeben, zusammen mit seinem Co-Autoren Kevin J. Anderson an einer neuen Comicadaption zu arbeiten. Neu? Ja, denn bereits 1984 gab es im Marvel-Verlag eine Comicadaption des Dune-Kinofilms, die ebenfalls in Deutschland erschien. Verabschieden wir uns nunmehr vorerst mit einer alten Harkonnen-Weisheit, während wir auf den Kinofilm und andere Neuheiten aus dem Dune-Universum warten: Wer das Spice kontrolliert, kontrolliert das Universum.

Das fliegende Auge: Futuristische Heli-Action aus den Achtzigern von Sven Wedekin

Actionfilme, die inhaltlich mehr zu bieten haben als nur eine simple Gut-gegen-Böse-Story und daneben auch eine politisch-gesellschaftskritische Aussage besitzen, sind in unserer heutigen Zeit ja leider, sagen wir mal, eher selten.

198 Und noch viel seltener sind Genreproduktionen, bei denen man damit rechnen kann, dass sie auch Jahrzehnte nach ihrem Erscheinen aktuell bleiben werden.

© ABC / Columbia Pictures

Vor beinahe vierzig Jahren, im Jahr 1982, brachte der britischstämmige Regisseur John Badham (Gegen die Zeit) einen Film in die Kinos, dessen politische Brisanz heute sogar noch offenkundiger ist als damals und der heute, ein wenig zu Unrecht, fast etwas in Vergessenheit geraten ist. Blue Thunder (deutsch: Das fliegende Auge) handelt von einem gleichnamigen Kampfhelikopter, der vom Militär entwickelt wurde und von der Hubschrauberstaffel der Polizei von Los Angeles unter Realbedingungen getestet werden soll. Für diese Aufgabe wird der im Vietnamkrieg traumatisierte Pilot Frank Murphy (Roy Scheider, Atemlos vor Angst) ausersehen. Dieser hat eigentlich schon genug

199 damit zu tun, den Grünschnabel Lymangood (Daniel Stern, City Slickers), den seine Vorgesetzten ihm als Partner aufgehalst haben, in seinen neuen Job als Pilot einzuarbeiten. Um alles noch schlimmer zu machen, bekommt er es auch noch mit seinen früheren Kriegskameraden Cochrane (Malcolm McDowell, Moon 44) zu tun, mit dem ihn seit damals eine innige und auf Gegenseitigkeit beruhende Feindschaft verbindet. Cochrane war der ursprüngliche Testpilot des Blue Thunder und ist zunächst dagegen, Murphy diesen Platz zu überlassen. Beim ihrem ersten Testflug probieren Murphy und Lymangood das Abhörsystem des Hubschraubers aus und werden dadurch zufällig Zeugen eines Geheimtreffens von Cochrane und einigen Vertretern der Polizeibehörden. Sie erfahren, dass geplant ist, während der bald stattfindenden Olympischen Spiele in L.A. Unruhen in der Bevölkerung zu provozieren und den Blue Thunder gegen unbewaffnete Zivilisten einzusetzen, um auf diese Weise seine Fähigkeiten zu demonstrieren. Murphy und Lymangood setzen daraufhin alles daran, die Verschwörer zu enttarnen und ein Blutbad zu verhindern … Jenseits von Gut und Böse Die Angst vor einem Staat, der seinen ahnungslosen Bürger im Namen der Sicherheit ausspioniert, ist beileibe nicht neu. Seit der Veröffentlichung von George Orwells klassischer Dystopie 1984 hat sie in den unterschiedlichsten Formen Eingang in die Popkultur gefunden, indem sie in vielen Büchern und Filmen verarbeitet wurde.

200 Der durch sein Buch zum ersten Alien-Film bekannt gewordenen Skriptautor Dan O'Bannon legte Anfang der Achtzigerjahre seine Version dieses Plotmotivs vor. Er spielt hier das brisante Szenario durch, was wäre, wenn die neusten Waffen- und Überwachungstechniken – die übrigens keine Erfindung der Filmmacher sind, sondern schon damals tatsächlich so existierten – von skrupellosen Politikern und Militärs gegen die eigene Bevölkerung eingesetzt werden würden. Das vor allem in Amerika weitverbreitete Misstrauen gegen den Staat und seine Autoritäten ist in diesem Actionwerk der Nach-Watergate-Ära in jeder Minute offensichtlich. Die Bedrohung kommt in einer für die Menschen auf dem Boden praktisch unsichtbaren Form vom Himmel, die sie in den intimsten Situationen bespitzelt. Es gehört zu den besonderen Kunstgriffen von O'Bannons Drehbuch, dass ausgerechnet ein Vietnamveteran der Held der Geschichte ist. In gewissen Kreisen kursiert ja bis heute die Theorie, dass dieser Krieg für die Amerikaner unter anderen deshalb so katastrophal endete, weil es den Soldaten vor Ort an Unterstützung durch die Politik mangelte – was im Film auch explizit angedeutet wird. Gleichzeitig wurden vietnamesische Zivilisten besonders stark von den Kampfhandlungen durch die Amerikaner in Mitleidenschaft gezogen. Hier ist es nun einer jener ehemaligen Soldaten, der ein Verbrechen an der US-Zivilbevölkerung durch den Missbrauch eben jener Waffentechnologien, die es während des Krieges noch nicht gab, zu verhindern versucht und 201 dabei ganz auf sich allein gestellt ist, da er nicht weiß, wem er noch trauen kann. Dieser Frank Murphy wird gewohnt bravourös von Roy Scheider dargestellt. Er porträtiert seine Figur nicht als unfehlbaren Actionhelden, sondern als seelisch angeknacksten Menschen, dem es schwer fällt, Beziehungen zu seinen Mitmenschen einzugehen und der gerade deshalb so sensibel auf die von ihm aufgedeckten Machenschaften reagiert.

Schwindelerregende Action Natürlich besteht bei einem Film wie diesem immer die Gefahr, dass er sich zu sehr auf die möglichst spektakuläre Zurschaustellung jener Technologien konzentriert, vor deren Missbrauch er eigentlich warnen möchte, und dadurch seine eigene Botschaft untergräbt.

202 © ABC / Columbia Pictures

Tatsächlich sind die Flugszenen in Das fliegende Auge dermaßen mitreißend und realistisch inszeniert – es wurden praktisch nur echte Hubschrauber und kaum Modelle eingesetzt – dass man als Zuschauer manchmal schon fast wieder vergisst, wie groß die Gefahren sind, vor denen hier gewarnt werden soll. Nicht selten gerät die eigentliche Geschichte dadurch etwas in den Hintergrund, wenn sie von den recht lang geratenen Actionszenen zur Seite gedrückt wird. Für wirklich in die Tiefe gehende Dialoge zur politischen Situation in den USA zum Beispiel lässt sich der Film praktisch keine Zeit, was schade ist, da das Potenzial vorhanden gewesen wäre. Dafür gibt es handwerklich nicht das Geringste an Badhams Werk auszusetzen. Die bereits angesprochen

203 Verfolgungsjagden hoch über den Dächern von Los Angeles bestechen durch einen schier atemberaubenden Realismus, wie man ihm nur im Zeitalter vor der Erfindung computergenerierter Bilder erreichen konnte. So erinnert Das fliegende Auge in doppelter Hinsicht daran, wie sehr sich das Actionkino in den vergangen drei Dekaden verändert hat. Sowohl in inhaltlicher als auch visueller Hinsicht haben wir es hier mit einem Werk zu tun, welches das Genre des Actionfilms nicht auf seinen kleinsten gemeinsamen Nenner bringt. Er nimmt die Zuschauer ernst, versucht sie zum Nachdenken anzuregen und speist sie nicht mit am Rechner erzeugten Actionszenen ab, die wirken, als kämen sie aus einem Computerspiel. Was Das fliegende Auge von zeitgleich erschienen Filmen wie Rambo 2, Top Gun oder Firefox unterscheidet, ist, dass er eine unpatriotische, man könnte sogar sagen antipatriotische, Geschichte erzählt, aber trotzdem ein durchaus respektabler Erfolg an den Kinokassen war. Ganz offensichtlich traf der Streifen einen Nerv beim amerikanischen Publikum, was alles andere als selbstverständlich ist. Gerade aus diesem Grund verdient er auch heute noch Aufmerksamkeit, denn heute, in einer Zeit, in der die totale Überwachung der Menschen durch die Regierung wieder ein topaktuelles Thema ist, können solche Filme das Bewusstsein dafür wecken, was passiert, wenn die Sicherheitsbehörden glauben, sich alles erlauben zu können und geltendes Recht brechen dürfen, nur um ihre Macht immer mehr auszuweiten.

204 Dr. Jekyll & Mr. Hyde (1920) in kolorierter Fassung – muss das sein? von Reinhard Prahl

Wer kennt sie nicht, die Geschichte des unglückseligen Dr. Henry Jekyll, der seine dunkle Seite ausleben möchte und dank moderner Wissenschaft zum furchterregenden Mr. Edward Hyde wird? Der 1886 entstandene Roman von Schatzinsel-Autor Robert Louis Stevenson gehört zu den berühmtesten und meistverfilmten Stoffen der phantastischen Weltliteratur. Die Verknüpfung von Mad Scientist- und Doppelgängermotiv wurde in über 50 Filmen verarbeitet, unter anderem 2003 im von Kritikern gnadenlos verrissenen Fantasy-Actionfilm Die Liga der außergewöhnlichen Gentlemen oder auch von Jerry Lewis als Der verrückte Professor (1963). Natürlich dürfen auch die berühmten Hammer Studios (The Two Faces of Dr. Jekyll, 1960), Jean Renoir (Das Frühstück im Grünen, Das Testament des Dr. Cordelier, 1959) und Victor Fleming (Arzt und Dämon, 1941) nicht fehlen. Eine besondere Leidenschaft für die Geschichte hegte der ungarisch-amerikanische Filmproduzent Adolph Zukor, der ihn gleich zweimal verarbeitete. Vor seinem oscarprämierten Meisterwerk mit Fredric March in der Hauptrolle von 1931 adaptierte Zukor den Stoff des 205 Schotten Stevenson bereits 1920 als Stummfilm mit John S. Robertson als Regisseur. Die Hauptrolle besetzte er mit John Barrymore (Die unsichtbare Frau), einem der bekanntesten Filmstars seiner Zeit. In den Nebenrollen waren Charles Willis Lane (Die Stimme aus dem Jenseits, 1929) als Dr. Lanyon, Brandon Hurst (Der Glöckner von Notre Dame, 1923) als Sir Carewe und die Tänzerin und Schauspielerin Martha Mansfield als Millicent Carewe zu sehen, eine Figur, die im Roman keine Erwähnung findet.

Diese wohl bekannteste Version aus der Zeit des tonlosen Films liegt nun als kolorierte Fassung auf DVD vor und ist am 206 20.03.2020 im Vertrieb von Studio Hamburg / Aberle-Media unter dem Label Inter-Pathé erschienen. Zudem wurde der Film restauriert und ist erstmals überhaupt uncut zu sehen. Kolorationen von alten Stummfilmen oder auch Klassikern wie She – Herrscherin einer versunkenen Welt (1935) sind in den letzten Jahren in Mode gekommen, aber nicht immer ist dies unbedingt auch förderlich für die Atmosphäre eines Films; auch hier nicht. Der Film selbst ist für jeden Phantastik-Liebhaber und Stummfilm-Fan ein Muss und wurde bereits in seinem Entstehungsjahr hoch gelobt. Sowohl Barrymores Spiel als auch die düstere Stimmung des 65-minütigen Werks finden bis heute ihre Liebhaber. Genau jene Stimmung geht aber durch die technisch wohl nicht anders machbare, teilweise effektarme Koloration weitestgehend verloren. Während beispielsweise die meisten Szenen um die Schönheit Millicent Carewes noch farblich ansprechend gelangen, erwartet uns in Dr. Jekylls Labor bisweilen ein tristes und verwaschenes Braun. Die nächtlichen Ausflüge Edward Hydes kranken sogar noch merklicher an der unglücklichen Färbung, so dass das ohnehin angegriffene Bild noch mehr zu leiden scheint. Da ist es gut, dass auf der DVD auch die Schwarz-Weiß-Fassung vorliegt, die man vorbehaltlos in einer – für so einen alten Film – ansprechenden Bildqualität genießen kann. Leider hat sich Aberle ansonsten kaum um Extras bemüht. Als Boni lassen sich lediglich ein Trailer sowie ein Wendecover anführen. Zumindest ein informatives Booklet, wie es bei Veröffentlichungen der Edition Filmmuseum München der Fall ist, wäre denkbar 207 gewesen. Der Preis liegt mit € 9,99 aber in einem vernünftigen Rahmen und wird für den einen oder anderen Fan der Stummfilm-Phantastik ganz sicher ein Kaufargument sein.

208 Phantastisches Spielen

Sanctum: Der Geheimtipp von Peter R. Krüger

Wer sich gerne in die Welt der Expertenspiele vorwagen möchte, sich aber nicht sicher ist, weil die Regeln möglicherweise zu komplex sein könnten, ist mit Sanctum sehr gut bedient!

209 Nun wurde mit dem vorangestellten Satz bereits ein Teil des Fazits vorweggenommen, doch aus gutem Grund: Tatsächlich gibt es interessierte Brettspieler, die sich gerne in ein Fantasyszenario begeben wollen würden, sich aber nicht sicher sind, ob sie bei den Expertenspielen richtig aufgehoben sind. Sanctum schlägt hier eine Brücke. Es ist bei weitem nicht so komplex wie die üblichen Vertreter von Expertenspielen, aber dennoch vielseitig und spannend zu spielen. Vor Jahrzehnten wurde das Böse von tapferen Helden besiegt und in einem Jadesarg im Innern der Welt verborgen. Die guten Völker bauten schließlich eine Stadt darüber, welche den Namen Sanctum tragen sollte. Doch lauerte das Böse auf seine Chance, wieder an die Oberfläche zu gelangen und Sanctum zu unterjochen. Nun sind Helden gefragt, um Sanctum zu retten und dem Bösen unter der Stadt den Garaus zu machen. So viel zur Vorgeschichte des Spiels. Beworben wird Sanctum als »Hack & Slay«-Brettspiel, und schon beim Auspacken möchte man meinen, dass sich die Designer nicht nur bei der grafischen Gestaltung, sondern auch bei den Spielregeln am PC-Klassiker Diablo orientiert haben. Doch halt, es handelt sich keinesfalls um einen Brettspiel-Klon. Sanctum ist ein gänzlich eigenständiges Spiel. Zu Beginn wählen bis zu vier Spieler eine Spielfigur, die im Lauf des Spiels individuell gesteigert werden kann, soll heißen, dass jede Figur ein sogenanntes Begabungsverzeichnis zur Verfügung hat, aus dem dann 210 mittels der einfach zu lernenden Spielmechanik einzelne Fähigkeiten bzw. Begabungen freigeschaltet und ausgerüstet werden können. Im Testspiel hatten meine Spielkomplizen Jörg und Nico schon beim Spielaufbau ihre Freude, da bereits das Spielmaterial dazu einlädt, sich die liebevoll gestalteten Grafiken der Karten, Spieletableaus und Spielpläne genauer anzusehen. Erfreulich war, dass sich die Spielregeln trotz des 24 Seiten starken Regelheftes schnell erklären ließen. Jeder Spieler hat die Möglichkeit, aus drei Zugvarianten auszuwählen: Bewegen – Kämpfen – Rasten. Ein paar Worte zu den einzelnen Zügen, und schon konnte das Spiel starten. Wer sich bewegt, den verfolgen Monster. Die Monster können bekämpft werden, woraufhin man auflevelt. Nach Kämpfen kann man im nächsten (oder späteren) Zug rasten und sich dabei ausrüsten. Im Grunde war es das auch schon an Regeln. Natürlich gibt es dann noch Detailfragen, die lassen sich aber am besten während des Spiels klären.

211 Der schnelle Spieleinstieg und das Lernen des Spiels während der ersten Züge sprechen definitiv für Sanctum. Dass die Züge dann nach zwei, drei Runden ebenfalls schnell von der Hand gehen, ist ein weiterer Pluspunkt und lässt jeden Spieler schnell seine eigene Strategie finden, um seinen Charakter zu verbessern. Teilweise geschieht dies mit der Beute, die man im Kampf gegen die Gegner erhält, teils erfolgt es aus dem eigenen Begabungsverzeichnis. Wir sind schnell begeistert vom Spielablauf, stellen aber auch fest, dass das Spielprinzip einerseits simpel, andererseits komplex gestaltet wurde. Simpel, weil man schnell aus drei möglichen Zügen wählt und das Spiel dadurch sehr zügig vorangeht. Komplex, weil jeder Charakter sein eigenes Begabungsverzeichnis besitzt und die

212 erbeuteten Gegenstände aus den Kämpfen zusätzlich eine individuelle Entwicklung der eigenen Spielfigur ermöglichen. Nico kommt recht bald zu dem Schluss, dass das Spiel Spaß macht, aber weniger komplex ist als die Expertenspiele der letzten Testrunden (was man gleichsam als Lob und als Kritik verstehen darf – je, nachdem, ob man gerne komplexe Spiele spielt). Jörg hingegen befürchtet, dass man den Bogen zu schnell heraus hat, und stellt Parallelen zu Handygames auf. Auch das muss nicht schlecht sein, denn wenn man das Spielprinzip schnell erlernt hat, kann man sich auch gerne mit einem der anderen drei Charaktere in den Kampf wagen oder seine Strategie in den folgenden Spielen immer weiter verfeinern.

Kommen wir nun also zum restlichen Fazit: Sanctum macht Spaß! Für versierte Spieler von Expertenspielen mag Sanctum eher etwas für zwischendurch sein, wobei man auch hier gut und gerne zwei Stunden Spielzeit pro Partie einplanen sollte. Doch auch Gelegenheitsspieler, Fantasyfans, Brettspielschlachtenbummler und Würfelbegeisterte werden hier auf ihre Kosten kommen. Auf der Contraseite ist eigentlich nur ein kleiner Fehler im Regelheft zu verbuchen. Da ist eine Erläuterung zu der Spielweise mit weniger als 4 Spielern missverständlich. Das klärt sich aber schnell auf: Die Anzahl der Etappenspielpläne reduziert sich bei weniger Spielern! Der Fehler wurde in der 213 kostenlos downloadbaren Errata behoben. Allerdings sind die beigefügten Klemmtütchen für die Karten sehr empfindlich und reißen schnell. Hier sollte man selbst zeitnah für Ersatz sorgen. Beide Punkte beeinflussen jedoch nicht den Spielspaß, sobald die erste Partie startet. Alles in allem bleibt festzustellen, dass Sanctum sehr vieles richtig macht und sich als sehr guter Einstieg in die Welt der Expertenspiele präsentiert.

Abenteuer in den 1980ern: Tales from the Loop – Roleplaying Game Schweden in den 1980ern. Ein gigantisches Magnetschiff schwebt vorbei, während der Nieselregen gegen deine Fensterscheibe tropft. Du legst eine Kassette in deinen heiligen Walkman und träumst dich mit der Musik fort. Der Lärm zweier Müllroboter, welche die Mülltonnen auf der Straße leeren, unterbricht deine Träumereien. Da klingelt es an der Tür, und dein bester Kumpel kommt ins Zimmer. Auf ins Abenteuer! von Jens Krohnen

Simon Stalenhag ist ein schwedischer Künstler, der in den vergangenen Jahren für Furore in der Science Fiction-Szene sorgen konnte. Er fertigt digitale Bilder hoher Kunstfertigkeit an, die alltägliche Szenen mit unglaublicher Technologie verbinden. Mittlerweile hat er viele seiner Bilder in

214 bebilderten Romanen zusammengefasst. Aus seiner Feder stammen zum Beispiel The Electric State, Things from the Flood und eben auch Tales from the Loop, das Buch, das für das gleichnamige Rollenspiel vom schwedischen Verlag Fria Ligan Pate stand. Fria Ligan setzte – ganz modern – auf das Mittel des Crowdfundings, um Tales from the Loop zu finanzieren. Auch die von Free League Publishing und Modiphius Entertainment herausgebrachte englische Variante wurde über die Crowd finanziert. Herausgekommen ist ein lose auf der Mutant: Year Zero-Engine basierendes Rollenspiel mit einem besonderen Flair.

Hintergrund 215 Tales from the Loop nutzt als Hintergrund unsere Welt, spielt allerdings in den 1980ern. Wer sich erinnern mag: E.T., Ghostbusters oder Die Goonies begeisterten im Kino, Van Halen landete mit Jump einen Megahit, der Siegeszug der VHS-Kassette begann, und für die Teenager der damaligen Zeit war der Walkman der beste Freund. Doch natürlich unterscheidet sich die Welt von Tales from the Loop in einem entscheidenden Detail von der uns bekannten: Kurz nach dem Zweiten Weltkrieg wurde eine Magnet-Technik entdeckt, mit dessen Hilfe Luftschiffe gebaut wurden, die auf den Magnetbahnen der Erde fliegen können. Diese sogenannte Magnetrin-Technik führte auf diversen Sektoren zu einer schnelleren Fortentwicklung der Technik. So sind zum Beispiel Roboter in den 1980ern des Loop-Universums keine Seltenheit. In Schweden entstand in den 1960ern ein einzigartiges Forschungszentrum, um die Technik und ihre Möglichkeiten weiter voranzutreiben: Auf einer Inselgruppe nahe Stockholm entstand der sogenannte Loop. Hier versuchen Forscher aus aller Welt ihre – teils verrückten, teils unmöglichen – Ideen in die Tat umzusetzen. Weithin sichtbar sind drei gigantische Kühltürme, die einen riesigen, unterirdischen Teilchenbeschleuniger auf Betriebstemperatur halten. Forschungslabors, Werkstätten und Maschinenparks runden den Loop ab. Neben dem schwedischen Setting liefert Tales from the Loop auch eine amerikanische Kleinstadt mit, in der eine ganz ähnliche Anlage in Betrieb genommen wurde. So können Spieler

216 zwischen zwei unterschiedlichen Settings das Vertrautere wählen. In Tales from the Loop schlüpfen die Spieler in die Rolle von Kindern. Diese gehen unheimlichen oder merkwürdigen Begebenheiten nach, die rund um den Loop geschehen. Der Kreativität des Spielleiters sind dabei prinzipiell keine Grenzen gesetzt, denn die verrückte Wissenschaft und die Möglichkeiten des Magnetrin-Effektes lassen alle erdenklichen Phantastereien geschehen. Ob Dinosaurier durch ein Zeitportal in unsere Zeit gelangen, Roboter Amok laufen oder Menschen sich plötzlich seltsam abwesend verhalten – all das kann seinen Grund im Loop finden.

Regeln Wie erwähnt basiert Tales from the Loop auf einer abgespeckten Version der Mutant: Year Zero-Regeln. Das Würfelsystem ist ein einfaches Pool-System: Die Summe aus einem Attribut und einer passenden Fertigkeit ergibt den Pool sechsseitiger Würfel, jede geworfene Sechs zählt als Erfolg. Eine wichtige Prämisse des Spiels ist, dass die Kinder nicht sterben können. Vielleicht werden sie gefangengenommen oder außer Gefecht gesetzt, doch sie können nicht das Zeitliche segnen. Entsprechend sind die Regeln für Schaden und Kampf ebenfalls sehr knapp ausgefallen und laufen letztendlich nur auf verschiedene Zustände hinaus – so kann ein Kind aufgewühlt oder erschöpft sein und dadurch Mali auf seine Proben erhalten. Auch die Charaktererschaffung geht leicht von der Hand. Man wählt einen Archetyp für sein Kind aus – wie zum 217 Beispiel die Leseratte, den Computer-Nerd oder den Sportler – und verteilt anschließend Punkte auf seine vier Attribute. Fertigkeiten werden durch den Archetyp beeinflusst. Anschließend legt man die Beziehungen zu den anderen Kindern und einigen Bezugspersonen fest. Man merkt hier schnell, dass Tales from the Loop ein narratives System sein möchte, dass den Schwerpunkt eher auf die Erzählung als auf die Würfelmechanismen legt.

Mysterien Die Abenteuer, welche die Kinder in Tales from the Loop erleben, werden als Mysterien bezeichnet. Neben einer umfangreichen Erklärung, wie ein Mysterium aufgebaut sein sollte, zusätzlich zu einigen Abenteueraufhängern, liefert das Grundregelwerk auch gleich vier spielfertige Mysterien mit, die zusammen eine Kampagne rund um eine verrückte Wissenschaftlerin ergeben. Das Spielleiterkapitel gefällt mir ausnehmend gut. Es überspringt zwar die generellen Spielleitertipps, die man an dieser Stelle erwarten könnte; dafür führt es hervorragend in die Mysterien des Loop-Rollenspiels ein, ohne irgendwelche Beschränkungen aufzuerlegen. Die vier mitgelieferten Abenteuer decken ein breites Spektrum unterschiedlicher Möglichkeiten ab. So gibt es Szenarien, die an einen Horrorfilm erinnern, während andere eher klassische Kinder-Detektiv-Geschichten darstellen. Diese Mischung hat definitiv Charme.

Optik 218 Tales from the Loop ist opulent mit den fantastischen Bildern Simon Stalenhags ausgestattet. Seine Kreationen zieren oftmals großformatig die einzelnen Seiten. Die Qualität der Bebilderung ist großartig: Mit satten Farben sticht sie hervor und sorgt für Atmosphäre auf jeder entsprechenden Seite. Hier und da wurde es mit der Farbsättigung etwas übertrieben. Da gehen schon mal Details in dunkleren Bildbereichen verloren. Aber das fällt kaum ins Gewicht und ist Jammern auf hohem Niveau. (In der PDF-Ausgabe sind die Helligkeitswerte noch etwas besser ausgefallen.) Charaktere und Kreaturen aus den Mysterien werden oft mit einfachen Bleistiftskizzen dargestellt, die sich jedoch erstaunlich gut in das Gesamtbild einfügen. Das Layout des Bandes ist mit großen Überschriften, klar lesbaren Extrakästen und einem unaufgeregten Blocksatz angenehm übersichtlich gehalten. Technisch gibt es damit praktisch nichts zu meckern.

Kritik Was soll ich sagen? Tales from the Loop hat mich von der ersten bis zur letzten Seite begeistert. Das Regelwerk ist simpel und rasch verinnerlicht. Der Hintergrund in seiner Mischung aus 1980ern und technologischer Science Fiction ist einmalig. Die Mysterien des Loops versprechen eine Mischung aus Kinder-Detektiv-Abenteuern und hoch fantastischen Elementen. Wer mit diesen Tropen etwas anfangen kann, der wird auch Tales from the Loop mögen.

219 Kritik ergibt sich allerdings im Detail. Die Archetypen, die zur Charaktererschaffung zur Auswahl stehen, sind reichlich klischeebeladen. Das muss kein Nachteil sein, ich will es aber nicht unerwähnt lassen. Durch die simple Charaktererschaffung ist auch die spieltechnische Differenzierung zwischen den einzelnen Charakteren eher schwierig. Auch die Fertigkeitenliste sieht einige oft redundante Fertigkeiten vor und hätte eine etwas andere Sortierung vertragen. Doch schmälert das alles bei mir nicht den Wunsch danach, mich in den 1980ern mit größenwahnsinnigen Wissenschaftlern zu messen, die ihre Erfindungen unterschätzt haben.

Fazit: Großartige Bilder, ein unverbrauchtes Setting, simple Regeln und ein hilfreicher Spielleiterbaukasten. Tales from the Loop spricht natürlich einen bestimmten Spielstil an; wer sich jedoch mit dem Gedanken anfreunden kann, Kinder auf der Suche nach der Wahrheit zu spielen, sollte hier unbedingt einen Blick riskieren. Unbedingt.

Tales from the Loop Grundregelwerk Simon Stalenhag, Nils Hintze, Tomas Härenstam u. a. Free League Publishing / Modiphius 2017 ISBN: 978-1910132753 194 S., Hardcover, englisch Preis: EUR 48,95

220 Das heimliche Treiben der Magier: Obscurio von Kai Melhorn

In den letzten Jahren und spätestens seit Codenames haben leicht zugängliche Spiele für mittelgroße Gruppen Konjunktur. Fernab vom Partycharakter eines Tabu haben diese Spiele aber eines damit gemeinsam, denn es geht oftmals um das Geben von Hinweisen und das Erraten einer Lösung. Obscurio ist eines dieser Spiele. Eine Gruppe von 1 bis 7 Magiern ist in einer magischen Bibliothek gefangen und versucht daraus zu entkommen. Egal durch welche Tür die Magier gehen, sie landen immer wieder im selben Raum, und nur, wenn sie es schaffen, mehrfach die richtige Tür zu erraten, wird die Bibliothek sie irgendwann in die Freiheit entlassen. Der Hexenmeister und Besitzer der Bibliothek leitet die Magier mit Hilfe von Illusionen in die Irre, und die einzige Chance, die die Magier haben, ist das alte Grimoire (eine Spielerrolle), das ihnen wortlos Hinweise auf die richtige Tür gibt. Doch leider sind nicht alle ganz ehrlich, denn es gibt einen Verräter in den Reihen der Magiebegabten, und natürlich will dieser die Gruppe durch die falschen Türen locken. Zudem hat der Hexenmeister die Bibliothek mit einer Menge Fallen versehen, die das Leben der Magier noch schwerer machen.

221 Die Zeit spielt gegen die Gruppe; daher wird die Dauer einer Flucht mit ca. 40 Minuten angegeben, und die Magier sollten zumindest 10 Jahre alt sein. Die veranschlagte Spielzeit würde ich eher auf eine Stunde anheben, was auch an der Routine des Grimoires liegt, welches im Großen und Ganzen durch die Runde leitet. Das Mindestalter kommt hin, wobei in einer Gruppe mit Erwachsenen auch jüngere Kinder zum Zug kommen und ihren Spaß haben. Bei uns hat es gut funktioniert, wenn sie keine der beiden Sonderrollen bekommen, wobei das natürlich auch vom Kind abhängt.

Das Spiel Bevor ich nun wie sonst auf das Material eingehe, soll diesmal zunächst der Spielverlauf erklärt werden, damit die Anmerkungen zum Material auch verstanden werden

222 können. Das Grimoire hat die Aufgabe, die Magier aus der Bibliothek zu führen. Von einem großen Stapel runder Karten zieht der entsprechende Spieler verdeckt eine davon und sieht sie an. Jede dieser Karten zeigt ein anderes Bild, und dieses muss nun von den Spielern der Magier als die Lösung dieser Runde erkannt werden. Anschließend zieht der Grimoire-Spieler zwei weitere Karten und legt sie in die Vertiefungen eines aufgeschlagenen Buches. Nun nimmt er zwei Hinweismarker und markiert Stellen auf den beiden Bildern, die auf das Lösungsbild hindeuten. Anschließend müssen alle Magier die Augen schließen, und das Grimoire bittet den Verräter, die Augen wieder zu öffnen. Nun zeigt das Grimoire ihm acht weitere Bilder, aus denen er zwei auswählen kann, um die anderen in die Irre zu führen. Nun darf der Verräter wieder die Augen schließen, bevor dann alle gemeinsam sie wieder öffnen. Jetzt werden noch weitere Karten vom verdeckten Stapel gezogen, bis das Grimoire sechs Bilder beisammen hat. Diese werden an die Ausgänge der Bibliothek (an das Spielbrett) angelegt, und die Zeit beginnt zu laufen. Sie müssen nun beraten, welches Bild die richtige Lösung sein könnte, und schließlich darf sich jeder für eine Lösung entscheiden.

223 Findet wenigstens ein Magier die richtige Lösung, darf die Gruppe dem Ausgang etwas näher rücken. Auf der anderen Seite verliert die Gruppe aber auch für jeden falschen Tipp an Zusammenhalt, der durch Marker symbolisiert wird. Geht der letzte Zusammenhalt der Gruppe verloren, ist es unmöglich, noch aus der Bibliothek zu entkommen, und der Verräter (und mit ihm der Hexenmeister) hat das Spiel gewonnen. Erreichen die Magier den Ausgang, solange noch mindestens etwas Zusammenhalt da ist, haben sie gemeinsam mit dem Grimoire gewonnen. Um es nicht zu einfach zu machen, werden während des Spiels noch Fallen ausgelegt, die einen zufälligen Nachteil für die Magier mit sich bringen. Zudem dürfen die Magier nicht zu lange beraten, weil in der nächsten Runde sonst noch mehr Fallen auf sie lauern. Das Spiel ist flüssig und kurzweilig. Es gibt immer etwas zu tun, es gibt immer etwas zu diskutieren. Auch als 224 Grimoire fiebert man mit, ohne wirklich etwas beitragen zu können, und nicht zuletzt lernt man auch, wie eine Gruppe die eigenen Hinweise interpretiert. Durch den Verräter in den eigenen Reihen bleibt die Gruppe ohnehin immer dabei, zu rätseln, zu interpretieren und zu kalkulieren.

Ist man als Verräter zu schnell erkannt, wird es für diesen Spieler natürlich etwas langweilig. Zwar kann man fast bis zum Schluss weiterspielen, aber das eigene Wort hat kaum noch Gewicht, und man kann nur noch durch die Auswahl der irreführenden Bilder Einfluss nehmen. Daher sind zwei Dinge dringend anzuraten. Zum einen macht es Sinn, eine stimmungsvolle Musik im Hintergrund laufen zu lassen. Nichts ist ärgerlicher, als wenn der Verräter durch ein winziges Geräusch enttarnt wird. Zum anderen sind die Magier unbedingt darauf hinzuweisen, dass auch jegliche

225 Bewegung, jeder Laut oder ein unachtsam gesprochenes Wort eine Auskunft über sie selbst geben kann. Manche Partien enden sehr knapp und sind spannend bis zum letzten Rätsel. In diesen Momenten sind alle Spieler voll dabei, und es wird leidenschaftlich diskutiert. Manche Runden entwickeln schnell eine Tendenz, die oft bis zum Schluss nicht mehr umgekehrt werden kann. Aber auch diese Partien machen Spaß, und durch eine einfache Anpassung des Schwierigkeitsgrads kann man die nächste Partie entsprechend der Leistung der Gruppe justieren.

Das Material Um das Fazit vorwegzunehmen: Wunderbare Stimmung bei leicht unpraktischer Handhabung. Eine Aufzählung der tollen Materialien wird dem Ganzen kaum gerecht. Alles fühlt sich toll an und ist fantastisch illustriert. Einzig bei der

226 Handhabung sind zwei wichtige Details etwas schwierig geraten. Um dem Verräter die Auswahl der Irrbilder möglichst einfach zu machen, werden insgesamt acht Bilder in ein Album geschoben. Haben alle anderen die Augen geschlossen, kann der Verräter seine Auswahl durch Fingerzeig erledigen. Das Schwierige daran ist nun, dass die Karten dabei teilweise hinter transparente Folien geschoben werden, und das gelingt manchmal erst nach einigen Versuchen oder wenn man die Folie mit dem Fingernagel etwas anhebt. In der Spielsituation ist das einfach nicht besonders günstig, da alle Spieler in der Zeit die Augen geschlossen haben müssen. Allerdings wird das mit jeder Partie etwas besser und dürfte kein dauerhaftes Problem darstellen. Etwas ärgerlicher ist, dass die Hinweise des Grimoire durch Magnetismus am Platz gehalten werden, damit sie gut herumgezeigt werden können (insbesondere bei größeren Spielergruppen). Leider habe ich ein Exemplar erlebt, bei dem die Hinweismarker nicht richtig hielten. Das macht die Handhabung dann unpraktisch und unschön. Das ändert in Summe aber nichts daran, wie schön dieses Spiel ist.

227 Fazit: Das Spiel macht wenig neu, aber dabei so viel richtig. Die Kombination aus stimmungsvollem Setting, tollen Bildkarten, dem Hinweissystem des Grimoire, dem Verräter, der Sanduhr, den Fallen, der Spiellänge, der Zugänglichkeit und der Skalierungsmöglichkeiten im Schwierigkeitsgrad und Spielerzahl macht Obscurio schlicht und einfach zu einem sehr guten Spiel.

Obscurio Brettspiel für 2 bis 8 Spieler ab 10 Jahren L'Atelier Asmodee / Libellud EAN: 3558380065791 Sprache: Deutsch Preis: EUR 39,99

228 The Show Must Go On: Carnival of Monsters von Kai Melhorn

Richard Garfield ist wohl einer der bekanntesten Spieleautoren der heutigen Zeit. Mit Magic: The Gathering und Robo Rally ist ihm wohl etwas gelungen, wovon jeder Autor von analogen Spielen träumt. Diese Spiele waren zur ihrer Zeit dermaßen innovativ, dass sie die Herzen unzähliger Brett- und Kartenspieler erobert haben. Selbst nach 20 Jahren werden diese Spiele immer noch gespielt und haben einen über die Maßen großen Bekanntheitsgrad. Seitdem gibt es immer wieder Spiele von ihm, die wieder und wieder einen durchaus bemerkenswerten Innovationsgrad haben. Natürlich kann nicht jede Innovation so einen Erfolg verbuchen wie die beiden zuvor Genannten. Aber man kann sagen, dass immer wieder interessante Spiele dabei herauskommen. Dieses Jahr gibt es ein Familienspiel über Monster, fahrende Schausteller und einen König, der für die Unterhaltung seines Volkes sogar riskiert, dass einige Bürger gefressen werden.

Das Material Hauptsächlich wird dieses Spiel durch Karten gesteuert. Sage und schreibe 240 Stück sind im Spiel enthalten, und sie sind allesamt von beeindruckender Qualität. Auch nach einigen Runden zeigen die Karten keine wesentlichen

229 Abnutzungserscheinungen, wie ich sie insbesondere bei Kickstartern in letzter Zeit leider immer wieder zu Gesicht bekommen habe, die ja bedauernswerterweise dazu neigen, ansonsten eher überproduziert zu werden. Leider scheint das Augenmerk der Macher an diesen Stellen mehr auf den Miniaturen zu liegen als auf der Qualität des Materials, welches die größte Belastung aushalten muss. Nun soll dieser Text nicht dazu dienen, das Für und Wider von Kickstartern zu diskutieren, aber ich persönlich finde es beruhigend, zu erleben, dass die herkömmlichen Spieleverlage weiterhin Spiele von guter Qualität auf den Markt bringen, die das kleine Einmaleins für Produktion und Redaktion noch nicht zu Gunsten von (unangemalt eigentlich unattraktivem) Plastik vernachlässigen.

230 Die Gestaltung der Karten lässt ebenfalls keine Wünsche offen, denn neben den wesentlichen Spielelementen sind natürlich die Darstellungen der Kreaturen ein extrem wichtiger Teil des Spielgefühls. Das muss auch Amigo klar gewesen sein, denn vor der Realisierung des Projektes wurde gar eine Kickstarterkampagne gestartet, um die großen Namen der Illustratoren von Magic: The Gathering zu verpflichten. Die Kampagne wurde zwar eingestellt, aber das tut der Qualität des finalen Produkts meiner Meinung nach keinen Abbruch. Nicht zuletzt, weil mit Illustratoren wie Michael Menzel wirklich gute und renommierte Partner gefunden werden konnten. Je einer Gattung von Kreaturen wurde hierbei von einem individuellen Künstler stimmungsvoll Leben eingehaucht, wodurch sich jeweils ein eigener Stil etabliert. Eine gute Entscheidung, wie ich finde, denn so wird der Eindruck erweckt, die Kreaturen würden jeweils wirklich einer eigenen Linie entspringen. Die einzige kritische Frage, die ich den Designern stellen würde, ist die nach der überwältigenden Menge an Pappmünzen, die dem Spiel beiliegen. Ich habe bisher kein Spiel erlebt, wo auch nur ein Bruchteil davon an die Spieler ausgegeben wurde.

Das Spiel

231 Der Spielablauf erinnert sofort an 7 Wonders oder Sushi Go! Jeder Spieler bekommt sieben Karten. Die Karten zeigen Ländereien, fiese Kreaturen, potenzielle Angestellte, Neuigkeiten aus der Presse oder Verträge, die bei Erfüllung Siegpunkte versprechen. Von diesen Karten sucht man sich eine aus. Die restlichen Karten gibt man an den benachbarten Spieler weiter und erhält sodann einen neuen Stapel vom anderen Nachbarn. Die Karten gehen so lange im Kreis, bis alle verteilt sind. Bei jeder einzelnen kann man sich dafür entscheiden, sie sofort auszuspielen oder verdeckt aufzubewahren, bis der richtige Zeitpunkt gekommen ist. Dieses Zwischenspeichern kostet Geld, was normalerweise nie in besonders großen Mengen vorhanden ist. Nach vier Runden, also insgesamt 28 gesammelten Karten, ist das Spiel vorbei, es werden Siegpunkte gezählt, und natürlich gewinnt derjenige, der die meisten davon zusammenbringen konnte. 232 Inhaltlich klingt das dann so: Als Betreiber eines Wanderzirkus ziehen die Spieler los, um besonders gefährliche Monster einzufangen, damit sie dem begeisterten Publikum gezeigt werden können. Dafür sammelt man Wissen über die fernen Länder, in denen die Monster zu finden sind, und natürlich fängt man sie dort auch ein. Außerdem kann man sich Helfer holen, die auf vielfältige Art und Weise ihre Unterstützung anbieten, dafür aber auch entlohnt werden wollen. Gute Nachrichten aus der Presse geben Sofortboni, die nie besonders stark sind, im richtigen Moment aber genau das passende Mittel sein können, um dem Spieler aus der Patsche zu helfen.

Am Ende der Saison kommt es dann zu der großen Show. Je größer und gefährlicher die Monster sind, desto mehr Begeisterung lösen sie aus, insbesondere, wenn die

233 Wünsche des Publikums erfüllt werden, die von Saison zu Saison wechseln. Das birgt natürlich auch Gefahren, denn so manches Monster hat sich in der Vergangenheit an den Zuschauern gelabt. Um übermäßigen Verlusten bei den Fans vorzubeugen, sendet der König immer wieder seine Wachen, die die Situation unter Kontrolle halten. Auf diese Hilfe kann man sich aber nicht wirklich verlassen, und somit bleibt es bei einem persönlichen Risiko, wenn man zu viele Menschenfresser in der Ausstellung zeigt. Denn sollte es zu Verlusten kommen, muss man eine saftige Strafe zahlen. Der Spielablauf geht schnell von der Hand, denn allzu lange braucht man normalerweise nicht, um zu überlegen. Auch wenn es nichts bringt, in Grübeleien zu verfallen, so sind die Entscheidungen dennoch von Bedeutung. Der eigene Vorteil ist manchmal geringer als Schaden, dem man einem Konkurrenten zufügen könnte. Außerdem stellt sich immer wieder die Frage, welche Prioritäten man setzt, und oft will man eigentlich gar keine Karte aus der Hand geben. Aber man muss sich entscheiden, und viele der begehrten Objekte wird man gar nicht erst wieder in die Hand bekommen, geschweige denn eine Gelegenheit erhalten, sie auszuspielen. Die Möglichkeit, eine Karte zu speichern, ist der besondere Teil des Spiels. Man kann Taktiken verbergen, Monster vorhalten und Karten zurückhalten, die dem Gegner allzuviel helfen würden. Die Waage wird dabei durch den nicht unerheblichen Preis gehalten, den man zahlen muss, und jede Wahl für die eine oder andere Variante ist spannend und interessant.

234 Natürlich ist eine Menge Glück im Spiel. Die gewählte Taktik kann sich als Sackgasse herausstellen, oder der Gegner bekommt immer genau die Karten zur Auswahl, die man selbst so dringend benötigen würde. Am Schluss gibt es auch noch Würfel, die zwar für alle gleichermaßen gelten, aber dennoch einen Einfluss auf den Ausgang der Partie haben können. Ein weiterer Minuspunkt gilt für das Spiel mit fünf Spielern, denn man bekommt kaum Karten wieder auf die Hand, womit ein taktischer Aspekt leider an Bedeutung verliert. Aber diese kleinen Schwächen kann man gut verkraften.

Fazit: Carnival of Monsters ist ein stimmungsvolles Spiel mit gutem Material und insbesondere tollen Grafiken. Der Spielablauf ist flüssig und schnell, da man immer etwas zu tun hat und es kaum Wartezeiten gibt. Das leicht gehobene

235 Familienspiel bietet ein paar schöne Kniffe und einige taktische Möglichkeiten, funktioniert mit jeder Spielerzahl und durch eine kleine Zusatzregel auch mit zwei Spielern ausgesprochen gut. All das ergibt ein gutes Spiel, das man immer mal wieder auspacken möchte, um eine kleine Runde zu machen. Die kleineren Schwächen kann man gut verzeihen. Auf der anderen Seite könnte eine Erweiterung dem Ganzen sicher nicht schaden, um die Motivation aufrechtzuerhalten.

Carnival of Monsters Brettspiel für 2 bis 5 Spieler ab 12 Jahren Richard Garfield Amigo Spiel + Freizeit 2019 EAN: 4007396019575 Sprache: Deutsch Preis: EUR 34,99

236 Phantastisches Lesen

Unterwegs im Dyoversum von Alexandra Trinley

Die Kosmologie des Perryversums hat sich erweitert um einen Zwilling, das Dyoversum. Der Viererband zur Zyklusmitte ließ unsere Helden ein einzigartiges paralleles Universum erreichen, in dem die originale Erde mit dem echten Mond ihren Platz fand. Ganz vieles ist »unserem« RHODAN-Universum ähnlich, es gibt die gleichen Völker, die gleichen Planeten, aber alles hat sich anders entwickelt, zum Beispiel haben die echsenartigen Topsider, die traditionell durch ihre Aggressivität und ihre Verachtung des Weiblichen auffallen, ein Matriarchat – was sie allerdings nicht umgänglicher macht.

237 Rhodan trifft im Dyoversum alte Bekannte wieder, die auf Terra und Luna waren, als sie versetzt wurden, wie das unsterbliche Finanzgenie Homer G. Adams, dem notorisch unauffälligen Strippenzieher im Hintergrund. Adams bekam in Christian Montillons Vierteiler einen Logenplatz, weil die Vorgänge seit der Versetzung nach der ominösen Quadratur der Tage anhand seiner Lebensabschnittsgeschichte erzählt werden. Der Buckelige ohne Privatleben bekam eine tiefe Beziehung, ein großes Wirkungsfeld und eine Gefahr für sein Leben: im Dyoversum gehen Zellaktivatoren nach einiger Zeit kaputt. Damit sind die Weichen gestellt, immer wieder einige der allzu dominanten Zellaktivatorträger in der Suspension zu parken. Und auch wenn Atlan im Arkonsystem, Bully auf Ephelegon und Perry im Dyoversum die Vorgänge vorantreiben: Es entsteht Raum für Geschichten mit vielen Beteiligten an Orten, die erwandert und erforscht werden müssen. Noch immer steht Zemina Paaths Suche nach ihrem Gedächtnis im Mittelpunkt, denn wenn die Thesan es fände, dann könnte sie den Galaktikern sagen, was passiert ist. Die geheimnisvolle Frau, die trotz humanoider Form so dezidiert nichtmenschlich aussieht, hat sich bereits bei ihrem Auftauchen an Bord der RAS TSCHUBAI nach dem Zeitsprung von 500 Jahren als »porös« bezeichnet. Die Kolumnistin möchte anmerken, dass trotz des bunten Bilderbogens, der sich auf allen Handlungsebenen entfaltet, der Begriff recht gut auf den Status des Zykluszusammenhangs passt: da sind unheimlich viele 238 Splitter, und den Zusammenhang wird man hoffentlich sehen, wenn sich am Schluss alles zusammensetzt. Es gibt auch immer wieder Romane, die sich den Zusammenhängen widmen, so wie aktuell »Der transuniverselle Keil« (PR3061) von Leo Lukas, in dem es um den Posizid geht, jenes Auslöschen positronischer Gedächtnisinhalte, das der Milchstraße die verlässlichen Daten nahm, den Zusammenhang zwischen dem Atopischen Konduktor aus dem vorherigen Zyklus, der Bleisphäre, die Arkon umhüllt, und den Zugang zum Dyoversum. So etwas wird immer wieder aus leicht versetztem Winkel neu erzählt, so dass man auch als nicht ständig konzentrierter Leser aller Romane über das Wiederaufgreifen mitbekommt, was vor sich geht. Trotzdem ist es viel Stoff, und es ist eine echte Herausforderung, den roten Faden zu sehen. Nach einer Phase mit gutem Tempo trat nach der Zyklusmitte auch wieder Windstille ein im Handlungsfortschritt. Aber der Zyklus ist noch lang. Wir werden sehen, wie es weitergeht.

Ein Kaleidoskop von Handlungsorten Am 28. Februar 2020 erschien »Die letzte Welt der Vecuia. Sie suchen das Verlies einer Superintelligenz – auf dem Planeten der Dovoin« (PR 3054). Es handelt sich um Dennis Mathiaks Debüt in der Erstauflage. Haupthandlungsträger ist der Haluter Icho Tolot, im Setting steht die gefährliche Vektormaterie im Vordergrund, die als »Graue Materie« eingeführt wurde. Sie ernährt die Kandidatin Phaatom, eine angehende Chaotarchin. Der 239 Cairaner Bru Shaupaard mischt mit, der einen Sextadim-Span der Superintelligenz VECU trägt. Und es geht um einen abgestürzten Ladhonen-Raumer. Dieses dreiarmige Piratenvolk hat sich in der Milchstraße mit den Naatschen Freischaren und den konservativen arkonidischen Kristallgetreuen verbündet. In der Heimatgalaxie der Cairaner laufen die Allianzen ja zum Teil ganz anders. Die planetare Handlungsebene spielt in der frühindustriellen Gesellschaft der Dovoin, deren Personal ein Gegengewicht zum Advokaten und ähnlich abstrakten Gesellen bietet. Weiter geht es in »Die VECU. Auf der letzten Welt der Superintelligenz – die RAS TSCHUBAI in Geiselhaft« (PR 3055) von Michael Marcus Thurner. Die Superintelligenz VECU bemüht sich um eine Übernahme der RAS TSCHUBAI, mit der die Besatzungsmitglieder naturgemäß nicht einverstanden sind.

240 © Pabel-Moewig

Schauplatzwechsel zum Chrag-Odisz-System in der Milchstraße. Uwe Anton schrieb »Transmitter-Hasardeure. Angriff auf einen Etappenhof – das neue Transportsystem ist in Gefahr« (PR 3056). Es geht um vermutete oder echte Geheimdienstaktivitäten im Transportnetz der Akonen, das dieses zurückgezogen lebende und für seine Arroganz verrufene Volk seit Jahrzehntausenden weiterentwickelt hat. Eine angreifende Fraktion sind die Tomopaten, und es handelt sich um ausgesprochen unangenehme

241 Neuankömmlinge. Cheborparner, wie auf dem Titelbild von Band 3056 abgebildet, mischen natürlich auch mit. Bemerkenswert ist die Antwort von Datenverwalterin Verena Themsen auf die Frage nach den Funktionsproblemen des neuen Transmittertransportsystems: »Weil jeder Transport eine sich potentiell zu disruptiven Vibrationen kumulativ aufschwingende molekulare Mikroverschiebungskomponente hinterlässt, die man gelegentlich abklingen lassen muss, um die Bildung von Mikrofissuren durch spontane Entbindung zu verhindern.« (Link zur Interview-Reihe im Anschluss, Anm. d. Red.).

Schauplatzwechsel, Arkon-System. »Thantur-Lok brennt. Unterwegs in M 13 – Atlan ist auf verzweifelter Mission« (PR 3057) wechselt zu den Arkoniden, die bekanntlich das Lieblingsvolk von Autorin Verena Themsen darstellen. Atlan ist in die Welt von Intrigen und feudaler Dekadenz zurückgekehrt und muss im Psychoduell gegen seinen Widersacher Jarak da Nardonn bestehen. »Für Galaktiker verboten! Die Abkehr von der Milchstraße ‒ die Tefroder stellen eine Sterneninsel unter Quarantäne« (PR 3058) stammt von Wim Vandemaan. Der Expokrat zaubert eine Geschichte aus farbenprächtigen Bildern. Wie bereits angemerkt: In der Abfolge der Romane könnte man gelegentlich den Eindruck gewinnen, die Erzählerfigur für den Zyklus sei Zemina Paath mit ihrem porösen Gedächtnis, da doch immer wieder assoziativ gereiht wird, statt beim Handlungszusammenhang zu 242 bleiben. Doch wenn Vandemaan selbst schreibt, treten die Bilder von selbst in den Vordergrund. Dann verliert sich die Frage nach dem Zusammenhang ganz von selbst. Das Andromeda-Desaster, in dessen Folge sich die Handlungsebene der Tefroder entfaltet, war allerdings schon länger im Gespräch. Wobei der Expokrat persönlich jederzeit über lang ausgesponnene Zusammenhänge reden kann, und die Lösungen für aufgeworfene Rätsel kommen unweigerlich, wenn man lange genug weiterliest. Der Figur des Eistänzers wirft neue Rätsel auf, während die Milchstraßen-Skepsis der Tefroder niemanden überrascht.

© Pabel-Moewig 243 Bereits besprochen wurde »Der transuniversale Keil. Begegnung am Rand der Bleisphäre – sie erhalten eine Botschaft aus der Parallelwelt« (PR 3059) von Leo Lukas. Er ist der mittlere von drei Bänden, die aus der Ich-Perspektive verschiedener Protagonisten erzählt werden. Michelle Stern schrieb »Die Thesan und der Lordadmiral. Handelskarawane nach M 15 – eine unglaubliche Allianz entwickelt sich«. Von den genannten drei Romanen ist es sicherlich der charmanteste. Er bereitet eine persönliche Sichtweise auf das Problem des Black Hole vor, das im Folgeroman im Mittelpunkt steht. Am 17. April 2020 erschien »Die Dunkle Schwere. Ein Oxtorner im Einsatz – und im Kampf mit sich selbst« (PR 3061). Monkey ist wieder im Einsatz! Der Lordadmiral der USO, in seinem auf 4,8 Gravo geeichten Körper fast unverwundbar und durch seine Kameraaugen auch sichtbar vor jeder emotionalen Reaktion auf die Welt geschützt. Saessbekker, ein parabegabter Phersune, verschafft sich Kontrolle über die RATBER TOSTAN, um die Position der Milchstraße an den Advokaten der Kandidatin Phaatom verraten zu können. Phersunen sind Humanoide mit blassblauer Haut. Ihre grünen oder goldenen Stielaugen können sie ausfahren. Statt Augenbrauen schützen Knochenwülste vor herabtropfendem Schweiß, und ihre siebenfingerigen Hände haben zwei Daumen. Ihr auffälligstes Merkmal ist ein vom Hinterkopf abstehendes Knochengeweih. Wir sehen

244 auch hier: exotische Völker, bunte Schauplätze, riesige kosmische Zusammenhänge. Wer PERRY RHODAN einfach nur zum Spaß liest, wird gern auf die Perrypedia zurückgreifen. Da gibt es zu jedem Roman Übersichten zur Handlungsebene, zu den jeweiligen Völkern und zu den Protagonisten. Es mag der anstrengenden Zeit geschuldet sein und dem Gebrauch der ausgezeichneten Hörbücher von Eins A Medien: auch die Verfasserin dieser Kolumne benutzt die Perrypedia, um sich noch auszukennen. Den Genuss der Einzelromane behindert der Mangel an Überblick allerdings kaum, die funktionieren auch so.

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Ausblicke Es folgt ein zweiter Viererblock, diesmal verfasst von Susan Schwartz und Christian Montillon. Die Titel lauten »Zeut« (PR 3062) »Ceres« (PR 3063), »Ferrol« (PR 3064) und »Beteigeuze« (PR 3065). Laut Redaktionsseite spielen zwei davon im Dyoversum, die anderen beiden in einer neu einzuführenden Galaxie, und die Geschehnisse hängen mit der Situation in der Milchstraße zusammen. »Ferrol« handelt von einer Reise ins Wega-System und einer unbekannten Gefahr, die dort auf Topsider und Terraner wartet. Die müssen jetzt irgendwie miteinander zurechtkommen. Zur Erinnerung: im Dyoversum gibt es so etwas wie Eisblöcke im Hyperraum, was die überlichtschnelle Fortbewegung enorm erschwert. Alles ist neu und anders. »Beteigeuze« ist die direkte Fortsetzung. Es folgt ein Doppelband von Michael Marcus Thurner: Band 3066 trägt den Titel »Drangwäsche. Zwischenstopp auf einer langen Reise – ein Haluter tobt sich aus«. Dem folgt »Die Ägidenwelt. Er ist der Niemands-Konsul – er herrscht über ein ganzes Volk«. 33 Bände vor dem Zyklusfinale ist die Bühne voll, und viele Fragen sind offen.

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»Stalker« Ein großes Jubiläum kündigt sich an: Im September 1978 erschien zum ersten Mal eine Hardcover-Ausgabe. Nun kommt Band 150. Aktuell befindet sich die Aufarbeitung der Erstauflage bei den Heften um 1250 herum, also in der Mitte des »Chronofossilien«-Zyklus. Als Redakteurin des Newsletters der Perry Rhodan Fanzentrale konnte die Verfasserin dieser Kolumne im März ein kleines Interview mit Arndt Ellmer veröffentlichen, der

247 den titelgebenden Roman zum Silberband 149 »Der Einsame der Tiefe« (PR 1236) schrieb und »Unternehmen Quarantäneschirm« (PR 1255), das im Silberband 150 enthalten sein wird. Nach einer Zeit gesundheitlicher Probleme geht es dem langjährigen Betreuer der Leserkontaktseite, die vielen Lesern eine Anlaufstelle bot, wieder deutlich besser. Die Ursprungsromane wurden 1985 geschrieben, und das ist schon ganz schön lange her.

© Pabel-Moewig

»MISSION SOL« 248 Die zwölfbändige Miniserie PERRY RHODAN MISSION SOL, Kurztitel PRMS, erschien von Juni bis September 2019, und sie findet seit März 2020 eine Fortsetzung, erneut mit Kai Hirdt als Expokrat. In beiden Miniserien geht es um die Abenteuer des Generationenschiffs SOL, das seit längerer Zeit aus der Erstauflage verschwunden war, und zwar mit Rhodans Sohn Roi Danton an Bord. Es ging in PRMS 1 um die verschwundenen Kinder der SOL auf der Kosmokratenwelt Evolux und die Proto-Chaotische Zelle, einem Schlüsselobjekt in der Auseinandersetzung zwischen den Ordnungsmächten des Kosmos und denChaotarchen. Die gut durchkomponierten Titelbilder von PRMS 1 stammen von Dirk Schulz. PRMS 2 trägt den Arbeitstitel »Labyrinth«. Einige Protagonisten aus PRMS 1 werden weitergeführt, andere nicht. Mit den Titelbildern ist wieder Arndt Drechsler im Start. Aktuell sind neben dem Expokraten Madeleine Puljic, Olaf Brill, Hermann Ritter und Bernd Perplies als Autoren bekannt. Diesmal ist Gerechtigkeit ein Thema. Rhodan wird in Situationen geworfen, in denen er verschiedenen Wertesystemen gerecht werden muss, und nicht jedes entspricht dem, was er oder der Leser als gerecht empfindet. Aus der Interviewreihe der Verfasserin dieser Kolumne zu PRMS 1 entstand das E-Book »Mission Evolux«, das in freiem Download auf der Website der Perry Rhodan Online Community zur Verfügung steht. Die sich anschließende Interviewreihe läuft. (Link im Anschluss, Anm. d. Red.). 249 Interviewreihen zur Erstauflage und zu den Miniserien auf PROC. Das Zitat von Themsen ist im Interview 3058. https://www.proc.org

Erstauflage https://perry-rhodan.net/produkte/erstauflage

PERRY RHODAN NEO https://perry-rhodan.net/produkte/neo

Perrypedia https://www.perrypedia.de

250 PERRY RHODAN MISSION SOL 2 https://perry-rhodan.net/produkte/miniserien/mission-s ol-2

Mission Evolux https://www.proc.org/fan-publikationen/mission-evolux-ge spraeche-ueber-die-pr-miniserie-mission-sol/

»Ich hatte früher ein blaues Poster.«: Im Gespräch mit Hermann Ritter

Hermann Ritter, geboren 1965 in Darmstadt, ist seit drei Jahrzehnten in der Science-Fiction-Fanszene aktiv und dabei vor allem der PERRY RHODAN-Serie verbunden geblieben. Er veröffentlichte Artikel und Kurzgeschichten zu allen Bereichen der Fantasy und Science-Fiction, schrieb auch eine Reihe von Romanen und ein Sachbuch über Naturspiritualität. 15 Jahre lang stellte er alle vier Wochen die Clubnachrichten zusammen, eine Heftbeilage der PERRY RHODAN-Erstauflage. Nach Romanen für PERRY RHODAN-Action und die Tochterserie NEO schreibt der beruflich in der Sozialarbeit tätige Autor für die aktuelle Miniserie PERRY RHODAN MISSION SOL.

251 Das Gespräch mit der Redaktion des Corona Magazine führte Alexandra Trinley.

AT: Hermann, meine erste Frage gilt dem Corona Magazine selbst. Seit wann bist du mit seinem Werdegang verbunden?

HR: Ehrlich gesagt: Keine Ahnung. Irgendwie war ich »immer« für Fanzines tätig – seit 1982 oder so. Und mein Schwerpunkt ist nie richtig festgelegt, ich liefere halt, wenn ich Bock habe und veröffentlichen darf, wer zuerst kommt.

AT: Was sind die Eckpunkte deiner Beschäftigung mit der Phantastik?

HR: Ich lese. Ich schreibe. Oder andersherum: Ich bin kein Freund von Lesungen (ich selbst habe in meinem Leben 3 x aus meinen Werken gelesen und nicht eine Lesung von Autoren der Phantastik ganz überstanden), aber ich habe mit Kim Newman und George Effinger mal einen Abend in Leipzig getrunken, weil wir keine Lust auf das Programm hatten … Phantastik ist so das Rückgrat meiner ideellen Existenz.

252 AT: Könnte man sagen, du magst die Art von Leuten, die Phantastik machen?

HR: Richtig. Aber: Es gibt gute Autoren, die keine netten Unterhalter sind, und es gibt nette Unterhalter, die keine guten Autoren sind.

AT: In der Edition Roter Drache erschien vor drei Jahren dein Buch »Drei Dekaden. SciFi & Heidentum«. Ich habe da nun

253 seit einiger Zeit immer wieder drin herumgelesen, es enthält ja verschiedene Komponenten. Was ist der rote Faden?

HR: Das Vergehen der Zeit. Sonst gibt es keinen, ehrlich. Ich habe einfach alles zusammengeworfen, was mir in den drei Jahrzehnten in genannten Bereichen wichtig war (und einen Wiederabdruck lohnte).

AT: Ist der Verzicht auf ein von dir selbst ausformuliertes Ergebnis, das der Leser am Schluss davontragen kann in dem stolzen Gefühl, das Dargestellte jetzt intus zu haben – »denn was man schwarz auf weiß besitzt, kann man getrost nach Hause tragen«, wie der Schüler in Goethes Faust sagt –, für dich ein Merkmal des Heidentums?

HR: Äh, nein. Eher ein Merkmal des Ritterschen Nexialismus, vgl. hierzu den Perrypedia-Eintrag zu »Nexialist« (https://www.perrypedia.de/wiki/Nexialist). Ich interessiere mich für viele Dinge, drehe Steine am Wegesrand um und gucke, ob Salamander darunter sitzen. Über die Dinge, die ich sehe oder wahrnehme berichte ich seit 20 Jahren wöchentlich auf homomagi.de – ein Blog, bevor es den Begriff gab.

AT: 254 Viel Platz nimmt deine Beschäftigung mit der nordischen Mythologie ein. Als Sozialarbeiter ist dir sicher vertraut, in welch hohem Maße sie von rechtsextrem-völkischen Gruppierungen vereinnahmt wurden. Was ist der Unterschied zwischen deren Zugang und deinem Zugang?

HR: Mir ist das völlig klar, deswegen habe ich genau über dieses Thema mehrfach geschrieben und gesprochen. Ein Rittersches Bonmot ist: »Lagerfeuer, Lieder zur Gitarre und Fahnen sind Teil unseres Erbes – und ich denke nicht daran, sie den Nazis zu überlassen!« Realistisch waren die politisch wichtigen Nazis im III. Reich Christen, darunter war kein praktizierender Heide. Ich bin mit einem »germanischen Mythenmix« groß geworden. Meine Oma lauschte ernsthaft nach der Wilden Jagd, mein Geburtsort liegt im Odenwald, aufgewachsen bin ich unter dem Frankenstein, nicht weit vom Rodenstein, der Siegfriedquelle und anderen Orten des Nibelungenliedes. Ich habe nur lange gebraucht, um das »wiederzufinden« in mir. Und abschließend: ich würde nicht nordisch sagen, eher germanisch. Wortklauberei, aber wichtig.

AT: Spätestens wenn man sich mit der Epoche der Völkerwanderung beschäftigt hat, kann man das Germanische nicht völkisch sehen. Hast du den alten Schinken von Felix Dahn noch gelesen?

255 HR: Nein. Glück gehabt …

AT: Ich nenne dir Stichworte aus deinem Buch und du erklärst sie in wenigen Worten. Gustav Meyrink.

HR: Er war hüben und drüben ein lebendiger Mensch.

AT: Zaubern ohne Gott.

HR: Sex ohne Partner.

AT: Hexenrituale.

HR: Viel zu oft Frauen in erdfarbenen Kleidern, die gegen den Imperialismus kämpfen wollen.

AT: Asatru.

HR: Schlechter Begriff für germanisches Heidentum, aber weit verbreitet. 256 AT: Gygax.

HR: Sicherlich einer von den 20 Menschen, die mein Leben am meisten beeinflusst haben.

AT: UFOs.

HR: Projektionen unserer Hoffnung durch Rettung aus dem All.

AT: Tibet.

HR: Sicherlich nicht der letzte Rückzugsort der Arier.

AT: Das »Heidnische Jahrbuch«.

HR: Eingestelltes Werk, mit dem ich viel Spaß hatte.

AT:

257 Das könnten wir jetzt eine Weile so weitermachen. Dein Buch enthält ja ziemlich viele Begriffe. Es ist schon irre, wie viel Zeugs sich ansammeln kann auf 366 Seiten. Sprechen wir über etwas Übersichtlicheres: PERRY RHODAN.

HR: Gerne. Wobei ich das »übersichtlich« bei PERRY RHODAN eher anders sehe als du …

AT: Es war ironisch gemeint. Du hast lange Zeit die »Clubnachrichten« gemacht. Welche Funktion hatte diese Heftbeilage?

HR: Kommunikation der Fans, Verknüpfung, Kennenlernen, soziales Leben … alles schöne Dinge.

AT: Du hast zwei STELLARIS-Geschichten geschrieben, Nr. 5 in PR 2438 und Nr. 71 in PR 3038. Hat sich der Stil dieser kleinen Geschichten um den terranischen Zivilfrachter in diesen elf Jahren verändert?

HR: Ja, sie sind professioneller geworden.

AT:

258 Für PERRY RHODAN NEO hast du vier Romane geschrieben, der letzte war Band 56. Dann nichts mehr. Warum?

HR: Ich war mit der Richtung, in die die Serie ging, nicht mehr konform – da muss man dann konsequent sagen, dass man da nicht weiterschreiben will. Aber ich habe zwei Kurzgeschichten dazu geliefert …

AT: Dann kam 2019 der Band 6 der Miniserie MISSION SOL. Die bezieht sich auf die Erstauflage. War das schwerer als NEO oder anders?

HR: Ja und nein. NEO war jung und neu, die SOL hingegen ist ein Standard im Perryversum.

AT: Aktuell läuft die Fortsetzung, PERRY RHODAN MISSION SOL 2. Du schreibst wieder etwas?

HR: Ja, ich bin in 2 Wochen mit meinem Band am Kiosk – cooles Cover, bin neugierig auf die Reaktionen.

AT: Warum übt die SOL eine derartige Faszination aus? 259 HR: Ich hatte die früher als blaues Poster aus einem PRM (Perry Rhodan Magazin, Anm. d. Red.)) über dem Bett hängen. Noch Fragen?

AT: Ich glaube, das hatte ich auch. Die Schriftstellerei ist nicht dein Brotberuf. Planst du trotzdem weitere eigene Werke?

HR: Ja. Tue ich ja seit Jahrzehnten … und veröffentliche sie auch. Im Moment hat mir der »Virus des Todes« ein paar »Auftritte« genommen, aber die Hoffnung stirbt zuletzt.

AT: Vervollständige den Satz: Menschen, die nicht träumen …

HR: … haben verloren.

AT: Danke für das Gespräch.

260 © Pabel-Moewig

Hermann Ritters Homepage http://www.hermannritter.de/index.php?title=Hauptseite

Mehr zu PERRY RHODAN MISSION SOL 4 https://perry-rhodan.net/shop/item/9999900005332/mi ssion-sol-2020-4-im-spharenlabyrinth-von-hermann-ritter-h eft

261 Comic-Kolumne: Replikanten, Ritter und Kondome von Uwe Anton

Genau das hat uns gefehlt! In diesen einsamen Zeiten der Krise muss man zusammenhalten und sich auf die Dinge besinnen, die wirklich wichtig sind. Für den Splitter-Verlag sind das an erster Stelle Comics. Danach kommt für längere Zeit nichts. Aber pünktlich zum 1. April präsentierte der Verlag voller Stolz das Produkt zahlloser Sitzungen der letzten Woche: Die Splitter-Toilettenpapierkollektion Frühjahr 2020 Fripa Corona!

262 Das Splitter-Toilettenpapier vereint folgende Eigenschaften zu einem sanitären Erlebnis der Extraklasse: dreilagiges Komfortpapier in echter Splitter-Qualität; matt lackierte, kratzfeste Oberfläche, die jeder Beanspruchung standhält; absolut abriebfreier Vierfarbdruck; beidseitig bedruckt für doppeltes Vergnügen; mit Motiven aus fünf beliebten Comic-Reihen (Die Schiffbrüchigen von Yk*ck, Klonan der Cimmerier, Black Slammer, Eklo – Keramikwelt, Die alten K*cker) zum Sammeln und Tauschen; optionale Lieferung im Einschweißfolien-Schuber (für Sammler!). Und es besteht zu 100% aus Recyclingpapier, das aus Feuilleton-Verrissen von Comicalben gewonnen wird!

»Aufgrund der hohen Nachfrage nach derartigen Artikeln«, so der Verlag, »kann eine Lieferung über den 1. April 2020 hinaus leider nicht garantiert werden. Greifen Sie zu,

263 solange der Vorrat reicht! Und sollten Sie mit der Leistung unseres 1A-Top-Produktes nicht zufrieden sein, greift selbstverständlich die übliche Splitter-Umtauschgarantie: Sie senden uns unbürokratisch ein Bild des ›Problemfalls‹ – wir senden umgehend Ersatz!« Endlich einmal ein Comic-Produkt, das zur derzeitigen Krisenbewältigung beiträgt! Krisenbewältigung einer ganz anderen Art muss Aahna Ashina betreiben, kurz Ash. Sie ist ein Blade Runner, einer jener KopfgeldjägerInnen, die legal jene Replikanten töten dürfen, die man nicht von Menschen unterscheiden kann und die sich illegal auf der Erde aufhalten. Allerdings hat Ash genug eigene Probleme: Zum einen haben die Blade Runner so gute Arbeit geleistet, dass geeignete Todeskandidaten mittlerweile extrem knapp werden, zum anderen kann sie ihrer Arbeit nur mit Hilfe eines Rückenimplantats nachgehen, hat also – ein guter Schachzug der Verfasser – den Anfangs des Wegs zur künstlichen Existenz bereits beschritten. Um die enormen Kosten zu decken, bestreitet sie ihren Lebensunterhalt auch mit dem Verkauf gewisser Replikantenorgane. Benny, der Replikant, den sie am Anfang der Geschichte gestellt hat, macht ihr jedoch einen Strich durch die Rechnung, indem er sich die Augen aussticht, mit denen sie ausgesorgt gehabt hätte. Ash sieht sich gezwungen, einen Auftrag anzunehmen, der eigentlich nicht ganz in ihr Metier fällt. Sie soll für den (einfluss)reichen Selwyn dessen Frau Isabel samt Tochter Cleo finden, die nach dem Besuch einer Geburtstagsfeier der kleinen Lydia Tyrell verschwunden 264 sind. (Bei diesem Namen klingeln natürlich die Glocken.) Jeder Vater sieht sein Kind als etwas Besonderes an, aber Selwyn erklärt schon ganz am Anfang: »Aber meine Tochter ist wirklich außergewöhnlich. Auf eine Art, die nur Wenige begreifen.« Recht hat er mit seinem geheimen Wissen. Ash beginnt ihre Ermittlungen nicht dort, wo die offiziellen Stellen aktiv werden würden, sondern in der Gosse, in der sie sich bestens auskennt. Es ist schon beeindruckend, wie gut der spanische Zeichner Andrés Guinaldo die Straßen der Welt der Blade Runner in Szene setzt. Da fühlt man sich Seite für Seite in den Film versetzt. Der Dauerregen, die Reklametafeln, die Massenszenen – hier hat jemand das Original verinnerlicht. Kein Wunder: Texter Michael Green muss es sehr gut kennen, ist er doch gemeinsam mit Veteran Hampton Fancher Verfasser des Drehbuchs der Film-Fortsetzung Blade Runner 2049. Michael Green und Co-Autor Mike Johnson haben gut daran getan, die Rolle ihrer Hauptperson mit einer Frau zu besetzen. Jeder männliche Blade Runner wäre unweigerlich mit dem Original verglichen worden, mit Harrison Ford. Doch nicht dessen Geschichte soll hier wiederholt, sondern vielmehr eine neue erzählt werden, wenn auch in einem gewissen vertrauten Rahmen. Green und Johnson wollen den Spinner nicht neu erfinden, bewegen sich durchaus auf eingefahrenen Gleisen, nutzen das Instrumentarium, das die Welt von Blade Runner ihnen bietet, stellen nicht die ganz großen Fragen, lassen Rick Deckard und Roy Batty keine endlosen Monologe über die Schulter des Orion und das 265 führen, was einen Menschen ausmacht, zweifeln das Replikantentum nicht an. Doch einige Überraschungen halten sie auch parat. Selwyns Frau entpuppt sich als hochwertiger Replikant, und das Genom seiner Tochter ist der Schlüssel zur Langlebigkeit von Replikanten. Kein Wunder, dass sie von allen gejagt wird, die von ihrer Existenz wissen. Zum Showdown trifft man sich an einem Strand in Mexiko, wo zahlreiche Replikanten eine Kolonie gebildet haben und friedlich zusammenleben, eine weitere Überraschung der Erzählung … Die deutsche Albenausgabe im US-Heftformat umfasst die ersten vier Hefte der Serie und präsentiert umfangreiches Zusatzmaterial, von einer Cover-Galerie bis hin zu einem Interview mit dem Zeichner. Sie ist eine sorgfältige Übernahme der amerikanischen Ausgabe und beweist, dass auch nach zwei Filmen längst noch nicht alle Geschichten aus der Welt von Blade Runner erzählt sind. Der Band macht Lust auf mehr, und dieser Wunsch wird erfüllt: Bislang sind insgesamt drei Vierteiler der Serie angekündigt, die in kurzem Abstand nacheinander erscheinen werden. Der zweite steht bereits kurz vor dem Abschluss. Grant Morrison hat es noch drauf. Gemeinsam mit dem Zeichner Liam Sharp hat er sich die DC-Ikone Green Lantern vorgenommen und sie … nein, weniger zu den Ursprüngen zurückgeführt als gewaltig umgekrempelt. Die Ursprünge lagen dem Namen nach zwar im Weltraum, auf dem Planeten Oa, der Heimat der Wächter, die ihm den Energiering verliehen, von dem er seine Superkraft 266 bekommt. Doch dieser Streiter aus der zweiten Garde des DC-Universums – die erste bilden natürlich Superman, Batman und Wonder Woman – war nur in zweiter Linie ein »kosmischer« Held, erlebte seine wichtigsten und bedeutendsten Abenteuer immer auf der Erde, wie zum Beispiel die klassischen Hefte von Denny O'Neil und Neal Adams aufzeigen, die zum Besten gehören, was jemals beim amerikanischen Verlag DC erschienen ist. Sie packten grundlegende Themen wie Drogensucht, Umweltzerstörung und Überbevölkerung an, auch wenn Hal Jordan in seiner Identität als Green Lantern gemeinsam mit seinem mittlerweile aus dem TV bekannten Kumpel Green Arrow gelegentlich in die Fernen des Alls hinauszog. Green Lantern (das hört sich besser an als die früheren deutschen Bezeichnungen »Grüne Leuchte« oder »Grüne Laterne«) war stets ein Superheld, kein Science Fiction-Akteur, und trat zumeist in mal mehr, mal weniger phantasievollen Abenteuern gegen die bekannte Riege der Superschurken an. Die spielen zwar auch jetzt noch eine Rolle, doch das alte Konzept hat Grant Morrison eigentlich über den Haufen geworfen. Der erste Band zeigt Green Lanterns Kollegen aus dem Korps der Wächter von Oa schon auf der ersten Seite in einer kosmischen Auseinandersetzung. (Hal Jordan ist für den Sektor 2814 aktiv, in dem die Erde liegt, aber der Kosmos ist ja groß, und es gibt eine ganze Menge dieser Sektoren und damit Streiter für die Gerechtigkeit.) Hal Jordan hampelt derweil noch auf der Erde herum, entdeckt einen getarnten Außerirdischen und wird von den Wächtern 267 alarmiert. Natürlich hängen diese Fälle zusammen, und Hal Jordan tritt seine Rolle als »Kosmo-Sheriff« an. Und zieht sie bei Grant Morrison konsequent durch. Jordan kommt einer intergalaktischen Verschwörung auf die Spur, deren Fäden ein Verräter aus dem Korps zieht. Als Superheld tritt er natürlich für Gesetz und Ordnung ein, aber Hal Jordan tut dies nun konsequent auf fernen Welten. Er bekommt es mit intelligenten Spinnenwesen zu tun. (»Ihr findet Menschen abstoßend. Dieser widerwärtige Eindruck amputierter Gliedmaßen, diese furchtbaren geleeartigen Augen in den Knochenhöhlen …«) Die Erde wird entführt und versteigert (!). Hal scheint die Seiten zu wechseln, als die altbekannten Blackstars ihm ein unwiderstehlich anmutendes Angebot machen. Er muss gegen seinen alten Freund Adam Strange antreten, ebenfalls eine Art SF-Superheld vom Planeten Rann, und es verschlägt ihn sogar in eine phantastische Welt innerhalb seines Energierings. Nur allmählich zeichnen sich die Hintergründe ab: die Blackstars haben eine ultimative Vernichtungsmaschine geschaffen, eine Antimaterie-Lantern! Der Vorstoß ins Antimaterieuniversum setzt dem (im zweiten Band) dann die Krone auf: Die Wirklichkeit wird verzerrt und löst sich auf, und Hal Jordan findet sich in einer Welt wieder, die direkt dem Albtraum eines Philip K. Dick entsprungen sein könnte … Morrison nutzt den gesamten Fundus der bisherigen Green Lantern-Geschichten, greift tief in die Klamottenkiste und zieht Charaktere hervor, die der gelegentliche Leser schon längst vergessen hat, wenn er sie überhaupt je 268 gekannt hat. Er hämmert daraus eine so phantasievolle, clevere Story zusammen, dass man den Hut ziehen muss. Er ist ein äußerst belesener Autor, der zahlreiche Anspielungen in seinen Text einbaut, etwa ein Hospitalschiff, das er nach den Erzählungen und Romanen des englischen SF-Autors James White Sector General nennt, oder eine Green Lantern, die vor einem modernen abstrakten Gemälde steht und fragt: »Ist das Bild von Neal Adams?« Die Geschichte ist wahrlich kein leichter Tobak; sie ist hoch über den bisherigen Green Lantern- und den gängigen Superhelden-Stories angesiedelt und fordert dem Leser einiges ab. Man muss bereit sein, sich auf Morrisons wuchernden Einfallsreichtum einzulassen und ihm konzentriert zu folgen, will man den größten Genuss aus den Bänden ziehen – oder sie in ihrer Gesamtheit überhaupt nur verstehen. Liam Sharps Zeichnungen sind kongenial. Mit unglaublich sicherem Strich setzt er die Abenteuer in Szene und trägt das Seine dazu bei, Morrisons mitunter bizarre Einfälle grafisch zu erfassen. Auch er erweist den großen Vorbildern Respekt, wenn manche Einzelbilder aussehen, vor allem Darstellungen von Hal Jordans Gesicht, als hätte oben erwähnter Neal Adams sie gezeichnet. Das soll nicht heißen, dass er ein Adams-Klon ist, ganz im Gegenteil. Er bliebt eigenständig, konzentriert sich auf seine Stärken, präsentiert unglaublich beeindruckende Seiten mit einer phantasievollen Panelaufteilung und Aliens, wie man sie noch nie im amerikanischen Comic gesehen hat. Besondere Erwähnung sollte auch der Kolorist Steve Oliff finden, der 269 gemeinsam mit Sharp vor allem den Welten innerhalb des Energierings durch die Farbgebung eine beeindruckende Identität verleiht. Unbedingt mal ansehen! Liam Sharp ist übrigens ein wesentlich besserer Zeichner als Autor, wie der Band Batman und Wonder Woman: Der Ritter und die Prinzessin beweist, den Sharp selbst schrieb. Der 1968 in Derby geborene Brite, der am Anfang seiner Karriere ein Jahr lang als Assistent von Don Lawrence wirkte und an Storm mitwirkte, arbeitete danach für das britische Comic-Magazin 2000 AD, bevor er auf dem amerikanischen Markt zuerst für Marvel, dann auch für DC und kleinere Verlage tätig wurde. Batman und Wonder Woman: Der Ritter und die Prinzessin trägt im Original den Titel Brave and the Bold: Batman and Wonder Woman, und das aus gutem Grund. Brave and the Bold (frei mit »Die Mutigen und die Kühnen« zu übersetzen) war eine amerikanische Comic-Reihe, die 1955 gestartet (und 1983 eingestellt) wurde. Zuerst wurden darin neue Helden und Konzepte getestet, dann wurde sie zum »Team-up« umgewandelt, in dem immer zwei Helden gemeinsam agierten. Schließlich wurde Batman der Dauerheld, der immer mit einem jeweils anderen Kollegen im Team gegen böse Superschurken vorging. Sharp greift dieses Konzept auf und stellt in der abgeschlossenen sechsbändigen Miniserie die Amazone Wonder Woman an Batmans Seite. Heimatverbunden widmet er sich einem Konzept, das seiner näheren Umgebung entstammt. Dem irischen Feenvolk der 270 sogenannten Anderswelt droht ein Krieg, und die Feen bitten Wonder Woman um Hilfe. Da sich im Feenreich ein Mord ereignet hat, braucht unsere Heldin einen Detektiv, um diesen aufzuklären. So kommt Batman ins Spiel, der seinerseits gerade im Irish Quarter, also im irischen Viertel von Gotham, einer kleinen Schweinerei auf der Spur ist. Das ist natürlich kein Zufall, und das Team Batman und Wonder Woman legt los … Die Zeichnungen sind zwar geradezu opulent, und zahlreiche ganzseitige Illustrationen laden zum optischen Schwelgen ein, doch die Story funktioniert von vorn bis hinten nicht. Schon der Übergang ins Feenreich Tir Na Nog vollzieht sich zäh und schleppend, und danach wirken Wonder Woman und vor allem Batman wie Fremdkörper in einer Geschichte, die besser ohne sie erzählt worden wäre. Zuckersüße Fantasy-Romantik kämpft bei aller Brutalität der Geschichte unterschwellig gegen die dunklen Gassen von Gotham an, und beide finden niemals zueinander. Wonder Woman ist in dieser Welt zwar ein wenig besser aufgehoben, muss sich aber auch der Erwartungshaltung unterwerfen und taumelt, weder Fisch noch Fleisch, verloren durch die Handlung. Man könnte den Eindruck haben, dass Sharp entweder die Sagenwelt seiner Heimat einem größeren Publikum näherbringen wollte und sich dafür der Krücken Batman und Wonder Woman bedienen musste, weil er sonst keinen Abnehmer für sein Werk gefunden hätte, oder verzweifelt nach irgendeinem Thema gesucht hat, mit dem er diese beiden Superhelden gemeinsam agieren lassen konnte. Wie dem auch sei, es 271 ächzt und krächzt an allen Enden, und Batman schaut so oft verdrossen drein, dass man meinen könnte, ihm sei klar, dass er in diesem Reich der keltischen Elfen, Kobolde und Götter nicht das Geringste verloren hat. Comics stellen eine Synthese aus Wort und Bild dar, und die Bilder vermögen hier vollauf zu überzeugen, doch die Worte können das nicht einmal annähernd. »Mythische Fantasy trifft auf Superhelden-Krimi«: Dieses Konzept ist gescheitert, zwar glorreich, aber trotzdem. Ein »Money Shot« bezeichnet »eine kostspielige und/oder besonders spektakuläre, kommerziellen Erfolg versprechende Aufnahme bei Film- und Fernsehproduktionen sowie im Fotojournalismus«, erklärt die Wikipedia den Begriff. Und verschweigt nicht, dass bei (heterosexuellen) Pornofilmen damit jene Einstellung gemeint ist, in der der männliche Darsteller als Höhepunkt einer Szene sein Sperma auf die Partnerin spritzt, mit Vorliebe auf ihr Gesicht. Wenn man das Cover des ersten Sammelbandes der gleichnamigen Comic-Serie des Verlags Vault betrachtet, auf dem fünf mehr oder weniger leicht bekleidete Personen eine große Gurke, die keine Gurke ist, und einige Kondome aus dem Bullauge eines Raumschiffs werfen, kann man sich mühelos denken, auf welche Bedeutung des Begriffs der Titel abzielt. Nein, wir begeben uns hier nicht in die tiefsten Niederungen der liederlichen Lüsternheit. Money Shot ist schließlich eine amerikanische Serie der Autoren Tim Seeley und Sarah Beattie, die auch als Schauspielerin bekannt ist, und die Amerikaner sind ja reinen Herzens (wenn sie nicht 272 gerade Pornofilme produzieren). Die Ausgangslage der von Rebekah Isaacs zeichnerisch in Szene gesetzten Serie ist mehr als nur hinlänglich geläufig. 2027 nehmen Aliens mit der Erde Kontakt auf, wenden sich aber, so wird zumindest impliziert, voller Grausen wieder ab, als sie sehen, mit wem sie es da zu tun bekommen haben. Aber sie lassen der Menschheit zumindest etwas Technologie zurück. Ein paar Jahre später kommt die geschäftstüchtige Christina Ocampo auf die Idee, ein wenig Geld zu machen. Pornos verkaufen sich eigentlich immer, aber Pornos mit Außerirdischen … das müsste doch der Hammer sein! Zuerst ziert sich ihr Team aus zwei Männlein und zwei Weiblein noch ein wenig, aber dann lässt es sich überreden, Ocampo in einem Raumschiff ins All zu begleiten, dorthin, wo noch kein Mensch gewesen ist und wo es vor allem noch kein Mensch getrieben hat. Ob es nun blaue Fischmenschen sind, die Ocampo ordentlich einheizen, der einzige lebende Meister der Podna Megra-Technik, dessen Testikel so gewaltig sind, dass er sie sich auf den Rücken werfen muss, um sich bewegen zu können, oder gar sexy blaue Tentakelwesen, deren Großvater der Gott Cthulhu sein könnte, Christina und ihr Team machen sich mit zunehmender Begeisterung ans Werk. Nur um festzustellen, dass so ein intimer Kontakt mit Aliens noch viel komplizierter ist als ein Kontakt an sich – und dass Sex überhaupt auch sehr kompliziert ist, vor allem, wenn man die zwischenmenschliche Komponente berücksichtigt und sich nicht nur mit den willigen Außerirdischen, sondern

273 auch innerhalb des Teams in dieser Hinsicht so einiges tut, das nicht unbedingt eingeplant war … Die Autoren (immerhin kann eine Frau ihrem sicher rein triebgesteuerten Chauvi-Kollegen ein wenig entgegenwirken und der Sache eine gewisse Tiefe verleihen, auch wenn es nun wirklich nicht auf die Größe ankommt) und die Zeichnerin (nicht auszudenken, wenn ein Mann diese kruden Wunschvorstellungen grafisch umgesetzt hätte) handhaben diese Beziehungskisten mit leichtem Strich und leichter Feder, wahren die nötige ironische Distanz und erzählen ganz nebenbei eine Geschichte, die auch noch funktioniert. Nicht nur bei den amourösen Begegnungen mit Außerirdischen, auch bei den Ideen, dem Spannungsaufbau und den Lösungsvorschlägen. Anders kann man so eine Geschichte auch nicht erzählen, wenn man nicht direkt einen mitreißenden Pornocomic publizieren möchte. Für europäische Verhältnisse ist Money Shot zwar immer noch originell, aber eher zurückhaltend, also nicht sehr gewagt. Bei den prüden (wenn sie nicht gerade Pornofilme produzieren) Amerikanern mag das schon ganz anders aussehen. Da könnte so eine Serie schon für einiges Aufsehen sorgen. Sollte das amerikanische Comic-Book etwa erwachsen werden? Noch ein Band, der Lust auf mehr macht. Und wenn wir auf der letzten Seite den blonden Prachtamerikaner sehen, der die niedlichen rot- und grünhäutigen Alienmädels in ihren US-Flagge-Bikinihöschen der Marke »Arsch frisst Hose« abschleppt und grinsend »Two is always better than one!« verkündet, können wir vielleicht darauf hoffen, dass 274 diese Lust bald erfüllt wird. Mit einem weiteren Money Shot, wenn auch nicht mitten aufs Gesicht.

Michael Green, Mike Johnson, Andrés Guinaldo Blade Runner 2019 Band 1 Panini, Stuttgart 2020, unpaginiert, 15.00 €

Grant Morrison, Liam Sharp Green Lantern Band 1, Band 2 Panini, Stuttgart 2019/2020, unpaginiert (152/176 S.), jeweils 16.99 €

Liam Sharp Batman und Wonder Woman: Der Ritter und die Prinzessin Panini, Stuttgart 2019, unpaginiert (148 S.), 16.99 €

Tim Seeley, Sarah Beattie, Rebekah Isaacs Money Shot Band 1 Vault Comics, Maryland/Montana 2020, unpaginiert (160 S.), $ 17.99

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276 Inspiriert von russischen Mythen und rauer Wintermagie: Der Fantasy-Roman Der Bär und die Nachtigall

Das eindrucksvolle Erstlingswerk von Katherine Arden ist im Heyne Verlag erschienen und erzählt die magische Geschichte einer unwiderstehlichen Heldin.

Von Birgit Schwenger

Es war einmal vor langer, langer Zeit weit im Norden von Rus, als dem Landadeligen Pjotr Wladimirowitsch in einer klirrend kalten Novembernacht ein kleines Mädchen mit wilden schwarzen Haaren und stechend grünen Augen geboren wird. Da Pjotrs Frau Marina, von der gemunkelt wird, dass ihre Mutter eine Hexe war, bei der Geburt stirbt, 277 wird das Mädchen Wasja von der alten Amme Dunja großgezogen. Diese liebt es den Kindern abends am Feuer Geschichten aus längst vergangenen Zeiten zu erzählen, Geschichten voller Magie, vom Feuervogel und Morosko, dem Winterkönig. So wächst die kaum zu bändigende Wasja in einer Welt voller Magie und Märchen auf, die für sie Realität sind. Denn im Gegensatz zu allen anderen kann sie tatsächlich die alten Hausgeister und Dämonen sehen, die die Wälder und ihre Hofstatt bevölkern und diese, so wie der Domowoi, der für das Wohlergehen von Haus und Hof zuständig ist, oder der Wasila, der in der Scheune lebt und sich um die Pferde kümmert, beschützen. Ein ums andere Mal bewahrt Wasila, die nach Meinung der Leute mehr und mehr verwildert, die Dorfbewohner und ihre Familie auch vor den Dämonen des Waldes, wie der Rusalka, die als Nymphe ahnungslosen Menschen auflauert, um sie zu fressen, oder dem Wodianoj, dem Flusskönig, der die jungen Mädchen in sein Unterwasserschloss locken will.

278 © Katherine Arden

Die Geschichte einer unwiderstehlichen Heldin Für Wasja sind all diese Wesen Teil ihrer Welt und ihre Verbindung zu ihnen erscheint ihr als nichts Ungewöhnliches – bis sie begreift, dass sich die Menschen immer mehr von den alten Geistern abwenden und den christlichen Lehren des Priesters Konstantin folgen, der aus Moskau geschickt worden ist. Konstantin beschwört die Leute, ihren alten Geistern abzuschwören und sich vollständig Gott zu ergeben. Als das Dorf daraufhin von harten Wintern, Hungersnöten und Feuersbrünsten

279 heimgesucht wird, mehren sich die Stimmen, die Wasja die Schuld dafür geben. Doch das Mädchen lässt sich nicht unterkriegen: Sie stemmt sich gegen die alten Traditionen und begehrt gegen ihr Schicksal auf. Sie ist die einzige, die sich noch gegen das Böse, das im Wald lauert, zur Wehr setzt. Als schließlich der Winterkönig erscheint und sie in sein Reich führt, begreift sie, welche Gefahr ihrem Dorf und ihrer Familie droht.

Mit ihrem Debütroman Der Bär und die Nachtigall, im Original bereits 2017 erschienen, ist der Schriftstellerin ein großer Wurf gelungen. Inspiriert von alten Mythen und der Kraft der Wintermagie erzählt sie in dem wundervoll erzählten Fantasy-Roman die Geschichte einer jungen Heldin, die weder schön noch besonders beliebt ist, aber bereit ist, ihre Familie und ihre Heimat um jeden Preis zu beschützen. Durch das Vermächtnis ihrer Mutter verfügt sie über eine Verbindung zur Anderswelt, zur Welt der Geister und Dämonen. Sie kann dem Winterkönig Morosko in sein Reich zu folgen, wo die Zeit anders vergeht als bei den Menschen. Morosko gibt ihr ein Pferd, dass sie mit seiner Schnelligkeit bis ans Ende der Welt zu tragen vermag. Durch ihn lernt sie die Wintermagie kennen und lernt eine neue Welt kennen. Eine Welt, in der Geschichte und Legenden nebeneinander her existieren. Aber es ist kein friedliches Miteinander, denn gegensätzliche Mächte ringen um die Vorherrschaft über die Menschen.

280 © Heyne / Katherine Arden

Fantasy vor historischer Kulisse Auf den ersten Blick scheint die Erzählung recht einfach gestrickt zu sein, doch das täuscht: Arden beschäftigt sich sowohl mit der (historischen) Rolle der Frauen zur damaligen Zeit, als auch mit der Frage, wie Menschen sich verhalten, die von Furcht und Unwissenheit angetrieben werden – beides auch heute noch sehr aktuelle und komplexe Themen. Arden hat französische und russische Literatur studiert, ihre Faszination für russische Kultur und Geschichte reicht bis in ihre Kindheit zurück. Die Geschichte 281 des Romans spielt im 13. Jahrhundert im der Reich der Rus, ein ursprünglich aus Skandinavien stammendes Volk, das im 9. Jahrhundert zu herrschenden Dynastie in den Gebieten der heutigen Ukraine, Weißrussland und dem westlichen Russland wurde. Ihre Gefolgschaft schworen die Rus mongolischen Fürsten. Arden erzählt ihre Geschichte vor dem Hintergrund realer historischer Ereignisse und Figuren, verwendet dazu aber eine märchengleiche Form sowie eine äußerst poetische Sprache. Die Erzählung fließt nur so dahin und zieht die Leser von der ersten Seite an ihren Bann.

Fortsetzung folgt Der Bär und die Nachtigall wurde für den Locus Award und den für den John W. Campbell Award for Best New Writer nominiert, bei beiden Preisen kam der Roman in die finale Ausscheidungsrunde. Die deutsche Taschenbuchausgabe im Klappenbroschur, die ein wundervolles Umschlagsmotiv ziert, direkt wie aus einem russischen Märchen entstiegen, ist im Oktober 2019 erschienen. 430 Seiten stark ist Ardens Buch ein wahrer Fantasy-Schmöker, aber durchaus nicht nur für dunkle Winterabende. Die beiden Folgebände The Girl in the Tower und The Winter of the Witch, die die Winternight-Trilogie beschließen, sind auf Englisch bereits erschienen, auf Deutsch steht leider noch kein Erscheinungstermin für Band 2 und 3 fest.

Weiterführende Links:

282 https://www.amazon.de/Bär-die-Nachtigall-Roman/dp/345 3320034/ https://www.amazon.de/Bear-Nightingale-Winternight-Trilo gy/dp/1785031058/ https://www.amazon.de/Girl-Tower-Winternight-Trilogy/dp/ 1785031074/ https://www.amazon.de/Winter-Witch-Winternight-Trilogy/ dp/1785039733/

283 Werbung

284 Kurzgeschichte des Monats

Liebe Kurzgeschichten-Freunde,

Platz eins unserer Themenrunde »Freiheit« hat sich eine Newcomerin im Corona Magazine gesichert: Annie Waye mit ihrer Story »Natura Morta«. Dazu herzlichen Glückwunsch und allen Autoren wie immer ein dickes Dankeschön fürs Mitmachen. Allen Lesern wünschen wir natürlich wieder viel Vergnügen bei der Lektüre und freuen uns genauso wie unsere Autoren über Rückmeldungen – ob per E-Mail oder in unserem Forum unter dem Dach des SF-Netzwerks (www.sf-netzwerk.de). Die nächsten Themen unseres regelmäßigen Story-Wettbewerbs lauten »Narren« (Einsendeschluss: 1. November 2020) und »Alle Wege führen nach Rom« (Einsendeschluss: 1. März 2021). Wer Interesse hat, sich mit einer bislang unveröffentlichten Kurzgeschichte (Science Fiction, Fantasy, Horror, Phantastik – keine Fan-Fiction) zu beteiligen, die einen Umfang von 20.000 Zeichen nicht überschreitet, schickt seine Story (möglichst als rtf-Datei, bitte auf keinen Fall als pdf) rechtzeitig per E-Mail an die Kurzgeschichten-Redaktion, die unter [email protected] zu erreichen ist. Die nach Meinung der Jury (meistens) drei besten Geschichten werden im Corona Magazine veröffentlicht. Armin Rößler

285 Annie Waye: Natura Morta

Der zarte Klang von Meeresrauschen erweckte mich aus meinem Schlaf. Das fröhliche Schnattern der Möwen vermischte sich mit dem Lachen der Kinder, die am naheliegenden Strand spielten. Die Sonne brannte warm auf meiner Haut, und der Wind kitzelte mein Gesicht. Sogleich schlug mein Herz noch ein wenig freudiger, als ich mich daran erinnerte, wo ich war. Im Meer. Zu Hause. Mein Name war Marina. Ich war eine Nixe, die schon seit ihrer Geburt unter der Wasseroberfläche lebte. Das Meer umschloss mich und füllte mich aus, gab mir Herausforderung und Entspannung, eine Suche und einen Sinn. Niemand könnte sich seines Lebens glücklicher schätzen als ich. Das glaubte ich zu diesem Zeitpunkt noch. Ich erhob mich aus der Nässe und blickte zum Ufer hinüber, an dem sich viele Menschen tummelten, um diesen wundervollen Morgen zu genießen. Ein paar Vögel schossen dicht an das Meer heran, manche von ihnen stießen Hals über Kopf hinein, um sich dann Sekundenbruchteile später mit ihrer Beute wieder daraus zu erheben. Das alles hier war so wunderschön. Alles war wie immer. Zumindest dachte ich das. Ich runzelte die Stirn. Die ganze Umgebung, die vielen Gesichter, das Leben um mich herum kam mir so unglaublich bekannt vor. Ich fühlte mich so heimisch, als 286 hätte ich jeden vergangenen Tag genau hier an dieser Stelle verbracht – mit Familie, Freunden und einfach allem, was ich brauchte. Aber ich konnte mich an nichts erinnern. Verzweifelt ließ ich meine Gedanken kreisen, doch die Antworten auf meine Fragen schienen vom Meer verschluckt. Wer waren meine Familie und Freunde? Und wer waren diese vielen Wesen um mich herum? Ich schluckte. Wer war ich? Ein ungutes Gefühl ergriff mich. Ich tauchte hinab und versuchte, mich zu beruhigen. Es war schade, dass ich mich an nichts erinnern konnte, aber ich war hier – und das war das einzig Wichtige. Unter Wasser näherte ich mich dem Strand, wo die Menschen noch immer ausgelassen herumtobten. Neidisch war ich nicht auf sie. Sie mussten auf dem Land leben – aber ich war selbst nicht ans Meer gebunden. Dennoch würde ich niemals von hier fortgehen. Ich war Marina. Ich gehörte hierher. Alles war eine einzige Lüge. Während ich den kräftigen Stimmen der Kinder lauschte, ließ ich den Blick schweifen, bis ich eine Person entdeckte, die meine Aufmerksamkeit ganz und gar auf sich zu ziehen vermochte. Er war ein Mensch wie jeder andere auch, und doch gab es etwas an ihm, das mich völlig verzauberte. Es war unleugbar, dass er nicht so war wie die anderen. Seine Haut war heller, weißer, zarter, seine Gesichtszüge glatter, und 287 sein Haar war trockener als meines und gleichzeitig so fein und weich, dass es mein sehnlichster Wunsch wurde, es zu berühren. Er erwiderte meinen Blick, jedoch nicht meine Emotionen. Seine Augen waren geweitet, er blinzelte kein einziges Mal gegen das grelle Licht, als befürchtete er, ich würde verschwinden, sobald er die Lider senkte. Freudig streckte ich die Hand nach ihm aus. Er zögerte. Dann bewegte er sich langsam auf mich zu, machte nur ein paar kleine Schritte, ehe er wieder innehielt. »Wer bist du?«, formten die Lippen des Menschen, und seine Stimme war schöner als sämtliche Vogelgesänge, die ich jemals vernommen hatte. Die Frage erstaunte mich. Jeder hier wusste, wer ich war – die Kinder spielten weiter, als wäre ich eine Freundin, ein Teil ihrer Welt. Auch wenn ich mich im Augenblick nicht an mein Leben erinnerte, so konnte ich es doch spüren, und zwar mit jeder Faser meines Körpers. »Mein Name ist Marina«, antwortete ich. »Ich bin die Nixe dieses Meeres.« Fast hatte ich erwartet, Fröhlichkeit in sein Gesicht einkehren zu sehen wie in meinem eigenen – dieselbe Neugierde und Aufregung. Doch die Gesichtszüge des Mannes entgleisten ihm. Er musterte mich von oben bis unten, ehe er wieder meine Augen fixierte. »Eine Nixe?«, fragte er in einem Tonfall, der mir überhaupt nicht gefiel.

288 Ich bemühte mich um ein Lächeln. »Wir Nixen sind die Hüterinnen des Meeres«, erklärte ich – ich wusste einfach, dass es stimmte. Die Miene des Menschen veränderte sich nicht. »Von welchem Meer sprichst du?« Ich lachte, auch wenn er mich verwirrte. »Na, dieses!«, erwiderte ich mit einer ausschweifenden Bewegung meines Arms. »Es ist hier überall! Siehst du es denn nicht?« Einige Sekunden lang herrschte Stille zwischen uns. Er blickte hinter mich, schien sich aber kein bisschen für die Schönheit des Wassers zu interessieren. »Das ist kein Meer. Da ist kein Wasser.« Ich drehte mich um – und da war es, in all seiner Pracht. »Es ist doch hier«, beharrte ich. »Und genau hier, wo ich stehe, endet es!« Die kleinen Ausläufer der Wellen, die in Richtung Strand trieben, kitzelten zwischen meinen Zehen. Der Mann senkte den Blick. »Das ist kein Meer«, sagte er erneut. »Es ist hier!«, rief ich aus, völlig verstört von der schieren Blindheit meines Gegenübers. »Genau hier!« Etwas in seinen Augen veränderte sich. Er trat wieder auf mich zu. Hob die Arme und legte seine Hände auf meine Schultern, und für einen Moment drohte ich in ihm zu versinken, wie ich es normalerweise nur in den Fluten tat. »Hör mir zu«, sagte er eindringlich. »Das hier ist kein Wasser, sondern Schlamm. Kein Strand, sondern der Wald, in dem wir uns verlaufen haben. Und keinesfalls das Meer. Das ist das Moor. Du schwimmst nicht, du gehst unter. Und wenn du dich nicht bald befreist, bist du verloren.« 289 Kaum, dass er geendet hatte, fiel es mir wie Schuppen von den Augen. Die Welt um uns herum wurde dunkler, bis das einzige Licht, das ich am Firmament entdecken konnte, das des sichelförmigen Mondes und einiger Sterne war. Der Strand und die Weiten des Festlandes wurden zu schwarzen Bäumen, deren Schatten sich über die ganze Umgebung erstreckten. Der Boden war nicht voller Sand, sondern so weich, dass ich bereits wieder bis zu den Knien versunken war in dem, was ich für das Meer gehalten hatte. Ein markerschütternder Schrei erfüllte die Luft, ehe zwei große, schwarze Vögel durch die Dunkelheit schossen. Von Möwen war nichts zu sehen. Auch die Kinder hatten sich verändert – und mir wurde klar, dass es sich bei ihnen gar nicht um Kinder handelte. Die Haut der Gestalten schien aus Stein zu bestehen. Erst nach einigen Sekunden realisierte ich, dass sie über und über mit Schlamm bedeckt waren, unter dem ihre Haare starr und ihre Gesichtszüge hart wurden. Ziellos liefen sie umher, gaben unverständliche Laute von sich, die von einer unmöglichen Hoffnung sprachen, die sie innerlich zerriss. Unter der getrockneten Schicht aus Schlamm strahlten sie noch heller als der Mond. Als ich an mir hinabblickte, wurde mir die schlimmste aller Tatsachen klar, noch ehe der Mann sie aussprechen konnte. Auch ich war – »… keine Nixe. Sondern ein Irrlicht.«

290 »Was hat das zu bedeuten?« Meine Stimme klang rau und tief, als hätte ich seit Ewigkeiten kein Wort mehr gesprochen. »Was hast du getan?« »Man hat mir vieles über Irrlichter erzählt«, sagte er. »Jedes von euch wird angezogen von einem Ort seiner Sehnsucht. Aber auch das Moor zehrt an euch, und mit jedem Tag wird seine Kontrolle über euch stärker werden.« Er schluckte. »Bei jedem Sonnenaufgang zieht es euch zurück zu sich, und irgendwann wird sein Einfluss auf euch so groß sein, dass ihr ihm nicht mehr entkommen könnt.« Plötzlich packte er mich an den Armen und zog mich, Zentimeter für Zentimeter aus dem Schlamm. Er selbst sank dabei kaum ein. Als hätte das Moor kein Interesse an ihm. Als wären es allein die Irrlichter, die es verschlingen wollte. Vereinzelt entdeckte ich ein schwaches Leuchten inmitten des Schlamms. Ab und an ein Gesicht mit gesenkten Lidern, das immer tiefer darin versank und nie wieder daraus auftauchen würde. Ich erinnerte mich, dass auch ich mit geschlossenen Augen an der Oberfläche gelegen hatte. Um ein Haar wäre ich verschluckt worden von meinem Traum, der nie Wirklichkeit gewesen war. »Du bist anders als die anderen«, sagte der Mann. »Du bist das einzige der Lichter, das mich wahrgenommen hat. Das einzige, das noch nicht …« Er verstummte. »Aber wenn das hier das Moor ist«, murmelte ich. »Wo ist dann das Meer?« Panik ergriff mich. »Wo ist das Meer?« Verzweifelt strampelte ich meine Füße frei, die bereits wieder vom Schlamm bedeckt worden waren. 291 »Marina!«, rief der Mann, als ich an ihm vorbei rannte. Ich hörte nicht auf ihn. Mein Weg führte mich tief in den Wald hinein, getragen von der Hoffnung, dass das Wasser mich auf seiner anderen Seite erwarten würde. »Marina! Halt!« Ich spürte, dass der Mann mir folgte, doch ich hielt nicht inne. Allmählich wurde mir klar, was vor sich ging. Das Moor wollte mich dem Meer entziehen. Es wollte mich für sich haben, mich vereinnahmen. Es nahm mir sämtliche Erinnerung an meine Fluchtversuche und gaukelte mir vor, dass es selbst der Ort meiner Sehnsucht war. Damit ich nicht davonlief. Damit ich bei ihm blieb, bis es zu spät war. Aber das würde ich nicht zulassen. Ich lief zwischen den Bäumen hindurch, durch den Morast, durch die Nacht. Ich ließ den Wald hinter mir, und mein Herz schlug schneller, als … Kraftlos sank ich auf die Knie. Nicht einmal der Anflug eines Meeresrauschens lag in der Luft. Der einzige Anblick, der sich mir bot, war der von einer Schar Häuser. Mein Leben war eine Lüge gewesen. Und mein Tod war näher, als ich es jemals für möglich gehalten hatte. Der Mann kam neben mir zum Stehen. »Ich danke dir!«, Er klang so erleichtert, als wäre dies hier der Ort, an den er sich gesehnt hatte. »Wofür?«, hauchte ich. Ich konnte den Blick nicht von den Häusern wenden. Mich beschlich das Gefühl, dass sie zu den letzten Dingen gehörten, die ich jemals sehnen würde. »Du hast mich nach Hause gebracht. Schon wieder.« Stille. Ich verstand nicht. 292 »Erinnerst du dich?« Er beugte sich zu mir hinunter. »Mein Name ist Luca. Vor ein paar Nächten bereits hatte ich mich ebenfalls im Wald verlaufen. Ein Licht in der Ferne hat mich zurückgeführt. Das musst du gewesen sein. Du hast mir das Leben gerettet, Marina.« Ich schüttelte den Kopf. »Das Meer ist das Einzige, woran ich mich erinnere.« Luca strich mir über das erstarrte Haar. »Du hast mich nach Hause gebracht, Marina. Also werde ich dir denselben Gefallen tun.« Ich hob den Blick und begegnete seinem. Seine Augen waren dunkel, aber nicht so schrecklich wie die Farbe des Moors. Sie waren warm und freundlich. Sie waren alles, was das Moor vorgegeben hatte, zu sein, um mich mit Frohsinn zu mästen und dann bei lebendigem Leibe zu vereinnahmen. Für einen kurzen Augenblick durchzuckten einzelne Bilder mein Bewusstsein. Bilder voller Glück, Bilder von Luca. »Wir müssen uns aber beeilen«, sagte er nach einer Ewigkeit. »Die Sonne wird bald aufgehen.« Er nahm meine Hand, um mir aufzuhelfen. Selbst als ich auf eigenen Beinen stand, hielt er mich weiterhin fest. Wir waren schnell, doch auch der Mond bewegte sich unablässig am Himmel. »Warum hast du dich alleine in den Wald gewagt?«, fragte ich, seine Nähe tat mir gut und lenkte mich ab von meinen rasenden Gedanken. »Wie hast du dich verlaufen?« »Beim ersten Mal«, war seine Antwort, »war das nichts weiter als Neugierde auf den Wald. Ich war nicht allein, aber 293 meinen Kumpanen habe ich nach einer Weile aus den Augen verloren. Und heute … bin ich zurückgekehrt, um dich zu finden.« Bei diesen Worten wurde ich mit einer Wärme erfüllt, die ich noch nie im Inneren meines Körpers gespürt hatte. »Weshalb?« Er wich meinem Blick aus, nicht jedoch meiner Frage. »Selbst aus der Entfernung hast du mich fasziniert. Und ich wollte die Person kennenlernen, die mich gerettet hat.« »Ich bin keine Person«, erwiderte ich leise. »Ich bin ein Irrlicht.« Der Sog, der mein ganzes Leben lang an mir gezerrt hatte, wurde immer stärker. Ich bemerkte ihn erst, als er mich zu zerreißen drohte – weil ich es gewohnt war, ihn zu spüren. Er war schon immer da gewesen; doch je weiter ich mich vom Moor entfernte, desto stärker zog es an mir, versuchte mit aller Kraft, mich dorthin zurückzuholen, wo Luca mich gefunden hatte. Dennoch wusste ich, dass ich es schaffen konnte. Ich wurde schneller und schneller, zog Luca unablässig hinter mir her, bevor wir eine Düne erklommen, und … Meine Heimat war mir auf einmal wieder ganz nah. Still und leise lag das Meer unter uns, und ich hielt den Atem an. Gespannt starrte ich auf das Wasser, aber nichts passierte. »Du hast mich angelogen«, stellte ich fest. »Das ist nicht das Meer.«

294 Erstaunen spiegelte sich auf Lucas Miene wider, die nur von meinen Strahlen erhellt wurde. »Doch«, sagte er. »Das ist es.« Langsam schüttelte ich den Kopf. »Wo sind dann die Vögel und die Kinder und das Sonnenlicht?« »Es ist Nacht«, klärte Luca mich auf. »Nachts schlafen die Kinder, die Vögel und auch die Sonne. Sie ruhen sich aus. Und das solltest du auch.« Ich starrte in diese furchtbar kalte und leblose Dunkelheit, die nichts mit meiner Sehnsucht gemein hatte. »Nein«, entgegnete ich. »Ich will nicht mehr schlafen. Ich werde alles vergessen.« Ich atmete tief durch, und Meerwasser entwich aus meinen Augen. »Hab keine Angst, Marina«, sagte Luca sanft und strich mit seinen Daumen über mein Gesicht, wischte den nassen Schlamm fort, der es bedeckte. »Du bist wie eine kleine Sonne. Überall wo du dich aufhältst, wird die Nacht weichen.« Während er sprach, wurde mein Licht heller und heller. Am meisten schien es dort zu leuchten, wo er mich berührte. »Das hier ist dein Zuhause, Marina. Hier gehörst du hin.« Lange blickte ich ihn an, und die Gewissheit, die sich langsam in mein Bewusstsein geschlichen hatte, war nun allgegenwärtig. »Das Meer ist nicht das, wonach ich mich am meisten sehne.« Luca wirkte verwirrt, und ich legte meine Hand auf seine. »Ich bin keine Nixe. Ich gehöre nicht in das Wasser. Ich bin ein Licht, aber im Gegensatz zur Sonne fehlt mir die Wärme. Doch … deine Wärme tut mir

295 gut. Ich …« Ich wusste nicht, was ich sagen sollte – weil ich meine Gefühle selbst nicht zu beschreiben wusste. Nachdenklich sah er mich an. »Du wirkst nicht so sehr wie ein Mensch, Marina. Doch meine Augen brennen nicht, wenn ich dich ansehe. Es ist sehr angenehm. Und du bist wunderschön.« Er machte eine Pause. »Aber du musst ins Meer, nach Hause. Wenn du möchtest, werde ich dich jeden Tag besuchen kommen.« »Du wirst dich wieder verlaufen, wenn du niemanden hast, der dich führt.« Er schwieg, denn ich hatte recht. »Bitte lass mich nicht gehen, Luca«, wimmerte ich, und im nächsten Moment lag ich in seinen Armen. Er drückte mich an sich, und seine Wärme wurde allgegenwärtig. Mir wurde klar, dass genau das mein Zuhause war. Hier würde ich bleiben, für immer … Es geschah ohne jegliche Vorwarnung. Unversehens entriss es mich Lucas Griff. Ich wurde durch die Luft geschleudert, ehe ich unsanft auf dem Boden aufprallte. Und noch immer zog es an mir, zerrte an meinen Beinen und schleifte mich immer weiter von dem Menschen fort, von der Wärme, die er ausstrahlte. Der erste Sonnenstrahl des Tages stach in meinen Augenwinkel. »Marina!«, rief Luca aus und setzte mir nach, doch je weiter ich mich vom Meer entfernte, desto größer wurde der Sog, der diesmal nicht von meiner Heimat ausging, sondern von meinem sicheren Tod.

296 Ich krallte mich am Boden fest, aber das Moor zog unablässig an mir, und so schlitterte ich über den Grund, Kratzer zogen sich über meine Haut, und ich wurde blind für alles um mich herum. Ich schrie und wehrte mich. Gegen das Moor kam ich nicht an. Ich hörte Lucas Stimme. Lange, laut, mit einer Verzweiflung, die mir das Herz brach. »Ich werde dich zurückholen! Marina!«, war alles, was ich verstand, ehe sie in weiter Ferne verklang und die Dunkelheit mich abermals umhüllte und ich für immer versank in einem Meer, das keines war. Ich heiße Marina Ich bin ein Irrlicht Ich bin immer da Doch du siehst mich nicht. Erst in der Nacht Wenn der Mond erscheint Erlange ich die Kraft Mich aus dem Moor zu befreien. Und irgendwann Ich glaube fest daran Sind wir zusammen Nie mehr gefangen. Doch nun vergess’ ich die Welt Tief unten im Schlamm Der mich quält Dem ich nicht entfliehen kann. Ich hoffe, du hörst, wie meine Seele zu dir spricht, Denn vielleicht kehre ich niemals wieder. 297 Doch versprich mir eins, Luca, Vergiss mich nicht.

Über die Autorin Annie Waye ist eine junge Autorin mit einer alten Seele, die sich in den weitesten Sphären der Phantastik bewegt. Sie hat viele Namen und Gesichter, die auf der ganzen Welt zu Hause sind. Sie schreibt, um den phantastischen Charakteren und fremden Welten Leben einzuhauchen, die sie seit ihrer frühesten Kindheit nicht mehr loslassen. Auf Facebook, Instagram und ihrer Website (www.anniewaye.de) hält sie Interessierte über ihr Leben und Schaffen auf dem Laufenden.

Interview mit Brandon Q. Morris: »Hard-SF« – harte Physik in Phantastischen Büchern von Reiner Krauss

Brandon Q. Morris ist Physiker und Journalist – und einer der erfolgreichsten deutschsprachigen SF-Autoren. Seine Bücher zeichnen sich durch spannende Zukunftsgeschichten auf Basis harter physikalischer Realität aus – typisch für das Sub-Genre »Hard-SF«. Im Amerikanischen zeigen uns die Bücher und die erfolgreiche SciFi-Serie The Expanse Vergleichbares, doch in Deutschland kennen wir das genauso gut, dank Morris. 298 R. Krauss: Zunächst stellt sich natürlich die Frage, wie kam das Interesse an Science-Fiction und dem eigenen Schreiben. Wie kam es also dazu?

© Brandon Q. Morris / Autor Morris bei der Mars-Simulation Amadee-18

Brandon Q. Morris: 1966 geboren, habe ich die Mondlandung drei Jahre später noch nicht bewusst miterlebt. Ich erinnere mich aber trotzdem an Schwarz-Weiß-Bilder im Fernseher meiner Großeltern, auf denen Herren mit Krawatte kommentierten, wie amerikanische Astronauten auf dem Mond landeten. Raumschiff Enterprise war damals meine Lieblingsserie, ich wartete gespannt auf jede neue Folge. Ansonsten las ich

299 alles, was ich an SF in die Finger bekam, von Perry Rhodan bis Stanislaw Lem. Und ich versuchte mich selbst an ein paar Geschichten; mit zwölf Jahren bekam ich sogar einmal einen Scheck von einer Zeitschrift, über 80 Mark, die meine Geschichte veröffentlicht hatte.

RK: Warum also nicht gleich beim Schreiben bleiben?

Brandon Q. Morris: Mir war aber immer irgendwie klar, dass man vom Schreiben nicht leben konnte. Also studierte ich etwas Vernünftiges, nämlich Physik. »Physiker können alles«, sagten unsere Professoren, und das war dann auch nötig, denn als ich Anfang der 1990er-Jahre mein Diplom in der Tasche hatte, wurden gerade keine Physiker gebraucht.

RK: Und was jetzt tun?

Brandon Q. Morris: Ich hatte mich privat intensiv mit Computern befasst, erst dem ZX-81, dann dem Commodore 64, und mein Studium mit einem Software-Handel finanziert (»MasterMMSoft« kennt vielleicht noch jemand). Zufällig suchte das 64er-Magazin damals einen Redakteur. Ich bewarb mich – und wurde nicht genommen. Allerdings erschien der, der den Job bekommen hatte, am ersten Arbeitstag nicht (ich

300 schwöre, ich habe damit nichts zu tun!). Also rief man mich an, und ich hatte immer noch Lust.

RK: Echt jetzt. Okay, und wie ging es weiter?

Brandon Q. Morris: So war ich überraschenderweise doch in der Lage, mit dem Schreiben meinen Unterhalt zu verdienen. Der C64 war nicht mehr lange populär. Aus dem 64er-Magazin wurde PCgo, dann wechselte ich zu ComputerBILD nach Hamburg und schließlich zum Münchner FOCUS, wo ich mich im Wissenschaftsressort wieder mehr mit wissenschaftlichen Themen befassen konnte. Dort war es auch, wo ich 2011 auf das damals brandneue Selfpublishing stieß. Ich verfasste technische und populärwissenschaftliche Bücher, die sich gut verkauften, wechselte für zwei Jahre zu einem Buchverlag und machte mich dann ganz selbstständig.

301 © Brandon Q. Morris

RK: Eine spannende eigene Lebensgeschichte, doch wie kam es zu »Hard-SF«?

Brandon Q. Morris: Jetzt erst, 2016, wurde Brandon Q. Morris geboren, der meine alte Liebe, die Science-Fiction, mit der Wissenschaft verbindet. Hard Science-Fiction ist fantastische Literatur, die aber trotzdem genau so Wirklichkeit werden könnte. Das macht

302 für ihre Leser (oft aktuelle oder ehemalige Ingenieure, Lehrer, Studenten oder Wissenschaftler) ihren besonderen Reiz aus. Überlichtgeschwindigkeit oder Beamen, so schön es wäre, wird es nie geben. Also tauchen sie auch in harter Science-Fiction nicht auf. Aber es müssen auch die Kleinigkeiten stimmen. Im Weltall gibt es keinen Lärm, Laser sind unsichtbar, bis sie auf Materie treffen, Menschen werden zerquetscht, wenn man sie zu stark beschleunigt, und Signale vom äußeren ins innere Sonnensystem brauchen so lange, dass keine »Telefonate« möglich sind.

© Brandon Q. Morris

303 RK: Wie ging es los, und welches Buch kam als Erstes auf den Markt?

Brandon Q. Morris: Mein erstes Buch als Brandon Q. Morris war Enceladus. Der Saturnmond ist vielversprechend, wenn es um die Suche nach Leben geht. Und dementsprechend ist das auch die Prämisse hier: eine internationale Expedition soll von einer Robotersonde gefundene Lebenszeichen untersuchen. Die Technologie, die sie verwenden, etwa Direct Fusion Drives oder das Enceladus-U-Boot Valkyrie, ist bereits in Entwicklung, und ich freue mich jedes Mal, wenn wieder ein Hinweis auf Leben auf Enceladus entdeckt wird.

RK: Danach ging es ja Schlag auf Schlag. Welche Bände kamen als nächstes?

Brandon Q. Morris: Der Roman hat sich sehr gut verkauft. Danach musste die Expedition auf den Methanmond Titan und den Vulkanmond Io ansteuern. Eine andere Expedition machte sich auf ins Proxima-Centauri-System. Im Sonnensystem erscheint ein Schwarzes Loch (The Hole), die Sonne verhält sich seltsam (Silent Sun) oder der Mars wird in Mars Nation zur neuen Heimat der Menschheit. Clouds of Venus führt uns in die Wolken der Venus, das Triton-Desaster zum 304 Neptun-Mond Triton. In Das Ende des Universums springen wir sogar ganz weit in die Zukunft.

© Brandon Q. Morris

RK: Atemberaubende Geschichten. Auf was können wir uns als Nächstes freuen?

Brandon Q. Morris:

305 Gerade sitze ich an den Druckfahnen von Die Störung, das im Herbst bei FischerTOR erscheinen wird. Bis dahin werden aber bestimmt noch drei, vier andere Titel von Brandon Q. Morris in den Handel kommen, etwa Die dunkle Quelle, mit dem ich gerade angefangen habe.

RK: Wo können sich unsere Leser am schnellsten informieren, und was ist eine weitere Besonderheit aller Bände?

Brandon Q. Morris: All meine Bücher stelle ich unter https://hardsf.de/lesereihenfolge/ vor. Eine Besonderheit haben sie: Am Ende stelle ich in einem populärwissenschaftlichen Teil stets noch eines der Phänomene vor, um die es in dem Roman ging, etwa die Dunkle Materie oder Schwarze Löcher. Unter https://hardsf.de/ veröffentliche ich regelmäßig Neuigkeiten aus der Welt der Astronomie, Astrophysik und Kosmologie. Ganz neu ist mein Patreon: Unter www.patreon.com/hardsf/ gibt es gegen einen kleinen Monatsbeitrag exklusive Einblicke und Beiträge – und das gute Gefühl, einen Autor bei seiner Arbeit zu unterstützen.

RK: Spektakuläre Orte und spannende Geschichten. Wo kommt all die Inspiration für neue Storys her?

Brandon Q. Morris: 306 Wenn ich das wüsste! Die Frage bekomme ich öfter gestellt, aber ich habe tatsächlich keine Ahnung, wie Ideen entstehen. Sie sind einfach da. Vielleicht ist es auch besser so, das nicht zu wissen, denn wenn es eine feste Quelle gäbe, könnte die ja auch versiegen. Das wäre natürlich furchtbar. Momentan sieht es aber nicht so aus. Die Anregung für den neuen Roman Die dunkle Quelle hat ein Artikel geliefert, den ich über den Hexaquark d*(2380) geschrieben habe, einen Kandidaten für die Dunkle Materie https://hardsf.de/hexaquark-d2380-ein-neuer-kandidat-fuer -die-dunkle-materie/.

RK: Jüngst habe ich die drei Bände zu Mars Nation gelesen und sehe den Weg der Menschheit zum Mars vergleichbar, da verschiedene Interessen mit verschiedenen Finanzierungsmöglichkeiten wetteifern, doch am Ende ist die Idee schon auch sehr optimistisch, oder?

Brandon Q. Morris: Die Besiedelung des Mars halte ich für unausweichlich. Die Pläne gibt es ja schon, und sie sind realistisch. Auf diese Pläne habe ich mich in Mars Nation auch gestützt. Es wäre allerdings wichtig, dass sich die großen Demokratien der Erde dabei genauso engagieren wie die großen Unternehmen – anderenfalls haben wir auf dem Mars womöglich irgendwann eine Herrschaft der reichsten Firmen, die den Planeten und seine Ressourcen unter sich aufteilen. 307 RK: Positive Zukunftsvisionen mit spannenden Geschichten, das ist, was die reale Welt gerade sehr braucht.

Brandon Q. Morris: Darauf freue ich mich – als großer Optimist – auch. Ich glaube, dass es einen begründeten Optimismus geben kann, was unsere Zukunft betrifft. Wussten Sie, dass Solarstrom heute billiger herzustellen ist, als sich ein existierendes Kohlekraftwerk betreiben lässt? Das ist Stand aktueller Technik, und in den letzten hundert Jahren hat sich die Technik so weiterentwickelt, dass da noch viel zu erwarten ist.

RK: Vielen Dank für das interessante und hoffnungsvolle Gespräch. Besondere Zeiten verlangen besondere Lösungen, hoffen wir auf mutige Lösungen. Wie die aussehen und was daraus werden könnte, zeigen die Bücher von Brandon Q. Morris. Auf ein baldiges Wiederlesen!

Weiterführende Informationen: https://hardsf.de/

Hard SF – Science-Fiction unter Einsatz wissenschaftlicher Genauigkeit https://www.amazon.de/s?k=Brandon+Q.+Morris&__mk _de_DE=%C3%85M%C3%85%C5%BD%C3%95%C3%91&ref= 308 nb_sb_noss_2

309 Phantastische Wissenschaft

Ressortleiter Reiner Krauss

Subspace Link – Neues aus dem All

Ein Blick über unsere Köpfe von Reiner Krauss

Neue galaktische Ausblicke und spannende Berichte über uns …

New Horizons – Arrokoth (Ultima Thule) entstand mit »Softtouch«

310 ©: NASA / Arrokoth aufgenommen von New Horizons Sonde

Als die NASA-Sonde New Horizons einen Himmelskörper im Kuipergürtel besucht und sich Arrokoth bis zu 3500 Kilometer, bei einer Geschwindigkeit von 51.000 km/h, genähert hatte, konnte sie jede Menge Daten sammeln. Arrokoth ist viel kleiner als der Zwergplanet Pluto, den New Horizons vorher passierte. Doch schon die ersten empfangenen Nahaufnahmen hatten die ungewöhnliche Doppelgestalt des Himmelskörpers gezeigt. Quasi wie zwei verschieden große, verbundene Schneebälle. Der Himmelskörper sieht so aus, weil er aus einem »komplizierten Tanz« der beiden unterschiedlich großen Brocken entstanden ist und nicht aus einer heftigen Kollision. Die beiden Komponenten haben sich eher langsam umkreist und schließlich verbunden. Die gleichmäßige Farbgebung unterstützt diese Interpretation und zeigt zudem, dass der Himmelskörper aus gleichem

311 Material entstanden ist, das sich schon von Anfang an nah war. Für das NASA-Forscherteam von New Horizons sind diese Ergebnisse ein weiterer großer Erfolg in der längst historischen Missionsgeschichte.

Cassini – Ihr Vermächtnis am Saturn

©: ESA / NASA / JPL / Cassini am Saturn (kombinierte Realaufnahmen)

Die NASA-Raumsonde Cassini erkundete rund 13 Jahre lang den Planeten Saturn und erforschte zudem seine Ringe und seine Monde. Als erste Raumsonde flog sie zwischen Saturn und seinen Ringen hindurch. Weil ihr nach all der Zeit der Treibstoff ausging, wurde sie im September 2017 in den Gasplaneten gestürzt.

312 Noch heute werden ihre Daten ausgewertet, und sie zeigen beispielsweise vom Saturns Eismond Enceladus, an dem sie schon 2005 erstmals vorbei flog, Folgendes: Er ist eine rund 500 km durchmessende frostige Wasser-Welt. Unter seiner dicken Eiskruste ist ein Ozean versteckt. Geysire spucken Wasserdampf und Eiskörnchen an die Oberfläche. Aus seinem Inneren treten dabei komplexe organische Moleküle aus. »Diese komplexen Moleküle beinhalten ein vielschichtiges Netz aus hunderten von Kohlenstoff-, Wasserstoff-, Sauerstoff- und Stickstoffatomen, die ringförmige und kettenähnliche Strukturen formen. Solche schweren organischen Moleküle können nur durch komplexe chemische Prozesse entstehen – so, wie es bei Lebensformen der Fall ist«, sagte Nozair Khawaja (NASA Cassini-Forscher). »Cassini ist weg, aber ihr wissenschaftlicher Schatz wird uns noch über Jahre beschäftigen. Wir haben bislang nur an der Oberfläche des Berges an Daten gekratzt, den die Sonde uns zu ihren Lebzeiten überlassen hat.« Linda Spilker, (Cassini-Team, NASA)

Curiosity – Ein Marsrover zeigt seine Spuren und macht »Selfie«

313 ©: NASA / JPL / Marsrover Curiosity hinterlässt Spuren im Sand

Curiosity ist ein sehr erfolgreicher Mars-Rover und war bis Sol 2702, den 13.03.2020, bereits 21,93 Kilometer gefahren. Neues Bildmaterial vom Mars zeigt ein weiteres »Selfie« des Rovers am Hügel »Greenheugh-Pediment«. Ein 1.8 GB 360-Grad-Panorama wurde von den JPL-Forschern aus 86 auf die Erde übertragenen Einzelbildern zusammengefügt. Für die Aufnahmen wurde die »Mars Hand Lens Camera« (MAHLI), die sich in einem Turm am Ende des Roboterarms von Curiosity befindet, verwendet. Diese Kamera ist eigentlich dafür gedacht, Nahaufnahmen vom Marsboden zu machen. Damit will man weiterhin herausfinden, ob die Marsoberfläche heute oder in der Vergangenheit für die Entstehung von Leben geeignet gewesen sein könnte.

314 Nichtsdestotrotz lässt sich der Roboterarm mit MAHLI auch als Selfiestick benutzen.

©: NASA / JPL / hochauflösendes »Selfie« kann der Rover zudem

Weiterführende Informationen zum Thema: https://www.nasa.gov/feature/jpl/nasas-curiosity-mars-r over-snaps-its-highest-resolution-panorama-yet NASA’s Curiosity Mars Rover Highest-Resolution Panorama

SpaceX – Training für den ersten Start der US-Astronauten von US-Boden

315 ©: SpaceX / Astronauten Doug Hurley und Bob Behnken in der CrewDragon

Doug Hurley und Bob Behnken, zwei altgediente Space-Shuttle-Astronauten, bereiten sich weiter intensiv darauf vor, eine privat entwickelte SpaceX CrewDragon-Kapsel in diesem Jahr in den Orbit zu fliegen. Die beiden Astronauten haben im März an mehreren Trainings teilgenommen, darunter langwierige Simulationen, um Verfahren zu üben, die sie während des Starts auf einer Falcon 9-Rakete, beim Andocken an die Internationale Raumstation (ISS) und beim Verlassen des Labors im Orbit zur Rückkehr zur Erde durchführen werden. Ingenieure von SpaceX und der NASA nahmen zusammen mit den Astronauten an den Simulationen teil und übten ihre Rollen in den Kontrollzentren im Kennedy Space Center in Florida, im SpaceX-Hauptquartier in Hawthorne, Kalifornien, und im Kontrollzentrum der NASA-Raumstation in Houston.

316 Die erste gesteuerte Mission der Crew Dragon (Demo-2) wird der erste bemannte Start vom amerikanischen Boden seit der Außerdienststellung der Raumfähre im Jahr 2011 sein. Für diese Falcon 9-Rakete wurde erstmals auch wieder das »NASA-Worm-Logo« verwendet, das zu Space Shuttle-Zeiten Verwendung fand. Es existiert somit neben dem, aus Apollo-Zeiten bekannten, »NASA-Meatball-Logo«.

©: SpaceX / NASA

Weiterführende Informationen zum Thema: https://www.nytimes.com/2020/04/08/science/nasa-log o-worm-spacex.html New York Times berichtet zum Logo

NASA – Die neue »Klasse« der US-Astronauten 317 ©: NASA

(NASA) »Amerika ist näher als je zuvor in der Geschichte seit dem Apollo-Programm zur Rückkehr der Astronauten auf den Mond. Wir werden bis 2024 die erste Frau und den nächsten Mann zum Südpol des Mondes schicken, und wir brauchen mehr Astronauten, die dem Beispiel auf dem Mond und dann auf dem Mars folgen«, sagte NASA-Administrator Jim Bridenstine. »Wir suchen nach talentierten Männern und Frauen mit unterschiedlichem Hintergrund und aus allen Lebensbereichen, die uns in dieser neuen Ära der Erforschung des Menschen begleiten, die mit dem Artemis-Programm zum Mond beginnt.« Die NASA rechnet damit, Mitte 2021 die letzten Astronautenkandidaten auszuwählen, die mit der Ausbildung der nächsten Klasse von Astronauten der Artemis-Generation beginnen sollen. Als die Agentur Ende 318 2015 die letzten Astronautenkandidaten suchte, bewarben sich rekordverdächtige 18.300 Personen. Nach mehr als zwei Jahren intensiven Trainings absolvierten 11 neue Astronauten, die aus diesem Pool ausgewählt wurden, Anfang dieses Jahres die erste öffentliche Abschlusszeremonie, die die Agentur ausgerichtet hat.

NASA – SLS Schwerlast-Rakete auf einem guten Weg

©: NASA

(NASA) »Die SLS-Rakete wurde gebaut, um amerikanische Astronauten und maximale Nutzlasten zum Mond und in den Weltraum zu bringen. Das Ausrollen der fertiggestellten Kernstufe von der NASA-Montageanlage in Michoud zum Stennis Space Center der NASA für weitere Tests war ein weiterer Schritt vorwärts im Artemis-Programm. 319 Die Bemühungen, die Kernstufe der SLS-Rakete von Michoud nach Stennis zu verlegen und sie in den B-2-Teststand einzubauen, sind das Ergebnis umfangreicher Vorbereitungen«, sagte Bryan Jones, Leiter des Teams für Logistik und Bodentransport bei Marshall. Die NASA arbeitet daran, bis 2024 die erste Frau und den nächsten Mann auf dem Mond zu landen. SLS bildet zusammen mit Orion und dem Gateway im Orbit um den Mond das Rückgrat der NASA für die Erforschung des Weltraums. SLS ist die einzige Rakete, die Orion, Astronauten und Vorräte in einer einzigen Mission zum Mond schicken kann.

Boeing – Starliner auf schwerem Weg zur ISS

©: Boeing / CST-100 Starliner Cew-Kapsel

320 Boeing hat beschlossen, dass die Starliner-Crew-Kapsel des Unternehmens ein zweites Mal ohne Astronauten fliegen wird, nachdem Software- und andere Probleme einen ersten Testflug im Dezember plagten und das Schiff daran hinderten, die Internationale Raumstation (ISS) zu erreichen. Ein Fehler bei der Zeitplanung der Mission führte dazu, dass das Raumschiff zu viel Treibstoff verbrauchte, um in die Umlaufbahn zu gelangen, als (nach ansonsten erfolgreichem Start am 20. Dezember 2019) die Kapsel nicht an die Raumstation andocken konnte. Ein potenziell katastrophales Softwareproblem, das nach dem Start der Starliner entdeckt wurde, musste mit einem Software-Patch korrigiert werden, um sicherzustellen, dass die Kapsel sicher zur Erde zurückkehren konnte. Die Starliner-Kapsel, die so konstruiert wurde, dass sie wiederverwendet werden kann, landete dann am 22. Dezember im White Sands Space Harbor in New Mexico. »Wir haben uns entschieden, unseren Orbitalflugtest zu wiederholen, um die Qualität des Starliner-Systems zu demonstrieren. Ein weiterer Flug ohne Besatzung wird es uns ermöglichen, alle Flugtestziele zu erreichen und die Leistung der zweiten Starliner-Raumkapsel ohne Kosten für den Steuerzahler zu bewerten«, sagte Boeing in einer Erklärung.

Antares – da gehts zum Mond und das ist der Weg zur ISS

321 ©: Alex Polimeni (SpaceflightNow)

Regelmäßig bringt auch eine Northrop Grumman Antares-Trägerrakete mit dem Raumfrachter Cygnus Fracht zur ISS. Einer Tradition von Northrop Grumman folgend, trug jüngst das Versorgungsraumschiff den Namen einer bedeutenden verstorbenen Person der Raumfahrt: S.S. Alan Bean, nach dem Apollo 12- und Skylab 3-Astronauten Alan Bean, der am 26. Mai 2018 im Alter von 86 Jahren gestorben war.

BepiColombo – Swing-by um den Mond und zurück zum Merkur

322 ©: ESA (künstlerische Darstellung

(Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung; MPIS) Auf ihrer insgesamt siebenjährigen Reise zum sonnennächsten Planeten Merkur erreichte die europäisch-japanische Raumsonde BepiColombo am Karfreitag, 10. April, einen wichtigen Meilenstein. Durch einen nahen Vorbeiflug an der Erde änderte sie ihre Flugbahn und dringt so tiefer ins Zentrum des Sonnensystems vor. Während des Manövers wurden einige der insgesamt 16 Messinstrumente eingeschaltet. Während das Kontrollzentrum der ESA in Darmstadt den Vorbeiflug wegen der aktuellen Corona-Krise mit reduzierter Besetzung durchführte, verfolgten die Wissenschaftler die Ereignisse – anders als sonst – aus dem Homeoffice. BepiColombo besteht aus zwei autonomen Sonden, dem europäischen Mercury Planetary Orbiter (MPO) und dem japanischen Mercury Magnetospheric Orbiter (MMO, auch genannt Mio), die derzeit huckepack und

323 aufeinandergestapelt auf dem sogenannten Transfermodul reisen. Die obere Sonde MMO ist zudem von einem Sonnenschutzschild umgeben. Am Merkur werden sich beide Sonden vom Transfermodul und voneinander trennen und dann den Planeten auf jeweils eigenen Flugbahnen umrunden. BepiColombo ist eine Kooperation zwischen der ESA und der japanischen Raumfahrtbehörde JAXA. Die Sonde ist nach dem Spitznamen des 1984 verstorbenen italienischen Mathematikers Giuseppe Colombo benannt, der sich um die Merkurerkundung besonders verdient gemacht hat.

50 Jahre nach: Apollo 13 – »Houston, we’ve got a problem!«

324 ©: NASA / Fred Haise, James »Jim« A. Lovell, John L. Swigert (v. l. n. r.)

»Ein erfolgreicher Misserfolg«: Am 11. April 1970 erfolgte der Start von Apollo 13. 55 Stunden und 54 Minuten nach dem Start, über 300.000 km von der Erde entfernt, explodierte einer der beiden Sauerstofftanks im Servicemodul der Odyssey. Swigert meldete über Funk: »Okay Houston, we’ve had a problem here!« Die Mondlandefähre wurde zur Rettungskapsel für die Besatzung umfunktioniert. Nach zahlreichen bangen Stunden kehrten die drei Astronauten wohlbehalten zur Erde zurück. Dieses Drama brachte die Menschen wieder zu Millionen an die TV-Bildschirme, und es wurde später in einem gelungenen Hollywood-Film mit Tom Hanks, Bill Paxton und Kevin Bacon verfilmt (1995; Regie: Ron Howard).

325 ©: R. Krauss / Astronaut Fred Haise mit dem Autor (Technikmuseum Speyer, 2018)

Weiterführende Informationen zum Thema https://youtu.be/TtO3YQo3kY8 Apollo 13 Views of the Moon in 4K (Flyover Video)

Hexaquark d*(2380): ein neuer Kandidat für die Dunkle Materie von Brandon Q. Morris

Eines der großen Rätsel unseres Universums besteht in der Frage, woraus Dunkle Materie besteht. Dass sie existiert, ergibt sich aus mehreren Hinweisen der Astronomen, u.a. was Eigenheiten der Rotation von Galaxien betrifft.

326 Immerhin 63 Prozent des Materieanteils des Kosmos müssten demnach die Dunkle Materie ausmachen, von deren Natur die Physiker bisher keine Ahnung haben. Klar ist nur, dass Dunkle Materie lediglich über die Gravitation mit normaler Materie wechselwirkt. In Frage kommen u.a. sogenannte WIMPs (Weakly Interacting Massive Particles, schwach wechselwirkende massive Teilchen) die zur kalten dunklen Materie gehören. Allerdings kommen die Forscher auf der Suche nach ihnen nur langsam voran. Es gelingt ihnen bisher nur, mehr und mehr Kandidaten auszuschließen, was es allmählich unwahrscheinlicher macht, dass sie bereits auf der richtigen Spur sind. In einem Beitrag im Journal of Physics stellen Forscher nun einen neuen Kandidaten vor. Es handelt sich um einen sogenannten Hexaquark: ein Teilchen, das aus sechs Quarks besteht, den Grundbausteinen vieler Elementarteilchen. Je drei Up- und Down-Quarks, ihre leichtesten Varianten, verbinden sich dabei zum d*(2380)-Hexaquark. Lange galten Hexaquarks als hypothetisch; 2014 wude in Jülich mit dem d*(2380) das erste entdeckt. d*(2380) hat 2380 MeV Masse und ist damit zwar schwerer, aber wegen seiner Zusammensetzung kompakter als ein Proton, der Kern des Wasserstoff-Atoms. Warum würde es sich als Kandidat für die Dunkle Materie eignen? Hexaquarks sind Bosonen, Teilchen mit ganzzahligem Spin. Sie dürfen quantenphysikalisch alle denselben Zustand einnehmen. Gäbe es sehr viele von ihnen, könnten sie quasi einen See bilden, und wir würden 327 außer ihrer gravitativen Wirkung nichts von ihnen bemerken. In ihrem Paper zeigen die Forscher, dass d*(2380) jedenfalls kurz nach dem Urknall in großen Mengen entstanden sein könnte. Sie schlagen auch Wege vor, wie man das experimentell beweisen könnte. Zerfälle von d*(2380) würden in der Erdatmosphäre zum Beispiel wie Wirkungen kosmischer Strahlung erscheinen. Allerdings besitzen sie keine Vorzugsrichtung, wodurch man sie unterscheiden könnte. Der große Vorteil von d*(2380) wäre, dass man dann keine neuartige Physik bräuchte – die Mechanismen zur Entstehung von Hexaquarks lassen sich mit vorhandener Physik herleiten. Welche Kandidaten gibt es noch? Dunkle Materie ist nicht zwangsläufig etwas, das wir noch nicht kennen. Sie muss nur eine Bedingung erfüllen: mit anderer Materie nur und exklusiv über die Anziehungskraft der Gravitation wechselzuwirken. Das trifft zum Beispiel auf Schwarze Löcher zu. Auch Neutronensterne, fast erloschene Weiße Zwerge oder Braune Zwerge (Objekte zwischen Stern und Planet) könnten den Teil der Masse der Galaxien bilden, den die Astronomen vermissen. Man fasst sie unter dem Begriff MACHO (Massive Compact Halo Objects) zusammen. Allerdings sprechen mehrere Argumente dagegen, dass diese MACHOs genügen, um die Dunkle Materie zu erklären. Messungen haben zum Beispiel ergeben, dass fünf Sechstel der normalen Materie auch anders als über die

328 Gravitation wechselwirkt (was für Dunkle Materie nicht zutrifft).

© B. Q. Morris / Ein hypothetisches Hexaquark, das aus drei verschiedenen, je doppelt vorhandenen Quarks besteht. d*(2380) besteht nur aus zwei Quark-Flavors.

Demnach muss die Dunkle Materie aus bisher unbekannten Teilchen bestehen. Hier hat man eine Unterteilung der Kandidaten in kalte, warme und heiße Dunkle Materie vorgenommen. Dabei geht es nicht um eine messbare Temperatur, sondern um die Geschwindigkeit. »Kalte«

329 Dunkle Materie konnte im frühen Universum keine langen Wege zurücklegen, »warme« Dunkle Materie war mittelschnell und »heiße« Dunkle Materie war schnell und energiereich. Im Standardmodell, das nicht umsonst »CDM« (cold dark matter) im Namen trägt, findet nur kalte Dunkle Materie Platz.

Was kommt als kalte Dunkle Materie in Frage? Zum einen haben wir da das Axion, ein hypothetisches Elementarteilchen. Seine Existenz würde ein Problem lösen, vor dem die Quantenchromodynamik steht – die Theorie, die die starke Wechselwirkung (von Quarks und Gluonen) beschreibt. Sie sagt nämlich voraus, dass das elektrisch neutrale Neutron ein messbares elektrisches Dipolmoment besitzen müsste – das heißt, dass die Ladung in ihm nicht ganz homogen verteilt ist. Allerdings ist kein Dipolmoment nachweisbar – nicht mal ein viel schwächeres als die Theorie behauptet. Das Axion würde hier Abhilfe schaffen und das Fehlen erklären. Es müsste sich um ein sehr leichtes Teilchen handeln, bis zu zehn Milliarden Mal leichter als das Elektron, das schon selbst sehr leicht ist. Aber mit seiner schieren Zahl könnte es trotzdem den überwiegenden Teil der Masse des Universums ausmachen. Wenn ein Axion mit starken Magnetfeldern in Berührung kommt, könnte es sich in ein Photon umwandeln. So etwas könnte in der Sonne passieren, deshalb versucht man, Axionen der Sonne anhand ihrer

330 charakteristischen Strahlung im Röntgenbereich nachzuweisen. Bisher ist das noch nicht gelungen. Der zweite Kandidat für die Dunkle Materie ist das komplette Gegenteil des Axion. Das »WIMP« (Weakly Interacting Massive Particle«) verhält sich ganz und gar nicht wie ein »Wimp« (englisch für Schwächling), sondern ist im Gegenteil sogar besonders schwer, schwerer noch als die meisten bekannten Elementarteilchen und etwa so schwer wie zwei Goldatome. Trotzdem könnte es ganze Planeten ungestört durchfliegen – was seinen Nachweis kompliziert macht. Dafür bewegen sie sich bloß gemächlich voran – was es ihnen erleichtert, sich zu Haufen zusammenzuklumpen, wie es der Dunklen Materie eigen ist. Da die WIMPs schwer sind, bräuchte man bei weitem nicht so viele davon wie von den Axionen. Die Theorie der Supersymmetrie hat solche Teilchen auch tatsächlich auf Lager, nur hat man bisher keins davon gefunden, und auch die Supersymmetrie selbst harrt noch ihrer Bestätigung.

Neutrinos galten lange Zeit als aussichtsreiche Kandidaten für die Dunkle Materie. Ihr riesiger Vorteil ist, dass man sie bereits kennt. Allerdings weiß man inzwischen zu viel über sie, als dass sie noch den Hauptanteil der Dunklen Materie ausmachen könnten: dafür sind sie leider zu leicht. Es sei denn, das sogenannte sterile Neutrino existiert. Während normale Neutrinos für die schwache Wechselwirkung (eine der vier Grundkräfte) empfindlich sind, wäre das sterile Neutrino dafür unempfindlich. Es 331 könnte relativ schwer sein und würde, wie das für Dunkle Materie erforderlich ist, nur über die Gravitation Kräfte austauschen. Forscher versuchen schon seit einiger Zeit, sterile Neutrinos zu entdecken, waren bisher aber nicht erfolgreich.

Über den Autor Brandon Q. Morris ist Physiker und Science-Fiction-Autor. Unter hardsf.de schreibt er mehrmals wöchentlich über für SF-Leser interessante Wissenschaftsthemen aus Astrophysik und Kosmologie.

Wird Beteigeuze zur Supernova? von Andreas Dannhauer

In einem der prominentesten Sternbilder des Nordhimmels tut sich derzeit etwas. Der linke Schulterstern des Orion, derzeit noch abends vor 22 Uhr am Südhimmel zu sehen, genannt Beteigeuze, hat im letzten halben Jahr stark an Helligkeit eingebüßt, und zwar etwa eine Größenklasse. Das heißt, er leuchtet nur noch halb so hell wie Anfang Oktober letzten Jahres, was man mit bloßem Auge erkennen kann. Ein solcher Helligkeitseinbruch wurde bei diesem Stern bisher noch nicht beobachtet. Also was ist dort los? Bei Beteigeuze handelt es sich um einen sogenannten Roten Riesen, einen Stern, der viel größer als unsere Sonne (etwa 1000fach) ist, aber eine deutlich kühlere Oberfläche (3450K gegenüber 5778K) aufweist. Beteigeuze ist 20mal so 332 massereich wie unsere Sonne und wird nach den derzeit gültigen Sternentwicklungsmodellen irgendwann einmal zur Supernova werden. Könnte es sich bei der derzeitigen Verdunklung des Sterns um einen Vorboten dieses Geschehens handeln? Wir wissen es nicht genau. Die letzte von Menschen beobachtete Supernova in unserer Galaxis fand im Jahr 1604 statt, und von keiner extragalaktischen Supernova liegen detaillierte Helligkeitskurven des Vorgängersterns vor, sodass wir einfach nicht wissen, wie sich eine Supernova ankündigt. Was könnte denn sonst noch eine solche Verdunklung auslösen?

© NASA / ESA / Beteigeuze

Der Heliumblitz

333 Blicken wir ins Innere des Sterns. In jedem Stern wird Energie durch Kernfusion (Wasserstoff zu Helium) erzeugt und zwar genau so viel, dass die nach außen dringende Strahlung die Gravitation gerade kompensiert, die versucht, den Stern zusammenzuziehen. Das Fusionsprodukt Helium reichert sich im Kern des Sterns an. Wenn nicht mehr genug Wasserstoff zur Verfügung steht, um den Kern zu stabilisieren, zieht er sich so lange zusammen, bis Druck und Temperatur so weit gestiegen sind, dass das Helium zu Kohlenstoff fusionieren kann. Dadurch wird die Energieproduktion stark erhöht, was die äußeren Schichten des Sterns auseinandertreibt. Der Stern wird deutlich heller, dehnt sich aus, und die Oberfläche wird kühler. Ist der Stern nur schwer genug, kann sich dieser Prozess fortsetzen. Im Zentrum der Heliumkugel sammelt sich Kohlenstoff an. Geht das Helium zur Neige, kollabiert das Zentrum und wird so heiß, dass Kohlenstoff zu Neon fusionieren kann, und so weiter. Der Stern baut Schalen von Elementen auf, die in Richtung Zentrum immer schwerer werden. Da die Fusion von Helium zu Kohlenstoff weniger Energie produziert als die von Wasserstoff zu Helium, muss sie schneller ablaufen, was dazu führen kann, dass die Wasserstoffschale nicht genügend Brennstoff nachliefert. Das Heliumbrennen erlischt. Ist wieder genügend Helium vorhanden und die Temperatur hoch genug, zündet das Helium in einem sogenannten Heliumblitz, der seinerseits die Wasserstofffusion in der darüber liegenden Schale stört. Da die Wasserstoffschale näher an der Oberfläche liegt, wird die Störung eher an der Oberfläche sichtbar als der Blitz 334 selbst. Jener kündigt sich also durch eine Abschwächung der Helligkeit an. Diese Abschwächung würde ein paar Jahre oder Jahrzehnte dauern.

Alles nur Zufall Alle Riesensterne zeigen periodische Helligkeitsschwankungen, oftmals mit verschieden langen Perioden. Bei Beteigeuze wurden drei Perioden identifiziert, mit Längen von etwa 200 Tagen, 400 Tagen und 6 Jahren. Die Periodenlängen schwanken allerdings recht stark, und die Helligkeitsschwankungen sind deshalb nicht genau vorherzusagen. Es könnten diese drei Perioden also gerade zusammenfallen, und die Verdunklung wäre dann nur ein Zufall.

Ein Schleier aus Gas Eine dritte Möglichkeit, die eine plötzliche Verdunklung des Sterns erklären könnte, hängt mit seiner enormen Größe zusammen. Die äußersten Schichten des Sterns sind schon so weit vom Zentrum entfernt, dass sie gravitativ nur noch relativ schwach an ihn gebunden sind. Deshalb reicht schon ein kleiner Strahlungsausbruch, um größere Mengen an Gas hinaus ins Weltall zu blasen. Dieses Gas kühlt ab und hört damit auf zu leuchten. Wenn eine solche Gasansammlung nun, von der Erde aus gesehen, gerade vor dem Stern vorbeizieht, wird sie einen Teil des Lichtes absorbieren, der Stern leuchtet nicht mehr so hell. Die Gaswolkentheorie lässt sich überprüfen. Das Gas enthält auch immer einen Teil Staub, und dieser Staub streut blaues 335 Licht besser als rotes Licht. Wenn also die Gaswolkentheorie stimmt, dann sollte die Helligkeit im blauen Teil des Lichtspektrums stärker abgefallen sein als im roten Teil, und genau das wurde beobachtet. Beteigeuze wird also gerade von einer selbst produzierten Gaswolke verdunkelt, und die Helligkeitsabnahme ist kein Vorbote einer Supernova. Wann wird denn Beteigeuze aber nun wirklich zur Supernova? Das ist schwer zu sagen. Ein Riesenstern ist konvektiv, das heißt, er wird ständig durchgerührt, was einen Teil der schweren Elemente, die im Inneren erbrütet wurden, an die Oberfläche gelangen lässt, so dass sie im Spektrum sichtbar werden. Je mehr davon zu sehen ist und je schwerer die Elemente sind, desto näher ist der Stern der Supernova. Astrophysiker schätzen deshalb, dass Beteigeuze noch 100.000 Jahre bleiben.

Was würden wir dann beobachten? Wird Beteigeuze zur Supernova, dann würde er für einige Wochen so hell leuchten wie der Vollmond. Das wäre ein ordentliches Spektakel, aber vollkommen ungefährlich. Die Neutrinodetektoren würden haufenweise Neutrinos nachweisen und die Gravitationswellenobservatorien Gravitationswellen. Die Druckwelle kann sich mit etwa 10% der Lichtgeschwindigkeit ausbreiten, würde unser Sonnensystem in ungefähr 6000 Jahren erreichen und wäre dann so stark verdünnt, dass wir davon nichts mehr merken würden.

336 Weiterführende Informationen: http://www.youtube.com/watch?v=wuYxxDsO58U

337 Phantastisches Hören

Hör mal – die Audible-Kolumne von Reinhard Prahl

SuFU oder UnFug? Für Hörspielfans wie mich hat sich Audible in den letzten Jahren zu einem wahren Hörspielparadies entwickelt. Mit seinen Originals hat der Online-Riese einigen fantastischen Hörspielserien den Weg geebnet, und das bei einem fast unschlagbaren Preis/Leistungsverhältnis.

Allerdings ist es gar nicht immer so einfach, das Richtige zu finden. Das liegt weniger an einer zu geringen Auswahl als

338 vielmehr an den rund 200000 Werken, die sich im Portfolio des Anbieters befinden. Da kommt einem Tool wie der Suchfunktion eine wichtige Bedeutung zu. Doch leider hakt es seit Jahren genau bei diesem Gimmick gewaltig. Viele Schlagworte erkennt die SuFu des Abo-Anbieters nämlich gar nicht erst. Gängige Genrebegriffe wie BritCrime sucht man beispielsweise vergeblich, während sich der Terminus Cosy Crime ohne Probleme finden lässt. Das heißt, wenn man sich nicht gerade verschrieben hat. Gibt man bei Google etwa CosyCrime oder sogar Cosi Krime ein, leitet die Suchmaschine automatisch direkt zum richtigen Schlagwort weiter. Die SuFu von Audible versagt hier kläglich. Dasselbe gilt für Namen. Wer Ivar Leon Menger in das Suchfeld eintippt, wird selbstverständlich sofort fündig. Ein kleiner Verschreiber jedoch, und die Antwortliste bleibt leer. Das ist wenig komfortabel. An dieser Stelle dürfte Audible also gerne noch einmal ein wenig nachbessern.

Die Welten des Ivar Leon Menger Erwähnte ich übrigens gerade Ivar Leon Menger, den Mann, der Monster 1983 und Ghostbox erdacht und geschrieben hat? Wie bitte? Sie kennen weder Menger noch seine Hörspiele? Dann ist Ihnen als Genre- und Hörspielfan einiges entgangen. Der gebürtige Darmstädter wurde unlängst in der bekannten Facebookgruppe Hörspiel Fanatics etwas überschwänglich der »deutsche Hörspielpapst« genannt. Und auch, wenn ihm dieses hohe Lob möglicherweise etwas unangenehm sein dürfte, so ganz aus der Luft gegriffen ist diese Ehrenbekundung nicht. 339 Der zwischen 2015 und 2017 erschienene Dreiteiler Monster 1983 gehört mit seinen insgesamt 30 Stunden Laufzeit ohne Frage zu den besten Horror-Hörspielserien der letzten Jahre. Die Geschichte beginnt im Sommer 1983 in Oregon. Sheriff Thomas Cody (David Nathan) ist nach dem Tod seiner Frau gerade mit seinen beiden Kindern in ein kleines Küstenörtchen gezogen und nimmt motiviert seinen Dienst auf. Plötzlich überrollt eine mysteriöse Mordserie die Stadt, die in einer spannenden Retro-Horrorgeschichte mündet. Ghostbox steht dem in Sachen Spannung und Qualität in nichts nach. Die Reihe ist bislang in zwei Teilen mit je rund zehn Stunden Laufzeit erschienen und ein Genre-Mix aus Science-Fiction, Mystery und Thriller. Der Plot dreht sich um die junge Journalismuspraktikantin Lena Gruenwald, die die Facebookseite einer großen Berliner Tageszeitung betreut. Statt sich mit dem Skandal rund um den Flughafen Berlin-Brandenburg zu befassen, dreht sie aber lieber Videos über das Leben nach dem Tod. Als ihr Bruder tot in Heidelberg aufgefunden wird, wird sie in Geschehnisse hineingezogen, die nicht nur ihre Geister der Vergangenheit zu neuem Leben erwecken, sondern ihr den Weg in eine erschreckende Welt der Unsterblichkeit weisen.

340 Hör-Blockbuster vom Feinsten Ohne zu übertreiben, kann man bei beiden Serien von echten Hörspiel-Blockbustern sprechen. Hochkarätige Sprecher, bombastische Soundeffekte und fein abgestimmte, atmosphärische Musik gehören zum Markenzeichen des Autors und machen seine Werke zu einem wahren Hörgenuss. Die Tatsache, dass Menger üblicherweise auf einen Erzählerpart verzichtet, lässt zusammen mit den oben erwähnten Vorzügen Filme im Kopf entstehen, die visuell nicht besser umgesetzt sein könnten. Zudem gibt sich der 46-Jährige Raum zur kreativen Entfaltung. In 30 Stunden kann man eben viele große und kleine Geschichten erzählen, Figuren charakterisieren und Handlungsstränge vorantreiben. Ivar Leon Menger hat das ausführliche und dennoch spannende Erzählen zur Meisterschaft entwickelt und entführt seine Hörer immer

341 wieder in wirre Geflechte aus Geheimnissen, Lügen, Verschwörungen und Abenteuer. Reinhören lohnt sich also.

© prahl / Menger

Auf der virtuellen Interview-Couch mit Ivar Leon Menger Aber lassen wir Ivar am besten selbst zu Wort kommen. Obwohl er sehr beschäftigt ist, hat er sich dennoch die Zeit genommen, auf meiner virtuellen Interview-Couch Platz zu nehmen und ein wenig über sich und seine Arbeit zu erzählen.

Reinhard Prahl: Hallo Ivar. Vielen Dank, dass du dir Zeit für unsere Leser nimmst. Wenn man sich deine bisherigen Werke genauer anschaut, stellt man fest, dass du offenbar ein großer Genre-Fan bist. Woher kommt diese Lust auf das Übersinnliche?

342 Menger: Hallo Reinhard, danke für deine Fragen. Das liegt wahrscheinlich tief in meiner Kindheit verwurzelt. Ich hatte als kleiner Junge oft Angst vor Vampiren, Monstern und Untoten. Aber gleichzeitig eine starke Anziehung zur dunklen Seite. Ich bin Sternzeichen Skorpion. Als Zehnjähriger habe ich zum Beispiel auf unserem Dachboden eine begehbare Geisterbahn gebaut – mit nassen Schwämmen, die von der Decke baumelten, Spiegeln auf dem Boden, die den Eindruck eines tiefen Lochs erzeugen sollten, und überall Plastiktotenköpfe und Zombiemasken aufgestellt, die mir meine Eltern geschenkt haben, nachdem sie meine Leidenschaft für die fantastische Welt verstanden hatten. Und in meinem Tagebuch habe ich unter anderem geschrieben, dass ich Detektiv werden will, wenn ich groß bin, und nur eine Seite weiter abgetrennte Köpfe und Hände gemalt. Heute würde ein Kind deswegen wahrscheinlich zum Psychologen gesteckt werden.

RP: Wovon lässt du dich bei deinen Geschichten inspirieren? Basieren deine Themen auf Artikeln in Zeitschriften, Filmen oder eher auf Büchern?

Menger: Unbewusst lasse ich mich sicherlich aus Filmen und Serien inspirieren. Die alten Klassiker wie Der weiße Hai, Jurassic Park, aber auch neuere Serien wie The Sinner oder 343 True Detective. Aber gerne auch aus den Nachrichten, TV-Dokumentationen und Verschwörungstheorien aus dem Netz. Ich sauge das alles auf. Und dann irgendwann küsst mich die Muse und gibt mir den richtigen Hinweis. Dann wird die Geschichte geplottet und geschrieben.

RP: Wie ist es mit den Figuren? Hand auf's Herz: Hat sich deine Frau schon einmal in einem deiner Hörspiele wiedererkannt und dir anschließend einen bösen Blick zugeworfen?

Menger: Nein, da meine Frau meine Hörspiele tatsächlich nicht hört. Sie schläft dabei immer ein. Meine Frau weiß also gar nicht, was ich schreibe. Aber tatsächlich gehe ich bei der ersten Figuren-Entwicklung erstmal von den Eigenheiten meiner Freunde und Bekannten aus, das entfernt sich dann aber ganz schnell von den Originalen, wenn die Geschichte Fahrt aufnimmt. Dann gibt es keine Ähnlichkeiten mehr.

RP: Beim Hören deiner neuesten Serie Ghostbox fiel mir auf, dass du den wissenschaftlichen Hintergrund recht gut recherchiert hast. Wie viel Zeit verbringst du in der Regel mit der Hintergrundrecherche?

Menger:

344 Oh, das war bei Ghostbox in der Tat eine sehr intensive Recherche-Arbeit, da ich in den verschiedenen Bereichen Medizin, Biologie, Polizeiarbeit, Hirn- und Zukunftsforschung sowie Künstliche Intelligenz ja selbst erstmal verstehen musste, wie etwas funktioniert, um es dann verständlich und unterhaltsam zu vermitteln, ohne zu langweilen.

RP: Erzähl uns ein wenig über deinen Studioalltag. Wie suchst du die passenden Stimmen für deine Hörspiele aus, und wie gestaltet sich dein Arbeitstag mit dem Hörspielstudio Sound of Snow?

Menger: Bei manchen Figuren weiß ich schon beim Schreiben, wer die Rolle später spielen wird. Wie z.B. Gerrit Schmidt-Foß in Staffel 2 von Ghostbox. Oder David Nathan, Luise Helm und Ekki Belle für Monster 1983. Das Wichtigste beim Hörspiel ist die richtige Besetzung, das macht schon 80% des Hörspiels aus. Also die richtige Stimme, die sofort ein Bild im Kopf erzeugt. Ist sie eher dunkel und tief, also ein stämmiger Mann, oder fiepsig und hoch wie eine Schlange? Die wichtigste Regel: Bei jeder Stimme und Stimmlage müssen immer sofort Bilder entstehen, ansonsten wird der Hörer den Figuren nicht glauben und ihnen nicht folgen. Und die Unterscheidbarkeit der Stimmen ist ebenfalls wichtig, damit man die Figuren nicht immer mit Namen anreden muss, um zu erklären, wer gerade spricht.

345 RP: Die Resonanz der Hörer von Ghostbox ist seit dem Release der ersten Staffel überwältigend. Der erste Teil glänzt mit einer 4,5-Sternebewertung bei derzeit 4824 Bewertungen. Warst du von diesem Erfolg überrascht?

Menger: Ja, total. Denn Ghostbox ist ja schon etwas ganz anderes als Monster 1983. Es spielt in der heutigen Zeit – und das auch noch bei uns in Deutschland. Also alles sehr realistisch, da ist beim Hören weniger Platz für bunte Popcorn-Fantasie, denn bei Stichworten wie Berlin oder Heidelberg gehen ja sofort gespeicherte Bilder im Kopf an, die man aus dem Fernsehen kennt. Und die sehen nun mal anders aus als bei Steven-Spielberg-Filmen. Deshalb hat es mich sehr gefreut, dass Ghostbox trotzdem so gut bei den Hörer/innen ankommt.

RP: Bewertungssyteme sind auf Plattformen wie Audible das Salz in der Suppe für den Hörer. Fair sind sie deshalb aber nicht immer unbedingt. Wie siehst du das?

Menger: Einen Tag nach der Veröffentlichung warte ich natürlich mega gespannt auf die ersten Rezensionen, denn die zeigen zumindest eine Richtung, ob wir alles richtig gemacht haben und wir die Hörer/innen gut unterhalten konnten. Aber aus der Erfahrung kommen natürlich auch irgendwann negative 346 Kritiken, verständlicherweise – denn niemandem kann alles gefallen, aber die schlechten dann zu lesen, zieht einen ganz schön runter. Ich habe ja schließlich ein Jahr mit viel Leidenschaft dafür gearbeitet. Deshalb werde ich zur Sicherheit ab diesem Jahr die Rezensionen nach drei Wochen nicht mehr lesen, ich muss ja weiterhin mit viel Freude an der dritten Staffel arbeiten.

RP: Wo siehst du persönlich die größten Vor-, aber auch Nachteile in deiner Zusammenarbeit mit Audible?

Menger: Audible ist für mich der perfekte Auftraggeber, denn sie lassen mir alle kreativen Freiheiten, um meine Geschichten zu entwickeln. Sie vertrauen mir zu 100 Prozent. Dafür bin ich sehr dankbar.

RP: Letzte Frage für die Sammler unter uns. Was denkst du? Wird es Ghostbox irgendwann auf CD schaffen?

Menger: Ich denke nicht. Denn das CD-Geschäft ist einfach nicht mehr so lukrativ für die Labels wie vor ein paar Jahren. Das ist natürlich sehr schade für uns Sammler, das kann ich total verstehen. Aber ich persönlich habe leider auch keinen Einfluss darauf. Das war auch der Grund, warum ich auf meiner Webseite einen Fanshop mit T-Shirts, Caps und 347 Hoodies eröffnet habe, um den Hörer/innen so zumindest die Möglichkeit geben, ihre Hörspiel-Leidenschaft zu zeigen. Denn ich bin ebenfalls von Natur aus Sammler – auch wenn ich meine riesige CD- und DVD-Sammlung vor Jahren auf ebay verkauft habe (wir sind in fünf Jahren fünfmal umgezogen, das nervt). Tut mir leid, dass ich da keine schöneren Nachrichten habe. Aber wer weiß, vielleicht meldet sich irgendwann ein Label bei Audible, um die CD-Rechte zu kaufen. Also Daumen drücken!

RP: Vielen Dank für das spannende Gespräch, lieber Ivar.

Menger: Sehr, sehr gerne.

Weiter Informationen über Ghostbox gibt es hier: https://ghostbox.de/

348 Phantastisches Fandom

Quo vadis, Con-Jahr 2020? von Thorsten Walch

Die gegenwärtige Corona-Pandemie (siehe unser Hauptartikel in dieser Ausgabe von Reinhard Prahl) bringt bekanntermaßen viele Auswirkungen auf das private wie auch geschäftliche Leben mit sich. Dementsprechend macht sie auch nicht vor Conventions, Messen und anderen großen Veranstaltungen aus der Fantastik-Fan-Szene halt. In dem nachfolgenden Artikel möchten wir über die uns bekannten Verschiebungen, Absagen und anderweitigen Änderungen in Sachen „Fantastische Veranstaltungen“ berichten. Wir bitten um Verständnis dafür, dass alle Angaben nur ohne Gewähr erfolgen können, da der Verlauf einer Pandemie natürlich nicht vorhersehbar ist und es verständlicherweise keine Garantien für Ersatztermine oder dergleichen gibt: So wurden im zurückliegenden April Großveranstaltungen bis zum 31. August durch den Gesetzgeber untersagt, doch liegt die Einzelfallregelung bei den jeweiligen Bundesländern. Aus diesem Grund gilt für alle Ersatztermine »Nur unter Vorbehalt!« Die für ursprünglich vorgesehene Termine gekauften Eintrittskarten, Autogramm-Gutscheine und Ähnliches behalten ihre Gültigkeit auch für die Ersatztermine. Bei Fragen aller Art sollten die Veranstalter kontaktiert werden, 349 deren Email-Adressen sich auf den jeweiligen Websites befinden. Dabei sollte selbstverständlich stets die »Netiquette« beachtet und auf ungerechte Schuldzuweisungen und ähnliches verzichtet werden. Veranstalter aller Art sind existentiell ebenso von der derzeitigen Situation betroffen wie alle anderen Geschäftsleute auch!

Weekend Of Hell – Spring Edition Die Frühlingsausgabe der unter Horrorfans hoch geschätzten Kultveranstaltung Weekend Of Hell, die am Wochenende vor Ostern am 4. und 5. April 2020 im Kongresszentrum Crown Plaza in Neuss bei Düsseldorf stattfinden sollte, gehörte zu den ersten infolge der Corona-Pandemie verschobenen Veranstaltungen. Hier hatten Fans aus dem Horror-Bereich bekannte Gaststars wie »Freddy Krueger« Robert Englund oder Jennifer Rubin (Nightmare On Elm Street 3) und Sarah Butler (I Spit On Your Grave) treffen sollen. Als Ersatztermin für das Weekend Of Hell wurden der 7. und 8. November 2020 ebenfalls im Crown Plaza Neuss angekündigt, die Ankündigung neuer und/oder alter Gaststars wird für in Kürze erwartet. Aktuelle Informationen unter www.weekend-of-hell.com.

MagicCon 2020 Deutschlands größte Fantasy-Convention, veranstaltet vom renommierten Team der FedCon in deren Veranstaltungs-Stammlocation im Maritim Hotel Bonn, war ursprünglich für das bereits hinter uns liegende 350 Wochenende vom 17. bis zum 19. April 2020 vorgesehen und musste infolge der aktuellen Situation abgesagt werden. An diesem Wochenende veranstaltete MagicCon- und FedCon-Urgestein Nessi die OMACon 2020, die Online MagicCon-Alternativ-Convention, während der es verschiedene Panels auf Twitch-TV mitzuerleben gab. Als geplanten Ersatztermin für die reale Con wurde das Wochenende vom 24. bis zum 26. Juli 2020 bekanntgegeben. Welche von den angekündigten Gaststars (darunter Richard Armitage, Gavin Leatherwood und Miranda Otto) auch beim Ersatztermin mit dabei sein können, wird rechtzeitig von den Veranstaltern auf der Website (www.magiccon.de) sowie in den sozialen Netzwerken bekanntgegeben.

Destination Star Trek Germany 2020 Auch die große Star-Trek-Fanmesse in den Dortmunder Westfalenhallen, die in Kooperation mit der German Comic Con vom 1. bis zum 3. Mai 2020 stattfinden sollte, wurde auf einen späteren Termin verschoben. Hier sollte unter anderem das von Björn Sülter, Reinhard Prahl und Thorsten Walch verfasste Sachbuch Die Star Trek Chronik Band 1 – Star Trek: Enterprise erstmals vorgestellt werden. Destination Star Trek Germany soll nunmehr vom 9. bis zum 11. Oktober 2020 an gleicher Stelle veranstaltet werden. Noch ist unklar, ob und welche der angekündigten Gaststars (darunter Kate Mulgrew und der größte Teil des restlichen Casts aus Star Trek: Voyager) auch an dem neuen Termin

351 teilnehmen können. Aktuelle Informationen sind unter www.destinationstartrekgermany.com zu finden.

German Comic Con Die zeitgleich mit Destination Star Trek vom 1. bis 3. Mai 2020 in den Dortmunder Westfallenhallen geplante German Comic Con wurde ebenfalls verschoben. Hier hätten unter vielen anderen Hayden Christensen (Anakin Skywalker aus Star Wars Ep. I bis III, Carl Weathers (Greef Carga aus The Mandalorian) sowie Sasha Pieterse und Luy Hale (Alison und Aria aus Pretty Little Liars) zu Gast sein sollen. Die Ersatzveranstaltung wurde für den 1. und 2. August angekündigt und findet somit unabhängig von der Destination Star Trek statt.- News auch über die Gaststars unter www.germancomiccon.com.

Power Of The Force Convention 2020 Die Star-Wars-Convention in der Turbinenhalle Oberhausen war ursprünglich für das gleiche Datum wie die Destination Star Trek/German Comic Con zwischen dem 1. und 3. Mai 2020 vorgesehen gewesen – als Gaststars waren unter anderem Spencer Wilding (der neue Darth Vader) sowie Garrick Hagon (Biggs Darklighter aus Star Wars: A New Hope) angekündigt gewesen. Der neue Termin ist das Wochenende 18./19. Juli 2020. Informationen unter www.poweroftheforce.net.

DDoKomi und Connichi 2020

352 Die ursprünglich für das Wochenende vom 23. bis zum 24. Mai 2020 geplante Anime- und Japan-Expo DoKomi in der Messe Düsseldorf mit vielen Gaststars aus der Anime- und Manga-Szene sowie Cosplayern wurde auf das Wochenende vom 12. bis zum 13. September 2020 an gleicher Stelle verschoben. Nähere Informationen unter www.dokomi.de. Die zweite große alljährliche Conventions für Fans der japanischen Manga- und Anime-Kultur, die Connichi in Kassel, wurde hingegen für dieses Jahr komplett gestrichen. Sie hätte vom 4. bis zum 6. September im Kongress Palais Kassel stattfinden sollen und Begegnungen mit Zeichnern, Sprechern und anderen Prominenten ermöglichen sollen. Allerdings gibt es mit dem Wochenende vom 3. bis zum 5. September 2021 bereits einen Ersatztermin für das kommende Jahr. Näheres unter www.connichi.de.

FedCon 29 Die größte und bekannteste deutsche Science-Fiction-Convention im Maritrim-Hotel Bonn, auf der als Gaststars in diesem Jahr unter anderem Zachary Quinto (Mister Spock aus den drei letzten Star-Trek-Filmen) und Rachel Luttrell (Teyla aus Stargate: Atlantis) sowie ein Großteil von Rachels Schauspielkollegen aus dieser Serie angekündigt waren, sollte ursprünglich, wie bereits in den vergangenen Jahren, erneut am diesjährigen Pfingstwochenende (29. bis 31. Mai) stattfinden. Als Ersatztermin wurde nun das Wochenende vom 10. bis zum 12. Juli 2020 an der gewohnten Veranstaltungsstätte 353 angekündigt. Über Neuigkeiten, eventuelle Änderungen und Ähnliches kann man sich unter www.fedcon.de informieren.

Internationaler Comic-Salon Erlangen 2020 Die renommierte Veranstaltung in der Heinrich-Lades-Halle in Erlangen, welche zwischen dem 11. und dem 14. Juni hätte stattfinden sollen, wurde ebenfalls für dieses Jahr abgesagt. Eingeladen waren Gäste aus dem erweiterten Comic-Bereich. Der Termin für das nächste Jahr wurde bis zum Redaktionsschluss dieser Ausgabe des Corona Magazine noch nicht angekündigt. Informieren kann man sich unter www.comic-salon.de.

San Diego Comic Con Selbst vor der größten und zweifellos bekanntesten Fan-Messe der Welt, der 2020 Comic-Con International: San Diego im riesigen Convention Center der gleichnamigen kalifornischen Metropole, auf der sich alljährlich Dutzende von Film- und TV-Stars förmlich die Klinke in die Hand geben, machen die Einschränkungen durch die Corona-Pandemie nicht halt: Die für den Zeitraum vom 23. bis zum 26. Juli angekündigte Großveranstaltung wurde (bis zum Redaktionsschluss für dieses Jahr ersatzlos) erstmals seit ihrem 50-jährigen Bestehen abgesagt. Allerdings wurde mit dem 22. bis 25. Juli 2021 schon der Termin für das kommende Jahr angekündigt. Unter www.comic-con.org gibt es mehr darüber zu lesen.

354 Es sieht also ganz danach aus, als würden sich die fannischen Aktivitäten hierzulande im Bereich der Fantastik in 2020 komplett auf die zweite Jahreshälfte verlegen. Wir vom Corona Magazine werden auch in den nächsten Ausgaben insbesondere über diesen Punkt berichten.

355 Mitarbeit am Corona?

Gerne und jederzeit!

Sie schreiben gerne und gut? Bringen Ihre Gedanken zielsicher auf den kreativen Höhepunkt, neigen zu nächtlicher Selbstkasteiung, um fingernagelkauend und schlaftrunken die wichtigste Deadline überhaupt einhalten zu können? (Damit meinen wir unsere...)

Toll, wissen Sie was?

Auf Sie haben wir gewartet!

Das Corona Magazine ist ein Online-Projekt, das zu einer Zeit entstanden ist, als 14.4er Modems noch schnell schienen, 64 MB RAM noch wirklich viel waren und das Internet noch den Geist des kostenlosen Informationsaustauschs in sich trug. Zumindest letzteres haben wir aus unseren Anfangszeiten bis in die Gegenwart gerettet. Das Corona Magazine ist nicht-kommerziell. Wir verdienen vielleicht Geld, wir bekommen es aber nicht. Das gilt dann leider auch - und wie so oft - für unsere Autoren, Webmaster, Chefredakteure und das Lektorat.

Warum sollte dann irgendjemand auf die Idee kommen, bei uns mitzumachen?

356 Nun, abgesehen von einer gewissen Dosis Masochismus und der zumeist angeborenen Sehnsucht nach der großen oder kleinen Bühne, verbindet die Mitarbeiter des Corona-Projekts vor allem eines: Der Spaß an der Sache. Obwohl wir im ganzen deutschsprachigen Europa verteilt sind, sind unsere Treffen stets feuchtfröhlich, unsere Chats und Telefonate meist inspirierend (oder zumindest transpirierend) und die Diskussionen in unseren Mailinglisten sind, so denn das Gros der Redakteure mal aus dem Quark kommt, das reinste Paradebeispiel für den Aufbau eines gelungenen Networking. Denn egal in welche Stadt man kommt - ein Corona-Redakteur ist meist schon da.

Wer sind wir eigentlich genau?

Es gab Zeiten und Projekte, da waren wir ein äußerst kunterbunter Haufen. Inzwischen sind wir nur noch bunt. Unsere Redaktion setzt sich aus ehrenamtlich arbeitenden Journalisten, Redakteuren, Lektoren und einer Handvoll von Menschen zusammen, die genau so was unheimlich gerne geworden wären, wenn die Medienbranche nicht so eine Knochenmühle wäre. Das bedeutet für jeden Interessierten, dass er oder sie immer eine Chance hat, dieser Ansammlung an Individuen beizutreten - wenn er mag und kann.

Eine Mail an [email protected] mit einem netten Betreff, wie z.B. »Hallo, da bin ich!« und einer kurzen

357 Vorstellung der eigenen Person reicht da völlig.

Wir freuen uns auf Sie!

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