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alternative türkeihilfe

Seit nun mehr als 20 Monaten herrschen in der Türkei die Militärs. Die Menschenrechte werden täglich mit Füßen getreten. Folter ist allgemeinwärtig. Tausende von politischen Gefangenen werden in zweifelhaften Massenveifahren abgeurteilt. Als einziges Nato-Land vollstreckt die Türkei Todesurteile. Gewerkschaften und Parteien sind verboten. Die wirtschaftliche Situation der Bevölkerung ist katastrophal.

Angesichts dieser Situation ist es mehr dennje notwendig, "alternative" Hilfe zu leisten, die nicht • einige Großkonzerne und den Unterdruckungsapparat der Militär stützt, sondern sich an den Bedüifnissen der Bevölkerung orientiert. Die alternative türkeihilfe, die eine lniti,rive von ;.,. Einzelpersonen ist (Schriftsteller, Bundestagabgeordnete, Rechtsanwälte, Vertreter der Kirche) sieht hier eine ihrer zentralen Aufgaben. Erklärte Ziele sind: " •• - Die Unterstützung von politischen Gefangenen und deren Angehörigen. - Die Versorgung mit Medikamenten für Slums und verarmte Döifer, sowie die finanzielle Unterstützung von veifolgten Oppositionellen. Ein weiterer Schwerpunkt der Arbeit ist die Publikation alternativer Materialien. Da die Medien in der westlichen Welt sich mehr in Schweigen hüllen, ist es notwendig, über die tatsächliche Situation der Türkei zu berichten, um so der Öffentlichkeit ~in korrektes Bild von den dort herrschenden Zuständen zu vermitteln. 1m einzelnen geschieht diese Informationsarbeit durch (Broschüren, Presserklärungen, Türkeiarchiv, türkei-infodienst) "Die alternative türkeihilfe" ist kein politischer Verband, der ideologisch festgelegt ist. Sie ist vielmehr ein Zusammenschluß von Einzelpersonen. Sie wird von folgenden Personen getragen: Manfred Coppik, Klaus Kirschner, Klaus Thüsing, Heidemarie Wieckorek-Zeul, Jürgen Roth, Günter Wallraf, Gehard Zwerenz, Christine Huth, Bernhard Hoffmann, Kamil Taylan, Helmut Oberdiek, Renate Schmfdt Bislang gehören dem Unterstützerkreis der "alternative türkeihilfe" u.a. folgende Persone/l..l1n: Tilman Zülich, Anna Rheinberg, Reinhard Opitz, RuthPfriemen, Klaus Mecking, Renate Kirchheim, Ingeborg Drewitz, PeterO. Chotjewitz, Werner Schlegel, Gürtter Pabst, AGA V AG alternative Verlag und Autoren, Horst Bingel, ISS Institut für Sozialarbeit und Sozial• pädagogik, Klaus Vack, Klaus Traube, Claus Offe.

Spendenkonto: Jürgen Roth

4012357/01" Deutsche Bank FrankfurtBLZ: 50070010

~. 3,-DM Seite

Wie stell~dii Reakt.ion die Entwicklung dar? DIE BORGERMEl,STERWAHlEN VON 1979 10 EINLEITUNG DIEZEIT DER SELBSTVERWALTUNG •...•.••...... •... 12 Ist der Ansicht, daß eine Europäische Union auf gemeinschaftlicher Ebene von einem DIE PUNKTOPERATION 15 neuen Aufschwung des Europarats begleitet sein muß, denn zu einer Zeit, da das freie Der Verlauf . Europa bedroht ist, braucht das Europa der demokratischen Prinzipien, der Grundfrei• heiten, der Menschenrechte, der kommunalen und regionalen Freiheiten und der kulturel• NACH OPERATION UND PUTSCH 20 len Rechte einen neuen Einsatz der europäischen Bevölkerung und ihrer örtlichen, regio• PER PROZESS GEGEN DIE FATSANER nalen und nationalen Vertreter; in diesem Zusammenhang macht die Konferenz das Ministerkomitee des Europarats und der Parlamentarischen Versammlung insbesondere - Auch für die Türkei einmalig - 22 auf folgende Punkte aufmerksam:

a. es gilt, innerhalb der Familien der europäischen Demokratien die demokratischen Freiheiten und die Freiheit des Ausdrucks zu stärken und insbesondere mit Nachdruck ANHANG: darauf hinzu wirken, .daß die zahlreichen Verletzungen der demokratischen Freiheiten und der Menschenrechte in der Türkei ein Ende nehmen und daß dieses Land so rasch Ein Soldat beschreibt wie möglich zu dem parlamentarischen System und zur Demokratie auf örtlicher Ebene zurückfindet, die zur Zeit in sämtlichen Städten des Landes suspendiert sind; die Konfe• Fernsehsendung vom 18.12.80 renz wird weiter darauf hinarbeiten, daß die Haft von gewählten Kommunalpolitikern Fatsa macht erneut Schlagzeilen aufgehoben wird und daß die Kommunalverwaltungen wieder zu ihrem demokratischen Bericht der niderländischen Delegation Funktionieren zurückkehren, so daß die Bürgermeister der türkischen Städte ihren Platz innerhalb der Konferenz wieder einnehmen können; 3 4

In Fatsa fand die Generalprobe für den Fatsa beispielhaft aufzeigen, daß in der Putsch statt. Die Juhta ist überzeugt, daß Türkei eben nicht die immer wieder zi• sie die linke Opposition im Lande erst tierten links-rechts Auseinandersetzungen dann erledigt hat, wenn sie die Idee von ausschlaggebend fur die heutige Unter• Fatsa vernichtet hat. Das aber macht das drückung waren, daß die Opposition vor Modell Fatsa so wichtig. Fatsa steht dem Putsch zu mehr in der Lage war, als deshalb auch für Widerstand gegen Mili• sich in heillose ideologische Diskussionen tärherrschaft in der Türkei, rur einen al• zu verstricken, und daß es Ideen gibt, die ternativen Weg der Entwicklung in einem auch über die Grenzen dieses Landes rückständig gehaltenen Land, rur Ansätze hinaus'eine Bedeutung haben. von Sozialismus in einem Land unter kapitalistischer und imperialistischer Aus• DAS MODELL FAlSA beutung. FATSA MUß LEBEN; denn mit Fatsa lebt die Hoffnung auf eine bessere Zu• Diese Broschüre soll an d~m Schicksal von kunft in der Türkei und anderswo. Kaum eine Stadt in der Türkei kann von gen zwischen dem militanten Flügel der sich behaupten, mit nur 23.000 Einwoh• faschistischen MHP und den sozialisti• nern die Bedeutung von Fatsa am Schwar• schen Kräften. Faschisten hatten keinen zen Meer erreicht zu haben. Fatsa ist auch Platz in Fatsa. Das bedeutet aber nicht, nach dem Militärputsch vom 12. Septem• daß hier eine kommunistische Gewalt• ber 1980 wieder in aller Munde. Die herrschaft errichtet worden war, wie es Junta, ihr Chef Evren und die linientreue die reaktionären Medien immer wieder Presse versucht Fatsa als das Schreckens• wiss~n wollen. In und um Fatsa hatte bild einer 'linken' Herrschaft darzustellen. die Bevölkerung das Wort. Mit dem Volk, Um die Alternative, die in Fatsa in der für das Volk, war hier die Devise. Von der ersten Hälfte des Jahres 1980 aufgebaut Verwaltung her wurden keine Verspre• wurde, kleinzukriegen, haben sie einen chungen gemacht; im Gegenteil die Be• Prozeß inszeniert, der in der Geschichte völkerung wurde bei jedem Vorhaben ge• woW einmalig sein dürfte. 3% der Bevöl• fragt, ob das Projekt durchftihrbar war. kerung sind angeklagt und rur 1% der Sei b s t b e s tim m u n g und Fatsaner wird die Todesstrafe gefordert. Sei b s t ver wal tun g waren die Zauberworte rur das Modell FATSA. Das Modell Fatsa aber lebt weiter und hat Signalwirkung nicht nur rur die Türkei Es trifft sicherlich zu, daß die Fatsaner selber. Nach den BürgermeisterwaWen im Anleihen bei der Idee der Widerstands• Oktober 1979 wurde hier bis zur 'Punkt• komitees genommen hatten, wie sie von operation' von Militär, Polizei und Zivil• der Befreiungsorganisation 'Devrimci Y01' faschisten im Juli 1980 eine Selbstverwal• entwickelt worden war. Das bedeutet tung praktiziert, die auch in Zukunft rur aber nicht, daß das Gebiet durch diese Or• ein Schwellenland wie die Türkei weg• ganisation zu einem Befreiten Gebiet er• weisend sein dürfte. klärt wurde, wie es damals Demirel und Sicherlich, in dieser Stadt waren die Lin• heute General Evren behaupten. Es war ken vorherrschend. ScWießlich stammte ein Experiment, das sehr viel versprach, auch die Idee von ihnen. Es gab auch bis das Militär eingriff, weil man eine nicht mehr die rur die Türkei Ende der freie Atmosphäre in dem Lande nicht 70er Jahre typischen Auseinandersetzun- dulden konnte. ~ g

die gesamte Linke in der Türkei schlecht• gestürmt und alles wieder 'zerstört, was zumachen. Zu seinen Reden auf den Pro• in mühsamer Arbeit an alternativen pagandatouren im Lande kamen soge• Strukturen aufgebaut worden war. Kor• nannte 'Fernsehdokumentationen' und ruption und Ausbeutung hielten wieder 'Zeitungsreportagen " die ein grausames Einzug in Fatsa und auch die Faschisten Bild von der Lage in Fatsa vor dem Ein• selber wurden nun in die Stadt transpor• griff des Militärs zeichnen sollten. Fatsa tiert, um dann nach dem Putsch die als Ort des 'Terrors von links', ein Ge• fortschrittlichen Kräfte weiter zu denun• meinwesen, das sich aus dem Staatsver• zieren. band gelöst hatte, um von Moskau ge• steuert zu werden usw. Man erkannte aber bald, das Fatsa mili• WAS IST FATSA EIGENTLICH? tärisch nicht zu besiegen war. In der Tür• Mit dieser Broschüren sollen auch die kei hatte der Geist von Fatsa mehr be• Lügen der Herrschenden über Fatsa auf• wirkt, als nur die Selbstverwaltung in ei• Fatsa ist eine kleine Stadt am Schwarzen Beruf Schneider, im Oktober 1979 an• gedeckt werden, indem Schritt fUr ner Stadt. Aus diesem Grunde wurden in Meer. Mit ihren 23.000 Einwohnern kann fing. Schritt die Entwicklung in der Kommune Fatsa nach dem 12.09.80 nicht nur man die Kreisstadt nicht zu den großen massenweise Verhaftungen vorgenom• Zwischen Oktober 1979 und Juli 1980 beschrieben wird. An einigen Stellen ge• Zentren der Region zählen. Die große men, das Modell Fatsa wurde in immer Uferstraße kommt von Ankara über Sam• hen wir daher auch auf die Gegenpropa• geschahen in Fatsa große Dinge. Mit ver• wiederkehrenden Hetzkampagnen ange• sun und fUhrt dann zu den bedeutenderen einten Kräften wurden Straßen durch ganda ein, wie sie noch heute nach der Eröffnung des Prozeßes immer wieder griffen und nicht selten mischte sich Städten im Osten, die Provinzhauptstadt Sumpfgebiete gebaut und- ~eichzeitig von der Reaktion vorgetragen wird. Juntachef Evren selber ein, um mit Fatsa , Rize und . Hier finden sich dabei ein Volksfest veranstaltet. Glücks• auch die Zentren einer anderen Minder• spiel und Wucherei hatten keinen Platz heit der Türkei: die Lasen, die gerne mit mehr in dieser Stadt. Konflikte wurden den Ostfriesen verglichen werden, aber zugunsten der Armen und Unterprivili• über eine eigene Sprache und Kultur ver• gierten geregelt. Die Bevölkerung hatte fUgen. ungehinderten Zugang zu allen bürokra• tischen Einrichtungen und was noch ent• ObwoW Fatsa am Schwarzen Meer liegt, scheidender war, die wesentlichen Ent• rangiert der Fischfang erst an 2. Stelle, scheidungen wurden in den 11 Stadtteil• da auch kein bedeutender Hafen vorhan• komitees gefallt und die Stadtverwaltung den ist. Wesentlicher ist der Haselnußan• war praktisch nur noch das ausftihrende bau, ein Geschäft, das fUrdie gesamte Re• Organ bei der Planung, denn die meisten gion ebenso typisch ist wie der Teeanbau. Projekte wurden in Fatsa fortan mit ver• einten Kräften angepackt. In dieser At• Alles in allem kann Fatsa also als ver• mosphäre, die sich natürlich schon vor träumtes Städtchen im Norden der den Bürgermeisterwahlen abzeichnete, Türkei bezeichnet werden. Fatsa wurde hatten die Faschisten reißaus genommen, weder durch ein Spie1casino noch durch denn hier konnten sie mit ihrer Propa• eine erfolgreiche Fußballmannschaft be• ganda nicht landen. kannt. Auf kulturellem Gebiet hatte Fatsa ist eine kleine Stadt am Schwarzen Fatsa vor dem Putsch sicherlich einiges Weil die Herrschenden über die Zivilfa• Mee. Fatsa wurde vor dem Putsch vom zu bieten, aber auch dies stand im Zusam• schisten keinen Terror in der Stadt ver• Militär besetzt. menhang mit dem Experiment der Selbst• breiten konnten, ftihlten sie sich schließ• verwaltung, das mit der Wahl des unab• lich selber veranlaßt einzugreifen. Zwei hängigen l\andidaten Fikri Sönmez, von Monate vor dem Putsch wurde die Stadt z ~ beutung beim Haselnußanbau gegründet. Die Vorgänger der Junta von 1980 un• ternahmen aber auch damals schon eine Im Jahre 1969 veranstalteten die Händler ganze Reihe von Vernichtungskampag• eine Kundgebung in Ordu, bei der es zu nen, die sich aber im wesentlichen auf Auseinandersetzungen kam. Im Anschluß politische Prozesse und die Hinrichtung daran wurden verschiedene Orte zerstört an drei Revolutionären beschränkten. oder in Brand gesteckt. Ein nervöser Von den Bürgern der Stadt Fatsa gab es Händler eröffnete aus dem 4. Stock eines aber etliche, die während der '71er Mili• Hauses das Feuer auf die Menge. Eine äl• tärdiktatur auch auf Jahre hinter Gitter tere Person wurde dabei getötet. Aus Pro• wandern mußten (Schneider Fikri war test setzten sich die Demonstranten auf einer davon). die Hauptstraße und versperrten flir 13 Stunden den Verkehr. Armeeinheiten Als nach 1974 die Faschisten versuchten, rückten an, Mannschaftswagen fuhren sich in Fatsa breit zu· machen, trafen sie DIE POLITISIERUNG DER FATSANER vor. Die Bevölkerung umzingelte die Wa• auf einen ebenso entschlossenen Wider• stand, der sich trotz der vielen Festnah• Das Phänomen FA TSA ist nicht über Es wurde aufgedeckt, daß eine Reihe gen und hinderte die Soldaten am Aus• Nacht entstanden. Sicherlich wurde die von Händlern Steine und Sand unter steigen. Schwere Auseinandersetzungen men in den letzten Jahren sehr rasch orga• nisierte. Neben der Gründung der fa• Stadt erst mit der Wahl des unabhängigen die Nüsse mischten. 17 dieser Händler lagen in der Luft. Aber bevor es zu einer schistischen Vereinigung Ülkü-Bir und Kandidaten Fikri Sönmez zu der Kommu• wurden vor ein Gericht gestellt, aber weiteren Provokation kam, entschloß sich die Schar auseinanderzugehen. An diesem· Ülkü Ocaklari wurden in diesen Jahren ne, in der eine neue Art von Verwaltung die Herrschenden reagierten, indem sie aber auch die Volkshäuser und die Leh• praktiziert wurde. Das machte die Stadt den Ricllter Remzi Yargic, der die Haft• Tag wurden 35 Fatsaner und noch einmal rervereinigung TÖB-DER gegründet. schließlich zur Zeilscheibe fur die gesamte befeWe ausgestellt hatte, strafversetzten. soviel Bewohner aus Bulancak festgenom• men. Ihren ersten Mord begingen die Faschi• Reaktion, aber die Bevölkerung hatte sten an dem Vorsitzenden der Volks• schon in den Jahrzehnten zuvor etliche Im selben Jahr hielt auch der Schwarz• häuser, Kemal Kara. In der Zeit der Na• Kämpfe erlebt, die deutliche Spuren im markt in Fatsa Einzug. Aufgrund der Nach 1970 begannen die Aktivitäten auf den Dörfern noch intensiver. In diese Zeit tionalen Front-Regierung (1975/76) nah• Bewußtsein hinterlassen hatten. Preiserhöhungen begannen einige Ver• men die faschistischen Angriffe immer käufer, Güter wie Zucker oder ähnliches der Militärdiktatur vom 12. März (1971• mehr zu. Die Jahre 1964/65 können dabei als An• zu horten, um sie dann wieder unter der 1973) fällt auch das Ereignis von Kizil• fang einer progressiven Orientierung auf• Hand zu Wucherpreisen abzugeben. Die dere am 30. März 1972. Um einige Genos• Obwohl die neu gegründete Arbeiterpar• gefaßt werden. Als Erstes wurde 1964 erste Demonstration in dieser Gegend sen freizupressen, hatten Angehörige der tei und andere legale Organisationen der Kulturverein Fatsa gegründet. In . fand im Jahre 1966 statt. Die Bewohner Volksbefreiungsarmee zusammen mit der durchaus Unterstützung in der Bevölke• diesem Verein wurden hauptsächlich mu• des Dorfes Beyceli marschierten zur Volksbefreiungspartei/Front (THKO und rung genossen, konnten sie gegen die fa• sikalische Aktivitäten und Theater prak• Provinzhauptstadt Ordu und setzten sich THKP/C) amerikanische Offiziere aus schistische Aggression nicht mit einem tiziert. Zur gleichen Zeit aber begannen vor dem Gouverneursamt auf die Straße. dem Stützpunkt bei Ünye (Nachbarort überzeugenden Konzept aufwarten. Die auch die Kämpfe gegen die Ausbeutung Erst als sie die Geräte bekamen, um ihre von Fatsa) entfUhrt und sich in dem Dorf Bevölkerung begriff langsam, daß sie Kizildere versteckt. Nachdem man die beim Anbau von Haselnüssen. 1965 Straßen zu reparieren, fuhren sie auf den sich selbst organisieren muß und nie• wurde in Fatsa die Arbeiterpartei der erhaltenen Maschinen wieder zurück. Entführer aufgestöbert hatte, erfolgte die mand stellvertretend für sie den Kampf für die 12. März-Periode wohl brutalste Türkei (TIP) gegründet. führen kann. Als im Jahre 1979 die Wah• Noch im selben Jahr wurde eine Demon• Operation mit Flugzeugen und Bomben. len zum Bürgermeisteramt anstanden, da hatten die Faschisten schon den Rück• Im Jahre 1967 folgten die Besetzung stration gegen Verteuerung und Armut der FISKOBIRLIK (Genossenschaft veranstaltet. Nach dieser Aktion wurden Bei dieser Aktion wurde das Dorf prak• zug angetreten, d.h. sie verfügten über für Haselnüsse) und der landwirtschaft• die Leiter des Bauemverein verhaftet, um tisch dem Erdboden gleichgemacht und keine organisierte Kraft mehr und ver• lichen Bank, Fatsa Ziraat Bankasi. Wäh• damit die Kampfkraft zu schwächen. Bei fast alle' Beteiligten getötet. Unter den suchten nur noch auf dem Wege von Attentaten einen weiteren Schritt in rend des Streiks erfuhr die Bevölkerung, den folgenden Streiks übernahm die Leh• Gefallenen waren auch drei Söhne der daß die Leiter der Genossenschaft sich rergewerkschaft TÖS die Führung. In 50 Stadt Fatsa: Ahmet Atasoy, Ertan Sam• Richtung Selbstverwaltung zu verhin• dern. der Produkte der Bauern bemächtigten. Dörfern wurden Komitees gegen die Aus- han und Ziya Yilmaz. 9 10

Wie Stellt die Reaktion ihm im Jahre 1974 schon wieder die Frei• die Entwicklung Dar? heit gebracht. Schon 1968 habe Fikri den Vorsitz der Arbeiterpartei in Fatsa über• Unter der Überschrift 'Alles begann mit Schneider Fikri' berichtet die konserva• nommen, nachdem Ziya Yilmaz bei der Operation von Kizildere getötet worden tive Tageszeitung Tercüman von dem war (man erinnere sich: am 30.03.72). 'Klein-Moskau', dem 'befreiten Gebiet' 1969 habe Fikri sich dann als Kandidat und 'Terroristennest' Fatsa. Dieser über der Arbeiterpartei fUr das Parlament auf-· 9 Tage andauernde Bericht, der sich sehr stellen lassen. stark an den Wortlaut der Anklageschrift in anlehnt, werden die Ereignisse sehr stark personalisiert. Es heißt hier, Zusammen mit der Gründung der Volks• häuser und TäB-DER sei dann das Drei• daß aufgrund des Planes eines imperia• listischen Staates von 1943, die Türkei eck von Angst und Schrecken vervoll• DIE BÜRGERMEISTERWAHLEN 1979 zu teilen und dann zu verschlingen, Fatsa ständigt worden. In diesem Zusammen• als unabhängige und beispielhafte Rätere• hang bekommt auch der zuletzt als Vor• Als Mitte 1979 der Bürgermeister von Als Erstes versuchte man ihn auf der ma• publik auserkoren wurde. Die fUhrenden sitzender von TäB-DER tätige Gültekin Fatsa, ein Angehöriger der sozialdemo• teriellen Seite zu treffen. Obwohl er sich Mitglieder der THKP/C als illegaler Orga• Gazioglu 'niederschmetternde' Kritik zu kratischen Volkspartei, an Krebs starb, schon bei der Meldung nach einer Kau• hören. Als Schulrat in Ordu im Jahre nisation, Ahmet Atasoy, Ertan Saruhan wurden Neuwahlen ausgeschrieben, ilie tion erkundigt hatte und dort gesagt wur• und Ziya Yilmaz, hätten sich sogleich mit 1974 habe er viele linke Lehrer nach dem Gesetz nach in 2 Monaten durchge• de, daß dies nur fUr Parlamentswahlen Fikri Sönmez und Yusuf Atasoy in Ver• Fatsa eingescWeust und somit fUreine Be• fUhrt werden sollten. Der Termin wurde gelte, traf drei Stunden vor Abschluß der bindung gesetzt, heißt es. scWeunigung des revolutionären Prozeßes zunächst auf den 26.08.1979 festgelegt. Kandidatenliste ein Telegramm vom gesorgt. Die Volkshäuser und TäB-DER In den verschiedenen Stadtteil- und Wi• Kreiswahlausschuß ein, das besagte, daß Schneider Fikri wird als der Drahtzieher seien die wesentlichen Mittel gewesen, um derstandskomitees wurde diskutiert, ob 57.600 TL zu hinterlegen seien (das bei der Aktion von Kizildere hinge• die ideologische Plattform der THKP/C, man mit einem eigenen Kandidaten an 8-fache eines Mindestlohnes). Da die stellt. Er soll den 'Terroristen' nicht nur Dev-Genc und später Devrimci Y01 in den Wahlen teilnehmen solle. Und schon WaWhelfer aber auf ein solches Spielchen Fatsa durchzusetzen. Dabei hätten die bald schälte sich ein Name aus den Vor• Unterschlupf gewährt haben, sondern in vorbereitet waren, hatte man das Geld seinem Haus soll der Plan der EntfUhrung Kommunisten um Schneider Fikri ge• scWägen heraus. Schneider Fikri hatte schnell zur Stelle. 'ausgeheckt' worden sein. Fikri Sönmez schickt die Wucherpraxis beim Haselnuß• es in den langen Jahren der Auseinander• sei zwar ins Gefängnis gekommen, aber verkauf ausgenutzt. Es wird also zugege• setzung mit As.\;!beutung, Korruption und In den folgenden Tagen wanderten einige die Amnestie der Sozialdemokraten habe ben, daß in Fatsa etwas faul war. Betrug unter der Bevölkerung zu hohem Honaratioren der Stadt nach Ankara, um Ansehen gebracht, weil er stets in vor• sich dort Rat fUr die besondere Situation derster Front dabei gewesen war. zu holen. Viel konnte man ihnen hier aber wohl nicht sagen, denn der einzige Die Diskussion um die Kandidatur weitere Versuch auf der legalen Ebene dauerte 20 Tage und danach begannen war eine Verschiebung der WaWen. Damit die Vorbereitungen der Wahlkampagne. sollte der Erfolg des unabhängigen Kandi• In den Stadtteilen kümmerten sich Aus• daten verhindert werden. Neuer Termin schüße um den Fortgang der Wahl. Als fUr die Wahlen wurde auf den 18. Okto• weitere Kandidaten hatten sich ein Ange• ber 1979 festgelegt. höriger der CHP und ein Angehöriger der konservativen AP gemeldet. Sie hatten es Zwei Tage nach Abschluß der Kandida• bei den WaWen einfacher, denn gegen sie tenliste wurde der erste Anschlag auf wurden nicht solche Geschütze ins Feld Fikri Sönmez verübt. Mit 'nur' zwei Ver• gefUhrt, wie sie auf Schneider Fikri wundungen konnte er dem Tode entge• warteten. hen. Eine Woche darauf erfolgte der zwei- 11 12 te Überfall. Dieses Mal wurde das Auto Kennzeichen: HL -AR 912, also aus der beschossen, aber Fikri Sönmez war nicht Bundesrepublik. darin. Der Fahrer des Wagens wurde schwer getroffen,. Damit aber hatten die Auf dem Höhepunkt der Wahlkampagne Faschisten, die für diese Anschläge be• angelangt, mußten nun die Fortschritt• stellt worden waren, noch nicht genug. lichen in Fatsa ihren Kandidaten verstek• Beim dritten Mal griffen sie die Menge an, ken und alle Versammlungen absagen. die sich die Rede von Fikri in einer Tee• stube anhörte. Drei maskierte Faschisten Das aber verhinderte nicht das überwälti• schossen blind in die Zuhörer un{! töteten gende Wahlergebnis: dabei Tevrat Güler. Viele andere Bürger Fikri Sönmez 3.096 wurden bei diesem Überfall verletzt. CHP 1.130 Dieser Angriff sollte zeigen, wie riskant AP 847 DIE ZEIT DER SELBSTVERWALTUNG eine Unterstützung des unabhängigen Fikri Sönmez war mit 62% der Stimmen Kandidaten war. In diesem Zusammen• zum Bürgermeister gewählt worden. Ent• Mit vereinten Kräften war es nicht beson• lung von Selbstverwaltung nicht SO recht hang soll schon erwähnt werden, daß scheidend bei der Wahlkampagne war, ders schwer, die Laster einiger wohlha• in die Partei programme der Politiker unter den Angreifern ein Faschist na• daß die Helfer und Fikri selber keine Ver• bender Bürger wie Glücksspiel und Wu• passen wollte. Noch nach der Operation mens Naim Keskin war, der später bei sprechungen an die Bevölkerung machten. cher abzuschaffen. Dazu waren die Komi• in Fatsa sprachen diese Personen von ei• der Operation in Fats3-/ar( maskierter tees einfach zu mächtig. Die Bevölkerung ner ruhigen Stadt, die in keiner Weise Sie. prarigerten die unhaltbaren Zustände merkte, daß sie nicht immer alles von den einen Eingriff von außen gebraucht an, machten aber gleichzeitig klar, daß Autoritäten erwarten mußte. Schließlich hätte. pOlizeihelf7~urde. man nur mit vereinten Kräften ein gab es auch einen völlig unbürokratischen weitererZwei 1)ge Attentatsversuchvor den Wahlen aufgedeckt.wurde ein 'ordentliches' Fatsa schaffen könne. In Kontakt zu den neuen Führern der Schon bald nach den Wahlen wurde ein In einem Auto an der Küstenstraße waren dieser Weise wurde dann auch die neue Stadt. Aktionsprogramm für Fatsa zusammen• 1 Zeitbombe und 4 Dynamitstangen ver• Politik durchgeftihrt. gestellt. Als Erstes sollten die Straßen steckt. Da sich in dem Auto ein Abgeord• Bei irgend welchen Formalitäten mußten vom Schlamm befreit und Straßen in die neter befand, hatten. die Gendarme es Der Bürgermeister traf seine Entscheidun• Frauen, Alte und Analphabeten nicht versumpften Gebiete gelegt werden. Die schwer, das Auto zu durchsuchen. Sie gen nicht mehr alleine, sondern die Vor• lange durch Vorzimmer gehen, um z.B. Experten hatten für diese Arbeiten einen mußten auch den Abgeordneten aus Yoz• schläge kamen aus den Komitees, wurden an die Stelle für ein Bauvorhaben, oder Zeitraum von 4-5 Jahren angesetzt. Die auf der technischen Seite von der Verwal• gat, Hüseyin Erdal, (MSP, Heilspartei) an Bescheinigungen heranzukommen. Die Alternative aber lag darin, daß die Arbei• wieder freilassen. Auch an diesem Punkt tung kontrolliert, um dann wiederum von Verwaltung war für die Bevölkerung da. ten nicht durch professionelle Baufirmen, den Komitees beschlossen und in die deutet eine Tatsache auf größere Quer• Und was die Reaktion ständig ver• sondern durch die Bevölkerung selbst verbindungen hin: der PKW trug das Praxis umgesetzt zu werden. schweigt: im Stadtrat saßen nicht nur vollbracht werden sollten. Da aber Vertreter der revolutionären Befreiungs• hierz~ die Kräfte in Fatsa alleine nicht organisation Devrimci Y01, sondern nach ausreichten, wurden in einer breit ange• wie vor die altehrwürdigen Herren der legten Kampagne die umliegenden Städte bekannten bürgerlichen Parteien, AP, und Dörfer in das Programm einbezogen. CHP und MSP. Nur die MHP war in dieser Stadt nicht mehr vertreten. Arbeitsmittel kamen sowohl von den Nachbarverwaltungen als auch von den Gerade auch die bürgerlichen Kreise hat• begeisterten Bürgern. Die meisten Helfer ten an der neuen Führung nichts auszu• konnten nur Spaten oder Schaufel mit• setzen. Sie mußten neidlos anerkennen, bringen, aber es waren auch einige mit daß die Bevölkerung hinter diesem Ex• Pferdewagen und sogar einem LKW er• periment stand, selbst wenn die Vorstel- schienen. Unter der musikalischen Beglei- 13 14 tung einer stimmungsvollen Kapelle ging denen Komitees bei der Stadtverwaltung der ideologische Boden bereitet. Wie seiner WaWreden: (auch dies dürfte aus man gemeinsam ans Werk. Aus großen Vorschläge eingebracht wurden. Hier wur• stellt sich nun diese Propaganda in den der Anklageschrift abgelesen worden sein) Töpfen dampfte das Gemeinschaftsessen den die Vorschläge in technischer Hin• Medien, der Anklageschrift und bei den 'Wir zielen auf die Herrschaft der Arbei• und nach ganzen 6 Tagen 0) war das sicht auf ihre Verwirklichungsmöglichkeit Vertretern der Junta dar? terklasse und ihre Befreiung ab. Ich als Projekt geschafft. Die unwegsamen Ge• geprüft und dann wurde der Plan zur Um• Fikri Sönmez bin kein Kandidat fiir mich genden der Stadt hatten befestigte Stra• setzung für eine erneute Diskussion wie• Die Schreckensbotschaft, die der Öffent• alleine. Ich bin 'der Kandidat, der durch ßen. Die Arbeit wiederum war wie ein der an die Komitees zurückgegeben. lichkeit über Fatsa immer wieder aufge• die revolutionäre Bewegung der Türkei großes Fest abgelaufen. tischt wurde, war, daß die Stadtteilko• aufgestellt wurde. Das Modell Fatsa wurde schließlich lan• mitees auch als Volksgerichte fungierten Diese Wahl wird die erste Wahl sein, die Auch an anderen Punkten besaß die neue desweit bekannt, als man vom 8. bis zum und gegen eine Menge 'unbescholtener' die Revolutionäre in der Türkei gewinnen. Verwaltung eine Durchschlagskraft, die 14. April 1980 das große Volksfest veran• Bürger sogar die Todesstrafe aussprachen. Wir bilden Volkskomitees, Widerstands• sich vorherige 'Stadtväter' nicht vorstel• staltete. Viele bekannte Dichter und Hierbei sollte es sich um finanzstarke komitees. Einige haben wir schon gegrün• len konnten. Das Geheimnis dabei war, Künstler kamen in die Kleinstadt und Bürger handeln, die sich weigerten, der det. Auch Volksgerichte ... An diesen Ge• daß die überwiegende Mehrheit der Stadt hielten vor einem begeisterten Publikum 'Räuberbande' von Revolutionären Geld richten werden wir die Streitigkeiten brü• bei den Beschlüssen beteiligt war und so• von Bauern und Arbeitern ihre Darbie• zu spenden. Der 9-tägige Bericht der Zei• derlich regeln. Wer immer Bürgermeister mit die 'Geschädigten' keinen Protest tung Tercüman erwähnt ganze zwei Mor• werden wird, wir werden die Stadtverwal• laut werden ließen. U.a. wurde eine Mehl• tungen. In den Diskussionveranstaltungen überraschte, daß Frauen immer in vor• de, die auf das Konto der Linken gehen tung leiten. Das Volk wird es leiten. Das verkaufsstelle, mit der sich eine einzige derster Front aktiv waren. Schon in 4 sollen (neben der Tatsache, daß die Schil• werden wir zusammen machen und orga• Person monatlich um das 20-fache des Tagen war dieses Volksfest von mehr als derungen verdreht sind, war einer dieser nisieren. ' Mindestlohnes bereicherte, an die Stadt• 70.000 Menschen besucht worden. Die Morde vor der Bürgermeisterwahl und Tercüman vom 24.11.1982 verwaltung übergeben und die' Bevölke• lobenden Stimmen in der Presse haben einer in einer anderen Ortschaft). Hiermit rung konnte wieder billiges Brot backen. aber auch wohl die Augen verstärkt auf soll die These von den blutrünstigen Ter• Dann wird noch der Fund von 9 Roben Auf privaten Parkplätzen wurden die Fatsa gelenkt, denn von diesem Datum an roristen belegt werden. Die Theorie des durch den Gouverneur von Ordu, Resat Wärter in ein Angestelltenverhältnis über• war der Ort immer wieder Zielscheibe fur langen Volkskrieges von Mahir Cayan und Akkaya, als Beweis für die Volksgerichte nommen und der teilweise illegal besetzte Angriffe der verschiedensten Art. der THKP/C wird als russischer Plan der angegeben. Diese Beweisstücke von der Boden wurde wieder in den Besitz der Machtergreifung dargestellt und die Kul• Stadt überfUhrt. Operation wurden der Bevölkerung nie In der Zentral der Fischereiprodukte turarbeit an den Schulen mit einer kom• gezeigt, denn sonst hätten alle sehen DEMAS versuchte man, regierungstreue munistischen Indoktrination gleichge• können, daß es sich hierbei um Kostüme Das Verkehrswesen wurde neu struktu• Vertreter unterzubringen. Als totale setzt. fUr die Theatergruppe handelt. In der riert. Busse brauchten nun nicht mehr die Fremdkörper in der Stadt kehrte die elf• PUNKTOPERA TION sind aber noch weit ho~renden Summen fUrsParken zu zahlen köpfige Delegation nach einigen Tagen Natürlich ist wieder einmal der Schneider mehr an unvorstellbaren Fakten über die und fur einen angemessenen Lohn der unverrichteter Dinge wieder nach Ankara Fikri der Drahtzieher all dieser Dinge. Praxis dieses Gouverneurs und die Fahrer konnte die Bevölkerung billiger zurück. Aus der Provinzhauptstadt Ordu AIS' Beweis zitiert man dann aus einer Sicherheitskräfte zutage getreten. in die umliegenden Ortschaften transpor• setzte man kurzerhand den Direktor fur tiert werden. Für die Feuerwehr eröff• das Grundschulwesen ab. Die Fatsaner nete die Bevölkerung eine Kampagne und ließen sich aber keinen anderen Direktor brachte 250.000 TL zusammen. Mit vorsetzen, so daß dieser Posten bis zum diesem Geld und der eigenen Arbeits• Putsch unbesetzt blieb. kraft wurden die Geräte wieder instand gesetzt. Für eine funktionierende Kanali• sation wurden die entscheidenden Schrit• Begleitet wurde diese Kampagne von ei• ner Hetztirade der faschistischen Presse, te in die Wege geleitet. Viele der Grund• die Fatsa als Beispiel einer Diktatur des bedürfnisse der Bürger wurden direkt ub{"I' Proletariats darstellte, ein sogenanntes <;lieStadtverwalt~ng geregelt. befreites Gebiet, in dem der Staat ver• Die BescWüße kamen dabei auf die Weise pönt war. Mit dieser Propaganda wurde zustande, daß zunächst aus den verschie- dem militärischen! Eingriff vom 11.07.80 15 16

Die Operation in Camas wllrde vom Gou• hin die Stadt umzingelt habe. Die eigent• verneur selber als Spotoperation bezeich• liche Operation findet zwar erst am Tage net und kann als Probe für die Operation darauf statt, so daß der Bericht am 12.07. in Fatsa betrachtet werden. In Camas in der Zeitung hätte erscheinen können, aber kam es noch besser. Aus Protest aber entweder wurde der Eingriff durch gegen den Gouverneur versammelte sich den Bericht beschleunigt oder die Zeitung eine Menschenmenge von 4.500 bis 5.000 war einfach 'zu gut' informiert. Die Wahr• Menschen, die von einem Stadtteil in heit über die Offiziersentführung wird erst einen anderen marschierte. Im 'oberen' nach der Aktion bekannt. Nicht Dev-Y01 Camas angekommen, war zunächst alles Militante hatte die Offiziere als Geiseln ruhig. Dann wurde aber plötzlich von genommen, sondern sie waren mit Freun• außen das Feuer auf die Menge eröffnet. den und drei Prostituierten in die Nach• Neben vielen anderen Verletzten wurde barstadt Ünye gefahren. Dies wurde be• DIE PUNKTOPERATION auch Sehittin Tiric so schwer verletzt, daß kannt, weil sich die Prostituierten über er auf dem Weg ins Krankenhaus ver• ihre Behandlung beschwerten. Nachdem die Zivilfaschisten schon seit Dieser Mord war gleichzeitig der Vor• starb. 1978 das Militär immer wieder zum Ein• wand, um noch mehr Sicherheitskräfte Ein abgechartetes Spiel also, in dem so• greifen aufgefordert hatten und die Gene• nach Camas zu schicken. Zu der Zeit, als Bei diesem Vorfall am 2. Juli 1980 soll wohl der Gouverneur von Ordu, Resat räle seit Jahresbeginn 1980 wiederholt sich ein großer Teil der Bevölkerung in auch aus der Menge zurückgeschossen Akkaya und sein Polizeipräsident als mit der Machtübernahme gedroht hatten, Fatsa zur Beerdigung befand, eröffnete worden sein, aber die Kugeln haben nie• Handlanger der reaktionären Demirel-Re• startete man mit vereinten Kräften die die Gruppe von 10-15 Faschisten das manden getroffen. Sehittin Tiric, Vater gierung, als auch der Generalsstab der Probe aufs Exempel. Das 'rote' Fatsa Feuer auf die Zurückgebliebenen in Ca• von drei Kindern und Sekretär an einer Armee seine Hände im Spiel hatten. Wer sollte erobert werden. Die notwendigen mas. Diese versuchten sich zu verteidigen. Realschule, soll aber der Mörder eines ist nun dieser Akkaya, der nach dem Vorwände waren schnell geschaffen. Zu• Bei der Rückkehr der 7-8 mit Menschen Offiziers sein, der zur 'Befriedung' der 12.09.80 in einer erzreaktionären Zei• nächst kam es in der Nachbarstadt Camas beladenen LKWs wurden auch diese be• Stadt eingesetzt worden war. tung als Publizist wieder auftaucht? zwischen Mitte Juni und Anfang Juli zu schossen. Die Faschisten wollten sie nicht blutigen Auseinandersetzungen, die durchlassen und töteten dabei einen in Zur gleichen Zeit gingen die blutigen Aus• Resat Akkaya ist am 30.11.1930 geboren. schließlich den Gouverneur persönlich auf der Bevölkerung als Jo Hasan bekannten einandersetzung in der Stadt Corum zuen• 1951 schloß er das Gymnasium ab und den Plan riefen. 50-jährigen Mann aus Camas. deo Mit über 50 Toten war die Stadt zwar beendete 1955 das Studium der Sozial• Schließlich gelang es den ca. 1500 Men• vom faschistischen Terror schwer ge• wissenschaften. Nach einer Reihe von Be• Diese Ereignisse wurden aber auch erst schen aber doch, den Ring der 'Grauen troffen, aber der aktive Barrikadenkampf schäftigungen als Landrat absolvierte er aktuell, nachdem der Gouverneur in Ordu Wölfe' zu durchbrechen und in die Dörfer der Bevölkerung hatte ein ähnliches seinen Militärdienst. Im Jahre 1965 wur• gewechselt hatte. Jetzt nistete sich eine zu kommen. Durch diesen Vorfall hatte Massaker wie 1978 in Kahramanmaras de er fur ein Jahr in die USA geschickt. Gruppe von 15-20 'Grauen Wölfen' in sich aber der Gouverneur nun persönlich verhindern können. Als die Reaktion Später wurde er in Städten wie Ankara, der Moschee von Hasancik köyü in der rufen lassen. Er kam mit einer auf 16 erkannte, daß sie in Corum nicht zum Konya und Eskisehir als Polizeipräsi• Nähe von Camas ein und begann ilue Pro• Fahrzeuge verteilten Mannschaft von Ziele kam, gab der Ministerpräsident dent eingesetzt. Von der Kriegsrechts• vokationen mit· willkürlichen Straßenkoh• Sicherheitskräften. Die Hatz auf die Bür• Demirel die Losung der Stunde aus: 'Laßt kommandantur in Ankara wurde er sei• nes Amtes enthoben, weil er seine Kom• trollen für die Bürger. Bei einer dieser ger begann jetzt vollends. Teilweise wur• Corum in Ruhe, kümmert Euch um Kontrollen wurde der Jugendliche Cumali den sie auf den Felder und teilweise auf Fatsa. ' petenzen überschritten hatte. Demirel holte ihn daraufhin ins Innenministerium Eliacik, ein Sympathisant von Dev-Genc, den Polizeistationen gefoltert, weil Resat am Bein verletzt. Sofort traten Sonderbe• Akkaya alle als Kommunisten verdäch• Die Punktoperation von Fatsa ließ denn und ernannte ihn später zum Gouverneur von Ordu. Obwohl er offiziell als AP'ler amte des Gouverneurs auf den Plan. Als tigte. Unter den Verhafteten war auch der auch nicht lange auf sich warten. Ein Vor sie um 16 Uhr an der Stelle des Vorfalls Bürgermeister von Camas, Osman Uygun, Vorwand war schnell gefunden. Das Regen• galt, weiß man, daß er den Nachfolger in eintrafen und den verletzten Cumali der so schwer gefoltert wurde, daß er bis bogenblatt Hürriyet weiß am 10.07.80 zu Eskisehir als zu mild bezeichnete, obwohl sahen, erschossen sie ihn mit einer Kugel zum 8. Juli 1980 in Ankara behandelt berichten, daß zwei Offiziere in Fatsa ent• dieser ebenfalls der AP angehörte. Der Po• von hinten. werden mußte. führt worden sind und die Armee darauf- lizeipräsident in Ordu zur gleichen Zeit, 17 18

Zeynel Abidin Aksoy, ist ebenfalls als mit ähnlicher Wortgewandtheit: deo Sein 68-jähriger Vater, Ahmet Sön• nachdem er das faschistische Treiben auf• Anhänger der MHP bekannt. 'Der Mann hat sein Gesicht verdeckt. Was mez, durfte nicht einmal seinen Sohn be• gedeckt hatte. Ebenso fand sich kein soll ich als Führer der Regierung sagen? suchen, von dem er gehört hatte, daß neuer Kandidat für den Posten des Land• Diese Fakten waren damals bekannt, aber Schande ist es. Als er sein Gesicht auf er bewußtlos sei. Unter dieser Nervenbe• rats, der durch den Gouverneur entlassen nichts wurde gegen Akkaya und Aksoy deckte, kam die Schande zum Vorschein. ' lastung verstarb Fikris Vater schließlich worden war. Der gleiche Gouverneur unternommen. Im Gegenteil schwamm an einer Herzattacke. mußte es erleben, daß innerhalb eines die Armee im gleichen Fahrwasser, denn Kein Wort von der Ungesetzlichkeit der 1 Monats gleich drei stellvertretende Bür• am Vorabend der Operation noch stattete Aktion, zu der es objektiv nicht einmal Anfang August wurden weitere Folte• germeister ihren Rücktritt erklärten, weil sie die herrschende Praxis in Fatsa nicht der Generalsstab der Region einen Besuch den Anschein einer Rechtsgrundlage gab. rungen bekannt. Von den Folterungen waren im wesentlichen die Beschäftigten mittragen wollten. ab, der wahrscheinlich die Strategie der Man stelle sich einmal vor: eine ganze JI Operation von oberster Stelle aus festle• Stadt wird durch Ausgehverbot (eines der Stadtverwaltung betroffen. Vom Ge• gen sollte. dazu nicht befugten Gouverneurs) tage• werkschaftssekretär Baki Kaya war zu In der Zwischenzeit hatte Resat Akkaya lang eingesperrt, Hunderte von Bürgern hören, daß unter den Gefolterten auch die Operation ausdehnen lassen. Alle um• Der Verlauf werden in Sippenhaft genommen und Frauen waren. Insgesamt 18 Namen er• liegenden Dörfer wurden durchkämmt die verantwortlichen Kreise beweihräu• schienen in der Zeitung. Eine Gruppe und hier und da hieß es in den Nachrich• der Gefolterten wollte sich mit einem Am 11.07.1980 begann die Punktopera• chern sich anschließend ob des Erfolges ten, daß es zu Auseinandersetzungen tion, bei der Streitkräfte aus Izmir, Erzu• der Aktion. Ganze 33 Pistolen wurden Reporter treffen, wurde aber kurz vor• zwischen Sicherheitskräften und 'Terro• rum, Konya, Bolu und den umliegenden gefunden, von denen für 17 kein Waffen• her festgenommen und wieder gefoltert. risten' gekommen sei, bei denen einige Provinzen eingesetzt werden. Die Num• schein vorlag. Selbst in Demirels Dorf, so Das gleiche Schicksal traf den Rechtsan• Militante nur tot festgenommen werden mernschilder der Fahrzeuge sind verhängt der Kommentar einer Zeitung damals, walt Vural Soytekin, der dieses Treffen konnten: Die Gesamtzahl der Festge• und die Gesichter einiger 'Kriminalbeam• hätte man mehr Waffen finden können. hatte arrangieren wollen. nommenen stieg auf über 1.000 an. In ter' vermummt. Gerade diese 10 Leute Oppositionsführer Ecevit brachte es dann Fatsa selber richtete die Zeitung der sind es aber, die stumm mit den Fingern auch auf den Punkt: Die Liste der menschlichen Schicksale militanten Rechten, Hergüll, ein Büro auf jene Bürger zeigen, die Fatsa angeb• 'In Fatsa wurden die Masken herunterge• ließe sich noch um ein Vielfaltiges fort• ein, in dem importierte Faschisten ihre lich zu einer Brutstätte der Anarchie ge• lassen und das häßliche Gesicht des Fa• setzen. So wurde ein junges Mädchen Treffs abhielten. In der Stadt wurden bis macht haben. schismus kam zum Vorschein. ' verrückt, nachdem sie auf der Wache ge• an die 100 Fremde gezählt, von denen foltert und vergewaltigt worden war. niemand wußte, ob sie Kriminalbeamte Aber anscheinend wurde das demokra• 390 Personen wurden in zwei Tagen fest• Vordergründig war die Aktion schlicht oder Zivilfaschisten waren. Das Ziel je• tische Mäntelchen für die Aktion auch genommen, von ihnen konnten aber nur und einfach fehlgeschlagen. Das 'Nest doch war klar: Einschüchterung, Angst 6 inhaftiext werden (mit fadenscheinigen der Anarchie' hatte weder Anarchisten gar nicht mehr gebraucht. Wie sonst vor einem faschistischen Generalangriff wie in Corum sollte heraufbeschworen Anklagen). Die Bilanz auf der Gegenseite: beherbergt, noch große Waffenlager ver• könnte man sich erklären, daß nach dem werden. 5 der 10 Maskierten waren gesuchte fa• heimlicht. Mehr noch, der erhoffte Zu• Einzug der sogenannten 'staatlichen Au• schistische Gewalttäter. Sie mußten eben• sammenstoß zwischen linken 'Terro• , torität' wichtige Funktionsträger des falls hinter Gitter, wurden aber später risten' und den staatlichen Sicherheits• Staates keine andere Möglichkeit hatten, Es kam aber noch schlimmer. Am 6.8. wieder freigelassen. Der Gouverneur zu als den Hut zu nehmen. 1980 traf eine nach Fatsa beorderte Strei• kräften hatte nicht stattgefunden. Und J ihrem Einsatz: leider konnte man die politische Gewalt fe aus Erzincan auf ein Auto, das ihnen 'Wir haben Frauen sogar Liebesdienste nach der faschistischen Aggression von Die Untersuchungsrichterin Nilüfer Saliha verdächtig vorkam. Die Insassen wollten machen lassen. um an Informationen Corum immer noch nicht anhand von Engin, die die maskierten Faschisten hin• sich unter Hinweis auf den Polizeichef heranzukommen. Kann man die etwa Fakten zu einer kommunistischen Aggres• ter Gitter gebracht hatte, quittierte ihre von Fatsa, KemaI Sahin, nicht durchsu• Prostituierte nennen?' sion ummünzen. Dienste, nachdem ihre Taxe auf Befehl chen lassen. Die angeblichen Kriminalbe• des Polizeipräsidenten von Ordu angehal• amten entpuppen sich als faschistische Die Logik der Antwort ist bestechend Die Operation aber wurde zu einer Dau• ten und die Insassen erst einmal verprü• Akteure. Zwei der Insassen waren als und steht der seines Herrn Demirel in ererscheinung fur die nächsten Monate. gelt worden waren. Auch der Staatsan• maskierte Spione bei der Operation ein• keiner Weise nach. Dieser Herr Demirel, Schon bald nach der Festnahme des Bür• walt versuchte sich mit ärztlichen gesetzt worden. Das Auto, in dem sie seines Zeichens damals Ministerpräsident, germeisters Fikri Sönmez wurde bekannt, Attesten aus dem Dienst zu entfernen, saßen, war gestohlen und alle drei waren assistierte seinem Schützling denn auch daß er unter ständiger Folter verhört wur- denn er mußte um sein Leben furchten, schwer bewaffnet. Dennoch gelang es der 19 20 Streife, die drei Personen festzunehmen. richt vernichten würden. Schließiich ge• Die Polizisten ließen sich auch nicht langten sie aber aus der Stadt und be• durch eine andere Streife aus Bolu ein• schwerten sich offiziell über den Polizei• schüchtern, die mit vorgehaltener Pistole chef und den Gouverneur. Die Be• die Beamten aufforderte, die Gewalttäter schwerde war von 8 Beamten unterzei• laufen zu lassen. Auf der Wache brüllte chnet und weitere 4 Beamten waren als der Polizeichef die drei Faschisten an, Zeugen angegeben worden. Neben dem warum sie sich denn haben schnappen las• oben beschriebenen Vorfall wurde in dem sen, sie hätten die Streife doch gleich um• Bericht auch erwähnt, daß andere Poli• legen sollen. Die Streife aus Bolu wurde zeibeamte zum Foltern abkommandiert in gleicher Weise über ihre 'Pflichten' be• waren. lehrt. Das Ergebnis dieser Beschwerde war FATSA NACH OPERATION Der Mut der Polizisten aus Erzincan ist nicht überraschend. Es wurde eine Unter• schon bewundernswert. Sie besaßen die suchung angeordnet, die kein Resultat UND PUTSCH Courage, ein Angebot des Polizeichefs ab• zeigte. Die beschwerdeilihrenden Beam• Mit dem Bürgermeister und vielen aktiven Millionen Lira vorgezeigt wordel1. zulehnen. Er wollte sie ungeschoren da• ten aber, sowie die Zeugen, wurden aus Fatsaner in Haft glaubte man nun, Fatsa Millionen Lira, die als Profit verzeichnet dem Dienst entlassen. vonkommen lassen, wenn sie ihren Be- besiegt zu haben. In der Formulierung worden waren, waren nicht aufzufinden. der Reaktion war Fatsa wieder 'heim ins Reich gekommen. ' Dies zeigte sich nicht Der Vorstand konnte damals die unrecht• nur an dem Import von Faschisten, son• mäßige Weitergabe von 177 Millionen dern auch bei der Rückorientierung der Lira nachweisen. Aber die 11 gesell• öffentlichen Ordnung. schaftseigenen LKWs waren nicht mehr vorhanden. Neidlos hatten selbst ortsansässige Ver• treter der Regierungspartei anerkennen Der neue Vorstand erarbeitete schon bald müssen, daß es mit Hilfe der Stadtteil• ein Plus und verhinderte vor allem, daß komitees gelungen war, Glücksspiele und durch die Gesellschaft die Faschisten fi• übermäßige Trunkenheit aus dem öffent• nanziert wurden. Schon mit der Regie• lichen Leben zu verbannen. Schwarzhan• rungsübernahme durch Demirel erhöhte del und Wucherei, in der übrigen Türkei sich der Druck auf DEMAS. Schließlich fest institutionalisiert, waren in Fatsa war der Außenminister selbst einmal zu Fremdworten geworden. Schon bei Vorsitzender dieser Gesellschaft gewesen. den Wahlen zum Vorstand der Verwer• Der Bruder des Regierungschefs, Haci tungsgesellschaft fur Meeresprodukte, Ali Demirel, der inzwischen durch den DEMAS, mit Sitz in Fatsa, hatte die Einfluß seines Onkels mit vergoldeter Massenarbeit der Revolutionäre frühzeitig Nase in der Schweiz sitzt, schuldet der Erfolg gezeigt. Gesellschaft immer noch 3,5 Millionen Lira (und das nach dem Wert von vor Von dem am 18. Juni 1978 gewählten 12 Jahren). Legaler Einfluß auf die Ge• Vorstand konnte aufgezeigt werden, wie sellschaft war aber dadurch erschwert, die rechtsorientierte Führung seit 1969 daß die Gesellschaft ihren Sitz in Fatsa mißgewirtschaftet hatte. Bei einem Kapi• hatte. Trotzdem setzte ein Gericht in talsto;:k von 40 Millionen Lira unter einen Treuhänder fur die Ge• Volksbeteiligung war den Gesellschaftern sellschaft ein. Hierbei handelt es sich zum Schluß ein Schuldenberg von 60 um einen 65-jährigen Anwalt der MHP. 21 22

Nach der Operation gab es Meldungen, die Absicht, diese sozialistische Alterna• Die Spitze in der ganzen Hetzkampagne 1982 geliefert. Es war nicht zu übersehen, daß in den Gebäuden der DEMAS Fluab• tive als 'Terroristen' und 'Anarchisten' hat die konservative Tageszeitung Tercü• daß hiermit der Ausgang des Prozeßes wehrraketen deponiert sind und über 200 zu brandmarken. Mit den Zahlen möchte man mit ihrer Artikelserie im November beeinflußt werden sollte. militante Faschisten über die Gesell• er auf der anderen Seite den Erfolg der schaft versorgt werden. Gleichzeitig wur• Militärs verdeutlichen. den auch Berichte veröffentlicht, nach denen die üblichen Faschistenmethoden Aber irgendwie hat die Junta doch ge• Einzug in Fatsa gehalten haben. Die Zei• merkt, daß sie eine Idee nicht auf der tung Hergün wurde gewaltsam verkauft militärischen Ebene bekämpfen kann. und nach Gangsterart wurden Spenden Selbst noch in seinen Reden fur die Zu• für die Organisation eingetrieben. Zwei stimmung zur Verfassung und seine Wahl Beispiele: Salih Demir wurde auf seiner zum Staatspräsidenten war Fatsa ein be• Fahrt nach Fatsa angehalten und sein liebtes Thema bei General Evren. In Sammeltaxi, ein Kleinbus, wurde von den Trabzon sagte er am 24.11.1982: Faschisten konfisziert. Sie schickten ihn 'Wer Fatsa applaudiert hat, wird 'Nein' mit einem Danke schön für die 'Spende' zur Verfassung sagen. ' Wie ein guter Dä• nach Hause. Von einem profaschistischen magoge zeigt er dann Verständnis für die Polizisten wurden einem wachhabenden Bevölkerung und fahrt fort: 'Ich weiß, Soldaten 5.000 Lira angeboten, wenn er daß vornehmlich meine Brüder in Fatsa seinen Posten verläßt, damit man die vor dem 12. September 1980 schwere Häuser ungehindert plündern konnte. Tage durchmachen mußten, viele unter Er spürte dann den Pistolenknau[ auf dem ihnen ihre Kinder, Väter, Brüder und Ver• Kopf, weil er sich auf den Handel nicht wandte verloren haben. Wir wissen auch, einlassen wollte. daß sie jeden Tag mit dem Tode konfron• tiert waren, Angst hatten, zum Arbeits• Als mit der militärischen Machtübernah• platz, zur Schule, sogar auf die Straße me am 12.09.80 auch kritische Berichte zu gehen, befiirchten mußten, ihr schwer• aus der übrig gebliebenen Presse ver• verdientes Geld und ihr Hab und Gut schwanden, war es nicht mehr möglich, zwangsweise an eine Reihe von Banditen DER PROZESS GEGEN DIE FATSANER• alternative Berichte über Fatsa zu erhal• zu geben, die sich Revolutionäre nannten. ten. Es ist aber bekannt, daß die Opera• Sie mußten befiirchten, ermordet zu tionen nicht nur in den zwei Monaten bis werden, wenn sie sich dem widersetzten. ' AUCH FÜR DIE TÜRKEI EINMALIG zum Putsch durchgeführt wurden, son• Am 12.01.1983 hat nun das Verfahren grausames Bild von den Zuständen in dern daß es noch nach dem Putsch stän• Die ,Medien haben seit dem Putsch ein gegen 759 Angeklagte aus Fatsa und Um• Fatsa gezeichnet werden soll, damit durch dige Großeinsätze des Militärs in der Re• Übriges getan, um Fatsa und seine Bevöl• gebung begonnen. Gegen 268 der Ange• die Verurteilung noch einmal vor dem gion gab. Einen kleinen Eindruck von kerung zu diffamieren. Auf Bestellung klagten wird die Todesstrafe gefordert. 'bösen' Beispiel von Fatsa gewarnt wird diesen Verfolgungsmaßnahmen liefert der Junta wurde am 18.12.1980 eine be• Die Presse ist sich über die einzelnen Vor• Kein Wort war in der Berichterstattung der Bericht eines Soldaten, der am Tag wußt auf Abschreckung konzipierte Sen• würfe nicht einig. So berichteten verschie• über die Folterungen zu lesen, die zuvor des Putsches in Fatsa eingesetzt war dung im Fernsehen ausgestrahlt, auf die dene Organe, daß den Angeklagten 30 durchgeführt wurden. Dabei ist es längst (s. Anhang). mit großer Propaganda zuvor aufmerksam Morde zur Last gelegt werden, andere bekannt, daß das Tourismllsbüro zu ei• gemacht wurde (s. Anhang). Auch die Be• Organe sprachen von 60 Mordvorwürfen nem speziellen Folterort umgebaut wur• General Evren selber berichtet in einer richterstattung über den Prozeß zeigt, und wieder andere Zeitungen berichteten de und daß man im Schwarzen Meer die seiner ersten Massenansprachen (am 7.1. daß die Herrschenden mit dem Thema von 90 Morden, die in dem Prozeß ver• Gefangenen in Käfigen untergetaucht hat, 81 in Konya) von 850 Verhafteten und Fatsa noch nicht am Ende sind. Das Mo• handelt werden sollen. damit sie in Todesangst dann doch die 7 Toten in und um Fatsa. Wenn er über dell Fatsa haben sie auf der ideologischen Vorwürfe zugeben. Fatsa spricht, so hat das natürlich immer Ebene bis heute nicht erledigen können. Dabei ist unübersehbar, daß ein möglichst Die Angeklagten hatten am ersten Tag des 23 24 Prozeßes das Bedürfnis, wenigstens auf schrift noch nicht abgeschlossen, so daß Wahlen dazu eine aktive Rolle gespielt zu * Spruchbänder, Plakate und andere Din• die tendenziöse Berichterstattung vor bislang nicht viel über die Art der Vertei• haben, ge, die Dev- Yol bei Demonstrationen und dem Prozeß hinzuweisen. Aus dem Grun• digung in diesem Prozeß gesagt werden * zur Verbreitung der Dev- Y01 Politik ei• Kundgebungen benutzte, in den Werk• de verweigerte der Angeklagte Nr. 1, Yu• kann. Bekannt wurde nur, daß Fikri Sön• ne Kampagne gegen den Schlamm und stätten der Stadtverwaltung herstellen zu suf Atasoy, die Angaben zu den Persona• mez Anwälten, die ihn in der Strafanstalt das Fatsa Volksfest veranstaltet zu haben, lassen. lien und forderte, daß zunächst auf die besuchten und ihn im Prozeß vertreten * zusammen mit anderen Militanten Probleme vor der Eröffnung des Prozesses wollten, gesagt hat, daß sie lieber die Volksgerichte gegründet und dort Urteile Eine sehr lange Liste, wie sie von der Zei• eingegangen werde. Das Gericht ließ sich jüngeren Angeklagten verteidigen sollten, über die Bürger gefällt zu haben, tung Cumhuriyet am 10.01.1983 veröf• nicht darauf ein und forderte den Ange• weil sie sich ja keinen Anwalt leisten * den Wagenpark der Stadt für Demon• fentlicht wurde. Wie jedoch ein nach klagten auf, den Gerichtssaal zu verlassen. können (und Pflichtverteidigung gibt es strationen und Kundgebungen zur Verfü• rechtsstaatlichen Prinzipien funktionie• Viele der übrigen Angeklagten schloßen in der Türkei nicht). Hieran zeigt sich, gung gestellt zu haben, rendes Gericht aus diesen Vorwürfen ei• sich dem Protest von Yusuf Atasoy an daß die Moral der Angeklagten derzeit * Miliante in der Stadtveraltung revolu• nen gewaltsamen Umsturzversuch nach und sollten ebenfalls den Saal verlassen. noch ungebrochen ist und man kann er• tionäre Märsche vortragen zu lassen und § 146/1 konstruieren will, bleibt im Un• Hier schon machte sich bemerkbar, daß warten, daß sie das Modell Fatsa in ge• den Dev- Yol'lern moralische Stütze klaren. Aber Rechtsstaatlichkeit kann ein Verfahren mit derartig vielen Ange• bührender Form verteidigen werden. geben, man in der Türkei der Generäle und erst klagten nicht einmal den äußeren Rah• * am 10.5.1979 dem Sohn des getöteten recht nicht im Falle der Fatsaner entdek• men sicherstellen kann. Denn nun sollten Dabei haben sie es natürlich besonders Osman Gezer gesagt zu haben: 'Dein Va• ken. Nur die internationale Solidarität die Angeklagten noch beim Hinausgehen schwer, denn neben der tendenziösen Be• ter ist ein Faschist. Ein Volksfeind. Vom kann vielleicht daftir sorgen, daß die ihre Namen nennen. Das gab ein heilloses richterstattung sind die Haftbedingungen Volksgericht wurde er zum Tode verur• Antifaschisten aus Fatsa einen halbwegs Durcheinander, das in der konservativen in der Türkei nicht gerade geeignet, sich teilt. Er wird sterben. ' fairen Prozeß erhalten. Presse als Aufstand der Angeklagten be• auf einen Prozeß vorzubereiten. Da man * im Volkshaus in Fatsa zusammen mit wertet wurde. die Gefangenen als Mitglieder der Armee den anderen Militanten Seminare veran• Durch Prozeßbeobachtung und eine brei• Eine andere Schwierigkeit bei dem Pro• betrachtet (sie sitzen in MilitärgeHingnis• staltet zu haben, te Berichterstattung im Ausland kann es zeß wird die Öffentlichkeit darstellen. sen) werden sie tagaus, tagein einer for• * Personen, die nicht Dev- Yol angehör• vielleicht gelingen, die Rechtsverstöße auf Am ersten Tag wohnten zwar Presseleute malen Ausbildung unterzogen und das ten, entlassen zu haben, ein Mindestmaß zu beschränken. Denn und auch ausländische Beobachter, sowie Auswendiglernen bestimmter Aussagen * für die Bewußtseinsentwicklung der daß die Fatsaner auch in ihrem Prozeß das holländische Fernsehen dem Prozeß des Vater der Republik, Kemal Atatürk, Bevölkerung Volksabende veranstaltet uns viel zu erzählen haben, ist gewiß. bei, aber von den aus Fatsa in 10 Bussen gehört zum stündlichen Plan einer solchen zu haben, mit dem Theaterstück wir wer• Das Modell Fatsa wird aber mit dem Pro. Haftanstalt. angereisten Zuhörern wurden nur 70 in den aus den Toden wieder geboren wer• zeß nicht erledigt sein. Die Militärs kön• den Saal gelassen (auf 10 Angeklagte ein den Propaganda betrieben zu haben, nen zwar einen Teil der Bevölkerung in Angehöriger). Die weite Reise von Fatsa Was aber sollen die Angeklagten zu sol• * vor der Punktoperation alle Mittel der die Gefangnisse werfen, aber die Idee nach Amasya, wo der Prozeß stattfindet, chen Vorwürfen sagen, wie sie z.B. gegen Stadt benutzt zu haben, um gegen den können sie nicht töten. hatten also Hunderte von Verwandten Fikri Sönmez erhoben werden, der ftir Staat auf den Straßen von Fatsa Barrika• umsonst gemacht. Dabei war der Saal auf seine 'Vergehen' die Todesstrafe erhalten den errichten zu lassen, FATSA LEBT! dem Gelände der 15. Infanteriebrigade in soll. In der Anklageschrift wird eine ganze Amasya extra ftir den Prozeß hergerichtet Liste davon aufgeführt: worden. * Teilnahme am Dev- Yol Komitee in Fatsa, Um aus der Klemme zu kommen, ordnete * Nach Übernahme des Bürgermeisteram• das Gericht ftir den zweiten Verhand• tes zusammen mit Dev- Yol Militanten lungstag an, daß nur noch die Hälfte der ein Arbeiterkomitee der Stadt gegründet Angeklagten zu erscheinen habe. Die An• zu haben und die Stadtverwaltung in den geklagten, die sich auf freiem Fuß befin• Dienst von Dev- Yol gestellt zu haben, den, können außerdem jederzeit dem Pro• * Der Strategie von Dev- Yol erttsprechend zeß fernbleiben. Zur Zeit der Broschüren• unter der Bezeichnung Stadtkomitees Wi• erstellung ist die Verlesung der Anklage- derstandkomitees gegründet und bei den 25 26 ANHANG ANHANG .

EIN SOLDAT BESCHREIBT DIE OPERATION IN FATSA

Wir ·1ll8chten uns inder •Nacht vom 11. auf den ·12. September auf den Weg. Gegen Morgen kamen wir an den Ortseingang von Fatsa. Mit uns zusammen waren die Divisionen von Agri.Sarikamis und die Kommando• einheit von Kayseri gekommen. Wir kamen tiber Land. Als wir zum Orts.. eingnntenwir t:lat

sich an den Feuer. Wir stellten f::st, ::!.~!',,,...••,, : •.:..:~~~::!1t :~'.Vide!!W'ITne ~

Unsere·Abend desKommandanten12. Septemberbefahlenmarschiertendie Überwindungwir nach Fatsader ein.Barrikade.Wir begannenGegen! " 11.alledie Bam.Häuser'kadeeinzelnzu I)ei;chi~&~;.zu durchsuchen./•.••d. C:;;;Beim..!l.aUbizen.EintretenUlld begegnetenKanone.n bet~ili.gtenuns ent- I~ I weder alte Frauen oder Männer oder aber ein kleines Kind. Sie gaben uns ~ ~ folgende Antwort: Hier gibt es keine Zwischenfälle, uns geht es gut, nur ~ ! der Gouverneur Resat Akkaya verursacht Zwischenfälle. In allen Häusern ~ ~ bekamen wir diese Antwort und wir haben sie alle durchsucht. Das Ergeb-": ~. nis war, daß alle in den Bergen waren. Danach wurde die Operation in den /,~ f Bergen und umliegenden Orten von Fatsa fortgeführt. Bei einer der Opera- .~. ~ tionen wurde einmal auf 4 Freunde ven mir geschossen, sie sind aber nicht i gestorben. Dann hörten wir aus einem Nachbarort, daß 12 Soldaten umge- ~ kommen sein sollten. Niemand erzählte, wie sie getötet worden waren. wo- ~ für sie gestorben waren. Eines Tages machten wir eine Operation in den Bergen. An einer Stelle ; hatten wir einen Revolutionär umstellt, der Hauptmann an unserer Seite forderte ihn auf sich zu ergeben. Der Mann nahm ein Megafon in die Hand und rief von einer Erhöhung uns zu: "Warum schickt ihr uns Soldaten aus dem Volk. Kommt alleine, Generale und Haupleute. Die Soldaten sind F unsere Brüder. Wir haben mit ihnen nichts auszutragen." Der Hauptmann ~ nahm seine 'Thompson' und verletzte den Mann am Bein. Da hat er sich ~ gebückt und den Hauptmann mit seiner 9mm Waffe erschossen. Er ist ~ f:1 wieder geflohen und auch danach nicht geschnappt worden. Die Operatio- ~.• j Ich kam schließlich in die Wachmannschaft des Gefängnisses von Persernbe·

•~, nen(instummten.derwerdenNäheTagImvonundGefängnisFatsa)NachtHierdurchgeführt.wurdenwurdenFrauen.,fürchterlicheMädchen,FolterungenAlte unddurchge-Junge 'I. I. führt.gefoltert.Ich Beikonnteden nachtsOperationennicht schlafen,in Fatsa wurdenweil dievieleFolterschreieLeute gefaßt.nicht Aberver• i es gibt immer noch Leute in den Bergen. Insbesondere bei 6 Leuten, die mit Decknamen in der Bevölkerung bekannt sind, handelt es sich um I Berühmtheiten, von denen gesagt wird, daß sie fUr Fatsa verantwortlich sind. Sie sind immer noch nicht gefaßt worden. 27 28

in denen Wahlversammlungen statt• wurden. Sogar die Boulevard Presse fanden, Anschläge durchführen ließ mußte zugeben, daß vor dem 12. und nach den Wahlen alle Initiativen Dezember in Fatsa Ruhe, Brüderlich• der Gemeindeverwaltung sabotierte. keit und Friede herrschte. Worum es Aufgrund der Reaktion der Bevölke• sich im Fall von Fatsa handelte, war Fatsa macht erneut Schlagzeilen rung mußte er dann nach der Wille der Bevölkerung, in übersiedeln und dort seine faschisti• Friede und Selbstverwaltung über schen Aktivitäten fortsetzen. Seine sich selbst zu bestimmen. Das türkische Fernsehen brachte am inhaf,lierte Revolutionäre ausga• ben. Sie forderten ihre Genossen in Behauptung daher, die 18.12.1980 einen längeren Bericht Revolutionäre würden bei Spenden• DeShalb rangierte Fatsa an erster über die Stadt Fatsa. Allem Anschein Freiheit auf, sich den Behörden zu sammlungen Gewalt anwenden und Stelle derjenigen Städte, die die Jun• nach war dieses Programm direkt von stellen. Später zeigten sie die Grotte, die Bevölkerung bedrohen, erntete ta 'befrieden' wollte. Der Name Fatsa der Juntainitüert wor,den, denn der in der sie sich verborgen hielten. bei den Fernsehzuschauern nur Skep• war zu einer Legende geworden. Aus Rundfunk hatte schon den ganzen Sie sagten, daß ihre Genossen sich sis. diesem Grunde hat die Junta gleich Tag .sttlndlich .auf dieses Programm in den Bergen aufhielten und bewaff• nach dem 12. September eine Anti• hingewiesen, und außerdem gab es net seien. Einer von den Jugend• Ein anderer "Zeuge", auf den sich Terror-Brigarde nach Fatsa geschickt. nach den Abendnachrichten noch lichen meinte, daß in Gefängnissen die Junta bei ihren Lügengeschichten Diese Brigarde war nach den eiDmal eine Programmanzeige über nicht gefoltert würde. Diese Bemer• verließ, war ein prominenter Prinzipien des außerordentlichen diesen Bericht. kung veranlaßte Millionen von Zu• Schwarzhändler aus der Kreisstadt Krieges und der Niederwerfung der schauern zum Schmulzeln, weil diese Camas. Auch er hatte sich in seiner Volksbewegungen ausgebildet. Sie Der Tenor der Sendung war, daß Aussage von jemandem stammte, der Heimatstadt nicht aufhalten können. war Teil der Kontr-Gerilla und ver• Fatsa, ehemals ein von linken Organi• ganz offensichtlich gefoltert worden fUgte über schwere Ausrüstung wie sationen behrrschtes 'befreites Ge• Da er seine Waren zu überhöh~en war. -Jedermann konnte sehen, daß Preisen verkaufte und bewaffnete, Hubschrauber, Panzer und ,biet' erst nach der Machtergreifung die, Junta nur durch Folter die Faschisten aufs Volk hetzte, war· Geschütze. Die derzeitigen 'Opera• der türkischen Streitkräfte 'befriedet Folterpraktiken verleugnen lassen der Zorn der Bevölkerung gegen ihn tionen' in Fatsa werden von dieser konnte. wurde. Es war sonnenklar, was die groß, und er mußte umsiedeln. Brigade durchgeführt. Dabei bom• Juntageneräle mit dieser Sendung Gerade eine solche Person hatte bardieren die Hubschrauber die als bezweckten: Einerseits wollen sie Was geht heute in Fatsa tatsächlich lobende Worte für die Generäle Höhlen eingestuften Stellen in Ber• vor? die Bevölkerung und die Revolu• übrig. gen und Wäldern. Manchmal hört tionäre demoralisieren, andererseits man, daß sogar die Dörfer bombar• aber ihre Greueltaten rechtfertigen. Nach der Sendung am 18. Dezember In allen Dörfern von Fatsa sind diert werden. Häuser und Dörfer, Die Bevölkerung sollte den Eindruck fragte sich jedermann, wie es in Fatsa heute Militärdienststellen eingerich• von denen man annimmt, daß sie gewinnen, daß es keine Rückkehr zur tatsächlich aussieht. Daß es in Fatsa tet, denen je ein Oberst bzw. eine den Revolutionären Unterschlupf Demokratie geben kann, solange die vor dem 12. September nicht so aus• Oberstleutnant vorstehen. Die Be• . gewähren, werden von Armeeinhei• linken Organisationen nicht ausra• gesehen hat, wie man es in der Sen• völkerung wird systematisch unter• ten umstellt und ausgeplündert. diert worden sind. dung dargestellt hat, wußte eigentlich drückt und terrorisiert. Die Junta• nicht nur die türkische öffentlich• kräfte versuchen durch Gerüchte• Die Programmgestalter versuchten keit, sondern auch die Weltöffent• verbreiten die Bevölkerung zu de• bei dieser Sendung nicht die Meinung lichkeit (vgl. "Türkei Information" moralisieren. Ein von Soldaten umge• der Mehrheit der Fatsaner darzustel• 3 und 5). Die Gemeinderatswahlen, brllchter Mann wurde seiner Fa• Desweiteren hat das Regime von Ge• neral Evren den maskierten faschisti• len, sondern nur die Meinung solcher die nachfolgenden kollektiven Initia• milie ,"übergeben, mit der Behaup• Leute, die eindeutig gegen das Volk .tiven, das Kulturfest, der Terror von 'tung, er sei von Revolutionären schen Denunzianten aus der Zeit der sind. Einer von denen berichtete, daß Gouverneur Akkaya und der Wider• ermordet worden. Die Frau dieses Demirel-Regierung eine neue Funk• er schon vor dem 12.,September von stand des Volkes waren Dinge, die Mannes durfte dann in der Sendung tion zugewiesen. Sie werden banden• Fatsa nach Samsun gezogen sei und jedermann wußte. Die öffentlichkeit am 18. Dezember als Zeugin der mäßig organisiert, bewaffnet und in erst mit der Machtergreifung der war sich darüber im Bilde, daß Ruhe Junta erscheinen. die Berge auf die Jagd nach Revolu• Militärs wieder nach Fatsa zurück• und Ordnung in Fatsa nicht durch tionären geschickt. kam. Von dieser Person steht fest, Revolutionäre gestört wurde, son• Desweiteren wurden in dieser daß er bei den Gemeinderatswahlen dern durch die Faschisten von MHP, Sendung einige Jugendliche der Das ist heute das wahre Gesicht von im Oktober 1979 gegen Cafehäuser die von Staatskräften unterstützt Kamera vorgeführt, die sich als Fatsa!

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Nach Ernennung der Anwälte (wovon meh• druck voft extremer Angst. Sowohl ich als rere nicht an der Sitzung teilnahmen) wurde auch meine Reisegenossen waren davon ein Angeklagter zur Feststellung seiner Per• überzeugt, daß er einer schweren körper• sonalien nach vorn gerufen. Das wird im lichen Strafe entgegen sah. weiteren mit jedem Angeklagten geschehen. Der erste Angeklagte, Yusuf A., weigerte Der Gerichtssprecher rief nun, daß die An• geklagten, die den Saal verlassen wollten, Bericht der niderlöndischen Delegation sich aber, seine Personalien anzugeben. Er verlangte vom Gericht, erst seine Klagen in Gruppen von zehn gehen könnten, nach• über die Behandlung in der Haft und bei den dem jeder zuerst seinen Namen genannt hatte. Im Auftrag des Holländischen Gewerkschaftsbundes (FNV) Vernehmungen anzuhören. Eine erste Gruppe von zehn Angeklagten Der Gerichtssprecher c ein Richter, der ne• beobachtete Fritz Koers den Prozeß gegen stand schon schnell hinter mir. Auf ihren ben dem Gerichtspräsidenten saß - entschied, die Selbstverwaltung der Stadt Fatsa daß die Klagen an entsprechender Stelle ein• Gesichtern war die pure Angst zu lesen. In diesem Moment verlangte einer von den gereicht werden müssen und in diesem Mo• ment nicht behandelt werden können. Anwälten das Wort. Dadurch wurde die Spannung einigermaßen Am 12. Januar 1983 besuchte ich die Außer den zehn angeklagten Frauen waren Yusuf A. antwortete, daß bis jetzt die vie• gebrochen. Eröffnungssitzung des Fatsa-Prozesses. alle anderen Untersuchungshäftlinge kahlge• len Klagen der Häftlinge nichts ergeben hät• Der Prozeß wird in einer Sport halle, auf schoren. Auch Schnurrbärte und Bärte wa• ten, und daß diese Klagen vor der Gerichts• Der Anwalt beantragte, daß einer der Be• .einem durch Stacheldraht gesicherten Mili• ten wegrasiert. verhandlung behandelt werden müssen . schuldigten im Namen aller die Klagen tärgelände durchgeführt, sechs Kilometer Das Gericht und die militärischen Ankläger Der Gerichtssprecher entschied dann wei• äußern dürfe. Der Antrag wurde mit der außerhalb von Amasya. Amasya liegt ca. waren auf einer Art Bühne. Vor der Bühne ter, daß Klagen über Folterungen und bereits bekannten Argumentation abgelehnt. 350 km östlich von Ankara und ist ganz war links der Platz für die Presse (wo auch schlechte Behandlung bei jedem Einzelfall Bevor jetzt eine neue Zehner-Gruppe ge• von Bergen umgeben. ich sitzen konnte) und rechts der Platz für in die Tagesordnung aufgenommen werden bildet wurde, kam das Gericht zu der Ein• Auf dem Weg von Amasya zum Militärge• die Anwälte. Es waren sechs Anwälte anwe• können, aber da~ zuerst die Personalien sicht, daß die Angelegenheit anders gere• lände gab es auffallend viele Militärposten. send, wovon einer drei Angeklagte vertrat, festgestellt werden müssen. gelt werden müsse. Auf dem letzten Stück der Straße vor dem die einen Platz direkt bei der Presse bekom• Nach einigem Hin und Her, wobei der Ton Die erste Zehner-Gruppe wurde zu ihrem Militärgelände war alle zwanzig Meter ein men hatten und deren Position in diesem heftiger wurde und die s.pannung im Saal Platz zurückgeschickt, und einer nach dem Militärposten aufgestellt. Prozeß mir nie klar wurde. zusehends zunahm, machte Yusuf A. An• anderen wurde nach seinen Personalien be• Alle Soldaten hatten das Gewehr oder die Das Gericht bestand aus fünf Personen, wo• stalten, wieder zu seinem Platz zurückzu• fragt. Maschinenpistole im Anschlag. von drei Militärs waren; links daneben waren gehen. Praktisch alle Häftlinge weigerten sich mit Das Militärgelände und vor allem die die zwei militärischen Ankläger. Einige herbeigeeilte Wachen packten ihn, mehr oder weniger ausführlichen Erklärun• Sport halle/Gerichtssaal waren zusätzlich ver• Ganz hinten im Saal war hinter einem Ei• um dies zu verhindern. Hiergegen wurde gen, soweit das Sprechen möglich war, und stärkt bewacht. sengitter Platz für eine beschränkte Anzahl durch die Häftlinge mit massiven Buh-Ru• verlangten, daß das Gericht erst ihre Klagen Die Sport halle war außerdem noch von von ca. 100 Zuschauern. Die Fotografen und fen protestiert, wobei alle aufstanden. anhören solle. Alle Verw eigerer wurd en ab• Stacheldraht umgeben. zwei türkische Kanaerateams erhielten reich• Die Militärs drohten mit Gummiknüppeln geführt. Immer wieder sah ich die gleiche Zusammen mit Anwälten und türkischen lich Gelegenheit, Aufnahmen zu machen. und einzelne richteten die Maschinenpistole Angst auf den Gesichtern der Abgeführten. Auf diese Weise wurden 100 Angeklagte Journalisten wurde mir und meinen Beglei• Während der ganzen Sitzung war es uns und auf die Menge der Angeklagten. tern (Dolmetscher und Journalisten) der den Journalisten erlaubt, Tonaufnahmen zu Der Gerichtssprecher rief jetzt, daß alle um ihre Personalien befragt. Darunter mach• ten ca. 25 der nicht inhaftierten Angeklagten Zutritt gestattet. machen. Angeklagten, die nicht bei der Feststellung • Wir wurden beim Eingang zum Militärge• Der erste Tag begann mit dem Verlesen ei• der Personalien mitwirken wollen, den Saal die gewünschten Angaben, sowie zwei der lände genail durchsucht und noch einmal ner Präsenzliste. Anschließend wurden die zu' verlassen haben. Worauf die Häftlinge inhaitierten Angeklagten, eine Frau und ein beim Betreten des Gerichtssaales. Anträge der Anwälte behandelt, die die Ver• geschlossen riefen, daß sie alle den Saal Jugendlicher. Die 70 anderen wurden hinaus• Die Untersuchungshäftlinge wurden mit teidigung bestimmter Angeklagter überneh• verlassen wollen. geführt und die Sitzung auf den nächsten Bussen angefahren und je zu ·zweit anein• men wollten. Während Yusuf A. zum Ausgang begleitet Tag vertagt. andergekettet - unter scharfer Bewachung • wurde, verlangte der Gerichtssprecher, daß Am nächsten Tag, dem 13. Januar, war ich in die Sport halle geführt. Das Gericht beantwortete die Anträge, die alle, die den Saal verlassen wollen, sich auf den ganzen Morgen anwesend, begleitet von Nachdem alle Angeklagten in den Gerichts• meistens schriftlich eingereicht wurden, mit die Bank stellen sollen. Die Angeklagten einem holländischen Filmteam. Auf dem saal geführt worden waren, wurden auch die einer Regelung, die festhielt, welcher An• stiegen massenweise auf die Bänke. Inzwi• Weg zum Militärgelände war die Bewachung Anwälte, Journalisten und ich zugelassen. walt für welchen Mandanten auftreten kann. schen sah ich, wie Yusuf A. hinausbegleitet offensichtlich eingeschränkt worden. Auf Die Angeklagten saßen, ziemlich dicht an• Allen Anträgen wurde stattgegeben, offen• wurde. Der Ausgang, durch den er abgeführt dem Militärgelände und rund um die Sport• einander gedrängt, auf einer Holzbank ohne sichtlich ging es dabei um eine Formalität. wurde, befand sich gerade hinter dem Platz, halle war die Bewachung gleich wie am Vor• Lehne. Ihr Platz war durch ein Seil abge• Alle Beschlüsse des Gerichts mußten von den wo ich mit den Pressevertretern saß. Auf tag. trennt. Im Mittelgang und ringsherum stan• Anwesenden stehend angehört werden, dem Gesicht tun Yusuf A., einem Jugend• Als wir ankamen, waren die Angeklagten den Militärs mit Gummiknüppel in der Hand . . selbst der Beschluß, die Sitzung zu vertagen. lichen von ca. 25 Jahren, sah ich einen Aus- auch schon hereingeführt worden. Auffällig 33

war, daß das holländische Filmteam inner• ne und speziell im Distrikt Fatsa (60 S.). halb und außerhalb des Saales frei filmen -Die individuellen Anklagen (287 Seiten). durfte, auch während der Sitzung. Alle Angeklagten waren anwesend, auch Die Anklage ist (selbstverständlich) in tür• diejenigen, die am Tage zuvor weggeführt kisch und ich verfüge lediglich über eine worden waren. unvollständige und globale Übersetzung, Es wurde keine Präsenzliste verlesen. Man man muß also bei dem folgenden mit einigen begnügte sich mit der Frage an einen Offi• Abweichungen rechnen. zier, ob alle Angeklagten anwesend seien. Es gibt große Unterschiede in den individu• Das Gericht begann mit der Feststellung ellen Anklagen. der P.ersonalien des Angeklagten Nr. 101 auf Eine sehr lange Klage ist gerichtet gegen der Liste. Fikri Sönmez (15 Seiten). Diese Anklage Diesmal machten alle Angeklagten, inhaf• beinhaltet keine konkreten Anschuldigungen tiert oder nicht, ohne Kommentar bei der wegen Gewalttätigkeiten, sondern enthält Feststellung mit. hauptsächlich Beschuldigungen wegen linker Aktivität und dem Fördern illegaler Aktivi• Einer der Anwälte beklagte sich bei Ge• täten von Dev Yol. richt, daß einer seiner Mandanten, der nicht Gegen viele Angeklagte werden konkrete inhaftierte Bruder von Yusuf A., seit der Sit• Beschuldigungen geäußert, aber ein großer zung am vorigen Tag .mißhandelt worden sei. Teil der Angeklagten wird lediglich der Be• Sofern ich folgen konnte, nahm das Gericht davon Kenntnis. teiligung an Aktiviäten der illegalen Organi• sation Dev Yol beschuldigt. Bei der Feststellung der Personalien zeigte Die Anklage stützt sich unter anderem auf sich an diesem Morgen, daß zwei Inhaftierte Artikel 146 im türkischen Strafgesetzbuch. verwechselt wurden. Sie waren nicht dieje• Dieser Artikel enthält die Todesstrafe für nigen, die laut Klage verfolgt werden muß• denjenigen, der mit Gewalt den Umsturz ten. Dies sollte untersucht werden. des Staates plant. Ich bekam von dem Kommandanten des An dritter Stelle sind auch die strafbar Militärgeländes ein Exemplar der Anklage• (maximal 15 Jahre), die an einer derartigen schrift, ein 612-Seiten starkes Buch. Missetat als mitschuldig erachtet werden. In vielen Fällen geht aus der Anklage her• vor, daß diese Mittäterschaft schon bei sehr Die Anklage im Fatsa-Prozeß indirekter Beteiligung als gegeben erachtet wird. Ein Beispiel ist die Anklage gegen ei• Die Anklage, die mir von dem Kläger gege• nen Chauffeur, die beinhaltet, daß er mit ben wurde, umfaßt 612 Seiten. führenden Personen von Dev Yol Kontakt Die Klageschrift umfaßt: hatte, von denen behauptet wird, daß sie Aufträge zu gewalttätigen Aktionen gegeben -Eine Liste der Beschuldi8ten (115 Seiten) hätten .. -Eine Liste von formellen Angaben (10 S.) Aus den in der Klageschrift vorhandenen - Ein sehr ausführlicher allgemeiner Teil mit Beweismitteln meine ich ableiten zu können, dem Titel "Kurzer Blick auf die wirt• daß die Beschuldigungen gegen eine große schaftlichen und sozialen Strukturen im Anzahl Angeklagter erst während der Vor• Distrikt Fatsa" und eine Beschreibung untersuchung Formen kriegen konnten und vom Entstehen, der Entwicklung und der sich zu einem Großteil auf die Erklärungen Organisation von Dev Y01 auf Landesebe- der Beschuldigten selbst stützten.