IMPRESSUM Dokument A - Berliner anarchistisches Jahrbuch Nr. 5 (2011) - ISSN 2193-7850

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chon lange nicht mehr standen gebrochene Aktualität ihrer mehr · Die im letzten Jahr verwandte dem Anarchismus in Deutsch- als 150jährigen Ideentradition ver- Doppelbezeichnung »2010/2011« Sland so viele Türen offen wie weisen: Anders als bei rechten und erscheint uns mittlerweile selbst heute, emanzipatorische Ideen und linken »Archist_innen« zielen anar- als verwirrend — das Dokument Überzeugungen reichen inzwischen chistische Ideen nicht auf die Erobe- A wird jetzt wieder mit dem Jahr bis weit in die »Normalgesellschaft« rung politischer Herrschaft, sondern bezeichnet, aus dem die Texte hinein. Zum Teil ist das jenen zahl- auf Selbstbestimmung, Emanzipati- stammen. Um unseren Wirkungs- reichen »Autoritäten« aus Politik und on und föderalistische Organisati- grad über den Buchhandel zu ver- Wirtschaft zu danken, die durch kon- onsmodelle. »Archist_innen« aller größern, erscheint das neue Heft tinuierliche Affären und Blamagen Richtungen predigen Über- und Un- zudem erstmals unter der ISSN heute als abgewirtschaftet gelten — terordnung — wir vertreten egalitä- 2193-7850 und in einem Verlag. sie haben im Bewusstsein der Gesell- re Gemeinschaftsformen. Sie wollen Wir danken der Edition AV für die schaft erfreulicherweise viel Strahl- regieren — wir setzen auf Selbstver- Kooperation! kraft verloren. waltung. Emanzipatorische Werte entsprechen dem Lebensgefühl einer · Und schließlich wird jetzt auch Aber die Veränderungen reichen tie- wachsenden Anzahl von Menschen. durch die Aufmachung der von fer: Nicht mehr nur diese oder jene Ginge der Anarchismus in die Offen- uns beabsichtigten Offenheit Politiker, Regierungen und Wirt- sive, würde er höchstwahrscheinlich Rechnung getragen: weniger dir- schafts-Eliten haben ihren Glanz ein- ganz oben auf der Agenda stehen. ty-style, aber auch nicht bieder gebüßt — viel mehr Leute als früher oder Pop-Art, sondern klar struk- sehen Herrschafts-Systeme an sich Mit dem neuen Dokument A, das turiert mit dem Schwerpunkt auf nicht mehr als Lösung für die sozialen jetzt schon im fünften Jahrgang er- Lesbarkeit. Herausforderungen der Gegenwart, scheint, ist hierfür eine gute Gele- sondern als Teil des Problems aus genheit: Strömungsübergreifend und Beim letztgenannten Punkt geht es Demokratiedefiziten, Abgehobenheit pluralistisch haben wir erneut Ber- allerdings nur in zweiter Linie um der Macht und fehlender Basisnähe. liner anarchistische Wortmeldungen ästhetische Fragen, sondern vor al- Zur Unterwerfung unter überliefer- zahlreicher Richtungen und Facetten lem darum, den Anarchismus raus te Hierarchien bekennt sich hierzu- zusammengetragen, die eingehend aus der Nische und in die Mitte der lande kaum noch jemand. Nicht nur gelesen zu werden verdienen. Um un- Gesellschaft zu bringen. Wir haben Libertäre wenden sich heute von den ser Konzept zu optimieren, weist das im neuen Dokument A wieder einen autoritären Denk- und Handlungs- neue Dokument A zudem eine Reihe beeindruckenden Querschnitt anar- Gewohnheiten ab, die seit jeher von von Neuerungen auf: chistischer Wortmeldungen zusam- oben vorgegeben worden sind. Immer mengetragen — auch Außenstehende größere Kreise der Bevölkerung mei- · Mittels einer Liste Berliner an- könnten davon profitieren. Also ran nen statt dessen, dass sie ihre Inter- archistischer Veranstaltungen an Eure Kolleg_innen, Verwandten, essen selbst besser vertreten können haben wir erstmals die zahllo- Bekannten! Das neue Dokument A ist und nehmen sie in die eigenen Hände sen @-Basisaktivitäten in Berlin als Lektüre für jede_n gedacht, An- — unter anderem jene Akteur_innen, dokumentiert, und zwar in einer archismus ist keine Frage des Alters, die von der Presse gern als »Wutbür- beeindruckenden Vielzahl und des Berufes, der Haarfarbe. Anarchis- ger« diffamiert werden: Bisher eher Vielfalt, die wir selbst zuvor nicht mus ist eine Sache der Haltung. im Fahrwasser der Politiker und ih- für möglich gehalten haben. Lest rer Verlautbarungen, setzen sie ihre selbst auf S. 60 ff.! Dank an alle, die dieses Dokument A Hoffnungen wie viele andere nicht möglich gemacht haben! mehr auf Parteien und Parlamente, · Neu ist ferner eine Liste anarchis- sondern suchen nach einer anderen tischer Publikationen aus Berlin, Eure Dokument A - Redaktion Qualität politischer Praxis. Zeitschriften und Bücher, unter anderem des anarchistischen Ka- Beim Anarchismus könnten sie fün- rin Kramer Verlages, der seit mehr dig werden. Unbelastet von rechter als 40 Jahren auf Sendung ist. Auf und linker »Regierungs-Kriminali- S. 66. tät«, können Libertäre auf die un-

 3 InhALTSvERzEIchnIS

6 Tilman Leder DIE zwEITE SERIE DER BERLInER AnARchISTISchEn zEITSchRIfT „DER SOzIALIST“ (1895–1899)

10 Jochen Knoblauch A B g ESAng AUf zwEI TOTE LITERATEn: hADAyATULLAh hüBSch UnD PETER-PAUL zAhL

11 Anarchosyndikalistische Jugend Berlin SchwARzES KLEEBLATT

12 Anarchosyndikalistische Jugend Berlin DAS PROBLEM DER STELLvERTRETER_InnEnPOLITIK

13 Tempest Library Collective EInE DISKUSSIOn üBER DIE jüngSTEn EREIgnISSE In nORDAfRIKA UnD DEM nAhEn OSTEn

14 Ralf G. Landmesser SOnnE UnD fREIhEIT

15 Anarchosyndikalistische Jugend Berlin wOhIn DEnn MIT DEn gAnzEn jUgEnDLIchEn?

15 Ralf G. Landmesser gERMAn ROULETTE

17 Anarchistische Föderation Berlin vIA KAPITULATIOn KAPITALISMUS InS jEnSEITS BEföRDERn!

20 Bibliothek der Freien AnARchISTISchER »BREnnPUnKT«

24 Anarchosyndikalistische Jugend Berlin LASST DIE TOTEn RUhn, ERfüLLT IhRE hOffnUngEn

25 Anarchistische Föderation Berlin gAME OvER? ... LIEBER nIchT! zUSAMMEn AUSwEgE EnTwIcKELn

29 Einige Anarchist_innen DER BRUch MIT DER AUTORITäT - UnD SEInE TöDLIchEn fOLgEn

30 Unbekannte Autor_innen üBER gREnzEn DER BEhERRSchUng UnD DIE fREUDEn DER SUBvERSIOn

31 Wahllos Glücklich!?-Bündnis wAhLPROgRAMM? STIMMEnfAng!

33 Unbekannte Autor_innen AThEn BREnnT! SchLäfT BERLIn?

4  InhALTSvERzEIchnIS

34 Not Welcome-Bündnis nOT wELcOME! DEn PAPSTBESUch In BERLIn zUM DESASTER MAchEn

38 North East Antifascists „QUO vADIS, BEnEDIKT? ABfAhRT nAch REchTS!“

40 Mietenstopp-Bündnis jETzT REIchT‘S: MIETEnSTOPP - gEgEn MIE T E R höhUng, vER DR än gUng UnD ARMUT

41 Anarchistische Initiative AnARchIE?

42 Tempest Library Collective fERAL UK On fILM

43 A-Laden Experience SySTEMcRASh. REvOLUTIOn AUf DER TAgESORDnUng?

47 Ralf G. Landmesser wAS TUn MIT KOMMUnISMUS?

49 Mark Harda wAS TUn MIT KOMMUnISMUS!

53 Bibliothek der Freien BUch DES jAhRES 2011

54 Philippe Kellermann MARx UnD BAKUnIn: zUM „URKOnfLIKT“ vOn MARxISMUS UnD AnARchISMUS

57 Anarchist_innen EIn REISEBERIchT AUS TUnESIEn

58 Anarchistische Gruppe Neukölln EIn jAhR AnARchISTISchE gRUPPE nEUKöLLn

58 Anarchosyndikalistische Jugend Berlin jUng UnD BILLIg: gEMEInSAM gEgEn AUSBEUTUng IM MInIjOB

59 Anarchist Black Cross Berlin hInTER vERSchIEDEn vERgITTERTEn fEnSTERn…

60 Veranstaltungsverzeichnis

66 Veröffentlichungen

67 Gruppenporträts

 5 ach der Einstellung des ers- ten „Sozialist“ im Januar 1895 DIE zwEITE SERIE DER nvergehen die nächsten Mona- te mit den Planungen zur Gründung eines Ersatzblattes, das entweder in BERLInER AnARchISTISchEn London, Holland oder der Schweiz oder doch wieder in Deutschland und dort entweder in Berlin oder Stutt- zEITSchRIfT „DER SOzIALIST“ gart erscheinen soll. Hauptakteur der Planung in Berlin ist der aus der Haft entlassene Adolf Löhr, Expedient des (1895 –1899) alten „Sozialist“, der aber so ener- gisch die Fäden in der Hand behalten will, daß er seinen Genossen nicht Tilman Leder einmal angibt, wer das neue Blatt drucken und als Redakteur zeichnen haltenen Inhalts. Insgesamt stößt der dem Umfeld dieser Gruppe gehen die soll. Unter diesen Umständen wollen Inhalt der ersten Nummer nicht auf nächsten Jahre beständig Angriffe die Berliner Genossen Löhr kein Geld sonderlich viel Gegenliebe, wie die gegen den „Sozialist“ und seine Leiter für die Zeitung bewilligen und er läßt Politische Polizei zu berichten weiß. hervor. Die Konsumgenossenschaften das Projekt erbost fallen. Das weite- Vielen Genossen stößt Landauers als sind dabei das Dauerbrennerthema. re Vorgehen bleibt bei Richard Weiß zahm empfundene Schreibweise und Den ersten größeren Krach gibt es (ebenfalls ehemaliger Expedient des seine Propaganda für die Konsum- bereits im Oktober 1895 als eine an- „Sozialist“) und dem früheren Redak- Genossenschaften sauer auf, zudem archistische Versammlung mit dem teur Gustav Landauer, der zu dieser hält man es für einen taktischen Feh- Thema „Der sozialdemokratische Zeit in Bregenz/Österreich wohnt. ler, daß gleich in der ersten Nummer Parteitag“ in eine erhitzte Diskussi- Bald stößt Wilhelm Spohr dazu, der die Sozialdemokratie angegriffen und on zwischen Gegnern des „Krämer- am 3. Juli 1895 nach über einem Jahr verspottet wird. Als Resultat wird für Anarchismus“, wie Pawlowitsch die Haft, die er wegen einer aufreizenden die Genossenschaftsidee in der Fol- Verquickung von Anarchismus mit Rede bei der Maikundgebung 1894 er- ge erst einmal weniger offen Propa- der Genossenschaftsidee nennt, und halten hatte, aus dem Gefängnis ent- ganda gemacht, die Bekämpfung der Gegnern des „Phrasen-Anarchismus“, lassen wird. Wenige Wochen später Sozialdemokratie tritt etwas zurück den Wilhelm Wiese Pawlowitsch et kündigt ein von ihm unterzeichnetes und die Zufriedenheit der Leserschaft al. attestiert, ausartet. Die Gegner Zirkular das erneute Erscheinen des steigt. Selbst die Beschlagnahme der der Genossenschaftsidee würden „Sozialist“ an; als Redakteur steht Beilage zur Nr. 4 v. 14. September we- am liebsten Wiese und dessen An- Landauer und Spohr selbst als Expe- gen Majestätsbeleidigung macht eher hänger ganz aus der anarchistischen dient fest. Werbung für das Blatt, das um diese Bewegung ausstoßen und Landauer Zeit herum bereits kostendeckend ar- dazu nötigen, seine Propaganda für Die erste Nummer dieses zweiten beiten soll. die Konsumgenossenschaften einzu- „Sozialist“ erscheint schließlich am stellen oder aber die Redaktion des 17. August 1895 als neue Folge des Beinahe zeitgleich mit der Neuher- „Sozialist“ niederzulegen. In einer fünften Jahrgangs mit dem neuen ausgabe des „Sozialist“ bildet sich in der nächsten Versammlungen wird Untertitel „Organ für Anarchismus- Berlin im August 1895 um Löhr die eine dreiköpfige „Agitationskom- Sozialismus“. Als verantwortlicher Gruppe „Centrum“ (die Polizei nennt mission“ gewählt, deren Aufgabe Redakteur (und damit als juristisch sie eine „Geheimgruppe“, was bedeu- die Leitung der Berliner Agitation, belangbare Person) zeichnet der Ber- tet, daß sie nicht offiziell gemeldet ist, Einberufung von Versammlungen liner Zigarrenmacher Oskar Witzke, wie es das Vereinsgesetz fordert), in und die Kontrolle des „Parteiblattes“ als Verleger Landauer, z.Zt. in Bre- der sich mit Paul Pawlowitsch, Neft, – sprich „Sozialist“ – sein soll. Die genz; de facto ist natürlich Landauer Paul Petersdorf, Julius Müller, Kort- Kommission wird von Gegnern der auch für die Redaktion zuständig, nur hals, Diesner und anderen vor allem Genossenschaftsidee dominiert und juristisch nicht so exponiert. Die Auf- Gegner der Genossenschaftsidee in der nächsten Zeit von Landauer lage dürfte wie geplant 5.000 Exem- sammeln, denen die Herausgeber des und der „Sozialist“-Besatzung soweit plare betragen haben, von denen „Sozialist“ ein Dorn im Auge sind. wie möglich ignoriert. Dies sorgt allerdings viele Hundert als unver- Löhr ist außerdem noch schwer ge- wiederkehrend für Konflikte, so wird käuflich zurückkommen, wohl nicht kränkt, daß er nicht wieder Expedi- z.B. Spohr und Weiss angekreidet, zuletzt wegen des bewußt maßvoll ge- ent des „Sozialist“ geworden ist. Aus daß sie hinter dem Rücken der Agi-

6  jAnUAR tationskommission mit auswärtigen gen (Julius Müller, Löhr, Petersdorf, das sie auch schon finanzielle Un- Genossen korrespondierten. Zudem Pawlowitsch und Korthals), das ent- terstützung aus London hat und von soll Landauer zu einer schärferen schädigungslos arbeiten werde. Da- Bernhard Kampffmeyer, der zeitwei- Schreibweise gedrängt und dazu ge- hinter steht selbstredend die Gruppe se auch die Defizite des „Sozialist“ nötigt werden, selbst als verantwort- „Centrum“, die – oh, Überraschung! deckt. Mit der drohenden Neugrün- licher Redakteur zu zeichnen oder – auch das vollständige Comité stel- dung vor Augen, kündigt der „Sozia- aber von dem Unternehmen ganz len soll. So unter Druck gesetzt, sucht list“ kurzentschlossen das Erscheinen zurückzutreten bzw. auf sein Gehalt Landauer wieder nach Unterstützung einer populär gehaltenen Beilage an, zu verzichten. In diesem Fall soll die durch die anarchistischen Konsum- die auch einzeln zu abonnieren sein Redaktion des „Sozialist“ einer Kom- genossenschaftler, aus deren Reihen soll: „Der arme Konrad“ (gerade in mission von Genossen übertragen sich ab Juni 1896 der neue Verleger, den letzten Wochen war der „Sozia- werden, von denen einer als Redak- Adolf Marreck, Vorstandsmitglied list“ neuerlich ausgiebig wegen seiner teur zeichnen würde. Eine endgültige der anarchistischen Konsumgenos- angeblichen „Unverständlichkeit“ für Regelung zieht sich allerdings sehr senschaft „Befreiung“, und der neue einfache Arbeiter kritisiert worden). in die Länge und erst im März 1896 verantwortliche Redakteur, Tischler Das Blatt soll von Weidner kostenlos kommt es zu einer offenen Auseinan- Gustav Friedrich, ebenfalls Mitglied redigiert werden und die Druckkos- dersetzung in einer Korpora, wie die der „Befreiung“, rekrutieren. Die Po- ten sollten sich nur unerheblich erhö- Treffen der inneren Zirkel mit Vertre- litische Polizei orakelt angesichts der hen. Die Genossen sollten, so erklärt tern der verschiedenen Vereine und Situation schon von einer Spaltung Weidner, das Recht haben, das Blatt Diskutierklubs aus Berlin und Umge- der anarchistischen Bewegung. Die hinsichtlich der Schreibweise und der gend genannt werden. Pawlowitsch Tatsache, daß sich der Drucker Sie- finanziellen Verhältnisse zu kontrol- beantragt die Absetzung Landauers, benmarck hinter Landauer und Spohr lieren, es werde eine vom „Sozialist“ um dessen 150 Mark Gehalt ein- stellt und das Blatt nur weiterdrucken getrennte Kasse eingerichtet. Vie- zusparen; eine Entscheidung wird will, wenn beide in ihren Stellungen len der Forderungen von Seiten der abermals vertagt, weil einige Vororte verblieben, schiebt eine Entschei- Löhr’schen Gruppe wird so zumin- nicht vertreten sind. Zu dieser Zeit dung wieder einmal auf. Der Sommer dest mit dem „Armen Konrad“ entge- erwirtschaftet der „Sozialist“ bereits gehört dem Londoner Sozialisten- gengekommen, aber noch wichtiger: ein Defizit und verbraucht im ersten Kongreß, wo die anarchistischen Durch die kurzfristige Ankündigung Quartal 1896 400 Mark Zuschuß, die Mandate (aus Berlin Landauer und und das Erscheinen der ersten Num- man aber noch über Eintreibung al- Pawlowitsch) abermals ausgeschlos- mer nur eine Woche später, werden ter Forderungen decken kann. Die sen werden und einen eigenen Par- Tatsachen geschaffen, die eine weite- Finanzlage ist nicht eben förderlich allelkongreß veranstalten. Erst Ende re Neugründung kaum möglich ma- für Landauers Stellung und auch in August 1896 gehen in Berlin die Aus- chen. Da eine definitive Regelung der der Folge kommt immer wieder der einandersetzungen weiter, Landauer Preßfrage dadurch verzögert wird, ist Vorschlag auf, Landauer abzusetzen soll wieder einmal abgesetzt werden, es auch mit den 500 Mark Londoner und die Leitung des Blattes einem ansonsten will die Löhr’sche Gruppe Finanzhilfe für Löhr und Genossen Comité aus fünf Personen zu übertra- ein Konkurrenzblatt herausgeben, für nichts.

Die erste Nummer der zweiten Serie des ‚Sozialist‘ vom 17. August 1895

 7 Die Spaltung innerhalb der Berliner Bewegung kittet der „Der arme Kon- rad“ nicht, allenfalls übertüncht er sie etwas und verschafft der „Sozialist“- Leitung etwas Zeit. Beide Zeitungen erscheinen zu dieser Zeit in einer Auflage von etwa 3.000 Exemplaren. Der „Arme Konrad“ erwirtschaftet einen kleinen Überschuß, der „So- zialist“ hingegen im dritten Quartal 1896 ein dickes Minus von 400 Mark. Trotz der Unterstützung Kampff- meyers schuldet die Redaktion dem Drucker Siebenmarck noch beinahe 2.500 Mark. Das Defizit liegt haupt- sächlich am mangelhaften Rücklauf der fälligen Abonnementsgelder, da nur eine Minderheit regelmäßig be- zahlt. Dies inspiriert offenbar die Agitationskommission, denn we- nig später tritt sie mit dem perfiden Vorschlag hervor, daß die Berliner Gruppen die Zeitungen für ihre Mit- glieder zusammen beziehen und die Ablieferung der Abonnementsgelder derart regeln sollten, daß sie immer zwei Monate im Rückstand bleiben. Auf diese Weise will man Landauer pekuniäre Schwierigkeiten bereiten und die Gruppen in den Besitz von Die ‚Sozialist‘-Redakteure Spohr, Landauer und Weidner lassen sich verkleidet kleinen, jeder Zeit disponiblen Fonds und mit angeklebten Bärten ablichten, so wie sie den Spitzel-Anwerbeversuch von setzen. Der Vorschlag wird auch an Polizeikommissar Boesel auf dem Gelände der Treptower Gewerbeausstellung auswärtige Genossen kommuniziert. verhindert haben. Landauer übersandte Boesel das Foto mit der handschriftlichen Zu dieser Zeit steht der „Sozialist“ Widmung: „Herrn Kriminalkommissarius Boesel zur freundlichen Erinnerung an auch von seiten Justitias recht stark den schönen Abend in der Gewerbe-Ausstellung, 1. Oktober 1896, Gustav Landauer, unter Beschuß. Hauptgegenstand des Wilhelm Spohr, Albert Weidner“. Aufruhrs ist ein „Sozialist“-Artikel, der über die versuchte Werbung des chen immer wieder Haussuchungen zu beeindrucken), nutzen Wiesenthal Freiburger Anarchisten Machner als bei den Beteiligten veranstaltet und und Pawlowitsch die Abwesenheit Spitzel durch den Berliner Polizei- hartnäckig versucht, Landauer als Spohrs, um nach Rücksprache mit kommissar Boesel berichtet. Machner den Hauptverantwortlichen für den dem Drucker Siebenmarck in der Ex- hatte sich mit Landauer und den an- „Armen Konrad“ und den Boesel- pedition Einblick in die Geschäftsbü- deren abgesprochen. Bei dem verab- Artikel im „Sozialist“ dingfest zu ma- cher des „Sozialist“ zu nehmen (was redeten Treffen mit Boesel tauchten chen, um ihn verurteilen zu können. Spohr bisher immer noch nicht zuge- plötzlich Landauer, Spohr und Weid- Landauer wird schließlich nach einer lassen hatte). Die bestätigt gefundene ner in Verkleidung auf und wurden absurd anmutenden Haussuchungs- Mißwirtschaft und das Kolportieren von Machner vorgestellt. Der über- orgie kurz vor Weihnachten 1896 ver- der desolaten Finanzlage in Genos- rumpelte Boesel zog eilig von dan- haftet und nach sechs Wochen Unter- senkreisen, läßt erneut eine starke nen. Der ausführliche Artikel „Wie suchungshaft freigesprochen. Stimmung gegen Spohr und Landauer der Polizeikommissar Boesel bei der Als im April 1897 Landauer und aufkommen. Deren Absetzung würde Spitzelzucht ertappt wurde. Ein Bei- Spohr wegen ihrer Aussagen in dem nun „fast allgemein“ gewünscht, be- trag zur Naturgeschichte des Polizei- Koschemann-Prozeß für einen Tag richtet die Politische Polizei. Noch be- agenten“ (ungezeichnet, in: Sozialist, verhaftet werden (wohl ebenfalls eine vor eine Korpora diese Frage verhan- VI. Jg., Nr. 40 vom 3.10.1896) wird be- Retourkutsche von Kommissar Boe- delt, bemächtigt sich die Gruppe um schlagnahmt, in den folgenden Wo- sel und ein Mittel, die Geschworenen Pawlowitsch auch noch durch einen

8  jAnUAR

Trick der Adressen des „Sozialist“, in- ihre bezahlten Posten beim „Sozia- hold soll die ausgehenden Sendungen dem sie am 29. April die versandberei- list“ aufzugeben und die Leitung des kontrollieren. Anfang November 1898 ten Pakete mit der Mai-Nummer des Blattes an Albert Weidner zu überge- übernimmt Landauer aushilfsweise „Sozialist“ aufhält und die Adressen ben, der auch den „Armen Konrad“ noch einmal die Redaktion des „So- abschreibt. Die Nummer kommt da- führt. Zu diesem Anlaß veröffentlicht zialist“ (da kein Geld vorhanden ist, durch verspätet zum Versand. In der der „Sozialist“ Erklärungen von al- ohne Bezahlung, und nur gegen Er- darauffolgenden Auseinandersetzung len dreien. Spohr erklärt: „Landauer, satz der Fahrtkosten), damit Weidner, in einer Korpora am 2. Mai 1897 wer- Weidner und ich, die bittergeschmäh- der seit einem vollen Jahr das Ge- den Landauer, Spohr und Weidner te ‘heilige Dreieinigkeit Jottes’, wir schäftliche aufgrund der chronischen aufgefordert, ihre Posten zu räumen, wollten eben nicht, daß der ‘Sozia- Überarbeitung vernachlässigt hat, doch sie erwidern, sie würden nur list’ und der ‘Arme Konrad’ Händen endlich buchhalterisch aufräumen der Gewalt weichen. Da sie sich auch ausgeliefert würden, die wir nicht kann. Die Finanzlage bleibt gewohnt fortgesetzt weigern, die Geschäfts- für geschickt genug hielten, sie zu katastrophal. Im Dezember 1898 muß bücher zu übergeben, schreitet die leiten. Seitdem wir jetzt jede Woche man sogar eine Nummer des „Sozia- Gruppe um Pawlowitsch zur Tat und ein Konkurrenzblatt vor Augen se- list“ und „Armen Konrad“ ausfallen gründet eine eigene Zeitung: „Neues hen, haben wir es schwarz auf weiß, lassen, weil kein Geld für 53 Num- Leben. Anarchistisch-sozialistische daß wir gut daran thaten.“ Weidner mern, wie es der Jahrgang erfordern Wochenschrift“. Die erste Nummer bekräftigt seinen Kampfwillen nach würde, da ist. Die Politische Polizei erscheint am 5. Juni 1897. Zuvor ver- allen Seiten hin, doch die finanzielle rechnet schon Woche für Woche mit suchte ein Flugblatt von Pawlowitsch Lage der Blätter sei augenblicklich, dem Eingehen des „Sozialist“. Doch über die bestehenden Differenzen dank der unverantwortlichen Aus- beide Blätter schleppen sich noch eine aufzuklären und forderte auf, keine beutung durch bummelig oder gar ganze Weile weiter, unter den deso- Gelder mehr an den „Sozialist“ zu nicht zahlende Leser und Kolporteu- latesten Bedingungen. Ab Februar schicken. re, eine so schlechte, daß ein anderer 1899 fallen aus Geldmangel immer Ausweg nicht blieb. wieder Nummern aus, entweder von Mit einer ätzenden Notiz wird das einem Blatt oder auch beiden. Als „Neue Leben“ vom „Sozialist“ will- Wirtschaftlich geht es mit dem „So- dann noch der Drucker Siebenmarck kommen geheißen: „‘Neues Leben’ zialist“ trotzdem nicht bergauf. An- ohne vorherige Bezahlung nicht mehr heißt das Blatt, welches seine Schöp- fang 1898 sind die Druckschulden drucken will, ist es offensichtlich, daß fer dazu bestimmen, dem armen, schon wieder so rapide angewachsen, nicht beide Blätter zu halten sind: der kranken, korrumpierten, nichts tau- daß sogar Richard Weiß dazu rät, die „Sozialist“ wird in eine Monatsrevue genden, zu gelehrten und unerhört Blätter eingehen zu lassen, oder sie umgestaltet und der „Arme Konrad“ schlecht verwalteten ‘Sozialist’ das den Gegnern (sprich den Anhängern soll weiterhin vierseitig, aber im grö- Lebenslicht auszublasen. Wenn wir des „Neuen Leben“, das Ende 1897 ßeren „Sozialist“-Format, wöchentlich die Welt schlecht verständen, so wür- selbst eingegangen war) zu überlas- erscheinen. Am 8. April 1899 erschei- den wir sagen: so ein Schund kann sen. Weidner will aber zwecks Kos- nen beide Blätter zum letzten Mal in nicht leben!“ Die Befürchtungen des tenreduktion den „Sozialist“ selbst ihrem gewohnten Format; der „Sozi- „Sozialist“ sind klar: „Die Gründer setzen, so daß nur noch Geld für Pa- alist“ als Nummer 10, 11, 12, 13 und des ‘Neuen Lebens’ haben die Hoff- pier und Druck aufgebracht werden der „Arme Konrad“ als Nummer 11, nung aufgegeben, neben dem ‘Sozia- muß. Trotzdem muß die nächsten 12, 13, um so die ausgefallenen Num- list’ bestehen zu können, sie wollen Monate immer wieder Geld zusam- mern einzuholen und die Auszahlung daher auf den Trümmern unseres mengepumpt werden; im Sommer der Abonnementsgelder für das erste Blattes ihren Zeitungsbau errich- 1898 gibt Benedikt Friedländer 1000 Quartal vom Postzeitungsamt zu er- ten.“ Finanziell ist bei Landauer und Mark, die den Drucker Siebenmarck, langen, die vorher verweigert worden Spohr schon in den nächsten Monaten der auf tausenden Mark „Sozialist“- war, weil kein komplettes Quartal (in „Land unter“ angesagt. Die Auflage Schulden sitzt, zeitweise besänftigt. diesem Fall 13 Nummern) erschienen geht beständig zurück und Spohr soll Um die finanziellen Verhältnisse zu war. sich schon nach einer anderen Arbeit ordnen und die Blätter solange wie umsehen, denn er bezieht mit 50 Mark möglich zu halten, übernimmt Adolf Nach der Umwandlung des „Sozia- nur noch die Hälfte seines früheren Grunau, der in letzter Zeit viel Geld list“ in eine „Anarchistische Monats- Gehalts. Aus Geldmangel erscheinen in die Blätter gesteckt hat und über- schrift“, die seit Mai 1899 12-seitig in ab Sommer 1897 Nummern gelegent- zeugt ist, daß Weidner unordentlich einem beinahe lächerlichen Kleinok- lich nur vier- anstatt sechsseitig. An- wirtschaftet, die Kassenführung von tav Format erscheint, sollte man mei- fang November 1897 bleibt Landauer Weidner. Gelder sollen nur noch an nen, daß wenigstens in dieser Form und Spohr nur der radikale Schritt, ihn gesandt werden und Frau Rein- beide Blätter zu halten sind. Doch

 9 weit gefehlt, denn Anfang Juni 1899 Juli 1898 wieder erscheint, habe den Die letzte Nummer des „Sozialist“ er- muss bereits wieder eine Nummer Ruin gebracht. Nur ein Wunder kön- scheint im Dezember 1899 als Doppel- des „Armen Konrads“ ausfallen, weil ne die Blätter noch vor dem Eingehen nummer. Die angekündigte Format- es nicht möglich war, den Drucker retten. Die nächsten beiden Wochen vergrößerung für 1900 bleibt aus, wie pünktlich zu bezahlen. Ende Juni/ erscheint wiederum keine und am das Erscheinen des „Sozialist“ über- Anfang Juli fallen zwei Nummern 7.10.1899 lediglich eine zweiseitige haupt. Als Erklärung dafür, warum in Folge aus, Ende Juli wieder eine, Nummer, die die Einstellung des „Ar- Weidner nicht weitermacht, sollten Mitte-Ende August zwei in Folge men Konrad“ nach langem Siechtum die 2000 Mark Schulden beim Drucker und Anfang September eine weite- und schwerem Todeskampf mitteilt. und höchstenfalls – so von der Politi- re. Die nächste erscheint nur zwei- Der „Sozialist“ solle bis zum Ende des schen Polizei geschätzt – 400 bis 500 seitig mit Weidners Leitartikel „Die Jahres im alten Format und ab 1.1.1900 zahlende Abonnenten als Erklärung Situation unserer Presse. Eine ernste in vergrößertem Format erscheinen: ausreichen. Mahnung“, in der er seine Meinung „Der arme Konrad“ ist tot – es lebe zur Notlage der Blätter kundtut. Die der „Sozialist“! Obwohl das Oktober- Ursachen lägen nicht in der Schreib- Heft des „Sozialist“ als demnächst Quelle: Rotes Antiquariat Berlin. weise, sondern vor allem die Kon- zum Versand kommend ankündigt Katalog Januar 2011: kurrenz des „Neuen Leben“, das seit wird, fällt auch diese Nummer aus. Anarchistica. Sozialistica. S. 135–139.

ABgESAng AUf zwEI TOTE LITERATEn: hADAyATULLAh hüBSch (1946 –2011) UnD PETER-PAUL zAhL (1944 – 2011) jochen Knoblauch

ast sieht es so aus, als würde brachten. Beide stehen aber auch für die Wege in die Spiritualität und/oder die 68er-Generation das sin- zwei Wege, auf denen wir die meisten die in die Politik. Hübsch experimen- fkende Schiff verlassen wollen. Verluste zu verzeichnen hatten: die tierte mit Drogen, was ihn kurzfristig Mit H. Hübsch und P.P. Zahl verlas- Psychiatrie und den Knast (genauere in die Psychiatrie brachte und bereits sen uns zwei Literaten, die beide auf bio-bibliographische Angaben kön- 1969 zum Islam übertreten ließ. Zeug- ihre Art und Weise bezeichnend für nen Wikipedia entnommen werden.) nis seines Schaffens ist sicherlich der ihre Generation waren. Die 1960er Jahre – ein sehr spannen- kleine 2003 erschiene Band »Die ers- des Jahrzehnt – brachte beide Auto- ten 100 ...«, eine kommentierte Biblio- Noch im Kriege geboren, werden sie ren in eine linksradikale Szene, die graphie mit seinen bis dato mehr als zu jenen Kindern, die ihren Eltern die damals durchaus Gewicht bekam im 100 Publikationen. begangenen Verbrechen (z. T. sinnge- Zuge eines allgemeinen intellektuel- mäß), aber vor allem deren Schwei- len Aufbruchs. Hübsch stand in der gen sowie das jahrzehntelange Wei- Tradition von Dadaismus und dem termachen nicht verzeihen werden. aus den USA rüberschwappenden Es galt zu neuen Ufern aufzubrechen, Aufkommen der Beat-Generation. In neue Länder zu entdecken – nicht ihr – beide in ihrer Zeit eine verlore- immer im topographischen Sinne – ne Generation – waren die ehemali- und eine neue Sprache zu finden oder gen Kinder der Kriegskontrahenten zumindest aus den Trümmern Euro- vereint. Zahl sah seine Wurzeln eher pas das Beste wieder auszugraben. im deutschen Sturm und Drang, in Hadayatullah Hübsch und Peter-Paul der Epoche der Aufklärung. Zahl waren beide Protagonisten ei- ner Generation, den sog. 68ern, die Die zwei (scheinbar) gravierenden die westdeutsche Gesellschaft nicht Unterschiede dieser 68er waren wohl zum Einstürzen, aber ins Wanken (das sag ich jetzt einfach mal so ...)

10  MäRz

de »Schutzimpfung« und »Alle Türen offen« in jeweils über 20.000 Exem- SchwARzES plaren verkauft wurden – davon kön- nen heutige VerlegerInnen/AutorIn- nen nur noch träumen – oder dessen KLEEBLATT Schelmenroman, ein Spiegelbild der Szene, gar geschätzt über 50.000 mal m Februar 2012 wird das Presse- verkauft wurde, hat immer versucht, Iorgan der ASJ Berlin, das Schwar- egal ob Lyrik, Roman, Essay, Theater- ze Kleeblatt, ein Jahr alt. stück, gegen die Herrschenden anzu- gehen.

Beide prägten auf ihre Weise die Subkultur, die linksradikale Szene, die sich heute längst in eine schreck- Zahl wurde zum Opfer einer hyste- liche X-Beliebigkeit zerbröselt hat. rischen Politik, die von beiden Sei- Dies ist sicherlich nicht den heutigen ten bis ins Extrem getrieben wurde, AkteurInnen anzukreiden denn der Seit dem ersten Erscheinen bemü- die ihm 10 Jahre Knast einbrachte. Reformierbarkeit der Verwertungs- hen sich die AutorInnen um (kriti- Ein absurdes Gesinnungsurteil. »Das gesellschaft. Berechtigter Widerstand sche) Darstellungen meist aktueller System macht keine Fehler. Es ist der bleibt heute in einer klebrigen Masse Ereignisse aus vielen Bereichen (Bil- Fehler«, titelte PPZ in seinem 1974 von H & M-Einheit und politischem dung/Schule, Tagespolitik, Ökolo- erschienen Sammelband mit Reden Allerwelts-Gesülze auf der Strecke. gie, Kampagnen, Arbeitswelt usw.). vor Gericht. Bis ins hohe Alter – 1982 H. Hübsch und P.P. Zahl gehörten Mit dem Ziel, unsere Ideen und Pro- verließ er Deutschland in Richtung noch jener Generation an, deren Fein- jekte zu publizieren, wurde die Zei- Jamaika, wo ihm 2002 der deutsche de sich klar zu erkennen gaben. Heute tung mit den festen Rubriken Regio- Pass abgenommen wurde, und Zahl sind die Feinde ringsum. Kaum Frei- nal, Überregional und Globales und jahrelang darum prozessierte zwei räume. Weder topographisch noch der Terminspalte gegründet. Gast- Staatsbürgerschaften haben zu dür- intellektuell – alles vertwittert, alles beiträge zu aktuellen, politischen fen – stand er mit der Justiz, zu Recht, vernetzt, alles hübsch verpackt. bzw. anarchistischen/syndikalisti- auf Kriegsfuß. schen Themen sind immer gern ge- Den heutigen, jungen AutorInnen sehen, die Vervielfältigung und Er- Beide vereint waren sie in der Liebe werden die beiden, kurz vor der Rente weiterung sowie Kritik ebenso. zur Lyrik, zur Literatur, zu einer Ver- verstorbenen (Hadayatullah verstarb pflichtung zur Gesellschaftskritik, zu 4 Tage vor seinem 65. Geburtstag) Auf jeden Fall könnt ihr das einem unabdingbaren Humanismus. u. U. heute wenig sagen. Vielleicht Schwarze Kleeblatt aller zwei Mo- Beide prägten ihre und die kommen- sind auch ein Teil ihrer Texte heute nate kostenlos lesen. Da wir uns de Generation stark. Obwohl beide nicht mehr relevant, aber ich meine, bemühen das Schwarze Kleeblatt nie im etablierten Literaturbetrieb dass es sich trotzdem lohnt, sich mit so breit wie möglich zu verteilen, angekommen sind, haben sie jeweils beiden Personen und ihren Texten findet ihr Printausgaben bei vielen auf ihre Art und Weise ihren Einfluß auseinanderzusetzen. Demos, in einigen Schulen und Ju- geltend machen können. gendclubs Berlins, im FAU-Lokal, Möge die Erde ihnen leicht sein, mö- sowie diversen anderen Locations. Hadayatullah Hübsch beeinflußte gen sie jetzt an einem Ort – an wel- Die Down l oadversionen findet ihr stark die Szene der Kleinverlage, de- chem auch immer – sein, der ihren immer unter: asjberlin.blogsport.de/ nen das Büchermachen nicht nur aus Träumen entspricht, und wer weiß, schwarzes-kleeblatt kommerziellem Antrieb wichtig ist. vielleicht sitzen beide jetzt zusam- Von den 70er Jahren der Betroffen- men und unterhalten sich über eine heit bis in die 90er der Socialbeat- und bewegte und bewegende Zeit, an der Slampoetry-Bewegung war Hübsch sie teilgenommen haben, in der sie Mentor all jener, die die Sprache für sich einmischten. sich als Waffe gegen eine dahindüm- pelnde, gleichgültige Warengesell- Quelle: http://knobi-der-buechernomade. schaft betrachteten – bis zum Schluß. blog.de/2011/03/21/tod-hadayatullah-huebsch- Peter-Paul Zahl, dessen Gedichtbän- peter-paul-zahl-10867686/ (21. März 2011)

 11 Oft wird gesagt, Herrschaftsstruktu- DAS PROBLEM DER STELL- ren seien notwendig, da manche Men- schen kompetenter seien, als andere. Doch warum sollte es schlecht sein, vERTRETER_InnEnPOLITIK viele unserer eigenen Kompetenzen und eigenes Wissen zu vereinen, so- Anarchosyndikalistische jugend Berlin dass jede_r sich nach den eigenen Fä- higkeiten und Wünschen einbringen enn wir Parteien unsere Die zugunsten des beherrschenden und nach eigenen Bedürfnissen ent- Stimme geben, ist höchst Kapitals!!! scheiden und handeln kann? Keine_r wunklar, ob ihre glorreichen Die Parlamentarier_innen in ihrer kann alles alleine machen, auch oder Wahlversprechen umgesetzt werden. Funktion sind allerdings auch nichts erst recht nicht ein paar (partei)poli- Meistens ist es nicht der Fall, unsere weiter, als Marionetten, die den In- tische Stellvertreter_innen. Organi- Stimme ist nur Mittel zum Zweck, teressen der Wirtschaft, sprich den siere dich deshalb heute schon selbst, alles bleibt beim Alten oder es ver- Interessen der Großunternehmer_in- mit den Leuten in deiner Schule/Uni, schlimmert sich gar. Gibt es dann nen dienen. Die Macht des Geldes mit Mitarbeiter_innen im Betrieb doch Beruhigungsmaßnahmen des wird dadurch in den Händen dieser oder mit deiner Nachbarschaft, um Staates, in dem er uns mit Reformen wenigen konzentriert. Den werktä- bestehende Verhältnisse in deinem zu beschwichtigen versucht, ändern tigen und arbeitslosen Massen wird alltäglichen Leben zu verbessern. diese nichts an unserer Lebens- das Geld aus den fast leeren Taschen Jede_r besitzt (natürlich!) gleiches grundlage: harte alltägliche Arbeit gezogen. Eben darum, dass der Staat Sprachrecht, Entscheidungen werden bei steigender sozialer Unsicherheit, zum Schutze des Eigentums geschaf- in Übereinkunft getroffen. Ein Mit - oberflächliche Bildung, die allein den fen ist, macht klar, dass es der damit ein a nder, also die gegenseitige So- Interessen der Unternehmer_innen verbundene Parlamentarismus auch lidarität, verschafft einen starken, dient. Eben darum wollen wir nicht ist. Es ist egal, welche Partei regiert. kämpferischen Zusammenhalt und weiter unsere Stimme an so genannte Der kapitalistische Alltag bleibt be- eine effiziente Entscheidungsfindung, Repräsentanten_innen in ihren Par- stehen. die mehr an deinen Lebensverhältnis- lamenten vergeben, die unsere Inter- sen verändern wird, als es eine Wahl essen meist zu Gunsten anderer Ent- Was können wir wirklich je getan hat. scheidungen ausblenden. dagegen tun? Repräsentation abschaffen! Selbst- Doch welche anderen Entscheidun- Solidarische Selbstverwaltung verwaltung statt Parteiensystem und gen sind das eigentlich? anstelle marktwirtschaftlicher Bürokratie! Konkurrenz! Quelle: Flugblatt der ASJ zum 1. Mai

12  APRIL

 13 SOnnE UnD fREIhEIT Ralf g. Landmesser

Brüder zur Sonne zur Freiheit Schwestern zum Lichte empor hinter verseuchtem Vergang‘nen leuchtet die Zukunft hervor!

Seht den Zug der Castoren der endlos aus Nächtigem rollt in Gang gesetzt von den Toren für Geld, Immobilien und Gold.

Hinweg mit den Werken des Wahnsinns! Weg mit der Atomindustrie! Wir wollen in Angst nicht mehr СОЛНЦЕ И СВОБОДА* leben wir woll‘n saubere Energie!  Ральф Г. Ландмессер leuchtet die Zukunft hervor! Nun kämpft für die Zukunft der Kinder dass ihnen die Sonne auch scheint Братья — к свободе и свету, und für die Eure nicht minder Сестры окрепнут в борьбе. dass krebskrank ein Kind Прошлым заразным задеты, nie mehr weint! Будущим светим себе.

Baut auf eine freundliche Umwelt Тянутся снова Касторы,** mit frischer Luft und voll Licht Тайно ночами скользя. als Freunde den Wind und die Sonne Деньги, недвижимость воры Atomkraft die brauchen wir nicht! Тянут, народ не любя.

Das Meer bringt den Strom Прочь производство безумья, der Gezeiten Прочь от атом-индустрий. die Erde hat Wärme genug Страх вы посеяли жуткий. blickt voraus in unendliche Weiten Мы — чистой борцы энергий. macht Schluss jetzt mit Lüge und Trug! Боритесь за светлое детство, Wir sind für die Freiheit geboren Солнце пусть светит всегда. und nicht zur Atomsklaverei Деток, больных безнадежно, wer nicht kämpft Больно нас ранит слеза. der hat schon verloren wers wagt der gewinnt und wird Смело к единству с природой frei! Солнце, ветра и вода С чистой средою народы Laßt nur die Sonne uns strahlen Атому «нет» навсегда. strahlend lachen soll jedes Gesicht! Keine Chance dem Tod Перевод: Нора Гайдукова und den Qualen! Es lebe die Sonne, das Licht! *Стихотворение написано на мотив Schwestern zur Sonne zur Freiheit известной революционной песни Brüder zum Lichte empor «Смело товарищи в ногу...» hinter verseuchtem Vergang‘nen **Кастор — транспорт с реактивными отходами.

14  MAI wOhIn DEnn MIT DEn gERMAn gAnzEn jUgEnDLIchEn? ROULETTE Anarchosyndikalistische jugend Berlin Ralf g. Landmesser

iele Berliner Jugendclubs wur- Wahl: Entweder sie verlassen ihren den in den letzten Jahren pri- alten Arbeitsplatz oder sie nehmen Kugelhaufenreaktor vvatisiert. Doch was wurde aus eine Stelle bei den freien Trägern an. Strahlen dem Geschäft mit den Jugendeinrich- Doch die freien Träger zahlen weni- nach jeder Proberunde tungen? ger Lohn, bieten keinen Schutz vor jedem Probelauf Kündigungen und stellen die Ange- die Revolverblätter Sie kamen mit Fahrrädern, Transpis stellten in vielen Fällen sowieso nur sind sicher und Plakaten. Und dann? Die Proteste für kurze Zeit ein. Nach einem hal- German No How gegen die Privatisierung von Jugend- ben oder auch ganzen Jahr laufen safes the world clubs sind schon lange abgeebbt und die meisten Arbeitsverträge aus und China und Südafrika aus dem Bewusstsein der Meisten die Angestellten können ihre Sachen haben genug verschwunden. Doch dies kann noch packen. Jene Angestellte, die nicht Versuchs-Partikel lange nicht als Beweis gelten, dass zu einem freien Träger übertreten am Wickel sich alles zum Guten entwickelt hat. wollen, müssen hoffen eine Stelle in haufenweise einem noch öffentlichen Jugendclub Ha i-Tech Zur Vorgeschichte. zu kriegen. Andernfalls bleibt nur die im Abklingbecken Bereits 2007 begann der Bezirk Lich- Arbeitslosigkeit. sangtionierte Klanglooser tenberg seine Jugendclubs an so ge- der nannte freie Träger zu verkaufen. In- Statt der teuren, erfahrenen Ange- internationalen nerhalb kurzer Zeit hatte der Bezirk stellten werden einfach Zivildienst- Nationalökonomie über 90 % seiner Jugendclubs aufgege- leistende oder PraktikantInnen ange- Korrupte Croupiers ben und den privaten BesitzerInnen stellt, die in der Regel weniger Lohn die die überlassen. Der Bezirk zog eine posi- kosten und schneller den Arbeitsplatz Kugeln rollen lassen tive Bilanz, die Kosteneinsparungen wechseln. haufenweise schienen sich zu lohnen und so kamen es läuft wie andere Bezirke schnell in Zugzwang. Geteiltes Leid ist doppeltes Leid geschmiert Denn da Lichtenberg es geschafft hat- Diese Entwicklung wirkt sich na- mit Graphit te, effizient an der Jugend zu sparen, türlich auch auf die Situation der das reaktionäre Geschäft wurden schnell die Zuschüsse der Jugendlichen aus, die die Angebote mit dem Tod anderen Bezirke gekürzt. Nach dem der Jugendclubs wahrnehmen. Da- Motto ‚Wenn die das können, könnt durch, dass die Angestellten ständig Das Amt für ihr das auch’ sollten die Einsparun- den Arbeitsplatz verlassen und Neue Umwelt, Naturschutz und gen im Jugendbereich so schnell wie ihren Platz einnehmen, fehlt jede Art Reaktorsicherheit möglich geschehen. der Beständigkeit. Abgesehen von BUMM, äh, BMU persönlichen Beziehungen zwischen verteilt Kugelschreiber Angestellt, Ausgestellt, Arbeitslos Jugendlichen und Angestellten, die Die tuns. Entgegen der ständigen Beteuerungen durch die befristeten Arbeitsverträ- kann man sagen, dass sich die Lage in ge schnell zerrissen sind, ändern sich den Jugendclubs deutlich verschlech- natürlich auch die Gestaltung und tert hat. Auf der Seite der VerliererIn- Qualität von Veranstaltungen und nen stehen ganz klar die Angestellten Angeboten in den Häusern. Aufgrund und die Jugendlichen. von Halbtagsstellen fehlt den Ange- stellten häufig auch schlichtweg die Für die öffentlich Angestellten bedeu- Zeit sich um Dinge wie zum Beispiel tet die Privatisierung einen gewal- die Bewerbung von Veranstaltungen tigen Einschnitt. Sie stehen vor der zu kümmern. (Fortsetzung S. 16)

 15 sie bleiben, sie haben im Wettbewerb Die Abgeordneten verwiesen darauf, den Kürzeren gezogen. dass alle Befürchtungen überzogen seien und sich alles einrenken würde. Hauptsache billig? Der immense Verlust an Kulturange- Und jetzt!? boten für Jugendliche ist bereits ein Es bleibt abzuwarten, wie sich die harter Schlag, der die Privatisierung Lage weiter entwickelt. Es ist durch- mehr als nur fragwürdig erscheinen aus möglich, dass ein weiterer großer lässt. Doch viel bitterer erscheint das Teil der Jugendclubs privatisiert wird. Ganze, wenn man sich die tatsächli- Und auch die Lage der bereits privati- che Sparbilanz der Bezirke ansieht. sierten Clubs bleibt wackelig. Immer- Denn die behaupteten Einsparungen hin steht es den freien Trägern offen, sind gar nicht so hoch, wie immer wie lange sie einen Jugendclub unter- behauptet wird. Die Kosten werden halten wollen. Sollte sich herausstel- Angebot und Nachfrage größtenteils von den Bezirken an den len, dass sich ein bestimmtes Haus Aus diesen Gründen ist es falsch zu Senat weitergegeben. Schließlich kön- nicht mehr rechnet, kann es einfach behaupten, die Angebote der Jugend- nen die öffentlich Angestellten nicht geschlossen werden. Ohne Ersatz. Die clubs wären stabil geblieben. Und einfach gekündigt werden. Sie stehen Leidenden sind dann wieder die Ju- doch wird genau das von Seiten der unter besonderen Kündigungsschutz gendlichen, denen die Räume genom- Bezirke und des Senats nur zu gerne und müssen daher weiter bezahlt men werden. behauptet. werden, solange sie nicht freiwillig kündigen. Zudem bleiben die Jugend- Das Interesse der Öffentlichkeit hat Schon allein die Tatsache, dass die clubs auch unter den freien Trägern jedenfalls stark abgenommen. Nach- freien Träger in der Regel weniger nicht ohne staatliche Zuschüsse. Al- dem der Widerstand gegen die Pri- Personal einstellen, sollte ja den les in allem fallen immer noch große vatisierungen ins Leere lief und sich Schluss zulassen, dass dementspre- Kosten für Jugendclubs an, die nicht Informationen über Missstände nur chend das Angebot leiden muss. Au- mehr den Jugendlichen dienen. auf kleine Kreise ausbreiten, bleibt zu ßerdem sind Fälle bekannt, in denen hoffen, dass sich in Zukunft die Be- die Anzahl der Veranstaltungen pro Gewinner bleiben die freien Träger, troffenen wieder stärker anfangen zu Jahr um mehr als die Hälfte zurück- die dank billigem Personal, staatli- wehren und die Öffentlichkeit wieder gegangen sind. Ob dies einfach ver- cher Zuschüsse und erhobenen Mie- Notiz davon nimmt. Es gärt weiter in schwiegen wird oder den entspre- ten in den meisten Fällen auf positive den Jugendclubs dieser Stadt. chenden Gremien nicht bekannt ist, Bilanzen schauen können. steht zur Debatte, denn tatsächlich Aus: Schwarzes Kleeblatt, April 2011 gibt es schlichtweg keine Kontrollen, Auf Kürzungen folgt Widerstand? ob und wie sich das Angebot unter Viele der Belegschaften wurden nur den freien Trägern entwickelt. Jahre- kurz vor den anstehenden Privatisie- lang von den öffentlich Angestellten rungen darüber informiert, dass auch gekauftes und gepflegtes Equipment ihre Einrichtung nun verkauft wer- verkommt unter den freien Trägern, den soll. Dementsprechend schwierig weil die Reparaturkosten zu hoch war es in vielen Fällen sich gegen die scheinen, die Jugendlichen sind den anstehende Veränderung zu wehren Launen und Geschäftsideen der Be- und trotzdem wurde viel probiert. sitzerInnen völlig ausgeliefert. So Vor allem auf Demonstrationen wur- kommt es auch vor, dass in den Ju- de versucht, auf die Situation in den gendclubs einfach kein Platz mehr für Jugendclubs aufmerksam zu machen. Jugendliche ist, z. B. wenn sich ein Immer wieder zogen Lauf- und Fahr- Träger dazu entscheidet die Räume raddemos von Angestellten, Jugend- am Wochenende an private Veran- lichen und deren Eltern vor die ver- stalterInnen zu vermieten. In solchen antwortlichen Bezirksverwaltungen. Fällen ziehen die Jugendlichen gegen- Auch direkt in den Versammlungen über den Mietezahlenden den Kürze- oder an deren Rand versuchte man ren, schließlich rechnet sich so eine sich Gehör zu verschaffen. Doch letzt- private Veranstaltung viel mehr. Die lich wussten alle politischen Vertre- Jugendlichen müssen dann sehen, wo terInnen das Problem kleinzureden.

16  MAI vIA KAPITULATIOn KAPITALISMUS InS jEnSEITS BEföRDERn!

ERfAhRUngEn vOM KOngRESS „jEnSEITS DES wAchSTUMS“

Anarchistische föderation Berlin

hr geht als Anarchist_innen zum die rationale Entscheidung der Men- bedeute. Soweit dürfte es Konsens bei Attac-Kongress? Ja, warum nicht? schen) und einem Zuwachs verpflich- den Kongressteilnehmenden gege- IViele von uns beschäftigen sich tet (die Profit- bzw. Nutzenmaximie- ben haben (wenngleich die durchaus mit möglichen Formen solidarischer rung von Unternehmen), so dass der zu den Wenigen gehören mögen). Ökonomien nicht nur jenseits des Nutzen der Modelle im Publikum Wachstums, sondern auch jenseits hinterfragt wurde. An dem Beispiel Am Folgetag gab es neben Podi- des Kapitalismus, ja sogar möglichst Transportsektor wurde anschlie- en und Foren, deren Unterschied jenseits aller denkbaren Herrschafts- ßend veranschaulicht, wie der Rah- sich uns nicht ganz erschloss, auch strukturen. Auch das Anarchistische men der Nutzenmaximierung flexibel zahlreiche Workshops. Die dauer- Radio Berlin behandelt aktuell die- gestaltet werden kann: Wenn etwa ten aber auch nur 90 Minuten und se Themen. Hier einige Ausschnit- Ruhe- oder Grünflächen als positi- waren fast immer so voll, dass es te vom Kongress, die uns interes- ve Variablen aufgenommen werden, kaum zu einer gemeinsamen Er- siert haben und die wir mal einzeln, Abgase oder Energieverbrauch als arbeitung oder Diskussion kam. mal gemeinsam besucht haben. negative, so werden sich für die Pla- nenden entsprechende Empfehlungen Harald Klimenta erzählte in einem Zu Beginn wollte ich den Überblicks- ableiten lassen ... Die Wünsche und historischen Abriss, wie die Natur kurs „Ideen und Praxis Solidarischer Ideen der Nutzenden beeinflussen seit 5.000 Jahren ausgebeutet wird Ökonomien“ besuchen. Glücklicher- also die Modelle, die Grundannah- und die Menschen sich für Fortschritt weise war er sehr gut besucht, un- men verbleiben aber in einer szien- begeistern. So haben beispielsweise glücklicherweise war er in einen tifistischen Logik. Angesichts der Bauern im Mittelalter aus Angst um kleinen Raum mit höchstens 50 Sitz- Reflexion von Wissenschaftsmetho- die Wälder detaillierte Konzepte zur plätzen gelegt, so dass selbst vollge- dik und des fachlichen Tiefgangs nachhaltigen Forstwirtschaft entwi- quetscht viele nicht mehr rein konn- die für mich aufschlussreichs- ckelt. Heute sei dies jedoch gefährli- ten. Ich habe dann lieber meinen te Veranstaltung des Kongresses. cher als in früheren Zeiten, da zum Platz geräumt und bin zu „Sustaina- einen die Mythen von Fortschritt viel bility and Growth in Economic The- Da die Auftaktveranstaltung wie vie- weiter ins Denken der Gesellschaft ory“ weitergezogen. Hier wurde das le Auftaktveranstaltungen zu werden eingesickert und verbreitet sind und neoklassische Theoriegebäude der drohte, habe ich mir nur den Beitrag zum anderen die Antwort-Zyklen Wirtschaftswissenschaften quasi da- von Vandana Shiva angehört. Sie länger geworden sind: Auf Übernut- von freigesprochen, für das Wachs- brachte die Menge dann auch ganz zung des Waldes zu regieren, ist in- tumsparadigma verantwortlich zu gut in Wallung, indem sie einige er- nerhalb weniger Jahre möglich, der sein. Es käme letztlich auf die Auf- schütternde Nebenwirkungen des so Anreicherung von Treibhausgasen stellung der (Grenz-)Nutzenfunktion genannten Wirtschaftswachstums in der Erdatmosphäre entgegenzu- an, welche wirtschaftlichen Rahmen- in Indien ansprach. Dabei war eine wirken, erfordert dagegen deutlich bedingungen als optimal bestimmt zentrale Aussage, dass die Messung mehr Zeit. Um als Gesellschaft über- werden. Der Vorteil dieser Erkenntnis von Wachstum ‚naturfern‘ (nicht der leben zu können, nennt er als wesent- ist, dass mensch vielleicht die Argu- Wortlaut der Rednerin, sondern die lichen Faktor, dass diese selbst auf mentation von so genannten Wirt- Umschreibung d. A.) und von herr- Umweltprobleme reagiert, statt auf schaftswissenschaftler_innen besser schenden Interessen geleitet sei und die zu trägen Eliten zu hoffen. Harald verstehen und kritisieren kann. Al- e nt s pre c he nd nu r f ü r We n ige ei n Me h r sieht Spuren für bedenkenlose Aus- lerdings bleiben die Grundannahmen bringe, während es für die übrige Be- beutung der Natur in Schriften grie- der Neoklassik sehr realitätsfern (v. a. wohnerschaft des Planeten Raubbau chischer Philosophen, christlicher

 17 oder Nachahmen einladen. Welzer reichen Ländern – denn nicht den schließt seinen Aufsatz mit „Die Er- Ärmsten ihre Ressourcen abkaufen findung einer Gesellschaft nach dem müssen oder sie durch fairen Um- Wachstum ist ein zivilgesellschaft- gang und Investitionen unterstützen, liches Projekt, dessen Umsetzung eine eigene Industrie und Wertschöp- man an niemanden delegieren kann.“ fungskette aufzubauen. Dieser Ansatz klingt nach der Modernisierungsthe- Der Hinweis darauf, wie eng unsere orie der 1950er-Jahre, deren Paradig- Denk- und Verhaltensweisen in dem ma einer nachholenden Entwick- wirtschaftlichen System verstrickt lung nach dem Vorbild der reichen sind, dass wir unsere Welt selbst pro- Industrieländer noch in den vielen duzieren und konstruieren, erscheint einflussreichen Institutionen fortdau- mir elementar. Allerdings klingt das ert. Leider ist dieses paternalistische nicht neu, „Waren- und Geldfetisch“ Denken einer Entwicklungshilfe weit sowie „Disziplinargesellschaft“ und verbreitet, was freilich auch einer „Bio-Politik“ beschreiben sehr ähn- tiefen gegenseitigen Abhängigkeit liche Strukturen und Prozesse, und entspringt und auch nicht so einfach Schreiber_innen und Marxist_innen. das durchaus komplexer. Vielmehr aufzulösen ist. Erlösend kam der ab- Er regt an, in eine andere Art von werden hier neue Begriffe einge- schließende Kommentar eines Gasts, Denken zu kommen. Von Individua- führt und das Ganze mit Erkennt- der gerade aus dem Workshop „’Bes- lisierung, Ich-Zentrierung, Überbeto- nissen der Hirnforschung über die ser leben’ oder ‘gut leben’? Das ‘Buen nung von Vernunft und Rationalität, „in der Biosphäre einzigartige Neu- Vivir’ als gesellschaftliche Alternati- Überhöhung des Berufs als Berufung roplastizität“ ergänzt. (Dabei ist ve zum Wachstumsdogma“ kam und zu Wechselwirkungsdenken und fraglich, ob diese Wechselwirkung von einem lateinamerikanischen Verantwortung für mehr als mich von Kultur und Hirn nicht auch bei Vertreter erfahren hatte, dass der und die Familie. Dazu seien, nach Tieren abläuft und die Einzigartig- Großteil der dortigen Bevölkerungen Harald, Geschichten notwendig, die keit des Menschen wie seine Kultur die Ressourcen gar nicht nutzen und andere Vorstellungswelten eröffnen. konstruiert ist.) Letztlich wird eine verkaufen will, sondern ein anderes Der Sozialpsychologe Harald Welzer Reduktion vollzogen, indem Wachs- Leben und Wirtschaften wünscht. analysiert in „Mentalen Infrastruk- tum statt Kapitalismus als zu über- In „Nicht schneller, höher, weiter in turen“ (http://www.boell.de/down- windender Missstand ausgemacht die Sackgasse! Perspektiven für soli- loads/Endf_Mentale_Infrastruktu- wird. Eine Kritik übrigens, die für darische Mobilität gegen den Wachs- ren.pdf), dass für das jetzige System die Wachstumskritik allgemein gilt. tumswahn im Verkehr“ von Bündnis nicht nur materielle und institutio- „Bahn für Alle“ stolperten wir, nach- nelle Infrastrukturen, sondern auch In „Rohstoffausbeutung für die ‚grü- dem andere Workshops hoffnungs- mentale notwendig sein. Damit meint ne‘ Wirtschaft?“ wurde verdeutlicht, los überfüllt waren. Es wurde nicht er u. a. Konzepte, die wir als selbst- dass Windräder und Elektroautos ganz klar, was solidarische Mobilität verständlich verinnerlicht haben, kein Ökoparadies und schon gar kein letztlich bedeutet, aber es gab weit obwohl es auch Zeiten gab, in denen Sozialparadies bedeuten – insbeson- reichende Übereinstimmung, dass dies nicht der Fall war. Als Beispie- dere nicht in ärmeren, Ressourcen der hochmotorisierte Individualver- le nennt er das Leistungsdenken ab extrahierenden Ländern. Selbstver- kehr und auch das von der Bundes- der Grundschule und die Tatsache, ständlich sind auch für diese Produk- regierung und den Medien geförderte dass Menschen einen Lebenslauf ha- te Rohstoffe notwendig, teils sogar Elektroauto nicht dazu zählen. Statt- ben müssen. In seinem Papier stellt er mit erhöhten negativen Auswirkun- dessen wurde u. a. auf die nicht ganz wie Harald Klimenta die Frage nach gen. Und auch eine Recyclingwirt- neue Forderung von Car-Sharing und anderen Erzählungen, Visionen, Per- schaft braucht eine Energiezufuhr einem umfassenden, verbindenden spektiven: „Woran es fehlt, ist eine und einen Arbeitseinsatz. Natur- und Mobilitätskonzept erhoben. Hab ich Vision, die emotional und identitäts- Menschenausbeutung hängen letzt- das nicht vor ca. 20 Jahren schon mal trächtig ist, eine Formulierung der lich von den Wirtschafts- und Aus- gehört ... Irgendwie ist da auch nicht Frage, wie man im Jahr 2025 eigentlich tauschstrukturen ab, nicht von der viel passiert, und was würde sich leben möchte.“ Bei bisherigen Praxis- technischen Entwicklung. Im gegen- dadurch eigentlich ändern? Würden Ansätzen befürchtet er, dass sie zu wärtigen grünen Wirtschaftsdiskurs wir dann durch die Verbindung von kleinteilig seien, um gesellschaftliche geht es aber lediglich um ein Erset- Auto, Bahn und Fahrrad effizienter Transformation anzustoßen, auch zen der Technik. Zur Diskussion ge- und schneller mobil sein? Mobilitäts- wenn sie oft zum direkten Mitmachen stellt wurde dennoch, ob wir – in den konzepte scheinen irgendwie auch

18  MAI fest in die mentalen Infrastrukturen die künstlerischen Interventionen. – aha, die Wutbürger und so. Ein verknotet zu sein ... ähnlich wie die So sind uns Menschen begegnet, die Podiumskollege (B. Klein) fand denn Frage, wie wir das denn den Arbei- im Chor „verkündeten“ dass genug auch, dass ein „Bottom-Up-Ansatz“ tenden der ganzen Industrien zu- für alle da ist – Nahrung, Wohnung vielversprechender sei, der dritte muten können, wenn wir ihr Zeug und auch Liebe. Das Duo „Fräulein (T. Jackson) fand beides wichtig. M. nicht mehr brauchen (unbestritten Bernd“ feat. Logotorium hat uns das Müller schließlich, einst Abgeord- werden das viele erstmal nicht so Grimm-Märchen vom Süßen Brei er- neter der Grünen, forderte gar einen lustig finden ...), welche sehr der obi- zählt, in dem die durch Maßlosigkeit „Epochenbruch“, der die Aufklärung gen nach dem Rohstoffexport gleicht. ausgelöste Katastrophe in letzter Mi- und das Naturverständnis der eu- nute gestoppt wurde, Empire-Vam- ropäischen Moderne überwindet. Als Anregung aus einem Podium pire gesungen, mit uns zusammen Nur so sind wahrscheinlich auch die nehme ich mit, Menschen, die meinen Methoden eingeübt, wie wir uns mentalen Infrastrukturen etwa des durch individuelle Anstrengung, sei endlich wieder besser fühlen („das Podiums zu überwinden und kön- es jedem und jeder möglich, einen gu- sind nicht meine Probleme“) und nen wir uns einst in Suffizienz üben ten Platz im jetzigen System zu finden, ungeduldig die Kongressprogramm- – einem häufig und beliebt benut- mit „auch du bist Sozialhilfeempfän- Titelblatt-Schnecke zu mehr Leistung zend Begriff. Genug ist dann genug. ger_i n“ da ra n zu eri n nern, dass es ei ne und Durchhaltevermögen angefeuert. Illusion ist, ohne irgend eine Form der Bis dahin bleibt viel zu tun, Wachs- Unterstützung aus einer Gesellschaft Auf dem Podium „Ökologische Gren- tumskritik schien hier Vieles unter oder Gemeinschaft leben zu können zen: Ist Entkopplung möglich?“ gaben einen Hut zu bringen (,was eigentlich oder gar eine „führende Position“ zu dann vier Männer ihre Ansichten zu im Kapitalismus falsch läuft’) und bekommen. Als ein möglicher refor- der Frage zum Besten. Dabei bestand die Resonanz war erstaunlich groß. matorischer Ansatz wurde genannt, eine erstaunliche Einigkeit in der Sicherlich gibt es einiges zu kritisie- die Notwendigkeit von unterschiedli- Systemkritik, wonach eine Entkopp- ren: Die Diskussionen konnten wenig chen Ökonomien für unterschiedliche lung innerhalb der herrschenden ausgeführt wurden, die Verbindung Lebensbereiche (z. B. Autoproduktion Wirtschaftsstrukturen mit Profitori- zwischen den Veranstaltungen durch vs. Bildung) zu betonen und, statt entierung nicht möglich sei. Entspre- die Themenstränge gingen nicht auf auf Bewegung durch Parteien & Co. chend distanzierten sie sich auch vom und es gab nur kurze, überblickartige zu warten z. B. in Halbinseln (Frie- „Green New Deal“, wenngleich T. Veranstaltungen, die sehr frontal ge- derike Habermann) selbst umsetzen, Santarius – als Vertreter der Heinrich halten wurden. (Wie erwähnt gab es um Nachdenkprozesse anzustoßen. Böll Stiftung – doch ähnliche Rezepte Auflockerung durch die „Künstleri- anbot: Einen starken Staat und erst- sche Intervention“, die aber abgespal- Ein wenig Lebensfreude und erquick- mal noch schnell das Wachstum – ten blieb.) Dennoch fand ich es einen liche Subversivität in die ersticken- durch staatliche Investitionen wichtigen Kongress, auf dem die Teil- den Diskussionen brachten – nutzen, um die Wirtschaft nehmenden viel mitnehmen konnten. ökologisch umzugestalten. Und aus anarchistischer Sicht dürfen Denn das sei ohne große wir uns da gerne einmischen, auf Investitionen nun mal nicht hierarchische Strukturen und Wi- möglich ... Um Windparks dersprüche hinweisen. Nicht zuletzt zu bauen, Batterieautos vo- darauf, wie die/wir linken und eman- ranzutreiben und Häuser zu zipatorischen Aktivist_innen im Sys- dämmen, oder wie? Und dann leh- tem und ihren mentalen Infrastruk- nen wir uns entspannt zurück und turen handeln, indem sie sich/wir leben vom ‚Naturzins‘? Das klang uns selbst verausgaben, um in diesem sehr widersprüchlich, ist aber Spektrum – etwa bei Stiftungen – ei- nicht erwidert worden. Im- nen Job zu kriegen, oder noch was merhin machte der ‚starke Schlaues zu tun, zu sagen oder schrei- Staat‘ doch im Publikum ben, um Gehör zu finden und damit Bauchschmerzen, wo sich irgendwas zum Positiven zu wenden wohl viele emanzipatori- (wie vielleicht auch die Autor_in- sche Ansätze wünschten. nen dieses Textes). Vielleicht dann Er klärte das immerhin doch Kapitulation (frei nach Toco- teilweise auf, dass der Staat tronic) ...um jenseits des Wachstums, nicht die schwarz-gelbe Re- nein, des Kapitalismus zu landen? gierung sei, sondern „wir“

 19 AnARchISTISchER »BREnnPUnKT« BIBLIOThEK DER fREIEn

Aufstände in der arabischen anarchistische Analyse relevant sein Welt – Libertäre Umbrüche oder könnten: Was waren die Motive der Diktatur neuer/alter Eliten? Revolte? Und: Wie funktionierte sie?

Eine Veranstaltung in der Bi b liothek Die Motive der Freien, anarchistische Bücherei Viele denken bei der ersten Frage im Haus der Demokratie Berlin, am nach den Motiven des Aufstands an 24. Juni 2011 Hungerrevolten und hohe Analpha- betenraten. Solche Verelendungsthe- ie Revolten in den arabischen orien haben wahrscheinlich noch nie Ländern haben die Hoffnungen gestimmt, in Tunesien und Ägypten Dweiter Teile der einheimischen kann man aber sogar vom Gegen- Bevölkerungen geweckt. Angesichts der teil ausgehen, wo zu den wichtigs- großen regionalen Unterschiede ist es ten revolutionären Faktoren gerade jedoch schwer, ein einheitliches Bild der Bildung und Ausbildung zählten. In Lage zu gewinnen: Verschiedene libertä- den letzten Jahrzehnten waren in re Methoden, die Anwendung gefunden den beiden genannten Ländern ein haben (direkte Aktion, Versammlungs- steigender Lebensstandard, steigende demokratie usw.), kontrastieren vieler- Alphabetisierungsraten und steigen- orts mit dem Entstehen neuer Eliten, de Immatrikulationszahlen an den welche die vorübergehende breite ge- Unis zu verzeichnen. Um nur beim sellschaftliche Teilhabe wieder zunichte letzten Punkt zu bleiben: 1995 gab es machen wollen, oder mit einer erbitter- in Tunesien 102.000 Studierende, 2005 ten Gegenwehr seitens der Herrschen- schon 365.000 und 2010 geschätzte den. Mitarbeiter der ›Bibliothek der 470.000 Studentinnen und Studenten Freien‹ beleuchten verschiedene Aspekte – die Verfügbarkeit von Hochschul- sie sollten vielmehr moderne Fakto- der Umbrüche und stellen diese zur Dis- bildung hat sich also in 15 Jahren ren wie Bildung und Ausbildung ins kussion. mehr als vervierfacht. Im Zuge dieser Visier nehmen – und darüber hinaus Entwicklungsprozesse sind in der gut auch sozusagen weiche Faktoren wie I. Beitrag ausgebildeten jungen Bevölkerung Lebenshunger und Sehnsüchte. Denn Hoffnungen entstanden, die einen die Revolten wurden auch durch die Die Revolten in der arabischen Welt immer größeren Kontrast zu den re- sozialen und kulturellen Umbrüche haben bekanntlich im Dezember 2010 formunwilligen und korrupten Regi- in der arabischen Welt in den letz- / Januar 2011 in Tunesien ihren Aus- men ihrer Heimatländer boten. Auch ten Jahren ausgelöst, über die jedoch gangspunkt genommen und haben bei den jüngsten Protesten in Spanien nur gelegentlich berichtet wird. Die- mit dem Rücktritt Mubaraks in Ägyp- und Griechenland scheint diese Kom- se lebensweltlichen Umbrüche sind ten ihren vorläufigen Höhepunkt bination aus guter Ausbildung und verbunden mit den Begriffen soziale erreicht. Bewegungen wie diese, die enttäuschten Hoffnungen ein wichti- Netzwerke im Internet, d.h. dem Aus- verkrustete Strukturen aufbrechen ger Auslöser gewesen zu sein. testen freier Informations- und Kom- und emanzipatorische Veränderungs- munikationsflüsse, mit Al-Dschasira, prozesse initiieren, können grund- Moderne Revolutionstheorien sollten d.h. dem Austesten freier Berichter- sätzlich auf anarchistisches Interesse sich also nicht länger an altbackenen stattung und schließlich mit dem Be- zählen. Was also können Libertäre Konzepten wie der historischen Rol- griff Noor. Noor (auf deutsch Licht) ist aus den Revolten für Schlüsse ziehen? le des Proletariats abarbeiten oder der Titel einer türkischen DailySoap dem tendenziellen Fall der Profitra- oder Telenovela, die im Jahre 2006 ih- Ich will mich im Folgenden auf zwei te, zynischen Verelendungstheorien, ren Siegeszug in den arabischen Fern- Aspekte konzentrieren, die für eine Avantgarde-Vorstellungen usw. usw., sehsendern begonnen hat. Die letzte

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Folge von Noor, ausgestrahlt vom funktionierte die Revolte? Sowohl die ne Führerfiguren, keine Popstars der panarabischen Fernsehsender MBC in einheimischen Diktatoren und ihre Revolte haben die Leute in Bewegung Dubai, soll von 85 Millionen Zuschau- Geheimdienste als auch die auslän- gesetzt, sondern die Illegitimität erinnen und Zuschauern von Ma- dischen Regierungen sind immer auf des Regimes und die mutige Bereit- rokko bis Palästina angesehen wor- der Suche nach den sog. Drahtzie- schaft zum Protest. Die Bereitschaft den sein. In dieser Vorabend-Serie, hern. Die politische Klasse, die sich der Basis, ihre eigenen Interessen zu und inzwischen einer Vielzahl von Politik nur in den Kategorien von vertreten, ist der Initialzünder auch Nachahmer-Produktionen, werden Über- und Unterordnung vorstellen der Revolten in der arabischen Welt trotz allem Kitsch verschiedene Ta- kann, hat einfach keinen Begriff von gewesen – eigentlich ein klassisches bus gebrochen: Das Zusammenleben egalitären Widerstandsbewegungen. anarchistisches Anliegen. Libertäre ohne Trauschein wird ebenso thema- Auch politische Beobachter aus dem Methoden (direkte Aktion, Versamm- tisiert wie uneheliche Kinder, Frau- Westen, die den ganzen Tag auf den lungsdemokratie und nicht Avant- en tragen weder Burka noch Kopf- Tahir-Platz in Kairo gestanden haben, garde-Phantasien usw.) werden auch tuch, es werden romantische Szenen wunderten sich, wo diese massiven bei kommenden Revolten an erster gezeigt, insbesondere romantische Zuzüge herkamen, die dem Protest Stelle stehen. Männer, gleichberechtigte Beziehun- jenen Massencharakter verschafft gen usw. In einer Welt, die teilweise haben, der nur noch schwer zu unter- noch von angebahnten Hochzeiten, drücken war. Wie kam es dazu? Aus II. Beitrag Großfamilien-Haushalten und dem den wenigen Berichten hierüber er- strikten Gehorsam gegenüber Älte- gibt sich folgendes Bild: Gleichzeitig Aufruhr in Nordafrika ren geprägt ist, muss das wie ein Be- gingen in den verschiedenen Vierteln Die Geschichte spielt mal wieder freiungsschlag wirken. Dabei ist das Kairos kleine Gruppen auf die Straße, Tabula rasa. Schon vor etwa zehn ganze keine Hollywood-Propaganda, protestieren gegen Polizei und Regie- Jahren gab es in Ägypten und Ma- sondern eine Produktion aus der halb rung und forderten ihre Mitbürger rokko Hungeraufstände. Nach einer islamisch halb modern geprägten auf, sich ihrem Protest anzuschlie- Woche war jedoch alles vorbei. Die Türkei. Warum leben wir nicht wie ßen. Die immer größer werdenden Herrschenden vergaben Brotkrumen. sie, fragen sich viele Menschen in den Gruppen zogen ihre Kreise im Bezirk Und die leidende Bevölkerung ver- arabischen Ländern. Auch die Vision bis sie so zahlreich waren, dass sie fiel in Apathie. Doch relativ unver- moderner zwischenmenschlicher Be- in Richtung Tahir-Platz aufbrechen hofft bricht der Vulkan wieder aus. ziehungen bringt verkrustete Traditi- konnten. Die Linke staunt verdutzt, zumal die onen ins Wanken. marxistische, kein »Histomat« dies Die Polizei, die abwechselnd eine Ver- berechnet hat. Sicherlich gärte es Wie funktionierte die Revolte? schwörung, eine gezielte Kommando- weiterhin, doch dann erfolgte der be- Nun noch zum zweiten für mich aktion oder einen straff organisierten rüchtigte Funken. In Tunesien gibt es bemerkenswerten Aspekt der Um- Geheimbund vermutete, war dem mehrheitlich eine Jugend mit Hoch- brüche in der arabischen Welt: Wie Massenprotest nicht gewachsen. Kei- schul-Abschluss, aber kaum Arbeits-

 21 plätze. Ein spektakulärer Selbstmord. sich zu vernetzen. (...) Eine positive limbrüderschaft. Für uns sind beide Die jungen Menschen gehen auf die Entwicklung ist, dass es durch das reaktionär. Die Regierung ist eine Straße und mit ihnen ein Großteil der Internet weniger Zensur gibt und es kapitalistische, pro-westliche Dikta- Bevölkerung. Die Menschen fordern einfacher ist, an Informationen zu ge- tur, während die Muslimbrüderschaft die Auswechslung ihrer langzeit- langen.« eine reaktionäre, sektiererische und diktatorischen Regime, zumindest männlich dominierte Vereinigung ihrer Präsidenten. Wobei sich grenz- Interview mit dem jordanischen An- ist. (...) Meine Hoffnungen liegen in überschreitend ein nordafrikanischer archisten Hamza Budeira, Bruchstü- einer unabhängigen ArbeiterInnen- »Staffel-Lauf« bewegt. Ein neues oder cke daraus. Es geht u.a. um die ›So- Bewegung, in einer Basisbewegung, altes Phänomen entsteht: Die großen ziale Linke‹, ein Sammelbecken von die von den ArbeiterInnen selbst kon- Plätze, vor allem in den Hauptstädten, Ex-KommunistInnen und anderen trolliert wird und nicht von irgendei- werden von den erregten Massen ein- linken Strömungen. 2009 misslang ner politischen Elite.« Möglichkeiten genommen. Die Hauptforderung, der ihr ein Generalstreik und heute (2010) sieht Chabriwi in einer kollektivisti- Abgang des Präsidenten an der Spitze ist der ehemalige Schwung vorbei, schen, kooperativen Landwirtschaft der Pyramide, wird in Ägypten wie zumal die Mehrzahl der JordanierIn- sowie in einer ökoanarchistischen heute in Syrien lauthals gefordert. nen, selbst der Armen, dem extremen und sozial-ökologischen Bewegung »Eher gehen wir nicht vom Platz!« Konsumismus huldigen, nebst der US- unter Bäuerinnen, Bauern, Studen- Pop-Kultur. Der Staat selbst symboli- tInnen und Jugendlichen. »Natürlich Das Dilemma der Empörten: siert sich durch einen starken Polizei- erwarte ich nicht, dass hier bald eine Keine sozial-revolutionäre Apparat und Geheimdienst. Und im anarchistisch inspirierte Revolution Vorbereitung Neo-Liberalismus werden so wichtige wie in Spanien 1936 ausbrechen wird. Die spanische Revolution, 1936, war Bereiche wie Bildung und Gesundheit Aber immer mehr Jugendliche ent- Ergebnis langjähriger Vorbereitung »in den Sand gesetzt«. decken den Anarchismus und sym- durch die CNT, einer anarchosyndi- pathisieren mit ihm. (...) Trotzdem kalistische Gewerkschaft mit über 1 Der letzte im Bunde bzw. im Buch haben wir noch einen langen Kampf Million Mitglieder. In Afrika handelt ist der in Kairo lebende Blogger und vor uns.« Und ihm gehört auch das es sich, abgesehen von einer kleinen Journalist George Chabrawi. Aus Schlusswort, selbstverständlich pa- Minderheit, um die oben benann- Zeitgründen gestrafft. Frage: Wie lebt thetisch ausklingend: »Wenn wir für te spontane Massenbewegung bzw. es sich als AnarchistIn unter dem die weltweite Freiheit kämpfen, dann Demonstration/en. Aber selbst eine System des Präsidenten Mubarak? gehört die Zukunft uns!« Minderheit kann in solch temporären »Eigentlich werden hier fast alle vom Aufbruch-Zeiten einiges bewirken. ägyptischen Polizeistaat unterdrückt Beinahe wäre der Referierende ratlos (...), ob aus der Linken, der Rechten III. Beitrag gewesen. Doch zum Glück erschien oder aus der Mitte. (...) Insbesondere im September 2010 im Unrast-Verlag der Staatssicherheits-Apparat ist bru- Ist die Eurokrise der Anfang vom das Buch: ›Von Jakarta bis Johannes- tal und unantastbar.« Ein weiterer Ende des Superstaates EU? burg. Anarchismus weltweit‹. Daraus politischer Faktor in Ägypten ist die entnommen einige Stimmen aus dem Gewerkschaftsbewegung. »Der erste Obwohl für den heutigen Abend die Nahen Osten bzw. Nordafrika. Streik, der historisch nachweisbar ist, Revolten in den arabischen Ländern fand in Ägypten während der Herr- in Bezug auf ihre eventuellen liber- Libertäre Erkundungen aus schaft von Ramses III statt, vor un- tären Tendenzen auf unserem Pro- Nordafrika und dem Nahen gefähr 3160 Jahren.« Die letzte große gramm standen, habe ich mich kur- Osten Streikwelle war 2006/07, vor allem in zerhand in Hinblick auf die Ereignisse Ein libanesischer Aktivist, zur Zeit in Textilbetrieben. Im Jahr 2009 gelang in Griechenland anders entschieden. Frankreich. Auf die Frage eines der es den Angestellten der Steuerbe- Nicht zuletzt, weil hier meiner Mei- beiden Autoren, welche Perspektive, hörde nach langem (Klassen)-Kampf, nung nach ein größeres Potential für denkst du, hat der Anarchismus im die erste unabhängige Gewerkschaft revolutionäre Umbrüche, vielleicht arabischen Raum, antwortet Hazem: seit 1957 zu gründen. Seitdem folgen auch in libertärer Hinsicht, sich an- weitere. Ein FAU-Mitglied berichtete zudeuten scheint. »Leider habe ich hierzu eine etwas vor kurzem, das in Ägypten die jetzi- pessimistische Einschätzung. Da in ge Militär-Regierung das Streikrecht Die Frage, wie ich zu dieser hypo- den meisten arabischen Ländern re- weitestgehend eingeschränkt hat oder thetischen Ansicht komme, (und um pressive Regierungen an der Macht es gar ausgehebelt werden soll. Weiter nichts anderes handelt es sich bei sind (...), ist es für anarchistische Be- Chabriwi: »Wir sind sowohl gegen die meinen Ausführungen), will ich im wegungen schwer zu gedeihen und Regierung als auch gegen die Mus- Folgenden nun erörtern.

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Deutschland und Frankreich, als auch Krediten, nicht mit einer adäquaten Provinzen, die im Zweifelsfall als Wirtschaft etwas entgegen zu setzen Sündenböcke herhalten müssen, um hatten, um auch nur halbwegs die letztendlich die Schuldenlasten ver- ihnen daraus entstehenden Verbind- fehlter am Profitstreben orientierter lichkeiten zu bedienen. So bleibt letzt- Finanzpolitik auszubaden. endlich auch nichts für Investitionen in eine solche Wirtschaft übrig, für Womit wir beim Thema wären, denn die diese Kredite ja ursprünglich ein- viele der wie es nun so süffisant heißt, mal aufgenommen wurden. von EU-Finanzspritzen abhängigen Mitgliedsländer, wie etwa Griechen- Bei genauerer Betrachtung dieser land, erfüllten von Anfang an nicht Sachverhalte kann man sich letztend- die ach so strengen Maastricht-Kri- lich nicht des Eindrucks erwehren, Fakt ist, die EU als Wirtschaftsraum terien, die für eine Aufnahme in den daß bei aller Euro-Euphorie und Ein- mit gemeinsamer Währung war eine Euro-Raum angeblich so unabdingbar heitsgeschwafel einen gemeinsamen übereilte Kopfgeburt, die der verän- waren, fehlte ihnen doch im wesent- Kulturraum betreffend, von Anfang derten Situation infolge des Zusam- lichen eine ausreichende Infrastruk- an ein knallharter Sinn fürs Geschäft menbruchs der bipolaren Weltord- tur, um sich am Binnenmarkt profi- bei der Gründung der EU im Fokus nung geschuldet war. So wurde sie tabel behaupten zu können, ganz zu des Interesses stand und daß dabei mit größter Vehemenz vorangetrie- schweigen um sich als Exportnation Gewinner und Verlierer einkalkuliert ben. Das Ziel war, der als Schreck- auf dem globalen Markt zu profilie- wurden, bzw. feststanden. gespenst an die Wand projizierten ren. Globalisierung, die schon bald zum Umso zynischer sind darum jene Hätschelkind des nun wieder allein Dennoch wurden sie aufgenommen, oberlehrerhaften Bemerkungen die die Weltherrschaft usurpierenden ja die Mitgliedschaft wurde ihnen oft- mangelnde Arbeitsmoral der Grie- Kapitalismus avancierte, gerecht zu mals sogar gegen den ausgesprochene chen betreffend, die von Seiten der werden. So wurde es unumgänglich, Willen der jeweiligen Bevölkerung sogenannten Geberländer u.a. und den europäischen Wirtschaftsmäch- aufgedrängt. vor allem auch Deutschland, dessen ten ein geeignetes Instrument an die Banken zu den Hauptanteilseignern Hand zu geben, um zum einem der Da stellt sich einem doch, wenn er der europäischen Zentralbank zäh- geballten Wirtschaftskraft der USA auch nur halbwegs über Vernunft ver- len und so auch immer zu den großen und zum anderen den immer stärker fügt, die Frage Warum? Nehmern gehört, was die Zinsen be- in Erscheinung tretenden jungen »Ti- trifft. gerstaaten« Asiens entgegentreten zu Die Antwort liegt in der Hand, in der können. sich das Geld befindet, also in der der Weil die Lasten der Verschuldung Banken nicht zuletzt auch der der nicht der griechische Staat trägt, son- Getreu der geheiligten Maxime des europäischen Zentralbank. Mit dem dern der Bevölkerung als unerträg- Kapitalismus vom grenzenlosen Wandel des modernen Kapitalismus liche Last eines Milliarden-Sparpro- Wachstum, schuf man so in Windesei- von der Wertschöpfungs- zur reinen gramms aufgebürdet werden soll, hat le einen über große Teile des europä- Geldwirtschaft, die Kreditvergabe sie nicht nur das Recht sich mit allen ischen Kontinents sich ausdehnenden und Schuldverschreibung mit den da- ihr zur Verfügung stehenden Mitteln Superstaat. Denn mit der Einführung raus resultierenden Zinseinahmen zu zu wehren, sondern verdient auch die einer gemeinsamen Währung sowie einem lukrativeren Geschäft macht Solidarität aller Menschen, für die einem zentralen europäischen Parla- als die Produktion von Gütern, stieg Begriffe wie Gerechtigkeit zu keinen ment in Brüssel, in dem für alle Län- auch eine allgemeine Verschuldung, leeren Floskeln verkommen sind. der der Union verbindliche Richtli- ob nun bei Personen und Gesellschaf- nien beschlossen werden, hatte man ten als auch bei Kommunen, Ländern Die Proteste gegen den rigorosen bald mehr als einen gemeinsamen und Staaten beständig an. Sparkurs des Papandreou-Regimes Wirtschaftsraum wie weiland mit der in Griechenland, das sich im übri- EG geschaffen, es entstand nämlich Viele der hochverschuldeten Mit- gen auch noch sozialistisch schimpft, nun ein Wirtschaftsimperium. gliedsländer der EU ob nun Griechen- ist gerade auch deshalb für uns von land, Spanien, Portugal oder Irland besonderem Interesse, da ein großer Wie in jedem Imperium, gibt es und Island stehen heute auch deshalb Teil der Erhebungen von den dortigen auch in der EU zum einen von ihm vor dem Bankrott, weil sie den bei Anarchisten getragen wird. profitierende Mutterländer wie z.B. ihrem Beitritt ihnen aufgebürdeten

 23 Was weiter geschieht, wenn Grie- ein beständig wachsendes Potential ja noch Zeugen eines revolutionären chenland aus dem europäischen an revoltierendem Geist schüren, der Umbruchs werden und dies der An- Währungs- und Wirtschaftsverbund sich dann vielleicht in einer Revoluti- fang vom Ende des Superstaates EU der EU ausgeschlossen wird, oder on bahnbrechend entladen wird. sein könnte, der dann Dominostein besser gesagt selbst austritt, bleibt ab- um Dominostein wegbricht und so zuwarten. Ähnliches gilt auch für die vom zu guter letzt auch den Kapitalismus Staatsbankrot bedrohten EU-Mit- mit sich reißen wird, dann gibt es Wohl steht es aber außer Frage, daß glieder Spanien und Portugal, wobei vielleicht endlich Raum für die bisher kein noch so hartes Sparprogramm Spanien ja bereits eine lange anar- verworfenen Ideen von Herrschafts- die auf Griechenland liegende Schul- chistische Tradition vorweisen kann, losigkeit und Freiheit im Namen der denlast weder in absehbarer, noch die dann im Fall einer revolutionären Anarchie. – Man wird ja wohl noch fernerer Zeit wird tilgen können. Erhebung von Nutzen sein kann. ein bißchen träumen dürfen!

Eher werden die damit für die Be- Wie dem auch sei, es bleibt abzu- völkerung verbundenen Belastungen warten, es ist gut denkbar, daß wir

LASST DIE TOTEn RUhn, ERfüLLT IhRE hOffnUngEn EInE nAchBEREITUng zUM ERIch-MühSAM-fEST 2011

Anarchosyndikalistische jugend Berlin „Menschen, lasst die Toten ie Toten ruhen zu lassen und am Anfang zeigte. Nach einiger Zeit ruhn und erfüllt ihr Hoffen“ ihre Hoffnungen zu erfüllen. kamen dann aber immer mehr Besu- DUnter diesem Motto sollte das cherInnen und füllten die Vorträge, diesjährige „Erich-Mühsam-Hoffest“ die insgesamt ein positives Feedback stattfinden. Deswegen wurde dem erhielten. Auf dem Hof unterhielten Dichter und Anarchisten Mühsam mit währenddessen verschiedene Grup- einer Lesung seiner Werke insgesamt pen Stände, um den Menschen auf auch wenig Platz gelassen zwischen dem Fest ein spaßiges Programm den zahlreichen Vorträgen, die immer zusätzlich zu den Vorträgen zu bie- abwechselnd in den verschiedenen ten, was mit Button-Maschine und

Räumen des New Yorck im Bethanien Rechtspopulisten-Dosenwerfen ne- http://asjberlin.blogsport.de stattfanden. In den breit aufgestellten ben verschiedenen Büchertischen Vorträge zu Genossenschaften, Selbstorganisation und Perspektiven der anarchistischen Bewegung // Lesungen Vorträgen stellten sich Kollektive und auch kreativ umgesetzt wurde. // Theater // Musik // Spaß // Austausch von Ideen. Gruppen vor, um Theorie und Praxis alternativer Ökonomie vorzustellen Gegen Abend wurden die Stände 9.7.2011: Erich-Mühsam-Fest im Bethanien (U-Kottbusser Tor) ab 11 Uhr und die Wege dorthin zu erklären. dann abgebaut, woran der kurz auf- ziehende Regen nicht ganz unschul- Dementsprechend früh sollte das Fest dig war. Und während drinnen die folg und zumindest ein Anfang war, dann auch beginnen, um den Referen- letzten Vorträge ein Ende fanden, be- anarchistischen Ideen in dieser Form tInnen genügend Zeit zu lassen und gann im Hof die erste Band zu spie- einen Platz zu geben. An dieser Stel- Diskussionen nach den Vorträgen len. Erst noch Freiluft, später dann le bleibt nur noch danke zu sagen an den nötigen Raum zu geben. Zugege- drinnen spielten die Bands, die den die Vosifa, die NEA, die FAU, die AFB, benermaßen stellte sich dann 12.00 Abend gelungen abschlossen. Alles in Edition AV, den A-Laden, Cafe Liber- Uhr aber als eine etwas zu ehrgeizige allem lässt sich sagen, dass das dies- tad, FairDruckt, alle ReferentInnen, Zeit heraus, was sich vor allem durch jährige Erich-Mühsam-Hoffest trotz die Vokü-Gruppe und natürlich an mangelnde BesucherInnen gerade Schwierigkeiten ein inhaltlicher Er- die Bands.

24  jULI gAME OvER? ... LIEBER nIchT! zUSAMMEn AUSwEgE EnTwIcKELn

AUSzUg AUS DER DOKUMEnTATIOn DER vERAnSTALTUngSREIhE „POLITISch AKTIv OhnE KAPUTT zU gEhEn“

 AnARchISTISchE föDERATIOn BERLIn

Die Gesamtdokumentation zur Ver- derlage im Straßenkampf gegen Nazis Ideenwerkstatt „Generations- anstaltungsreihe wird als ca. 50 Seiten oder Repressionsorgane. Zu „kaputt“ übergreifende Wissensweiter- starkes Werk in den nächsten Wochen zu sein, um weiter effektiv politisch gabe“ / „Wie werden wir mehr?“ veröffentlicht. Hier sind als Vorge- tätig sein zu können, kann leider Teil 1: Generationen schmack einige Auszüge, die im We- durch sehr viele Faktoren ausgelöst mit gx/ASJ Berlin sentlichen aus Motivationen für Themen werden. Das kann Überarbeitung und Erkenntnissen aus den Veranstal- und Polit-Burn-Out sein, das Gefühl Im Vorfeld der Veranstaltungsreihe tungen bestehen. In der Doku werdet von Sinnlosigkeit und Vergeblichkeit hatten wir als Organisator_innen ver- ihr noch mehr zu Inhaltlichem und Me- aller Bemühungen oder das starke schiedene Begegnungen, die uns auf thodischem finden. Eingebundensein in Job und andere die Bedeutung dieses Themas hinge- Alltags-Orga-Dinge. Auch der Blick wiesen haben. Dazu gehören sowohl ie Veranstaltungsreihe „Poli- auf die sich auftuenden Gräben zwi- die (beinahe empörte) Äußerung ei- tisch aktiv ohne kaputt zu ge- schen Anspruch oder Utopie und nes älteren Genossen, wonach aktu- Dhen“, die vom 9. Mai bis zum Wirklichkeit können den Eindruck elle (politische) Diskussionen doch 27. Juni 2011 in Berlin stattfand, wurde vermitteln, aufgeben zu müssen. Es bereits vor 30 Jahren geführt worden von der Gruppe gx innerhalb der An- gibt viele weitere Umstände, die die seien, als auch die Klage junger Ge- archistischen Föderation Berlin (afb) Polit-Aktivität erschweren und, wenn noss_innen, dass sie völlig allein ge- in Kooperation mit dem Anarchisti- sie gehäuft oder über Jahre hinweg lassen seien und sich alles von vorne schen Infocafé im New Yorck (Betha- angesammelt auftreten, dazu füh- aneignen müssten. Dazu kommen re- nien) organisiert. Wir haben bei der ren können, dass mensch nicht mehr gelmäßige Berichte von Berührungs- Reihe einen sehr starken Fokus auf weiter machen kann oder will. Dazu ängsten im Umgang verschiedener die Entwicklung neuer Ideen und Lö- gehören beispielsweise informelle Generationen in politischen Kontex- sungsansätzen sowie dem Festhalten Hierarchien, Kommunikationspro- ten. Ein weiterer Punkt ist der Folgen- so genannter „Best Practices“ gelegt bleme, problematischer Umgang mit de: Wenn wir als Anarchist_innen - praktischen und positiven Erfah- Konflikten, Entscheidungsprozesse, eine Gesellschaft anstreben, in der rungen, die für Andere hilfreich sein die den eigenen Ansprüchen nicht alle Generationen gleichberechtigt könnten. Daraus ergibt sich zugleich, genügen, sowie die mangelnde Un- integriert sind, dann sollten wir das dass wir keine große Analyse der ak- terstützung des Politumfelds beim auch im Hier und Jetzt versuchen um- tuellen Situation betrieben haben, um Umgang mit Kindern. „Kaputt gehen“ zusetzen – insbesondere in unseren uns nicht in Problembeschreibungen können wir auch, indem wir uns in politischen Gruppen. Ein wichtiger zu verlieren und die Zeit nur mit Jam- Sackgassen verrennen. So können Bestandteil dieses Versuchs wäre, mern zu verbringen. wir uns an einem Thema festbeißen, allen einen gleichen Zugang zu den Grundsätzlich gingen wir von einem das keine Resonanz mehr erfährt, im Erfahrungen sowie dem vorhandenen Prozess des körperlichen und psychi- Spezialist_innentum den Kontakt zu Wissen zu ermöglichen. Dazu gehö- schen Verschleißes aus, der mit der Interessierten verlieren, als Gruppe ren alle Formen der Dokumentation politischen Arbeit in der linksradi- zerbrechen, keine Unterstützung für vorhandenen Wissens (insbesondere kalen und anarchistischen „Szene“ unsere Themen finden, oder durch der potentiell bald nicht mehr zur einhergeht. Dieser Verschleiß - das das Nicht-Reflektieren der eigenen Verfügung stehenden Erfahrungen Kaputtgehen - zeigt sich in unter- Privilegien immer wieder in mono- älterer Genoss_innen), aber auch die schiedlichen Formen: „Kaputt gehen“ kulturartiges Denken der weißen Entwicklung von Ideen, wie etwa bedeutet für uns nicht (nur) die Nie- Mittelschicht verfallen. zum leidigen Thema der konkreten

 25 Weitergabe (theoretischen) Wissens Stress- und Burn-out-Prophy- Stress zu Depressionen oder Aggres- in politischen Gruppen. Letzterer laxe für politische Aktivist_innen sionen geführt hat, die die Kommu- Aspekt zeichnet sich (je nach Per- mit Uschi von „Out of Action“ nikation in der Gruppe massiv er- spektive) dadurch aus, dass „ältere“ schwert. Genoss_innen mit der Zeit frustriert Wir haben uns entschieden das The- und zunehmend unwillig sind, die ma „Stress“ mit in die Veranstal- Von der Veranstaltung erhofften wir Zeit, die sie zum Weiterkommen nut- tungsreihe zu nehmen, weil: uns konkrete „Best Practices“ zur Er- zen würden, zur Einführung „junger“ * wir meinen, dass in der linken Sze- kennung von Stress und zum Umgang Genoss_innen einzusetzen - und das ne (Polit-)Stress häufig vorkommt. damit. wieder und wieder. Sei es, weil wir uns keine Ruhe gön- nen, solange noch irgendwo Unge- Ein wichtiger Stressverursacher, der Es kann insofern durchaus Sinn erge- rechtigkeit herrscht, sei es, weil wir dabei immer wieder in emanzipato- ben, altersgetrennte Gruppen zu ha- als Gruppe mit großen Hoffnungen rischen Gruppen und selbstverwalte- ben, die jeweils ihre eigene Wissens- und Erwartungen Aktion für Akti- ten Projekten auftaucht, ist der Druck, aneignung betreiben. Das darf aber on durchführen. sich um alles selbst zu kümmern, zu nicht dazu führen, dass der Kontakt * wir denken, dass viele Aktivist_in- organisieren, Entscheidungen zu tref- zwischen ihnen verloren geht. nen und auch Gruppen unter Stress fen und zu verantworten. Das soll leiden oder gar zerbrechen. Weil nicht heissen Entscheidungen abzu- Eine der besten „Best Practices“ bei keine Zeit mehr ist, die zwischen- geben, aus anarchistischer Perspekti- der generationsübergreifenden Wis- menschlichen Dinge zu klären oder ve finden wir es jedoch wichtig, die sensweitergabe ist daher – Über- raschung – die Föderation (eine Erkenntnis, die angesichts unserer eigenen politischen Organisierungs- bestrebungen wohl nicht zufällig da- herkommt :-) ): * Kleine Buddy-Groups mit etwa Gleichaltrigen zum gemeinsamen, gleichberechtigten Lernen, Erfah- rungsaustausch, etc. * Unterstützung bei einzelnen Fra- gen oder in Projekten von Leuten anderer Altersgruppen → Anre- gung, Wissensweitergabe * Föderation neigt zur Dokumenta- tion und zum langen Bestehen → Wissen tendenziell gesichert

Neben einer möglichst weit fassen- den Wissensweitergabe erscheint uns auch wichtig, Menschen nicht nach Alter zu kategorisieren und ent- sprechende Erwartungen an sie zu stellen: Ältere Menschen sollten sich nicht dem Druck, alles wissen und über einen reichen Erfahrungsschatz verfügen zu müssen, ausgesetzt füh- len. Und jüngere Menschen sollten nicht als unerfahren und naiv beur- teilt werden. Genauso sinnvoll wie das Mitdenken der Alterskomponente bei der Aktionsplanung im einen Fall, kann das Abstrahieren von Alterszu- schreibungen in Gruppen im anderen Fall sein.

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Anzahl von Entscheidungen und dar- zu erledigen. Dabei besteht jedoch die zu entwickeln. Darauf aufbauend aus folgenden freien Vereinbarungen Gefahr der Belastung, wenn die Lis- versuchten wir per Kopfstandme- gering zu halten. Dies kann durch fol- te der zu erledigenden Punkte nicht thode Probleme aufzuzeigen daraus gende Aspekte, die in Konsensprozes- abzunehmen scheint und als solche Lösungsansätze abzuleiten. Dabei sen berücksichtigt werden können, schon Stress auslöst. entstanden einige Ideen, die es Men- geschehen: schen mit Kindern oder solchen die * die Eingangsfrage, ob X überhaupt Politisch aktiv mit Kind bzw. durch ihre Arbeit in ihrer politischen entschieden werden muss. Arbeit Tätigkeit eingeschränkt sind, Hilfe- * Es entscheiden nur die, die sich be- mit gx stellung zu geben. troffen fühlen. * Vorbereitende Diskussionen füh- In der Vorbereitung der Veranstal- Auch wenn vieles dabei nicht unbe- ren die, die sich für das Thema inte- tungsreihe „Politisch aktiv ohne ka- dingt große, neue Erkenntnisse wa- ressieren und/oder in Kleingruppen. putt zu gehen“ war das Thema der ren, so waren wir uns darüber doch * Es besteht die Möglichkeit bei dem Vereinbarkeit von politischer Arbeit weitgehend einig, wie wichtig es ist, Entschiedenen nicht mit zu machen mit Lohnarbeit bzw. der Verantwor- auch die Lebensumstände jeder*s (“stand aside” – die Gruppe macht tung für Kinder ein oft nachgefragtes einzelnen zu berücksichtigen und X, während Personen A und B nicht Thema. Das Interesse daran schien nicht auf ein bloßes Funktionieren mitmachen, aber auch nicht blockie- sehr hoch, doch gleichzeitig war es im Politalltag zu reduzieren. Dazu ren) oder zu einer bestimmten Fra- uns trotz starker Bemühungen nicht gehören zum einen die Akzeptanz ge getrennte Wege zu gehen (“fork” möglich, Referent_innen oder we- durch Gruppen der besonderen Si- – Teilgruppe A macht X, während nigstens Menschen zu finden, die ein tuationen von Menschen mit Kin- Teilgruppe B Y macht) wenig von eigenen „Best Practices“ in dern (etwa, dass diese durchaus nur einem der Bereiche erzählen wollen. unregelmäßig oder gar abwechselnd Zusätzlich kann eine Do-ocracy-At- Dass das Thema auf Interesse stößt, zu Gruppentreffen erscheinen, oder mosphäre (alle machen erst mal, so- zeigt sich unserer Meinung nach dass kurzfristiges Umdisponieren lange keine_r was dagegen hat) zum auch an der regen Teilnahme am nun von Terminen und Locations in ge- Abbau von Entscheidungen beitragen. schon seit drei Jahren stattfindenden wissem Rahmen möglich sein muss). „Wer lebt mit Wem, Wie und Warum“- Zum anderen ist das die Vergabe von Aus unserer eigenen Anti-Stress-Best- Camp auf Burg Lutter. Zusätzlich be- „elterngerechten“ Aufgaben, die z. B. Practice-Toolbox für Politgruppen: In trifft das Thema viele Menschen und zeitlich flexibel sind, ohne dringen- einer „Is-was-Runde“ zu Beginn eines stellt häufig eine Bruchstelle in der de Deadline etc. Gerade in Hinblick Treffens haben alle die Gelegenheit zu politischen Aktivität dar. auf eine herrschaftsfreie Gesellschaft, sagen, was sie gerade daran hindert, die sich dem Grundsatz „Jede*r nach sich auf die Politgruppentätigkeit zu Wir fanden die Themen zudem des- ihren*seinen Möglichkeiten“ verbun- konzentrieren. Wenn viele häufig nur halb spannend, weil es dabei darum den sieht, sollte diese Form der Ein- sagen „bin müde“, ist die Methode geht, den Alltag zu organisieren und bindung schon in der jetzigen Praxis jedoch wenig hilfreich. Ist vielleicht sich genau an der Stelle zeigen kann, berücksichtigt werden und Aufgabe nicht genug Vertrauen da, um über ob wir Anarchie nur in der Theo- der Gruppe sein, solche Tätigkeiten Stressfaktoren zu reden? Vielleicht rie und im Rahmen einer perfekten zu finden. hilft ein gemeinsamer Ausflug zum Utopie oder wenigstens ansatzweise Entstressen und gleichzeitig besser auch im Hier und Jetzt umsetzen und kennen lernen? ausprobieren können. Denn auch der Konflikt lass nach!? Blick auf die sich auftuenden Gräben mit Anna und Gerd von „AKKU“ Beim Thema „Umgang mit Stress“ zwischen Anspruch bzw. Utopie und geht es unserer Meinung nach nicht Wirklichkeit können den Eindruck Wir sehen, dass sich in unserem po- darum, diesen immer besser zu kon- vermitteln, aufgeben zu müssen, ka- litischen Umfeld immer wieder hef- trollieren, um immer mehr leisten zu putt zu gehen. Also haben wir als tigste Konflikte ereignen, die leider können. Zwar können die Effekte von Vorbereitungsgruppe beschlossen, häufig zum Zerbrechen von Struk- Stress individuell zeitweise als po- selbst einen Mitmach-Workshop zu turen führen. Sei es in der WG oder sitiv wahrgenommen und geschätzt konzipieren. im Hausprojekt, wo persönliche werden: So wurde auch im Workshop Kränkungen sich ins Unaushaltbare berichtet, dass es in stressigen Phasen In kleiner Runde wurde zu Beginn steigern und schließlich zum Auszug Spaß machen kann, Punkt für Punkt über eigene Erfahrungen gespro- oder gar zur Auflösung führen. Sei es der To-Do-Liste in einem mechani- chen, die als Grundlage dienen soll- in der Politgruppe, wo Kompetenz- schen, fast schon hypnotischen Fluss ten weitere Lösungen zu finden bzw. gerangel oder Informationshierar-

 27 chien zu Konflikten führen. Sei es im E-Mail-Listen in politischen liches Dominanzverhalten so anzu- Polit-Netzwerk, in dem durch staat- Zusammenhängen sprechen, dass es nicht als Angriff, liche Repression, Überarbeitung und mit Katja Cronauer sondern als Möglichkeit zur Grup- enttäuschte große Pläne sowieso die penweiterentwicklung gesehen wird, Nerven blank liegen und ein kleiner Auch wenn mittlerweile viel Kom- dann ist ein großer Schritt Richtung persönlicher Konflikt so der Anlass munikation und Organisation in Herrschaftsabbau getan. für ein großes Drama werden kann. we.riseup.net stattfindet, spielen Mai- Gerade im Politumfeld macht uns der linglisten unserer Beobachtung nach Ein weiterer Ansatz, der sich für uns Umgang mit Konflikten besonders un- in der linken Szene weiterhin ein gro- aus der Praxis ableiten lässt, wäre sicher: Wir sind von der Realisierbar- ße Rolle. In den Tools, die Mailing- eine Beteiligung bzw. Organisierung keit herrschaftsfreier Gesellschaften listen ablösen, wie etwa Foren oder Aller in Kleingruppen. In diesen ist überzeugt, doch wenn es im eigenen Wikis, sind zudem ähnliche Verhal- Reflexion wegen des persönlicheren Umfeld um konkrete Konflikte geht, tensmuster und Dynamiken erkenn- Verhältnisses einfacher und die Kom- blockiert viele von uns die Angst, et- bar. Bei Vernetzungen und Föderati- petenz Einzelner lässt sich direkt auf was „falsch“ zu machen, also den ei- onen über einen lokalen Raum hinaus Andere übertragen. genen Ansprüchen nicht zu genügen. oder bei Zusammenarbeit von Men- Viele Projekte haben sich leider mit schen, die zu sehr unterschiedlichen Fazit/Schlusswort dem alltäglichen Vorhandensein von Zeiten Beiträge leisten, also in Fällen, Das wichtigste was wir als Orga- Konflikten arrangiert, zudem man- in denen reale Treffen selten stattfin- gruppe aus der Veranstaltungsreihe gelt es vielen sich besonders radikal den können, spielen diese digitalen gezogen haben ist, wie so oft, sich gebärenden Projekten an Konfliktlö- Kommunikationswege eine wichti- *selbst*/als Gruppe mit den Themen sungskompetenzen und -strategien. ge Rolle. Nicht immer geht es dabei beschäftigt zu haben bzw. dies immer Unsicher sind wir auch darüber, wie konfliktfrei zu. Auch im Umfeld der mal wieder zu tun. (Selbst-)Reflexion viel „Arbeit“ wir in die „Gefühlsdin- afb gib es eine Mailingliste, auf der sollte fester und selbstverständlicher ge“ stecken sollten, wo doch noch so es wegen des von Vielen als schreck- Teil politischer Betätigung sein. Den- viele andere wichtige Projekte anste- lich wahrgenommenen Umgangtons noch war es neben der „schön dass hen. zahlreiche Austritte gab. Selbst wenn wir darüber gesprochen haben“ an- Konflikte nicht so offen nach außen mutenden Auseinandersetzung auch Wir erhoffen uns durch den Work- treten, kann sich durch den Gebrauch wichtig darüber hinaus zu kommen shop die Angst vor Konflikten zu von Mailinglisten oder anderen digi- und dabei möglichst gemeinsam Lö- mindern und sicherer im Umgang da- talen Tools die Gruppendynamik ver- sungen für unseren persönlichen und mit zu werden. ändern oder gar hierarchische Effekte politischen Alltag zu finden, um ein auftreten – was wir als Anarchist_in- „Kaputt gehen“ zu vermeiden. Die Angst vor Konflikten kann dazu nen natürlich vermeiden wollen. ;-) führen, dass sie nicht ausgesprochen Im Ernst: Wir finden dieses Thema Um diese Auseinandersetzungen werden und schließlich alles in ei- wichtig, weil die Auswirkungen von weiter zu fördern und Erfahrungen nem großen Knall zerbricht. Konflik- Mailinglisten auf Gruppendynamik besser weitergeben zu können, war te zum Thema zu machen hilft eine sehr subtil sein und trotzdem viel- es für uns selbstverständlich, diese Sprache dafür zu finden. Noch besser leicht schleichend zum Kaputtgehen Veranstaltungsreihe entsprechend ist es, wenn gar eine Leichtigkeit und beitragen können. Ein reflektierter zu dokumentieren. Wir wollen we- Experimentierfreude in der Konflikt- Umgang und „Best Practices“ können der eine Geheimhaltung guter Ideen lösung entsteht. Dies erscheint jedoch helfen, für das Erkennen von Herr- noch eine gralshüterische Elfenbein- nur dann möglich, wenn es noch nicht schaftsmechanismen - nicht nur bei turmisierung der Praxis, sondern de- zu spät ist, also die Fronten noch nicht Mailinglisten - zu sensibilisieren. ren Verbreitung und Weiterentwick- verhärtet sind. Zum unverkrampften lung, das Teilen von Fähigkeiten und Umgang mit Konflikten gehört unse- Katjas Input hat dabei viele „Best dadurch letztlich auch ein schöneres rer Meinung nach auch nach außen Practice“-Ideen geliefert. Wie immer Leben für alle von uns :-) zugeben zu können, dass Konflikte scheint die Schwierigkeit darin zu existieren und sich gegebenfalls Un- bestehen, sie auf den eigenen Kon- Der Doku-Reader wird voraussicht- terstützung zu holen. Dazu haben die text anzuwenden. D. h. in der eigenen lich im Frühjahr 2012 erscheinen. AKKUs korrekter Weise daran erin- Gruppe eine gewisse Reflexionsbe- nert, dass sich gegenseitig zu unter- reitschaft zu etablieren – auch trotz Kontakt: [email protected] stützen ein linkes Motiv ist. und inmitten des Politaktionszeit- drucks. Wenn irgendwer dann den Mut und die Energie aufbringt, mög-

28  jULI DER BRUch MIT DER AUTORITäT - UnD SEInE TöDLIchEn fOLgEn EInIgE AnARchIST_InnEn

m 20. Juli 2001 wurde unser agieren. Banken, Autos, Konsumtem- Gefährte und Komplize Car- pel, der Knast „Marassi“ und die be- Alo Giuliani in Genua/Italien reitstehenden faschistischen Berufs- während eines Angriffes auf ein Auto schläger der Carabinieri, der Polizei der Carabinieri (italienische, para- und der Guardia di Finanza wurden militärische Polizei) von einem der zur Zielscheibe dieser Wut. In diesen uniformierten Insassen erschossen. Stunden und Tagen durchbrach die Carlo war an diesem Tag einer von gegenseitige Solidarität dieser Men- Hunderttausenden, die die gegenwär- schen die kapitalistische Realität und tige Organisierung der Gesellschaft breitete sich außerhalb der üblichen in Frage stellten und sich den Bezie- Kreise aus: beispielsweise bei der hungen von Macht, Ausbeutung und Plünderung eines Supermarkt, bei Entfremdung widersetzten. der sich zahlreiche PassantInnen und Vielen sind diese Tage in Genua be- AnwohnerInnen beteiligten, oder bei sonders dadurch im Gedächtnis ge- den Attacken gegen die Staatsbüttel. blieben, dass die repressiven Einhei- Ein Angriff einerseits, aber auch ein re Wut entgegenzusetzen. Gegen die ten, legitimiert durch Regierung und Schrei nach Freiheit und Selbstbe- verdeckten ErmittlerInnen, die ver- Presse, unzählige Menschen nieder- stimmung andererseits, wie er da- zweifelt irgendwelchen staatsfeindli- knüppelten und erniedrigten, wobei mals nicht nur in Genua, sondern chen VerbrecherInnen auflauern und der Mord an Carlo, das Massaker in beispielsweise auch in Prag und Gö- ganze Kieze belagern oder gegen die der Diaz-Schule und die anschließen- teborg vernommen werden konnte. Möchtegern-Bullen à la Ordnungsamt de Folter in der Bolzaneto-Kaserne Gerichtet an die, die über uns richten oder Quartiersmanagement, die mei- die traurigen Höhepunkte dessen bil- und walten wollen, die Großmächte nen unser aller Leben regulieren zu deten. Wir werden die blutigen Bilder und deren Politik im Speziellen, aber müssen. Weil die Polizei auch hier in dieser Tagen nie vergessen, und für auch gegen jene, die uns tagtäglich Berlin Morde begeht, wie den an Den- die folgenden Jahre nährten diese Er- spürbar schikanieren und das Beste- nis aus Neukölln oder an Slieman aus innerungen unseren Hass auf jegliche hende verteidigen. Schöneberg. Form der Autorität. Die, die unser Leben als Experimen- Ein tödlicher Schuss, wie ihn Carlo Auf den Straßen dieser Stadt misch- tierfeld missbrauchen. Die, die sich und viele andere erfahren mussten, ten sich sehr unterschiedliche Men- alltäglich mit neuen Mitteln der Auf- ist nur die Spitze des Eisbergs und schen. Manchen ging es um eine De- standsbekämpfung befassen, die die zeigt uns die Aussichtslosigkeit der mokratisierung dieser Gesellschaft, Gesetze zu ihren Gunsten auslegen Herrschenden gegen all die Unkon- um eine Verbesserung innerhalb des und alles dafür geben die Verhältnis- trollierbaren dieser Welt. gegebenen Rahmens, welche ihrer se von Hierarchie, Ordnung und Kon- Carlo werden wir nie vergessen, ge- Meinung nach durch gesetzeskonfor- trolle aufrechtzuerhalten. nauso wenig wie die zornigen Tage me Mittel zu erreichen wäre. Manche von Genua und die Tatsache, dass wir dachten, die Unzufriedenheit der Pro- Auf dass diese Realität in sich nicht allein mit unseren Ideen einer testierenden für ihre politischen Zie- zusammen bricht… herrschaftsfreien Gesellschaft ste- le ausnutzen und vereinnahmen zu Diesen Schrei von damals haben wir hen. Das zeigen uns die alltäglichen, können. Viele trafen zum ersten Mal nicht vergessen, denn er klingt nach kleineren und größeren Episoden, in auf die rohe Gewalt des Staates, die wie vor in unseren Ohren. denen unterschiedlichste Menschen andere schon längst kannten – durch Am Samstag, den 16. Juli, werden wir ihrer Unversöhnlichkeit gegen diese Abschiebungen, Schikanen und Ver- auf den Straßen Kreuzbergs sein, 10 Ordnung Ausdruck verleihen. haftungen. Und es gab einige, die Jahre nach den tödlichen Schüssen sich dafür entschieden, ihrem Zorn von Genua, um Carlo zu gedenken, Für einen kompromisslosen Bruch militant Ausdruck zu verleihen und aber auch um dem aktuellen Trend mit jeglicher Autorität! außerhalb der gegebenen Regeln zu von Sicherheit und Repression unse- Für den sozialen Aufstand!

 29 üBER gREnzEn DER BEhERRSchUng UnD DIE fREUDEn DER SUBvERSIOn EInIgE gEDAnKEn üBER EIn wüTEnDES gEDEnKEn

or zehn Jahren wurde Carlo welches nicht unter ihrer totalen herausschrien, Straßen blockierten Giuliani während der massiven Kontrolle stattfindet, zu verhindern. und immer wieder Steine aufhoben vProteste gegen den G8-Gipfel Doch es sollte anders kommen ... und diese voller Leidenschaft der Au- in Genua von der paramilitärischen torität entgegenschleuderten. Polizei Italiens, den Carabinieri, er- Fest entschlossen ein zum Anlass Für eine kurze Zeit konnte durch die schossen. Um an ihn und an die da- würdiges Gedenken gegen den Wil- gelebte Solidarität ein Raum geschaf- mals noch junge, kämpferische, an- len der Polizei durchzusetzen, ver- fen werden, der uns den nötigen Platz tikapitalistische Bewegung sowie an sammelten sich um die Tausend zum Atmen und Handeln bot, ein die brutale staatliche Gewalt, die ihr Menschen am Lausitzer Platz. Gut Raum der uns in der Hektik des All- entgegenschlug, zu erinnern, wurde vorbereitet auf die erwarteten An- tags, umgeben von einer entfremde- für den 16. Juli 2011 in Kreuzberg zu griffe seitens der Polizei, gelang es ten Welt, schon lange verloren ging. einer Demonstration aufgerufen. Be- zumindest einen Teil der geplanten Und genau diese Erfahrung ist es, die wusst wurde bei diesem Anlass auf Strecke als geschlossener Demonstra- wir aus diesem Abend mitnehmen eine Kooperation mit den Behörden tionszug zurückzulegen. Auch wenn und welche so vielen von denen, die verzichtet. Denn die Polizei, egal ob es dann den Bullen gelang die Men- wir auf der Straße getroffen haben hier oder anders wo, handelt immer ge zu spalten, war damit noch lange ein Lächeln ins Gesicht zauberte. Wir im Interesse von Staat und Kapital, nichts zu Ende. Die Konfrontation mit haben gesehen, dass wenn wir etwas zur Aufrechterhaltung der herr- der Staatsgewalt, die so oft ein Gefühl für richtig halten, und gemeinsam schenden Ordnung. So macht es für der Ohnmacht, der Vereinzelung und und entschlossen dafür einstehen, uns keinen Unterschied ob italieni- Resignation hinterlässt, war an die- uns auch eine hochgerüstete Polizei sche oder deutsche Bullen den Abzug sem Abend der Funke, der die Wut mit all ihren Techniken der Herr- drücken, wir wissen, dass es über- über die herrschenden Verhältnisse schaft nicht aufhalten kann. Denn all passiert und wir würden es für entflammte. Der öffentliche Raum, die die Ideen einer freiheitlichen Gesell- höchst entwürdigend gegenüber den Straßen und Plätze, wurden für eini- schaft, jenseits jeglicher Autorität las- Opfern von tödlicher Polizeigewalt ge Stunden zum umkämpften Terrain. sen sich nicht mit dem Polizeiknüppel halten, mit ebendieser Institution Sie wurden der staatlichen Kontrolle zerschlagen. in Dialog zu treten und Absprachen entzogen, in dem sich überall spontan zu machen. Aber auch sonst bringen Leute zusammenschlossen, kommu- Gegen jegliche Autorität! angemeldete Versammlungen aller- nizierten, ihre Meinung in die Nacht Für ein selbstbestimmtes Leben! lei Schikanen mit sich. Das falsche Schuhwerk, zu lange Transparente und unerwünschte Inhalte, das alles sind in Berlin normalerweise Gründe für sie, Demos anzugreifen, Leute zu verprügeln und festzunehmen. Ein dichtes Spalier und das präventive Abfilmen und Durchsuchen der Teil- nehmerInnen sind schon lange Stan- dard. Crowd-Control aus den Lehrbü- chern der Aufstandsbekämpfung im besten Sinne.

Auch an diesem Samstagabend sind sich Versammlungsbehörde, Senat und die BerufsschlägerInnen in Uni- form einig gewesen, jegliches Erin- nern an die Ereignisse von damals,

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diesen Vorwurf nach Ablauf einer wAhLPROgRAMM? möglicherweise grünen Regierungs- zeit auch an sie weiterreichen muss. Denn auch konkrete Umsetzungen im STIMMEnfAng! Rahmen des Projektes „Media Spree“ fanden unter dem grünen Bezirksbür- „wAhL LOS gLücKLIch!?“- BünD nIS germeister Franz Schulz statt .

Das Beispiel der Wohnraumpolitik er Termin der Berliner Abge- haben und damit off ensichtlich noch in Berlin macht deutlich, wie viel ordnetenhauswahlen rückt lange nicht am Limit angekommen Mühe sich die antretenden Parteien Dnäher und mit ihm auch die sind. Zusätzlich ist 2011 der Verkauf mit der Formulierung eines att rakti- drängende Pfl icht, sich mit den ver- von weiteren 20.000 Wohnungen ge- ven Wahlprogramms geben. Es ver- schiedenen Parteien auseinanderzu- plant. Obwohl dieser Deal auf Grund deutlicht eigentlich sogar die in der setzen. Vielleicht ist dann der erste des zwielichtigen Käufers geplatzt politischen Praxis verschwimmenden Gedanke: „Was habe ich denn für zu sein scheint. Doch trotzdem sieht Unterschiede im Berliner Parteien- eine Wahl? Die Versprechen der Kan- man an diesem Beispiel, dass Partei- spektrum. Macht es vor diesem Hin- didaten werden gebrochen, sobald en nur vage Versprechungen machen tergrund Sinn, die Parteien an ihren diese Regierende sind, egal ob aus und diese selten einhalten. In diesem Programmen zu messen? Vielmehr den Reihen von SPD, CDU, Grüne, Fall muss man sogar unterstellen, scheint es um Stimmenfang zu gehen Linke, FDP oder den weiteren Par- dass SPD und Linke ihren Inhalten und nicht um die konsequente Umset- teien, die zu den Wahlen antreten.“ bewusst entgegenstehen. Und der zung der eigenen Lösungsstrategien. Zuallererst würde man wohl auf die Internetauft ritt der Linken lässt wei- Diese werden wohl leider doch als Idee kommen, die einzelnen Partei- terhin verlauten: „Gute Miete statt „Geschwätz von gestern“ abgetan. programme einmal unter die Lupe zu Rendite!“ nehmen, zumal diese wenigstens äu- ßerlich sehr umfangreich sind. Dies Aber auch die CDU erkennt nur an- Nicht wählen ist also ein hoff nungsvoller Versuch, satzweise die unbedingte Notwen- An dieser Stelle soll ein Plädoyer der Adenauer’schen Att itüde „was in- digkeit günstigen Mietraumes für für das Nicht-Wählen abgegeben und teressiert mich mein Geschwätz von die Berliner Bevölkerung. Vielmehr gängige Argumente dagegen wider- gestern?“ entgegenzutreten. stelle diese bisherige Gegebenheit legt werden. „einen großartigen Wett bewerbsvor- Doch wenn man an den Wahlkämp- teil für Berlins Unternehmen“ dar. Ein typisches Argument für das Wäh- fen von 2006 ansetzt, wird diese Hoff - Besonders eindrucksvoll bürgerfern len ist Folgendes: „Mit deiner Stimme nung jäh zerstört. So viel Positives gibt sich jedoch die FDP: „Die Re- kannst du etwas verändern. Wenn stand in den Programmen der Par- vitalisierung und Aufwertung von du das nicht wahrnimmst, trägst du teien. Wenig wurde umgesetzt, vieles Stadtt eilen, die manche als ‚Gentri- dazu bei, dass alles so bleibt, wie es umgangen oder schlichtweg verges- fi zierung’ verunglimpfen, darf nicht ist.“ Doch wie schon Tucholsky sag- sen. verhindert, sondern muss zugelas- te: „Wahlen verändern nichts, sonst sen und sogar befördert werden. Wir wären sie verboten.“ Verändert wird Das beste Beispiel dafür ist die Woh- wollen eine Willkommenskultur für zwar die personale Repräsentanz der nungspolitik in Berlin. Laut dem Zu- und Umziehende.“ Ein „Wir“, dass Abgeordneten, sonst aber nicht viel. Programm der Sozialdemokraten zu viele Berliner ausschließt. Ganz Die großen Regierungsparteien, die von 2006 sollten alle Wohnungen im anders halten es hier die Grünen: hierzulande etwas zu sagen haben, Landesbesitz bleiben. Auch in den „Eine Stadt für alle erfordert bezahl- nähern sich in ihrer Programmatik Koalitionsvereinbarungen von SPD baren Wohnraum in allen Bezirken. immer mehr an. Unterschiede zwi- und Linke wurde sich geeinigt, dass [...] Seit zehn Jahren betreibt der Se- schen den großen Parteien wie CDU, es keine weiteren Privatisierungen nat keine Wohnungspolitik mehr.“ Es SPD, FDP, Grünen oder der Linken geben würde. Doch die vergangenen bleibt allerdings abzuwarten, ob man sind nur noch marginal und aus der fünf Jahre haben gezeigt, dass dies nicht eingehalten wurde. Denn bis Anfang 2011 wurden weitere 5.000 Wohnungen privatisiert. Das macht sich deutlich bemerkbar in den Miet- preisen, die Rekordhöhen erreicht

 31 auch nichts vom ‚Kuchen’ ab. Schon einem solchen System nur alle vier allein aus diesem Grund ist repräsen- Jahre ins politische Geschehen ein- tative Demokratie alles andere als ge- mischen. Zwischen den Wahlen sind recht. Auch in die Programmatik der Partizipationsmöglichkeiten gering Parteien können sich nur langjährige und nur im parteipolitischen Kontext Mitglieder mit einer gehörigen Porti- denkbar. Menschen können sich aber on Opportunismus einmischen. Ein- vielfältig politisch engagieren, ohne zelpersonen oder Gruppen, die sich StellvertreterInnen für ihre eigenen nicht von einem festen Konzept einer Meinungen wählen zu müssen. Ganz Partei in ihren Ideen einschränken nach dem Motto: Ich weiß selbst, was lassen wollen, können sich also nicht ich will und brauche niemanden da- einbringen und somit in einem par- für zu delegieren, meine Interessen teipolitischen Zusammenhang auch kundzutun. Anstatt für unsere eige- nicht viel verändern. nen Interessen einzutreten, geben wir mit Stimmzettel und Urne das „Ja“ Viele Menschen gehen auch zur Entmündigung ab. Machen wir zur Wahl, um Parteien wie das nicht, bleiben wir selbst verant- der NPD Einhalt zu gebieten. wortlich für uns und unsere Umwelt Der Gedanke dabei ist, lieber und können dort auch unseren Teil irgendeine andere Partei zu beitragen. Ein Beispiel sind Kiezini- wählen, damit beispiels- tiativen als eine Organisationsform, weise die NPD nicht an die abseits der repräsentativen Demo- Gewicht gewinnen kratie funktioniert. Wenn alle Stri- Geschichte kann. Was bei dieser cke reißen, bedienen sich die meisten der jeweiligen Argumentation al- überzeugten WählerInnen der „Wenn Partei heraus lerdings vergessen du nicht zur Wahl gehst, dann mecke- zu erkennen. Grundsätz- wird, ist, dass die re auch nicht“-Argumentation. Diese lich bleibt die Politik aller- Politik der gewähl- ist allerdings total unschlüssig, denn dings mehr oder weniger die- ten Parteien in den den Menschen, die zur Wahl gegan- selbe, denn zum obersten Ziel der vier Jahren Regierungs- gen sind, kann man viel eher vorwer- Partei ist es geworden, in der Regie- zeit nicht kontrolliert fen, dass „alles beschissen ist und sich rung zu sitzen und dort möglichst viel werden kann. Das so genannte nichts ändert“ als denen, die bei der zu sagen zu haben. Machterhalt und „geringere Übel“ kann also in der Re- Farce namens „Wahl“ nicht mehr mit- -ausbau sind also das Hauptziel von gierungszeit leicht genauso rassisti- spielen wollen. Um etwas zu ändern, Parteien geworden, seien sie nun rot, sche, sexistische und ungerechte Po- sollten sich die Menschen besser an- grün, violett oder grau. litik machen wie die Partei, die man derer politischer Organisations- und verhindern will. Es gibt schließlich Ausdrucksmittel bedienen, mit denen Steuersenkungen und andere Privile- genug Beispiele, die beweisen, dass sie sich selbst repräsentieren können. gien gibt es meist nur für diejenigen, Parteien nicht immer das umsetzen, die sowieso schon viel besitzen. Für was sie vor der Wahl versprechen. Alle paar Jahre zur Wahl zu gehen und Mensch Meier macht die Parteien- So zeigt sich unter anderem an den die eigene Stimme für das „geringste landschaft dagegen immer weniger. Zuständen in den deutschen Flücht- Übel“ abzugeben, ist also nicht sinn- Insgesamt werden politische Parteien lingslagern und der Asylpolitik, wie voll, sondern legitimiert vielmehr im- also immer wirtschaftsfreundlicher menschenverachtend auch die eta- mer aufs Neue eine höchst ungerechte und handeln somit nicht im Sinne der blierten Parteien handeln. Es gibt für Form der Politik. Es gibt so viele The- ArbeitnehmerInnen. Mit einem Blick die Wählenden also während der Le- men, bei denen man sich einbringen in die Vergangenheit sieht man, dass gislaturperiode keine Kontrollmög- kann. Wir sollten es nicht PolitikerIn- die Verschlechterung der Lebens- lichkeit gegenüber der Politik. Ein nen überlassen, das für uns zu tun, und Arbeitsverhältnisse durch keine anderes Vorurteil bezichtigt Nicht- sondern selbst aktiv werden! Partei aufgehalten, geschweige denn WählerInnen desinteressiert und ganz abgeschafft werden konnte. Was politikverdrossen zu sein. Dabei be- Da hast nicht nur du mehr davon, son- in der Politik ausgehandelt wird, sind deutet Wahlboykott nicht unpolitisch dern auch der Rest der Gesellschaft! in erster Linie Macht- und Eigen- zu sein – im Gegenteil! Wie im Ar- tumsverhältnisse. Wer keine Macht tikel über repräsentative Demokratie Quelle: Wahllos glücklich?! September 2011, oder Eigentum besitzt, bekommt also dargestellt wird, kann man sich in S. 8–10. http://wahllos.blogsport.de/broschuere/

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die faschistische V.i.S.d.P. : A.Ufruhr, Straße der Pariser Kommune 192 A.Ufruhr, : V.i.S.d.P. Besitzenden des [email protected] Als Hilfstruppen dieser Krisenlösung treten immer offener Schlägertrupps in Erscheinung: gedeckt von der Polizei und unter dem Beifall der Bevölkerung machten sie Teils eines Athener in der in den letzten Wochen Innenstadt jagt auf Migranten und versuchten, ein linkes Zentrum zu zerstören. Ausgang der Konfrontation in Der Griechenland wird für die künftigen Auseinandersetzungen in sozialen anderen Ländern nicht ohne Folgen bleiben. Für die Kontinents ist sie ein Laboratorium, um zu testen, wie weit sie bei der überall der anstehenden Verschlechterung ohnehin schon miserablen Lebensverhältnisse gehen können und wie sie aufkeimenden Widerstand effektiv zerstreuen. Den Lohnabhängigen führt sie Augen, dass die Harmonie der vor westlichen Demokratien nur Schein ist und macht die Fronten des sozialen der Krieges sichtbar, Klassengesellschaften durchzieht. auch nichts nützen, da die größtmögliche rend des schreibt der liberale Politiker Niederlage erleiden. Wir können sagen, dass uns das egal ist, auf Niederlage erleiden. Wir die faulen Griechen schimpfen und damit unsere aktive Unterwerf ung Aber dies Arbeitsdisziplin und Konsum bekunden. unter die Diktatur von wird uns am Ende Athen brennt, einige Proletarier haben den Kampf aufgenommen. eine sie isoliert bleiben, werden mit großer Wahrscheinlichkeit Wenn A npassung keine Garantie darstellt, unser bescheiden eingerichte tes Leben so weiterführen zu dürfen. Es gibt aber auch die Möglichk eit, uns mit dem Kampf der griechischen Proletarierinnen solidarisch zu erklären und ihn zu unterstützen, indem wir HIER damit beginnen, die Verhältnisse in Frage zu stellen. Athens Syntagma-Platz ihren Abscheu Athens Syntagma-Platz ihren gegenüber dem polititischen System, über einen wobei ihre Vorstellungen Ausweg aus der Misere bislang eher konfus sind. Schon warnen Mitglieder der politischen Athens vor der Unregierbarkeit Klasse des Landes. "Die wirkliche griechische Krankheit", Street Journal, sei Mikas im Wall Takis nicht der drohende Staatsbankrott, sondern der die grassierende "Missachtung der Gesetze". Die radikale Linke nutze die Krise aus, um das Land in "organisierte Gesetzlosigkeit" zu stürzen. Er ruft nach der Polizei, um diesen Umtrieben ein Ende zu bereiten. – Diese lässt nicht lange auf sich warten: Bei einer Demonstration wäh Generalstreiks in Athen am 11. Mai 2011 Mai 2011 Athen am 11. Generalstreiks in Anarchisten von der wurde der Block Polizei mit einer Brutalität zusammengeknüppelt, die den arabischen Regimes, die in jüngster Zeit scheinheilig für ihre "Demokratiedefizite" gerügt wurden, alle Ehre gemacht hätte. Ein Demonstrant kämpfte auf der Intensivstation wochenlang um sein Leben. enden d ssen die Illusionen von nge brechen. Während dem dazu, eine irrationale Wirtschaftsordnung am Laufen zu halten. Eine Wirtschaft, die Absatzmöglichkeiten für verzweifelt nach die Erzeugnisse ihrer überschieß Produktivität sucht und trotzdem nicht und Mais bereitstellt, um genug Weizen zu ernähren; die die Weltbevölkerung selbst die scheinbar wohl Genährten bis zum burn out um Jobs konkurrieren lässt, an deren Nutzen sie selbst nicht glauben. Nirgends in Europa treten die gesellschaftlichen Widersprüche derzeit unversöhnlicher zutage als in Angesicht der Diktate von Griechenland. IWF und EU verbla einer menschenfreundlichen Regulierbarkeit des Kapitalismus. nicht in Solange die Logik des Weltmarkts Frage gestellt wird, sind die griechischen Sparmaßnahmen tatsächlich alternativlos. Die Perspektiven der griechischen Bevölkerung schrumpfen daher auf zwei Möglichkeiten zusammen: entweder zu ALLES akzeptieren, oder resignieren und mit der GANZEN bestehenden Ordnung der Di Anhänger die Spektakel der Wahlurne Aktionsformen, die davonlaufen, finden vor dem Hereinbrechen der Krise und den Unruhen des Dezembers 2008 fast nur von radikalen Splittergruppen praktiziert wurden, immer mehr Der Boykott von Nachahmer. Nahverkehrstickets und Straßenmaut ist zu einer Massenbewegung geworden; die Athen Bewohner eines Dorfes nahe kämpfen mit Steinen un Molotowcocktails gegen die Polizei, um den Bau einer Mülldeponie zu verhindern, Zehntausende bekunden täglich auf ie in den kandalösem Athener ihre ahrheit ist, dass die rhandlungen mit ihren Kollegen klar macht, dass sie lieber die griechischen Lohnabhängigen hungern sieht, als die Interessen der deutschen Gläubiger zu gefährden. Und es sind deutsche Unternehmen, die Wirtschaft der schwächeren Länder am Rand EU ungehindert niederkonkurrieren, seit diesen durch den Euro die Möglichkeit genommen wurde, ihre Währungen abzuwerten und damit Menschheit seit Langem in s Ausmaß UNTER IHREN Nicht eine LEBT. VERHÄLTNISSEN Naturnotwendigkeit zwingt uns, „den Gürtel enger zu schnallen“. Die Krisenprogramme, die jetzt überall in der Bevölkerung Europa die Verarmung zur Folge haben, dienen ausschließlich „Die Griechen haben über ihre gelebt; jetzt sind sie Verhältnisse verschuldet und liegen uns auf der Sollen sie gefälligst mehr Tasche. arbeiten." So schimpfen die Kanzlerin und das deutsche Feuilleton. Nichts ist richtig sind es an dieser Meinung: In Wahrheit vor allem deutsche und französische Banken, die Griechenland mit immer höheren Zinsen schröpfen, unterstützt von der deutschen Regierung, d Ve Exportprodukte zu verbilligen. All dies soll die scheinheilige Rede von den „faulen Griechen" kaschieren. Außerdem soll die deutsche Bevölkerung auf künftige Opfer eingestimmt werden: Auch wir leben aus Sicht des Kapitals sprich „über unsere Verhältnisse", verdienen trotz seit zwanzig Jahren sinkenden Reallöhnen immer noch viel zu viel. – Die W

 33 vorgeworfen, sich an Priesteranwär- tern sexuell vergangen zu haben. In der Tradition seines Amtsvorgän- gers Johannes Paul II. bekämpft Be- nedikt XVI. die weltlich orientierte Befreiungstheologie (2). Schon wäh- rend seiner Amtsphase als Chef der Glaubenskongregation des Vatikans war Ratzinger die befreiungstheolo- gische Bewegung suspekt, weil sie sich an weltlichen Bedürfnissen der Menschen orientierte und eine klare politische Positionierung auf Seiten der marginalisierten Gesellschafts- schichten bezog. 1984 mahnte er, die Kirche müsse zunächst die Botschaft Christi verkünden, dann erst könne sie sich um die sozialen Belange der nOT wELcOME! Menschen kümmern. Jene Äußerungen sind auch mit den aktuellen Positionierungen Benedikts DEn PAPSTBESUch In BERLIn XVI. gegen den Marxismus, Libera- lismus und Individualismus kompa- tibel. Insbesondere der Marxismus zUM DESASTER MAchEn hat es Panzer-Ratze angetan. Ihn hält der konservative Gralsritter für eine moderne Ausgeburt der Hölle. „Wie nOT wELcOME-BünDnIS vielen Widerstreit der Wellen haben wir in den letzten Jahrzehnten ken- om 22. bis 25. September 2011 den Ausstieg aus dem staatlichen Sys- nen gelernt, wie viele ideologische wird der ehemalige Hitlerjun- tem der Schwangerschaftskonfliktbe- Strömungen, wie viele Denkweisen? vge, NS-Flakhelfer und jetzige ratung voran, da er in ihr eine Form Das kleine Boot des Denkens vieler Papst, Joseph Ratzinger, die Erzbistü- der Mitwirkung an Abtreibungen sah Christen ist nicht selten von diesen mer Berlin, Freiburg und das Bistum und dies der Haltung Johannes Paul Wellen umher geworfen worden von Erfurt besuchen. Unter seinem Ti- II. widersprach, jegliches menschli- einem Extrem ins andere; vom Mar- tel Benedikt XVI. ist er als einer der che Leben von der Zeugung bis zum xismus zum Liberalismus, bis hin rückschrittlichsten Päpste der jüngs- natürlichen Tode zu schützen. zum Libertinismus; vom Kollektivis- ten Geschichte bekannt. mus zum radikalen Individualismus; Als Präfekt der Glaubenskongrega- vom Atheismus hin zu einem vagen Bereits während der Amtszeit seines tion (1), der Nachfolgeorganisation religiösen Mystizismus.“(3). Vorgängers Johannes Paul II. war der Inquisitionsbehörde, kämpfte Ratzinger die treibende Kraft hinter Ratzinger unerbittlich gegen innere Ein Revisionist reinsten Wassers einer langen Reihe von Äußerungen, und äußere Feinde der katholischen Im Rahmen der Feierlichkeiten zum in denen Schwule und Homosexuali- Kirche. Er befürwortet die Arbeit der 60. Jahrestag der Landung der Al- tät als „das Böse“ bezeichnet wurden. ultrakonservativen „Legionäre Chris- liierten in der Normandie besuchte Seine ultrakonservative Auslegung ti“, die sich der traditionellen katho- Kurienkardinal Ratzinger 2004 den der katholischen Heilslehre führ- lischen Jugend- und Familienseel- deutschen Soldatenfriedhof La Cam- te unter anderem zur Verdammung sorge widmen. Gegründet wurde die be. Unter den dort begrabenen deut- von Kondomen, die laut Ratzin- Ordensgemeinschaft 1941 von Mar- schen Soldaten befinden sich mehrere ger unablässig zur Verbreitung von cial Maciel, heute fungiert sie ins- hundert Angehörige der berüchtigten HIV wären, missachtete die Rechte besondere in Südamerika als katho- Waffen-SS-Division „Das Reich“, un- von Frauen und bekräftigte staat- lisches Gegenmodell zu den vor Ort ter ihnen SS-Sturmbannführer Adolf lich betriebene Diskriminierung von erstarkenden fundamentalistischen Diekmann, der im nahe gelegenen Schwulen, Lesben und Transgendern. evangelikalen Freikirchen. Dem 2008 Oradour-sur-Glane das Massaker an In der Bundesrepublik trieb Ratzinger verstorbenen Gründer Maciel wird nahezu der gesamten Dorfbevölke-

34  SEPTEMBER rung, darunter 207 Kinder und 254 Leuchter-Report gehört? Fred Leuch- ten auf, in denen er die Militärjunta Frauen, befehligt hatte. In revisio- ter war ein Experte für Gaskammern. von Argentinien und die Diktatur in nistischer Manier wies Ratzinger in Er hat drei Gaskammern für drei Chile unter Augusto Pinochet als vor- einer Rede den Westalliierten die der fünfzig US-Staaten zur Exeku- bildliche Regierungen bezeichnete. Kriegsschuld am nationalsozialis- tion von Kriminellen entworfen. Er Mitglieder der obskuren Bruderschaft tischen Vernichtungskrieg zu: „Der wusste, wie aufwändig das ist, und er äußerten sich in der Vergangenheit Vertrag von Versailles hat ganz be- hat die angeblichen Gaskammern in vermehrt antisemitisch, anti-musli- wusst Deutschland demütigen wol- Deutschland in den 1980er Jahren un- misch und homophob. Die Piusbru- len und es mit Lasten beladen, die die tersucht, das was von den angeblichen derschaft lehnt wie Benedikt XVI. die Menschen in die Radikalisierung trie- Gaskammern übrig war – die Krema- weltliche Öffnung der katholischen ben und so der Diktatur die Tür öff- torien von Birkenau und Auschwitz Kirche im Rahmen des Zweiten Va- neten, ihren betrügerischen Verspre- zum Beispiel – und sein Fazit als tikanischen Konzils ab. Lefebvre hat- chungen auf Wiederherstellung von Experte war, dass es unmöglich sei, te sich dort der von Johannes XXIII. Freiheit, Ehre und Größe Deutsch- dass diese jemals für die Vergasung angestrebten vorsichtigen Anpassung lands Gehör verschafften“, so Ratzin- einer großen Anzahl von Menschen der katholischen Kirche an neu-zeit- gers O-Ton. gedient haben könnten. Dort wurden liche Entwicklungen widersetzt, vor keine Juden in den Gaskammern ge- allem der Toleranz gegenüber ande- Bereits 1980 sorgte Ratzinger mit ge- tötet! Das waren alles Lügen, Lügen, ren Glaubens- und Religionsgemein- schichtsrevisionistischen und antise- Lügen! Die Juden erfanden den Holo- schaften. Dem Beschluss „über die mitischen Äußerungen für negative caust, damit wir demütig auf Knien Religionsfreiheit“, einer Absage an Publicity. Als jüdische Organisatio- ihren neuen Staat Israel genehmigen. den katholischen Antijudaismus, hat- nen im Vorfeld der Oberammergau- [...] Die Juden erfanden den Holo- te Marcel Lefebvre seine Zustimmung er Passionsspiele unter Hinweis auf caust, Protestanten bekommen ihre verweigert. Lefebvre bezeichnete die „Nostra Aetate“(4) auch Änderungen Befehle vom Teufel, und der Vatikan Beschlüsse als Folge satanischer Ein- im Text und der Aufführungspraxis hat seine Seele an den Liberalismus flüsse auf den Klerus. Jene Tatsachen der Festspiele forderten, wurden sie verkauft.“(5) sind Ratzinger gut bekannt, hatte er von Ratzinger als zuständigem Erz- doch als theologischer Berater des bischof von München und Freising Erzbischof Marcel Lefebvre, der Kölner Erzbischofs Kardinal Frings mürrisch-polternd zurechtgewiesen: Gründer der Pius-Bruderschaft, ei- am 2. Vatikanischen Konzil teilge- „Man kann Antisemitismus auch ner Priestervereinigung katholischer nommen. herbeireden; auch das sollte bedacht Fundamentalisten, fiel durch Predig- werden; deshalb möchte ich alle, ins- besondere unsere jüdischen Freunde, bitten, mit dem Vorwurf des Antise- mitismus aufzuhören“, wetterte er in seiner Predigt zur Eröffnung der Oberammergauer Festspiele am 17. Mai 1980.

DIE OFFENE FLANKE INS RADIKAL-RECHTE LAGER Ein weiteres „Highlight“ in Benedikts Pontifikat stellt die umstrittene Rück- nahme der Exkommunikation von vier suspendierten Bischöfen der Pi- us-Bruderschaft dar, darunter der des Antisemiten und Holocaust-Leugners Richard Williamson. Bereits im April 1989 leugnete Williamson bei einer Predigt anlässlich einer Heiligen- messe im kanadischen Sherbrooke die Vergasung von Juden im Vernich- tungslager Auschwitz und behaupte- te, der Holocaust sei eine Erfindung der Juden. „Sie haben vielleicht vom

 35 Schon Benedikts Vorgänger und För- such bei Bundespräsident Christian bare Lebenszeit und vor allem das derer Johannes Paul II. hatte den Wulff und ein Empfang im Bundestag Wichtigste, was sie besitzen – näm- Begründer und langjährigen Gene- auf dem Programm. „Berlin freut sich lich das eigene Gehirn? ralpräsidenten der klerikal-faschisti- auf Papst Benedikt XVI.“, fabuliert schen Priesterbruderschaft Opus Dei, Bürgermeister Klaus Wowereit. Dass VON RELIGION ... Josemaría Escrivá, seliggesprochen. dies nicht alle so sehen, belegen die Claudia Barth erklärt die Popularität Escrivá hatte sich bereits in der frü- zahlreichen Initiativen, die sich mitt- des Übernatürlichen wie folgt: „Trotz hen Franco-Ära mit dem spanischen lerweile gegen den Besuch Ratzin- aller Aufklärungsversuche über Un- „Caudillo“ angefreundet. Als Franco gers in Stellung bringen und zu einer sinn, an höhere Mächte zu glauben, Mitte der fünfziger Jahre sein Kabi- Großdemonstration am selben Tag bleibt doch das Grundproblem beste- nett umbildete, berief er drei Opus- aufrufen. hen: eine Gesellschaft, die ihr nach Dei-Anhänger in Ministerialämter. einer irrationalen Rationalität funk- Als Belohnung für seinen bedin- Zur öffentlichen Massenandacht- tionierendes System tagtäglich mit gungslosen Kampf gegen den gottlo- werden nach aktuellen Schätzungen Waffen und Gebeten verteidigt. Ein sen Kommunismus wurde Josemaría rund 50.000 Menschen zusammen entfremdetes Dasein, das an sozialer Escrivá 1992 durch Benedikts Vor- kommen, um den Worten des grei- Kälte und Isolation, Vermitteltheit, in- gänger und Förderer Papst Johannes sen Hasspredigers zu lauschen. Da dividueller Machtlosigkeit leidet, dem Paul II. selig- und am 6. Oktober 2002 bleibt dem denkenden Menschen nur so sehr die Erklärungsmöglichkeit schließlich heiliggesprochen. Auch ratloses Kopfschütteln über so viel und de Vorstellung der Überwindung Benedikt verdingte sich 2001 als di- Verblendung, einen „Moralapostel“ dieser Misere fehlt, das nach jedem rekter Unterstützer von Opus Dei. zu verehren, der verbal bereits auf so Betäubungsmittel gegriffen wird, um Zur Buchveröffentlichung der Opus- ziemlich alles und jede_n eingeprü- die empfundene Leere für eine Weile Dei-Geistlichen Klaus Becker und gelt hat, der_die sich nicht den „Sitt- zu kompensieren. [...] Doch sind diese Jürgen Eberle („Die Welt - eine Lei- lichkeitsvorstellungen“ seines Ver- Abhilfen nur Narkose, private Abkap- denschaft. Charme und Charisma des eins unterwerfen wollte oder konnte. selungsversuche vom gesellschaftli- Seligen Josemaría Escrivá“) steuerte Die Hauptursache liegt anscheinend chen Prozess, die nicht auf Dauer und er einen Gastbeitrag bei. im fanatischen Glauben an die Leh- nicht für alle gelingen können.“(6). ren der katholischen Kirche mitsamt Gemessen an der Zahl praktizieren- NOT WELCOME! ihren unglaublichen Auswüchsen. der Katholiken, anthroposophischer Benedikts Anhänger_innen mobili- Warum fallen Menschen scharenwei- Wurzelrassenkundler_innen und sieren für den 22. September zu einer se klerikalen Scharlatanen anheim, Anhänger_innen des Tibetanischen Massenandacht ins Berliner Olym- lassen soziale Beziehungen flöten und Buddhismus, denen der Wunsch nach piastadion, außerdem stehen ein Be- schenken ihnen ihr Geld, ihre kost- einer gerechten und friedlichen Welt gemeinsam ist, erscheint deren re- ale Präsenz dort, wo Menschen ihre Wohltätigkeit tatsächlich gebrauchen könnten, verschwindend gering. Nur die wenigsten Anhänger_innen reli- giöser Gemeinden bringen sich aktiv in die Veränderung der irdischen Ver- hältnisse zu Gunsten einer Gleichbe- rechtigung aller ein. Der Glaube an die „Gottgegebenheit“ gesellschaftli- cher Zustände und die damit verbun- dene Unlösbarkeit weltlicher Miss- stände hat für viele einen Rückzug in die private, selbst-bezogene Religiosi- tät zur Folge. Da bleibt kein Platz für Gesellschaftskritik, gepredigt wird stattdessen das widerspruchslose Er- dulden jeden Elends als Prüfstein auf dem Weg ins Paradies.

36  SEPTEMBER

... UND ANDEREN OPIATEN allein gestellt ist. Leistungsorientie- Quellen: Das aktuelle Hoch religiöser und eso- rung und gegenseitige Konkurrenz (1) 1542 gegründete Zentralbehörde der terischer Strömungen hat mit dem sind sonst die einzigen gemeinsamen römisch-katholischen Kirche zum Schutz der erstarkenden Nationalismus, der Prinzipien der Menschen, so dass der Religionslehre sich vor allem rund um die Spiele der Staat vom Stillhalten der Gläubigen (2) Eine dezidiert gesellschaftskritische Aus- deutschen Fußball-Nationalelf der profitiert. richtung der christlichen Theologie. Sie ver- Männer zeigt, eine herausstechende eint die Forderung nach einer basisdemokrati- Gemeinsamkeit: Beides ist freiwillige FÜR EIN LEBEN VOR DEM TOD! schen Gesellschaftsordnung mit der Kritik an Selbstbetäubung. Ob der Fußball-Mob Der Rückzug in den beruhigenden der politökonomischen Abhängigkeit und Un- mit schwarz-rot-goldener Kriegsbe- Selbstbetrug kann nicht die Reaktion terdrückung von Entwicklungsländern durch malung auf den Wangen grölend dem auf das Leben in einem Gesellschafts- Industriestaaten. Klang der Vuvuzela folgt oder vom system sein, das auf Ausbeutung und (3) Predigt am 18. Mai 2005 in Rom zum Be- Leben enttäuschte Lehrer_innen und Widersprüche gebaut ist. Anstatt sich ginn der Papstwahl durch die Kardinäle Beamt_innen im Glauben vereint in Parallelwelten zu flüchten, gilt es, (4) Erklärung über das Verhältnis der katho- umherzappeln, um Lobpreisungen diesen Verhältnissen entschieden lischen Kirche zu den nichtchristlichen Religi- auf den Herrn zu singen, es geht um den Kampf anzusagen. Mit der reli- onen, welche dem Judentum die Anerkennung die kollektive Ausblendung gesell- gionskritischen Veranstaltungsrei- als von Gott gestiftete Religion zuspricht. schaftlicher Widersprüche. Weinend he unter dem Motto „Don‘t believe (5) Peter Wensierski, „Wie die Piusbrüder hängen sich Familienväter in den the hype“ soll darum im Vorfeld des gegen Juden, Muslime und Schwule hetzen“, Armen, die das normalerweise als Papstbesuchs die „Waffe der Kritik“ Spiegel Online, 3. Feb. 2009 „schwul“ empfinden würden, und fei- geschliffen werden. „Die Waffe der (6) Claudia Barth, „Über alles in der Welt ern jeweils Jesus oder Schweinsteiger. Kritik kann allerdings die Kritik der Esoterik und Leitkultur“, Seite 200, Libri Ver- So vermögen es Nationalismus und Waffen nicht ersetzen, die materielle lag, 2006 Religion, über Interessenunterschie- Gewalt muss gestürzt werden durch (7) Karl Marx, „Zur Kritik der Hegelschen de innerhalb des nationalen und re- materielle Gewalt.“(7) Während des Rechtsphilosophie“, Dez. 1843 – Jan. 1844 ligiösen Kollektivs hinweg Menschen Papstbesuches in Deutschland, vom zu vereinen, die auf Grund ihrer öko- 22. bis 25. September, gilt es darum, Fotos: Umbruch Bildarchiv nomischen Lage sonst herzlich wenig die „Kritik der Waffen“ sprechen zu miteinander zu tun hätten. Dieses lassen! Kommt zu den Demos, Gemeinschaftsgefühl ermöglicht das organisiert Blockaden und gleichgültige Erdulden politischer dezentrale Aktionen um Dreistigkeiten: Zur Zeit der Fußball- dem Panzerpapst und WM 2006 wurden die Gesundheits- seinem Anhang die Pa- reform, die Unternehmenssteuersen- rade der öffentlichen kung und die Föderalismusreform Verblendung gehörig ohne Widerspruch durchgewunken. zu vermiesen. Zwischen Lenas Gesangserfolg und dem Schaulauf der Fußballnatio- nalmannschaft 2010 wurde über die Laufzeiten von Atomkraftwerken verhandelt und darüber hinaus das, im September abgesegnete, 80-Mil- liarden-Euro-Sparpaket vorbereitet. Für den „Schwarz-Rot-Geil“-Mob währt der berauschende Cocktail aus Fußball und Nationalismus nur ein paar Monate, der Trip der Religiösen hingegen dauert wesentlich länger, schließlich steht Gott das ganze Jahr über auf ihrer Seite. Das trügerische Gemeinschaftsgefühl, das Religion oder Nationalismus erzeugen, täuscht über soziale Unterschiede hinweg und dient als Rettungsanker in einer Gesellschaft, in der jede_r auf sich

 37 vor, doch der betreffende Priester „QUO vADIS, BEnEDIKT? wurde wiederholt in der Pfarrseelsor- ge eingesetzt.

ABfAhRT nAch REchTS!“ 1981 wurde er zum Präfekt der Kon- gregation für die Glaubenslehre nORTh-EAST AnTIfAScIST ernannt. Die Kongregation für die Glaubenslehre ist eine im Jahr 1542 gegründete Zentralbehörde der rö- und 1,2 Milliarden Katho- Die Religionsfreiheit wird anerkannt mischen und allgemeinen Inquisition. lik*innen horchen heute ihrem – andere Glaubensrichtungen werden Ihre Aufgabe ist der Schutz der Kir- Rideologischen Führer, Papst als existent wahrgenommen. Auch che vor Häresien, also abweichenden Ratzinger, was er seinen Schäfchen eine gewisse Freiheit in der Glau- Glaubensvorstellungen. Eine lange zu verkünden hat. bensauslegung innerhalb der katholi- Reihe von Großinquisitoren gehörten schen Kirchen eingeräumt. zu dem Club, also eine Ahnenreihe Rund 1,2 Milliarden Menschen ver- geheiligter Mörder. Aus dieser Po- nahmen in den letzten sechs Jahren, Der Absolutheitsanspruch der katho- sition wetterte er zugleich gegen die wohin es mit dem römisch-katholi- lischen Kirche wird nur noch geist- Befreiungstheologie und gegen die schen Glauben in der Zukunft gehen lich definiert, er gilt nicht mehr für Gleichstellung gleichgeschlechtlicher soll: Scharfe Kurve nach rechts, um weltliche Instanzen Partnerschaften. geradewegs in die Vergangenheit zu- Er provozierte Zerwürfnisse mit rückzukehren. Diese Reformen wurden als Anpas- der protestantischen Kirche und in sung an die Moderne gesehen. Als Deutschland trieb Ratzinger den Aus- 1962, nach dem Holocaust, dem die Berater und Redenschreiber des Köl- stieg aus dem staatlichen System der katholische Kirche als moralische In- ner Erzbischofs, der an dem Konzil Schwangerschaftsberatung voran. stanz nichts entgegenzusetzen hatte, teilnahm, vertrat Kaplan Ratzinger war klar, dass eine Imageänderung damals noch reformfreudige Auf- 2005 wurde Deutschland Papst, und her musste, um die Glaubwürdigkeit fassungen. Doch die 68er-Bewegung Deutschland war peinlich. in der Welt nicht völlig zu verlieren. verschreckte den jungen Ratzinger so Diese Säuberung des Kreuzes von sehr, dass er zusehends in die reakti- 2006 holt er zum Schlag gegen den Is- dem Blut, das an ihm klebte, nannte onäre Richtung driftete. lam aus: Er bezeichnete Mohammeds sich „Zweites Vatikanisches Konzil“. Wirken als „inhuman und schlecht“, Die wesentlichen Veränderungen be- 1977 wurde er Erzbischof von Mün- da er den Glauben „mit dem Schwert“ standen in den Punkten: chen. In dieser Eigenschaft lag ihm verbreitet habe. ein Fall von sexuellem Missbrauch 2007 behauptete Ratze bei der Er ö ff n ung der lateinamerikanischen Bischofskon- ferenz, die Ureinwohner*innen hätten sich die Christianisierung unbewusst herbeigewünscht, was eine Verhöh- nung der jahrhundertelang abge- schlachteten Indigenen darstellt.

Doch dies sollte nur der erste Akt ei- ner Reihe geschichtsrevisionistischer Auftritte eines deutschen Papstes sein, bei dem die Zeit in der Hitlerju- gend offensichtlich einen tiefen Ein- druck hinterlassen haben muss.

Im selben Jahr spricht er der protes- tantischen Kirche den Status einer Kirche ab, und führt 2008 die Karfrei- tagsfürbitte für die Erleuchtung bzw. Bekehrung der Juden wieder ein.

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Das Verhältnis zum Judentum wird In seinen Taten und Äußerungen ge- Bereits 2004 wurde er auf dem Solda- weiter belastet, indem er 2009 die 1988 genüber anderen Glaubensrichtungen tenfriedhof La Cambe anlässlich des ausgesprochene Exkommunikation zeigt er, was er von der Religionsfrei- 60. Jahrestages der Landung in der von vier Bischöfen der Pius-Bruder- heit, die sein Vorgänger als ethischen Normadie von alten Dämonen heim- schaft aufhebt. Die Pius-Bruderschaft Grundsatz verabschiedet hatte, hält. gesucht: „Der Vertrag von Versailles ist ein erzreaktionärer Bund katho- Er schmäht den Islam genauso wie hat ganz bewusst Deutschland demü- lischer Geistlicher, der aus Protest das Judentum. Was ihn als besonders tigen wollen und es mit Lasten bela- gegen die Beschlüsse des Zweiten reaktionär auszeichnet, ist sein An- den, die die Menschen in die Radika- Vatikanischen Konzils sich von der griff gegen die evangelische Kirche, lisierung trieben und so der Diktatur Kirche abgespalten hatte. Vor allem dessen Abspaltung seit Jahrhunder- die Tore öffneten, (...).“ die Religionsfreiheit und die Aner- ten kein Gemüt mehr bewegt hat. kennung des Judentums stießen den Dies hätte auch die Aussage der Ver- Ewiggestrigen auf. Zur selben Zeit, Er tut dies aus einem Prinzip: Rück- fechter der „Dolchstoßlegende“, der wie Ratze sie heim ins katholische führung des Kirchenethos auf vorkon- deutschen Militärs und des deutschen Reich führte, fiel der Bischof der Bru- ziliarische Zeiten, als der Anspruch Adels sein können, die mit dieser derschaft Richard Williamson mit der auf den einzig wahren Glauben, die Lüge Deutschland in den Zweiten wiederholten Leugnung der Existenz totalitäre Geltung der Kirchenlehre Weltkrieg führten. der Gaskammern und der Zahl der als katholisches Credo die Kirchen- ermordeten Juden auf. Eine andere politik bestimmt hat. Diese Aussage zeigt, welcher Geist Äußerung aus den Reihen der Pius- aus Papst Benedikt spricht und seinen Bruderschaft lautet, dass die heutigen Um dieses Ziel zu verfolgen, hol- faulen Atem des Revanchismus und Jüd*innen immer noch die Erbsünde te sich Papst die Pius-Bruderschaft der Kriegstreiberei unter den Gläubi- des sog. Gottesmordes trügen. Doch wieder ins Boot, mit dieser Überein- gen verbreitet. der Papst schien taub für die einset- stimmung stellt die Bruderschaft für zende Kritik und setzte die Wieder- ihn eine starke Machtbasis dar, um Die Menschwerdung des alten, deut- eingliederung dieser unsäglichen die Kirchenuhren wieder zurückzu- schen SS-Geistes sitzt jetzt auf dem Bruderschaft fort. Dies ist ein macht- drehen. Unlängst ehrte er den Grün- Kirchenthron und schart seine alten politischer Schritt des Papstes. Denn der der Priesterbruderschaft mit den Verbündeten, Tote wie Untote, um die ideologische Übereinstimmung Worten:„Erzbischof Marcel Lefebv- sich, um das Schiff des Katholizismus mit diesem Bollwerk des Revisionis- re – dieser große Mann der Gesamt- geradewegs ins Mittelalter zu steuern. mus ist vor allem in der Ablehnung kirche!“ der Beschlüsse des Zweiten Vatikani- Doch wir wollen, dass dieses Schiff schen Konzils zu suchen. Doch Ratzinger geht mit seiner Schäf- kentert. Der Leichenberg, den die chensuche noch weiter ins braune La- katholische Kirche in der Mensch- Obwohl damals federführend für Kir- ger: In Kroatien ehrte er den katho- heitsgeschichte hinterlassen hat, ist chenreformen, ist Ratzinger gegen- lischen Kriegsverbrecher, Kardinal unermesslich groß. Jeder Schritt in über der Öffnung der Kirche für die Alojzije Stepinac, als einen Vertei- diese Richtung kommt der Tat eines Moderne ein großes Stück zurückge- diger des wahren Humanismus und Wahnsinnigen gleich. Doch wir kön- rudert: Er bezeichnete jüngst die Er- stellte ihn als Märtyrer unter der nen gerne den Exorzisten oder die rungenschaften der Modernisierung kommunistischen Herrschaft dar. Da- Exorzistin stellen, die dem Wahnsinn als „anarchischen Utopismus“. mit stellt er sich in die Tradition von ein Ende setzt. Johannes Paul II. Dieser sprach 1998 Stepinac selig, der als Militärvikar Denn: Vorwärts immer der Ustascha-Regierung mitverant- Rückwärts nimmer! wortlich an dem Völkermord an einer Dreiviertelmillion orthodoxer Serben Gehe in das schweflige Loch, aus dem zwischen 1941 und 1943 war. Die Kir- du gekrochen bist, Ratzinger, und che in Kroatien hofft auf eine Heilig- nimm deine Freunde und Lakaien sprechung von Aloisius Stepinac, was gleich mit. Ganz Berlin hasst dich, ihr sicherlich bald erfüllt wird. und auch die ganze nicht-katholische Welt!!! Womit Ratze mental am Ausgangs- punkt seiner Karriere anlangen wür- Gegen deinen Gott, gegen deinen de: Staat, für deine Heimfahrt!!!

 39 jETzT REIchT‘S: MIETEnSTOPP - gEgEn MIE TER hö hUng, vER DRän gUng UnD ARMUT MIETEnSTOPP-BünDnIS

U n t e r s t ü t z u n g s a u f r u f f ü r d i e s t a d t - zu tra gen. Wir wer den daher an der m o n s t r a t i o n P a r t e i e n u n d i h r e S y m - w e i t e M i e t e n s t o p p - D e m o n s t r a t i o n D e m o n s t r a t i o n t e i l n e h m e n u n d f o r - bo le nicht zu ge las sen sind. am 3. Sep tem ber 2011 d e r n a l l e B e r l i n e r i n n e n u n d B e r l i n e r auf, dies eben falls zu tun! Dabei re- Der Aufruf wurde u.a. unterstützt von der Die Lage auf dem Ber li ner Woh- spek tie ren wir die Ent schei dung der Anarchistischen Föderation Berlin (afb ) und nungs markt spitzt sich immer wei ter O r g a n i s a t o r I n n e n , d a s s a u f d e r D e - der Freien ArbeiterInnen Union (FAU) Berlin. zu. Die Mie ten schnel len in die Höhe, d i e N a c h f r a g e w ä c h s t , g l e i c h z e i t i g wird kein neuer be zahl ba rer Wohn- raum ge schaff en und Miet- in Ei gen- t u m s w o h n u n g e n u m g e w a n d e l t . P r o - fi t e u r e d i e s e r E n t w i c k l u n g s i n die I m m o b i l i e n e i g e n t ü m e r I n n e n , d i e a u f K o s t e n d e r M i e t e r i n n e n u n d M i e t e r i h r e G e w i n n s p a n n e n m a x i m i e r e n .

Der Ber li ner Senat fun giert als Mo- tor der Mietstei ge rung, indem er den S o z i a l e n W o h n u n g s b a u f a k t i s c h a b - geschafft hat und auch sonst nichts un ter nimmt, allen den Zu gang zu b e z a h l b a r e m W o h n r a u m z u e r m ö g - l i c h e n . D i e s e r w o h n u n g s p o l i t i s c h e Kurs reiht sich ein in den Trend, Gü- t e r d e r e x i s t e n z i e l l e n D a s e i n s v o r s o r - ge der Pro fi t lo gik zu un ter wer fen.

D i e W a s s e r v e r s o r g u n g , d e r Ö ff e n t l i- c h e P e r s o n e n n a h v e r k e h r , J u g e n d f r e i - z e i t a n g e b o t e e t c . s o l l t e n s i c h a n d e n B e d ü r f n i s s e n d e r N u t z e r I n n e n o r i e n - t i e r e n , s t a tt w i r t s c h a ft l i c h e n G e w in a b z u w e r f e n . I n Z e i t e n s i n k e n d e r R e - al löh ne und stei gen der Armut ist ge- r a d e d i e W o h n u n g s f r a g e v o n b e s o n - d e r e r D r i n g l i c h k e i t .

Wir be grü ßen daher, dass ver schie- d e n e M i e t e r I n n e n i n i t i a t i v e n a m 3 . S e p t e m b e r 2 0 1 1 z u e i n e r s t a d t w e i t e n a u ß e r p a r l a m e n t a r i s c h e n M i e t e n - s t o p p - D e m o n s t r a t i o n a u f r u f e n . E s i s t Zeit, un se ren Unmut auf die Stra ße

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eine Frage, das Wort “Anarchie” eben nicht gut für uns - es ist nur gut für die erschreckt viele Leute. Anarchie – Bosse! So einfach ist das. Herrschaftslosigkeit – ist jedoch Wir sind auch überzeugt, dass etwas wie eine nichts anderes als die logische Verwirklichung anarchistische Zukunft - eine Welt ohne Bonzen einerK zu Ende ausgearbeiteten Demokratie. und Bullen, eine Welt ohne Grenzen, in der Natürlich können die Herrschenden – Chefs Menschen, alle Menschen, ein erfülltes und und Politiker, das Kapital und der Staat – sich glückliches Leben leben können - möglich und nicht vorstellen, dass die Leute über sich selbst wünschenswert wäre. bestimmen könnten. Wenn sie das zugeben Wir sehen kleine Beispiele davon in unserem würden, würden sie die ganze Logik ihrer alltäglichen Leben, denn viele Leute organisieren Ideologie durcheinander sich ohne andere herumzu- bringen. Denn wenn man erst Anarchismus ist die Forderung kommandieren. Wir sehen es einmal eingesteht, dass die in der Kraft der Revolte – Leute die Dinge wesentlich für wahre Freiheit und echte eine Kraft, die oft durch Wut einfacher, besser und gerechter Autonomie. und Trauer falsche Formen als die Konzerne und annimmt, aber dennoch Regierungen organisieren können – und bereits zeigt, dass es Menschen gibt, die noch nicht heute in vielen Bereichen ihres Lebens tun – aufgegeben haben. dann gibt es keine Rechtfertigung mehr für die Wir sehen es im politischen Aktivismus, im Existenz von Bossen und Politikern. sozialen Leben, in den Forderungen nach Viele von uns haben das bereits erkannt und respektvollem Umgang und für Autonomie, im vom Bauchgefühl her verstanden. Aber die Wunsch ein Individuum zu sein innerhalb einer Schulen, die Mainstream-Kultur, der Fernseher, sozialen Gemeinschaft. all diese autoritäre Kacke, erzählt uns, wir Viele Sportvereine sind zwar nicht gerade die würden Chefs brauchen, wir müssten kontrolliert verwirklichte anarchistische Utopie, aber werden „zu unserem eigenen Besten“. Aber es ist dennoch sind sie häufig ohne Hierarchien und

Unterdrückungeine Frage, organisiert das Wort – wie “Anarchie” so vieles in eben nicht gut für uns - es ist nur gut für die unserem Lebenerschreckt außerhalb viele der Leute. Schulen, Anarchie Unis und – Bosse! So einfach ist das. Arbeitsplätze.Herrschaftslosigkeit – ist jedoch Wir sind auch überzeugt, dass etwas wie eine nichtsDie anderes meisten als die bedeutsamen, logische Verwirklichung wirklich anarchistische Zukunft - eine Welt ohne Bonzen einermenschlichenK zu Ende ausgearbeitetenTeile unseres Lebens Demokratie. funktionieren und Bullen, eine Welt ohne Grenzen, in der bereitsNatürlich bestens können auf der die Grundlage Herrschenden anarchistischer – Chefs Menschen, alle Menschen, ein erfülltes und undPrinzipien. Politiker, Anarchismus das Kapital ist und sowohl der dieStaat Kritik – sich des glückliches Leben leben können - möglich und nichtBestehenden, vorstellen, als dassauch dieein LeuteBlick inüber die sich Zukunft selbst – wünschenswert wäre. bestimmenvielleicht die könnten. einzige, Wenn die nicht sie das das Ende zugeben der Wir sehen kleine Beispiele davon in unserem würden,menschlichen würden Existenz sie die auf ganze diesem Logik Planeten ihrer alltäglichen Leben, denn viele Leute organisieren Ideologiebedeutet oder wie durcheinander George Orwell es ausdrückte, sich ohne andere herumzu- bringen.eine Existenz Denn in wenn der manMilitärstiefel erst Anarchismus auf ewig das ist die Forderung kommandieren. Wir sehen es einmalGesicht eingesteht,der Menschheit dass zertreten. die in der Kraft der Revolte – LeuteAna r diechi sm Dingeus is t wesentlich nicht nur wüfürnsch wahreenswer tFreiheit, und echte eine Kraft, die oft durch Wut einfacher,sondern a besseruch m öundglic gerechterh und notwendig! Autonomie. und Trauer falsche Formen als die Konzerne und annimmt, aber dennoch Regierungen organisieren können – und bereits zeigt, dass es Menschen gibt, die noch nicht heute in vielenMehr Bereichen Infos unter: ihres Lebens tun – aufgegeben haben. dann anarchistischeinitiative.gibt es keine Rechtfertigung mehr für die Wir sehen es im politischen Aktivismus, im Existenz vonwordpress.com Bossen und Politikern. sozialen Leben, in den Forderungen nach Viele von uns haben das bereits erkannt und respektvollem Umgang und für Autonomie, im vomBestell Bauchgefühl deine anarchistischen her verstanden. Medien Aber bei: die Wunsch ein Individuum zu sein innerhalb einer Schulen,www.anarmedia.info die Mainstream-Kultur, der Fernseher, sozialen Gemeinschaft. all diese autoritäre Kacke, erzählt uns, wir Viele Sportvereine sind zwar nicht gerade die Organisiere dich und feuer deinen Chef mit: würden Chefs brauchen, wir müssten kontrolliert verwirklichte anarchistische Utopie, aber werden „zu unseremwww.fau.org eigenen Besten“. Aber es ist dennoch sind sie häufig ohne Hierarchien und

Unterdrückung organisiert – wie so vieles in  41 unserem Leben außerhalb der Schulen, Unis und Arbeitsplätze. Die meisten bedeutsamen, wirklich menschlichen Teile unseres Lebens funktionieren bereits bestens auf der Grundlage anarchistischer 42  nOvEMBER

„[...]etwa 400 Menschen wurden SySTEMcRASh. ermordet oder in den Selbstmord getrieben. Über 1.400 Synagogen, Betstuben und sonstige Versamm- REvOLUTIOn lungsräume sowie tausende Ge- schäfte, Wohnungen und jüdische Friedhöfe wurden zerstört. Ab AUf DER TAgESORDnUng? dem 10. November wurden unge- fähr 30.000 Juden in Konzentrati- onslagern inhaftiert, von denen A-LADEn ExPERIEncE Hunderte ermordet wurden oder an den Haftfolgen starben.“ Wiki- pedia enn wir „Revolution“ hö- stämmigen Menschen Europas. Die- ren, was denken wir da? ser kündigte sich in der „Reichspog- Am 9. November, dem so genannten wNatürlich denken wir an romnacht“ 1938 an. „Deutschen Schicksalstag“, hat es also die Große Französische Revolution auch Revolutionen gegeben, und zwar von 1791, wir denken an die demo- Der Tag hat es aber noch weiter in Revolutionen ganz gegensätzlicher kratischen Revolutionsversuche von sich: Art. Dazu Staatsstreiche und Putsche, 1848, an die Pariser Commune von · am 18. Brumere VIII ergriff Na- die sich als Revolutionen verstanden. 1871, die Mexikanische Revolution poleon Bonaparte mittels eines von 1910, die Russische Revolution Staatsstreichs die Macht und be- Aktuell befinden wir uns in einer von 1917, den „Langen Marsch“ Maos endte die Französische Revolution Situation systemischer Unsicherheit oder den Sturz des Diktators Somoza um sich später selbst als „Usurpa- und Krisen und in ihrer berechtigten in Nicaragua 1977-79. Vielleicht den- tor“ die Kaiserkrone aufzusetzen. Unzufriedenheit sprechen wieder vie- ken wir auch an Kubas Che und seine · Der Kölner Buchhändler und le Menschen von „Revolution“. Fragt Revolutionspläne mittels revolutionä- 1948er-Revolutionär Robert Blum man diese Menschen aber genauer, rer Kerne. wird symbolträchtig für das was für eine „Revolution“ sie meinen Scheitern der demokratisch-repu- und wohin diese führen soll, herrscht In jedem Fall stehen uns Bilder von blikanischen Revolution in Wien allenthalben Ratlosigkeit vor. Die knarrenschwingenden Helden und füsiliert bisherigen Patentrezepte sind ver- Heldinnen vor Augen, Barrikaden · 1923 wird der Hitler-Ludendorff- braucht und widerlegt. und der Geruch von Pulverdamf liegt Putsch in München von der Poli- in der Luft. Heroisches und blutiges zei zusammengeschossen. Für die In vielen Ländern Europas und der Ringen gegen Staaten und Armeen Hitleristen war ihre 10 Jahre spä- Welt (z.B. Nordafrika, Arabien, Chi- bestimmen das Bild. Auch der Traum ter erfolgreiche Machtergreifung le, USA) gehen jetzt v.a. junge Men- des Anarchisten Michael Baku n i n eine nationale Revolution. schen auf die Straßen und erklären war auf den Barrikaden, die er ja · 1925 am 9. November die Grün- ihren Unmut und ihre Wut auf Politik schon 1848 in Dresden kennengelernt dung der SS und Kapitalismus. Viel ist von „Re- hatte, zu siegen oder wenigstens zu · 1938 Reichspogromnacht der Na- volution“ die Rede, wenig von echten sterben... zis gegen jüdischen Menschen: Lösungen. Die Menschen suchen; sie wissen aber noch nicht, was sie zu Aber gibt’s da nicht noch etwas mehr? finden hoffen. Es ist eine Situation größtmöglicher Offenheit und ein ge- Der heutige Tag ist der Jahrestag fühltes gleichzeitiges Balancieren am zweier deutscher Revolutionen: · der November-Revolution von 1918 mit Ausrufung der Republik · der friedlichen Revolution von 1989 in der DDR

Er ist aber auch ein Gedenktag an das größte Verbrechen, das im Namen des deutschen Volkes jemals ausgeübt wurde, den Holocaust an den jüdisch-

 43 gähnenden Abgrund. Kommt wieder Und danach, einige Millionen oder tionsbewegungen in den USA in de- Krieg? Die Drohgebärden gegen das Milliarden Tote später, geht es wie- nen Martin Luther King inspiriert unbestreitbar unsägliche Regime im der von neuem und ganz genauso los von Gandhi, der selbst als junger Iran lassen diese Angst aufkommen. – oder? Oder ist es nun tatsächlich Anwalt für die Inder_innen in Süd- Oder kommt wieder alles zusammen: Zeit für eine frische Revolution? Und afrika schon erfolgreich gegen das Krieg und Wirtschaftscrash? Viele für was für eine? Soll auch nach einer Apartheid-Regime agiert hatte, zum Staaten sind längst de facto pleite, wie auch immer gearteten Revoluti- gewaltlosen Widerstand gegen den weil sie über Jahrzehnte die Kapi- on alles wieder so laufen wie schon allgegenwärtigen und gesetzlich le- talistenklasse satt gefüttert haben gehabt? Diktaturen? Militarismus? gitimierten Rassismus aufrief. Auch und dafür bei den Banken massiv Lager? dieser Widerstand kostete Tote, aber auf Pump gingen. Nun hängen sie in vergleichsweise wenige gegenüber der Zinsfalle. Ein unethisches Sys- „Revolution“ an sich sagt ja erst mal einer möglichen bewaffneten Ausein- tem skrupelloser Zockerei hat solides gar nichts aus. Das Wort wird ebenso andersetzung, wie sie z.B. die „Black wirtschaftlich verantwortungsvolles von ultrarechts bis ultralinks stra- Panther Party“ mit ihrem militari- Handeln abgelöst und von den welt- paziert und verschindludert wie das sierten Macholook betrieb. Heute ha- weit kursierenden Billiardenströmen Wort „Freiheit“. Was wir brauchen ben die USA einen farbigen Präsiden- könnte einem schwindelig werden, sind aber keine Wortkrücken beliebi- ten. Damit sind sie leider noch nicht wären die Zahlen nicht ohnehin un- gen Inhalts, sondern konkretes eman- auf der „guten Seite“ angekommen, vorstellbar. Ich kenne das noch: Von zipatives Handeln, das nicht den gan- aber dies ist ein deutliches Signal, meinen Großeltern habe ich noch zen Kreislauf von Unterdrückung, dass Rassismus erfolgreich gewalt- Geldscheine, deren einer Milliarden- Auspowerung, Korruption und Berei- los gekontert werden kann und sich summen Reichsmark nennt. Und nun cherung am Ende erneut aufkommen Dinge ändern können. Auch im eben wird erneut Geld gedruckt, das weni- lässt. schon erwähnten Südafrika wurde ger als das Papier wert ist, auf dem es das Apartheid-Regime nicht mittels steht. Noch kann mensch damit ein- Im Grunde brauchen wir eine „Revo- eines bewaffneten Kampfes zur Ab- kaufen, aber was ist morgen? lution der Revolution“. Es gilt Dinge dankung gezwungen, sondern im revolutionär so zu machen, dass sie Wesentlichen durch gewaltlosen Wi- Jeder Mensch, der etwas gesunden nicht wieder Altes reproduzieren derstand, der nach seinem Sieg auch Verstand im Kopf hat, kann an fünf oder nur neue Schweine an die Tröge nicht zu einer Rachejustiz überging. Fingern abzählen, dass das nicht gut der Macht hieven. Revolution kommt Gewaltloser Widerstand und gewalt- gehen wird und kann. Der System- von lateinisch „revolvere“ = herum- lose Revolution können also erfolg- crash ist nur noch eine Frage der Zeit: drehen, mensch könnte auch sagen reich sein, wie auch das Beispiel des Die Titanic ist schon aufgeschlitzt „das Unterste zuoberst drehen“. Dar- Endes der DDR-Diktatur und das Ende und wird wieder einmal absaufen. um heißt das Schießeisen in Western einiger anderer Ostblock-Dikaturen Dummerweise wir alle mit. Und na- „Revolver“, weil seine drehbare Trom- zeigt. In Myanmar, dem ehemaligen türlich wird es wieder die am här- mel die Patronen von unten nach oben Burma (Birma) ist dieser Prozess noch testen treffen, die gar nichts haben, vor den Lauf befördert. Egal welche in Gang, aber zeigt erste Erfolge. Dort die im Unterdeck, und nicht die, die Patrone nach oben kommt – sie kann sehen wir, dass es Jahrzehnte dauern den ganzen Kladderadatsch mit Voll- immer tödlich sein. kann, bis sich Erfolg einstellt. dampf vor den Berg gefahren haben. An einem neuen Typus von Revolu- Momentan schaut die Welt auf Syri- tion hat vor allem Mahatma Gandhi en, in dem vom Staat schon offenbar gearbeitet, der stark vom libertären tausende Menschen gezielt ermordet antikirchlichen Christen Leo Tolstoi wurden, weil sie nach demokrati- beeinflusst war und von den anar- schen Freiheiten schreien. Im Gegen- chistischen Theoretikern mindestens satz zu Libyen ist der revolutionäre Kropotkin kannte. Gandhis erfolg- Protest dort noch weitgehend gewalt- reiche ethische Taktik des „Nichtwi- frei – bis auf desertierte Soldaten, die derstehens“ und aktiven gewaltlosen sich geweigert haben, aufs demons- Widerstandes gegen das rassistische trierende Volk zu schießen und die Englische Imperium Großbritanni- sich in Notwehr gegen ihre eigene en hat mittlerweile auf viele Eman- drohende Ermordung verteidigen. zipationsbewegungen abgefärbt: Dass die Bevölkerung trotz der auf Am bekanntesten ist vielleicht das sie angesetzten Scharfschützen wei- Beispiel der schwarzen Emanzipa- ter massenhaft auf die Straße geht

44  nOvEMBER und weitgehendst NICHT gewalttätig wird, ist an Heldenmut und Mut der Verzweiflung kaum zu überbieten! Das Eingreifen der NATO in Libyen und die bewaffneten Kämpfe haben hingegen bisher mindestens 60.000 Menschen das Leben gekostet, große Teile der Infrastruktur auf lange Zeit zerstört und ein chaotisches bewaff- netes Bandenwesen im Land geschaf- fen, das offenbar auch gegen friedli- che Menschen marodiert, foltert und mordet.

Auch in den anderen Ländern Nord- afrikas und der Arabischen Halbinsel haben weitgehend gewaltfreie revo- lutionäre Proteste stattgefunden, die in Teilen erfolgreich waren. Wo diese enden, wissen wir noch nicht. Was wir wissen ist, dass der kapitalisti- sche Westen alles tut und tun wird, um diese demokratischen Umbrüche in seinem Sinne zu manipulieren und mit Sicherheit zu seinem Vorteil neue korrupte Eliten installieren will.

Was aber wäre, wenn wir hier in D- Land vor die Notwendigkeit einer Re- volution gestellt wären? Wie könnte diese Erfolg haben? Und welche Rich- tung sollte sie nehmen? In Deutschland hat es 1920 einen erfolgreichen Generalstreik gegen den Kapp-Lüttwitz-Putsch gegeben, der die nationalistisch-kaisertreue Putschregierung innerhalb kürzes- Wir werden es nie erfahren. Stattdes- schweige denn zu revolutionären Ak- ter Zeit zu Fall brachte. Der Gene- sen wurden von der SPD-gerufenen ten. ralstreik an sich hatte wenig Opfer reaktionären Soldateska Menschen in gefordert. Allerdings ließ die Regie- Massen ermordet. Dieselbe Soldates- Eine Revolution wird auch immer als rungspartei SPD danach dieselben ka jagte 13 Jahre später die SPD zum etwas Brachiales und Schnelles ver- Putschist_innen auf die Arbeiter_in- Teufel und ergriff mit Hilfe der Kon- standen. Vielleicht müssen wir uns nen los, die sich gegen den Putsch servativen die Macht. erst an den Gedanken gewöhnen, dass bewaffnet hatten und daran dachten, eine andere Art von Revolution we- die Revolution von 1918 nun endlich Immerhin: Ein Generalstreik kann der brachial noch schnell ist, sondern nachzuholen. Im Westen standen in also erfolgreich sein, wird er von auch Evolution mit einbezieht. Sicher der stark libertär geprägten „Rote- breitesten Kreisen einschließlich der ist jedenfalls, dass wirklich emanzi- Ruhr-Armee“ rund 100.000 Menschen Beamtenschaft konsequent durchge- pative gesellschaftliche Veränderun- unter Waffen. Wäre ihr Aufstand führt. Aber von solch einer Situation gen Jahre, Jahrzehnte, ja sogar Jahr- erfolgreich gewesen, wären Hitler & sind wir heute noch weit entfernt. hunderte dauern können. So war es Co. uns mit großer Wahrscheinlich- Gründe die in anderen Ländern Re- jedenfalls in der Vergangenheit. In keit erspart geblieben. Aber hätte es volutionen und Regierungswech- der Tat ist die Veränderung und die dann wirklich einen freien Sozialis- sel rechtfertigen würden, locken in Kommunikation über sie heute viel mus gegeben oder am Ende doch ein Deutschland selten relevante Men- schneller, aber wie nachhaltig ist sie? bolschewistisches Zwangsregime? schenmengen auf die Straße – ge- Wenden die Menschen sich vielleicht

 45 wieder bei nächster Gelegenheit ab übten, die die Revolution von 1936 sog. „revolutionäre Avantgarde“ nach oder ins Gegenteil, weil alte Muster möglich machte. Diese Revolution deren Pfeife zu tanzen ist, weil sie die doch hartnäckiger sind? Menschen konnte nur durch die Übermacht Waffen hat. müssen nicht nur glauben, sondern ausländischer Intervention nie- sich auch angewöhnen bewusst an- dergeschlagen werden und lebt Auch wir Anarchistinnen und An- ders zu handeln. Wie verwandeln wir heute wieder auf. archisten haben keine Patentrezep- archaisches Unterbewusstes in er- Es ist also notwendig, die Ideen und te, ja wollen sie gar nicht haben. kennendes Bewusstsein, hinter das es Erfahrungen, die aus den Jahrhun- Solche stehen im Widerspruch zur kein Zurückfallen mehr gibt? derten oder seit dem Sklavenaufstand dynamischen Substanz unserer Ide- des Spartakus von zwei Jahrtausen- en. Lokal und situationsabgestimmt Die naiven Vorstellungen unserer alt- den existieren, kreativ zu erweitern sind Möglichkeiten und Maßnahmen vorderen Revolutionäre und Revoluti- und sie in breite Bevölkerungsschich- anhand der Gegebenheiten und des onärinnen, dass es nur einen Umsturz ten zu tragen. Die modernen Kom- Grundsatzes der Dekonstruktion, brauche und alles wird gut – so wie munikationsmittel sind dafür beson- der Desintegration von Herrschaft zu wir das vielleicht selbst einmal an- ders hilfreich, weil sie auch Grenzen entwickeln. Nur so können neue Do- fangs geglaubt haben, sind durch den überwinden können und selbst in die minanzprinzipien vermieden werden. heutigen Wissensstand über Denken schlimmste Diktatur Kanäle schaffen. Wir wollen nicht eine Herrschaft ge- und Fühlen des Menschen, über sein Heute gibt es dank des Internets in gen die andere austauschen, wir wol- Sozialverhalten, überholt. Eine Hau- Ländern, die nie eine anarchistische len Herrschaft ganzheitlich abschaf- Ruck-Revolution wird nichts zuta- Bewegung hatten, anarchosyndika- fen und nachhaltig verunmöglichen. ge bringen, was nicht vorher in den listische Gewerkschaften, libertäre Im Kleinen wie im Großen. Köpfen und Herzen verankert ist. Infoläden und Verlage und natürlich Aus hohlem Parolengeklingel wird rebellische Musikgruppen, Ska, Rap- Revolution hat also viele Ebenen und es letztendlich nur einen Rücksturz per, Anarcho-Punk. ist nicht auf abruptes Barrikadenre- ins Alte und Gewohnte geben – mög- voluzzen zu reduzieren. Ein heutiger licherweise etwas anders dekoriert. Revolutionäre Nachrichten lassen Begriff von Revolution muss Perma- Das kann nicht der Sinn der Sache sich auf kleinsten Datenträgen, wie nenz haben, also auf Dauer und auch sein. winzigen USB-Sticks transportieren gegen mögliche Rückschläge angelegt auf die ganze Bibliotheken, Bilderga- sein. Angesichts der perfektionier- Die immerhin technisch erfolgrei- lerien und Filme passen. Dem Brain- ten Unterdrückungstechnik und der chen Revolutionen von Russland 1917 washing von oben kann und muss Überbewaffnung der Staatsmachten, und Spanien 1936 hatten einen langen Brainempowering von unten entge- verbietet sich neben dem humanis- Vorlauf: gengesetzt werden. Durch libertäre tisch-ethischen Aspekt bewaffnete Ideen können Menschen gegen auto- Revolution als kontraproduktiv. Sie · in Russland war es der Dekabris- ritäres Geschwätz und Zwangsstruk- würde einen neuen Militarismus för- tenaufstand aufgeklärter Adeliger turen immunisiert und widerständig dern, freies Denken und Reden ein- gegen die feudale Despotie des Za- gemacht werden. Das ist die einzig schränken und die Möglichkeit neu- rentums, die die „Nardoniki“ oder wirkliche Chance, alte Kreisläufe von er bewaffneter und kriegstrainierter „Volkstümler_innen“, meist Kinder Unterdrückung und Diktatur zu ver- Unterdrücker bieten. Ein trauriges aus sog. guten Familien, oft beein- hindern und dauerhaft außer Kraft Beispiel dafür ist Kuba, dem mensch flusst von den Schriften des Anar- zu setzen. Nichts ersetzt kritisches zwar zugute halten muss, immer noch chisten Fürst Peter Kropotkin, zu Denken, auch und gerade gegenüber unter der Bedrohung aus den USA zu den Menschen aufs Land zu gehen vermeintlich progressiv daherreden- stehen, das aber in einem Menschen- und sie neue Ansichten zu lehren den Menschen, die aber strukturell leben nicht seine staatlichen Repres- und solidarisch mit ihnen zu leben autoritär handeln. sionsstrukturen abgeschüttelt hat. und zu leiden. Hieraus bildete sich Militarismus, Spitzeltum und Lager- ein revolutionärer Bodensatz. Die bisherigen Patentrezepte ver- haft sind dort immer noch probates · In Spanien waren es die Volks- meintlicher Revolutionäre und Re- Mittel von Herrschaft einer privile- und Basisorganisation der Anar- volutionärinnen haben sich offenbar gierten Clique. chisten und Anarchistinnen, die als untauglich erwiesen. Die Zapa- in die CNT (Confederation Naci- tistas waren da als erste einen Schritt Also auf zu neuen Ufern und neuarti- onal de Trabajo) mündeten und weiter und sind in den Dialog zu den gen Revolutionen, die möglichst nicht über 70 Jahre und viele Kämpfe die Bedürfnissen der Menschen getreten. nach Pulver schmecken, sondern nach Menschen schulten und im Über- Sie sehen sich als schützendes und dem süßen Duft der Freiheit. nehmen von Selbstverantwortung ausführendes Organ und nicht als

46  nOvEMBER wAS TUn MIT KOMMUnISMUS? SPIEgLEI, SPIEgLEI An DER wAnD, wER IST DIE KOMMUnISTISchSTE IM gAnzEn LAnD?

Ralf g. Landmesser

st Kommunismus wieder sexy für Wer im Westen „Kommunismus“ tatur über „das Proletariat“ in dessen die Armen? Oder ist Kommunis- hörte, dachte: Bolschewismus, real- Namen. Imus nur was für die Armen im existierendes Sozialismus-Zerrbild Geiste? „Wer mit 20 kein Kommunist ist der Mangelwirtschaft und Zwangs- Aber es gab auch von Beginn an die hat kein Herz. Wer mit 30 noch Kommu- verwaltung unter einer allmächtigen, „andere Arbeiter_innen-Bewegung“, nist ist hat kein Hirn.“? Wie hirnlos ist parteigesteuerten Geheimpolizei mit die Bewegung eines humanistisch, die Linke? Oder doch: wie geschichts- Gewalt über Leben und Tod. Unfrei- freiheitlich denkenden und han- und bewußtlos ist sie? Alte Mythen in heit total – „Sozialismus“ als Kaserne delnden Sozialismus. Am deutlichs- neuen Tüten. Will das wer? wie von Bakunin vorhergesagt. Dik- ten manifestierte dieser sich vor 75

Ab 1989 ff ist der ganze „Warschauer Pakt“ abgeschmiert. Mensch nannte das vorher euphemistisch den „Real- existierenden Sozialismus“. Weil er mit dem utopischen Sozialismus nix mehr zu tun hatte und aus der saftig-roten Zukunftshoffnung eine dröge rostrote Schrumpelzitrone mit Südfrüchtemangel geworden war. Statt Räte Ratlosigkeit, statt Sowjets Kampfjets mit nuklearer Bewaffnung – letztere auf beiden Seiten des Ei- sernen Vorhangs. Spione, Mauern, Zäune, Stacheldraht überall. Das „Ar- beiterparadies“ wo keiner hin wollte, aber aus dem abhaute, wer nur konn- te.

Die Entfremdung der Arbeit, die unter dem Kommunismus/Sozialis- mus aufgehoben sein sollte, war real zu einer bürokratisch überwachten Polizeistaats-Sklavenarbeit gewor- den, mies entlohnt und militarisiert. Überall wo marxistisch geschulte so genannte Kommunist_innen an der Macht waren, fuhren sie die Wirt- schaft mit Karacho vor die Wand (jedenfalls was die Versorgung mit Gütern des täglichen Lebens und die Hebung des allgemeinen Wohlstands betraf), versauten sie die Umwelt, ohne Angst vor peinlicher Öffent- lichkeit haben zu müssen. Schuld war einzig der böse-aggressive Kapitalis- mus und nie die eigene Unfähigkeit.

 47 Jahren im revolutionären Aufstand Subjekt“ herbei zu lamentieren, das Wo wollen wir hin? Ist dieser ominö- gegen den klerikalfaschistischen die verbetonierten Verhältnisse zum se „Kommunismus“ noch eine Opti- Militärputsch, der Spaniens linke Bröseln, wenn nicht gar zum Tanzen on und wenn ja, dann welche? Kann Republik stürzen sollte und der von bringen soll. Emma Goldman sei‘s ge- Kommunismus frei sein, wie es Anar- Hitler und Mussolini erst ermög- klagt! chist_innen und Rätekommunist_in- licht und massiv unterstützt wurde. nen meinen? Oder brauchen wir jen- Basisgewerkschaften schlugen die Zuflucht nehmen viele bei (n)ostalgi- seits der alten abgedroschenen und Franco-Generäle zunächst zurück schen Vorstellungen von obrigkeits- abschreckenden Worthülsen ganz an- und setzten umgehend auf soziale staatlicher und „avantgarde“-partei- dere Lösungen für eine nichtkapita- Revolution. Öffentliche Dienste, In- licher Führung, als hätte es Tscheka listische soziale Gesellschaft in Frei- dustrie und Landwirtschaft wurden und Gulag nie gegeben. Viele Junge heit? Ist nicht viel mehr inhaltliches von ihnen kollektiviert und der „Rat wissen’s leider kaum besser und alte Handeln als ständiges p.c. Parolenpo- der antifaschistischen Milizen“ hatte Tollpatsche schießen die alten Böcke saunen und Label-Kleben gefragt? einige Monate die faktische politi- von neuem – im rosig-verklärenden sche Macht inne. Doch wie in der sog. Büchsenlicht einer mythologisierten Solchen und ähnlichen Fragestellun- Sowjetunion brach Stalin der Spa- blutigrostroten Vergangenheit. „Ar- gen wollen wir in unseren drei aufei- nischen Revolution im Inneren das beiter an die Gewehre ...“ ... nander aufbauenden Veranstaltungen moralische Rückgrat. Revolution und „Was tun mit Kommunismus ?!“ nach- Krieg gingen 1939 verloren und mit Wenn wir nicht von neuem in alte gehen. Vielleicht gibt es dann auch dem Hitler-Stalin-Pakt in den Zwei- Fallen tappen wollen, müssen wir die- Lösungen (oder zumindest Ansätze ten Weltkrieg über: das gemeinsame sen Mythen und Geschichtsmärchen dazu) für das „Ei des Kommunismus“, Totalitarist_innen-Opfer hieß für den zu Leibe rücken und uns den histo- das die ganze Zeit ratlos [sic!] pala- Anfang Polen. rischen Tatsachen des Versagens des vernd herumgereicht wird. Köpfen Sozialismus in allen seinen Varianten oder Aufklopfen? Und wer darf (oder Heute gibt es keinen sowjetischen stellen. Ohne klar zu haben, was naiv, muss) es am Ende auslöffeln? Machtblock mehr und die Maoisten falsch, dumm, Lüge und Verbrechen Chinas sind offenbare Staatskapita- war, kommen wir keinen Schritt in Wir sind gespannt. listen. Kein Gegengewicht hält den Richtung Freiheit und Sozialismus Turbokapitalismus von maßloser Ex- weiter. Wir brauchen keine neuen Ka- Die Veranstaltungsreihe wird von ei- pansion, Auspowerung von Völkern sernen! Und sicher keine neuen Füh- nem breiten strömungsübergreifenden und Naturressourcen, Umweltzerstö- rer und Arbeitslager. Unterstüzer_innen-Kreis emanzipativer, rung, sowie endlosen Kriegen in aller explizit antistalinistischer Linker getra- Welt ab. Vielmehr ist er zum Muster Es sollte sich mittlerweile auch her- gen. Weitere Infos: von Wirtschaft und skrupelloser Be- umgesprochen haben, dass heroisches http://eidesk.wordpress.com reicherung weltweit geworden. Ringen im Pulverdampf von Barrika- Aber der Konsens des „sozialen Frie- denrevolutionen out und mehr Köpf- dens“ in den Ländern des globalen chen gefragt ist. Gewaltsamstumpfes R@lf G. Landmesser‘s Eigeninterpre- Kapitalismus zerbricht. Die andau- Revoluzzen ist genau das, was die tation innerhalb der „Selbsthilfegrup- ernde Umverteilung von unten nach Gegenseite von uns erwartet – da- pe Ei des Kommunismus (SEK)“ oben hat grotesk gierige Züge ange- mit sie uns kräftig auf die Schnauze nommen und das Universaltausch- und uns alle zusammen in die Pfanne mittel Geld ist das Papier längst nicht hauen kann. Das kann sie nämlich am mehr wert, auf das es pausen- und besten und darauf bereitet sie sich be- deckungslos gedruckt wird. Wirr wu- ständig vor. Wie wir sehen, sind Re- selnde Politikerlarven gleichen hilf- volutionen, die es verstanden haben losen Krisenkurieren, die die Krisen auf Gewalt möglichst zu verzichten, nicht kurieren können. Die Krise ist die nachhaltigsten. Militarismus hin- System geworden. Das System ist die gegen führt zu militarisierten Gesell- Krise an sich. schaften mit abgehoben-korrupten Eliten und nicht zu einem humanen In dieser Situation sucht die emanzi- Umgehen miteinander, auf der Basis patorische Linke erneut nach Lösun- der Gleichberechtigung und Gegen- gen jenseits des kapitalen Elends, das seitigkeit. Darum sind neue Lösungen ständig weltweit vermehrt wird. Hilf- gefragt, die kapitalistische Misere zu los wird versucht, ein „revolutionäres überwinden.

48  nOvEMBER

in breites Bündnis, ein breites Podium. Von ‚A‘ wie A-Laden wAS TUn MIT KOMMUnISMUS! Eüber ‚R‘ wie RLS bis ‚Z‘ wie ZAG. Auf dem Podium des ersten AnLäSSLIch EInER vERAnSTALTUng, zUR DISKUSSIOn. Abends: Bini Adamczak, Hauke Ben- ner, Willi Hajek, Thomas Klein, El- friede Müller, Monika Runge, Jörn MARK hARDA Schüttrumpf. Moderation: Anne Seek und Bernd Gehrke. merkwürdig geschlossen, denn geöff- mit dem man sich auseinanderzuset- net vor allem auf das real existieren- zen hätte, bringt die Linke, an die die „Was tun mit Kommunismus?!“ ist die de, historisch beschlossene Desaster. Forderung pauschal ergeht, ebenso Frage, die in dieser Runde kontrover- Eine Geschlossenheit, die sich etwa in wie ihr Erbe in eigentümlicher Wei- se Diskussion erwarten lässt. Doch der Aufforderung an „die Linke“ äu- se ungewollt auf-Linie. So wird das diese Frage, mit der die gesamte Reihe ßert, „ihr Erbe“ anzunehmen und zu Erbe eines libertären Kommunismus, überschrieben ist, greift vor, auf den konfrontieren, d. h. letztlich womög- mit dem man sich in seinem eige- letzten Abend. Zunächst soll es um: lich in einer Identifikationsaufforde- nen Recht zu beschäftigen hätte, ex „Die Linke und den ‚Real existieren- rung „der Linken“ und „ihres Erbes“ negativo ausgeschlagen. Der liber- den Sozialismus‘“ gehen. Bini Adam- mit dem autoritären Kommunismus, täre Kommunismus, historisch von czak kommt zuletzt herein, aber sie was spätestens dann unangenehm den Autoritären unterdrückt, würde legt gleich los. Die Epoche des „Endes und unannehmbar wird, wenn diese durch diese Fixierung auf eben jene der Geschichte“ sei, so ist zu hoffen, Forderung sich pauschal etwa auch Autoritären − das wäre das Skan- selbst wiederum vorüber. Glatte 20 an libertäre Links-Oppositionelle der dalöse − ungewollt ein weiteres Mal Jahre, vom Fall der Mauer und dem Ex-DDR richtet, für die, wie Thomas abgedrängt und ideengeschichtlich Anschluss Ostdeutschlands bis zum Klein sagte, völlig klar war, dass die zum Verschwinden gebracht. Doch „Arabischen Frühling“, werde sie stalinistische Nomenklatura nicht wahrscheinlich ist es nicht so. Wahr- wohl gedauert haben. Nun, gleichsam links war, und dass wer links war, scheinlich hat man sich, trotz aller nach dem Ende, stelle sich die Frage, diese nicht verteidigte. schicksalhaften Folgerichtigkeit, die wie es weiter gehen soll, und was Bini Adamczak dem Leninismus, und man mit dem Kommunismus noch Der eher implizite Wunsch nach ei- sei es nur melancholisch, auch sonst anfangen will. nem freiheitlichen Kommunismus, zugesteht − das Bündnis lässt es er- der solchen Veranstaltungen und sol- warten − für den letzten Abend noch Denn die „diskursive Machtstruk- chen Diagnosen (vom Ende des En- etwas aufgehoben. tur“, eine Art Zwickmühle, durch des) unterliegt und ihnen ihren Reiz welche die Zeit vor jener Epoche des verleiht, wird durch diese negative „Wie bin ich nun zu dieser Liebhabe- Endes gekennzeichnet gewesen sei, historische Fixierung tendenziell blo- rei gekommen? Ich will es euch sagen. sei ebenfalls gründlich dahin. Was ckiert und in die Latenz gezwungen. Gute und kluge Männer haben Bücher sie ausmachte, diese Zwickmühle, so In der Aufforderung zur Identifikati- geschrieben, in denen sie zeigen, wie Adamczak, sei folgendes Dilemma ge- on mit der autoritären Tradition, als man in der Welt leben muß, damit sich wesen: Die Kritik des „real existieren- mit „dem“ Erbe „der“ Lin- den Sozialismus“ stand in der Gefahr, ken, werden historisch dem real existierenden Kapitalismus unterlegene Strömun- in die Hände zu spielen, während sich gen tendenziell ein andersherum die Kritik des Kapitalis- zweites Mal eska- mus dem Verdacht aussetzen musste, motiert. Die Iden- dem Stalinismus das Lob zu singen. tifizierung des Da diese diskursive Blockkonfronta- eigenen Erbes, tion, in der jede differenzierte Kritik tendenziell aufgerieben wurde, der Geschichte angehöre, sei das Feld nun offen, sich über den Kommunismus wieder unvoreingenommener zu ver- ständigen. So weit, so gut.

Nur erschien diese Offenheit in dem Beitrag Bini Adamczaks zugleich

 49 alle wohl fühlen. Sie sagen, man solle Adamczak gemeint, als sie rhetorisch Jene, die im Besitz des höheren Wis- Werkstätten nach neuen Grundsätzen fragte, ob es in einer Situation, in der sens sind. Das höchste Wissen aber errichten. Dadurch entstand in mir die Macht auf der Straße liegt, nicht kann sich nicht rechtfertigen vor de- der Wunsch, mit euch zu versuchen, die Aufgabe von Revolutionär_innen nen, die nicht an ihm teilhaben. Die ob man nicht so eine Werkstatt grün- sei, „alles zu tun, dass die Macht, Massen sind dumm und verstehen es den könne, die diesen Zweck erfüllt. die auf der Straße liegt, von keiner nicht. Sie sind da, um zu rudern, und (…) Jene Männer sagen, nur solche Avantgarde aufgegriffen wird, son- sie bedürfen der Schulung durch die Einrichtungen gedeihen, welche auf dern alles dafür zu tun, dass diese sanktionierten Agitatoren der Avant- den Wunsch der Beteiligten ins Werk Macht auf der Straße liegen bleibt.“ garde − nach dem Schlage wohl un- gesetzt werden. Das ist auch meine Das geht nicht aus dem Stehgreif. Aus seres „tiefen“ Engels, dem „die Sache“ Überzeugung.“ dem Publikum wird eingefordert, sich mit dem sachlichen Vorgang auf dem konkret über die Fragen der Orga- Niveau des Letzteren verschwimmt (So Wera Pawlowna in Nikolaj Gawrilowitsch nisierung alltäglicher Bedürfnisbe- (vgl. ebd.). Tschernyschewskij, Was Tun?, Berlin 1951 friedigung Gedanken zu machen, im (1863), S. 269f.) Kleinen − das sei nicht zu unterschät- Nicht hatte das Scheitern der Russi- zen −, statt in Deutschland alle Revo- schen Revolution zu seiner Vorbedin- Aber weiter: Jörn Schüttrumpf kriti- lutionen immer nur in Gedanken zu gung ihren Erfolg, wie Bini Adam- sierte den Leninschen Avantgarde- vollziehen. So vom Kleinen her lässt czak gestern Abend sagte. Es verhält Gedanken und das System einer Min- es sich auch nicht gut dekretieren. sich andersherum. Das Scheitern war derheitendiktatur. ‚Die Avantgarde Vielleicht hat deshalb in Deutschland Vorbedingung des ‚Erfolges‘. Das ist ist der Generalstab der Revolution‘, noch kaum jemand daran gedacht. die wirkliche Tragik. Im Oktober hat wird Willi Hajek Lenin noch zitieren. Hajek beschreibt die prägende Er- sich die Reaktion − um eine Metapher Er sagt dann, es sei notwendig, Revo- fahrung des Versuchs, von Seiten der Schüttrumpfs zu entlehnen − „auf das lutionsvorstellungen zu „entjakobini- nominell-kommunistischen Parteien Pferd der Revolution geschwungen“ sieren“. Es brauche Organisationen, „‘ne Dynamik zu verhindern“. Die und ihm die Zügel angelegt. Mit den um die Instrumentalisierung durch „Angst, dass sich soziale Bewegun- anarchistischen Kommunen wurde die Generalstabsfraktion zu verhin- gen entwickeln, die nicht unter ihrer sogleich im April 1918 aufgeräumt. dern. Hajek erinnert an hunderte von Kontrolle stehen“, und plötzlich ein Wer nicht in den Häuserkämpfen fiel, wilden Streiks in Frankreich Anfang Schreckbild: „Der große Feind in der wurde der Tscheka ausgeliefert. Nicht der 1970er Jahre, eigene Komitees Arbeiterbewegung ist der deutsche nur Wera Pawlowna, auch Lenin und die Auseinandersetzung Anarchist!“ wusste, was zu tun ist. Das Gemetzel mit Selbstorganisation. von Kronstadt war schon ein Schluss- Das hat wohl auch Bini Wenn Lenin in „Staat und Revoluti- punkt. on“ Engels wohlwollend zitiert, wo Jedesmalig haben seit 1918 die Au- dieser gegen die Libertären spöttelt, toritären und Sozialdemokraten die dass „[e]ine Revolution gewiss das Räte und libertären Kommunen nach autoritärste Ding [sei], das es gibt“, Kräften denunziert und zusammenge- so folgt er ihm in der Begründung schossen. Von Neo-Leninisten (Žižek) des Binnenverhältnisses unter den und Sozialdemokraten (PdL) heute in Revolutionär_innen durch das Au- vorwurfsvollem Ton gesagt zu be- ßenverhältnis gegenüber „den Reak- kommen, dass sich das Rätemodell tionären“. Was dies aber bedeutet, ist nie lange bewährt hätte, zeugt von schlicht: Wer sich der selbst erklärten großem Zynismus oder großem Un- Avantgarde nicht beugt, ist Reakti- wissen. Aber ohne dies ging es auch onär und wird zurechtgebrochen gestern Abend nicht ab. Aus dem (vgl. MEW 18, 308, Lenin AW, Bd. Publikum war kurz von „Denunzia- 2, 205). Das Begründungsmus- tionsmustern“ die Rede, die fast au- ter ist ebenso klassisch, wie die tomatisch „aktiviert“ würden. Aber Schiffsmetapher, der es sich man relativierte sich gleich höflich mit Vorliebe bedient (vgl. Po- selbst. Elfriede Müller meinte von der liteia 488a). Frage: Wer soll Unzeitgemäßheit „anarchistischer das Schiff lenken? Antwort: Handwerkerkollektive“ zu wissen. Aber der kom- munistische Anarchismus

50  nOvEMBER hat klar die Vorteile der Produktion in freie Gleichheit muss als ein Axi- Auseinandersetzung der Linken mit großem Maßstab gesehen, nicht we- om an den Anfang gestellt werden. sich selbst, d. h. des libertären mit niger die zahllosen Verbindungen der Wenn es eine „wirkliche Bewegung“ dem autoritären Kommunismus, die Industrieföderationen untereinander. gibt, dann ist es jene der Verifikation bis 1868/72 und weiter zurückreicht. Überhaupt ist er ganz unabhängig dieser Gleichheit in den tatsächlichen So wie die libertäre Opposition in der vom „Stand der Entwicklung“, den Bedingungen. Die Einforderung die- DDR in mancher Hinsicht vorgescho- die Technokraten so gern zu Beden- ses Prozesses, der sofort beginnt, ist bener gewesen sein dürfte als viele ken geben. Die Industrialisierung, so es, mit der die Anarchist_innen auf Linke in der BRD, die es sich noch er- Bernd Gehrke, hätte in Russland oh- die Ausschlüsse reagierten (vgl. Lan- lauben konnten, den „real existieren- nehin angestanden. Warum also nicht dauer AS, Bd. 2, 215). Das Vorausge- den Sozialismus“ zu verklären, hat die unter der Regie der Bolschewisten? hen ist nichts anderes als diese sofort libertäre Linke insgesamt den Vor- Bekanntlich können sich Marxist_in- beginnende Verifikation, die Bestä- sprung eines guten Jahrhunderts in nen zumeist „Kooperation“ in großem tigung eines egalitären Sensoriums, der Auseinandersetzung mit der au- Maßstab nicht anders als durch eine die an keine besonderen Personen, toritären Strömung, einen Vorsprung, „Zentralisation“ der Befehlsgewalt keine personelle Avantgarde und den die Linke in ihrer Gesamtheit überhaupt vorstellen; und wenn es keine Eigennamen geknüpft ist, auch für sich zu nutzen hat. Sämtliche nicht der „Befehl des Kapitalisten auf noch unabhängig von der Zahl derer, Vorhersagen betreffend der Entwick- dem Produktionsfeld“ (MEW 23, 350) die sich ihr verschrieben haben. lungsdynamik des „autoritären Kom- ist, dann muss es schon jener des Fa- munismus“ sämtlicher Anarchist_in- brikobersten sein und all der „kleinen Wer zwingt uns heute noch, uns mit nen der letzten 140 Jahre haben sich Meister“ (MEW 23, 326), aus denen die einer bestimmten Linken zu identi- radikal bestätigt. Die Selbstkritik der vermittelnde Ökonomie besteht, bis fizieren – falls wir nicht Pensionäre Linken, ihre Auseinandersetzung mit zum obersten zentralen Willen, der parteinaher Organisationen sind. sich selbst − wenn man sich denn so über allem erstrahlt, um, zwangsläu- Wenn es eine Offenheit der histori- ausdrücken will, denn Selbstreflexion fig terroristisch, die Fiktion reibungs- schen Situation gibt, dann doch, um ist dialogisch − findet hier ihre ersten loser Planung zu verbürgen. sich dem Bestand erneut zu nähern Quellen. Diese Auseinandersetzung und unsentimental abzuwägen. Lan- ist überhaupt nur mit Aussicht mög- Die Anarchist_innen aller Generati- dauer arbeitete schon in den letzten lich, weil die Linke stets schon ein onen haben sehr früh und sehr klar Tagen der verfrühten und verspäte- Heterogenes war, mit einem hetero- gesehen, wohin diese ‚wirkliche Be- ten Räterepublik, im Bewusstsein der genen Erbe. wegung‘ führt: Zu einem „Staatsso- Niederlage, fieberhaft um der Spur zialismus“, „gleichbedeutend (...) mit willen, für nachkommende Generati- Die Kritik des „Personenkults“, dem Unterdrückung jeder lokalen Unab- onen. Ähnlich richtete sich Mühsam der Schriftsteller Erich Mühsam noch hängigkeit und Vernichtung jeder in seinem „Rechenschaftsbericht“ Anfang der 30er Jahre, kurz vor sei- persönlichen Initiative“ (Kropotkin), weniger an die Gegenwart als an ner Ermordung, eine „Kultur der Per- zu einem ‚autoritären und etatisti- einstige revolutionäre Historiker, de- sönlichkeit“ entgegensetzen wollte, schen Apparat‘, „der ‚von oben her‘ ren Aufgabe es bekanntlich ist, das spricht sich erst seit dem 20. Parteitag wirken und sich anschicken wird, al- Unterlegene aus dem Kontinuum des der KPdSU allmählich in nominell- les mit eiserner Faust zu zermalmen“ schlechten Geschichtsverlaufs her- kommunistischen Kreisen herum. (Volin), zur Einreihung der Menschen auszusprengen. „durch Dekrete (...) als Staatsheloten Dass die Ideen aus den Massen kom- in ein neues Wirtschaftsmilitär“. Als käme der autoritären Linken das men, wie Peter Kropotkin dies in sei- (Landauer) Um von Bakunin nicht Privileg ihrer eigenen Erkenntnis nen sämtlichen Arbeiten nie müde erst zu beginnen. Und sie haben stets zu. Als hätte sich die libertäre Linke geworden ist zu betonen, diese „neue grundsätzlich andere Ansichten über nicht längst, notgedrungen, mit der These“ (Rancière), im April 1945 durch das Vorausgehen von Minderheiten autoritären Linken beschäftigt. Wo- Mao ins Feld geführt, drang in den gehabt, wobei Mittel und Zweck nicht her rührt diese Arroganz einer Zeit, 60er Jahren an die Ohren der kommu- auseinanderfallen, nicht einander sich auf der Spitze aller bisherigen nistischen Bewegung im Westen und entgegengesetzt sind. Denn es gibt Entwicklung zu wähnen. Was, wenn erhielt ihre volle Bedeutung zurück- hier keine genaue Trennung, keine die Erkenntnisse vergangener Epo- erstattet unter den Studierenden, un- Gegensätzlichkeit, List oder Dialek- chen und in diesen die Erkenntnis- ter denen „die anarchistisch-libertäre tik. Das einmal zu Erreichende muss se einer marginalen Minderheit uns Ideologie (…) geherrscht hat.“ (Althus- unmittelbar vorweggenommen und weit mehr über unsere heutige Lage ser; zur Kropotkinrezeption in China in die Gegenwart eingebracht wer- zu sagen hätten, als wir es selbst bis vgl. Gotelind Müller 2001). den, um dort wirksam zu sein. Die auf Weiteres könnten? Es gibt eine Zur gleichen Zeit gruben sich Zweifel

 51 am Zentralismus in den Körper die- heute noch wären, oder dass sie etwa aufgabe stellt. Die Frage ist nur noch: ser Bewegung, und in wesentlichen zu ihrer Zeit richtig waren, es indes Wer antwortet ihr, und antwortet ihr Teilen der Neuen Linken setzte sich lediglich heute nicht mehr sind. adäquat? So erst findet sich ein Sub- die Idee einer Organisierung der Leu- jekt, aus lauter Einzelnen. Ein Sub- te „von unten“ (Bakunin) fest, einer Zusehends entledigen sich die Theo- jekt, das keine Form der Herrschaft freien Assoziation, wie sie die Arbei- rie des Kommunismus und die Kritik akzeptiert, und das stets eine Kon- ter des 19. Jahrhunderts bewegte und der politischen Ökonomie selbst ihrer struktionsaufgabe ist. wie sie ihr entferntes Echo bei Marx liebsten Ansichten. Die Analyse und fand. Noch ein paar Jahrzehnte und Kritik der kapitalistischen Produk- Das Modell der Staatspartei ist an- man wird es fertigbringen, in Marx tionsweise desillusioniert alle Zu- rüchig geworden, ohne dass eine an- den herausragenden Theoretiker des sammenbruchsszenarien, jeden Au- dere, eine anders zusammenfassende libertären Föderalismus und der frei- tomatismus einer letzten Zuspitzung Idee es (breitenwirksam) ersetzt hät- en Assoziation zu erkennen. und des einen reifen Augenblicks. te. Die Frage ist heute nur noch, ob Das Subjekt dieses Augenblicks, das eine Parteiorganisation überhaupt Die Entwicklungsmetaphysik der Klassensubjekt der großen politi- Instrument eines freiheitlichen Kom- Deutschen Sozialdemokratie hat spä- schen Teilung, lässt sich nur als eine munismus sein kann, und wenn ja, testens Gustav Landauer 1908/1911 analytische Kategorie unter anderen unter welchen Bedingungen, oder ob gründlich entzaubert. Vom Staat als aufrechterhalten, als ein ‚mehr oder sie nur die besten Kräfte bindet und Prinzip nicht zu Reden. weniger‘, das durch die Einzelnen notwendig die parlamentarische Illu- verläuft. sion verbreitet. Beantwortet die PdL Wenn es eine Verpflichtung gegenüber [„Die Linke“] diese Frage nicht, wird einem „linken Erbe“ gibt − und so wird Bernd Gehrke erbittet sich, was das sie sich wahrscheinlich früher oder man auch Bini Adamczak verstehen −, revolutionäre Subjekt angeht, mehr später demographisch erledigen. So dann ist es die Verpflichtung gegen- empirische Analysen zur Klassen- könnte sie sich immerhin die gefor- über den unterlegenen, den alternati- struktur. Schüttrumpf murmelt, das derte Entstalinisierung sparen. ven Geschichtsverläufen. Nur treiben sei ihm zu „sozial-rassistisch“. Gehr- Viele ehemalige kommunistische Ge- Marxist_innen gerne noch immer Per- ke: „Das verstehe ich nicht.“ wissheiten − der dialektischen Ent- sonenkult, der sich nicht zuletzt darin wicklung, der Gegensätzlichkeit von äußert, mit Vorliebe Marx gegen den An der Stelle aber eines irgendwie Mitteln und Zwecken, einer perso- Marxismus zu kehren, einen Theore- prädisponierten revolutionären Sub- nellen Avantgarde (stattdessen: Ori- tiker als Ganzen zu nehmen, als Au- jekts zeigt sich heute stattdessen entierung durch Ideen und Konzepte) toren, und ihm in allem Recht geben immer deutlicher eine Tendenz zu wollen. Monika Runge fiel ähnlich zur Verallgemeinerung des sub- zum „Kommunismus von unten“ vor jektiven Faktors und zu einer allem Rosa Luxemburg ein. Noch ein Universalisierung der Wahr- paar Jahre solcher Forschung, möch- heiten, die prinzipiell te man meinen, und Marx, der „Sul- jeden Men- tan von London“, wird schon immer der größte Exponent des libertären Kommunismus gewesen sein. Nein, leider nicht, trotz aller frü- hen und späten Zweifel, die sich auch finden lassen (z. B. MEW 19, 386f).

All jene Vorstellungen, welche die schen politische Strategie der kommunisti- ergreifen schen Bewegung betreffen, sind lange können, so dass im Verfall begriffen und weithin auf die Befreiung der un- dem Rückzug. Wobei hier stets nur terdrückten Klassen, wel- das Ausmaß der Verbreitung und an- che zugleich die Befreiung erkannten Gültigkeit bestimmter An- jedes Beliebigen ist, sich sichten gemeint ist, nicht, dass diese auch jedem Beliebigen, Ansichten nicht schon immer um- also unmittelbar und all- stritten waren, dass sie es nicht auch gemein, als Menschheits-

52  nOvEMBER und zentralistischen Organisations- dass der absterbende, der unbewegli- Boden und Produktionsmitteln, nicht truktur − könnten heute kaum mehr che und überschwere Korpus dieser weniger als die wirklich klassenlo- der Rede wert sein. Wenn sie den- Theorie auf absehbare Zeit den Platz se Gesellschaft, nicht irgendwann noch insgesamt nur zögerlich verab- besetzen wird, der durch eine alter- einmal, sondern unmittelbar wirk- schiedet werden, dann nicht zuletzt native Strategie einzunehmen wäre. sam in den Beziehungen der Kom- deshalb, weil sich im Bereich der mo- munist_innen untereinander: das ist dernen Theorie des Kommunismus, Wo nach Konzepten für diese Strate- nichts anderes als der anarchistische genauer, seiner Theorie marxistisch- gie zu forschen wäre, an welche ab- Kommunismus, nichts anderes als der leninistischer Provinienz, kaum Ak- gerissenen Fäden anzuknüpfen, dar- Anarchismus. In politischer Hinsicht tions- und Organisationsformen fin- um ging es mir hier. Um heute einen haben wir heute gar nichts anderes den lassen, welche die Lücke füllen Schritt voraus zu tun, könnte es sehr als den libertären Kommunismus, könnten. Unersetzbar, was die Ana- wohl hilfreich sein, 140 Jahre zurück- trotz aller Schrullen, allem was sich lyse des Funktionierens der kapitalis- zublicken. Es ist nicht nötig, mit dem an Unausgegorenem findet, und al- tischen Produktionsweise anbelangt, libertären Kommunismus nur so zu lem, was noch nicht entwickelt wer- ist die marxistische Theorie in politi- kokettieren, als müsste man immer den konnte. Wirklich Kommunismus scher Hinsicht schlicht reaktionär. noch die Denunziation als „kleinbür- oder Anarchismus zu sagen, das ist All die genannten Ansichten sind in gerlich“ und dergleichen fürchten. ein und dasselbe. Was da noch sich Verfall, und dieser Verfall ist epochal. Und selbst wenn; selbst wenn so viele Kommunismus genannt hat, war nur Er dauert bereits mehr als ein halbes linke Projekte indirekt am Tropf der die Herrschaft einer Clique und der Jahrhundert an, − aber er lässt sich PdL hängen. kleinen Chefs. Aber das sind Gemein- auch beliebig weiter zurückverfolgen, plätze seit Jahrzehnten. bis zu Marx selbst. Nur leider sind Es gibt keinen Gegensatz zwischen diese Ansichten der traditionellen Kommunismus und Anarchismus. Die Berlin, den 1. November 2011 Theorie des autoritären Kommunis- Frage ist nur, ob der Kommunismus mus insgesamt, ist dieser Theorie das autoritär sei oder libertär, zentralis- Quelle: Faltblatt, 2., korr. Aufl. 101–150 anti-libertäre Ressentiment derart tisch oder föderalistisch. Aber selbst wesentlich, dass aus deren eigenem das ist gar keine Frage, denn der rich- Bereich kein Ersatz und keine Abhilfe tig verstandene Kommunismus, das zu erwarten ist. So ist zu befürchten, wirklich gemeinsame Eigentum an

BUch DES jAhRES 2011 BIBLIOThEK DER fREIEn

m Herbst jeden Jahres verleiht die Die Auszeichnung Buch des Jahres ›Bibliothek der Freien‹ gegebenen- ist ein ideeller Preis. Die Auswahl Ifalls einer oder mehreren Neuer- erfolgt durch die ›Bibliothek der Frei- scheinungen die Auszeichnung Buch en‹. Eine eigene Ausschreibung findet des Jahres, womit auf exzellente (vor nicht statt, Vorschläge werden jedoch allem deutschsprachige) Publikatio- gern per E-Mail entgegengenommen. nen zu einem anarchistischen Thema aufmerksam gemacht werden soll. Als ›Buch des Jahres 2011‹ wurden Zu den Beurteilungskriterien gehö- prämiert: ren die wesentliche Vermehrung des Wissensstands zum jeweiligen The- SYFO – FORSCHUNG & BEWEGUNG. Michael Bakunin: AUSGEWÄHLTE menkomplex, sorgfältige Ausführung Mitteilungen des Instituts für SCHRIFTEN. Band 6: in Druck und Layout sowie besondere Syndikalismusforschung, Nr. 1 KONFLIKT MIT MARX. Recherchequalität, Originalität und Verlag Edition AV, Lich 2011, 120 S., Teil 2: Texte und Briefe ab 1871 Internationalität, wodurch der Publi- ISBN: 978-3-86841-57-0, 10 € Herausgegeben von Wolfgang Eck- kation insgesamt bleibender Wert zu- hardt. Karin Kramer Verlag, Berlin kommt. Die Auflagenhöhe spielt für 2011, zwei Halbbände, 1240 S., die Prämierung keine Rolle. ISBN: 978-3-87956-342-5, 78 €

 53 Und es sind eine Unzahl von Ak- MARx UnD BAKUnIn: zUM teurInnen, die sich um diese Positi- onen gruppierten, sie formulierten, weitertrieben, mit Leben erfüllten. „URKOnfLIKT“ vOn MARxIS- Schon diese weitgehend Namenlosen zu Wort kommen, sie wieder in die Geschichte eintreten zu lassen, ist MUS UnD AnARchISMUS Leistung genug und sollte Eckhardts Band einen festen Platz in jedem Re- PhILIPPE KELLERMAnn gal sichern. Betrachten wir aber die historische Auseinandersetzung. Ei- ner der Streitpunkte wurde schon er- ie jüngste Arbeit des Bakunin- Der „Urkonflikt“ zwischen Anar- wähnt: die politische Strategie. Eck- Experten Wolfgang Eckhardt chismus und Marxismus in der hardt hebt drei Positionen hervor: a.) Dbearbeitet minutiös die Aus- Ersten Internationale: ein inhalt- BefürworterInnen der Eroberung der einandersetzungen innerhalb der In- licher, kein persönlicher Streit politischen Macht auf parlamentari- ternationalen Arbeiter-Assoziation in schem Weg (Marx/Engels); b.) Vertre- den Jahren 1871/1872. Es ist bekannt: Die Geschichte der terInnen sozialrevolutionärer Ideen, sozialistischen Bewegung ist durch die gewerkschaftliche Kampfformen „Die künftige Gesellschaft soll nichts die Konflikte zwischen marxistischen vorzogen und jede Beteiligung am anderes sein als die universelle Anwen- und anarchistischen AkteurInnen tief Parlamentarismus ablehnten (Baku- dung der Organisation, welche die In- geprägt worden. Das Terrain, auf dem nin/Guillaume), sowie c.) Anhänge- ternationale sich gegeben haben wird. dieser Konflikt explodierte, war die rInnen der Eroberung der politischen Wir müssen also Sorge dafür tragen, „Internationale Arbeiter-Assoziation“ Macht, bei Ablehnung des Parlamen- diese Organisation so weit wie möglich (1864-1877). Mit dieser und dem ange- tarismus und des gewerkschaftlichen unserem Ideal anzunähern. Wie könnte sprochenen Konflikt beschäftigt sich Kampfes (Vaillant) (S. 70f). eine egalitäre und freie Gesellschaft aus der gerade erschienene Mammut- einer autoritären Organisation hervor- wälzer Wolfgang Eckhardts: Michael Diese Streitfrage war für sich genom- gehen? Das ist unmöglich. Die Internati- Bakunin: Konflikt mit Marx, Teil 2, Tex- men aber keineswegs der Grund für onale, Keimzelle der künftigen mensch- te und Briefe ab 1871, herausgegeben die heftige Form, die die Auseinan- lichen Gesellschaft, ist gehalten, schon im Rahmen von Bakunins Ausgewähl- dersetzung in der IAA (Internationa- von jetzt an das treue Abbild unserer ten Schriften. Überraschenderweise le Arbeiter-Assoziation) annahm und Grundsätze von Freiheit und Föderati- stellen die Lesenden bei der Lektüre schließlich zu ihrer Spaltung führte. on zu sein und jedes der Autorität, der aber schnell fest, dass Bakunin als Diese erklärte sich vielmehr aus ei- Diktatur zustrebende Prinzip aus ihrer Agierender gar nicht im Mittelpunkt ner zweiten Streitfrage, nämlich nach Mitte zu verstoßen.“ Jurazirkular (1871) des Geschehens stand. Denn, wie der Organisationsform. So war es der Eckhardt betont: Versuch – allen voran von Marx und Engels – ihre politischen Vorstellun- „Die Signalwirkung der Namen ‚Marx’ gen als allgemeinverbindliche in der und ‚Bakunin’, jener angebliche Zwei- IAA durchzusetzen, welcher zu der kampf zweier Titanen, ist (…) überwie- heftigen Auseinandersetzung führ- gend eine Erfindung der Nachwelt. Der te und ihnen von breiten Teilen der Konflikt zwischen Marx und Bakunin IAA-Mitglieder, keineswegs nur den hat nicht als Rivalität zweier Konkur- AnarchistInnen, den Vorwurf ein- renten oder als eine von persönlichen trug, sich zum „Sultan“ (S. 563) oder Ressentiments geprägte Privatfehde „Hohepriester“ (S. 93) der IAA aufzu- Bedeutung – entscheidend ist, dass sich schwingen. Marx und Engels, die sich im Zuge der Auseinandersetzung die mit diesem Vorgehen frontal gegen Gegensätze zwischen parteipolitisch- die ganze föderalistisch-pluralisti- parlamentarischen Strategien zur sche Tradition der IAA stellten, lie- Eroberung der politischen Macht und ßen von ihrem Vorgehen, trotz mehr- sozialrevolutionären Konzeptionen im maliger Versuche von allen Seiten, sie Sozialismus herauskristallisierten.“ zur Umkehr zu bewegen, nicht ab und (S. 669). provozierten damit letztlich die Spal- tung der Organisation. Dass überdies

54  nOvEMBER der ohnehin problematische Vorstoß sondern ihr Gegenteil; die Entfaltung der beiden unter dubiosen Umstän- aller Initiativen, aller Freiheiten, aller den auf der nicht repräsentativen Vorstellungen, verbunden allein durch Londoner Konferenz (1871) zustande die Tatsache ihrer Wesensgleichheit, die kam, machte die Stimmung in den ihr gemeinsames Interesse erzeugt, in Föderationen nicht besser: dem, von sich aus und auf verschiede- nen Wegen, und wären es Umwege, die „Mit den Forderungen nach Konstitu- freien Kräfte zusammenströmen.“ ierung der Arbeiterklasse als politische (S. 687) Partei und Eroberung der politischen Macht wurden zentrale Programm- Politische Streitkultur: (auch) punkte von Marx und Engels zum eine Stilfrage Ausdruck gebracht, die jedoch auf Erschreckend ist jedenfalls der Stil der [Londoner] Konferenz so kaum der Auseinandersetzung, wie er von diskutiert worden waren. Besondere Marx und Engels eingeführt wur- Schärfe enthielt Resolution IX. aber de. „Dort sah ich“, so der spanische vor allem durch den Verbindlichkeits- Delegierte Anselmo Lorenzo über anspruch solcher Tätigkeit für alle die Londoner Konferenz, „wie jener Mitglieder der Internationale – erst dies Mann [Marx], den ich in meiner Be- machte sie zum Richtungsentscheid, wunderung und in meiner Achtung der dem bisherigen Strömungsplura- so hoch erhoben hatte, auf die Ebene ternationale nach Italien schreibt, lismus ein Ende setzte.“ (S.80) der Gemeinheit herabsank“ (S. 58). weil er meint, auf die Unkenntnis des Adressaten spekulieren zu können Gegen diese „Gewaltpolitik“ (Nettlau „[K]einerlei Neigung, unter dem Ban- (S.140f.), versteht man solche Reakti- 1993, S. 126) erhoben sich nun keines- ner dessen zu dienen, der die spanische onen nur zu gut. wegs nur angebliche „BakunistInnen“ sozialistische Allianz denunziert hat“, oder AnarchistInnen im engeren verspürte Édouard David, und erklärte: Schwer erklärbare Angst vor Sinn, sondern alle, die die organisa- „Wie groß sein Genie auch immer sein Bakunin torische und ideelle Grundlage der mag, ich kann ihm keine Achtung mehr Das Handeln von Marx und Engels, IAA in Frage gestellt sahen, also jene entgegenbringen nach dem, was er vor das im übrigen nicht nur der Interna- „Autonomie, die man sich durch die und während des Haager Kongresses ge- tionale, sondern vor allem auch ihnen Assoziationen gerade zu sichern hoff- tan hat.“ (S. 591). selbst geschadet hat – es „endete in te“ (Weber 1989, S. 168). Erstaunlich einem politischen Scherbenhaufen“, dabei ist, und die von Eckhardt ver- Schließlich: wie Eckhardt ausführt (S. 641) –, ist sammelten Quellen zeigen dies in al- „Es handelt sich hier [auf dem Haager schwer zu erklären und scheint sich ler Eindringlichkeit, wie klar sich die Kongress der Internationale, 1872] um vor allem aus einer ungeheueren Beteiligten des grundsätzlichen Cha- ein Manöver, das ich ohne zu zögern Angst vor Bakunin zu ergeben. Diese rakters dieser Auseinandersetzung als unwürdig bezeichne seitens jener Angst wird durch die immer wahn- bewusst waren. So erklärt z. B. André Männer [Marx und Engels], die ich für haftere Züge annehmende Vorstel- Léo in ihrem Artikel „Der Geist der anständig zu halten pflegte (…). Vom lung illustriert, wonach Bakunin „die Internationale“: ersten Tag an war das hier ein Zent- Arbeiterbewegung unter russische rum gemeiner Intrigen; um ihre An- Leitung nehmen“ wollte (MEW 32, „[E]s gibt derzeit unter den Menschen träge durchzubekommen, schrecken sie S. 234), wobei man sich überall von einen solchen starken Drang, diesem nicht davor zurück, die Internationale blinden Werkzeugen und Spionen des Weg zu folgen, dem von Tradition, Er- zu opfern. (…) M.[arx] und E.[ngels] Russen umzingelt sah. ziehung und Gewohnheit, dass man legen eine unerhörte Taktlosigkeit an nicht merkt, wohin man geht und auf den Tag und unvergleichliche Wut gegen Dies kann allerdings nicht erklären, welchem Irrweg man sich befindet. Wir jed w ede Opposition, ihr taktloses Spiel warum Marx und Engels dieser an- beginnen gerade erst zu verstehen, dass brachte sogar ihre Freunde auf.“ geblichen Unterwanderungsstrategie die wahre Einheit nicht im Verschwin- (Jules Johannard, S. 528) Bakunins mit einem neuen strategi- den aller zugunsten eines Einzelnen schen Kurs begegneten, der sie dem besteht, seltsame Arithmetik, verhäng- Wenn man z. B. von Eckhardt bis Großteil der IAA entfremdete. Es nisvoller Köder, der die Menschheit seit ins Detail vorgeführt bekommt, wie zeugt jedenfalls von einer entweder so vielen Jahrhunderten narrt! (…) Die Engels einen Brief voller Lügen über absurden Arroganz oder einer er- neue Einheit ist nicht die Einheitlichkeit, die Vorkommnisse innerhalb der In- staunlichen Hilflosigkeit, wenn sie

 55 Bakunins „Phantasie-Sozialismus“ falls zu Recht erklärte, dass Marx und (MEW 18, S. 336) nicht anders als po- Engels die Auseinandersetzung „per- lemisch und in der Absicht, ihn lä- sonifizieren“ würden, um eine inhalt- cherlich zu machen, entgegentraten. liche Diskussion „leichter umgehen zu können“ (S. 747), muss man sagen, Man darf in diesem Zusammenhang dass er mit seinem „Tick“ ihnen dafür nicht vergessen, dass sich Marx und die Gelegenheit gegeben hat. Aller- Engels auf keinem Kongress einer öf- dings änderte dies nichts daran, dass fentlichen Auseinandersetzung mit der Großteil der IAA den Marxschen Bakunin stellten. Stattdessen beriefen Vorwürfen nichts abgewinnen konn- sie 1872 den Kongress in dem Wissen te und inhaltlich weitgehend auf Ba- nach Den Haag, dass es Bakunin – kunins „Linie“ lag. aufgrund polizeilicher Verfolgung – nicht möglich sein werde dort hin- Fazit zugelangen, um sich dann später wie- Aus anarchistischer Perspektive kann Was jedenfalls die Arbeit Eckhardts derum über „Bakunins alte Unlust, man es sich leicht machen und ein- im Besonderen auszeichnet, ist die in persönlicher Debatte aufzutreten“ fach mit dem Teilnehmer des Haager Fülle der Quellen und die Arbeit am lustig zu machen (MEW 33, S. 586). Kongresses, Podolinskij, erklären: Detail. Mir ist im deutschsprachigen Raum nichts auch nur entfernt damit Gelegt wurde damit der entschei- „Faktisch haben die Zentralisten ge- Vergleichbares bekannt. An diesem dende Grund dafür, dass „die Auf- siegt, aber moralisch liegt der Sieg Buch wird niemand vorbeikommen fächerung des Sozialismus in Sozi- eindeutig bei den Anarchisten (…) und können, der sich nicht nur ernsthaft aldemokratie, Kommunismus und wirklich standen fast alle Arbeiter des mit der Geschichte der Auseinander- Anarchismus im letzten Drittel des Kongresses auf der Seite der Anarchis- setzung zwischen Marxismus und 19.Jahrhunderts“ nicht „mit größerer ten.“ (S. 552) Anarchismus, sondern auch der Ar- Sachlichkeit und Transparenz“ abge- beiterbewegung des 19. Jahrhunderts laufen ist (S. 667). Es ist meines Erachtens schwer, nach beschäftigen will. Und man wird se- der Lektüre Eckhardts zu einem an- hen: Der Wunsch, dass „alle mensch- Die Geheimgesellschaften deren Ergebnis zu kommen. Dieses lichen Wesen in Freiheit und Würde Bakunins Fazit ist für sich genommen nichts leben können“ (Francisco Tomás, S. Was die ominösen Geheimgesell- Neues. Schon Brupbachers Marx und 585), musste nicht erst von den Zapa- schaften Bakunins angeht, ist fest- Bakunin (1913), das – seinerzeit ein tistInnen formuliert werden. Das aber zuhalten, dass es diese in der Form Skandal – dennoch vom kritischen macht Hoffnung, über alles Trennen- nie gegeben hat und Geheimgesell- Geist Franz Mehring für seine Marx- de hinweg... schaften als solche in der damali- Biographie berücksichtigt wurde, gen Bewegung nicht grundsätzlich oder die Arbeiten Max Nettlaus über Zusätzlich verwendete Literatur verurteilt wurden. Es entbehrt dann die Erste Internationale haben vieles MEW Gesammelte Werke von Karl nicht der Komik, dass gerade Marx, zur Aufklärung beigetragen und sich Marx und Friedrich Engels (Werkaus- der „seine Anhänger straff führte“ dem gängigen MEW 18-Geschichts- gabe) (S. 486) und eine solche Gangart auch bild entgegengestellt. Nettlau, Max 1993 [1927] Geschichte in der IAA durchzusetzen versuchte, der Anarchie. Band 2. Bibliothek Thé- Vorwürfe gegen den „autoritären“ Bisher hat sich der Marxismus im- lème, Münster Bakunin erhob, gleichwohl aber mit mer wieder einer ernsthaften Ausei- Weber, Petra 1989 Sozialismus als den straff organisierten und konspi- nandersetzung mit solchen Arbeiten Kulturbewegung. Droste, Düsseldorf rativen BlanquistInnen ein Bündnis verschlossen. Beispielhaft, wenn z. B. gegen die angeblichen „BakunistIn- das Historisch-Kritische Wörterbuch nen“ einging (S. 488f). Nichtsdesto- des Marxismus (HKWM) in den ers- Michael Bakunin: Ausgewählte trotz ist es für die Bakuninforschung ten Bänden kein einziges mal James Schriften. Band 6: Konflikt mit Marx. nicht ausreichend, Bakunins Faible Guillaume, der weitaus mehr als Ba- Teil 2: Texte und Briefe ab 1871. Hrsg. für hierarchische Geheimgesellschaf- kunin der eigentliche Widersacher von Wolfgang Eckhardt. Karin Kra- ten lediglich als „Schwäche“ abzutun von Marx und Engels gewesen ist, mer Verlag, Berlin 2011. ISBN: 978-3- (S. 483), auch wenn Bakunins Freun- auch nur erwähnt. Wie auch das an- 87956-342-5. 1240 Seiten. 78 EUR dInnen dieses Faible nicht teilten und geführte Buch Brupbachers für das für einen persönlichen Tick Bakunins HKWM nicht zu existieren scheint. hielten (S. 484). Wenn Bakunin jeden- Quelle: kritisch-lesen.de, Nr. 11, 1.11.2011

56  nOvEMBER

Anfang des Jahres 2011 fanden in Tuesien die hier als “Jasminrevolution” bekannt gewordenen Aufstände statt, die mit der Vertreibung des Dikators Ben Ali von sich Reden machten. Wir haben uns auf den Weg gemacht, weil wir mehr über diesen revolutionären Prozess erfahren wollten. Der Einladung von Aktivist_innen vor Ort folgend, haben wir an einem Kongress teilgenommen, der zum Ziel hatte, ein weltweites Netzwerk des Widerstands mitaufzubauen. Wir wollen einen Bericht über unsere Reise mit Bildern und Filmausschnitten über unseren dreiwöchigen Aufenthalt machen, während der wir mit vielen verschiedenen Menschen über die Ereignisse gesprochen haben.

 57 blödes Vorurteil!). Wir wollen ge- EIn jAhR AnARchISTISchE meinsam unsere Inhalte formulieren und über Widersprüche diskutieren, das braucht seine Zeit. Wir wollen gRUPPE nEUKöLLn Ideen und Konzepte welche wir für perspektivreich und richtig halten AnARchISTISchE gRUPPE nEUKöLLn den Rücken stärken. Deshalb freuen wir uns auch seit November 2011 in in Jahr ist es also her, dass wir Projekt „Anarchistische Gruppe Neu- der Anarchistischen Föderation Ber- uns zusammengesetzt haben kölln“ aber auch verändert. Einige ha- lin (afb) organisiert zu sein und sind Eund über eine neue anarchis- ben sich von dem Projekt abgewendet, somit auch im deutschsprachigen tische Gruppe in der unübersichtli- einige sind neu hinzugestoßen und Raum im Forum deutschsprachiger chen Berliner Gruppen- und Projek- mit ihnen auch neue Ideen und Vor- Anarchist_innen (FdA) und in der te- Landschaft diskutierten. Vieles stellungen. Internationale der Anarchistischen von dem was wir uns damals vorge- Föderationen (IFA) vernetzt. Es ist stellt hatten ist in diesem Jahr dann Wir haben viel diskutiert und wer- schwer aus einem noch stattfinden- auch Realität geworden, z. B. unsere den noch viel diskutieren, über In- den Prozess zu berichten, aber wir Veranstaltungsreihe „Input – Einbli- halte ebenso, wie darüber wie wir freuen uns auf zukünftige inhaltliche cke in antikapitalistische Theorie & uns in Zukunft organisieren wollen. Auseinandersetzungen. Praxis“, ein Seminar zur „Einführung Eines ist in diesen Diskussionen klar in die Kapitalismuskritik“, Aktionen geworden: Weder wollen wir blind Übrigens haben wir auch eine neue zum Papstbesuch, sowie mehrere Dis- jedem links klingenden Transparent Homepage, erreichbar unter: kussions- und Soliabende. Nicht zu hinterher rennen, streng nach dem anarchistische-gruppe.org, per Mail vergessen unser Gründungsdiner im Motto „Hauptsache Bewegung!“. sind wir unter kontakt@anarchisti- Februar in der Lunte. Vieles hat sich Noch möchten wir uns ins akademi- sche-gruppe.org erreichbar. in diesem Jahr für das gemeinsame sche Hinterzimmer verziehen (welch Wir werden von uns hören lassen... jUng UnD BILLIg: gEMEInSAM gEgEn AUSBEUTUng IM MInIjOB AnARchOSynDIKALISTISchE jUgEnD BERLIn

ung und Billig ist eine Kampa g n e nen wissen. Doch gerade für Mini- men die Vorgehensweise. Somit sind zur Sicherung und Ausweitung jobberInnen wird der Alltag immer auch der Wahl der Kampfmittel kei- junserer Rechte als geringfügig stressiger, die Arbeit umfangreicher ne kreativen Grenzen gesetzt, sei es Beschäftigte im Betrieb. Sie wird ge- und am Ende steht meist ein Monats- Angestelltenversammlungen, Ar- tragen von Jugendlichen, die selber lohn, der der geleisteten Arbeit gar beitsniederlegung oder die Sabotage als MinijobberInnen beschäftigt sind nicht gerecht wird. des Betriebsablaufes. Es liegt an uns, und dient der Vernetzung, der recht- Um dem entgegenzutreten, ist es Ziel unsere Stimme zu erheben und Taten lichen Bildung und der Organisation der Kampagne, MinijobberInnen über sprechen zu lassen. gemeinsamer Aktionen gegen die ihre Rechte aufzuklären und eine Wenn auch du einen Weg suchst, dei- zunehmende Verschlechterung der Plattform zu bieten, auf der wir uns ne Situation zu verbessern und dabei Arbeitsverhältnisse von Minijobbe- vernetzen können. Sei es in einem die Unterstützung von Leuten willst, rInnen. bestimmten Betrieb oder betriebs- die in einer ähnlichen Lage sind, hast Geringfügig beschäftigte Jugendli- übergreifend. Auf Grundlage dieser du jeden 1. und 3. Donnerstag im Mo- che werden immer mehr zum billigen Vernetzung wollen wir das Wissen nat von 19 bis 21 Uhr die Gelegenheit Ersatz regulärer Arbeitskräfte. Billig und den Rückhalt finden, unsere For- in der Lottumstraße 11 in Berlin vor- nicht nur wegen der Lohngrenze von derungen geltend zu machen. beizukommen und mit uns aktiv zu höchstens 400€ im Monat, sondern Zur Durchsetzung dieser Forderun- werden, oder schreib uns einfach an auch weil wir aufgrund von Uner- gen am Arbeitsplatz setzten wir al- [email protected] ! fahrenheit viele unserer Rechte nicht lein auf die Wünsche und Ideen der „Jung und Billig“ ist eine Kampagne wahrnehmen oder gar nicht von ih- Betroffenen Personen. Sie bestim- der Anarchosyndikalistischen Jugend.

58  DEzEMBER

eit mehreren Jahren kommen zu Silvester Menschen zusam- hInTER vERSchIEDEn Smen, um ihren Ideen einer Gesellschaft ohne Herrschaft und Zwang, auf den Straßen Ausdruck zu vERgITTERTEn fEnSTERn… verleihen. Nicht nur in Berlin-Moabit, dessen JVA um die 1.500 Gefangene SILvESTER zUM KnAST – DIE MASchInERIE DER einsperrt, sondern auch in Grünau, wo Menschen verschiedenster Her- gEfängnISSE hInTERfRAgEn, DEMOnTIEREn UnD kunft in Abschiebehaft gehalten wer- den, da sie die falschen oder gar keine zERSTöREn! Papiere besitzen. Papiere, die dir sa- gen, wo du sein darfst oder – und dies AnARchIST BLAcK cROSS BERLIn spiegelt die Realität der Meisten wie- der – wo du nicht sein darfst. Normalität dieser Gefängnisse er- Seite alles Problematische von sich zu Beides, im Knast zu sitzen, weil du möglichen. stoßen und auf der anderen Seite um vielleicht geklaut oder Eigentum zer- Das betrifft auch ganz explizit uns, diejenigen, die verzweifelt nach der stört hast, ohne Ticket gefahren bist deren Welt sich außerhalb hoher Freiheit suchen, abzuschrecken und oder im Knast zu sein, weil du aus Mauern abspielt. Denn mit all ihren Exempel zu statuieren. Eine Gesell- deinem Herkunftsland geflüchtet bist, Gesetzen und Normen, die Zwang, schaft des ausgestreckten Zeigefin- sei es aus Perspektivlosigkeit oder aus Ausbeutung und Verhältnisse der gers, unfähig sich vorzustellen, jen- Angst verfolgt zu werden, beruht auf Ungleichheiten schaffen, ähnelt die- seits von Autoritäten zu existieren. ein und derselben Tatsache: das Be- se Welt immer mehr einer, die hinter Wir wollen unsere Solidarität und stehen von sozialen Strukturen, die Gittern stattfindet. Es geht darum, unsere gegenseitige Hilfe nutzen, um festlegen, was falsch und was richtig diese sogenannte Freiheit, die uns all diese Mauern Stein für Stein ein- ist, was geschützt und was bestraft mit all ihren scheinbaren Privilegi- zureißen. BIS ALLE FREI SIND! werden muss. Gesetze und Regeln, en vorgesetzt wird, zu hinterfragen. die von einigen wenigen beschlossen Denn welche Freiheit genießen wir, ... doch die Fesseln bleiben dieselben! werden, denen sich andere wiederum wenn unser Leben durch Grenzen unterwerfen müssen. Diese Logik der und Schranken definiert wird, wo Bestrafung und des daraus resultie- ein Stück Papier deine Hoffnung auf renden Einsperrens gilt es zu durch- ein angenehmeres Leben auf einen brechen. Schlag verwischen kann? Wo die be- Doch wir wollen sie nicht nur bre- stehende Ordnung zwischen arm und chen, sondern all die Umstände, die reich unterscheidet und gegebenen- dieser Logik in die Hände spielen, falls die wegsperrt, die über die vor- zerstören. Auf das es möglich ist, ein geschriebenen Linien treten. Und in Miteinander entstehen zu lassen, dass welcher Freiheit leben wir, wenn wir solche Bedingungen nicht wieder re- andere Menschen einschränken und produziert... ihnen nicht die Fähigkeit zuschrei- An Silvester geht es uns darum Soli- ben, eigenmächtig über ihr Leben zu darität, Wut und Kraft von der Stra- entscheiden? Der Bulle im Kopf, mit ße durch die Mauern zu senden, aber all seinen autoritären Zügen, muss auch an bestehende Kämpfe anzu- verschwinden, damit es uns möglich knüpfen. Sei es um sich Repressali- ist, unsere eigene Freiheit wieder an- en entschlossen entgegen zu stellen, eignen zu können... über sie zu informieren, zu disku- Dieses Knastsystem ist nicht refor- tieren oder sei es um internationale mierbar, denn es ist von Grund auf Kämpfe, wie etwa Hungerstreiks oder falsch, hier und überall. Es macht Arbeitsverweigerungen innerhalb keinen besseren Menschen, es trägt der Knäste, zu unterstützen. Denn nicht zur Lösung sozialer Konflikte diese Knastgesellschaft ist komplex bei. Dieses auf Konkurrenzdenken und reicht von denen, welche die In- und Ungerechtigkeit basierende Ne- frastruktur stellen, hin bis zu denen, beneinander sperrt Menschen weg, die Überwachung, Kontrolle und die oder schiebt sie ab, um auf der einen

 59 vERAnSTALTUngSüBERSIchT

Im Folgenden findet ihr eine Übersicht an anarchistischen Veranstaltungen bzw. Veranstaltungen, die von anarchisti- schen Gruppen organisiert wurden, die in beeidruckender Fülle 2011 in Berlin stattfanden. Trotz einer sehr umfangrei- chen Dokumentation erhebt diese Liste keinen Anspruch auf Vollständigkeit.

JANUAR 5. Januar BAIZ ASJ Berlin: Errico-Malatesta-Lesung 7. Januar FAU-Lokal FAU – wie funktioniert das? 12. Januar BAIZ A -Laden Experience: Vom Auto zur Autogestion – AutoOrganisation statt Autowahn KuBiZ ASJ Berlin: Workshop zu Selbstorganisation in der Schule 14. Januar FAU-Lokal “ Sex Works” – Diskussion über Prostitution im Kontext von Prekarisierung und Globalisierung. Mit Simone Kellerhoff (Hydra), Ralf Rötten (Querstrich) & Nivedita Prassad (BanYing). Moderation: Holger Marcks (Direkte Aktion). 17. Januar BAIZ ASJ Berlin: Emma Goldman Lesung 24. Januar New Yorck A narchistisches Infocafé: Infoveranstaltung zu “entsichern-Kongress” und Demonstration “In offener Feindschaft” vom 28.-30.1. in Berlin 26. Januar BAIZ A -Laden Experience: Konsumismus oder Kommunismus? – Die Kurve kratzen aus der Verschleißgesellschaft! 28. Januar Bibliothek der Freien “ Nicht nur wer arbeitet, soll gut leben dürfen” – Das Konzept des bedingungs- losen Grundeinkommens aus libertärer Sicht (Gemeinschaftsveranstaltung der Bibliothek der Freien und der Initiative Grundeinkommen Berlin) FAU-Lokal FAU: WikiLeaks und die freien Informationen

FEBRUAR 4. Februar FAU-Lokal FAU – wie funktioniert das? 8. Februar ASJ Berlin Druck der ersten Ausgabe des Schwarzen Kleeblatts 9. Februar BAIZ A-Laden Experience: Fette Beute am Meeresboden der Tiefsee 11. Februar FAU-Lokal ASJ Berlin: Film “Buchbinder und Anarchist” 12. Februar Lunte L uxus für Alle – Deluxe-Soli-Essen mit der Anarchistischen Gruppe Neukölln 14. Februar New Yorck B iographische Filme zweier Kämpferinnen. Der erste Film ist „Rosa Luxem- burg“ (1986) von Margarethe von Trotta, der die Lebensgeschichte der liber t ären Sozialistin sowie die Zeit, in der sie lebte, nachzeichnet. 17. Februar BAIZ ASJ Berlin: ArbeiterInnen-Lieder-Karaoke 18. Februar FAU-Lokal “ Klassenfahrt schwarz-rot” – Erfahrungen und Perspektiven einer kämpfe- rischen Organisierung im Bildungsbereich. Mit Sylvain Peirani (CNT Paris), Johnny Hellquist (SAC Malmö) & Matthias Seiffert (ehem. Bildungssyndikat Berlin). 19. Februar Lunte ASJ Berlin: erster Tresen 23. Februar BAIZ A-Laden Experience: Nur ein ...Ismus? Anarchie als Lebenshaltung. 25. Februar Bibliothek der Freien “ Rebellen-Heil” – Fritz Scherer: Vagabund, Wanderer, Hüttenwart, Anarchist. Eine Buchvorstellung FAU-Lokal Daniel Wendt: “Moderner Sklavenhandel” – Probleme der Leiharbeit FAU/ASJ Solidaritätskundgebung für polnische GenossInnen vor OBI 26. Februar Tempest Library Open meeting for workers, and those who fight against work. Part 2 28. Februar New Yorck Anarchistisches Infocafé:Biographische Filme zweier Kämpferinnen. Der zweite Film ist „Emma Goldman – American Experience“ (2004) mit an- schließend kritischer Diskussion zum Hintergrund des Films.

60  vERAnSTALTUngEn

MÄRZ 9. März BAIZ A-Laden Experience: Der “KAPP-PUTSCH” 1920: Generalstreik gelungen – Revolution tot 11. März VOSIFA W orkshop „Herrschaftsalarm“ der Bildungsgruppe der AFB: Der Workshop dreht sich rund um die Bedeutung von “Herrschaft” und umfasst neben Sket- chen und Brainstorming im Hauptteil auch ein Planspiel zur möglichst herr- schaftsfreien Organisation einer Stadt. 12. März Tempest Library S oli für die Tempest: „Ein Anarchistisches Programm – Eine Lesung zu Errico Malatesta“ der ASJ Berlin 14. März New Yorck Anarchistisches Infocafé: „(A)-Café goes Gehörgang – oder – es muss ja nicht immer ein Film sein“. Nach dem Mottoladen wir alle Audiophilen und die, die es werden wollen, zum gemeinsamen Hörspielgenuss: Michael Koser – Die Alzheimergang. 19. März Fischladen Soli-Bar für die Tempest Library Lunte ASJ Berlin: Tresen 23. März BAIZ: A-Laden Experience: Kronstadt 1921 24. März F AU/ASJ-Kundgebung vorm Collegium Hungaricum zur Solidarität für die polnische MieterInnenbewegung (ZSP) 25. März Bibliothek der Freien A narchismus und Ökologie. Öko-libertäre Analysen zu aktuellen Problemen 28. März New Yorck A narchistisches Infocafé:Diskussionsveranstaltung mit einem aktuellen Bericht zur Situation in Lampedusa und der rassistischen Flüchtlingspolitik der EU an den Außengrenzen.

APRIL 3. April Lunte s tromATOM: Zivile und Militärische Interessen beim ATOM. Anarchistischer Tresen in der Lunte 6. April Tristeza W orkshop: Einführung in die Kapitalismuskritik mit Junge Linke gegen Kapital und Nation, organisiert von der Anarchistischen Gruppe Neukölln 7. April Abstand Lesung mit Hauke Thoroe aus „Herrschaftskritik“ 9. April Subversiv I nternational Anarchists United – Soliparty im Subversiv für Tristan & seine Bezugsgruppe Zielona Gora Solitresen für die FAU 11. April New Yorck A narchistisches Infocafé: „Shell to hell“ – eine Infoveranstaltung zum Wider- stand gegen eine Ölraffinerie von Shell in Irland 12. April ASJ Berlin: Druck der zweiten Ausgabe des Schwarzen Kleeblatts 13. April BAIZ A -Laden Experience: Russland 1917 und Spanien 1936 – zwei Revolutionen im libertären Vergleich Tempest Library Discussion: North Africa and the Middle East 14. April Tempest Library Anarchistischer Stammtisch der AFB 15. April Zielona Gora Solitresen für ABC Berlin + Belarus Ida Nowhere V ortrag mit Jürgen Mümken zu anarchistischer Theorie (in) der Postmoderne, organisiert von der Anarchistischen Gruppe Neukölln 16. April K9 A SJ Berlin: „Looking for Freedom” – Soliparty für die Tempest Library und für die Anarchosyndikalistische Jugend Berlin (2-jähriges Bestehen) 20. April Tempest Library Discussion: North Africa and the Middle East 21. April Köpi Soli für Tempest Library Syndikat D iskussionsabend mit der Stadtteilgruppe Schillerkiez zu Gentrifizierung, organisiert von der Anarchistischen Gruppe Neukölln 25. April New Yorck A narchistisches Infocafé: Doku „Lucio Urtubia – Anarchist und Maurer“ 26. April Cafe Morgenrot Anarchistischer Stammtisch der AFB 27. April BAIZ A-Laden Experience: Lange Nacht der Machnotschina Syndikat V ortrag: “Finger Weg vom Streikrecht” mit der FAU Berlin, organisiert von der Anarchistischen Gruppe Neukölln 29. April ORI V ortrag: Einführung zur Kritik der Lohnarbeit mit Rudolf Mühland, organisiert von der Anarchistischen Gruppe Neukölln

 61 MAI 1. Mai New Yorck A narchistische Büchertische Klassenkämpferischer Block der FAU auf der Gewerkschafts-Demo FAU-Spaziergang gegen Leiharbeit 5. Mai FAU-Lokal FAU: Gleicher Lohn für gleiche (Leih-)Arbeit? 6. Mai FAU-Lokal FAU – wie funktioniert das? 9. Mai New Yorck A narchistisches Infocafé/AFB: Veranstaltungsreihe „Politisch aktiv ohne kaputt zu gehen“ (1): „Wie werden wir mehr und können unser Wissen weiter- geben?“, zusammen mit der ASJ Berlin 11. Mai BAIZ A -Laden Experience: Die ewige Gentrifizierung – Häuserkampf im Wandel der Zeiten: Nehmen wir uns die Stadt zurück. 12. Mai Tempest Library Anarchistischer Stammtisch der AFB 14. Mai Zielona Gora FAU-Solitresen 16. Mai Haus der Demokratie Podiumsdiskussion der “Niemand ist vergessen” Kampagne 20. Mai Bibliothek der Freien W olfgang Eckhardt: Zerstörung oder Eroberung der politischen Macht? Bakunin und Marx in der Ersten Internationale. Vorstellung einer Neu- erscheinung 21. Mai Lunte A SJ Berlin: Tresen mit Infoveranstaltung zur “Niemand ist vergessen” Kampagne und im Anschluss ArbeiterInnen-Lieder-Karaoke 23. Mai New Yorck A narchistisches Infocafé/AFB: Veranstaltungsreihe „Politisch aktiv ohne kaputt zu gehen“ (2): „Wir sind noch da“ – Salon-Gespräch mit Aktivist_innen, die sich seit Jahrzehnten in der linken Szene bewegen, über Motivation und Kontinuität 24. Mai Café Morgenrot Anarchistischer Stammtisch der AFB S-Bhf Buch Gedenk-Demo der “Niemand ist vergessen”-Kampagne 25. Mai BAIZ A -Laden Experience: Anarchosyndikalistischer und Jugendwiderstand gegen das Nazi-Reich 28. Mai Linienstraße 206 Unkommerzielles Straßenfest mit anarchistischen Büchertischen 30. Mai Lunte Anarchosyndikalistische Initiative: Neuerungen in Hartz4

JUNI 1. Juni Zwille G ruppe Wildgrün: Land grabbing – Ökolandbau und was an Kleinbauern anarchistisch ist 3.– 4. Juni Jugendclub Maxim Open Air for Open Minds Festival mit anarchistischen Infotischen 3.– 5. Juni Mehringhof Linke Buchtage mit Büchertischen anarchistischer Verlage 3. Juni FAU-Lokal FAU: FAU – Wie funktioniert das 4. Juni New Yorck A narchistisches Infocafé/AFB:Veranstaltungsreihe „Politisch aktiv ohne kaputt zu gehen“ (3): Workshop zu Stress- und Burn-out-Prophylaxe 6. Juni ASJ Berlin: Druck der vierten Ausgabe des Schwarzen Kleeblatts 8. Juni Zwille Gruppe Wildgrün: Eine anarchistische Stadt BAIZ A -Laden-Experience: ATOM-Amok – rauchen wir eine Anti-Atom-Welt- revolution? New Yorck b.o.n.e: Lesekreis – Politik der Würde 9. Juni FAU-Lokal ASJ Berlin: Was ist die ASJ? Tempest Library Anarchistischer Stammtisch der AFB 10. Juni FAU-Lokal D er Papst rollt – ein Vorkarnevalsabend. Die spanische Kulturgruppe Tallercito bereitet ihren Wagen für den Karneval der Kulturen vor. 13. Juni Lunte A narchosyndikalistische Initiative: Zwischen Klassenkampf und Rechts- system New Yorck A narchistisches Infocafé/AFB: Veranstaltungsreihe „Politisch aktiv ohne kaputt zu gehen“ (4): „Politisch aktiv mit Kind bzw. Arbeit“ 14. Juni FAU-Lokal Action in Asia (Film) 16. Juni Kuh Buenaventura Durruti 17. Juni FAU-Lokal Militarisierung in der Bildung 19. Juni Lunte Buenaventura Durruti

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22. Juni BAIZ A-Laden Experience: Bock auf Block – BHKW statt AKW 23. Juni FAU-Lokal M iguel Sanz: Hasta la vista Sindicalista? Über Protestbewegung in Spanien und basisgewerkschaftliche Auseinandersetzungen 24. Juni Bibliothek der Freien A narchistischer “Brennpunkt” – Aufstände in der arabischen Welt – Libertäre Umbrüche oder Diktatur neuer/alter Eliten? 25. Juni New Yorck A narchistisches Infocafé/AFB: Veranstaltungsreihe „Politisch aktiv ohne kaputt zu gehen“ (5): Workshop „Konflikt lass nach?!“ zur Konfliktbewältigung in politischen Gruppen Lunte A SJ Berlin: Tresen mit Infoveranstaltung zum Flüchtlingsheim Hennigsdorf 27. Juni New Yorck A narchistisches Infocafé/AFB: Veranstaltungsreihe „Politisch aktiv ohne kaputt zu gehen“ (6): Vortrag zum Thema „Wie können wir unseren Kommunikationsansprüchen mit E-Mal-Listen gerecht werden?“ 28. Juni Café Morgenrot Anarchistischer Stammtisch der AFB 29. Juni BAIZ ASJ Berlin: Mitglieder der israelischen RKAS berichten

JULI 1. Juli FAU-Lokal FAU – Wie funktioniert das? 8. Juli FAU-Lokal M atthias Seiffert: „Proleten in Sportschuhen“ – Über die heute vergessenen Arbeiterolympiaden und die Arbeitersportbewegung 9. Juli New Yorck Erich-Mühsam-Fest 11. Juli Lunte A narchosyndikalistische Initiative: Erfahrungen der Spanischen Revolution New Yorck A narchistisches Infocafé: Infoveranstaltung + Filmausschnitte zum No- border-Camp vom 25.–29.08. in Bulgarien 13. Juli Linie 206 A -Laden Experience: SOMA – Roberto Freires anarchistische Gruppen- therapie mittels Capoeira Angola 14. Juli Lunte S oli – Vokü für das zweite Selbst – organisiertes Straßenfest in der Weise- straße am 13.8.11 15. Juli FAU-Lokal F rido Wenten: „Aufbruch in Fernost“ – Mitte 2010 rollte eine Welle von Streiks der WanderarbeiterInnen durch die Fabriken Chinas. Sie erkämpften höhere Löhne und lösten Debatten über die Lohn- und Gewerkschaftsstrukturen aus. 16. Juli Lunte ASJ Berlin: Tresen 22. Juli FAU-Lokal “ Wettbewerb total” – Diskussionsveranstaltung zur Ökonomie des Sports, dessen Professionalisierung und Kommerzialisierung. Mit Gerd Dembowski (Bündnis aktiver Fußballfans), Petra Rost (GenderKompetenzZentrum Berlin), Wilfried Schwetz (Diplom-Sozialwirt & Gewerkschaftsberater) 25. Juli New Yorck A narchistisches Infocafé: Stadtteilplena und Wahlrechtsreform – die Bewegung „15M“ in Spanien und die Folgen 26. Juli Café Morgenrot Anarchistischer Stammtisch der AFB 27. Juli BAIZ A -Laden Experience: Neue Hoffnung? Spaniens weltweite „Revolución“ und „Democracia real YA!“ 29. Juli FAU-Lokal „ 20 Jahre Betriebsbesetzung Stahlwerk Hennigsdorf“ – Info-Kino mit an- schließendem Zeitzeugen-Bericht über Problematiken der Betriebsbesetzung

AUGUST 5. August FAU-Lokal FAU – Wie funktioniert das? 10. August Druck der „Wahllos glücklich!?“-Broschüre 12. August FAU-Lokal ASJ Berlin: Film „Land and Freedom“ 13. August Weisestraße Weisestraßen-Fest mit anarchistischen Infoständen 19. August FAU-Lokal Info-Kino: Leiharbeit inside 20. August Schöneweide Kontrollverluste Festival mit anarchistischen Infoständen Lunte ASJ Berlin – Tresen 23. August Tempest Library Anarchistischer Stammtisch der AFB Prometheus Antiquar. C hris Hirte und Conrad Piens: Mühsam-Tagebücher, Band 1. Vorstellung einer Neuerscheinung 26. August FAU-Lokal „ Die Methode Sarrazin“ – Mit seinen „Thesen“ verkörpert Sarrazin nicht nur

 63 ein rassistisches Programm, sondern generell eine autoritäre Form der Krisenbewältigung. 26. August Königsstadt Soli-Konzert der „Wahllos glücklich!?“-Kampagne

SEPTEMBER 2. September FAU Lokal FAU – Wie funktioniert das? Köpi Soliparty für Anarchist*innen in Weißrussland K9 Soli-Party der „Wahllos glücklich!?“-Kampagne 5. September Druck der vierten Ausgabe des Schwarzen Kleeblatts 8. September Tempest Library Anarchistischer Stammtisch der AFB 9. September FAU-Lokal Berlinska Dróha – Record Release Party 10. September Mauerpark Graffiti-Stylez-Battle im Rahmen der „Wahllos glücklich!?“-Kampagne 11. September Mehringhof AFB: Workshop „Generationsübergreifende Wissensweitergabe“ im Rahmen der Woche der Widerpenstigen Im Friedrichshain F ilmvorführung im Rahmen der „Wahllos glücklich!?“-Kampagne 12. September New Yorck A narchistisches Infocafé: Veranstaltung in Rahmen der Woche zu 30 Jahre Hausbesetzung „Geschichte wird gemacht“ zu Gender und Häuserkampf, mit einer Buchvorstellung und verschiedenen Diskutierenden. 14. September BAIZ A-Laden Experience: FAQ the System – Anarchistische Fragestunde 16. September Zielona Gora ABC-Belarus-Solitresen Bibliothek der Freien H eiko Schmidt (Prometheus Antiquariat, Berlin): Bildkultur und ästhetische Konzepte des spanischen Anarchismus und anderer politischer Richtungen in der Zeit von 2. Republik, Revolution und Bürgerkrieg (1931–1939). Eine Spurensuche 17. September Lunte A SJ Berlin: Tresen mit Film und Diskussion zur freien Gestaltung von Schulen zusammen mit der Landes-SchülerInnen-Vertretung Berlin 18. September Lunte W ürden Wahlen etwas ändern, wäre sie verboten – Anti-Wahlparty von Anarchist_innen aus deinem Kiez 21. September FAU-Lokal Abhängige Beschäftigte in der Freien Schule – Ein Widerspruch? 23. September FAU-Lokal Infoveranstaltung: Von Kiezen und Fabriken. Kämpfe in Spanien 26. September New Yorck Anarchistisches Infocafé: Film: „Die Ritterinnen“ 27. September Café Morgenrot Anarchistischer Stammtisch der AFB 28. September BAIZ A-Laden Experience: Generalstreik – für und wider 30. September FAU-Lokal Tonkunst: Alex ohne Zaungäste

OKTOBER 5. Oktober FAU-Lokal Diskussion: Ausbeutung, Repression und Widerstand in Spätverkäufen 7. Oktober FAU-Lokal FAU – Wie geht das? 10. Oktober New Yorck A narchistisches Infocafé: Film: Lateinamerikanisches Kino: La Antena (Die Antenne), Argentinien 2007 11. Oktober FAU-Lokal Buchvorstellung: Gegen die Arbeit 12. Oktober BAIZ A-Laden Experience: Anarchismus in Berlin seit 1945 – ein PanoramA 14. Oktober FAU-Lokal ASJ Berlin: Veranstaltung zu Arbeiten ohne Chef 15. Oktober Lunte A SJ Berlin: Tresen mit Vorstellung eines Readers zur Geschichte und Perspek- tiven der Arbeiterräte 17. Oktober Friedrichshain Kundgebung der FAU: Gegen Ausbeutung und Selbstausbeutung in Spätis 21. Oktober FAU-Lokal Infoveranstaltung: Kein Freibier für alle – Studierende ohne deutschen Pass 24. Oktober New Yorck A narchistisches Infocafé: „La tierra no se vende, se libera y se defiende!“ – Veranstaltung zu Landnahme und Vertreibungen in Kolumbien Café Kotti T unisia Calling – Einladung zu einem Reisebericht über die Revolution in Tunesien 25. Oktober Café Morgenrot Anarchistischer Stammtisch der AFB 26. Oktober BAIZ A -Laden Experience: Die Internationale – 99 Jahre Wiedergründung der I.A.A. in Berlin Tempest Library F eral-UK-Reihe: Film „Fishtank“ (2009)

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27. Oktober Tempest Library Feral-UK-Reihe: Film „Neds“ (2010) 28. Oktober FAU-Lokal Diskussion: Alkohol und Sozialismus 28.– 30. Okt. Berliner Umland 3 Tägiges Einführungsseminar zur Kritik des Kapitalismus, organisiert von der Anarchistischen Gruppe Neukölln 30. Oktober Druck der fünften Ausgabe des Schwarzen Kleeblatts Tempest Library Feral-UK-Reihe: Film „Looking for Eric“ (2009) und „Four Lions“ (2010) 31. Oktober Mehringhof W as tun mit Kommunismus? – Veranstaltungsreihe über den Kapitalismus und konkrete Utopien heute: „Die Linke und ‘der real existierende Sozialismus’“

NOVEMBER 1. November Haus der Demokratie W as tun mit Kommunismus? – Veranstaltungsreihe über den Kapitalismus und konkrete Utopien heute: „Wie sozialistisch war der ‘real existierende Sozialismus’?“ 6. November Festsaal Kreuzberg W as tun mit Kommunismus? – Veranstaltungsreihe über den Kapitalismus und konkrete Utopien heute: „Raus aus dem Kapitalismus – aber wohin? Konkrete Utopien heute“ 9. November BAIZ A -Laden Experience: SYSTEMCRASH. Revolution auf der Tagesordnung? 10. November Tempest Library Anarchistischer Stammtisch der AFB 14. November New Yorck A narchistisches Infocafé: Infoverantaltung zur Situation in Honduras. „Der Militärputch in Honduras und die Kriminalisierung der landlosen Bäuer_innen“ 16. November New Yorck T unisia Calling – Einladung zu einem Reisebericht über die Revolution in Tunesien 18. November Neukölln Kundgebung der FAU „Ausgezockt, Bally Wulff! Gegen Lohndumping und Outsourcing beim Spielautomatenhersteller in Berlin-Neukölln!“ FAU-Lokal I nfoveranstaltung zu den Hintergründen und Einordnung des Falls in die generelle Prekarisierung der Arbeitsverhältnisse (Leiharbeit, Outsourcing, Lohndumping) Schererstr. 8 T unisia Calling – Einladung zu einem Reisebericht über die Revolution in Tunesien 19. November Lunte ASJ Berlin: Tresen mit Drei-Gänge-Vokü 22. November Café Morgenrot Anarchistischer Stammtisch der AFB 23. November FAU-Lokal I nfoveranstaltung: Massenproteste in Chile – Gewerkschafter berichten BAIZ A-Laden Experience: Prof. Howard Zinn – Schweigen heißt lügen 25. November Subversiv Soli-Party + Konzert für die Regionalföderation Ost der ASJ 28. November Tempest Library Discussion: Anarcha-feminism. Its current relevance to anarchism. 30. November FAU-Lokal Buchvorstellung: „Black Flame“

DEZEMBER 2. Dezember FAU-Lokal FAU: Wie funktioniert das? 8. Dezember Tempest Library Anarchistischer Stammtisch der AFB 9. Dezember FAU-Lokal Prekarisierungsdruck durch Hartz IV Bibliothek der Freien M ehr Anarchie in die Energie! Globale, dezentrale, libertäre, öko-soziale Energie-Versorgung statt atomare, fossile Verwendung von Rohstoffen 10. Dezember Zielona Gora S oli: „FAU-Tresen mit Lesung“. Uwe Neubauer liest als Stimme der Gefangenen Knastgeschichten 12. Dezember New Yorck A narchistisches Infocafé: „Umkämpfte (T)Räume – Libertäres Varieté in Kreuzberg“ – Vorbereitungstreffen zu einem Varieté im Mai 2012 14. Dezember BAIZ A -Laden Experience: BALLERMANN ’36 – Das Mallorca-Massaker 15. Dezember B-Lage S oli-Cocktail-Abend mit verschiedenen DJs für die Anarchistische Gruppe Neukölln Vetomat FAU: Infoveranstaltung „Arbeitskampf im Späti“ 16. Dezember FAU-Lokal ASJ Berlin: Beginn der „Jung und Billig“-Kampagne 17. Dezember Lunte ASJ Berlin: Tresen mit Vorstellung der „Jung und Billig“-Kampagne

 65 17. Dezember New Yorck S oliparty des Anarchistischen Infocafés: „Advent, Advent, ein Auto brennt – Soliparty für linke Infrastruktur“ 21. Dezember FAU-Lokal Diskussion: „Nacht über Europa?“ 28. Dezember FAU-Lokal Infoveranstaltung „Griechenland in Aufruhr“ 31. Dezember Moabit Anti-Knast-Demo

vERöffEnTLIchUngEn

Im Folgenden findet ihr eine Übersicht von Veröffentlichungen anarchistischer Bücher und Zeitschriften, die in Berlin erschienen sind, bzw. von berliner Gruppen oder Verlagen veröffentlicht wurden und einen anarchistischen Bezug haben.

Anarchosyndikalistische Jugend Berlin (ASJ-B) Schwarzes Kleeblatt: Ausgaben Nr. 1 – 6

Assoziation A Urtubia, Lucio: Baustelle Revolution. Erinnerungen eines Anarchisten

Anarchistische Föderation Berlin Dokument A: Berliner anarchistisches Jahrbuch 2010/2011

Edition Tiamat Debord, Guy: Ausgewählte Briefe 1957–1994

Espero Espero Nr. 67 – 69

Karin Kramer Verlag Mühsam, Erich: Befreiung der Gesellschaft vom Staat Bakunin, Michael:Ausgewählte Schriften. Hrsg. von Wolfgang Eckhardt. Band 1: Gott und der Staat (1871). 6. Aufl. Band 4: Staatlichkeit und Anarchie (1873). 3. Aufl. Band 6: Konflikt mit Marx. Teil 2: Texte und Briefe ab 1871. Kramer, Bernd / Steffem, Erik (Hrsg.): Erinnerungen an einen Unangepass- ten: Ludwig Nikolai Menkhoff (1923 – 2008) Seemann – Anarchist – Ikonenmaler

Libertäres Stadtmagazin Libertäres Stadtmagazin Ausgabe 3 (Januar 2011)

OPPO-Verlag Beyer, Wolfram (Hrsg.): Kriegsdienste verweigern – Pazifismus aktuell Libertäre und humanistische Positionen, 2. Aufl.

Verbrecher Verlag Mühsam, Erich: Tagebücher Band 1: 1910 –1911

66  gRUPPEnPORTRäTS gRUPPEnPORTRäTS A-Laden Gegründet wurde der A-Laden (Anarchisti- Die räumlichen Möglichkeiten (jetzt 43 qm, ehemals 105 scher Laden Berlin) im November 1987 von qm) geben eine Funktion als auch libertärer Stadtteilladen der Anarchistischen StudentInnen Initiative nicht mehr her und das Konzept des libertären Infoladens (AStI, seit 1984), der Projekt A-Gruppe Berlin hat sich durch die neue gesellschaftliche Kommunikati- und freischwebenden AnarchistInnen aus FAU, GWR und onskultur größtenteils überlebt – nur sinnvolle Aspekte anderen Zusammenhängen. davon werden weiterverfolgt. Auch unser umfangreiches Archiv wird noch einzudampfen sein (u.a. durch Digita- A-Laden / Freie Kultur Aktion e.V. lisierung und Weitergabe). Daher besinnt sich der Anar- Brunnenstr. 7 chistische Laden Berlin auf seine Kernkompetenzen und 10119 Berlin (Mitte) bietet Informationen, Kontakte und ReferentInnen zu ver- Öffnungszeiten: jeden Donnerstag von 18:00 bis 22:00 Uhr schiedenen libertären Themen an. (mindestens; außer an Feiertagen) und nach Absprache Veranstaltungen: http://venyoo.de/user/events/1627/ Monatlich finden mindestens zwei A-Laden-Veranstal- fkaev?m tungen unter dem Label „ALEx“ (A-Laden Experience) Verkehrsanbindung: U-Bahnhof Rosenthaler Platz (100 m) in der nahen Kulturschankwirtschaft BAIZ ( www.baiz. sowie diverse Busse und Tram. info ) und zusätzlich z. T. anderswo statt, neuerdings auch Telefon: Festnetz 030 - 228 052 37 mal im A-Laden selbst. Seit 11/2006 ca. 75 Veranstaltun- Telefon mobil 0176 - 204 594 18 (nur während Büchertisch- gen. Jährlich im August versacken auch wir im schwarzen Einsatz oder Ähnlichem) Sommerloch: keine Veranstaltungen, A-Laden aber auf! Bei original (!) O2-Handy-Anschlüssen (0176 / 0179) und ins Auf Absprache machen wir einen anarchistischen Lese- gesamte Festnetz können wir aus der Homezone kostenlos abend im A-Laden, bei dem wir uns nach Lust & Laune zurückrufen! (d.h. aus dem A-Laden) einen Text schnappen und beiläufig beim rundum Lesen Internet: diskutieren (Termine wechselnd: auf Anfrage). Web: www.A-Laden.org [last update 12.2007 - relaunch in Demnächst wollen wir versuchen auch mal mehrtägige Arbeit] Seminare zu einem Thema anbieten. www.myspace.com/aladenberlin E-Mail: [email protected] oder [email protected] Zudem betreiben wir seit Jahren die anarchistische sze- oder [email protected] nenübergreifende Terminplattform „Das TerminAtor“ für Berlin und Umland (www.terminAtorberlin.wordpress. Seid realistisch: Fördert das Unmögliche! com) – neueingerichtet, zur Zeit (1/2010) noch under con- Spendet was das Zeug hält! struction und wegen Geldmangel vorläufig out of print. Konto-Nr. 489 767 107 · BLZ 100 100 10 Ebenfalls under construction, aber in der vorhandenen Postbank Berlin Version 12/2007 noch online, ist www.A-Laden.org, die zu Freunde der direkten Aktion (FddA) einem interaktiven A-Wiki ausgebaut werden soll. Hiermit (Die monatlichen nackten Fixkosten des A-Ladens betra- gibt es auch aktuell Aktualisierungsprobleme, weil 12/2007 gen z. Zt. 300 Euro !) unser Freund und Genosse Uli gestorben ist, der den Kram gemanaged hat ... Ersatz als admin haben wir bisher noch Der A-Laden soll in den kommenden Jahren zum moder- nicht gefunden. nen anarchistisch-libertären Kompetenz- und Medienzen- Zusätzlich finden sich unsere Termine neben trum ausgebaut werden und somit einer zeitgemäßen Auf- www.squat.net/stressfaktor auch auf venyoo.de und bei gabe gerecht werden. Dafür fehlen bisher noch die Mittel. www.myspace.com/aladenberlin, sowie in verschiedenen Daher ist der Weg das Ziel und wir arbeiten perspekti- Programmplattformen und -zeitschriften. visch weiter. Das Konzept der anarchistischen Dezentrale bleibt weiter Mit der direkten Nachbarschaft zu den Vereinsräumlich- in dem Sinn aktuell, als der A-Laden sich als Knoten- und keiten des „Subversiv“ im ehemals besetzten Hauskomplex Vernetzungspunkt versteht, der undogmatisch PROpa- und seinen 80 BewohnerInnen fühlen wir uns gut aufge- gandistisch eine libertäre Lebensauffassung in die Stadt hoben und eingebunden in den erkämpften Freiraum einer Berlin, Umland und darüber hinaus ausstrahlen und die internationalen alternativen Gemeinschaft. weitgehende Unwissenheit über die Ideenwelt des politi- Der A-Laden hält, zum Teil engen, Kontakt zu den weitaus schen Anarchismus vermindern soll. meisten anderen libertären Gruppen Berlins.

 67 Abolishing the borders from below Diskussionen zu provozieren oder weiter zu führen. Wir (in 2011 nicht aktiv gewesen) versuchen auch Antirepressionsarbeit in einen Kontext zu Das Kollektiv Abolishing the Borders from Below gibt seit stellen, indem es darum geht, dass es nicht nur, wenn ein 2001 ein gleichnamiges anarchistisches Journal in engli- §129a gegen uns angewendet wird, es wichtig ist Antire- scher Sprache heraus. Das Magazin berichtet über, kom- pressionsarbeit zu machen, sondern dass dies immer mit mentiert und analysiert verschiedenste soziale, politische der Infragestellung des gesamten Knastsystems verbun- und kulturelle Ereignisse in Osteuropa aus anarchistischer den werden muss. Die Abschaffung aller Zwangsanstalten Perspektive und wird weltweit verkauft. Eine der Haupt- sehen wir nur innerhalb eines Prozesses, der die gesamten intentionen des Projekts ist, eine bessere Kommunikation aktuellen Zustände umwirft. und Vernetzung zwischen verschiedenen anarchistischen Für eine Gesellschaft ohne Knäste! Gruppen, Organisationen und Individuen in Europa und der Welt zu ermöglichen und anzuregen, aber auch, im Anarchist Black Cross Berlin westlichen Raum Interesse an sozialen Kämpfen, Gras- c/o M99, Manteuffelstrasse 99, 10997 Berlin wurzelinitiativen und der allgemeinen Situation in Ost- Web: www.abc-berlin.net europa zu wecken. Über die Zeitschrift hinaus organisiert E-Mail: [email protected] das Kollektiv verschiedene Solidaritätsaktionen, Informa- tionsveranstaltungen und kulturelle Events und nimmt Teil an lokalen wie auch globalen Kämpfen gegen jede Art Anarchist_innen aus deinem Kiez von Unterdrückung und für eine freie Gesellschaft. ABB Als kommunistische Anarchist_innen in ist ein Kollektiv, das ursprünglich von in Berlin lebenden Neukölln haben wir, Anarchist_Innen aus anarchistischen MigrantInnen aus Ost-Europa begründet deinem Kiez, ein breites Arbeitsfeld. Der wurde; inzwischen aber sind dort auch MigrantInnen aus sozialrevolutionäre Kampf steht im Vorder- anderen Teilen der Welt aktiv ebenso wie einige deutsche grund unserer Arbeit. AktivistInnen. Die Unterstützung von Inhaftierten, Begleitung bei Ge- richtsprozessen, Organisieren von Hilfen zu Repressions- Web: 2011 nicht erreichbar gewesen kosten über Solikonzerte und -tresen, Veranstalten von E-Mail: [email protected] Demonstrationen, Organisieren von Anti-Nazi-Protesten und Infoveranstaltungen sind weitere Felder unserer Ar- beit. Desweiteren versuchen wir die Theorie des Anarcha- Anarchist Black cross feminismus zu verbreiten und praktisch anzuwenden. Anarchist Black Cross Berlin ist ein anarchis- Zur Vernetzung anarchistisch geprägter Gruppen stellen tischer Zusammenschluss von Individuen, wir uns eine plattformistische Organisationsform vor (frei welche sich seit einigen Jahren zusammenge- nach der „Organisationsplattform libertärer Kommunis- funden haben und von einem gemeinsamen ten – ein Entwurf“). Hass gegen diese kapitalistische Gesellschaft und deren Formen des Wegsperrens geprägt sind. Unser Schwerpunkt liegt primär in der Unterstüt- Anarchistische föderation Berlin zung anarchistischer und sozialer Gefangener, tendenziell Die anarchistische Föderation Berlin (afb) von allen Gefangenen die sich gegen diese Gesellschaft der organisiert sich als hierarchiefreier Bund Ausbeutung und Vereinzelung wehren und ihren Kampf anarchistisch orientierter Gruppen und mit emanzipatorischen Inhalten füllen. Allerdings wollen einzelner Freund_Innen der Anarchie wir weder eine reine „Gefangenen-Unterstützungs“-Grup- auf Grundlage von Freiwilligkeit und pe sein, noch eine, die sich nur mit politischen Gefangenen Gemeinsinn. Voraussetzung dafür sind beschäftigt, weil wir generell alle Knäste, Abschiebeknäs- Offenheit, Transparenz und Kommunikation, sowie kon- te und jegliche Zwangsanstalten ablehnen: Sie sind keine tinuierliche Reflexion. Lösung für soziale Konflikte, welche aus der aktuellen Or- ganisierung der Gesellschaft entstehen. Auf Grund dessen Die afb besteht nun seit fast sechs Jahren. Die „Basis-Struk- ist es uns wichtig Antiknastarbeit zu machen, um zu ver- tur“ reift langsam zu einer echten Föderation. Die bishe- deutlichen, wieso Zwangsanstalten besser Baulücken sein rigen Gruppen – die Anarchistische Radiogruppe Berlin, sollten. Durch die Herausgabe einer drei-monatlichen Zei- die Bildungsgruppe und die GruppeX sowie B.O.N.E. – tung (der „Entfesselt“), in Form von Flyern und Broschü- sind, trotz unterschiedlich ausgeprägter Aktivitäten, wei- ren, die Organisierung von Aktionen wie Kundgebungen ter in der AFB föderiert (bzw. assoziiert). Im November und Demos vor Knästen, von Infoveranstaltungen zum 2011 stieß mit der Anarchistischen Gruppe Neukölln eine Thema Knastkritik und über Gefangene usw., versuchen weiteres föderiertes Mitglied hinzu. wir in der Szene und im Rest der Gesellschaft bestimmte

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Im Jahr 2011 wirkten wir sehr stark am Neuaufbau des Anarchistischer Stammtisch Forums deutschsprachiger Anarchist_innen (FdA) mit, in · Jeden 2. Donnerstag im Monat in der Tempest Library: dem verschiedene Gruppen aus der BRD und der Schweiz Reichenbergerst. 63a (Kreuzberg) organisiert sind. · Jeden 4. Dienstag im Monat im Café Morgenrot: Kastanienallee 85 (Prenzlauer Berg) Wir hoffen, die sich entwickelnden neuen Strukturen kön- Bitte unbedingt auf dem afb-Blog checken, ob beide nen die föderierenden Gruppen in ihrer Arbeit unterstüt- Termine stattfinden zen, ihren Austausch und das gemeinsame Nutzen von Ressourcen erleichtern und so auch für andere Gruppen Schwarz-bunte Seiten Berlin: interessant wirken. Was uns dabei umtreibt, ist auch der Web: www.schwarz-bunte-seiten-berlin.org/ Wunsch anarchistische Strukturen, die über die Größe E-Mail: [email protected] von einzelnen Gruppen oder Projektzusammenschlüssen hinausgehen, aufzubauen sowie anarchistisches Orga- nisieren von umfangreichen und komplexen Strukturen, Anarchistisches Infocafé wie es Grundlage von anarchistischen Gesellschaften sein Das Anarchistische Infocafé will Im- könnte, in der Praxis zu erproben und weiter zu entwi- pulse geben, wie eine herrschaftsfreie ckeln. Gesellschaft aussehen könnte und Wege zu ihrer Umsetzung aufzeigen. Büro: Anarchistische Föderation Berlin (afb) Dazu bietet es die Möglichkeit, emanzipative Ideen und New Yorck im Bethanien Aktionen vorzustellen, herrschaftskritische Bewegungen Mariannenplatz 2a in vergangenen und heutigen Zeiten zu untersuchen und 10997 Berlin so nicht nur unsere Vorstellungen von einer herrschafts- Offenes Plenum: 1. Sonntag des Monats 16 Uhr freien Gesellschaft zu hinterfragen, sondern auch Orga- Web: afb.blogsport.de nisierungs- und Aktionsformen vorzustellen. Zusammen E-Mail: [email protected] mit anderen Gruppen sind wir Teil des Hausprojekts NewYorck59 und arbeiten gemeinsam an der Gestaltung Gruppen und Projekte der AFB: eines selbstverwalteten sozialen, kulturellen und politi- GruppeX schen Zentrums im Bethanien von unten. E-Mail: über die AFB-Adresse erreichbar Wir machen regelmäßig jeden 2. und 4. Montag im Monat Bildungsgruppe Veranstaltungen und vegane Vokü. Ab 18:00 Uhr gemein- Workshop zum Thema Herrschaftskritik sames Kochen zum Mitmachen und Kennenlernen. Essen E-Mail: [email protected] und Veranstaltungen dann ab 20 Uhr.

B.O.N.E. Anarchistisches Infocafé Lese- und Diskussionsgruppe New Yorck im Südflügel vom Bethanien Treffen im New Yorck im Bethanien: 1. Mittwoch im Monat Mariannenplatz 2a Web: www.bone-net.de 10997 Berlin E-Mail: [email protected] Web: anarchistischescafe.blogsport.de E-Mail: a-infocafé@riseup.net Anarchistische Radiogruppe Berlin Web: aradio.blogsport.de/ E-Mail: [email protected] Anarchosyndikalistische jugend Berlin Die Anarchosyndikalistische Jugend Berlin Anarchistische Gruppe Neukölln versteht sich als Kultur- und Kampforgani- Die Anarchistische Gruppe Neukölln gründete sich im sation nach Selbstverwaltung strebender Ju- Herbst 2010. Ein wichtiger Grund war auch das Bedürfnis gendlicher. Ziel ist es, die gesellschaftliche unsere verschiedenen Erfahrungen, die wir in Initiativen, Selbstverwaltung in allen Lebensbereichen umzusetzen, Gruppen und anderen Zusammenhängen an verschiede- um so letztendlich eine Gesellschaft ohne Herrschaft des nen Orten gesammelt haben, zu diskutieren und gemein- Menschen über den Menschen zu verwirklichen. Ihre Mit- sam für die Perspektive einer herrschaftsfreien und soli- glieder setzen sich zusammen aus SchülerInnen, Studie- darischen Gesellschaft zu streiten. renden, Auszubildenden und jungen Menschen mit und Seit November 2011 ist sie in der afb föderiert. ohne Arbeit. In unserer alltäglichen Arbeit organisieren Web: anarchistische-gruppe.org sowie auf wir sowohl kulturelle Veranstaltungen wie z.B. Lesungen, linksunten.indymedia.org/user/411/blog Info- und Diskussionsabende, Filmvorführungen, Konzer- E-Mail: [email protected] te und Partys, aber auch unsere eigenen Bedürfnisse z.B.

 69 in Bildungseinrichtungen, am Arbeitsplatz, etc. Die Mittel freie ArbeiterInnen Union Berlin zur Durchsetzung unserer Bedürfnisse wählen wir selbst und gemeinsam. Dabei können Demonstrationen, Kund- gebungen und Veranstaltungen, aber auch direkte Akti- onen wie Blockaden, Streiks und Besetzungen eine Rolle Die Freie ArbeiterInnen Union (FAU-IAA) ist eine anarcho- spielen. Es erscheint uns als sinnvoll und notwendig all- syndikalistische Selbstorganisation von ArbeiterInnen tägliche politische, soziale und ökonomische Kämpfe mit mit dem Ziel einer herrschaftsfreien, auf Selbstverwaltung unseren herrschaftsfreien Ideen und Anschauungen zu begründeten Gesellschaft. Wir Anarcho-SyndikalistInnen verknüpfen. Wenn Du also deine Interessen und Bedürf- haben die herrschaftsfreie, auf Selbstverwaltung begrün- nisse nicht mehr anderen überlassen, sondern selbst han- dete Gesellschaft als Ziel. Die Selbstbestimmung in allen deln willst, komm zu uns! Lass uns kreativ daran arbeiten Lebensbereichen ist die grundlegende Idee des Anarcho- und gemeinsam und solidarisch Lösungen finden. Syndikalismus. Es ist Zeit sich zu organisieren, denn allein machen “sie” Daher lehnen wir die Organisation unserer Interessen in dich ein. zentralistisch aufgebauten Organisationen ab, da diese stets Machtkonzentration und Hierarchie bedeuten. We- Anarchosyndikalistische Jugend Berlin der soll, noch kann mensch mit StellvertreterInnen-Politik Plenum jede Woche Dienstags 18.00 Uhr wie sie z.B. von reformistischen Gewerkschaften, Parteien FAU-Lokal und Kirchen betrieben wird, unsere Interessen durchset- Lottumstraße 11 zen. 10119 Berlin Dagegen sind wir direkt und indirekt lohnabhängigen (U2 Rosa-Luxemburg-Platz / U8 Rosenthaler-Platz) Menschen für Selbstorganisation in unabhängigen Be- Web: http://asjberlin.blogsport.de/ triebs-, Branchen und Ortsgruppen. Diese sind bundesweit E-Mail: [email protected] (in der FAU) und international (in der IAA - Internationale ArbeiterInnen Assoziation) zusammengeschlossen. Zur Durchsetzung unserer Ziele und Forderungen dienen Bibliothek der freien uns sämtliche Mittel der Direkten Aktion, wie z. B. Beset- Seit Dezember 1993 gibt es eine an- zungen, Boykotts, Streiks etc. Im Gegensatz dazu lehnen archistische Bücherei in Berlin, zu- wir die parlamentarische Tätigkeit in jeglicher Form ab. nächst unter dem Namen BARBA- Mit dieser Art von Organisation verbinden wir die Mög- TA, seit August 1996 als Bibliothek lichkeit, Vereinzelung und Perspektivlosigkeit aufzuheben der Freien. Ziel der Bibliothek ist es, und so für eine revolutionäre Veränderung auf freiheitli- Publikationen zur anarchistischen Theorie und Praxis der cher Grundlage zu kämpfen. interessierten Öffentlichkeit zugänglich zu machen und Da die Macht und die Stärke des kapitalistischen Systems auf diese Weise zur Kenntnis der libertären Ideen beizu- in der privaten bzw. staatlichen Verfügungsgewalt über tragen, deren Relevanz und Aktualität gerade in Deutsch- die Produktionsmittel und in der tagtäglichen Ausbeutung land noch immer unterschätzt wird. Unsere Bibliothek um- der arbeitenden Klasse begründet sind, ist der ökonomi- fasst mehr als 3000 Bücher und Broschüren zu Geschichte sche Bereich der Hauptansatzpunkt für den antikapitalis- und Gegenwart des internationalen Anarchismus und ca. tischen Kampf. 500 aktuelle und verblichene libertäre Zeitschriftentitel. Revolutionäre Arbeit in den Betrieben trifft den Kapita- Bedeutsam ist auch der Archivbereich, der zur Zeit 10 lismus nicht nur in seinen Erscheinungsformen, sondern Archivfonds umfasst, unter anderem zum Anarchismus an seiner Wurzel. Diese Arbeit kann nur erfolgreich sein, im Spanischen Bürgerkrieg und zum anarchistischen wenn in allen gesellschaftlichen Bereichen gleichzeitig re- Widerstand in der Nazizeit. Zur Beratung steht während volutionäre Arbeit geleistet wird, da alle Kämpfe in einer der Öffnungszeiten immer jemand zur Verfügung. Wechselbeziehung zueinander stehen.

Öffnungszeiten: freitags 18 – 20 Uhr & nach Vereinbarung FAU Berlin Veranstaltungen in der Regel am letzten Freitag im Monat. Lottumstraße 11 10119 Berlin Bibliothek der Freien (U2 Rosa-Luxemburg-Platz / U8 Rosenthaler-Platz) Anarchistische Bücherei im Haus der Demokratie Telefon: +49 (0) 30 287 008 04 Greifswalder Str. 4, 2. Hof, Raum 1102 Fax: +49 (0) 30 287 008 13 10405 Berlin-Prenzlauer Berg Offenes Büro: Freitags 16 – 20 Uhr Web: www.bibliothekderfreien.de Web: www.fau.org E-Mail: DieFreien@BibliothekderFreien E-Mail: faub(a)fau.org

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Libertäres Stadtmagazin NEA-North East Antifascists c/o Buchladen Schwarze Risse Kastanienalle 85 10435 Berlin Das Libertären Stadtmagazin berichtet über Wohnpro- Web: nea.antifa.de jekte, selbstorganisierte Betriebe, demokratische Schulen, E-Mail: [email protected] Stadtteilräume und antiautoritäre Kinderläden in Berlin und Brandenburg und über einiges mehr. Beim LiS können alle mitmachen, die sich mit den Idealen Tempest Library der Herrschaftsfreiheit und Selbstorganisation identifizie- Put simply, Tempest is a multi-lingual ren, also auch du. anarchist library. Situated in 63a Rei- chenbergerstrasse, it contains books, Libertäres Stadtmagazin Berlin (LiS) pamphlets and texts relating to the Zwille – TU-Berlin, Z-Gebäude, 3. OG theory and history of anarchist and social struggles. Fasanenstr. 1 · 10623 Berlin-Charlottenburg Web: www.stadtmajazin.de But the intention behind Tempest was, and still is, to be more than a library, reproducing the texts one will see time and time again in any radical library, and manipula- north East Antifascists ting thought in a vacuum completely ostracised from rea- Als Gruppe hat sich die NEA-North East lity. The desire is to move beyond its four walls, acting and Antifascists im Sommer 2007 formiert. reacting to the fluidity of social situations we, as part of a Den Anstoß für diesen Schritt war die brutally oppressed majority, find ourselves in. Diskussion darüber, wie sich linksra- dikale Politik in den Berliner Bezirken There is space to meet, discuss, give presentations and Weißensee, Prenzlauer Berg und Pankow wieder sichtba- show films. Ideas, be they for change or continuation, are rer gestalten lässt. Nicht dass es gerade in dieser Gegend welcomed, and there is always space for critique of the nicht schon eine Vielzahl an Gruppen gäbe, nur bleiben project and its space. As the logic of so many left-radi- hier auch viele der bestehenden Strukturen hinter ihren cal spaces demands that one goes to them, Tempest looks Möglichkeiten zurück und auch die Thematisierung ande- to leave its cave and venture out, covering the streets of rer Missstände außer „Nazis“ bleibt arg auf der Strecke. Capital’s with signs of rebellion. Um dem Fortschritt in den Sattel zu helfen, arbeiten wir seitdem theoretisch und praktisch in den verschiedenen Being a legal space, individual monthly donations cover linken und linksradikalen Aktionsfeldern. Der Streit über the rent, and irregular benefit parties help with additional Begrifflichkeiten und ideologische Befindlichkeiten sind costs. Of course, more money is always welcomed, so if für uns nicht so wichtig, dafür sind wir und dazu ist die you are interested in contributing just get in touch via the radikale Linke in der BRD gesamtgesellschaftlich zu unbe- website or drop by. deutend. Selbst verstehen wir uns als radikal und emanzi- patorisch. Dass wir unseren Platz in diesem Heft gefunden Opening hours: haben, lässt allerdings schon tief blicken, wessen Geistes Tuesday & Thursday: 16:00 – 20:00 Kind wir sind. Staatsapologeten und Nationenfreunde Friday & Sunday: 14:00 – 18:00 wird mensch bei uns schwer finden. Einen Staatskapita- Web: www.tempestlibrary.com lismus wie er im Ostblock lange existierte, als Alternative zum Kapitalismus ist für uns z.B. nicht so das Gelbe vom Ei.

Die Basisorganisierung z.B. im Räteprinzip schmeckt uns wesentlich mehr. „Libertär“ als bindende politische Selbstdefinition zwischen den Anarchist_Innen und Kom- munist_Innen innerhalb der Gruppe ist daher etwas allge- mein, aber auch sehr treffend. Wir stehen ein für eine Welt fernab von Kapitalismus und für eine solidarische und be- freite Gesellschaft, ohne Konkurrenz und Leistungsdruck sowie Verwertungszwang.

Anarchism & Libertarian Communism – One-way ticket to freedom!

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