Hessische Landeszentrale für politische Bildung

Blickpunkt Hessen

Walter Mühlhausen

Revolution über Hessen –

Demokratie- gründung 1918/19

Nr. 25 / 2018 Revolution über Hessen – Demokratiegründung 1918/19

Verfasser:

PROF. DR. WALTER MÜHLHAUSEN (geb. 1956 in Eichenberg/Nordhessen), Geschäftsführer und Mitglied des Vorstands der Stiftung Reichspräsident-Friedrich-Ebert-Gedenkstät- te in Heidelberg. Er lehrt nebenberufl ich als apl. Professor an der Technischen Uni- versität Darmstadt und ist unter anderem Mitglied der Kommission für Politische und Parlamentarische Geschichte des Landes Hessen beim Hessischen Landtag. Diese Veröffentlichung stellt keine Meinungsäußerung der HLZ dar. Für die inhaltlichen Aussagen tragen die Autoren die Verantwortung.

Blickpunkt Hessen In dieser Reihe werden gesellschaftspolitische Themen als Kurzinformationen aufgegriffen. Zur Themenpalette gehören Portraits bedeutender hessischer Persönlichkeiten, hessische Geschichte sowie die Entwicklung von Politik und Kultur. Die Schriftenreihe „Blickpunkt Hessen“ erscheint als Eigenpublikation der Hessischen Landeszentrale für politische Bildung, Taunusstraße 4–6, 65183 Wiesbaden

Herausgeberin: Angelika Röming Gestaltung: G·S Grafi k & Satz GbR, Wiesbaden, www.grafi ksatz.de Druck: mww.druck und so GmbH, Mainz-Kastel Erscheinungsdatum: Mai 2018 Aufl age: 2.000 ISSN: 1612-0825 ISBN: 978-3-943192-45-2

Bildnachweis: Archiv der sozialen Demokratie, Bonn: S. 13 (6/FOT A 119801), S. 22 (6/FOT B 002610) Historisches Museum der Stadt Frankfurt a. M.: S. 18, S. 30 (Repros: Horst Ziegenfusz) Institut für Stadtgeschichte Frankfurt a. M.: S. 2, S. 10, S. 20 Medienzentrum Hanau – Bildarchiv: S. 29 Stadtarchiv Darmstadt: S. 4, S. 8 (jeweils ST 53) Stadtarchiv Kassel: S. 14 (0.552.296, Fotograf: Carl Eberth) Stadtarchiv Oberursel: Umschlag/S. 9 (Slg. III 35_1) Stadtarchiv Wetzlar: S. 24 (Sammlung Plakate: Erster Weltkrieg), S. 25 (Sammlung Fotos: Ereignisse) Revolution über Hessen – Demokratiegründung 1918/19

„Revolution!“ schlagzeilte der „Hes- französische Zone und somit an sische Volksfreund“, die Zeitung der das später gegründete Land Rhein- Darmstädter SPD, am 8. November land-Pfalz wie das einstmals zu 1918.1 Die wenige Tage zuvor von Hessen-Darmstadt zählende links- den revoltierenden Matrosen der rheinische Rheinhessen und vier Kriegsmarine an Nord- und Ostsee nassauische Kreise rechts des entfachte, von der kriegsmüden, Rheins, die in der nachfolgenden ausgehungerten und demoralisier- Betrachtung keine Berücksichti- ten Bevölkerung durch das Land gung fi nden. getragene revolutionäre Fackel Im nunmehr fünften Kriegsjahr, loderte nun auch in den hessischen nachdem von der militärischen Gebieten. Ausgangspunkt war die Führung Ende September 1918 die Meuterei in den Marinestützpunkten Niederlage eingestanden worden der Nord- und Ostsee, wo sich die war, brach sich eine nach Frieden, Marinesoldaten gegen den Befehl Freiheit und Brot sehnende Um- der Seekriegsleitung stellten, zu sturzbewegung Bahn. Eine der ein- einem letzten Gefecht, das den si- drucksvollsten Kundgebungen fand cheren Untergang bedeutet hätte, am Nachmittag des 8. November auszulaufen. in Offenbach statt, wo mehrere Das heutige Hessen umfasste zu Tausend ihre Arbeit niederlegten diesem Zeitpunkt, am Ende des und auf dem Alice-Platz zusammen- Ersten Weltkriegs, Gebiete vier strömten, um unter sozialdemokra- unterschiedlicher Territorien: tischer Führung Waffenruhe und die zum dominierenden größten Demokratie zu fordern.2 Selbst in Flächenstaat Preußen gehörende kleineren Städten artikulierte sich Provinz Hessen-Nassau mit der Protest: In Oberursel gingen am Hauptstadt Kassel, unterteilt in die gleichen Tag 1.000 Arbeiter einer Regierungsbezirke Kassel (vormals Motorenfabrik auf die Straße und Kurhessen) und Wiesbaden (vor- verlangten eine bessere Versorgung mals Nassau), das Großherzog- und eine Änderung der politischen tum Hessen(-Darmstadt) sowie das Verhältnisse: Es ging ihnen um die halbsouveräne, aufgrund eines Republik.3 In der Heimat und an der Akzessionsvertrages in preußischer Front griff immer mehr Kriegsver- Abhängigkeit stehende Fürsten- drossenheit um sich, getragen von tum Waldeck-Pyrmont und den der Erkenntnis, dass der Frie den zur preußischen Rheinprovinz zu- nicht mit denen erreicht werden gehörigen Kreis Wetzlar, der konnte, die Deutschland im August 1932 zu Hessen-Nassau kam. Das 1914 sehenden Auges leichtfer tig in sind im Wesentlichen die Teile, den Weltenbrand geführt hatten. aus denen 1945 das Land Groß- Das alte Reich brach im revolutio- Hessen geschaffen werden sollte, nären Sturm wie ein Kartenhaus zu- unter Verlust von Gebieten an die sammen.

Blickpunkt Hessen – Revolution über Hessen 1 Nicht alle erkannten die Zeichen glaube. In den Nachmittagsstun den der Zeit: Am 8. November ging des 8. November trafen sich in der Landtag im Großherzogtum Darmstadt politische und militäri- Hessen noch mit der Zuversicht aus- sche Vertreter zu einer Besprechung einander, sich am 12. November über die Lage, der auch Großher- wieder zu versammeln.4 Ein Irr- zog Ernst Ludwig beiwohnte, der

Der Aufruf des von der USPD gebildeten provisorischen Aktionskomitees in Frankfurt vom Morgen des 9. November 1918 verkündet: „Der große Wellenschlag der Völkerbefreiung hat auch Frankfurt erfasst.“

2 Blickpunkt Hessen – Revolution über Hessen es – in Verkennung der Zuspitzung wurde Reichskanzler; sein Mitvor- der Situation – erst einen Tag zuvor sitzender, der gebürtige Kasseläner für notwendig erachtet hatte, aus Philipp Scheidemann, rief von einem Schloss Wolfsgarten in der Nähe Balkon des Reichstages die Republik von Langen in die Landeshaupt- aus und versetzte damit der bereits stadt zurückzukehren. Bei dieser auf dem Totenbett aufgebahrten Zusammenkunft skizzierte der Monarchie den fi nalen Stoß. Gewerkschaftsfunktionär und Der Systemwechsel vollzog sich SPD-Stadtverordnete Heinrich wie in auch in Hessen ohne Delp die Stimmung innerhalb der größere Kämpfe und Verwerfungen: Arbeiterschaft als ruhig und be- „[Es] hat jetzt bei uns eine große Um- sonnen und der Stadtkommandant wälzung stattgefunden […]. Deutsch- malte das Bild von Disziplin und 5 land ist kein Kaiserreich mehr, es ist Ordnung in den Kasernen. Eine mit einem Schlag demokratisiert. eklatante Fehleinschätzung. Denn […] es verläuft alles ruhig und ohne kurz darauf traf die Nachricht ein, Blutvergießen“, schrieb ein Gries- dass auf dem Truppenübungs- heimer am 10. November 1918 platz in Griesheim vor den Toren seinem Sohn an der Front, ohne das Darmstadts die dort stationierten Wort „Revolution“ zu gebrauchen.8 Reserveeinheiten einen Soldatenrat Aber es war eine. Und der Krieg gebildet hatten. Von Griesheim, der endete. Am 11. November wurde „Keimzelle der Revolution“ im Groß- der Waffenstillstand unterzeichnet. herzogtum6, griff die Revolte rasch auf die Darmstädter Garnison über. An diesem Tag verstarb der letzte Am Abend wollten Soldaten das Kriegstote aus Hanau in einem Neue Palais stürmen und den Groß- Lazarett in Ratzeburg, wo er seinen im Mai des Jahres auf der Krim er- herzog festsetzen, was Delp mit 9 einer Beschwichtigungsrede gerade haltenen Verwundungen erlag. noch zu verhindern wusste. Das Ende der Monarchie stand un- mittelbar bevor. Der 9. November 1. Zu spät: Reformen sollte den Systemwechsel bringen, im Reich und in Hessen denn es war keineswegs nur eine „Massenkomödie, ausgeführt von Die Erosion der Heimatfront ab dummen Jungens“, wie der Direktor dem Jahreswechsel 1916/17 wurde des Frankfurter Lebensmittelamtes durch den Unwillen der Regierung in totaler Verkennung von Wucht zu demokratischen Reformen, wie und Breite der revolutionären Be- sie vor allem die SPD forderte, zu- wegung am 9. November 1918 in sätzlich angefacht. Denn zu mehr sein Tagebuch schrieb.7 Dieser Tag als unverbindlichen Absichts- beendete das deutsche Kaiserreich erklärungen war der Kaiser nicht nach fast 48 Jahren – unumkehrbar. zu bewegen. Die hessische Sozial- Die zentralen Entscheidungen demokratie unternahm Ende April fi elen in Berlin. Der letzte kaiser- 1917 im darmstädtischen Landtag liche Reichskanzler Prinz Max von einen Vorstoß zur Einführung des Baden verkündete eigenmächtig allgemeinen und gleichen Wahl- die Abdankung des sich lange rechts und fand hierin die Unter- sträubenden Kaiser Wilhelm II.; der stützung der liberalen Fortschritts- SPD-Vorsitzende partei. Wie auch auf Reichsebene,

Blickpunkt Hessen – Revolution über Hessen 3 wo sich Zentrum, Liberale und großen Streiks in den Berliner Sozialdemokraten im Juli 1917 zum Muniti onsbetrieben ausgehende Interfraktionellen Ausschuss als Signal erreichte auch die Provinz. einem informellen Kooperations- Etwa 10.000 Arbeiter traten in Kas- gremium zusammenfanden und sel in den kurzfristigen Ausstand ihre Politik – wenn auch ohne große und brachten in zahlreichen Ver- Durchschlagskraft – abstimmten, so sammlungen ihre Friedenssehnsucht brach auch im Hessischen die Front- zum Ausdruck.10 Die Streiks vom Ja- stellung der bürgerlichen Parteien nuar 1918 waren Ausfl uss sich ver- gegenüber den Sozialdemokraten schärfender Klassenspannungen auf, die man in der Vorkriegszeit als und Vorboten der Revolution zehn Landesverräter ausgegrenzt hatte. Monate später, als sich Unmut und Im Oktober 1917 erfolgte die Ein- Friedensdrang endgültig Bahn bra- setzung eines von allen Fraktionen chen, denn Durchhalteparolen und des großherzoglichen Landtages Verherrlichung des Massensterbens beschickten 14-köpfi gen Ver- als „Heldentod für das Vaterland“ er- fassungsausschusses. Aber dieser reichten die Bevölkerung nicht mehr. sollte auf die weitere verfassungs- Am 26. Oktober verkündete der hes- rechtliche Entwicklung keinen nach- sische Staatsminister Carl von Ewald haltigen Einfl uss ausüben, denn erst die Bereitschaft Ernst Ludwigs zur ein Jahr später zeigte sich das groß- demokratischen Fortentwicklung. herzogliche Staatsministerium zu Damit folgte das Großherzogtum politischen Reformen bereit. In der dem Reich. In Berlin war Anfang Zwischenzeit verschlechterte sich Oktober unter Prinz Max von Baden die Lage sowohl an der Front als die erste parlamentarisch gestützte auch in der Heimat dramatisch. Regierung aus der Taufe gehoben Zu Beginn des Jahres 1918 erschall te worden: Ihr gehörten erstmals auch der Ruf nach Frieden, Freiheit und Sozialdemokraten an, unter ihnen Brot immer lauter. Das von den Philipp Scheidemann. Mit den Ende

November 1918: Massendemonstration auf dem Luisenplatz in Darmstadt.

4 Blickpunkt Hessen – Revolution über Hessen Oktober verabschiedeten Reformen schen Republik“ eine neue Zeit.13 verankerte die Regierung die lang Einen Tag später machte sich eine angemahnte Demokratisierung. SPD-Delegation aus der nord- Doch die Neuorientierung im Reich hessischen Kreisstadt Eschwege und der Reformwille des Groß- nach Kassel auf, um Näheres über herzogs kamen viel zu spät, als die Lage zu erfahren und um sich dass beides in der kriegsmüden, der „Bewegung, die sich gegen- ausgehungerten und von einer wärtig im Reich vollziehe“, anzu- 14 weiteren Welle der todbringenden schließen. Die „Bewegung“ – das Spanischen Grippe heimgesuchten war nichts weniger als der Um- Bevölkerung noch auf irgendeinen sturz, der in größeren und mittleren nennenswerten positiven Wider- Städten schon zur Übernahme der hall stieß. So besaßen die Worte Macht durch spontan gebildete des hessischen SPD-Führers Carl Arbeiter- und Soldatenräte geführt Ulrich große Berechtigung, als er hatte, auch in Kassel. Doch die am 29. Oktober 1918 vor dem Land- Eschweger wandten sich nicht an tag auf demokratische Reformen den einen Tag zuvor in der Provinz- drängte und mit gutem Grund be- hauptstadt gebildeten Arbeiter- haupten konnte, dass man des und Soldatenrat als der nun ent- Öfteren mit Entscheidungen „zu scheidenden Instanz der neuen Zeit, spät gekommen“ sei.11 Es war in der sondern – mit obrigkeitsstaatlichem Tat zu spät, viel zu spät. Oder mit Pfl ichtbewusstsein – an den noch den Worten Ulrichs in seinen Er- im Amt befi ndlichen (königlichen) innerungen: „Es ging im Galopp“, Regierungspräsidenten. Der Staats- aber es „war vergebliche Arbeit“.12 diener, der sich bereits den neuen Gegebenheiten gefügt hatte, er- Die Chance für ein durch Reform läuterte die Lage, entließ die sozial- von oben eingeleitetes Hinüber- demokratischen Kundschafter mit gleiten in die Demokratie war ver- dem Hinweis, dass der zu bildende spielt. Der am 8. November von Arbeiter- und Soldatenrat in Esch- Ernst Ludwig eingesetzte Allpartei- wege für den dortigen Kreis zu- en-Staatsrat trat zwar am Mittag des ständig sein müsse und dem zentra- 9. November zusammen, erlangte len Revolutionskomitee in Kassel aber keine Bedeutung mehr. unterstehe. Wie aufgetragen, kon- stituierte sich am nächsten Tag in Eschwege ein revolutionäres 2. Der Umsturz in den Organ. Die Revolution hielt damit auch im Werrastädtchen Einzug, hessischen Landen so ganz und gar nicht romantisch- „Eins, zwei, drei: Im Sauseschritt. Eilt revolutionär mit dramatischer Zu- die Zeit; wir eilen mit. […] Deutsch- spitzung, sondern eher wie ein ver- land marschiert zur Volksrepublik. waltungsmäßiger Akt. […] Die Totenglocke des Herr- In den Tagen um den 9. November schaftsstaates läutet. Die neue Zeit 1918 rissen Arbeiter- und Soldaten- bricht an!“ Mit diesen lyrischen Zei- räte die Macht an sich. Den Anstoß len verkündete die „Volksstimme“, gaben vor Ort stationierte oder von die Tageszeitung der Frankfur ter außen in die Städte einziehende SPD, am 9. November 1918 unter Soldaten. In der Mehrzahl stellten der Überschrift „Voran zur deut- sich die weithin von der Revolution

Blickpunkt Hessen – Revolution über Hessen 5 überraschten sozialdemokratischen 9. November ein Arbeiter- und und gewerkschaftlichen Funktionäre Soldatenrat unter Führung der umgehend an die Spitze der Be- Mehrheitssozialdemokratie zu- wegung, um sie zu steuern und sammengefunden, die als eine ein Abgleiten in Chaos und Des- traditionell gemäßigte Kraft organisation zu vermeiden. Oft großen Einfl uss auf die Ent- agierten dabei Vertreter der SPD wicklung ausübte. Der zentrale gemeinsam mit Vertretern der Un- Rat erklärte sich schon bald für abhängigen Sozialdemokratischen ganz Kurhessen zuständig. Am 12. Partei Deutschlands (USPD). Die November wurde die Einsetzung USPD hatte sich 1917 aus Gegner- einer parlamentarischen Vollver- schaft zur Burgfriedenspolitik ab- sammlung aus je 300 Soldaten gespalten. Ihnen gegenüber stand und Arbeitern beschlossen. Wie in die an dem Kurs festhaltende alte Kassel, so geschah es auch andern- SPD, die seither „Mehrheitssozial- orts in Hessen. demokratie“ genannt wurde. Nach der Bildung eines Soldaten- Die Revolution verlief in Hessen rates in Griesheim kam es in Darm- wie im Reich ohne Donnerhall stadt in der Folge einer Kund- und Kämpfe. Kassels liberaler gebung der Arbeiterschaft am Oberbürgermeister Erich Koch- Vormittag des 9. November zur Weser notierte sachlich-kühl zum Formierung eines Arbeiter- und 9. November in sein Tagebuch: „Das Soldatenrates, bestehend aus also war der denkwürdige Tag, an vier Sozialdemokraten und einem dem die alte Ordnung hier so be- bürgerlichen Vertreter. In Offen- schämend zusammengebrochen ist. bach organisierten Sozialdemo- […] Der Arbeiter- und Soldatenrat ist kraten und Gewerkschafter am 8. gegründet und hat die Herrschaft in November eine große Friedens- der Stadt an sich genommen. Auch kundgebung, auf der auch die militärischen Behörden haben politische Forderungen erhoben sich gefügt. Die Sache ist in der wurden. Am Abend erklärte sich Form vor sich gegangen, dass hier ein Arbeiter-Aktionsausschuss um- heute Morgen aus Köln Soldaten gehend zur neuen Macht in der angekommen sind, die die Bahn- Lederwarenstadt, tags darauf hofswache, die angeblich aus zuver- fanden sich SPD, USPD und auch lässigen Leuten der Garnison be- Liberale zu einem Arbeiter- und stand, entwaffnet haben, ohne auf Soldatenrat zusammen. Widerstand zu stoßen. […]. Dann In Frankfurt gaben meuternde haben sie die Militärgefangenen be- Matrosen, die „Sturmvögel der freit. Inzwischen hat sich auch die Revolution“16 – die ersten 150 mit hiesige Garnison und die hiesige dem Zug am Abend des 7. Novem- Arbeiterschaft auf den gleichen ber eintreffend –, das Signal für den 15 Standpunkt gestellt.“ Umsturz. Massendemonstrationen Im militärischen Zentrum Kassel, in folgten. Nach heftigen Auseinan- dessen Schloss Wilhelmshöhe die dersetzungen zwischen den sich Oberste Heeresleitung (OHL) un- befehdenden sozialdemokratischen ter Generalfeldmarschall Paul von Lagern, wobei die USPD die Füh- Hindenburg am 14. November rung für sich beanspruchte und Quartier beziehen sollte, hatte eine Kooperation mit den wegen sich in der Nacht vom 8. auf den ihrer Beteiligung an der Regierung

6 Blickpunkt Hessen – Revolution über Hessen Max von Baden als „Kaiser-Sozia- sammlungen paritätisch aus SPD listen“ abqualifi zierten Mehrheits- und USPD gebildeten Arbeiterrat sozialdemokraten ablehnte, konsti- erste Maßnahmen zur Sicherung tuierte sich ein von SPD und USPD der Macht ergriffen. Doch die paritätisch beschickter Revolutions- Herrschaft des gemeinsamen rat. Dieser ließ sich am 18. Novem- Revolutionsorgans, der für sich die ber auf einer regionalen Konferenz vollziehende Gewalt beanspruchte, als südhessische Zentrale legitimie- währte nur fünf Wochen, bis am ren und scheint weit über Nassau 13. Dezember gemäß Waffenstill- hinaus die Führung beansprucht zu standsabkommen französische Be- haben. Offensichtlich kam es in der satzungstruppen einmarschierten. Folge zum Kompetenzgerangel Sie bestimmten von nun an die Ge- mit der neuen Darmstädter Regie- schicke der Stadt und lösten so- rung unter dem Sozialdemokraten gleich den Arbeiter- und Soldaten- Carl Ulrich, der in der dritten Revo- rat und die zur Sicherheit gebildete lutionswoche die nachgeordneten Volkswehr auf. Behörden aufforderte, Weisungen In dem auch von Matrosen revolu- von außerhessischen Arbeiter- und tionierten Gießen vereinigte sich Soldatenräten, explizit aus dem der Soldatenrat mit dem im Ge- preußischen Frankfurt, nicht zu be- werkschaftshaus von je drei SPD- folgen. Diese seien überhaupt nicht und USPD-Männern gebildeten befugt, in „unsere hessische Ver- 17 Arbeiterkomitee am Abend des waltung einzugreifen“. 9. November zum Arbeiter- und Am 14. November hatten sich die Soldatenrat. Hier in der großher- hessen-darmstädtischen Arbeiter- zoglichen Universitätsstadt wie und Soldatenräte zu ihrer ersten auch an anderen Orten sammelte Landeskonferenz in Offenbach ver- sich das Bürgertum mit einiger sammelt und ihrerseits erklärt, der Zeitverzögerung in sogenannten Darmstädter Zentrale zu unter- „Bürgerräten“ zur Wahrung seiner stehen. In Darmstadt residierte als Interessen gegenüber den neuen Landesorgan ein durch Vertreter Machtinstitutionen der Arbeiter- aus den drei Provinzen und der bewegung. Sie sollten, so die Auf- vier größeren Städte erweiterter fassung nicht nur in Wiesbaden, „Hessischer Arbeiter-, Bauern- und als ein bremsender „Klotz in der Soldatenrat“, der sich dann am Umwälzung“ fungieren, also den 9. Dezember 1918 aufgrund der Weg nach links verhindern.18 Wie im Waffenstillstand verfügten Ent- in Wiesbaden, so sah der zehn- militarisierung der neutralen Zone köpfi ge Wetzlarer Revolutionsrat, und dem damit verbundenen Trup- in dem neben drei Soldaten vier penabzug aus diesen Gebieten als Vertreter der USPD und drei der „Hessischer Landesvolksrat“, eben SPD saßen, keine Notwendigkeit ohne Soldatenvertreter, konstituier- zur Kooperation mit dem am te. 22. No vember zur Bündelung der In Wiesbaden formierten sich, an- Interessen des Bürgertums ge- gefeuert von aus Köln gekommenen bildeten Bürgerrat, was zu einer Marinesoldaten, am Morgen des Beeinträchtigung des Verhältnis- 9. November in den stationierten ses mit den städtischen Behörden Einheiten jeweils Soldatenräte, die führte. Als erstes hatte sich am mit dem am Abend nach Großver- 10. November ein Soldatenrat zu

Blickpunkt Hessen – Revolution über Hessen 7 Der Volkszugausschuss des „Hessischen Landesvolksrats“ in Darmstadt im Dezember 1918, darunter der Vorsitzende Wilhelm Knoblauch (sitzend 4. v. l.) und der spätere Bürgermeister der Stadt, Heinrich Delp (sitzend 3. v. l.), beide SPD.

Wort gemeldet, der tags darauf mit von Anfang an sozialdemokratische Männern der Arbeiterschaft zum und bürgerliche Kräfte Hand in Arbeiter- und Soldatenrat erweitert Hand. Die Revolution wurde in wurde, der zwei Tage später mit vielen Klein- und Mittelstädten nur einer Volksversammlung am Dom- als „ein fernes Feuerchen“ wahr- platz an die Öffentlichkeit trat. genommen.19 Jenseits der Groß- In den fl ächendeckend gebildeten städte ging der Umsturz ohne Auf- hessischen Revolutionsorganen regungen vonstatten. Alles be- dominierte die SPD. Die USPD wegte sich in geordneten Bahnen; rangierte weit hinter der Mutter- ohne Störungen nahm das platte partei. Die mittelgroße Industrie- Land, wo sich mit einiger Zeit auch stadt Hanau stellte insofern eine Bauernräte zusammenfanden, das Ausnahme dar, als in dem bereits Ende der Monarchie zur Kenntnis, am 8. November geschaffenen auch wenn einige junge Soldaten Arbeiterrat die dort von Beginn an „innerhalb der Dorfgemeinschaft überaus starke USPD die Führung ein wenig ‚Revolution zu machen‘“ innehatte. versuchten und neben der ge- Im katholisch geprägten Fulda, wählten Vertretung der Bauern wo Vertreter der katholischen noch eine für Soldaten installieren Zentrumspartei sogar den Arbeiter- wollten, wie ein Dorfpfarrer im 20 rat dominierten, und in der Uni- Raum Gießen notierte. Das gelang versitätsstadt Marburg sowie in ihnen nicht. zahlreichen weiteren Klein- und Es war ein nahezu kampfl oser Um- Mittelstädten Hessens arbeiteten sturz. „Kein Tropfen Blut ist ge-

8 Blickpunkt Hessen – Revolution über Hessen fl ossen“, hieß es in einem Aufruf des Posten und ordneten sich dem Revo- Darmstädter Arbeiter- und Soldaten- lutionsorgan unter, dem Oberbür- rates an die Soldaten, der zudem germeister Koch-Weser sogleich zum Gehorsam gegenüber den jetzt Räumlichkeiten im Rathaus zuwies. selbstgewählten Vorgesetzten auf- Auch das Generalkommando als forderte.21 Die örtlichen Behörden – zentrale militärische Instanz und die städtischen und regionalen Ver- die Garnison unterwarfen sich der waltungen sowie auch, zu aller Über- neuen Macht. raschung, die militärischen Komman- Die Stadtverordnetenversamm lung dozentralen – unterstellten sich ohne in Frankfurt, wo sich der liberale großen Widerstand den neuen Oberbürgermeister Georg Voigt revolutionären Machthabern. Nicht bereits in der Nacht zum 9. Novem- nur der kommissarische Landrat in ber dem neuen Revolutionsorganen Hanau begab sich rasch „auf den zur Verfügung stellte, erklärte sich Boden der durch die Revolution ge- alsbald bereit, den Arbeiter- und schaffenen Tatsachen“22 und er- Soldatenrat, wie von diesem ge- kannte die Macht des Revolutions- fordert, „als höchste Vertretung rates an, der ihn im Gegenzug für der Stadt anzuerkennen“.23 Das war sein Stillhalten im Amt bestätigte. in Hessen durchweg der Fall. Der In Kassel blieben Oberpräsident ebenfalls dem politischen Liberalis- und Regierungspräsident, Polizei- mus zuneigende Offenbacher präsident und der Landes- Oberbürgermeister Andreas Dullo hauptmann des kurhessischen Be- verpfl ichtete sich am 14. November zirkskommunalverbandes auf ihren vor den Stadtverordneten, der in

Selbst in der kleinen Taunusstadt Oberursel drängen die Massen auf die Straße: Am 11. November 1918 bekräftigen 2.000 Einwohner auf dem Marktplatz ihren Kampfes- willen für die Demokratie.

Blickpunkt Hessen – Revolution über Hessen 9 Darmstadt gebildeten Revolutions- Ämter wurden neu besetzt. So regierung Folge zu leisten. So be- wurde in Frankfurt der nach Aus- schränkten sich die örtlichen Arbei- bruch des Krieges vom Links- ter- und Soldatenräte zumeist auf liberalismus zur Sozialdemokratie Aufsicht der städtischen Körper- gestoßene Hugo Sinzheimer, später schaften, ohne wesentlich in deren als Professor in Frankfurt und Ver- Verwaltungshandeln einzugreifen. fechter der Mitbestimmung der Das gilt auch für das katholisch ge- Vater des deutschen Arbeitsrechts, prägte Limburg, wo Bürgermeister neuer Polizeipräsident; auch der Philipp Haerten zu Ruhe und Be- Kommandeur der Garnisonstrup- sonnenheit aufrief und versicherte, pen wurde ausgetauscht. Ein perso- dass der Dienst der Behörden „in nelles Revirement blieb jedoch geordneter Weise weitergehe“. Hier eher die Ausnahme, betraf allenfalls endete die Arbeit des örtlichen einige wenige Schlüsselpositionen. Arbeiter- und Soldatenrates, der die Die Arbeiter- und Soldatenräte kommunalen Körperschaften lenken brachten ihre Anhänger zu Massen- 24 wollte, schon nach einem Monat. versammlungen auf die Straße, um Die örtliche Verwaltung musste ihre neue Kraft zu zeigen und zu laufen und sie lief in den bisherigen unterstreichen, dass der weitere Bahnen, auch wenn an manchem Weg in eine neue Ordnung führen Rathaus nun die revolutionäre musste. Mit der Anerkennung der rote Fahne wehte. Einige zentrale revolutionären Organe durch die

Mitglieder des Marinesicherungsdienstes vor dem Hauptbahnhof in Frankfurt.

10 Blickpunkt Hessen – Revolution über Hessen alten zivilen und militärischen Instan- neue Landesregierung zu bilden. zen und dem Ausbleiben einer Der in jungen Jahren im Kaiserreich Gegenrevolution gab es kein Zurück verfolgte und inhaftierte Carl Ulrich, mehr. Zugleich ergriffen die neuen seit 1885 Landtagsabgeordneter Machthaber Maßnahmen zur Auf- und unbestrittene Führer der SPD rechterhaltung der Ordnung, bauten im Land, war durch die Revolution Sicherheits- oder Volkswehren auf, zum neuen starken Mann im ehe- die die neuralgischen Punkte wie maligen Großherzogtum geworden. Lebensmitteldepots und Verkehrs- adern kontrollierten. Daneben for- mulierten die Räte mit unterschied- licher Intensität und Nachdruck 3. Die Kronen fallen – Forderungen nach politischen und das Ende der Monarchien wirtschaftlichen Reformen. SPD und weite Teile der USPD waren Die Revolutionäre stießen auch in sich einig in dem Ziel einer parla- Hessen die fürstlichen Kronen in den mentarischen Demokratie, wobei die Staub der Geschichte. Der seit 1893 Unabhängigen die Wahlen hinaus- regierende Fürst Friedrich von Wal- schieben und zuvor Reformen um- deck und Pyrmont, der gerade sein setzen wollten, während die SPD 25-jähriges Thronjubiläum gefeiert baldmöglichst demokratische Or- hatte – angesichts des Krieges aber gane aufbauen und diesen den wei- ohne großen Pomp, lediglich mit teren Reformprozess anvertrauen einem öffentlichen Gottesdienst –, wollte. Dabei galt vor allem für die weigerte sich beharrlich, freiwillig SPD die anzustrebende, bald zu zurückzutreten, wie es der von 30 wählende „Nationalversammlung als Waldeckschen Soldaten gegründete Bollwerk der Demokratie und des Revolutionsrat gefordert hatte. Sozialismus“.25 Daraufhin verkündete der Arbeiter- Eine dauerhafte Herrschaft der und Soldatenrat von Arolsen am Räte, gar eine von vielen be- 13. November unter Weisung des fürchtete Errichtung einer Diktatur sich für Nordhessen zuständig des Proletariats, die einige in der fühlenden Kasseler Revolutionsrates USPD und die radikal-revolutionäre die Absetzung des Fürsten, der den Linke der Arbeiterbewegung, an- Erlass bürokratisch knapp mit den Worten bestätigte: „Kenntnis ge- geführt vom „Spartakusbund“, 26 zum Ziel hatten, stand nicht auf der nommen: gez. Friedrich.“ Agenda. Vielmehr sah sich die über- Auch Großherzog Ernst Ludwig von wiegende Mehrheit der Arbeiter- Hessen musste gehen. Abzudanken und Soldatenräte als Treuhänder war er aber nicht bereit. Carl Ulrich der Macht. Sie wollten Sicher- hatte ihm am 9. November nahe- heit und Ordnung auf dem Weg gelegt, dem Thron zu entsagen. in die Demokratie gewährleisten, Doch Ernst Ludwig verweigerte sich nicht permanent die Macht an sich solchem Ratschlag. Die Massen- reißen. So gab der Darmstädter bewegung setzte ihn faktisch Arbeiter-, Bauern- und Soldaten- ab. Dabei blieb es. Keine Hand rat bereits am 10. November seine rührte sich, um ihn als Regenten zu Macht im Grunde genommen an halten. Gewiss – er als Person war die Volksvertreter zurück, als er wegen seiner Liberalität, seines die SPD-Fraktion beauftragte, eine Engagements für die Kunst und

Blickpunkt Hessen – Revolution über Hessen 11 seiner sozialen Aufgeschlossen- 4. Konkursverwalter und heit weithin beliebt, auch in Teilen der Arbeiterschaft. Das Volk, Demokratiegestalter so der Vorsitzende des Darm- städter Arbeiter- und Soldaten- Das Großherzogtum war Vergan- rates Wilhelm Knoblauch am 9. genheit. Am 9. November verkün- November, hege gegen den „Bür- dete eine Extraausgabe des „Hessi- ger Ernst Ludwig“ keinen Groll: schen Volksfreundes“ in Darmstadt in großen Lettern: „Hessen sozia- „Aber die Uhr des Gottesgnaden- 29 tums sei nun einmal abgelaufen.“ listische Republik.“ Nun – das war Daher sei Ernst Ludwig als „Bürger mehr Wunsch denn Wirklichkeit. des freien, republikanischen Hes- Denn die Monarchie war zwar ab- sens“ willkommen.27 Monarch und geschafft, aber das Neue noch Monarchie waren überlebt, auch keineswegs strukturiert. Ohnehin das großherzogliche Haus verlor die ging es zunächst einmal darum, die Macht, mochte es durchaus selbst- Ordnung aufrecht zu erhalten und kritisch die Zeitläufte registriert den Problemen am Ende eines ver- und sich als eine politisch aufge- lorenen vierjährigen Weltkrieges schlossene Dynastie bewiesen Herr zu werden. haben. Mit Ernst Ludwig wäre Dabei setzte die von Ulrich geführte vielleicht unter anderen Rahmen- SPD auf Einbindung der bürger- bedingungen eine allmähliche lichen Kräfte. Anders als im Kaiser- Parlamentarisierung möglich ge- reich sollte die neue Republik allen wesen. Die Nagelprobe für seine politischen Parteien Mitsprache- proklamierte Reformwilligkeit blieb und Mitentscheidungsrechte ihm erspart. Die Besonderheit, dass geben. Es ging ihnen nicht darum, der Großherzog der einzige unter eine neue Klassenherrschaft – unter den deutschen Fürsten war, der in anderen Vorzeichen – zu errichten. der Revolution nie abdankte, war Die vor 1914 als Vaterlandsverräter Zufälligkeiten der Novemberereig- gescholtenen und ausgegrenzten nisse geschuldet. Die Macht des Sozialdemokraten wollten die un- Faktischen sorgte für Klarheit. sägliche, das Kaiserreich ver- Um das Vermögen der großherzog- giftende Trennung in „Reichstreue“ lichen Familie ergab sich ein über und „Reichsfeinde“ überwinden. die Zeit der Republik erstreckendes Für sie war die neue Republik nur Problem. Das 1919 ausgehandelte auf der Basis einer Kooperation von Abkommen zwischen der neuen sozialdemokratischer Arbeiterschaft republikanischen Regierung und und demokratischem Bürgertum dem ehemaligen Herrscherhaus lebensfähig. Die neue Regierung um die Abfi ndung war durch die sollte sich auch auf „das Vertrauen rasante Infl ation vier Jahre später der nichtsozialdemokratischen Be- 30 Makulatur geworden. Die Aus- völkerungskreise“ stützen können. gleichszahlungen waren auf einen Auch mit Blick auf die allgemeine Nennwert von zwei Dollar Monats- Notsituation erschien der SPD eine rente geschrumpft. Die vermögens- Zusammenarbeit mit allen demo- rechtlichen Auseinandersetzungen kratischen Kräften geboten. Von blieben ein Politikum, das erst daher war es politische Klugheit, nach dem Zweiten Weltkrieg ab- genau in diesem Moment, als die geschlossen wurde.28 SPD die Führung in der Revolution

12 Blickpunkt Hessen – Revolution über Hessen übernommen hatte, auch in Hessen füllte die provisorische Regierung (-Darmstadt) den bürgerlichen Par- unter Ulrich zwei Tage später das teien ein Angebot zur Mitwirkung zu exekutive Machtvakuum. Einen unterbreiten, auf das allerdings die anderen Weg schlug Preußen ein: Rechtsnationalen – die sich später Hier bildeten nach dem Vorbild im als Deutsche Volkspartei (DVP) neu- Reich, wo ein paritätisch besetzter gründenden Nationalliberalen und „Rat der Volksbeauftragten“ aus der (im Vergleich zu dieser noch SPD und USPD sich zusammenfand, radikalere) Hessische Bauernbund die beiden Arbeiterparteien die – nicht einzugehen bereit waren. revolutionäre Übergangsregierung Die bald als linksliberale Deutsche unter Paul Hirsch (SPD), ergänzt mit Demokratische Partei (DDP) fi r- einigen nicht zum engeren Kabinett mierenden Freisinn-Demokraten zählenden bürgerlichen Fach- und die katholische Zentrumspartei ministern. wollten konstruktiv mit der Sozial- Hessen(-Darmstadt) nahm mit seiner demokratie in der provisorischen Regierung in gewisser Weise das Regierung zusammenarbeiten. Eine vorweg, was im Reich im Februar der ersten Maßnahmen Ulrichs war 1919 nach den Wahlen zur National- die Aufhebung des großherzog- versammlung realisiert werden lichen Staatsrates, wogegen die sollte: die Weimarer Koalition. Im Mitglieder protestierten. Frei- 31 hessischen Kabinett des Übergangs lich vergeblich. Nach der Ent- saßen neben Regierungschef Ulrich machtung der alten großherzog- drei weitere Sozialdemokraten, zwei lichen Regierung am 11. November Vertreter der Linksliberalen und mit Justizminister Otto von Brentano auch ein Zentrumspolitiker, der im Kaiserreich in der Sozialdemokratie eine Bedrohung der monarchischen Ordnung erblickt hatte. Jetzt nach dem Zusammenbruch taten sich Zentrum und ihr Spitzenmann Brentano schwer, mit der SPD zu- sammenzuarbeiten. Aber aus dem Gegeneinander von einst wuchs ein Miteinander für die Demokratie. Gleichwohl gab es auch Kritik aus den Reihen des Bürgertums. So meinte der liberale Adolf Korell, später Minister, drei Wochen nach dem Umsturz, dass „ein demo- kratisches Hessen unter unserem Großherzog“ mindestens genauso gut gewesen wäre wie die „jetzige Regierung des Arbeiter- und Solda- tenrats“.32 Der starke Mann in der Revolution und Jedes Denken in Richtung einer erster demokratischer Regierungs- reinen Arbeiterregierung, einer chef in der hessischen Geschichte: Carl Verbindung der alten SPD mit der Ulrich (SPD). USPD, die mitunter als natürlicher

Blickpunkt Hessen – Revolution über Hessen 13 Nach dem Waffenstillstand: Dichtgedrängt verfolgt die Bevölkerung vor dem Rat- haus in Kassel den Einzug der von der Front heimkehrenden Truppe, eine Szene, die sich in allen größeren Orten mit Garnisonen so abspielt. Bündnispartner der in Hessen klar städter Redakteur des „Hessischen dominierenden Mehrheitssozial- Volksfreund“ Wilhelm Knoblauch demokratie gesehen wird, ignoriert, (für Hessen) mit zwei Männern ver- dass beide Seiten nach der Spaltung treten, die sich in den Revolutions- 1917 einen erbitterten Kampf um das wochen an ihren Heimatorten nicht sozialdemokratische Erbe und um nur als Vorsitzende der Arbeiter- und die Organisationen ausgefochten Soldatenräte besonders hervorgetan hatten. Die im Parteistreit geschla- hatten. genen Wunden waren längst noch Die Übergangsregierung in Hessen nicht vernarbt. Im Reich hielt die war geschaffen. Ihr ging es neben Kooperation der beiden Parteien in dem am 10. November 1918 ge- der Krisenbewältigung vor allem bildeten Rat der Volksbeauftragten darum, möglichst bald die mit dem gerademal sieben Wochen. Der Umsturz geschaffenen Verhältnisse paritätisch aus SPD und USPD ge- durch allgemeine Wahlen demo- bildeten zentralen Übergangsregie- kratisch zu legitimieren, um so den rung in Berlin, dem „sechsköpfi gen Weg zur Republik zu planieren. Da- Reichskanzler“33, gehörte auch zu mahnte Ulrich auch die Berli ner Philipp Scheidemann an. In dem nur Revolutionsregierung an und for- aus Mehrheitssozialdemokraten be- derte sogleich, die Einzelstaaten bei stehenden Zentralrat der Republik, der Neuordnung einzubeziehen.34 der auf dem ersten Reichsrätekon- Doch wie sollte sie aussehen? Die gress Mitte Dezember 1918 als revo- neue Staatsordnung war nicht am lutionäres Ersatzparlament gewählt Reißbrett zu entwerfen, es gab worden war, waren die Hessen Vorbelastungen und mentale Dis- mit dem Kasseler Gewerkschafts- positionen, die die Handlungsmög - funktionär (für lichkeiten der Verantwortlichen mit- Hessen-Nassau) und dem Darm- bestimmten.

14 Blickpunkt Hessen – Revolution über Hessen Die neuen Machthaber, und zwar weit verordnet. Darüber hinaus wur- auf allen Ebenen, standen vor einer den mit der Verfügung von Frauen- Herkulesaufgabe. Sicherheit musste wahlrecht und Verhältniswahlrecht, garantiert werden, denn es kam zu beides ursozialdemokratische Plünderungen und Übergriffen. Die Forderungen, Wegmarken der Versorgung der ausgemergelten Demokratie gesetzt. Bevölkerung mit Nahrung und Brennstoff stand ganz oben auf der Agen da, denn mit dem Schweigen der Waffen hatte das Leid noch kein 5. Legitimation Ende gefunden. Lag die Sterblich- durch Wahlen keitsrate in Frankfurt im Vergleich zu 1913 während des Krieges im Nach diesen Prinzipien wurde am Jahr 1915 um 2,2 % höher, so stieg 26. Januar 1919 – eine Woche nach sie 1917 um 18 %, 1918 um 31 % den reichsweiten Wahlen für die gegenüber den Werten im letzten Nationalversammlung, dem in Friedensjahr. Den Höhepunkt er- Weimar tagenden Reichsparlament reichte die Zuwachsrate aber erst – die Verfassunggebende Volks- 1919 mit 44,4 % im Vergleich zu kammer der Republik Hessen ge- 1913. 35 wählt: Die SPD erzielte 44,5 %, ge- Die aus den Schützengräben zurück- folgt von den fast gleichstarken strömenden Soldaten, die nach dem Parteien DDP (18,9 %) und Zentrum Waffenstillstandsabkommen hinter (17,6 %). den Rhein zurückgeführt werden Die USPD rangierte mit 1,5 % im Be- mussten, waren zu versorgen und reich einer Splittergruppierung, in ihre weit verstreuten Heimatorte während die beiden Rechtsparteien, zu repatriieren. Die Frontkämpfer die DVP (10,1 %) und die Hessische aus Hessen mussten wieder in den Volkspartei als Landesverband der Arbeitsprozess eingliedert werden, republikfeindlichen DNVP (Deutsch- in eine vor einem grundlegenden nationale Volkspartei; 7,4 %), ge- Wandel stehende Wirtschaft, die meinsam ein Sechstel der Wähler- von Kriegsproduktion auf Friedens- schaft auf sich vereinigen konnten. erfordernisse umzustellen war. Wer Mit der Demokratisierung des Wahl- im Zuge der Demobilisierung vor- rechts, das nun Männer und Frauen erst ohne Arbeit blieb, musste über 20 Jahre besaßen, war die Zahl Unterstützung erhalten. Der jahre- der Wahlberechtigten auf fast 59 % lange Stillstand im Wohnungsbau der Bevölkerung emporgeschnellt, machte eine entschlossene Bewirt- auf knapp drei Mal so viel wie nach schaftung des knappen Wohnraums der halbherzigen Wahlrechtsreform notwendig. von 1911 im Großherzogtum. Von Neben dem auf die sozialpoliti schen den nunmehr 70 Abgeordneten der Felder ausgerichteten Krisenmana- hessischen Volkskammer kamen gement wurden grundlegende Re- 31 von der SPD, je 13 von der formen umgesetzt, die auf Regie- Demokratischen Partei und vom rungsebene für unabänderlich und katholischen Zentrum, sieben von konsensfähig gehalten wurden. der DVP, fünf von den Deutsch- Der Acht-Stunden-Tag, das zentrale nationalen und einer von der USPD. sozialpolitische Ziel der Arbeiter- Ebenfalls am 26. Januar 1919 wurde bewegung, wurde sogleich reichs- die preußische Landesversammlung

Blickpunkt Hessen – Revolution über Hessen 15 gewählt. In der preußischen Pro- gehörten vier der SPD, je zwei der vinz Hessen-Nassau lag die SPD DDP und dem Zentrum sowie einer mit 40,2 % weit vorne (DDP 21,6 %, der DVP an. Zentrum 18,9 %, DVP 6,2 % und Die ersten Wahlen machten auch für DNVP 9,6 %). SPD und DDP erzielten Hessen deutlich, dass die bürger- in der Provinz signifi kant einen lichen Parteien einen langwierigen höheren Stimmenanteil als im und schmerzvollen Gründungs- preußischen Landesschnitt (dort prozess durchliefen. Während die 36,4 % bzw. 16,2 %). Die USPD Sozialdemokratie den Umbruch blieb in der Provinz mit 3,5 % un- als Chance für die Realisierung bedeutend, während sie im ge- der Demokratie verstand und ent- samten Preußen immerhin 7,4 % er- schlossen zugriff, haderte das zielte. Im radikalen Hanau erreichte Bürgertum lange mit der Kriegs- die USPD jedoch den Spitzenwert niederlage. Vom Trauma des Zu- in Hessen-Nassau mit etwa ei nem sammenbruchs des Kaiserreiches Viertel der Wähler. Von den 22 erholte sich die bürgerliche Mitte hessen-nassauischen Abgeordne nur langsam. Die „Frankfurter ten in der preußischen Volkvertre- Volkszeitung“ als Sprachrohr des tung gehörten neun der SPD, je fünf politischen (Links-)Katholizismus der DDP und dem Zentrum, zwei schrieb im Jahresrückblick auf 1918, der DNVP und einer der DVP an. man habe „vier Jahre vergebens ge- Die beiden Landtagswahlen in hofft, gekämpft, gelitten und ge- Hessen(-Darmstadt) und in Preußen opfert“ und stehe nun vor einem bestätigten den Ausgang der eine staatlichen Trümmerhaufen.36 Ob- Woche zuvor stattgehabten Wahlen wohl das katholische Bürger- zur Nationalversammlung. In allen tum in Frankfurt bis zuletzt für die hessischen Gebieten hatte dabei Monarchie eingetreten war, vollzog die SPD dominiert: mit beachtlichen die dortige Zentrumspartei doch 47 % im Volksstaat und 44 % im schneller als im Rest des Reiches Regierungsbezirk Kassel sowie 39 % eine Hinwendung zur Republik. in Waldeck und 37 % in Wiesbaden. Die DVP vertiefte mit der Ver- Ihr folgten die (Links-)Liberalen – mit weigerung eines klaren Bekennt- jeweils zwischen 19 % und 23 % –, nisses zur Demokratie den Graben während die Zentrumspartei in den zur (links-)liberalen Schwester- katholischen Gebieten wie Fulda partei DDP und entzog damit Ge- sehr gute Ergebnisse vorweisen danken an eine geeinte liberale konnte. Im Vergleich zu den letzten Organisation gänzlich den Boden. Reichstagswahlen 1912 brachten Im ehemaligen Großherzogtum die ersten Wahlen nach dem Krieg prangerte die sich ausgesprochen markante Verschiebungen zugun- vaterländisch präsentierende DVP sten der SPD, aber auch zugunsten die Zusammenarbeit der am 28. No- des Linksliberalismus, der sich in vember 1918 gegründeten Demo- der DDP versammelte. Hessen- kratischen Partei mit der SPD scharf Nassau schickte 15 Mandatsträger an. Demgegenüber konservierten in die Nationalversammlung nach die von antidemokratischer Grund- Weimar, sieben von der SPD, je haltung geprägten Deutschnationa- drei von DDP und Zentrum sowie je len, die nach Wochen politischer einen aus DVP und DNVP. Von den Apathie sich erst Mitte Dezember neun Vertretern aus dem Volksstaat 1918 organisierten, antisemitisches

16 Blickpunkt Hessen – Revolution über Hessen Denken. Dabei setzte sich trotz servativen DNVP und der rechts- der unbedingten Gegnerschaft zur liberalen DVP. Dagegen offenbarte Republik bei vielen alsbald die Er- der Regierungsbezirk Wiesbaden kenntnis durch, dass eine gewalt- trotz eines leichten Zuwachses der same Restauration der Monarchie SPD Kontinuität des Parteien- und nicht möglich war. Man fand sich mit Wählerspektrums. DDP (23 %) und dem Neuen ab, ohne es im Grunde Zentrum (22 %) lagen dort bei den zu akzeptieren, und bekämpfte es Wahlen zur Nationalversammlung mit allen politischen Mitteln. 1919 auf gleicher Höhe. Bei den ersten Wahlen 1919 lag das rechtsorientierte Bürgertum noch in der durch den revolutionären Um- 6. Kommunen und bruch vom November 1918 aus- gelösten politischen Schockstarre, Kommunales rangen seine Organisationen erst um Profi l, Mitglieder und Wähler, Auch die nun nach der Verhältnis- während andererseits die Sozial- wahl durchgeführten ersten Kom- demokratie, gestützt auf eine be- munalwahlen in Hessen-Nassau währte Funktionselite und einen im März und im Volksstaat im Juni eingespielten Organisationsappa- 1919 bestätigten die Tendenzen – rat, ihre mit der Revolution gewon- mit einigen bemerkenswerten Er- nene Macht zu nutzen wusste, was gebnissen wie in der bürgerlich ge- Niederschlag in guten Ergebnissen prägten Universitätsstadt Marburg, fand. Dort, wo die SPD bereits vor wo die antirepublikanische DNVP 1918 stark gewesen war, legte sie mit 15 Stadtverordneten weit vor sogar noch zu. Es nahm selbst für DDP (acht) und SPD (fünf) rangierte. eine bäuerliche Tageszeitung in Die Marburger DDP erlebte ein De- Friedberg kaum Wunder, dass die bakel und verlor im Vergleich zu den Verbitterung über das Vergan- Wahlen vom Januar die Hälfte ihrer gene, „der verlorene Krieg und Gefolgschaft, was nur noch von alles, was damit zusammenhängt, der SPD mit einem Verlust von 55 % den Sozialdemokraten“ zugute- überboten wurde. Im katholischen kam.37 Es fällt dabei auf, dass die Fulda konnte das Zentrum 20 der durch den Umbruch verunsicherten insgesamt 36 Mandate für sich ver- evangelischen Wähler, zuvor in buchen. Kassel blieb sozialdemo- weiten Teilen Klientel der anti- kratische Hochburg mit knapper semitischen Parteien, zur Sozial- absoluter Mehrheit von 37 der ins- demokratie tendierten. Das führte gesamt 72 Stadtverordneten. In in den Kreisen des Regierungs- ähnlicher Weise dominierte das bezirks Kassel, in dem bis 1918 die Zentrum im katholischen Limburg. nun nicht mehr antretenden Anti- Die SPD führte in Frankfurt mit semiten dominierten, zu markanten 36 deutlich vor der DDP mit 23 Verschiebungen vor allem hin zur Mandaten (bei insgesamt 96), besaß SPD und auch zu den Linksliberalen, aber auch mit der USPD (acht) keine ein Trend, der sich aber schon bei Mehrheit. In Wiesbaden rangierte den nächsten Reichstagswahlen die SPD recht knapp mit 16 Sitzen im Juni 1920 wieder in Richtung an der Spitze, gefolgt von den hin zu den alten Strukturen kehrte, gleichstarken DVP und DDP mit je zu einer Stärkung der nationalkon- 14 (von 60 Mandaten). Im volksstaat-

Blickpunkt Hessen – Revolution über Hessen 17 lichen Darmstadt lagen DVP mit 17 durch, hatte es sich doch seit der und SPD mit 16 Abgeordneten (von Revolution gerade auch in Nord- 60) in Front, gefolgt von der DDP hessen gezeigt, dass sich ihre mit 11 (USPD fünf; Zentrum vier; politische Dominanz, wie sie in den Hessische Volkspartei mit Hand- äußerst guten Ergebnissen bei werks- und Gewerbevereinigung sämtlichen Wahlen am Anfang der sieben); in Offenbach rückte die Republik zum Ausdruck kam, nicht USPD nah an die vorn liegende SPD entsprechend auch in der Über- heran. Auch im bürgerlichen Gießen nahme politischer Ämter nieder- landete die SPD auf Platz 1. schlug. Als Mitte 1919 in Kassel Dort, wo die SPD über die Mehr- Oberpräsident und Regierungs- heit verfügte, wollte sie dies auch in präsident ausschieden, beides noch politische Ämter ausgezahlt wissen. im Kaiserreich berufene Männer, Ein Beispiel: Trotz wütender Proteste gelangten mit Rudolf Schwander sämtlicher bürgerlicher Parteien no- als erster Beamter in der Provinz minierte die mit knapper absoluter Hessen-Nassau ein Mann der DDP Mehrheit ausgestattete Kasseler und mit Gustav Springorum an der SPD im Dezember 1919 den vorma- Spitze des Regierungsbezirks Kassel ligen Reichsministerpräsidenten ein Vertreter des bürgerlich-nationa- Philipp Scheidemann in der Nach- len Lagers auf diese zentralen Posi- folge des zum Reichsinnenminister tionen. Auf den kaiserlichen Karriere- beförderten Liberalen Erich Koch- beamten Wilhelm Momm, der in der Weser als neuen Oberbürgermei- Nachfolge des Wiesbadener Regie- ster.38 Die SPD setzte ihren Mann rungspräsidenten Wilhelm von

Versammlung der SPD im Januar 1919 auf dem Frankfurter Römerberg zu den Wahlen für die verfassunggebende preußische Landesversammlung.

18 Blickpunkt Hessen – Revolution über Hessen Meister sein Amt erst im März 1920 starken linksorientierten Arbeiter- antreten konnte, sollte erst Ende bewegung geprägten Hanau lenkte Januar 1923 mit Konrad Haenisch mit Kurt Blaum (DDP), auch von den ein Sozialdemokrat folgen. Von Sozialdemokraten gewählt, erst ab zehn Landratsposten, die zwischen Dezember 1921 ein neuer Mann die November 1918 und Ende 1920 im Geschicke der Stadt. Regierungsbezirk Kassel frei wurden, Im volksstaatlichen Offenbach aller- sollte die SPD nur drei okkupieren dings wich der seit 1907 amtierende können.39 Trotz des revolutionären liberale Andreas Dullo im Herbst Umbruchs und einer stärkeren Po- 1919 dem neugewählten Oberbür- litisierung im kommunalen Raum germeister Max Granzin von der mit dem raschen Ende der Honora- SPD. Der Gießener Oberbürger- tiorenherrschaft wurde doch nur meister Karl Keller, der auf die An- eine geringe Zahl von Bürgermei- sprüche des örtlichen Revolutions- sterstellen mit Sozialdemokraten be- organs „geschmeidig“ reagiert und setzt, während auf der anderen Seite diesen anerkannt hatte40, hielt sich die Sozialdemokratie in Reich und sogar bis 1934. In Wetzlar sollte Ländern zahlreiche Regierungen der 1914 gewählte Bürgermeister führte und Minister stellte. So sollte Heinrich Kühn bis zu seinem Tod der Ende 1919 gegen eine einheit- 1930 im Amtssessel bleiben, ob- liche bürgerliche Front in Kassel wohl die SPD von 1919 bis 1933 die zum Stadtoberhaupt gewählte, 1925 stärkste Fraktion stellte. Insgesamt aber bereits wegen massiver, gänz- zeigte sich im regionalen Raum lich unbotmäßiger Angriffe gegen überdeutlich, dass die Revolution ihn seinen Posten zur Verfügung keinen fundamentalen Elitenwechsel stellende Scheidemann bis 1933 der auf den unterschiedlichen Ver- einzige Sozialdemokrat unter den waltungsebenen brachte. Diesen hessen-nassauischen Oberbürger- im Sinne einer Republikanisierung meistern bleiben. Das überraschte durchzuführen, war Aufgabe letztendlich doch. der kommenden, durch Wahlen In der hessischen Landeshauptstadt legitimierten Körperschaften. Darmstadt überdauerte der seit 1909 amtierende Wilhelm Glässing den Umsturz, bis er nach 20 Jahren 7. Ein Seitenblick: im Amt 1929 verstarb. Sein um zwei Jahre jüngerer Bruder, der 1913 Über die politische Rolle zum Oberbürgermeister von Wies- der Frau baden berufene parteilose Karl Glässing, behielt sein Amt, bis ihn 1919 durften erstmals in der deut- die Franzosen 1919 auswiesen. In schen Geschichte Frauen wählen Frankfurt blieb der 1912 gewählte und auch gewählt werden. Im ers ten (links-)liberale Georg Voigt, der 70-köpfi gen hessen- darmstädti- sich – preußisch-korrekt – just am schen Landtag, der Verfassung- 9. November 1918 vom Arbeiter- gebenden Volkskammer, saßen fünf und Soldatenrat im Amt hatte be- Frauen (zwei für die SPD, je eine für stätigen lassen, bis 1924 an der Zentrum, DDP und DVP), später im Spitze des Rathauses, als ihn sein 3. und 4. Landtag waren es mit je- DDP-Parteikollege Ludwig Land- weils sechs die Höchstzahl. Im Parla- mann ablöste. In dem von einer ment aber spielten die insgesamt

Blickpunkt Hessen – Revolution über Hessen 19 Teilnehmer einer Kundgebung der Frankfurter SPD im Januar 1919. zwölf Frauen, die während der DDP-Politikerin dabei nicht: „Ein Weimarer Republik im Landtag Ziel ist erreicht, aber dieses Ziel be- des Volksstaates wirkten41, zu- deutet keinen Ruhepunkt, sondern meist eine Rolle am Rande und wiederum einen Anfang und wahr- konzentrierten ihre Arbeit auf jene scheinlich einen schweren.“43 Bereiche, die ihnen die Männer zu- Den Ansätzen zu einer politischen wiesen, eben auf die vermeintlich Gleichberechtigung hinkte die so- klassischen „weiblichen“ Aufgaben- ziale und gesellschaftliche Emanzi- felder: Familie und Frauen, Sozial- pation weit hinterher. Hatte sich die fragen, Erziehung und Bildung. Rolle der Frauen im Weltkrieg mit Das galt auch für die Kommunal- gestiegenen Verantwortlichkeiten parlamente, wo jetzt neben den und Aufgaben verändert, so wurde „Stadtvätern“ auch „Stadtmütter“ im Zuge der Normalisierung nach saßen.42 Jenny Apolant, liberale Vor- Kriegsschluss vieles davon wieder kämpferin des Frauenwahlrechts zurückgenommen. Sie wurden aus und 1919 mit zehn anderen Frauen den von den zum Kriegsdienst ein- ins Frankfurter Stadtparlament ge- gezogenen Männern übernomme- wählt, erhob es schon bei Beginn zur nen Arbeitsplätzen wieder ver- Aufgabe der Parlamentarierinnen, drängt. Schon am 23. Dezember sich in den diesbezüglichen Aus- 1918 bat man in Wiesbaden um schüssen zu engagieren, da diese Spenden für die nach der Rückkehr ihren „Fähigkeiten am meisten“ ent- der Männer entlassenen Straßen- sprechen würde. Illusionen über bahnschaffnerinnen. Und zehn die Schwere des künftigen frauen- Wochen nach Kriegsende war im politischen Weges machte sich die „Darmstädter Tagblatt“ zu lesen:

20 Blickpunkt Hessen – Revolution über Hessen „Die deutsche Frau hat im Krieg den Studentinnen an der Philipps-Uni- Mann vertreten und ihre Pfl icht versität wuchs bis 1918 auf das erfüllt. Jetzt dient sie – sich und Doppelte des Vorkriegsstandes. Die dem deutschen Volke, wenn sie Frauenquote sank nach Kriegsende Platz macht […]. Nicht gute Worte zwar wieder rapide, rangierte aber helfen hier, die Arbeitgeber, auch insgesamt über dem Vorkriegs- die Behörden hören sie nicht. Hier niveau. In Gießen verzeichnete die hilft nur gesetzlicher Zwang.“44 Die Universität zum Wintersemester kommunalen Demobilisierungsaus- 1919/20 den höchsten Frauenanteil, schüsse besaßen weitreichende Voll- der aber erst wieder 1931 über- machten, um die Soldaten wieder an boten wurde.47 ihren Arbeitsplatz zu bringen. Die Von einem durch den Funktions- Frauen hatten zu weichen und in die wandel während des Krieges an- „Erwerbszweige“ zurückzugehen, gestoßenen kontinuierlichen Fort- die für die „männlichen Arbeitskräfte schreiten der Frauenrechte und völlig ungeeignet“ seien.45 Die Frau einer wirklichen gleichberechtigten wurde wieder an den Herd zurück- Teilhabe der Frau am politischen gestoßen. Als Hausfrau konnte sie Leben konnte keine Rede sein. ab Mitte der 1920er Jahre in der So wehrte der männerdominierte technisierten, genormt-funktionalen Landtag des Volksstaates im Juli „Frankfurter Küche“ wirken. 1921 Forderungen von weiblichen Wenngleich in der Republik der Abgeordneten nach Zulassung Frauenpolitik staatlicherseits keine von Frauen zum Richteramt ab. Be- besondere Förderung zu Teil gründung: Die zu behandelnden wurde, im Volksstaat Gedanken garstigen Sachen seien nichts an ein besonderes Referat für für das warmherzige Gemüt des Frauenfragen bald versandeten, schwachen Geschlechts, wie Justiz- so war den Frauen, die während minister Otto von Brentano vor dem des Krieges über die Mitarbeit Landtag meinte.48 in der sozialen Fürsorge hinaus Die Frau, so waren auch die Man- stärker am politisch-gesellschaft- datsträgerinnen der rechtsbürger- lichen Leben partizipierten, zu- lichen Parteien der Ansicht, sei im mindest die politische Mitsprache sozialen Bereich am besten auf- über den Stimmzettel nicht mehr gehoben. Die im Krieg begrün- länger zu verweigern. Im Krieg deten Hausfrauenverbände setzten war auch der weibliche Anteil ihre Arbeit in der Republik mit an den Universitäten gestiegen; gleicher Stoßrichtung fort. Die in Marburg befanden sich die Frankfurter „Hausfrauenvereinigung Frauen, unter Berücksichtigung 1915“ nannte sich ab März 1920 der tatsächlichen Präsenz an der „Berufsorganisation der Haus- Universität, 1918 sogar knapp in frauen“, um direkt im Namen ihre der Mehrheit, deutlich über dem zentrale Forderung zum Ausdruck Durchschnitt aller preußischen Uni- zu bringen: die Anerkennung der versitäten. Zwei Drittel der 2078 Im- Hausfrauentätigkeit als Beruf. Das matrikulierten hatten bereits im blieb Wunschtraum. In der Gesell- Wintersemester 1914/15 im Feld schaft und Wirtschaft weiter um die gestanden, so dass der Anteil der Gleichberechtigung ringend, hatte weiblichen Studierenden 1915 bei die Frau zumindest an der Wahlurne 40 % gelegen hatte.46 Die Zahl der das gleiche Gewicht wie der Mann.

Blickpunkt Hessen – Revolution über Hessen 21 8. Territorialfrage und Abgestützt durch die demokratische Legitimation des Wahlvolkes konnte Verfassungsschöpfung man nun darangehen, die Demo- kratie auszubauen und zu festigen. Die drei führenden Parteien bei Am 11. November 1918 hatte der der ersten Landtagswahl im Volks- darmstädtische Arbeiter-, Bauern- staat, hinter denen immerhin und Soldatenrat in einem Aufruf ver- mehr als 80 % der Wähler standen, setzten ihre Zusammenarbeit unter kündet: „Die Vergangenheit ist ab- geschlossen. Das Tor der Zukunft Ministerpräsident Carl Ulrich fort. 49 SPD und DDP wären mit ihren 44 steht weit offen.“ Die Vergangen- Mandaten auch allein in der Lage heit war politisch tatsächlich ab- gewesen zu regieren, doch be- geschlossen, doch überlebten rück- harrten die Liberalen auf Ein- wärtsgewandte Einstellungen und bezug der bislang mitregierenden Mentalitäten, die die Republik be- Zentrumspartei. Bereits vor der drängten. Eine besondere Be- Konstituierung des Landesparla- lastung ergab sich für Hessen aus ments am 13. Februar 1919 er- Kriegsniederlage und Friedens- klärte sich der Volksrat der Republik schluss: die Besetzung weiter Ge- Hessen für aufgelöst und übergab bietsteile. Bereits der Waffenstill- seine Rechte den nun gewählten standsvertrag vom 11. November Vertretern. In Preußen formierte der 1918 schrieb die Okkupation der bisherige Ministerpräsident Paul Gebiete fest. Das betraf vor allem Hirsch (SPD) nach den ersten Land- die linksrheinische Provinz Rhein- tagswahlen eine Regierung der hessen und den sogenannten Weimarer Koalition, die – wie im Mainzer Brückenkopf rechts des Reich – von einer breiten Mehrheit Rheins. Dieser umfasste einige Ge- getragen wurde. biete von Hessen-Nassau, Wies-

Sitzung des Arbeiter- und Soldatenrates von (Frankfurt-) Höchst im dortigen Bolongaropalast.

22 Blickpunkt Hessen – Revolution über Hessen baden und den Rheingau. Im Volks- Ordnung der Staatsgewalt“ vom staat traf es den Kreis Groß-Gerau 20. März 1919 lediglich Eckwerte. und Teile des Kreises Offenbach. Die Die hessische „Not“-Verfassung, die Besatzung reichte bis in die Darm- Gültigkeit bis zur Verabschiedung städter Peripherie. Insgesamt stand der Landesverfas sung im Dezember ein Viertel des Volksstaates mit mehr 1919 besaß, beschränk te sich – als einem Drittel seiner Bevölkerung unter Verzicht auf eine Verankerung unter französischer Vormundschaft. von Grundrechten – auf Regelungen Territorial blieb alles beim Alten, zur staatlichen Organisation, der obwohl sich mit dem Untergang Gesetzgebung und der Regierung der Monarchie die Chance ergab, („Staatsleitung“). Aber schon Artikel die alte Idee vom geeinten „Groß- 1 schrieb die künftige Staatsform Hessen“, der Verbindung von Hessen fest: „Der Freistaat (Republik) Hes- (-Darmstadt) und Hessen-Nassau, sen ist ein selbständiger Bundes- zu realisieren, denn mit dem Um- staat des Deutschen Reiches.“51 bruch vom Kaiserreich zur Republik Zunächst präsentierte eine von der waren die Dynastien, bis dahin das Regierung eingesetzte Kommission entscheidende Hindernis einer Ver- aus Experten der Ministerialbüro- einigung, verschwunden. Doch gab kratie im Mai 1919 einen Entwurf, es trotz der zuvor breit diskutierten auf den der Gießener Staatsrechtler Raumordnungsvorstellungen keinen Hans Gmelin großen Einfl uss nahm. allseits akzeptierten Plan für die Erst am 9. Oktober ging der Ent- hessischen Gebiete. Zudem wollte wurf der Landesregierung, die zu- die Darmstädter Landesregierung nächst die Verabschiedung der die durch die Besetzung weiter Reichsverfassung – dies geschah hessischer Gebiete angespannte am 31. Juli – abwarten wollte, an die Lage nicht noch zusätzlich durch verfassunggebende Volkskammer, Neuordnungsversuche verschärfen. die ihn dann im Dezember in nur Mit der Gründung eines geeinten drei Tagen beriet. Das ging ohne Hessen sollte es noch bis 1945 größere Diskussionen vonstatten, dauern.50 sieht man von Kontroversen um Erfolgreicher als in der Frage das Alter für das aktive und passive der Territorialreform waren die Wahlrecht einmal ab, das auf 20 Hessen in Sachen Verfassungs- bzw. 25 Jahre festgelegt wurde. schöpfung. Hier unterschieden DVP und Hessischer Volksbund sich die Entwicklungen im Reich quittierten in trotziger Haltung und im Volksstaat nicht. Die Hes- die Ablehnung ihrer Forderung, sen arbeiteten zunächst auf der nicht erst nach zwei Jahren, also im Basis einer provisorischen Ver- November 1921, sondern schon im fassung, dem nur zehn Artikel um- Frühjahr 1920 einen neuen Landtag fassenden „Gesetz über die vor- wählen zu lassen, mit Ablehnung läufi ge Verfassung für den Frei- der Gesamtverfassung, obwohl die staat (Republik) Hessen“ vom 20. Mehrzahl der Einzelartikel zuvor ein- Februar 1919. Die Übergangsver- stimmig gebilligt worden war. fassung formulierte wie auch das Die am 9. Dezember verabschiedete für das gesamte Reich geltende Landesverfassung trat drei Tage „Gesetz über die vorläufi ge Reichs- später in Kraft. Sie bekannte sich gewalt“ vom 10. Februar oder das zum Prinzip der Volkssouveräni- preußische „Gesetz zur vorläufi gen tät, verankerte ein alle drei Jahre

Blickpunkt Hessen – Revolution über Hessen 23 zu wählendes Parlament und und elf Minister saßen in der Darm- räumte der Bevölkerung durch städter Regierung. Die im Kaiser- plebiszitäre Elemente wie der reich als Reichsfeinde diffamierten Volksabstimmung über die turnus- Sozialdemokraten waren die ent- mäßigen Wahlen hinaus weitere schiedenen Träger der Weimarer direkte Mitbestimmungsrechte ein. Republik: Im 1918/19 begründeten Auch die Reichsverfassung und die Volksstaat Hessen(-Darmstadt) preußische Landesverfassung er- regierten bis zum Ende der ersten öffneten Möglichkeiten der direkten Republik von der SPD geführte Demokratie über das Plebiszit. Koalitionen. Das mächtige Preußen, Das entsprach der allgemeinen in dem Hessen-Nassau eine Provinz Stimmung der Zeit. Mit der neuen bildete, entwickelte sich zu einer Verfassung trug der volksstaat- sozialdemokratisch dominierten liche Regierungschef den Titel republikanischen Bastion, die „Staatspräsident“; die Zahl der von allerdings am Ende der ersten ihm zu berufenden Mitglieder des Demokratie auf deutschem Boden Staatsministeriums war nicht fest- geschleift werden sollte: Durch den geschrieben. Zunächst gab es drei sogenannten „Preußenschlag“ im herkömmliche Ressorts (Finanzen, Juli 1932 setzte Reichspräsident Paul Inneres, Justiz), zu dem 1920 das von Hindenburg auf Drängen des Arbeitsministerium und dann antidemokratischen Reichskanzlers 1931/32 das für Landwirtschaft und die preußische das für Kultur- und Bildungswesen Regierung unter Ministerpräsident kamen. (SPD) kurzerhand ab – Auch im bisherigen Fürstentum ein Markstein auf dem Weg in den Waldeck-Pyrmont, nunmehr zum Freistaat erklärt, wollte man eine neue Verfassung entwerfen; diese kam aber angesichts der immer stärker diskutierten Angliederung an Preußen nicht zustande. Es reichte nur zu einem im April 1919 rasch verabschiedeten „Gesetz zur vorläufi gen Ordnung der Staats- gewalt“. Der verfassungs- und staatsrechtliche Schwebezustand dauerte an. Nach der Verfassung- gebenden Landesvertretung 1919 wählten die Waldecker noch zweimal (1922 und 1925) einen 21-köpfi gen Landtag, ehe der Frei- staat dann 1929 in der preußischen Provinz Hessen-Nassau aufging. Kontinuität prägte die volksstaat- liche Regierungsebene in den 14 Jahren der ersten Republik. Nur ins- gesamt zwei Staatspräsidenten – die Aufruf zu einer „Volksversammlung und beiden Sozialdemokraten Carl Ulrich Kundgebung“ auf dem Wetzlarer Dom- und ab 1928 Bernhard Adelung – platz am 13. Novem ber 1918.

24 Blickpunkt Hessen – Revolution über Hessen Wetzlar, 13. November 1918: Volksversammlung auf dem Domplatz. nationalsozialistischen Unrechts- waltung und Justiz der Republik tat- staat. sächlich ein solideres Fundament verschafft und sie widerstands- fähiger gegen den Ansturm der 9. Schlussbetrachtung: Nationalsozialisten gemacht hätte. Es bleibt zu fragen: Hätten Ein- Die Republik geboren griffe in diese zentralen Bereiche aus der Revolution die existentielle Krise nicht noch mehr verschärft oder gar konter- Das Scheitern der ersten Republik revolutionäre Aktionen heraufbe- 1933 war ihr aber nicht in der Phase schworen? Würde es nicht gerade der Revolution in die Wiege ge- die Umstellung der Produktion auf legt worden. Die von Teilen der die Friedensbedürfnisse und die historischen Forschung vertretene generell notwendige Ankurbelung These, dass die Demokratie in der des Wirtschaftslebens gefährden, Revolutionszeit durch umfassende wenn man vermeintlich für eine Ver- Reformen hätte stabiler gemacht gesellschaftung reife Industrien werden können, lastet der SPD sozialisiert hätte? Das Reich war schwere Versäumnisse an. Dabei intakt, so dass es keinen Sinn wird davon ausgegangen, dass tief- machte, in einem kleinen Land wie gehende Eingriffe in Heer, Ver- Hessen irgendwelche Spielarten

Blickpunkt Hessen – Revolution über Hessen 25 wirtschaftspolitischer Strukturrefor- Revolutionsorgane in den Klein- men wie die Sozialisierung, die auch und Mittelstädten. Die aktiven Räte von den hessischen Arbeiterräten in in den Großstädten prägten das Resolutionen gefordert wurde, ad Bild in den Revolutionsmonaten, hoc umzusetzen und damit allein im ein verzerrendes Bild der tiefen hessischen Raum vorzupreschen. Konfl ikte, das eben nicht überall in Der an die SPD gerichtete Vorwurf, Hessen zutraf. Denn je weiter man in der revolutionären Übergangszeit sich von den Zentren entfernte, nicht gemeinsam mit der USPD desto geringer war die Wirkung der vermeintlich demokratiesichernde Arbeiter- und Soldatenräte im po- Sofortmaßnahmen eingeleitet zu litischen Raum. Die kleinstädtischen haben, sondern schon in dieser und ländlichen Regionen waren Phase und dann auch nach den weit weniger von revolutionären Er- ersten Wahlen 1919 mit den Bür schütterungen betroffen. Der zwar gerlichen kooperiert zu haben, nicht immer konfl iktfreie, jedoch übersieht, dass beide sozialdemo- weitgehend ohne nachhaltige kratischen Parteien in Hessen Verwerfungen gekennzeichnete (-Darmstadt) über keine Mehrheit Dualismus von bestehenden Ver- verfügten. Die nahe der politischen waltungen und revolutionären Bedeutungslosigkeit rangierende Kräften führte – das gilt weitgehend USPD, die bei den Landtagswahlen für Hessen – zu einer raschen Be- im Januar 1919 magere 1,5 % er- ruhigung der Lage auch in den reichte, war kein wirkungsvoller Städten. Auch wenn sie vereinzelt Partner für die SPD. Eine Verbindung noch bis weit in das Jahr 1920 be- der SPD mit der USPD hätte die Ko- standen und beim Kapp-Lüttwitz- operation mit dem demokratischen Putsch im März 1920, als rechts- Bürgertum gravierend erschwert. radikale Kräfte die Demokratie Denn die bürgerlichen Parteien wä- stürzen wollten, als Schutzorgane ren wohl kaum mit den Unabhän- der Republik verteidigten, so ging gigen an einen Tisch gebracht von ihnen im Allgemeinen, blickt worden. man auf die gesamte hessische Und auch die Kritik in Richtung Landkarte, keine nachhaltige Sozialdemokratie, zu wenig auf eine Strahlung auf das politische Leben Schubkraft außerparlamentarischer aus. Dass von einigen Revolutions- Bewegungen gesetzt zu haben52, räten wie dem in Gießen nicht ein- spiegelt nicht die Zeit und die mal bekannt ist, wann sie auf- Machtkonstellationen wider, denn hörten zu existieren, unterstreicht, eine solche „außerparlamentarische dass sie mit der Konstituierung Bewegung“ mit dauerhaftem poli- demokratischer Körperschaften in tischen Machtanspruch und hohem den Kommunen ihre eigentliche Mobilisierungspotential der „Mas- Existenzgrundlage verloren hatten. sen“ existierte im hessischen Raum Die Arbeiter- und Soldatenräte nicht. Gewiss spielten die Arbeiter- sahen sich in ihrer überwiegenden und Soldatenräte der Großstädte Mehrheit als Wahrer der Ordnung in der Phase des Umbruchs eine und Wegbereiter in die Demo- bedeutende Rolle und traten mit kratie, eben bis zum Zusammentritt dem Anspruch auf Mitbestimmung demokratisch konstituierter Körper- an. Ihr Einfl uss und Politisierungs- schaften. Dabei setzten sie ganz grad waren größer als die der überwiegend auf die demokratische

26 Blickpunkt Hessen – Revolution über Hessen Karte. Von der Diktatur der Räte wicklung manifestierte. Einige nach russischem Vorbild träumte dieser Ereignisse hatten ihren Ur- im revolutionären Deutschland nur sprung in der Versorgungslage: In eine Minderheit, die radikale Linke, Frankfurt kam es Ende März nach darunter die zum Jahreswechsel einer Senkung der Kartoffelration 1918/19 gegründete Splitterpartei von fünf auf drei Pfund pro Woche KPD, die in Hessen nahezu be- und Kopf zu Ausständen, bei denen deutungslos war. Erst später ge- 20 Tote zu beklagen waren. Nach wann die KPD an Kraft, überholte in Plünderungen in Hanau wurde die ihrer Hochburg Hanau schon bald Stadt, von linken und linksradikalen die SPD, nachdem die USPD bereits Kräften beherrscht, im Februar 1919 im April 1919 fast geschlossen zur durch Regierungstruppen kampf- KPD übergegangen war.53 los besetzt. Die Mainmetropole Im demokratischen Lager herrschte Frankfurt erlebte im Juni 1919 dennoch die Furcht vor einem Arbeitslosendemonstrationen. „bolschewistischen“ Umsturz. Ge- Auch in Kassel kam es zu Krawallen, wiss war diese Einschätzung ange- die sich an der Weigerung eines sichts der Schwäche der Radikalen Händlers entzündet hatten, Eier auch und gerade im Hessischen zum festgesetzten Richtpreis zu überzogen, aber sie stand den verkaufen. Resultat: vier Tote. Akteuren real vor Augen. Das, was In sozialer Hinsicht hielt die An- sich im revolutionären Russland spannung noch lange an und abgespielt hatte, als die bolsche- verschärfte sich im Zuge von wistische Minderheit im Januar Infl ation und Wirtschaftskrise. 1918 das gewählte Parlament so Politisch jedoch festigte sich die einfach auseinandergetrieben Situation. So blieb der Offenbacher hatte, konnte durchaus auch in Karfreitagsputsch am 18. April 1919, Deutschland passieren. Dass die als die von den Kommunisten an- junge KPD keineswegs nur eine zu geführte radikale Linke gewaltsam vernachlässigende Randerschei- die Macht an sich reißen wollte, nung in der deutschen Revolution letztlich eine gescheiterte Episode, war, offenbarte spätestens die die jedoch mit 17 Toten und 26 als Spartakus-Aufstand in die Verwundeten einen hohen Blut- Geschichte eingegangene Berliner zoll forderte.54 Der Putsch war – Januar-Revolte. Kommunisten und für Hessen – der Höhepunkt der radikale Linke wollten den Weg zweiten Welle der Revolution, die in zur Nationalversammlung stoppen den Zentren Berlin, wo es im Früh- und die Diktatur des Proletariats jahr zu bürgerkriegsähnlichen Un- verwirklichen, letztlich trachteten ruhen kam, und München, wo eine sie danach, die parlamentarische sozialistisch-kommunistische Räte- Demokratie zu zerstören, bevor republik von Regierungstruppen diese überhaupt das Licht der Welt niedergeschlagen wurde, einen un- erblickt hatte. Mit dem Putsch gleich blutigeren Verlauf nahm. scheiterten sie kläglich. Dass in der konfl iktreichen Situation Dennoch kam es auch in Hessen und im Zeichen der Zwangs- im Frühjahr 1919 zu vereinzelten lagen vielleicht doch ein Mehr an Unruhen, in denen sich bei Teilen Reformen möglich gewesen sei, der Arbeiterschaft Enttäuschung mag sein, ob mit einer umfassenden über die politische und soziale Ent- Neuordnung die Demokratie

Blickpunkt Hessen – Revolution über Hessen 27 stabiler geworden und dem An- Krieg nicht von solchen Klassen- sturm der Nationalsozialisten 1933 spannungen geprägt war wie an- widerstanden hätte, bleibt eine dere Territorialstaaten im Reich. Mit hypothetische Frage. Nicht hypo- gutem Grund konnte der Sozial- thetisch ist die Feststellung, dass demokrat Scheidemann, der einige die neuen Politikträger im Reich, in Zeit im zur preußischen Provinz den Ländern und den Kommunen Hessen-Nassau gehörenden Mar- auch beachtliche Erfolge vorzu- burg und im großherzoglichen weisen hatten. Am Ende eines Offenbach tätig gewe sen war, in vierjährigen Weltkrieges mit all seinen Memoiren davon schreiben, seinen Opfern und Belastungen, dass Hessen(-Darmstadt) in der in einer Umbruchsphase, wie zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts sie die neuere deutsche (und das „freieste deutsche Land“ im hessische) Geschichte in solcher Reich gewesen sei.55 Wucht noch nicht erlebt hatte, ge- In beiden Hessen dominierte nach lang es, das vom Untergang be- dem Untergang des Kaiserreiches drohte Staatsschiff auf Kurs Demo- eine von demokratischer Reform- kratie zu bringen. Das Chaos politik getragene SPD, die den Weg wurde abgewendet; die Ver- vom Obrigkeitsstaat zur Republik waltung funktionierte im Großen entscheidend prägte und dabei und Ganzen; die vom Schlacht- auf Kooperation und nicht auf feld zurückströmenden Soldaten Konfrontation setzte. In der Über- konnten einigermaßen geordnet gangsphase sah sie sich mit einem in ihre Heimat zurückkehren und treuhänderischen und zeitlich be- in die von einem grundlegenden fristeten Mandat nur zu solchen Wandel betroffene Wirtschaft Neuerungen legitimiert, die auch integriert werden. Die allseits er- weite Teile des fortschrittlichen wartete Hungerepidemie blieb aus, Bürgertums als eine Selbstverständ- wenngleich die Ernährungslage lichkeit betrachteten und somit weiter angespannt blieb und viele über die eigene Klientel akzeptiert Familien noch lange unter den Ver- werden konnten. Dazu gehörten u. sorgungsmängeln litten. Trotz des a. das Wahlrecht für Frauen und der Drucks der Ereignisse, der Über- Achtstundentag. Im unerschütter- last der Probleme und des engen lichen Glauben an den Volks- Zeitkorsetts von wenigen Wochen willen als dem Souverän der Demo- wurde der totale Zusammenbruch kratie lehnte die SPD ein länger- vermieden und der Weg in die fristiges diktatorisches Revolutions- Demokratie planiert. Nach nicht ein- regime ab und übertrug den mal drei Monaten konnten demo- demokratischen Parlamenten das kratische Organe gewählt werden. Recht und die Pfl icht, jene grund- In dem fl ächenmäßig kleinen Hes- legenden verfassungs- und gesell- sen gelang es, ohne fundamen- schaftspolitischen Entscheidungen tale Auseinandersetzungen den zu treffen, die eben nicht zum All- Grundstein für die Republik in Zu- gemeingut gehörten oder zu- sammenarbeit von demokratischer mindest von der übergroßen Mehr- Arbeiterbewegung und demo- heit der Bevölkerung mitgetragen kratischem Bürgertum zu legen. wurden. Politik musste sich auf das Dazu trug sicherlich auch bei, Votum der Mehrheit des Volkes dass das Großherzogtum vor dem stützen können.

28 Blickpunkt Hessen – Revolution über Hessen Die Republik auszubauen und zu überdauerte antidemokratisches festigen, war Auftrag der demo- Denken die politische Zäsur am kratischen Organe. Als der volks- Ende des Weltkrieges und war staatliche Landtag am 9. Dezember wesentlich mitverantwortlich, dass 1919 die Verfassung verabschie- die Republik 1932/33, der Volks- dete, mahnte Landtagspräsident staat Hessen bereits ab 1930 sich Bernhard Adelung (SPD), dass man in einer Lähmungskrise befanden, zwar eine verfassungsrechtliche aus der es dann ungebremst in Grundlage geschaffen habe, diese den Untergang gehen sollte. Doch aber nun mit Leben zu erfüllen nicht vermeintliche Unterlassungen sei: „Ihr den rechten Geist und die in der Revolutionszeit waren hier- rechte Kraft zu geben, dass muss für verantwortlich. Die als diskrimi- die Aufgabe des Volkes und seiner nierend empfundenen außenpoli- Vertreter sein.“56 Doch es fehlte an tischen Belastungen durch den einem die überwiegende Mehr- Friedensvertrag von Versailles und heit der Bevölkerung erfassenden die permanenten ökonomischen demokratischen Grundkonsens und Zwangslagen, die zehn Jahre nach einem allgemeinen patriotischen dem Kriegsende in einer Wirt- Republikanismus. Politische Alt- schaftskrise ungeahnten Ausmaßes lasten wirkten noch lange nach. So kulminierten, wurden weithin auch

Mit klingendem Spiel: Rückkehr der Truppen in Hanau, Dezember 1918.

Blickpunkt Hessen – Revolution über Hessen 29 der Republik angelastet und er- bindung von alledem entstand schwerten ihre Akzeptanz in der ein explosives Gemisch, das 1933 Bevölkerung. Hinzu gesellten sich dafür sorgte, dass die von der orga- eine mangelnde Verfassungstreue nisierten demokratischen Arbeiter- der Verfassungsinstitutionen, die bewegung 1918/19 wesentlich be- Militanz radikaler antidemokratische gründete und von ihr bis zuletzt ent- Kräfte, aber auch ein eklatantes Ver- schieden verteidigte Republik zer- sagen des Bürgertums. In der Ver- stört wurde.

Ein vom Arbeiter- und Soldatenrat am Hauptbahnhof Frankfurts aufgestelltes Schild verkündet: „Die Deutsche sozialistische Republik grüßt Euch. Die alten Gewalten sind durch die Revolution des schaffenden Volkes gestürzt. Künftig seid Ihr Herr Eurer Geschicke.“

Dokumente der Zeit aus den Akten, Anmerkungen Wiesbaden 1966, S. 190; vgl. ANGELIKA 1 „Hessischer Volksfreund“ Nr. 263 vom BAEUMERTH: Oberursel am Taunus. Eine 8. November 1918. Stadtgeschichte, Frankfurt a. M. 1991, 2 Ausführlich beschrieben von CARL S. 282. ULRICH: Erinnerungen des ersten 4 Mitteilung des Landtagspräsidenten; hessischen Staatspräsidenten. Hrsg. Verhandlungen der Zweiten Kammer von LUDWIG BERGSTRÄSSER, Offenbach der Landstände des Großherzog- 1953, S. 112 ff. tums Hessen: 36. Landtag (1914/1918), 3 Bericht des Magistrats Oberursel Protokoll 2, S. 1560. vom 8. November 1918, in: KARL- 5 Diese Vorgänge schildert Delp im HEINZ MÜLLER: Preußischer Adler und November 1920 vor dem Landtag; Hessischer Löwe. Hundert Jahre sein Bericht ist abgedruckt in: ULRICH Wiesbadener Regierung 1866–1966. [wie Anm. 2], S. 104 ff.

30 Blickpunkt Hessen – Revolution über Hessen 6 KARL KNAPP: Der Griesheimer Sand 22 Bericht vom 7. Januar 1919, in: MÜLLER im Kaiserreich, in: ANDREAS GÖLLER/ [wie Anm. 2], S. 194. ANNEGRET HOLTMANN (Hrsg.): Ein Jahr- 23 Erklärung vom 12. November ab- hundert Luftfahrtgeschichte zwischen gedruckt bei KARL MALY: Das Regiment Tradition, Forschung und Landschafts- der Parteien. Geschichte der Frank- pfl ege. Der August-Euler-Flugplatz furter Stadtverordnetenversammlung, in Darmstadt-Griesheim, Darmstadt Bd. II: 1901–1933, Frankfurt a. M. 1995, 2008, S. 43–74, hier S. 66. S. 276. IETER EBENTISCH 7 Zitiert bei D R : Ludwig 24 CHRISTOPH WALDECKER: Die Limburger Landmann. Frankfurter Oberbürger- Bürgermeister im ersten Drittel des meister der Weimarer Republik, Wies- 20. Jahrhunderts, in: Limburg im Fluss baden 1975, S. 80. der Zeit, Bd. 2: Vorträge zur Stadt- 8 DAVID A. JACKSON: Zwischen Kriegern, geschichte, Limburg 2013, S. 237–300, Küche, Kirche und Kraut. Die Manöver S. 255 ff. einer südhessischen Mutter im Ersten 25 Resolution der regionalen Konferenz Weltkrieg, Essen 2014, S. 423. der Arbeiter- und Soldatenräte am 9 JENS GUSTAV ARNDT: In feldgrauer Zeit. 18. November in Frankfurt; zitiert bei Stadt und Garnison Hanau im Weltkrieg HAREN (2003), S. 117. von 1914–1918, Hanau 2014, S. 267. 26 Text bei ALBERT GRZESINSKI: Im Kampf um 10 „Volksblatt“ (Kassel) Nr. 20 vom 24. die deutsche Republik. Erinnerungen Januar 1918. eines Sozialdemokraten. Hrsg. von 11 Verhandlungen Zweite Kammer [wie EBERHARD KOLB, München 22009, S. 92; Anm. 4], S. 1530. Bekanntmachung des Arbeit- und Soldatenrates von Arolsen vom 13. 12 ULRICH [wie Anm. 2], S. 101. November in GERHARD MENK: Waldecks 13 „Volksstimme“ Nr. 264 vom 9. Beitrag für das heutige Hessen, Wies- November 1918; übertragen bei: NEU- baden 22001. LAND (1987), S. 94. 27 „Hessischer Volkfreund“ Nr. 265a vom 14 Zitat aus der örtlichen Eschweger 10. November 1918. Zeitung; HOMEISTER (1987), S. 46. 28 NORBERT STIENICZKA: Die Vermögensaus- 15 Bundesarchiv Koblenz, N 1012, Nach- einandersetzungen des Volksstaates lass Erich Koch-Weser Nr. 12. Hessen und seiner Rechtsnach- 16 REBENTISCH (1994) S. 424; vgl. NEULAND folger mit der ehemals großherzog- (1997), mit den Quellen S. 820 ff. lichen Familie 1918–1953, in: Archiv für 17 Verfügung des Staatsministeriums Hessische Geschichte und Altertums- vom 27. November 1918, zitiert bei kunde 56 (1998), S. 255–308; Über- blick bei ECKHART G. FRANZ: Das Haus BRAKE/EHLERS/THIMM (2014), S. 336. Hessen. Eine europäische Familie, 18 MUNZ (2012), S. 43. Stuttgart 2005, S. 188. 19 Nach den Erinnerungen des seine 29 „Hessischer Volksfreund“ (Darmstadt) Kindheit in Fulda verbringenden Nr. 264 vom 9. November 1918. Günther Willms, 1953–1980 Mitglied des Bundesgerichtshofes; GÜNTHER 30 „Hessischer Volksfreund“ (Darmstadt) WILLMS: Geträumte Republik. Jugend Nr. 266 vom 12. November 1918. zwischen Kaiserreich und Macht- 31 Dokumente hierzu im Hessischen ergreifung, Freiburg 1985, S. 29. Staatsarchiv Darmstadt, Abt. O 28, 20 In seinen schon 1918 publizierten Er- Nachlass Carl Ulrich 42. innerungen, in: BRAKE/EHLERS/THIMM 32 „Hessischer Volksfreund“ (Darmstadt) (2014), 329 f. Nr. 281 vom 30. November 1918. 21 Aufruf im „Darmstädter Tagblatt“ Nr. 33 PHILIPP SCHEIDEMANN: Der Zusammen- 313 vom 11. November 1918. bruch, Berlin 1921, S. 211.

Blickpunkt Hessen – Revolution über Hessen 31 34 Note der hessischen Regierung und 44 „Darmstädter Tagblatt“ Nr. 32 vom Antwort des Volksbeauftragten Fried- 1. Februar 1919. rich Ebert (SPD) im „Hessischen Volks- 45 Ebd. freund“ (Darmstadt) Nr. 275 und Nr. 277 vom 22. und 25. November 1918. 46 ANDREA WETTMANN: Heimatfront Uni- versität. Preußische Hochschulpolitik 35 CHRISTOPH REGULSKI: Klippfi sch und und die Universität Marburg im Ersten Steckrüben. Die Lebensmittelver- Weltkrieg, Köln 2000, S. 379 und sorgung der Einwohner Frankfurts am S. 383. Main im Ersten Weltkrieg 1914–1918. Eine Studie zur deutschen Wirtschafts- 47 BRAKE/EHLERS/THIMM (2014) S. 122. und Innenpolitik in Kriegszeiten, 48 FRANZ/KÖHLER (1991), S. 155 ff.; die Frankfurt a. M. 2012, S. 317. Zitate Brentanos S. 160. 36 „Frankfurter Volkszeitung“ vom 49 HAREN (2003), S. 101. 28. Dezember 1918 zitiert in: HEINZ 50 Im Überblick: WALTER MÜHLHAUSEN: Die BLANKENBERG: Politischer Katholizis- Gründung des Landes Hessen 1945, mus in Frankfurt am Main. 1918–1933, Wiesbaden 2005 („Blickpunkt“ Heft 4), Mainz 1981, S. 29. Neuaufl age 2012. 37 „Neue Tageszeitung“ (Friedberg) 51 ECKHART G. FRANZ/KARL MURK (Hrsg.): zitiert bei MICHAEL STRECKER: Warum Verfassungen in Hessen 1807–1946. war die Hitler-Bewegung in unseren Verfassungstexte der Staaten des 19. Dörfern bei freien Wahlen so erfolg- Jahrhunderts, des Volksstaats und reich? Ranstadt, Dauernheim und des heutigen Bundeslandes Hessen, Ober-Mockstadt von 1918 bis Darmstadt 1998, S. 387 ff.; auch zum 1933, Friedberg 2011 (Wetterauer Folgenden mit Abdruck der Ver- Geschichtsblätter 60), S. 89. fassung von 1919, S. 384 ff.; dazu 38 Vgl. WALTER MÜHLHAUSEN: Das große FRANZ/KÖHLER (1991), S. 112 ff.; auch Ganze im Auge behalten. Philipp KÖHLER (1997), S. 238 ff. Scheidemann – Oberbürgermeister 52 So etwa die Schlussfolgerung bei von Kassel 1920–1925, Marburg 2011, KÖHLER (1997), S. 253. S. 17 ff. 53 FRANZ NEULAND: „Auf zum letzten Ge- 39 HÖPKEN (1983), S. 322. fecht“. Spartakusbund und KPD in 40 BRAKE/EHLERS/THIMM (2014), S. 315. Frankfurt am Main und der Region Rhein-Main von 1916/18–1956. Eine 41 Zu diesen vgl. INGRID LANGER: Zwölf ver- gessene Frauen. Die weiblichen Ab- Organisationsgeschichte, Bad Hom- geordneten im Parlament des Volks- burg 2012, S. 31. staates Hessen. Ihre politische Arbeit 54 https://www.offenbach.de/kultur- – ihr Alltag – ihr Leben, Frankfurt a. M. und-tourismus/stadtgeschichte/ 1989. geschichte-offenbach/1900-1932/ 42 So das sozialdemokratische „Casseler karfreitagsputsch.php (abgerufen am Volksblatt“ vom 25. März 1919, 14. März 2018). zitiert bei: KERSTIN WOLFF/GILLA DÖLLE: 55 PHILIPP SCHEIDEMANN, Memoiren eines „Respekt für die Provinz“. Kassel – die Sozialdemokraten, Bd. 2, Dresden Stadt der starken Frauenbewegung, 1928, S. 86. ein Streifzug durch 150 Jahre, Kassel 56 Verhandlungen der Volkskammer der 2013, S. 56. Republik Hessen im Jahre 1919. Erster 43 EVA BRINKMANN TO BROXTEN: Nicht Landtag, Darmstadt 1919, S. 1057. mehr ohne Geld und Macht. Vom politischen Reden und Handeln der Frauen im Hessischen Landtag 1970– 1995, Königsstein/Ts. 1996, S. 35.

32 Blickpunkt Hessen – Revolution über Hessen Weiterführende Literatur (in Auswahl) Die zahlreichen lokalen Untersuchungen hier anzuführen, die vor allem im Zusammenhang mit dem Ersten Weltkrieg entstanden und auch die Revolutions- periode mit in den Blick genommen haben, würde den Rahmen sprengen. Genannt werden daher nur grundlegende regionale wie übergreifende sowie die größeren Städte betreffende Studien.

BRAKE, LUDWIG/EHLERS, ECKHARD/THIMM, UTZ: Gefangen im Krieg. Gießen 1914 – 1919, Marburg 2014 FRANZ, ECKHART G./KÖHLER, MANFRED (Bearb./Hrsg.): Parlament im Kampf um die Demokra- tie. Der Landtag des Volksstaats Hessen 1919 – 1933, Darmstadt 1991 HAREN, TOBIAS: Der Volksstaat Hessen 1918/1919. Hessens Weg zur Demokratie, Berlin 2003 HOMEISTER, KONRAD: Die Arbeiterbewegung in Eschwege (1885 – 1920). Ein Beitrag zur Stadt- und Kreisgeschichte, Kassel 1987 HÖPKEN, JÜRGEN: Die Geschichte der Kasseler Arbeiterbewegung 1914 bis 1922, Darmstadt/Marburg 1983 JUNG, IRENE/WIEDL, WOLFGANG: Zwischen Propaganda und Alltagsnot. Wetzlar und der Erste Weltkrieg 1914 – 1918, Neustadt an der Aisch 2016 KÖHLER, MANFRED: „Im Sinne der allgemeinen Gerechtigkeit“. Die Verfassung des Volksstaates Hessen von 1919, in: BERND HEIDENREICH/KLAUS BÖHME (Hrsg.): Hessen. Verfassung und Politik, Stuttgart 1997, S. 223 – 257 MUNZ, MARIUS: „Wiesbaden est boche, et le restera“. Die alliierte Besetzung Wiesbadens nach dem Ersten Weltkrieg 1918–1930, Wiesbaden 2012 NEULAND, FRANZ: Die Matrosen von Frankfurt. Ein Kapitel Novemberrevolution 1918/19, Frankfurt a. M. 1991 NEULAND, FRANZ: Marinemeuterei und Arbeiterstreik. Von der Novemberrevolution bis zur Abwehr des Kapp-Lüttwitz-Putsches (1918 – 1920), in: JUDIT PÀKH (Bearb.): Frankfurter Arbeiterbewegung in Dokumenten 1832–1933, Bd. 2: Vom Ersten Welt- krieg bis zur faschistischen Diktatur 1914–1933, Frankfurt a. M. 1997, S. 775 – 819 REBENTISCH, DIETER: Frankfurt am Main in der Weimarer Republik und im Dritten Reich, in: Frankfurt am Main. Die Geschichte der Stadt in neun Beiträgen. Hrsg. von der Frankfurter Historischen Kommission, Sigmaringen 1994, S. 422 – 519 Residenz – Festung – Kurstadt 1914 – 1918. Darmstadt, Mainz und Wiesbaden im Ersten Weltkrieg. Eine Ausstellung der Stadtarchive Darmstadt, Mainz und Wiesbaden zum 100. Jahrestag des Beginns des Ersten Weltkriegs, Darmstadt o. J. [2014] Blickpunkt Hessen In dieser Reihe werden gesellschaftspolitische Themen als Kurzinformationen aufgegriffen. Zur Themen palette gehören Porträts bedeutender hessischer Persönlichkeiten, hessische Geschichte sowie die Entwicklung von Politik und Kultur. Hrsg.: Angelika Röming. Bisher sind erschienen: Blickpunkt Hessen 1: Erwin Stein – Mitgestalter des neuen Bundeslandes Hessen Blickpunkt Hessen 2: Fritz Bauer und die Aufarbeitung der NS-Verbrechen nach 1945 Blickpunkt Hessen 3: Carl Ulrich – Vom sozialdemokratischen Parteiführer zum hessischen Staatspräsidenten Blickpunkt Hessen 4: Die Gründung des Landes Hessen 1945 Blickpunkt Hessen 5: Eugen Kogon – Ein Leben für Humanismus, Freiheit und Demokratie Blickpunkt Hessen 6: Hessische Grenzmuseen: Point Alpha und Schiffl ersgrund Blickpunkt Hessen 7: Hess. Partnerregionen: Emilia-Romagna, Aquitaine, Wielkopolska, Wisconsin, Jaroslawl Blickpunkt Hessen 8: Oskar Schindler – Vater Courage Blickpunkt Hessen 9: Lokaljournalismus zwischen Weimarer Republik und NS-Zeit am Beispiel der Bensheimer Presse Blickpunkt Hessen 10: 1908: Studentinnen in hessischen Hörsälen Blickpunkt Hessen 11: Die Spielregeln der Demokratie in den hessischen Gemeinden – 200 Jahre Magistratsverfassung Blickpunkt Hessen 12: Leben und Wirken Georg Büchners und seiner Familie in Hessen Blickpunkt Hessen 13: Kleindenkmale schreiben Geschichte: Historische Grenzsteine in Hessen Blickpunkt Hessen 14: Nachhaltigkeit in Hessen – Ansätze für kommunales Handeln Blickpunkt Hessen 15: Als die Synagogen brannten – Die November-Pogrome 1938 in Hessen Blickpunkt Hessen 16: „... weit mehr als ein Gerichtsverfahren ...“ Der Auschwitz-Prozess 1963 bis 1965 in Frankfurt am Main Blickpunkt Hessen 17: Christian Stock (1884–1967) – Arbeiterführer, Sozialpolitiker, Ministerpräsident Blickpunkt Hessen 18: Der „20. Juli 1944“ und Hessen – Ein Rückblick nach 70 Jahren Blickpunkt Hessen 19: Die Karriere einer Ausstellung – 60 Jahre documenta Blickpunkt Hessen 20: Die Entstehung der Hessischen Verfassung 1946 Blickpunkt Hessen 21: Georg August Zinn – Baumeister des modernen Hessen Blickpunkt Hessen 22: Philipp Scheidemann – Arbeiterführer und Republikgründer Blickpunkt Hessen 23: Ein ermutigendes Frauenleben: Elisabeth Selbert Blickpunkt Hessen 24: Ein Leben für Freiheit und Gerechtigkeit – der hessische Zentrumspolitiker Friedrich August Bockius