Freier Download BA 82 Als
Total Page:16
File Type:pdf, Size:1020Kb
BAD 82 ALCHEMY Es gab die Menschen, die lasen, und es gab die anderen. Ob einer ein Leser war oder ein Nichtleser - man merkte es schnell. Es gab zwischen den Menschen keinen größeren Unterschied als diesen. (Pascal Mercier) Pack up your smiles and soap, abandon all forks and hope, ye überliterati! Repent and understand at last that the Hunting of the Snark is a robinsonade (the mysterious island from whence all Nonsense springs) and that the Mind of the Snark is its pagan god-chieftain at whose feet we pile gifts useful to no one but ourselves ... (Mahendra Singh) Dass ich ein Leser bin, zeigt diesmal: Hannes Binder - Wachtmeister Studer im Tessin Lewis Carroll + Mahendra Singh - The Hunting of the Snark Odysseas Elytis - To Axion Esti Lara Fiorani - Roberto Calasso - Deconstructing mythology. A reading of Le nozze di Cadmo e Armonia -> http://discovery.ucl.ac.uk/18522/1/18522.pdf Ignacio García-Valiño - Der kirschrote Schuh Friedrich Glauser - Wachtmeister Studer; Die Fieberkurve; Matto regiert Friedrich Glauser + Hannes Binder - Knarrende Schuhe Wolf Haas - Der Brenner und der liebe Gott A. F. Th. van der Heijden - Die Schlacht um die Blaubrücke; Das Gefahrendreieck Wolfgang Herrndorf - Sand Konstantin Kavafis - Die Lüge ist nur gealterte Wahrheit Jan Kjærstad - Der Entdecker Orhan Pamuk - Istanbul. Erinnerungen an eine Stadt Jannis Ritsos - Milos geschleift Giorgos Seferis - Alles voller Götter Ahmet Hamdi Tanpınar - Seelenfrieden Jean Vautrin + Moynot - Der Mann der sein Leben ermordete Giuseppe Zironi + Hannes Binder - Antonio Ligabue. Von der Qual eines Künstlerlebens 2 ...and when it all returns to dust, Dinosaur sex is a must Am 27.05.2014 ... 30 Jahre später im gleichen Niemandsland ... beendete FAMILY FODDER ihre Déjà-Déjà-Vu-Tour exakt an gleicher Stelle, wo Alig Pearce schon vor drei Jahrzehnten im Tütü zusammen mit Mick Hobbs und den Mädels von The Lo Yo Yo Glückshormone akti- viert hatte. Nur heißt die Location neuerdings „Kellerperle“. Alig hat beim Wiederhören mit The Lo Yo Yo 1985, mit The Kalahari Surfers 1987 und mit Family Fodder höchstselbst im alten AKW den ersten Eindruck zu einem bleibenden vertieft. Zumindest bei mir und einer Handvoll weiterer ‚Überlebender‘. Und viel mehr sind auch nicht gekommen zu diesem Dino-Meeting. Das in seiner Sexyness freilich die 30 Jahre dazwischen nonchalant ad acta legt. Alig hat sich vom kurzhaarigen Graubart der letztjährigen Fotos zurückverwandelt in sein junges Selbst mit kessem Pferdeschwanz auf dem Scheitel. An seiner Seite trommelt mit dem fezbehüteten Bazz Smith (the one and only, good to animals, good in bed) ein Fod- der-Urtyp. An Gitarren und Bass fetzt, anfänglich gegen giftigen Feedbackwiderstand, der ebenso prä-Monkey Banana Kitchen-bewährte Graham Painting. Der ist vermutlich auch der Link zu Bee Ororo, der neuen Family-Stimme, in deren Band er honkytonkt. Die stößt, während sie bluejeanspropper einen Traubenkeltertanz tanzt, mit glitzerndem Augenauf- schlag die ersten Fodder-Zeilen so automatenhaft aus wie eine aufgedrehte Puppe. Was nach einer Gewöhnungsphase keine schlechte Vermittlung ist für so v-effekthaft Kühles wie The Music is empty / it pleases me / come and see (‘Film Music’). Und auch für This is a new kind of ‘Love Song’ / dududududu (und Painting brummt: What exactly is the point you’re making?). Dazu bietet Alig mit dem schnippischen Uptempostampfer ‘Savoir Faire’ ein weiteres Fodder-Oldie, das prototypisch den aufgekratzten Zeitgeist Mitte der post- punkigen 80er evoziert, und auch ‘Organ Grinder’, das Lied vom Leierkastenmann, darf nicht fehlen. Dazwischen ist Neues gemischt wie das superlativistische ‚The onliest thing’, das der Unmöglichkeit eines Liebesliedes ein Schnippchen schlägt, und (vom letztjährigen Album Variety) reimt Bee Why don’t we do it all again / and take a ‚Hippy Bus To Spain‘. Die Fodders waren zwar eigentlich Wave, Rip-it-up-and-start-again-Pop und proto-Stereolab, aber auch jederzeit in der Lage zu (selbst)-ironischer Zauselei. Zudem sind idiotensichere und meist gerade dadurch verblüffende Reime eine der Stärken dieser Alig-atoren. Einem Rückgriff ins Jahr 1979 und einer unwahrscheinlich heftigen Gitarrenorgie folgt mit dem wieder stakkatohaft deklamierten Prepare yourself / make your defense / we’ll be moving close / like a ‘Silence’ ein weiterer Klassiker. Und als Höhepunkt, na klar, 'Dinosaur Sex': Dinosaur Sex / Dinosaur Sex / You make me feel like a Tyrannosaurus rex. Mit Alig und Bee jetzt an Gitarren, Painting am knurrigen Bass und Bazz mit Kuhglocken, um uns kollektiv auf Dubwellen surfen zu lassen. Als Zugabe gibt es noch einmal ‘Bass adds bass’ / feet after feet / heart over head ... for us to grow together plus ‘The Big Dig’ (Fodders Dubver- sion von Erik Saties Ohrwurm 'Gnossienne Nr 1'!). Bee fühlt sich sichtlich wohl im Dub- groove, einer Vorliebe, die die Family genuin teilte mit Zeit-und Gesinnungsgenossen wie den Slits, New Age Steppers, PIL und Pop Group. Und jetzt bittet sie auch die Sitzenbleiber unbedingt zum Tänzchen. Denn genau das hat sich Family Fodder, damals wie heute, nicht nehmen lassen. Den Verhältnissen auf der Nase rum zu tanzen, mit Spielwitz und Lebens- lust, die sich nicht in Erinnerungen flüchten muss. 3 Freakshow: AVA MENDOZA’S UNNATURAL WAYS Kurz nach 11. Während wir uns verabschieden, zieht sich Ava Mendoza nochmal genieße- risch die von Sommerjasmin- und Lindenduft geschwängerte Würzburger Nachtluft in die Nase. Ich kann nur hoffen, dass es ihr ähnlich geht wie Peter Brötzmann, den, wie man sich erzählt, die gastfreundliche Luft in Weikersheims W71 schon mal als „gefühlter“ Bo- nus für die kleine Gage entschädigte. Hier sind 20 Aficionados zusammengekommen in der Kellerperle für das Gastspiel von AVA MENDOZA’S UNNATURAL WAYS auf dem Zwi- schenstopp von Moers nach Graz. Das ist genau der gleiche Keller, in dem ich 1984 erst- mals Peter Brötzmann tyrannosaurusrexen hörte. Die damals erlebte Vehemenz, die mich bis heute süchtig danach gemacht hat, bestimmt auch die dringliche und nachdrückliche Kakophonie dieser grandiosen Gitarristin und den Bassfuror von Tim Dahl, der uns mit The Hub, Child Abuse und in Quok auch schon mit Ava vertraut ist. Dazu trommelt Nick Podgurski, der mit Secret Life sogar schon Kellerperlen-Luft geschnuppert hat. Die drei spielen so etwas wie eine donnergrollende Brooklyn-Suite, eine derart verwobene jazz- core-bluesige Symphonie einer Großstadt, dass sich keiner von uns Mucksmäuschen getraut, den gewitterfrontalen Spannungsbogen durch Beifall zu stören. Die Montageteile des Sets habe ich mir danach von Ava notieren lassen: Shapeshifters – Harpy – Dogsbo- dies – No Record – Feral Twin – Is This A Joke. Komplett improvisiert ist zuletzt nur die Zugabe, davor ist aber jedes markante Kopfthema ebenfalls nur das Sprungbrett für free- rockig rasante Verfolgungsjagden, mit denen die amerikanische Imagination weltweit Bubenherzen höher schlagen lässt. Was Dahl da schrappel-fetzt und über seine Distor- tion-, Volume- und Delay-Pedale filtert und ringmoduliert, immer wieder mit schnellstmög- lichem Tremolieren und höchstmöglichem Fuzzfaktor und immer wieder mit glissandie- rendem Slide, das vermittelt über die bloße, wenn auch an sich schon stupende Virtuosität dieses Bootsy-Collins-Fans hinaus seine unbändige Lust an raspelzungiger Knutscherei. Der Mann ist Bassmasse und will, dass man ihn spürt. Ava, die in Moers auch noch mit Fred Friths „Gravity Band“ Begeisterung ausgelöst hat, beeindruckt einmal mehr durch die Heftigkeit ihrer Saitentraktate, mit hymnisch dahin stürmendem, fundamental bluesi- gem, dunkel dräuendem oder aufgekratzt hoppendem Duktus. Wenn sie aus ihren konzen- trierten, ungeniert krachigen Tonkaskaden wieder auftaucht, braucht sie nur kurz den Blick zu heben, um ihre wilden Boys fürs Da Capo zu synchronisieren. Für ‚Dogsbodies‘ und ‚Is This A Joke‘ shoutet sie ins Mikrophon wie eine, der streunende Hunde näher sind als Märchenprinzen. Es sind Stunden wie diese, die uns Feldmäusen weltstädtisches Qui- vive lehren. Ava und die Jungs ziehen derweil schon weiter – ihr Weg führt sie danach nach Sardinien (mit Marco Di Gasbarro von Squartet und Ay an ihrer Seite), Dahl wird (zu- sammen mit Weasel Walter) in Lydia Lunchs Retrovirus diverse Organe infizieren. Im Okto- ber darf man eine neue Ava-LP auf New Atlantis erwarten. Oh give us shelter, or we're gonna fade away. Foto: Monika Baus 4 OVER POP UNDER ROCK HUBRO (Haugesund/Oslo) Anders als das in einem Stockholmer Studio eingespielte Debut von MOSKUS, dem Trio der Pianistin Anja Lauvdal, des Bassisten Fredrik Luhr Dietrichson und des Drummers Hans Hulbækmo, entstand Mestertyven (HUBROCD2535) in risikobereiter Spontanität in der Heiliggeistkirche von Risør, der weißen Stadt am Skagerrak. Auch wenn allenfalls 'Tandem med Sankt Peter' das ver- muten lässt, weniger 'Gammel-Erik' und all die andern Titel, die nichts From- mes versprechen. Das Trio gleicht einem normalen Jazztrio wie eine auf den Boden gefallene Teetasse einer ganzen, die Coolness und Abstraktion eines Paul Bley liegt in Scherben. Dafür gehen stramme 4/4 ihren beschwingten Gang, mit perkussivem Flirrakzent und lakonischem Pianino (statt eines Flü- gels wie beim Debut). Der stockende Duktus von 'Yttersvingen' legt nahe, dass svingen nicht Swingen meint, Hulbækmo hackt, statt zu trommeln, Lauvdal probiert verschiedene Sackgassen aus. 'Jag är ett ägg' schleppt sich mit noch größerer Müh und Not, das Pianino zaudert, der Beat hinkt, der Bass fiedelt am Depressionsabgrund entlang. Bei 'Rullings' geben die drei sich dann einen Ruck, mit