Rodgauer Geschichtspfade Wege durch die Vergangenheit

Die hessische Stadt Rodgau liegt südöstlich von am in der Rhein-Main-Ebene und ist die einwohnerstärkste Kommune des Landkreises Rodgauer . Sie entstand 1979 aus der Großgemeinde Rodgau, die 1977 im Rahmen der Gebietsreform in Hessen durch den Zusammenschluss von fünf Geschichtspfade bis dahin selbstständigen Gemeinden gebildet wurde. Die Geschichte der heutigen fünf Stadtteile reicht bis ins 8. Jahrhundert zurück.

Erstmals urkundlich erwähnt wird eine Gemarkung „Raodora“ bereits 786, als ein dort bestehendes Frauenkloster, später auch “Rotaha” genannt, dem Kloster Lorsch vermacht und dies im Codex Laureshamensis, dem Lorscher Codex, festgehalten wurde. Der Name könnte auf die „Siedlung auf einer gerodeten Aue“ zurückgehen, ebenso aber auch darauf, dass die den Ort durchfließende Rodau, die bei Urberach im Rotliegenden entspringt, sich früher bei Hochwasser rot färbte. Wo genau das Kloster lag, ist bis heute nicht W bekannt. Funde im südlichen Rodgau belegen allerdings, dass die Gegend bereits lange Zeit vor Christi Geburt Siedlungsraum war. Im Mittelalter ge- e hörten die umliegenden Wälder zum Wildbann und „der Rodgau“ g ebenso wie der Kinziggau und der Bachgau zum Maingau. e , Hainhausen, Jügesheim, und Nieder-Roden mit d Rollwald bilden ein 15 Kilometer langes Siedlungsband entlang dem Flüss- u chen Rodau. Sieben Mühlen nutzten einst die Wasserkraft der Rodau, drei rc davon bestehen noch als Bauten und sind Stationen der „Rodgauer h Geschichtspfade“. d Insgesamt 41 solcher Stationen, allesamt erklärend beschildert, legen beredte i Zeugnisse über die wechselvolle Geschichte unserer Heimat ab. Der lange Weg e durch Rodgaus Vergangenheit gliedert sich, den Stadtteilen entsprechend, in fünf selbstständige Bereiche. Die Stationen eines jeden sind durchnummeriert V und durch die Angaben in diesem Faltblatt leicht aufzufinden. Die Bilder hier e zeigen zur besseren Orientierung die aktuellen und nicht die historischen An- sichten, die den Erklärungstafeln vorbehalten sind. r g Miteinander sind die 41 Stationen durch bequem mit dem Rad zu befahrende a Wege und Straßen verbunden. Auch die S-Bahn (Linie S1), die unsere Stadt mit Offenbach, Frankfurt und direkt verbindet, bietet sich

n mit ihren sechs Rodgauer Haltepunkten als idealer Zubringer an.

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i t Hainhausen vor der Skyline von Frankfurt

Hilfreich für weitergehende Information sind folgende Kontakte: Geschichts- und Kulturverein Hainhausen 06106/13247 Heimat- und Geschichtsverein Weiskirchen 06106/15643 Heimatverein Jügesheim 06106/13300 Heimat, Geschichte und Kultur in Dudenhofen 06106/876356 Förderkreis für kulturelle Projekte Dudenhofen 06106/23161 Arbeitskreis für Heimatkunde Nieder-Roden 06106/733306 Verein für multinationale Verständigung Rodgau 06106/733325

Impressum Magistrat der Stadt Rodgau in Zusammenarbeit mit den Heimat- und Geschichtsvereinen in Rodgau

www.rodgau.de - Copyright © Stadt Rodgau 2010 - alle Rechte vorbehalten Die Kirche der Evange- wächters und als Ortsgefängnis. Aus 4 lischen Trinitatis-Gemeinde dieser Zeit hat sich an der Nordseite Rodgau-Rembrücken des Häuschens ein originelles Fenster- (Hoher Nickel 12) wurde 1952 einge- gitter erhalten. weiht. Nachdem die evangelischen Müller auf der heute nicht mehr vor- handenen Brückenmühle nach Zwangsbekehrungsversuchen und dem Mahlverbot für Katholiken in dieser Mühle den Ort verlassen hatten, war Weiskirchen als kurmainzische Gemeinde rein katholisch. Erst mit dem Bau der Eisenbahn 1896 kamen auch Protestanten in den Ort. Diese Synagoge mussten ursprünglich zur Kirche nach Steinheim laufen und wurden später vom hessischen Großherzog Duden- hofen, einer rein lutherischen Ge- Die Synagoge (Hauptstr. meinde, zugeteilt. Nach Notkirchen 7 57) wurde 1793 im Wohn- im katholischen Schwesternhaus und häuschen des Schutzjuden einem Schulsaal wurde am 26. August Gedalie (Gedalin) eingerichtet. Im 1951 der Grundstein für die heutige 19. Jahrhundert wurde das Häuschen Weiskirchen evangelische Kirche gelegt. dann vollständig in eine Synagoge umgebaut und mit einer tempelartigen Der erste Hinweis auf Zu Beginn des 19. Jahrhunderts Fassade versehen. Mit der Verfolgung 1 die außerhalb der bebau- verfügte die Grabenmühle als ein- der jüdischen Mitbürger setzte nach ten Ortslage gelegene zige über zwei Wasserräder. 1873 1933 eine Auswanderungswelle ein, die zur Folge hatte, dass die letzten , die aus Tannen- gab es dort unter anderem auch Tannenmühle Vorsteher das Synagogengebäude holz gebaut war, stammt aus dem einen neu erbauten Tanzsaal mit Küche und Keller. Bekannt ist ein noch vor der Pogromnacht in Privat- Jahr 1496. Neben anderen histo- besitz verkauften. rischen Ereignissen war sie 1799 Streit auf einer Tanzveranstaltung Schauplatz eines Kampfes der um ein Mädchen, bei dem der Rodgauer Bauern gegen die franzö- 16jährige Philipp Göbel, der Sohn Evangelische Kirche Am Obermühlplatz (Haupt- sischen Revolutionstruppen. Nach des Forstwartes, erstochen wurde. 8 straße 32-36) stand - in der Einstellung des Mühlenbetriebs Rodauniederung - anstelle wurde sie ab 1929 zum Gasthaus Die Meckelsmühle Der Ursprungsbau der kath. der heutigen Pension gleichen Namens „Zur Tannenmühle“. Auch heute 3 (Mühlweg 10) wurde erst- 5 Pfarrkirche St. Petrus in die Obermühle. Erstmals erwähnt noch ist der Biergarten ein beliebtes mals erwähnt im Jahr 1576; Ketten (Hauptstraße 80-82) im Jahr 1397 wurde sie auch Abts- Ausflugsziel. sie ist heute die am besten erhaltene entstand spätestens in karolingischer mühle genannt, weil sie dem Kloster Mühle Weiskirchens. Das Wohnhaus Zeit, wovon ein karolingischer Tür- abgabepflichtig war. Ge- mit Mühle und die Scheune stammen bogen am Kirchturm zeugt. Erstmals mahlen wurde in der Obermühle bis aus dem 18. Jahrhundert. Ursprüng- erwähnt wird das Gotteshaus am zum Jahre 1933. Die alten Gebäude lich hieß sie Eichmühle. 22. Februar 1287 als Wichenkirche. wurden 1964 abgerissen. Der Name Meckelsmühle leitet sich Der Name bedeutet „die Altehrwür- von der Müllerfamilie Meckel ab, die dige“. Die Kirche war Mittelpunkt Erwähnenswert ist auch das jedoch nur eine Generation auf der des Herrschaftsgebietes der Herren „Heiligenhäuschen“ für die Mühle ansässig war. von Haginhusen-Eppstein. Die Obermühlmadonna, eine Marienfigur Kirche brannte im Jahr 1943 bei aus dem Jahr 1450. Tannenmühle einem englischen Fliegerangriff aus. Der Wiederaufbau dauerte bis zum Jahr 1949. Eine Erweiterung der Die Grabenmühle Kirche in nördliche Richtung erfolgte 2 (Hauptstraße 200) wurde im Jahr 1956. früher auch Sandmühle oder Sensmühle genannt. Erstmals erwähnt im Jahre 1576 wurde sie Aus dem 18. Jh.stammt das im Dreißigjährigen Krieg zerstört; 6 Alte Wachthaus in der 1681 baute sie der Müller Conrad Hauptstraße 79. Ursprünglich Meckelsmühle Obermühle Hüttel aus Altenmittlau wieder auf. diente es als „Dienstsitz“ des Nacht- Blutgericht abzuhalten. Bis hin zur Todesstrafe konnten dort alle "Kriminalsachen" verhandelt werden, die sich innerhalb des Dorfes Hain- 1 hausen ereignet hatten. Gerichtsort waren die sogenannten "Gaiers- bäume", die am östlichen Dorfrand 3 2 (etwa an der Einmündung der Burg- straße in die Alfred-Delp-Straße) anstelle eines Galgens auch als Hinrichtungsort dienten. 4 Wenn man von Hainhausens 3 Ortsmitte kommend die Rodau überqueren will, muss man seit alters her eine steinerne Brücke passieren. Es wird angenom- men, dass eine Brücke schon als Ver- bindungsweg vom Dorf zur Burg diente. Die heutige Brücke stammt aus dem Jahr 1872. Sie steht als “im Hainhausen Kreis seltenes Verkehrsdenkmal des 19. Jahrhunderts” unter Schutz. Nahe am östlichen Brückenkopf, wo Auf dem Friedhof von die alte Hainhausener Hauptstraße 1 Hainhausen ruht Pfarrer einen Knick nach Norden macht, be- Aloys Grafenberger fand sich früher die Hainhäuser (1901-1966), der wegen seines Dorfmühle. Ob sich zur Zeit der Widerstandes gegen das Nazisys- Herren von Haginhusen hier schon tem von 1942 bis 1945 im KZ eine Mühle befand, ist umstritten; Dachau inhaftiert war. 1937 wurde ein Beleg findet sich erst für das Jahr er Pfarrer in Hainhausen. In seinen 1551. Spätestens 1869 stellte die Predigten prangerte er die Miss- Burg-Areal Mühle ihren Betrieb aus wirtschaft- stände des Dritten Reiches öffent- lichen Gründen ein; der Abriss der lich an, wurde daraufhin in "Schutz- Gebäude erfolgte 1998. haft" genommen und später ins KZ hausen eine Wasserburg. Dabei Dachau deportiert. Nach seiner dürfte es sich um einen steinernen Befreiung aus dem KZ durch die Wohnturm gehandelt haben, der von Bis 1960 stand im Bereich der Alliierten kehrte er am 29. Mai der Rodau und einem See umflossen 4 heutigen Straßenkreuzung 1945 nach Hainhausen zurück und wurde. Auf der sicherlich einfachen August-Neuhäusel- / Wilhelm- wirkte bis zu seinem Tode 1966 Burg wuchs ein Adelsgeschlecht Leuschner-Str. die Rochuskapelle, wieder als Pfarrer. heran, das in den folgenden Jahrhun- die nach dem Dreißigjährigen Krieg derten zu den bedeutendsten Ge- errichtet wurde, als in Hainhausen nur schlechtern des Heiligen Römischen noch sieben Einwohner lebten. Reichs Deutscher Nation gehörte. Doch bereits gegen Ende des 12. Aus der Kapelle erhalten blieb der Jahrhunderts verlegten die Hagin- Rochusaltar aus dem Jahr 1687, der sich husener ihren Sitz zur Burg Eppstein in der Katholischen Pfarrkirche im und nannten sich fürderhin St. Rochus (Aug.-Neuhäusel-Str. 24), "Herren von Eppstein". Im 15. Jahr- Grablege die in den Jahren 1890 - 1893 als Nach- hundert dürfte die Wasserburg nicht Pfarrer Grafenberger folgerkirche erbaut wurde, befindet. mehr existent gewesen sein; wahr- scheinlich hatte sie den Bauern als Mit einer Pietá aus dem 14. Jahrhundert willkommener Steinbruch beim Haus- S t. Rochus besitzt die Die Herren von Hagin- bau gedient. Rochuskirche 2 husen, die im Jahre 1108 zudem das urkundlich zum ersten Ein altes, von den Herren von Hagin- älteste religiöse Mal aus dem Dunkel der Geschichte husen/Eppstein überkommenes Recht Bildwerk in traten, hatten an der Rodau in Hain- bestand darin, in Hainhausen das Rodgau. Wasserturm

bach galt als Zentrum der Lederwaren- In der Schwesternstraße Jügesheim herstellung. Aus den Anfängen der 5 zwischen Ludwigstraße Heimarbeit heraus entwickelten sich und Ostring findet sich ein Im Zuge des Wasserlei- mit der Zeit auch größere selbststän- Gebäudeensemble besonderen 1 tungsbaus im östlichen dige Betriebe in Jügesheim. Ein Bei- Charmes, das auch heute noch durch Kreis Offenbach wurde spiel ist die Lederwarenfirma seine Vielfalt in der Gestaltung der Fassaden und Fensterbögen beein- der Wasserturm in den Jahren Reinhard & Eberhard, die 1925 druckt. Diese Gebäude wurden ab 1936 bis 1938 gebaut. Der Turm ist an der Weiskircher Straße (Nr. 68-72) 1912 von dem Jügesheimer Bau- 43,5 Meter hoch. Über dem 400 m³ ein repräsentatives, heute noch erhal- Wasser fassenden Hochbehälter be- tenes Ensemble aus zwei Wohngebäu- meister und Architekten Hermann findet sich die Turmstube, die durch den und einem Werkhaus im rück- Kämmerer (1887 - 1944) errichtet. eine schmale, mitten durch den wärtigen Bereich errichten ließ. Wasserbehälter führende Treppe mit 170 Stufen begehbar ist. Der Wasser- Das Backhaus (Weis- turm steht unter Denkmalschutz und 3 kircher Str. 18) wurde um ist zudem einer von acht topograph- 1865 an der damaligen ischen Punkten erster Ordnung in nördlichen Bebauungsgrenze von Deutschland (wie z.B. auch die Jügesheim errichtet. Das vorhergehen- Zugspitze). de Backhaus stand bis 1869 südlich der alten Kirche neben dem damaligen Die Lederwarenverarbeitung Arresthaus. Durch die ortsansässigen, 2 war ein typisches Gewerbe gewerblich betriebenen Bäckereien Kämmerer-Häuser im Jügesheim des 19./20. verlor das Gemeinschaftsbackhaus Jahrhundert. Bereits seit der Mitte des schon Anfang des 20. Jahrhunderts 19. Jahrhunderts übten hier Feintäsch- an Bedeutung. ner, auch Portefeuiller genannt, ihr Auch das Gebäude Schwes- Gewerbe aus. Die Region um Offen- 6 ternstraße 10 (Ecke Ludwig- Seit 1912 lebten und wirk- straße) mit seiner auffallen- 4 ten im Schwesternhaus den Blendstein-Fassade wurde 1913 (Ostring 27) die „Schwestern von dem Jügesheimer Baumeister von der Göttlichen Vorsehung". Die Hermann Kämmerer als Wohnhaus den Schwestern zugewiesenen Aufga- für seine Familie erbaut. Von 1920 bis benbereiche umfassten die Betreuung 1989 befand sich in dem Gebäude die der vorschulpflichtigen Kinder, die Rodgau-Apotheke, bis nach dem Unterweisung der weiblichen Jugend Zweiten Weltkrieg die einzige Apo- in Hauswirtschaft und Handarbeit und theke weit und breit. Im Erdgeschoss Reinhard & Eberhard die ambulante Krankenpflege. ist heute noch ein Teil der historischen Apothekeneinrichtung nach Absprache einer der fünf oder sechs Familien mit dem Heimatverein Jügesheim e. V. Jügesheims, die den Dreißigjährigen zu besichtigen. Krieg und die damals mehrfach wieder- kehrende Pest überlebten. Hier wohnte auch der 1667 geborene Nikolaus Nehl, in seiner Zeit ein großer Wohl- täter Jügesheims.

Das Alte Lehrerhaus 9 (Vordergasse 37) wurde im Jahr 1875 von der Gemeinde Jügesheim gebaut und diente als Wohnhaus für die Familien der vier Rodgau-Apotheke Lehrer, die damals noch im Schulhaus an der Hintergasse unterrichteten. Gegenüber steht die neugotische Die Ölmühle in der Kath. Pfarrkirche St. Nikolaus, 7 Hintergasse 34 wurde - die nach dem Abriss der alten Vorgän- soweit bekannt - urkundlich gerkirche 1871 durch den Bischof von erstmals 1738 erwähnt. Bei der Sanie- , Wilhelm Emmanuel Freiherr rung des denkmalgeschützten Gebäu- von Ketteler, geweiht wurde. des 1995/96 wurde festgestellt, dass einige der Holzbalken aus dem Jahr 1591 stammen. In der Ölmühle wur- den Raps, Mohn, Nüsse und Buch- eckern zu Ölen verschiedener Quali- tätsstufen verarbeitet.

Lehrerhaus

An der Ecke Eisenbahn- 1 0 straße/ Elbinger Straße, wo sich früher die Wege nach Nieder-Roden, Ober-Roden, Dietzen- bach und Hainhausen/Rembrücken gabelten, stand von alters her eine kleine Fachwerkkapelle, die auch in der Jügesheimer Flurkarte von 1850 Ölmühle eingezeichnet ist. Diese alte Kapelle wurde 1874 von Johann Adam Weitz für 400 Gulden durch die heutige Jügesheim wurde urkundlich Kapelle ersetzt. Sie ist, wie auch ihre erstmals 1261 als „Gugins- 8 Vorgängerin, der schmerzhaften heim“ erwähnt. Der Name Mutter Gottes geweiht. soll sich von „Gugin“, einem Vogt Karls des Großen herleiten, der hier ansässig wurde. Der Altort mit sei- nen überwiegend im 18. Jahrhundert erbauten Fachwerkhäusern zieht sich um Vorder- und Hintergasse mit der Katholischen Kirche im Zentrum und ist zum Teil als Gesamtanlage unter Denkmalschutz gestellt. Die Hofreite Vordergasse 53 wurde um Kapelle 1680 von der Familie Nehl errichtet, In vielen Kleinbauernbe- In der Nieuwpoorter Straße 5 trieben gingen die Futter- 8 56 erinnert eine Tafel an vorräte fürs Vieh im Früh- das Haus der jüdischen jahr häufig zur Neige. Um aber den Familie Reinhardt, die in der Po- Viehbestand zu erhalten, mussten gromnacht (9./10.11.1938) überfallen, Frauen und Kinder außerorts an den aus Dudenhofen vertrieben, 1941 ins Wegen und auf den Äckern Futter Ghetto Lodz deportiert und ermordet suchen. Das sogenannte “Krauten” wurde.

Dudenhofen folgte, im Ge- 9 gensatz zu den umliegenden Gemeinden, in der Mitte des 16. Jahrhunderts den Lehren Luthers und blieb bis 1945/46 fast ausschließ- lich evangelisch. Nach dem Zweiten Alte Schule und Weltkrieg zogen etwa 70 bis 80 vor- Ruhebank wiegend aus dem Sudetenland vertrie- bene katholische Familien zu. war lange üblich, was die „Ruhe- 1953 ermöglichten zahlreiche Spen- bänke" in verschiedenen Gemarkun- den, Darlehen und das Engagement gen bezeugen. Die in unterschiedlich- der Neubürger den Bau eines eigenen en Höhen angebrachten Balken ermög- katholischen Kirchengebäudes. Am Dudenhofen lichten den Krautgängern, ihre Last, 14.06.1953 erfolgte die Grundsteinle- die auf dem Kopf oder dem Rücken gung und bereits am 08. August 1954 getragen wurde, auf dem Heimweg konnte die St. Marien-Kirche Früher standen drei Das neue, wieder regelmäßig genutzte bequem abzulegen und zu rasten. Die durch den in Jügesheim ge- 1 Sühnekreuze unter- Backhaus wurde 2001/2002 nach Ruhebank von 1739 wurde von der borenen Missionsbischof schiedlicher Größe am Originalplänen des alten 1952 abge- Feldflur an den heutigen Standort ver- Gratian Grimm ge- nördlichen Ortseingang von Duden- rissenen „Backes“ rekonstruiert. setzt. Sie steht unter Denkmalschutz. weiht werden. hofen, im Bereich zwischen Doktor- haus und Friedhof, auf der Fläche Bei dem im Jahr 1818 erbauten der heutigen Nieuwpoorter Straße. Rektor-Geißler-Haus handelt es Schon zu Beginn seiner Sie sollten, so wird erzählt, an ein sich um ein Fachwerkhaus mit klassi- 6 seelsorgerischen Tätigkeit Unglück erinnern, bei dem eine zistischen Stilelementen. Es wurde in Dudenhofen im Jahr Kutsche samt Menschen und Pfer- ursprünglich als Schule mit Lehrer- 1900 setzte sich Pfarrer Schuster für den im morastigen Untergrund ver- wohnung und Bürgermeisterzimmer den Bau eines evangelischen sunken seien, ohne dass man sie errichtet. Seit der Sanierung in 2001/ Schwesternhauses ein. Nachdem wieder habe herausziehen können. 2002 kann man sich im ehemaligen die Finanzierung gesichert war, ent- 1959/60 wurden die Kreuze im Schulsaal trauen lassen. stand 1903/04 das damals alleinstehen- Rahmen von Straßenbauarbeiten de Gebäude. Gretchen Schick und zerschlagen. Zur Erinnerung an die Das Pfaltzkreuz - zum Andenken Gretchen Bremer waren die ersten alten Steinkreuze beauftragte der an Johann Friedrich Pfaltz - stand ur- Förderkreis für kulturelle Projekte sprünglich an der Himmelsschneise Schwesternhaus 1984 den Seligenstädter Bildhauer im Wald von Dudenhofen an der Georg Hüter mit der Erstellung Stelle, an der er 1841 tödlich verletzt neuer Kreuze. Diese wurden in der wurde. Auf der Sockelinschrift des Rodauaue, unweit ihres ursprüng- von den Kindern des Verunglückten lichen Standorts, aufgestellt und im gestifteten Kreuzes ist zu lesen, dass Mai 1988 enthüllt. der aus Offenbach stammende Spar- kassendirektor beim Suchen eines er- legten Hirsches aus “Unvorsichtigkeit” erschossen worden sei. Schwestern, die vom Elisabethenstift in entsandt wurden. Schon am ersten Tag fanden sich 65 Kinder ein; bald waren es sogar über 100 Sühnekreuze Kinder, die täglich von den Schwes- tern betreut wurden. Dudenhofen wurde erstmals 2 1278 urkundlich erwähnt Das Alte Rathaus in der und war im 16. Jahrhundert 7 Nieuwpoorter Straße 87 mit ca. 460 Einwohnern das größte wurde 1893 als Verwal- Dorf im Rodgau. Die typische Hof- tungsgebäude für die Gemeinde form im Altort Dudenhofens auf Dudenhofen erbaut. 1963 zog die den für das Straßendorf typischen Verwaltung in das leerstehende Schul- schmalen Parzellen war die „frän- haus in der Georg-August-Zinn-Straße kische Hofreite“ mit giebelständigen Ev. Kirche und um. Anschließend wurde das alte Rat- Wohnhäusern an der Straße, sich daran Rektor-Geißler-Haus haus an die Milchgenossenschaft, anschließenden Nebengebäuden und 1985 in Privatbesitz verkauft. Hinter einer quergestellten Scheune, die den Aufgrund großer Schüler- dem Gebäude zur Rodau hin gelegen Hof vom Garten trennte. Aufgrund der 4 zahlen wurde Anfang des befindet sich noch die alte schmalen Parzellen waren die Scheu- 20. Jahrhunderts in Schweinewaage. nen zumeist als „Scheunenkranz“ an- Dudenhofen der Bau eines neuen einandergebaut. Das 1880 errichtete Schulgebäudes notwendig. 1908 fand Gebäude Nieuwpoorter Straße 130 ist in dem für die damalige Zeit impo- auch als „Doktorhaus“ bekannt, da santen Bau in der Georg-August-Zinn- dort früher der Gemeindearzt wohnte Straße 1 der erste Unterricht in zu- und praktizierte. nächst fünf Klassen statt. Nach 50 Jahren wurde aufgrund des Raumbe- darfs und gestiegener Anforderungen allerdings wieder ein Schulneubau in Der Kirchplatz an der Ecke Dudenhofen erforderlich: im Dezem- Kirchstraße/ Nieuwpoorter 3 ber 1961 zogen die Schüler in die Altes Rathaus Straße bildet mit der evan- gelischen Pfarrkirche, dem Rektor- Freiherr-vom-Stein-Straße um. Die Geißler-Haus und dem neuen Back- nun leerstehende Alte Schule wurde haus einen Mittelpunkt im Altort daher ab 1963 als Rathaus, ab 1975 Dudenhofens. als Bauamt und seit Februar 1990 Die barocke Evangelische Pfarr- schließlich als Polizeistation genutzt. kirche wurde 1769 nach den Plänen des Ingenieur-Leutnants Apolt aus erbaut. 18. Jahrhundert. Die Scheunen wur- den zwischen 1997 und 2007 nach und nach zu Wohnzwecken ausgebaut. Das heute gerne als “Karolinger Scheune” bezeichnete Ensemble grenzt mit seinem östlichen Teil an die “Leitnamshinnergasse”. Schräg gegenüber führt das“Sieglergässje” zur Rodau. Diese und sechs weitere volkstümlich überlieferte Namen be- zeichnen historische Löschwasser- gassen. Hier konnten auf kurzen Wegen Eimerketten zwischen Brand- herd und Rodau gebildet werden. Später verlegte man in den Gassen Schlauchleitungen, bis Nieder-Roden 1935 an das Wasserversorgungsnetz angeschlossen wurde.

“Karolinger Scheunen” Nieder-Roden

Im Jahr 1896 wurde nach Der Alte Friedhof in der 1 dreijährigem Bau die spä- 2 Friedensstraße wurde 1842 ter als „Rodgaubahn“ angelegt, als der Kirchhof bezeichnete Eisenbahnstrecke nach des Dorfes Nieder-Roden aufgegeben Offenbach eingeweiht. Ihre Bedeu- werden musste. Der Eingangsbereich, tung lag vor allem im wachsenden bestehend aus einem Torbogen und Pendlerverkehr zu den Arbeitsplät- zwei flankierenden kleinen Neben- zen in der Lederwarenstadt Offen- gebäuden, ist 1911 im Ausklang des bach. Zur Abwicklung des Bahnver- Jugendstils entstanden. Ein Neben- kehrs und der Güter- und Personen- gebäude diente als Unterstellmöglich- Der Kirchturm der kath. beförderung wurden an fast allen keit für den Leichenwagen, das an- 4 Pfarrkirche St. Matthias, Stationen Stationsgebäude benötigt; dere wurde als Geräteschuppen das älteste Gebäude und Wahr- so entstand 1895/96 unter der Groß- genutzt. zeichen Nieder-Rodens, steht schon seit herzoglichen Hessischen Regierung 1912 unter Denkmalschutz. Seine Ent- auch das heute unter Denkmalschutz stehung wird für das 13. Jahrhundert stehende Bahnhofsgebäude von angenommen. Ein Dokument von 1298 Nieder-Roden, erbaut in zweifar- berichtet über eine Kirche, die an der bigem Klinkermauerwerk mit einer Ostseite des Turmes angebaut war. Güterhalle in Zierfachwerk von dem 1866 erhielt der einstmals mit einem Bauunternehmen Dächert und Sohn flachen Dach ausgestattete Turm seine aus Eberstadt bei Darmstadt. Turmspitze mit den vier Ecktürmchen. Mit der Aufnahme des S-Bahn- Betriebs im Dezember 2003 wurde Alter Friedhof Im Geläut des Turmes befindet sich der Bahnhof als solcher aufgegeben. die wertvolle Marienglocke (Zent- glocke) von 1518. Die kleine Kirche blieb verschont, als 1622 die Solda- 3 Die ehemalige Hintergasse, teska im 30jährigen Krieg Nieder- heutige Karolingerstraße, Roden brandschatzte. Ende des 19. war fast nur auf einer Seite Jahrhunderts wurde sie jedoch „nieder- mit Wohnhäusern bebaut, während gelegt". Nach ihrem Abriss entstand auf der anderen Seite Scheunen stan- 1895-1896 die neugotische Kirche, den, die zu den Hofreiten der dama- die an die Südostecke des nun frei ligen Hauptstraße gehörten. Die dort stehenden Turms angesetzt wurde. erhaltene Reihe aus fünf aneinander Das kunsthistorisch interessanteste Bahnhof gebauten Scheunen stammt aus dem Stück der Kircheneinrichtung ist der Marienaltar aus der Zeit um 1520. Das Schwesternhaus Das Prunkstück jedoch ist der wieder (Schulstr. 31) wurde 1898 Rollwald 7 Tafelstandort: Am Kreuzberg 2 hergestellte neugotische Hochaltar. erbaut. Die Schwestern wid- meten sich der Krankenpflege, da es In Rollwald befand sich von in Nieder-Roden noch keinen Arzt gab, 1938 bis 1945 ein großes unterhielten einen Kindergarten und 190 unterrichteten Mädchen in hauswirt- Strafgefangenenlager, schaftlichen Fächern. 1983 wurde die in dem im Verlauf dieser Zeit mehr als Schwesternstation aufgelöst. Zehn 10.000 Menschen als Häftlinge ein- Jahre später erfolgte der Abriss des Ge- saßen und das bis zu 1.500 Gefangene bäudes und bis 1996 der originalge- gleichzeitig aufnehmen konnte. Es treue Nachbau an alter Stelle, ergänzt gehörte mit zwei weiteren Außen- durch ein modernes Pfarrzentrum. An lagern der Justizvollzugsanstalt der Ecke Bahngässchen/ Schulstraße zum Gesamtkomplex der steht die Statue des Brückenheiligen “Strafgefangenenlager Rodgau”. Neben Johannes von Nepomuk aus dem 18. Kleinkriminellen und Gewaltverbrech- Jahrhundert. Auf dem Sandsteinsockel ern waren auch politische Gegner des befindet sich ein Text mit einem nationalsozialistischen Staates, Nicht- Chronogramm. Es wird angenommen, sesshafte, Bettler, Homosexuelle und Kriegsdienstverweigerer in Rollwald dass die Nepomuk-Statue ursprüng- inhaftiert. Die Gefangenen wurden als lich an der Rodau-Brücke der Baben- St. Matthias billige Arbeitskräfte für Rodungs- und häuser Straße (heutige Römerstraße) Erschließungsarbeiten, Entwässerung, gestanden hat. Bachregulierung und weitere Tätig- keiten eingesetzt Der älteste noch vorhan- 5 dene aus Stein errichtete Obwohl ursprünglich nur kriminelle Profanbau Nieder-Rodens Straftäter im Lager Rollwald inhaftiert ist die Alte Schule (Turmstraße 4). werden sollten, wurden nach Kriegs- Sie wurde nach Plänen des Mainzer beginn zunehmend auch politisch Ver- Dombaumeisters Josef H. Lucas er- folgte hierhin verlegt. baut und 1880 eingeweiht. Das Schul- haus hatte ursprünglich vier geräu- Die Glocke der Lagerkirche bewahrte mige Säle. 1907/08 wurde ein Anbau man nach deren Abriss 1950 zunächst für zwei weitere Säle notwendig. auf und versetzte sie 1971 in den 1986 endete die Nutzung des Gebäu- Nepomuk-Statue Glockenturm der heutigen Rollwälder des als Schule. vor dem Schwesternhaus Heilig-Kreuz-Kapelle. Am westlichen Ende der Das als Doppelhaus errich- 1 0 Rhönstraße richtete man 1944 wegen der steigenden tete ehem. Lehrerhaus 6 An dem ehemaligen Han- Todesfälle im Lager Rollwald einen Ecke Schulstraße/Turm- delsweg von Nürnberg nach straße wurde von der Gemeinde 1895 8 eigenen Lagerfriedhof ein, der Frankfurt, an den noch der erbaut. Es diente je zwei Lehrerfami- bis Kriegsende 110 Verstorbene auf- Name “Frankfurter Straße” erinnert, lien als Wohnstätte. Heute befindet nahm. 1964 wurde der Friedhof aufge- sich in dem Gebäude das vom Arbeits- stand früher eine alte Linde außer- lassen und eingeebnet. In dem 1983 kreis für Heimatkunde Nieder-Roden halb des Ortes auf dem freien Feld, an seiner Stelle angelegten kleinen eingerichtete Heimatmuseum. die später durch den Bau der Bahnlinie Park erinnern ein Gedenkstein und 1894/96 in den Siedlungsbereich ein- Erläuterungstafeln an die Opfer. gegliedert wurde. 1963 wurde sie durch ein Unwetter sowie durch Ein- griffe menschlichen Handelns zerstört. Im Millenniumsjahr 2000 pflanzte der Arbeitskreis für Heimatkunde Nieder- Roden zur Erinnerung eine neue Orts- linde, die nach einem provisorischen Standort ihre endgültige Bleibe an einem neuen, eigens für diesen Zweck gestalteten kleinen Platz am Bahn- Gedenkstätte Lehrerhaus gässchen/Ecke Büchnerstraße fand. Lager Rollwald