Ornithologischer Jahresbericht Für Schleswig–Holstein 2009—2011
Total Page:16
File Type:pdf, Size:1020Kb
Veröffentlichungen der Ornithologischen Arbeitsgemeinschaft für Schleswig-Holstein und Hamburg e.V., Kiel Band 23, Heft 3 Juli 2018 Ornithologischer Jahresbericht für Schleswig–Holstein 2009 —2011 Bernd Koop, mit Beiträgen von Klaus Günther Koop, B. 2018. Ornithologischer Jahresbericht für Schleswig–Holstein 2009–2011. Corax 23: 253–397. 2009 war das letzte Jahr im Brutvogelatlas-Projekt ADEBAR. Seit Ende 2011 besteht das neue Portal www.orni- tho.de. Vogelzugerfassungen wurden insbesondere auf dem Heimzug auf der Route Heidkate/PLÖ > Geltinger Birk/SL intensiviert mit neuen Ergebnissen. 2008/09 war erneut ein Mildwinter, so dass etliche Jahresvögel in der darauf folgenden Brutzeit weiterhin hohe Bestände aufwiesen, u.a. Zwergtaucher, Rohrdommel oder Eisvogel. Durch anhaltend kühl-regnerisches Wetter mit Sturmtagen Anfang Juni gab es 2009 jedoch große Verluste bei Küstenvögeln auf den Halligen und in den Vorländern, aber u.a. auch bei der Rauchschwalbe durch den Ausfall der ersten Brut. Der Berichtszeitraum der Jahre 2009 bis 2011 war vor allem geprägt durch den kalten Winter 2009/10, der erstmals seit 1995/95 als Kältewinter einzustufen ist. Hohe Schneelagen bzw. Verwehungen bewirkten mehrfach Kältefluchtereignisse von u.a. Gänsen, Wacholderdrosseln und sogar Goldammern. Erstmals sind Überwinterungen von Schnatter- und Krickenten auf eisfreien Klärteichen dokumentiert worden. Mit dem kalten Winter 2009/10 hat die Anzahl überwinternder Bergenten auf der Ostsee abseits der Lübecker Bucht deutlich zugenommen. Durch diesen Winter bedingt brachen nachfolgend die Bestände etlicher Arten zusammen: Zwergtaucher, Rohr- dommel, Wasserralle, Schleiereule, Eisvogel, Bartmeise, Zaunkönig und Gebirgsstelze. Einige dieser Arten litten besonders, weil auch die Winter 2010/11 und 2011/12 Kälteperioden aufwiesen, die weit nach Westeuropa hin- einwirkten, wo z.B. Rohrdommel, Wasserralle oder Gebirgsstelze überwintern. Bei Höckerschwan und Graugans schritten in Folge des Winters weniger Vögel zur Brut. Zudem waren ihre Gelege kleiner als üblich. Zur Schneeschmelze 2010 boten überschwemmte Niederungen günstige Rastbedingungen für Gründelenten wie schon lange nicht mehr. Nasskalte Wetterlagen im Mai 2010 sorgten für den bisher stärksten registrierten Heimzug von Mauersegler und Mehlschwalbe. 2011 war ein Jahr mit sehr später Rückkehr von Arten, die in Ostafrika überwintern, insbesondere Neuntöter, Sumpfrohrsänger, Schlagschwirl und Sprosser. Ursache dürfte eine anhaltende Dürre in diesem Raum gewesen sein. 2011 war zudem das Jahr mit den meisten bislang festgestellten Wachtelrufern. Der Wegzug 2011 war insbesondere bei Blässgans, Kranich und Ringeltaube auffällig, vom Wespenbussard wurde mit knapp 4.000 Durchzüglern einmal mehr eine hohe Anzahl registriert. Andauernde Bestandszunahmen und Ausbreitungen zeigten weiterhin insbesondere Löffler, Grünspecht, Mit- telspecht, Blaukehlchen und Schwarzkehlchen. Deutliche Abnahmen sind insbesondere von Turteltaube, Haubenlerche, Wacholderdrossel und Steinschmätzer dokumentiert worden, das Vorkommen der Haubenlerche droht unmittelbar zu erlöschen. Unter den Durch- züglern und Wintergästen fielen insbesondere die Abnahmen von Waldsaatgans und Zwerggans auf sowie an der Ostsee die anhaltenden Rückgänge von Berghänfling und Schneeammer selbst in den kalten Wintern. 253 KOOP, B.: Ornithologischer Jahresbericht 2009–2011 Seltene Brutnachweise gelangten von der Bergente mit je einer Familie 2010 und 2011 und vom Stelzenläufer mit 4 Bruten 2009 und 2 Bruten 2010 von denen 2009 erstmals eine mit 3 flüggen Jungen erfolgreich verlief. Ein Grauspecht hielt im Frühjahr 2011 ein Revier an der Landesgrenze zu Hamburg. In allen drei Jahren des betrachteten Zeitraumes waren die Bestände von Greifvögeln in den Niederungen (Mäuse-, Raufußbussard, Kornweihe, Turmfalke) sehr gering. Hellbäuchige Ringelgänse traten in den kalten Wintern in bisher unbekannter Anzahl auf. Pazifische Ringelgans, Graubruststrandläufer, Terekwasserläufer, Thorshühnchen und Gelbbrauenlaubsänger wurden so „verlässlich“ registriert, dass eine Einstufung als regelmäßiger Durchzügler gerechtfertigt erscheint. Einflüge erfolgten 2009 vom Fichtenkreuzschnabel, 2010 von Eichelhäher, Seidenschwanz und Erlenzeisig und 2011 von Raufußbussard und Steppenweihe. Sie äußerten sich vor allem in starken Zugbewegungen.Als Seltenheiten wurden insbesondere folgende Arten nachgewiesen: vier Nachweise der Carolinakrickente, zwei Exemplare Brillenenten an der Nordseeküste, Schleswig-Holsteins erste Spatelente 2010 und der zweite Blau- wangenspint 2010 in Ostholstein, etliche seltene Limikolenarten wie Präriegoldregenpfeifer, Wilsonwassertre- ter, Großer Schlammläufer, erneut eine Schwarzflügelbrachschwalbe, ein erster Nachweis des Isabellwürgers in Schleswig-Holstein abseits von Helgoland sowie Dunkellaubsänger. Vom Blauschwanz wurden wiederum zwei Nachweise im Herbst 2010 erbracht. Waldpieper wurden zweimal an der unmittelbaren Westküste (Eiderstedt, Sylt) nachgewiesen. Schelladler „Tönn“ querte mehrfach unbemerkt Schleswig-Holstein. Bernd Koop, Waldwinkel 12, 24306 Plön, [email protected] 1. Einleitung 2. Die Witterung in Schleswig-Holstein 2009 —2011 Zum dritten Mal wird ein zusammenfassender Bericht für drei Jahre vorgelegt (Koop et al. 2009, Jeromin et al. 2009 2014). Dies ist dem Umstand geschuldet, dass sich die Januar und Februar waren von kurzen Kältephasen Bearbeitung der zunehmend umfangreicheren Jahres- abgesehen milder als im Mittel, und der Winter ist als berichte durch eine Vielzahl weiterer Projekte schnell Mildwinter einzustufen. April bis Juni waren deutlich verzögert.Dennoch haben mehrjährige zusammenfas- sonnnenscheinreicher und etwas wärmer als das Mittel, sende Berichte auch Vorteile, die bereits in Koop et al. der April deutlich trockener, mit 4,2 mm Niederschlag einer der trockensten Frühjahrsmonate. (2009) dargelegt sind. Die Sommermonate waren ebenfalls wärmer als das 2011 begann mit der Einführung des Internetportals langjährige Mittel, so dass 2009 für Schleswig-Holstein www.ornitho.de eine neue Ära der Datensammlung. als Wärmejahr gelten kann. Der Dezember 2009 leitete Es ist zu erwarten, dass das Beobachtungsmaterial da- mit unterdurchschnittlichen Temperaturen einen kal- durch weiter anwächst, was höhere Anforderungen an ten Winter ein. die Datenauswahl stellen wird und auch von den Au- toren der Jahresberichte eine ständige Präsens im Felde Winter 2009/10 erfordert, um das Typische eines Jahres zu erfassen. Der Berichtszeitraum stand insgesamt unter dem Ein- fluss strenger Winter, insbesondere in den Winterperio- Dank den 2009/10 und 2010/11. Der Winter 2009/10 wird als Allen Beobachtern sei herzlich gedankt für die Zusen- einer der herausragenden Kältewinter neben den Win- dung von Beobachtungsberichten, Daten aus Erfas- tern 1978/79 und 1985–1987 in Erinnerung bleiben. sungsprojekten und Sonderdrucken. Das Angebot von Ähnlich wie 1995/96 waren wieder Teile der Ostseeküs- Publikationsorganen wird zunehmend unübersichtli- te (Abb. 1) sowie das Wattenmeer vereist, die meisten cher. Daher auch ein herzlicher Dank an alle für Lite- Seen einschließlich der großen Gewässer vereisten von raturhinweise. Mitte Januar bis ca. 20. März. 254 Corax 23 (2018) Abb.1: Eiskarte für die westliche Ostsee vom 24.01.2010. In der Lübecker Bucht und rund um Fehmarn liegt festes Eis (Quelle: Bundesamt für Seeschiffahrt und Hydrographie). Fig. 1: Ice cover of the western Baltic at January 24th 2010. Als Folge der ungewöhnlichen Winterwitterung erfolg- Juli: ein Sommermonat mit sehr wenig Regen und über- ten bei den Vögeln zwei starke Wellen der Winterflucht. durchschnittlich viel Sonnenschein. Im Wattenmeer kam es zu einem erheblichen Rückgang August: Das Sommerwetter hielt nur bis zum 07.08. der Muschelbestände um ca. 45–89 %, was sich in der Danach herrschte weitgehend eine Westströmung mit Muschelbiomasse auf zwei Probeflächen bei Büsum/ überdurchschnittlichen Niederschlägen und wenigen HEI in einem Rückgang von 24,8 (2008) auf 4,4 g/m2 kurzen Zwischenhochs. (2010) bzw. von 4 auf 1 g/m2 bemerkbar machte (Witt- wer & Schwemmer 2014). September: ein typischer Herbstmonat mit weniger Sonnenschein und mehr Niederschlägen als im Mittel. Frühjahr–Herbst 2010 Am 27.09. folgte auf eine Kaltfront ein Einstrom von April: wärmer, sonniger und trockener als das Mittel Kaltluft mit nachfolgend der ersten Weißwangengans- (Tab. 1) – dies ist eine zunehmend häufigere Wettersitu- zugwelle am 28.09. ation, die insbesondere Wiesenvögeln Schwierigkeiten in der Brutzeit beschert. Oktober: Ein kräftiger Kaltlufteinbruch am 16.10. sorg- te für Massenzug der Ringeltaube und anderer Herbst- Mai, Juni: im Gegensatz zum April kühler und sonnen- zugvögel am 17.10. scheinärmer und somit durchschnittlich. Eine Regen- phase gab es Ende Mai, eine weitere im Juni, der z.T. November: Der weitaus nasseste November der letzten kühler als im langjährigen Mittel blieb (Tab. 1). 20 Jahre, die Niederschlagsmengen erreichten aufgrund 255 KOOP, B.: Ornithologischer Jahresbericht 2009–2011 lokaler Starkregen z.T. das Dreifache der üblichen Re- und in der Lübecker Bucht, am 28.12. auch in der Hoh- genmenge. Niederungen waren wie im März großflä- wachter Bucht/PLÖ. Die Schneedecke erreichte eine chig überschwemmt. Ende des Monats erfolgte ein kräf- Höhe zwischen 15 und 30 cm, lokal durch Wind frei tiger Wintereinbruch, der 27.11. war der erste Eistag des geweht. Am 23.12. wurden in Kropp/RD –18°C gemes- Winters 2010/11. sen, in Füsing/SL –11°C (F. Kummetz). Am 29.12. war Dezember: