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Auch er war Arzt

Auch er war Arzt

Paul Fleming Einer der größten Dichter des Barock

Von Manfred P. Bläske

Ein getreues Herze wissen Er präsentierte Lebensfülle, echte Empfin- hat des höchsten Schatzes Preis. dung, kräftige Sinnlichkeit (wie untenste- Der ist selig zu begrüßen, hendes Gedicht beweist) und sprachliche der ein treues Herze weiß. Melodik, die in mehr als einhundert Jahren Mir ist wohl bei höchstem Schmerze, nach seinem Tode in der deutschen Poesie denn ich weiß ein treues Herze. kaum wieder erreicht wurden. In Reval (Tallin) lernte Fleming die drei Im 19. Jahrhundert, in der Blütezeit des Töchter des Kaufmanns Niehusen kennen, Poesiealbums, ist dieser Anfang eines die fortan in seiner Dichtung eine große sechsstrophigen Gedichts immer wieder zu Rolle spielen. 1639 aus Isphahan zurück- Papier gebracht worden, um dem Stamm- gekehrt, verlobte er sich mit Anna Niehu- buchseigner tiefste Zuneigung und Dank- sen. Um die ihm angebotene Stelle des barkeit zu signalisieren. 1653 schrieb der Stadtphysicus von Reval antreten zu kön- sächsische Barockdichter Paul Fleming nen, trennte er sich von der Gesandtschaft das Gedicht für seine Geliebte im fernen und ging nach Leyden, wo er mit einer Dis- Reval, wenige Jahre vor seinem frühen sertation „de lue Venerea“ promovierte. Tod; er wurde nur 30 Jahre alt! Am 7. März 1640 verließ Fleming Ley- ✯ den, traf am 20. in ein, um seine Reise nach Reval vorzubereiten. Eine Als Sohn des Schulmeisters von Harten- Woche später erkrankte er an einer Lun- stein im Erzgebirge, späteren Hof- und genentzündung, dichtete in Erkenntnis Stadtdiakonus und seiner Ehefrau Doro- seines baldigen Todes seine eigene Grab- thea, ehemals Kammerfrau der Gemahlin inschrift und starb am 2. April 1640. des Grafen Hugo von Schönburg-Walden- burg, wurde Paul Fleming vor 400 Jahren, am 5. Oktober 1609 geboren. Nach erstem Wie er wolle geküsset sein Unterricht beim Vater besuchte Paul zu- Das Jahr1633 brachte dem Leben des jun- Nirgends hin als auf den Mund: nächst die Schule in Mittweida, 1623 nahm gen Mediziners – Fleming hatte sein Stu- da sinkts in des Herzen Grund; ihn Kantor in die dium mit dem Magistergrad beendet – nicht zu frei, nicht zu gezwungen, Leipziger Thomasschule auf, und 1628 eine entscheidende Wendung. In den Wir- nicht mit gar zu fauler Zungen. ren des Dreißigjährigen Krieges hatten begann er ein Philosophie- und Medizin- Nicht zu wenig, nicht zu viel: studium an der Alma mater lipsiensis. viele seiner Professoren und Kommilito- beides wird sonst Kinderspiel. nen das geschundene Leipzig inzwischen Nicht zu laut und nicht zu leise: Vier Jahre später wurde Fleming, der sei- verlassen. Seine Geliebte war von der bei der Maß ist rechte Weise. nen persönlichen Stimmungen und seinem Pest hinweggerafft worden, und nun Erleben frühzeitig in Gedichten unmittel- entriss ihm der Tod seinen väterlichen Nicht zu nahe, nicht zu weit: baren Ausdruck zu geben vermochte, Bac- Freund Georg Gloger. Fleming ging nach dies macht Kummer, jenes Leid. Holstein, nachdem er von Adam Olea- Nicht zu trucken, nicht zu feuchte, calaureus der schönen Künste und 1633 ar- wie Adonis Venus reichte. tium et philosophiae Doctor; im Vorjahr rius, einem seiner Examinatoren, erfah- war er in Wechselburg bereits zum kaiser- ren hatte, dass Herzog Friedrich III. zur Nicht zu harte, nicht zu weich, lichen Poeta laureatus gekrönt worden. Ein Aufnahme von Handelsbeziehungen eine bald zugleich, bald nicht zugleich. älterer Studienfreund, Flemings kundiger Reise nach Persien vorbereitete. Als Hof- Nicht zu langsam, nicht zu schnelle, Führer in der Medizin, machte ihn auch mit junker, Truchsess und Arzt wurde Fle- nicht ohn Unterscheid der Stelle. (1597 – 1639) bekannt, der ming Mitglied dieser Gesandtschaft. Halb gebissen, halb gehaucht, mit seinem Engagement für die Reinheit halb die Lippen eingetaucht, der deutschen Sprache und mit seinem Die Abenteuer und Erfahrungen der Reise, nicht ohn Unterscheid der Zeiten, „Buch von der deutschen Poeterey“ (1624) die am 6. November begann, waren Anlass mehr alleine denn bei Leuten. Fleming in seinem dichterischen Schaffen für viele Gedichte auf Landschaften, Freunde und Begebenheiten, die in ihrer Küsse nun ein jedermann, prägte. wie er weiß, will, soll und kann! Unmittelbarkeit des Ausdrucks Fleming Ich nur und die Liebste wissen, Mit der Schreibweise Flemming wich der Dichter von weit über die dichterischen Zeitgenossen – wie wir uns recht sollen küssen. seinem Taufnamen ab. ausgenommen – erhoben.

10 KVS-Mitteilungen Heft 11/2009