Rt^ Diese Auswahl Deutscher Gedichte Vom Barock Bis Zur Gegenwart Will Keinen „Ewigen Vorrat Deutscher Poesie" Bieten
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Rt^ Diese Auswahl deutscher Gedichte vom Barock bis zur Gegenwart will keinen „ewigen Vorrat deutscher Poesie" bieten. Ihr Ziel ist es vielmehr, an repräsentativen Beispielen Themen, Motive und Formen aus fast 400 Jahren deutscher Lyrik zu zeigen. Diesem bewußt historischen Bezug der Auswahl entspricht auch der Aufbau des Bandes. Die Ge- dichte sind nach dem Jahr ihres ersten Erscheinens angeord- net. Dieser Verzicht auf eine Gruppierung nach Epochen oder nach Motivkreisen eröffnet überraschende Perspekti- ven für einen lyrischen Gang durch die Literaturgeschichte. Der Band gibt einen Einblick in die Vielfalt deutschsprachi- ger Gedichte vom Barock bis zu Beginn der goer Jahre. Er ist ein ideales Arbeitsbuch zur Einführung in die deutsche Ly- rik für Schule und Universität. Deutsche Lyrik vom Barock bis zur Gegenwart Herausgegeben von Gerhard Hay und Sibylle von Steinsdorff Deutscher Taschenbuch Verlag Nachdruck der 6., erweiterten und überarbeiteten Auflage November 1992 Originalausgabe Oktober 198o I I. Auflage Juni 2007 Deutscher Taschenbuch Verlag GmbH & Co. KG, München www.dtv.de Umschlagkonzept: Balk & Brumshagen Umschlagbild: >Mythische Figur< (1923) von Oskar Schlemmer ( 1 997 Oskar Schlemmer, Archiv und Familien-Nachlass, Badenweiler/Photo: C. Raman Schlemmer, Oggebio) Gesamtherstellung: Druckerei C. H. Beck, Nördlingen Gedruckt auf säurefreiem, chlorfrei gebleichtem Papier Printed in Germany • ISBN 978-3-423-12397-6 Inhalt Gedichte .................................. 7 Nachwort ................................. 317 Alphabetisches Verzeichnis der Autoren mit Quellennachweis ........................ 320 Überschriften und Gedichtanfänge ................ 339 16oi THEOBALD HOCK * Von Art der Deutschen Poeterey. Die Deutschen haben ein bsonder art vnd weise / Daß sie der frembden Völcker sprach mit Reisse / 5 Lernen vnnd wöllen erfahrn / Kein müh nicht sparn / Jn jhren Jahren. Wie solches den ist an jhm selbs hoch zloben / Drauß man jhr geschickligkeit gar wol kan proben / o Wenn sie nur auch jhr eygene Sprachen / Nit vnwerth machen / Durch solche sachen. Den ander Nationen also bscheide / Jhr Sprach vor andern loben vnd preisen weidte / 15 Manch Reimen drin dichten / So künstlich schlichten / Vnd zsammen richten. Wir wundern vns daß die Poeten gschriben / So künstlich Vers vnnd Meisterstück getrieben / 20 Daß doch nit ist solch wunder / Weil sie gschrieben bsunder / jhr Sprach jetzunder. Den sein Ouidius vnd Maro Glerte / Nit gwesen Reimer also hoch geehrte / 25 Die sie in der Mutter Zungen / Lateinisch gsungen / Daß jhnen glungen. Warumb sollen wir den vnser Teutsche sprachen / Jn gwisse Form vnd Gsatz nit auch mögen machen / 30 Vnd Deutsches Carmen schreiben / Die Kunst zutreiben / Bey Mann vnd Weiben. So doch die Deutsche Sprach vil schwerer eben / Alß ander all / auch vil mehr müh thut geben / 35 Drin man muß obseruiren / Die Silben recht führen / Den Reim zu zieren. Man muß die Pedes gleich so wol scandiren, Den Dactilum vnd auch Spondeum Tieren / 4o Sonst wo das nit würd gehalten / Da sein dReim gespalten / Krumb vnd voll falten. Vnd das nach schwerer ist so sollen die Reime / Zu letzt grad zsammen gehn vnd gleine / 4s Das in Lateiner Zungen / Nit würdt erzwungen / Nicht dicht noch gsungen. Drumb ist es vil ein schwerer Kunst recht dichten / Die Deutsche Reim alls eben Lateinisch schlichten / so Wir mögen new Reym erdencken / Vnd auch dran hencken / Die Reim zu lencken. Niembt sich auch billich ein Poeten nennet / Wer dGriechisch vnd Lateinisch Sprach nit kennet / fS Noch dSingkunst recht thut riehen / Vil Wort von Griechen / Jns Deutsch her kriechen. Noch dürffen sich vil Teutsche Poeten rühmen / Sich also schreiben die besser zügen am Riemen / 6o Schmiden ein so hinckets Carmen, Ohn Füß vnnd Armen! Das zuerbarmen. Wenn sie nur reimen zsammen die letzte Silben / Gott geb wie die Wörter sich vberstilben / 6 5 Das jrret nicht jhre zotten / Ein Handt voll Notten / Jst baldt versotten. O wenn sie sollen darfür an dHacken greiffen / Vnd hacken Holtz / wenn es nit khride zu Pfeifen / 70 Khridts doch zu Poltzen selber / Sie trügen doch gelber / Für Lorber Felber. 1624 MARTIN OPITZ VON BOBERFELD Liedt / im thon: Ma belle je vous prie. Ach Liebste laß vns eilen Wir haben Zeit: s Es schadet das verweilen Vns beider seit. Der schönen Schönheit gaben Fliehn fuß für fuß Daß alles / was wir haben / Verschwinden muß / Der Wangen zier verbleichet / Das Haar wird greiß / Der äuglein fewer weichet / Die flamm wird Eiß. 20 Das Mündlein von Corallen Wird vngestallt. Die Händ / alß Schnee verfallen / Vnd du wirst Alt. Drumb laß vns jetz geniessen Der Jugent frucht / Eh dann wir folgen müssen Der Jahre flucht. Wo du dich selber liebest / So liebe mich / 1s Gib mir / daß / wann du gibest / Verlier auch ich. 1624 PAUL SCHEDE * Lied. Jm thon / ich ging einmal spatziren. 1. Rot Röslein wolt' ich brechen Zum hübschen Krentzelein: Mich Dörner thaten stechen Hart in die finger mein. Noch wolt' ich nit lan ab. Jch gunt mich weiter stecken Jn Stauden vnd in Hecken: Darin mirs wunden gab. 2. O dorner krum' vnd zacket / Wie habt jhr mich zerschrunt? Wer vnter euch kompt nacket / Der ist gar bald verwunt. Sonst zwar könt jhr nichts mehr: Jhr keiner Haut thut schonen / Noch nitlicher Personen / Wans gleich ein Göttin wer. 3• 20 Sie hats wol selbs erfahren / Die schöne Venus zart / Als sie stund in gefahren / Vnd so zerritzet ward. Daher die Röslein weis as Von Bluttrieffenden nerben Begunten sich zu ferben: Den man verieht den preis. 4• Jch thu ein Rose loben / Ein Rose tugent voll. 30 Wolt mich mit ihr verloben / Wans ihr gefiehle wol. Jhrs gleichen find man nicht Jn Schwaben vnd in Francken: Mich Schwachen vnd sehr Krancken 35 Sie Tag vnd nacht anficht. S• Nach ihr steht mein verlangen / Mein sehnlich hertzegird: Am Creutz last sie mich hangen / Meins lebens nimmer wird. 40 Zwar bald ich tod muß sein. Je weiter sie mich neidet / Je lenger mein Hertz leidet. Jst das nit schwere pein? 6. Ach liebster Schatz auff Erden / 45 Warumb mich quelest so? Zutheil laß dich mir werden / Vnd mach mich endlich fro. Dein wil ich eigen sein. Jn lieb vnd trew mich binde / 50 Mit deiner hand mir winde Ein Rosenkrentzelein. 10 1624 MARTIN OPITZ VON BOBERFELD Jhr / Himmel / Lufft vnd Wind / jhr Hügel voll von Schatten / Jhr Hainen / jhr Gepüsch / vnd du / du edler Wein / Jhr frischen Brunnen jhr so reich am Wasser seyn / S Jhr Wüsten die jhr stets müßt an der Sonnen braten / Jhr durch den weissen Thaw bereifften schönen Saaten / Jhr Hölen voller Moß / jhr auffgeritzten Stein' / Jhr Felder welche ziert der zarten Blumen Schein / Jhr Felsen wo die Reim' am besten mir gerathen / to Weil ich ja Flavien / das ich noch nie thun können / Muß geben gute Nacht / vnd gleichwol Muth vnd Sinnen Sich fürchten allezeit / vnd weichen hinter sich / So bitt' ich Himmel / Lüfft / Wind / Hügel / Hainen / Wälder / Wein / Brunnen / Wüsteney / Saat / Hölen / Steine / Felder 1S Vnd Felsen sagt es jhr / sagt / sagt / sagt jhr vor mich. 1637 ANDREAS GRYPHIUS Trawrklage des verwüsteten Deutschlandes. Wir sind doch numehr gantz / ja mehr alß gantz vertorben. Der frechen Völcker schar / die rasende Posaun / Daß vom Blutt feiste Schwerd / die donnernde Carthaun / Hat alles diß hinweg / was mancher sawr erworben! Die alte Redligkeit vnnd Tugend ist gestorben; Die Kirchen sind vorheert / die Starcken vmbgehawn / Die Jungfrawn sind geschänd; vnd wo wir hin nur schawn / Jst Fewr/ Pest/ Mord und Todt/ hier zwischen Schantz vnd Korben Dort zwischen Mawr vnd Stad / rint allzeit frisches Blutt Dreymal sind schon sechs Jahr als vnser Ströme Flutt Von so viel Leichen schwer / sich langsam fortgedrungen. Jeh schweige noch von dehm / was stärcker als der Todt / (Du Straßburg weist es wol) der grimmen Hungersnoth / Vnd daß der Seelen-Schatz gar vielen abgezwungen. 1640 SIMON DACH Perstet amicitiae semper venerabile Faedusl [Melodie] i. Der Mensch hat nichts so eigen s So wol steht jhm nichts an / Als daß Er Trew erzeigen Vnd Freundschafft halten kan; Wann er mit seines gleichen Soll treten in ein Band! 10 Verspricht sich nicht zu weichen Mit Hertzen / Mund vnd Hand. 2. Die Red' ist vns gegeben Damit wir nicht allein Vor vns nur sollen leben 13 Vnd fern von Leuten seyn; Wir sollen vns befragen Vnd sehn auff guten Raht / Das Leid einander klagen So vns betretten hat. :o 3. Was kan die Frewde machen Die Einsamkeit verheelt? Das gibt ein duppelt Lachen Was Freunden wird erzehlt; Der kan sein Leid vergessen 2s Der es von Hertzen sagt; Der muß sich selbst aufffressen Der in geheim sich nagt. 4. Gott stehet mir vor allen / Die meine Seele liebt; 30 Dann soll mir auch gefallen Der mir sich hertzlich giebt / Mit diesem Bunds-Gesellen Verlach' ich Pein vnd Noht / Geh' auff dem Grund der Hellen 3S Vnd breche durch den Tod. S . Jch hab' / ich habe Hertzen So trewe / wie gebührt / Die Heucheley vnd Schertzen Nie wissendlich berührt; 12 40 Jch bin auch ihnen wieder Von grund der Seelen hold! Jch lieb' euch mehr/ ihr Brüder/ Als aller Erden Gold. 1640 LUDWIG VON ANHALT-KOTHEN * Wenige anleitung zu der Deutzschen Reim-kunst. 1. Wer eines guten Reims weis' art und maß wil wissen Jn unsrer Deutzschen Sprach' / aufs erste sey beliessen / Zu schreiben drinnen klar / leicht ungezwungen rein / An fremde Sprachen sich und Worte ja nicht binde / Er geh' auch in dem fall' er folgen wil / gelinde / Biß er der seinen sich befind ein Meister seyn. z. Er nehm' in acht die fäll' und solche nit verkehre / Casus. so Und wo verkehret sie ein bessers andern lehre / Nach wahrer Eigenschaft der Züng' in unserm Land! Da sie mit reiner zierd' / und deutlich wird getrieben Jn ungebundner red' / als sie dann auch geschrieben / Prosa. Gebunden werden sol / in wolgemeßnem band. Oratio ligata. 3• 15 Das maß der Reim' ich mein' in dem' alleine lieget Mensura. Die schöne Wissenschaft zusammen wol gefüget: Darbey dan das gehör' am meisten wircken muß / Die Sylben kurtz und lang gleich auff einander lauffen / Jambi.