ORGELSTUNDE Sonnabend 26.09.2020 15.30 Uhr · Großer Saal BEN VAN OOSTEN Orgel
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ORGELSTUNDE Sonnabend 26.09.2020 15.30 Uhr · Großer Saal BEN VAN OOSTEN Orgel Louis Vierne zum 150. Geburtstag (am 8.10.2020) Louis Vierne (1870–1937) „Marche épiscopale“ – Improvisation, rekonstruiert von Maurice Duruflé „Aubade“ op. 55 Nr. 1 und „Hymne au soleil“ op. 53 Nr. 3 (aus „Pièces de Fantaisie“) „Stele pour un enfant défunt“ (aus „Triptyque“ op. 58) Sergej Rachmaninow (1873–1943) Prélude cis-Moll op. 3 Nr. 2, für Orgel übertragen von Louis Vierne Louis Vierne Sinfonie Nr. 2 e-Moll op. 20 ALLEGRO RISOLUTO MA NON TROPPO VIVO CHORAL. LARGO SCHERZO. QUASI PRESTO CANTABILE. LARGHETTO FINAL. MAESTOSO HINWEISE ZUR PANDEMIE Bitte beachten Sie die allgemeine Hygiene-, Husten- und Nies-Etikette. Beim Betreten des Konzerthauses bitte Mund- und Nasen-Bedeckung tragen, erst nach Einnahme des Sitzplatzes und Schließen der Saaltüren abnehmen sowie beim Verlassen des Platzes wieder anlegen. 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Während in Deutschland die kirchenmusikalische Praxis an die Peripherie der Musik- entwicklung verdrängt wurde, entwickelte sich der neue sinfonische Orgel- stil Frankreichs gerade auf der Grundlage des liturgischen Dienstes: In den einzelnen Sätzen der gewaltigen Orgelsinfonien etwa von Charles-Marie Widor oder Louis Vierne erscheinen die gottesdienstlichen Improvisations- muster gleichsam in geronnener, abstrahierter Gestalt – an die Stelle der in der Orchestersinfonie weitgehend in Ehren gehaltenen Sonatenform treten in den Orgelsinfonien lockerere Formen wie (allerdings ausgebauter) Liedsatz und Variation. „Symphonisch“ sind die Orgelsinfonien vor allem durch ihre Gesamtlänge (meist mehr als 30 Minuten) und durch ihre den Farbenreich- tum und die Lautstärke der Orgel einsetzende klangliche Wucht. Dagegen versuchte die deutsche Orgelmusik dieser Zeit vor allem, die Tradi- tionen Bachs und der vorbachschen Meister zu reaktivieren, Formen wie Toccata, Fuge, Passacaglia oder Choralbearbeitungstypen aufzugreifen und in den Sonatenzyklus zu integrieren. Am 8.10.1870 in Poitiers geboren, war Louis Vierne – nach einer ersten Ausbil- dung am Pariser Blindeninstitut – am Conservatoire zunächst Orgelschüler von César Franck, nach dessen Tod 1890 übernahm ihn Francks Nachfolger Charles-Marie Widor. Dieser machte Vierne 1892 auch zu seinem Assistenten an der Großen Orgel von St-Sulpice in Paris sowie 1894 zu seinem Assistenten in der Orgelklasse des Conservatoire, wo Vierne auch unter Widors Nachfol- ger Guilmant wirkte. 1900 gewann Vierne den um die Neubesetzung der Organistenstelle von Notre-Dame in Paris ausgeschriebenen Wettbewerb, hier wirkte er bis zu seinem Tod im Jahre 1937. Er starb während eines Orgel- konzertes in seiner Kirche – die „Stele auf den Tod eines Kindes“ (der 3. Satz seines „Triptyque“) wurde sein Schwanengesang. 1911 übernahm er außerdem die Orgelklasse an der Schola Cantorum, der 1894 von Guilmant gegründeten Pariser Kirchenmusikschule. Zu seinen Schülern hier gehörten u. a. Joseph Bonnet, Marcel Dupré und Maurice Duruflé. Hoff- nungen, auf die Orgelprofessur des Pariser Konservatoriums berufen zu wer- den, erfüllten sich nicht – nach Guilmants Tod 1911 erhielt Eugène Gigout die begehrte Stelle, nach dessen Tod 1925 folgte ihm dann Marcel Dupré. SINFONIK AUF DER ORGEL Louis Viernes sechs Orgelsinfonien (und hier im Besonderen die virtuosen Schlusstoccaten) haben die Wahrnehmung der Gattung entscheidend geprägt. Die Sinfonie Nr. 2 e-Moll entstand in den Jahren 1901-03, also kurz nach Vier- nes Amtsantritt als Organist an der Pariser Kathedrale Notre-Dame, und wurde noch 1903 als Viernes op. 20 im Druck veröffentlicht. Die wesentlichen für Vierne charakteristischen Satztypen sind in diesem über halbstündigen Werk bereits erkennbar: ein konfliktgeladener, vertrackt virtuoser Kopfsatz, das von übermäßigen Akkorden und einer huschenden Bewegung geprägte Scherzo (die dem Spieler eine geradezu akrobatische Beherrschung, den eige- nen Körper im Gleichgewicht zu halten, abverlangt) oder das in eine brillante Toccata mündende, virtuose Finale. Noch vor der eigentlichen Uraufführung des Werkes spielte Vierne zwei Sätze daraus in einem Konzert der „Societé Nationale de Musique“ am 21.2.1903 im Konzertsaal der Pariser Schola Cantorum. Selbst der als Musikkritiker mit- unter etwas vorlaute Claude Debussy zeigte sich beeindruckt: „Fruchtbarste Musikalität verbindet sich mit kunstvollen Ideen in der besonderen Klang- welt der Orgel. Der alte J. S. Bach, unser aller Vater, wäre mit Herrn Vierne zufrieden gewesen.“ FANTASIESTÜCKE Neben seinen sechs Orgelsinfonien komponierte Vierne zahlreiche kleinere Charakterstücke für Orgel, die in Sammlungen von „Pièces le style libre“ (Stü- cke im freien Stil) oder „Pièces de Fantaisie“ (Fantasiestücke) zusammengefasst publiziert wurden. Die Herkunft solcher Charakterstücke aus der Praxis litur- gischer Improvisation ist häufig augen- und ohrenfällig, auch wenn Stücktitel wie „Aubade“ (Morgenständchen), „Naiades“ (Wassernixen) oder „Les cloches de Hinckley“ (Die Glocken von Hinckley) als impressionistische Stimmungs- bilder solche Gedanken an sich nicht aufkommen lassen würden. „Hymne au Soleil“ (Hymne an die Sonne) inspirierte den Komponisten zu einer großarti- gen Apotheose des Lichtes, vorgetragen im vollen Werk der Orgel. IMPROVISATION UND TRANSKRIPTION Unser Bild von Louis Vierne wäre unvollständig ohne die Erinnerung an den großen Improvisator, der nicht nur in den Gottesdiensten in gekonnter Weise die liturgische Funktion der Orgelmusik sowohl kalkuliert als auch spontan auszufüllen verstand, sondern auch halbstündige Orgelsinfonien gleichsam „aus dem Nichts“ erstehen ließ. Dieser Aspekt seiner künstlerischen Wirksam- keit ist zwar verklungen, aber es existieren einige Transkriptionen, die nach erhaltenen Tonaufzeichnungen vorgenommen wurden. So spielte Vierne Ende der 1920er Jahre im Auftrag der Firma Odéon mehrere Improvisationen ein, die 1930 als Schallplatten veröffentlicht wurden. Die von Viernes Schüler und Freund Maurice Duruflé nach diesen Tonaufnahmen erstellten Transkriptio- nen wurden 1954 publiziert. Für den „Marche épiscopale“ darf sich der Hörer in seiner Fantasie die Ein- oder Auszugsprozession des Pariser Kardinal-Erz- bischofs in seiner Kathedrale Notre-Dame vorstellen … Als Konzertorganist wusste Louis Vierne das Repertoire für sich und andere durch geschickte Bearbeitungen zu vermehren, wovon die Transkription von Sergej Rachmaninows unverwüstlichem Klavierpräludium cis-Moll beredtes Zeugnis ablegen kann. Rachmaninow hatte sein Prélude cis-Moll op. 3 Nr. 2 1892 komponiert, Viernes Orgelbearbeitung wurde 1932 publiziert. Aufgrund des geringeren Tonumfangs der Orgel musste Vierne in seiner Bearbeitung Rachmaninows vollgriffigen Klaviersatz verschiedentlich etwas ausdünnen, setzt jedoch für die Schluss-Apotheose die geballte Kraft des Orgel-Plenums voraus. DAS LETZTE KONZERT IN NOTRE-DAME Am Abend des 2. Juni 1937 eröffnete Louis Vierne ein Orgelkonzert in Notre- Dame, das er gemeinsam mit seinem Freund und Schüler Maurice Duruflé spielen sollte, mit einer Darbietung seines „Triptyque“ op. 58. Unmittelbar nach dem letzten Ton erlitt der Künstler auf der Orgelbank einen Herzinfarkt und verstarb kurze Zeit später. Von der im Programm angekündigten Impro- visation Viernes erklang nur der erste Ton … Die „Stele auf den Tod eines Kindes“, die Vierne einige Jahre zuvor im Gedenken an den verstorbenen Sohn eines Freundes komponiert hatte, wurde somit auch zum Schlussak- kord eines Künstlerlebens. KÜNSTLERPORTRÄT BEN VAN OOSTEN 1955 in Den Haag (Niederlande) geboren. Orgel- und Klavierstudium am Sweelinck-Konservatorium in Amsterdam sowie in Paris. Bereits seit 1970 um fangreiche internationale Konzerttätigkeit. Professor für Orgel am Konserva- torium Rotterdam, außerdem gibt er zahlreiche Meisterkurse im In- und Aus- land. Seine umfangreiche Beschäftigung mit der französischen sinfonischen Orgelmusik fand ihren Ausdruck unter anderem in den vielbeachteten Ge- samteinspielungen der Orgelwerke von César Franck, Camille Saint-Saëns, Alexandre Guilmant, Louis Vierne, Charles-Marie Widor und Marcel Dupré, die inzwischen mit wichtigen internationalen Preisen ausgezeichnet wurden (z.B. Choc du Monde, Diapason d’Or, Echo Klassik und Opus Klassik). Außer- dem Autor einer umfassenden Monographie zu Leben und Werk von Charles- Marie Widor (erschienen 1997). Wegen seiner Verdienste um die französische Orgelkultur mehrmals durch die Société Académique Arts, Sciences, Lettres in Paris bzw. durch die französische Regierung ausgezeichnet. 2010 durch die damalige Königin der Niederlande Beatrix zum „Ritter im Orden des Niederländischen Löwen“ berufen. Titularorganist an der Grote Kerk in Den Haag und Künstlerischer Leiter des dortigen Internationalen Orgelfestivals. IMPRESSUM HERAUSGEBER Konzerthaus Berlin, Intendant Prof. Dr. Sebastian Nordmann TEXT UND REDAKTION Dr. Dietmar Hiller · Gedruckt auf Recyclingpapier · www.konzerthaus.de · PREIS 0,50 ¤.