Gericht Entscheidungsdatum Geschäftszahl Spruch Text
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03.06.2015 Gericht BVwG Entscheidungsdatum 03.06.2015 Geschäftszahl W206 1427460-1 Spruch W206 1427460-1/12E IM NAMEN DER REPUBLIK! I. Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr. Alexandra SCHREFLER-KÖNIG über die Beschwerde von XXXX, StA. Somalia, vertreten durch RA Edward DAIGNEAULT, Lerchenfelder Gürtel 45/11 1160 Wien, gegen Spruchpunkt I. des Bescheides des Bundesasylamtes vom 08.06.2012, Zl. 11 09.998- BAI, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 29.05.2015, beschlossen: A) Das Verfahren wird wegen Zurückziehung der Beschwerde gemäß §§ 28 Abs. 1, 31 Abs. 1 VwGVG eingestellt. B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig. II. Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr. Alexandra SCHREFLER-KÖNIG über die Beschwerde von XXXX, StA. Somalia, vertreten durch RA Edward DAIGNEAULT, Lerchenfelder Gürtel 45/11 1160 Wien, gegen Spruchpunkt II. und III. des Bescheides des Bundesasylamtes vom 08.06.2012, Zl. 11 09.998-BAI, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 29.05.2015, zu Recht erkannt: A) Gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG wird XXXX der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Somalia zuerkannt. XXXX wird gem. § 8 Abs. 4 AsylG eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter bis zum 02.06.2016 erteilt. B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig. Text ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE: I. Verfahrensgang 1. Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger Somalias, reiste am 02.09.2011 illegal in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am selben Tag den verfahrensgegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz. Am 03.09.2011 fand gemäß §19 AsylG 2005 die Erstbefragung durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes statt. Dabei gab der nunmehrige Beschwerdeführer zu Protokoll, in Merka geboren worden zu sein und der Volksgruppe der Biyomaal anzugehören. Er habe seine Heimat Anfang August schlepperunterstützt mit dem Flugzeug verlassen und sei schließlich von der Türkei aus am Landweg nach Österreich gelangt. Bezüglich seiner Fluchtgründe verwies er auf Schwierigkeiten mit Al Shabaab, die ihn zwingen hätten wollen, am Heiligen Krieg teilzunehmen. Als er sich geweigert hätte, sei er bedroht worden; aus Angst habe er sein Heimatland verlassen. Darüberhinausgehende religiöse oder politische Probleme habe er nicht. Nach Österreich sei er gekommen, da er von Freunden gehört hätte, dass es sich um ein gutes Land für Flüchtlinge handle. www.ris.bka.gv.at Seite 1 von 14 Bundesverwaltungsgericht 03.06.2015 2. Am 17.01.2012 wurde der Beschwerdeführer niederschriftlich vor dem Bundesasylamt einvernommen. Dabei gab er an, acht Jahre die Schule besucht und bei seinem Vater in dessen Landwirtschaft gearbeitet zu haben. Er sei am 15.06.2011 von Al Shabaab Milizen festgenommen und in ein Lager gebracht worden. Dort sei ihm gezeigt worden, wie man schieße. Man habe den Beschwerdeführer aufgefordert, am Heiligen Krieg teilzunehmen und dort zu kämpfen. Er hätte zugestimmt und den Islamisten über Aufforderung auch die Telefonnummer seines Vaters bekannt gegeben. Sein Vater sei es auch gewesen, der ihm im Zuge eines heimlich geführten Telefonats geraten hätte, die Flucht zu ergreifen. Über seine Tante sei dann die Flucht aus dem Lager und seine Ausreise organisiert worden. Konkret hätte seine Tante ein Fluchtauto besorgt und in der Nähe des Ortes abgestellt, zu dem der Beschwerdeführer von Al Shabaab gebracht worden sei. Dem Beschwerdeführer sei es gelungen, in das Auto einzusteigen, das ihn zu seiner Tante und seinem Vater in die Hauptstadt gebracht hätte. Über Aufforderung tätigte der Beschwerdeführer Angaben zur Lage des Trainingslagers der Islamisten. Er führte aus, dass er durch loyale Mitarbeit das Vertrauen der Al Shabaab gewonnen hätte, dies habe zur Folge gehabt, dass man ihm vertraut habe und lockerer im Umgang mit ihm geworden sei. 3. Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch des Status des subsidiär Schutzberechtigten ab und wies den Genannten unter einem aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Somalia aus. Die vom Beschwerdeführer ins Treffen geführten Fluchtgründe hätten sich als nicht glaubhaft erwiesen, zumal seine Angaben ohne Realitätsbezug und zudem auch zum Teil divergierend gewesen seien. Dass der Genannte zutreffende Angaben zur Lage des Trainingslagers habe machen können, ändere nichts an der Beurteilung des Wahrheitsgehaltes. Diese Informationen seien nämlich aus dem Internet abrufbar und jedermann zugänglich. Zusammengefasst erweise sich die Fluchtgeschichte als konstruiert. Bezüglich der Zulässigkeit der Rückkehr führte das Bundesasylamt aus, dass nach Angaben des Beschwerdeführers seine Eltern und weitere Angehörige nach wie vor in Somalia lebten, so dass nicht erkennbar sei, aus welchen Gründen dem Beschwerdeführer keine neuerliche Unterkunftnahme im Kreise seiner Familie möglich sein sollte. Mogadischu stünde unter der Kontrolle von AMISOM und sei international gut erreichbar; hinsichtlich der Sicherheitslage sei auszuführen, dass sich diese stabilisiert habe und eine Rückkehr von Al Shabaab ausgeschlossen werden könne. Die Ausweisung erweise sich in Ermangelung eines feststellbaren Privat- und Familienlebens als rechtmäßig. 4. Der Beschwerdeführer bekämpfte die Entscheidung des Bundesasylamtes fristgerecht mittels Beschwerde. Er verwies auf die Zwangsrekrutierungen durch Al Shabaab Milizen und führte dazu aus, dass die islamische Radikalisierung im Steigen begriffen sei. Die Sicherheitslage sei prekär und es bestünden laufend Bedrohungen, sei es durch Anschläge oder auch durch Zwangsrekrutierungen. Der Staat stünde alle dem ohnmächtig gegenüber, einen Schutz gäbe es im gesamten Land nicht. Konkret auf sich selbst bezogen betonte er, zwei Wochen im Trainingslager verbracht zu haben und dort wiederholt misshandelt und gedemütigt worden zu sein, da er sich vehement gegen die Ausbildung gewehrt habe. Er habe von den Schlägen auch an der Stirn erkennbare Narben davon getragen. Dies seien wohl eindeutige Verfolgungsmaßnahmen, die gegen ihn gesetzt worden seien und seine wohlbegründete Furcht vor Verfolgung begründeten. 5. Die gegenständliche - seit 01.01.2014 beim Bundesverwaltungsgericht anhängige - Beschwerdeangelegenheit wurde der nunmehr erkennenden Richterin mit Verfügung vom 14.01.2015 zugewiesen. 6. Mit Schriftsatz vom 01.04.2015 brachte der Rechtsvertreter des Beschwerdeführers einen Fristsetzungsantrag ein. Mit verfahrensleitender Anordnung vom 10.04.2015 wurde das Bundesverwaltungsgericht aufgefordert, binnen drei Monaten eine Entscheidung zu erlassen. 7. Am 29.5.2015 fand vor dem Bundesverwaltungsgericht eine mündliche Verhandlung statt, an der der rechtsfreundlich vertretene Beschwerdeführer teilnahm. Er zog seine Beschwerde gegen Spruchpunkt I des bekämpften Bescheides zurück. II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen: 1. Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers : 1. Der Beschwerdeführer trägt den im Spruch angeführten Namen und ist somalischer Staatsangehöriger. 2. Es wird - auf Basis der unter 2. dargelegten Länderberichte - festgestellt, dass die Sicherheits- und Menschenrechtslage in Somalia infolge des dort herrschenden Bürgerkriegs problematisch ist und derzeit nicht ausgeschlossen werden kann, dass der Genannte im Fall seiner Rückkehr der Gefahr unmenschlicher www.ris.bka.gv.at Seite 2 von 14 Bundesverwaltungsgericht 03.06.2015 Behandlung im Sinne des Art. 3 EMRK ausgesetzt wäre. Er erfüllt somit die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten. 2. Zur Lage im Herkunftsstaat Allgemeines zur politischen Lage Im Jahr 1988 brach in Somalia ein Bürgerkrieg aus, der im Jahr 1991 im Sturz von Diktator Siyad Barre resultierte. Danach folgten Kämpfe zwischen unterschiedlichen Clans, Interventionen der UN sowie mehrere Friedenskonferenzen (EASO 8.2014). Seit 1991 gibt es in Somalia keinen Zentralstaat mehr (BS 2014). Das Gebiet von Somalia ist de facto in drei unterschiedliche administrative Einheiten unterteilt: a) Somaliland, ein 1991 selbstausgerufener unabhängiger Staat, der von der internationalen Gemeinschaft nicht anerkannt wird; b) Puntland, ein 1998 selbstausgerufener autonomer Teilstaat Somalias; c) das Gebiet südlich von Puntland, das Süd-/Zentralsomalia genannt wird (EASO 8.2014). Somalia ist offiziell in 18 Regionen (gobol) unterteilt. In Süd-/Zentralsomalia liegen Bakool, Benadir, Bay, Galgaduud, Gedo, Hiiraan, Middle Jubba (Jubba Dhexe), Lower Jubba (Jubba Hoose), Mudug, Middle Shabelle (Shabelle Dhexe) und Lower Shabelle (Shabelle Hoose). Somaliland und Puntland teilen sich die Regionen Awdal, Bari, Nugaal, Togdheer, Woqooyi Galbeed, Sanaag und Sool. Die Regionen wiederum sind administrativ in Bezirke unterteilt. Mogadischu besteht aus 16 Bezirken, die wiederum in die Teileinheiten waax, laan und tabella (ca. 50-250 Haushalte) unterteilt sind. Jeder Bezirk hat einen Bezirkskommissar (District Commissioner/DC). Nur wenige Straßen in der Stadt haben einen Namen, einige davon änderten sich im Zuge des Bürgerkrieges (EASO 8.2014). Nominell verfügt Somalia heute über ein Zweikammern-Parlament: Das vom Volk gewählte House of the People und das von den Gliedstaaten beschickte Upper House. Bisher gibt es aber lediglich ersteres, und die Abgeordneten wurden nicht gewählt sondern von Ältesten nominiert. Das Upper House soll bis Ende 2015 eingerichtet werden. Danach sollen 2016