Gericht Entscheidungsdatum Geschäftszahl Spruch Text
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03.03.2015 Gericht BVwG Entscheidungsdatum 03.03.2015 Geschäftszahl W206 1433863-1 Spruch IM NAMEN DER REPUBLIK! Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr. Alexandra SCHREFLER-KÖNIG über die Beschwerde der XXXX, StA. Somalia, vertreten durch Caritas Sozialzentrum Graz, gegen Spruchpunkt I. des Bescheides des Bundesasylamtes vom 14.03.2012, Zl. 12 11.599-BAG, zu Recht erkannt. A) XXXX wird gemäß § 3 AsylG 2005 BGBl. I Nr. 100/2005 idgF der Status der Asylberechtigten zuerkannt. Gemäß §3 Abs 5 leg.cit wird festgestellt, dass XXXX damit Kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt. B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig. Text ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE: I. Verfahrensgang Die Beschwerdeführerin, eine Staatsangehörige Somalias, reiste am 28.08.2012 illegal in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am darauffolgenden Tag den verfahrensgegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz. Bei der am Tag der Antragstellung gemäß §19 AsylG 2005 durchgeführten Erstbefragung durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes gab die nunmehrige Beschwerdeführerin zu Protokoll, am 01.05.1995 in Mogadischu geboren worden und somit minderjährig zu sein. Sie gehöre der Volksgruppe der Sheikhaal an und hätte keine Ausbildung genossen. Bereits im September 2011 hätte die Genannte schlepperunterstützt ihre Heimat verlassen und sich bis August 2012 in Athen aufgehalten. Bezüglich ihrer Fluchtgründe gab die Beschwerdeführerin an, sich nach der Ermordung ihres Vaters durch Al Shabaab von den Rebellen bedroht gefühlt zu haben. Diese seien in ihr Dorf vorgedrungen und hätten die Frauen vergewaltigt. Ihre Mutter hätte ihr geraten, das Land zu verlassen. Seitens der die Beschwerdeführerin vertretenden Jugendwohlfahrtsbehörde wurde mit Eingabe vom 07.02.2013 darauf hingewiesen, dass die Beschwerdeführerin in ihrer Heimat beschnitten worden sei und dies bei der Erstbefragung nicht zur Sprache gekommen wäre, da die Genannte von einem Mann einvernommen worden sei und sich geschämt habe. Unter anderem wurde die Einvernahme durch eine Referentin beantragt. Am 14.03.2013 wurde die nunmehrige Beschwerdeführerin niederschriftlich -von einer weiblichen Referentin der belangten Behörde- einvernommen. Sie sei in Mogadischu geboren worden und hätte seit ihrem fünften Lebensjahr gemeinsam mit ihrer Großmutter, von der sie misshandelt worden sei, 11 Jahre lang in Saudi Arabien gelebt. Nachdem sie illegal aufhältig gewesen sei, wäre sie in Haft geraten und in weiterer Folge nach Somalia abgeschoben worden. Damals sei sie 16 Jahre alt gewesen. Dort sei sie auf ihre Eltern getroffen, die in ständigem Streit miteinander gelebt hätten. Ihr Vater hätte auf der Beschneidung der Beschwerdeführerin bestanden und diese auch veranlasst, woraufhin die Genannte vier Monate krank gewesen sei und nicht gehen hätte können. Sowohl zum Zeitpunkt ihrer Beschneidung als zum Zeitpunkt der Ermordung ihres Vaters sei sie 16 Jahre alt gewesen. Ihr älterer Bruder hätte ihr mitgeteilt, dass sie mit einem älteren Mann namens Ibrahim verheiratet werden sollte. Die Tanten der Beschwerdeführerin hätten sie, in der Absicht sie vor der Zwangsverheiratung zu bewahren, mitgenommen und sie ärztlich versorgen lassen. Insgesamt hätte sie eineinhalb Monate bei ihren Tanten verbracht, ehe diese - im Zusammenwirken mit ihrer Mutteraus Sicherheitsgründen ihre Ausreise www.ris.bka.gv.at Seite 1 von 20 Bundesverwaltungsgericht 03.03.2015 organisiert hätten. Als sie bereits in Griechenland gewesen sei, hätte sie erfahren, dass jene Tante, die sie gerettet hätte, in der Zwischenzeit ums Leben gekommen wäre. Konkret hätte es einen Anschlag der Al Shabaab auf das Auto, in dem sich die Tante sowie die jüngere Schwester der Beschwerdeführerin aufgehalten hätten, gegeben. Über die ergänzende Nachfrage führte die Beschwerdeführerin aus, dass ihr Vater selbst kein Mitglied der Al Shabaab gewesen sei, dass sich jedoch ihre beiden Brüder nach der Ermordung des Vaters - infolge von Manipulation und Druck durch die Islamisten- dieser Gruppierung angeschlossen hätten. Über Vorhalt ihrer Aussagen bei der Erstbefragung meinte die Beschwerdeführerin. sie hätte heute über ihr persönliches Problem gesprochen, zumal man ihr bei der Erstbefragung gesagt hätte, sie solle sich kurz fassen. Zudem wäre sie damals müde gewesen. Abschließend verneinte die Beschwerdeführerin individuell gegen sie gerichtete Übergriffe infolge ihrer Clanzugehörigkeit, hielt aber fest, dass ihr Clan allgemein diskriminiert würde. Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde den Antrag der Beschwerdeführerin auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten ab. Unter Hinweis auf die prekäre Sicherheits- und Menschenrechtslage wurde der Genannten unter einem der Status einer subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt und ihr eine befristete Aufenthaltsberechtigung erteilt. Begründend führte die belangte Behörde aus, dass sich die Schilderungen der Beschwerdeführerin in Bezug auf ihre Fluchtgründe als nicht glaubhaft erwiesen hätten. So habe sie bei ihrer Erstbefragung lediglich von der Ermordung ihres Vater sowie dem Vordringen der Islamisten in ihr Dorf gesprochen, wo es zu Vergewaltigungen gekommen sei. Bei der Einvernahme hätte die Beschwerdeführerin demgegenüber von einer drohenden Zwangsverheiratung und einer Beschneidung gesprochen. Zudem sei es nicht vorstellbar, dass die Beschwerdeführerin scheinbar unbehelligt eineinhalb Monate bei ihrer Tante im selben Bezirk leben konnte, ohne dass ihre Brüder nach ihr gesucht hätten. Aus den Länderberichten ergäbe sich ein Rückzug der Al Shabaab aus Mogadischu, die Übergangsregierung sei im Zusammenwirken mit der AMISOM willens, die Menschen vor den Islamisten zu schützen. Im Zusammenhang mit der glaubhaft vorgebrachten Beschneidung sei festzuhalten, dass es sich um ein in der Vergangenheit liegendes, abgeschlossenes Ereignis handle. Aus ihrer Clanzugehörigkeit ergäbe sich keine konkrete Verfolgungsgefahr. In der fristgerecht gegen Spruchpunkt I erhobenen Beschwerde betonte die Beschwerdeführerin die ihr drohende asylrelevante Verfolgung infolge fehlenden adäquaten staatlichen Hilfssystems. Weiters seien die Bestimmungen der Kinderrechtekonvention außer Acht gelassen worden, die unter anderen das Recht von Flüchtlingskindern und Asyl suchenden Kindern auf angemessenen Schutz und humanitäre Hilfe bei der Wahrnehmung der in der Konvention und anderen internationalen Übereinkünften über Menschenrechte oder humanitäre Fragen verankerten und auf sie anwendbaren Rechte. In einer Beschwerdeergänzung vom 05.04.2013 brachte die Beschwerdeführerin weiters vor, dass der Zweck der Erstbefragung nicht darin gelegen sei, eine detaillierte Schilderung der Fluchtgründe vorzunehmen. Dass die Beschwerdeführerin dabei angegeben hätte, aus Furcht vor Al Shabaab ihre Heimat verlassen zu haben, stünde in keinem Widerspruch zu ihren späteren, genaueren Ausführungen. Die Situation von Frauen in Somalia sei flächendeckend von massiver Diskriminierung und Missbräuchen geprägt, in diesem Zusammenhang verwies die Beschwerdeführerin auf verschiedenste Berichte. Zusammengefasst wäre die Beschwerdeführerin der Gefahr der Zwangsverheiratung ausgesetzt gewesen und hätte durch ihre Weigerung die Ablehnung der konservativen Wertehaltung der somalischen Gesellschaft zum Ausdruck gebracht. Vor dem Hintergrund fehlender staatlicher Schutzmöglichkeiten sei daher davon auszugehen, dass die Beschwerdeführerin asylrelevanten Verfolgungshandlungen ausgesetzt gewesen sei. Gegenständliche Beschwerdeangelegenheit wurde der nunmehr erkennenden Richterin mit Verfügung vom 14.01.2015 zugewiesen. II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen: Feststellungen Die Beschwerdeführerin ist somalische Staatsangehörige und ist seit ihrer Antragstellung auf Gewährung internationalen Schutzes am 29.08.2012 in Österreich aufhältig. Auf Basis der Entscheidung des Bundesasylamtes vom 14.03.2013 kommt der Beschwerdeführerin als subsidiär Schutzberechtigte eine befristete Aufenthaltsberechtigung zu. Die Genannte stammt aus Mogadischu und gehört dem Volksstamm der Sheikhaal an. Sie hat keine Schulausbildung genossen und von ihrem 5. bis 16. Lebensjahr illegal in Saudi Arabien gelebt. Nach ihrer zwangsweisen Abschiebung nach Somalia wurde sie auf Verlangen ihres Vaters beschnitten und sollte einen älteren Mann heiraten. Ihre beiden Brüder haben sich unter Druck der Al Shabaab Gruppierung angeschlossen. Mehrere ihrer Familienangehörigen, darunter der Vater, eine Tante sowie ihre jüngere Schwester, wurden im Zuge von Angriffen durch Al Shabaab getötet. www.ris.bka.gv.at Seite 2 von 20 Bundesverwaltungsgericht 03.03.2015 Dass die Beschwerdeführerin in ihrem Herkunftsstaat aufgrund ihrer Ethnie Verfolgungshandlungen ausgesetzt war, wurde weder von ihr behauptet noch konnte dies aufgrund der Länderberichte festgestellt werden. Zur Lage in Somalia Allgemeines zur politischen Lage Im Jahr 1988 brach in Somalia ein Bürgerkrieg aus, der im Jahr 1991 im Sturz von Diktator Siyad Barre resultierte. Danach folgten Kämpfe zwischen unterschiedlichen Clans, Interventionen der UN sowie mehrere Friedenskonferenzen (EASO 8.2014). Seit 1991 gibt es in Somalia keinen Zentralstaat mehr (BS 2014). Das Gebiet von Somalia ist de facto in drei unterschiedliche administrative Einheiten unterteilt: a) Somaliland, ein 1991 selbstausgerufener unabhängiger Staat, der von der internationalen Gemeinschaft nicht anerkannt wird; b) Puntland, ein 1998 selbstausgerufener autonomer Teilstaat Somalias; c) das Gebiet