Michał Szulc: Emanzipation in Stadt Und Staat
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Michał Szulc Emanzipation in Stadt und Staat Die Judenpolitik in Danzig 1807-1847 Hamburger Beiträge zur Geschichte der deutschen Juden Für die Stiftung Institut für die Geschichte der deutschen Juden herausgegeben von Andreas Brämer und Miriam Rürup Bd. XLVI Michał Szulc Emanzipation in Stadt und Staat Die Judenpolitik in Danzig 1807 – 1847 Gedruckt mit Unterstützung der Geschwister Boehringer Ingelheim Stiftung für Geisteswissenschaften, der Axel Springer Stiftung und der Behörde für Wissenschaft, Forschung und Gleichstellung, Hamburg Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografi e; detaillierte bibliografi sche Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. © Wallstein Verlag, Göttingen 2016 www.wallstein-verlag.de Vom Verlag gesetzt aus der Adobe Garamond Umschlaggestaltung: Basta Werbeagentur, Steff i Riemann Umschlagbild unter Verwendung der folgenden Abbildungen: Part of the Kranthor, Danzig, West Prussia, (i. e. Gdańsk, Poland), zwischen 1890 und 1900, Library of Congress, Nr. 2002714030 Die Börse von Danzig im Jahre 1844, in: Raimund Behrend, Aus dem Tagebuch meines Vaters Th eodor Behrend, Königsberg 1896 Druck: Hubert & Co, Göttingen Zugl.: Universität Potsdam, Dissertation 2014 ISBN (Print) 978-3-8353-1853-3 ISBN (E-Book, pdf ) 978-3-8353-2975-1 Inhalt Einleitung . 9 1. Die Szene . 37 1.1. Die Rechtslage der Juden in und um Danzig vor 1807 . 37 1.1.1. Die Rechtslage in den Vorstädten . 37 1.1.2. Die Rechtslage in der Stadt . 41 1.2. Die Wirtschaftslage . 45 1.3. Die Mentalität der Bürger . 48 1.4. Die Niederlassung der Juden . 53 1.5. Juden in der Wirtschaft . 61 2. Die Akteure . 67 2.1. In Stadt und Region . 67 2.2. Preußische Beamte in der »Sattelzeit« . 77 2.3. Preußische Beamte und Juden . 80 3. Der Kaiser fordert auf: der Anfang der Emanzipationsdebatte . 90 3.1. Kennzeichen von Napoleons Politik . 90 3.2. Eine zeitgemäße Lösung: die Konstitution . 94 3.3. Eine »klassische« Lösung: das Judenreglement . 97 3.4. Die Deputation der drei Ordnungen mit dem heftigsten Widerstand zur französischen Judenpolitik . 102 3.5. Die Vielschichtigkeit des Bürgerbegriffs . 106 3.6. Gegensätzliche Interessen jüdischer und christlicher Gemeinschaften . 110 3.7. Ohnmacht an der Macht: Der misslungene Einsatz von Gouverneur Rapp . 119 3.8. Resümee . 123 4. Der Kanzler führt ein: das preußische Emanzipationsedikt. 125 4.1. Die preußische Gesetzgebung der Reformzeit . 125 4.2. Die Gegnerschaft der Stadtbehörden zur Emanzipationspolitik . 128 4.3. Die jüdischen Gesandten in Berlin . 134 4.4. Hardenbergs Einführung des Emanzipationsedikts . 135 4.5. Die Verleihung der Stadt- und Staatsbürgerrechte . 140 4.6. Exkurs: Erich Hoffman über die Einführung des Emanzipationsedikts . 153 4.7. Resümee . 154 5. Der Minister schränkt ein: die rechtliche Sonderstellung . 156 5.1. Die Zurückhaltung der Marienwerderschen Regierung . 156 5.2. Schuckmanns Einschränkung des Emanzipationsedikts . 158 5.3. Die lokalen Einschränkungsversuche . 161 5.4. Christliche Werte und Militär: Schöns Erziehungskonzept . 164 5.5. Neues Staatsamt – alte Stadtpolitik: die Danziger Regierung auf der Seite der lokalen Emanzipationsgegner . 169 5.6. Die antijüdischen Unruhen 1819 . 172 5.7. Kommunikation beschränkt, Information verweigert: ministeriale Machtäußerung . 177 5.8. Der Staat versus die Stadt: im Spiegel der Einzelverleihung der Bürgerrechte . 182 5.9. Resümee . 185 6. Die Straße tobt: die antijüdischen Unruhen 1821 . 187 6.1. Die Ursachen . 187 6.2. Der Verlauf . 192 6.3. Die Stimmen auf der Straße: die antijüdischen Schmähschriften . 195 6.4. Die Untersuchung . 202 6.4.1. Die Behörden im Visier . 202 6.4.2. Gültig oder nicht? Das Emanzipationsedikt in Frage gestellt . 226 6.5. Resümee . 230 7. Der König bestätigt: die Durchsetzung der Emanzipationspolitik im Handel in den 1820er Jahren . 231 7.1. Talente und Kapital für das Allgemeinwohl nutzen: die Einrichtung der Korporation der Kaufmannschaft . 231 7.2. Der staatliche Einsatz für die jüdischen Kaufleute . 240 7.3. Der Einzug der Juden in die Korporation der Kaufmannschaft . 242 7.4. Die Revision des Reglements des St. Dominik-Jahrmarkts . 244 7.5. Die Emanzipationskritik seitens der Provinzialstände Ost- und Westpreußens . 247 7.6. Die allerhöchste königliche Bestätigung des Emanzipationsedikts . 250 7.7. Resümee . 258 8. Die Öffentlichkeit bleibt gespalten: die Debatten der 1830er und 1840er Jahre . 259 8.1. Die Danziger Presse . 259 8.2. Vom »Judenfeind« zum »Judenfreund«: der ideologische Wandel von Karl Streckfuß . 262 8.3. Neue Stimmen zum jüdischen Handel . 264 8.4. Der christliche Staat in Sicht . 266 8.5. Der »Verein zur Verbreitung des Christentums unter den Juden« . 280 8.6. Judentum und Humanität: der Streit zwischen Philotas und Kleonymos . 282 8.7. Soziokulturelle Distanz zwischen Christen und Juden . 287 8.8. Die Gesetzgebungsarbeiten in den 1840er Jahren . 292 8.9. Resümee . 296 Schluss . 297 Danksagung. 308 Anhänge . 310 Abkürzungsverzeichnis . 326 Quellen- und Literaturverzeichnis . 327 Archivalische Quellen . 327 Periodika . 329 Gedruckte Quellen . 329 Nachschlagwerke . 332 Sekundärliteratur . 332 Personenregister . 350 Einleitung Fragestellung und theoretischer Ansatz An der Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert vollzog die Judenpolitik in mehreren europäischen Ländern einen radikalen Wandel. Das seit der Aufklärung diskutierte politisch-ideologische Konzept der rechtlichen Gleichstellung von Juden und Christen wurde zum politischen Programm und zur normativen Richtlinie der neuen Gesetzgebung. Es wurde einer- seits als eine humanitäre Maßnahme zur Beendigung der Unterdrückung einer national-religiösen Minderheit verstanden, andererseits fungierte es als Mittel zur beabsichtigten Vereinheitlichung des Rechtssystems. Infolge der in einigen europäischen Ländern revolutionären, in anderen Ländern reformerischen Erneuerungen stellte das Gleichstellungskon- zept einen Bestandteil der Tagespolitik dar, mit dessen Durchführung die höchsten Obrigkeiten ihre Verwaltungen betrauten. In der verwaltungs- politischen Alltagspraxis stießen diese Forderungen auf gegensätzliche Interpretationen, auf einen Mangel an Umsetzungswillen oder -fähigkeit und nicht zuletzt auf unterschiedliche soziale Zusammenhänge. Nicht nur Staatsbeamte aller Verwaltungsebenen, sondern auch kommunale Behörden sowie die jüdische und christliche Bevölkerung mussten sich mit der neuen Emanzipationspolitik auseinandersetzen. Die neue so- ziopolitische Situation bedurfte einer Erklärung, die der Gesetzgeber nicht immer lieferte bzw. die nicht die allgemeine Zustimmung aller politischen und sozialen Akteure fand. Der Prozess der rechtlichen Gleichstellung vollzog sich im Grunde genommen im Zeitraum zwischen den 1780er und den 1870er Jahren. An dessen Anfang standen die Reformen des Kaisers Joseph II. sowie das politische Konzept des preußischen Beamten Christian Wilhelm Dohm. Den Abschluss brachten die Verfassungen des Norddeutschen Bundes von 1869 und des deutschen Kaiserreichs von 1871, die keinen Unterschied zwischen Bürgern verschiedener Religionen machten. Eine allgemeine, in der Historiographie aufgestellte These lautet, dass die Stadteliten in den preußischen Städten zu Beginn des 19. Jahrhun- derts im Regelfall gegen die Erweiterung der Judenrechte optierten.1 1 Brigitte Meier, Politisierung des Bürgers auf dem Wege der städtischen Selbst- verwaltung 1770-1830, in: dies., Helga Schultz (Hrsg.), Die Wiederkehr des Stadtbürgers. Städtereformen im europäischen Vergleich 1750 bis 1850, Berlin 1994, S. 21-67, hier S. 58; Tobias Schenk, Wegbereiter der Emanzipation? Studien 9 einleitung Gleichzeitig wird gesagt, dass die restaurative Ausrichtung der preußi- schen Politik nach dem Wiener Kongress auch die Judenpolitik mitbe- stimmte.2 Wie erklärt sich also der in Danzig stattgefundene Konflikt um die Judenpolitik zwischen dem Staat und der Stadt,3 wenn die beiden Großakteure nach den bekannten allgemeinen Thesen ein restauratives Ziel verfolgt haben sollen? Wieso haben die antiemanzipatorischen Tendenzen der städtischen und staatlichen Akteure nicht zusammen- gewirkt? Stattdessen pochte die Staatsverwaltung auf die Umsetzung der Emanzipationsvorschriften bis zu ihrer endgültigen und nicht mehr umkehrbaren Bestätigung im Jahre 1832.4 Wurde etwa die antiemanzi- patorische Politik von unterschiedlichen Akteuren mit verschiedenen Bedeutungen und/oder Zielsetzungen versehen? Wie ist aber der Staat mit dem Problem umgegangen, auf der lokalen Ebene ein reformatori- sches Judengesetz zu bewahren und gleichzeitig eine restaurative Politik im Allgemeinen zu betreiben? Dies sind einige der Fragen, die am Aus- gangspunkt der vorliegenden Studie stehen. Dem Ansatz von Joachim Eibach folgend, der das Handeln des Staates auf der kommunalen Ebene (»vor Ort«) analysierte,5 setzt sich die vorlie- gende Arbeit als Ziel, durch die Untersuchung der rechtspolitischen Pro- zesse Rückschlüsse auf die Umsetzung der staatlichen Judenpolitik in der Provinz zu erhalten. Großer Wert wird auf eine detaillierte Beschreibung der lokalen Umstände gelegt, ohne die Entwicklungen im ganzen Land aus dem Blick zu lassen.6 Denn, wie Wolfgang Neugebauer bemerkte: zur Judenpolitik des »Aufgeklärten Absolutismus« in Preußen (1763-1812), Berlin 2010, S. 243-244. 2 Stefi Jersch-Wenzel, Rechtslage und Emanzipation, in: dies., Michael Brenner, Michael A. Meyer (Hrsg.), Deutsch-jüdische Geschichte in der Neuzeit, Bd. 2, München 2000, S. 15-56, hier S.